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Autor: Fiege, Jürgen.<br />
Titel: Bildgestaltung, Bildsprache: Komposition.<br />
http:/ /www.mediaculture- <strong>online</strong>.de<br />
Quelle: Jürgen Fliege: Die Dauer des Augenblicks. Ein fotopädagogisches<br />
Handbuch. T 6. München 2002. S. 1- 44.<br />
Verlag: kopaed verlagsgmbh.<br />
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.<br />
Jürgen Fiege<br />
Bildgestaltung, Bildsprache: Komposition<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
BILDGESTALTUNG, BILDSPRACHE: KOMPOSITION............................................1<br />
1. Einstellungsgrößen (siehe Blatt A 18 und D 2)..................................................................................4<br />
2. Perspektive (siehe Blatt A 18)...................................................................................................................7<br />
3. Schärfe und Unschärfe (siehe Blätter A 4, A 5, A 6, A 7, T 2, T 4)...........................................10<br />
4. Brennweiten (siehe Blatt A 7).................................................................................................................12<br />
5. Raumperspektive (siehe Blatt A 16)....................................................................................................16<br />
6. Beleuchtung (siehe Blatt A 18)...............................................................................................................17<br />
7. Filter.................................................................................................................................................................21<br />
8. Filmmaterial, Papier, Entwickler (siehe Blätter A 10, A 12, A 13, A 14).................................23<br />
9. Elemente der Bildgestaltung (A 18)......................................................................................................25<br />
9.1 Linien und Diagonalen ..............................................................................................................................26<br />
9.2 Bewegung ......................................................................................................................................................28<br />
9.3 Goldener Schnitt und optische Bildmitte............................................................................................29<br />
9.4. Schwerpunkt, Kontrast, Symmetrie und Spannung ........................................................................31<br />
9.5. Bildformate, Ausschnitt und Bildrand ................................................................................................35<br />
9.6. Vorder- , Mittel- und Hintergrund .......................................................................................................38<br />
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9.7. Bildpräsentation (siehe P 15).................................................................................................................40<br />
9.8. Psychologische und gesellschaftliche Voraussetzungen der Bildsprache...............................44<br />
9.9. Durchbrechen der Regeln: Künstlerische Fotografie, Alltagsfotografie und Sozialfotografie<br />
48<br />
Bevor wir in die Details dieses Teils einsteigen, müssen einige definitorische<br />
Bestimmungen vorgenommen werden, damit wir uns verständigen können. In der<br />
Literatur gehen die Definitionen für die Begriffe Bildsprache, Bildgestaltung und<br />
Komposition teilweise durcheinander, sind widersprüchlich oder werden nicht<br />
präzise vorgenommen. Den Begriff „Komposition“ werde ich im folgenden als<br />
übergeordnet verwenden. Er stammt aus der Malerei und geht davon aus, dass<br />
Formen, Linien und Farben in einem bestimmten, beschreibbaren Verhältnis auf<br />
die Fläche des Bildes verteilt sind. In der Fotografie wird dieser Begriff häufig mit<br />
„Bildgestaltung“ gleichgesetzt. Dabei wird oft davon ausgegangen, dass die<br />
Absicht und das aktive Handeln des Gestalters und die Wirkung auf den<br />
Betrachter identisch sind. Ich werde im folgenden dagegen den Begriff<br />
„Bildgestaltung“ nur für das aktive Handeln des Gestalters verwenden, da die<br />
Wirkung der Gestaltung auf den Betrachter bisher nicht zweifelsfrei und eindeutig<br />
geklärt ist.<br />
Der Begriff „Bildsprache“ ist insofern passend, als bestimmte Bildelemente<br />
tatsächlich aufgrund wahrnehmungsphysiologischer Bedingungen oder<br />
gesellschaftlicher Übereinkunft Zeichencharakter haben, die vom Betrachter -<br />
mehr oder minder eindeutig - „gelesen“ werden können. Dieser Begriff bezieht<br />
sich auf die Wahrnehmung des Betrachters ebenso wie auf die Absicht des<br />
Gestalters. Bildsprache ist demnach ein Kommunikationssystem ähnlich der<br />
gesprochenen Sprache, mit dem Unterschied, dass es sich bei der Bildsprache um<br />
eine Ein- Weg- Kommunikation handelt, bei der der Gestalter der „Sprechende“,<br />
und der Betrachter der „Hörende“ ist; eine Antwort im Sinne des mündlichen<br />
Gesprächs (Zwei- Weg- Kommunikation) gibt es dabei nicht. Feininger<br />
(Kompositionskurs, S. 29) definiert Komposition als „Formgebung durch<br />
Anordnung. Das umfasst Klärung, Betonung, Konzentration, Isolation,<br />
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Hinzufügen, Wegnehmen, Neuordnen, Verbessern, Auswählen und Verwerfen von<br />
Ideen, Konzepten, Aspekten des Motivs und Komponenten des Bildes auf der<br />
Grundlage der Auswahl“.<br />
„Das Wesen der Komposition ist Ordnung, ihr Sinn besteht darin, das<br />
Aufnahmemotiv zu betonen und es in der grafisch wirkungsvollsten Art<br />
darzustellen. Das setzt natürlich von Seiten des Fotografen die Fähigkeit voraus,<br />
tatsächlich in grafischen Wirkungen sehen zu können (...)“ (Feininger, a.a.O., S.<br />
19). Und an anderer Stelle (a.a.O., S. 46) definiert er: „Das Wesen der<br />
Komposition ist Organisation. Organisieren bedeutet ordnen. Und Ordnung ist<br />
gleichbedeutend mit logischer Anordnung aller Komponenten des Objektes,<br />
wobei jedes Bildelement seinen besonderen Platz hat.“<br />
Damit ist zugleich gesagt, dass es ein aktives Tun und nicht zufälliges Ergebnis<br />
ist. Dies unterscheidet dann auch den professionellen oder Hobbyfotografen vom<br />
Amateurfotografen oder „Saisonkonformisten“ (Bourdieu): Während dieser ein Bild<br />
komponiert, d.h. die Bildelemente absichts- und planvoll zusammenstellt und<br />
dabei ihre Wirkung auf den Betrachter kalkuliert, knipst jener drauflos und hofft,<br />
dass unter der Masse der fertigen Bilder einige „schöne“ oder „gelungene“ dabei<br />
sind, wobei nicht einmal klar wird, was schön und gelungen ist.<br />
Die „Regeln“ der Bildgestaltung und Bildsprache gelten prinzipiell für alle<br />
Bereiche der Fotografie. Insbesondere in der künstlerischen Fotografie, auch in<br />
der Dokumentarfotografie kommen allerdings immer wieder Abweichungen vor,<br />
ja machen teilweise der besonderen Reiz der jeweiligen Bilder aus: gerade das<br />
Abweichen von den akademischen Regeln, von der Konventionen und gewohnten<br />
Sehweisen, macht häufig den Reiz von Fotos aus (siehe Kap.9.9).<br />
Eine besondere Rolle spielt in der Bildgestaltung wie in anderen Zeichensystemen<br />
das Symbol. So werden Dreidimensionalität und Bildtiefe im Bild durch bestimmte<br />
Symbole gekennzeichnet: anscheinende Verjüngung der in Wirklichkeit parallelen<br />
Linien, durch Verkleinerung, Verkürzung, Überlappen, Licht und Schatten. So wird<br />
die Illusion einer Tiefenwirkung erzeugt. Oder Bewegung wird durch Unschärfe<br />
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symbolisiert (vgl. Feininger: Fotolehre, S. 246 ff und S. 379 ff). Die Bildsprache ist<br />
ein komplexes System von Bildsymbolen, die jeweils durch gesellschaftliche<br />
Übereinkunft, wahrnehmungsphysiologische Voraussetzungen oder Tradition<br />
einen bestimmten Bedeutungsinhalt haben. Die Wahl der bildsprachlichen Mittel<br />
ist daher auch nicht beliebig, denn jedes Symbol löst bei Betrachtern eines<br />
bestimmten Kulturkreises, einer bestimmten Sozialstruktur spezifische<br />
Assoziationen aus. Gute Berufs- oder Hobbyfotografen werden daher die Wahl<br />
ihrer bildgestalterischen Symbole bewusst und sorgfältig treffen.<br />
Vilém Flusser (Philosophie, S. 8) geht das Problem von der philosophischen Seite<br />
an. Er bezeichnet das „Schweifen (des Betrachters) über die Bildoberfläche als<br />
‘Scanning“‘.<br />
„ Dabei folgt der Blick einem komplexen Weg, der zum einen von der Bildstruktur,<br />
zum anderen von den Intentionen des Betrachters geformt ist. (...) Die Bedeutung<br />
des Bildes (...) stellt demnach eine Synthese zweier Intentionen dar: jener, die sich<br />
im Bild manifestiert, und jener des Betrachters.“ Bilder sind demnach<br />
„mehrdeutige Symbolkomplexe: Sie bieten Raum für Interpretationen.“<br />
Daraus folgt: Je komplexer ein Bild ist, desto mehr Interpretationsmöglichkeiten<br />
bietet es. Die Gebrauchs- und Werbefotografie, aber auch das Dokumentar- oder<br />
Propangandafoto werden möglichst einfach sein, damit die vom Fotografen<br />
intendierte Wirkung beim Betrachter erreicht wird. Umgekehrt wird das<br />
künstlerische Foto komplexer sein und sehr viele Interpretationsmöglichkeiten<br />
öffnen.<br />
Ähnlich, aber systematischer geht Barthes (Kammer, S. 41 ff) vor. Er stellt fest,<br />
dass gute, interessante, aufregende, einprägsame Fotos bestimmte Elemente<br />
aufweisen:<br />
1. Dualität : unterschiedliche Bildinhalte oder - aussagen kontrastieren<br />
zueinander;<br />
2. Information : das Foto vermittelt Kenntnisse, die neu, originell, aufregend<br />
sind;<br />
3. Überraschung : Seltenheit, Gestus, eine Großtat, ein origineller Fund oder<br />
Fototricks (Doppelbelichtung, Verzerrung, Unschärfe etc.)<br />
fesseln den Betrachter;<br />
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4.Porträt als Maske:<br />
am Beispiel der Fotos August Sanders erläutert er, dass<br />
hinter dem Porträt ein sozialer Sinn durchscheint, sie machen<br />
nachdenklich;<br />
5.Verlockung : dort möchte ich sein.<br />
Umgekehrt stellt er (S. 50 ff) fest, dass schlechte, langweilige Fotos einförmig<br />
sind: die Komposition ist einheitlich, das Fotos bedient sich einer akademischen<br />
Rhetorik. Als Beispiel führt er Reportagefotos, die schockierend, aber nicht<br />
bewegend sind, und pornografische Fotos an, die ausschließlich das<br />
Geschlechtliche ausstellen.<br />
Die Gebrauchsfotografie, insbesondere die Werbefotografie folgen den<br />
Gesetzmäßigkeiten der Bildgestaltung in der Regel sehr genau. Sie richten sich an<br />
ein Massenpublikum; d.h. sie müssen in erster Linie mit Klischees arbeiten, die<br />
von allen, mindestens der Mehrzahl sofort verstanden werden. Ein Werbeplakat,<br />
bei dem ich erst die Bildsprache mühsam zusammenbuchstabieren muss, hat<br />
schon verloren. Aber: auch die Werbung kann nicht die immer gleichen optischen<br />
Versatzstücke wieder und wieder verwenden, ohne langweilig zu werden.<br />
Angesichts hoher Konkurrenz zwischen wenigen großen Monopolisten der<br />
wichtigsten Konsumgüter, bei der es häufig um Marktanteile von<br />
Prozentbruchteilen geht, müssen die Werbefachleute sich ständig neue Gags<br />
einfallen lassen, um die Aufmerksamkeit der Betrachter (und Konsumenten)<br />
anzuziehen. Hierbei kommt es aber wieder auf den Balanceakt an, vertraute<br />
(Bild- ) Elemente mit neuen, sensationellen zu verbinden. So kann der altbekannte<br />
Werbeslogan mit einem neuen Bild versehen werden. Oder ein bekanntes Bild<br />
oder Symbol wird mit einem neuen Text versehen usw. Dabei muss aber immer<br />
auch die Zielgruppe der Werbung berücksichtigt werden. Jugendliche z.B.<br />
benutzen und verstehen andere Symbole als Erwachsene, „gebildete“ Erwachsene<br />
erwarten andere Sensationen als „ungebildete“, Reiche reagieren auf bestimmte<br />
Symbole oder Zeichen, die Armen unbekannt sind. usw. Eine Sektedelmarke wird<br />
kaum einen Sozialhilfeempfänger bildlich präsentieren; es sei denn als - meiner<br />
Meinung nach zynischen und geschmacklosen - Gag, dann allerdings eher einen<br />
Obdachlosen, um die ironisierende Wirkung zu verstärken. Eine Werbekampagne<br />
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analysiert daher zunächst die Zielgruppe, legt dann das Verhältnis von Klischee<br />
und neuer Symbolik fest, arbeitet das Spezifische des Produkts für die Zielgruppe<br />
heraus und entwickelt daraus ihre Strategie und ihre Zeichensprache. Das<br />
Ergebnis wird im Großversuch mit einer repräsentativen Bevölkerungsgruppe<br />
getestet, ggf. verändert und erst dann veröffentlicht. Nach dieser Vorbemerkung<br />
will ich nun in den folgenden Kapiteln 1. bis 8. einige fotospezifische<br />
Gestaltungselemente vorstellen, die als fotografische Symbole benutzt und<br />
interpretiert werden können. Im Kapitel 9. werden dann fotospezifische<br />
bildsprachliche Elemente und ihre Bedeutung nach den Regeln der akademischen<br />
Gestaltungslehre untersucht.<br />
1. Einstellungsgrößen (siehe Blatt A 18 und D 2)<br />
Wesentliches Element der fotografischen Arbeit ist die Isolation des Motivs von<br />
der Umgebung. Jedes Foto ist nur ein geringer Ausschnitt dessen, was der<br />
Mensch sieht. Da das Foto zudem in jedem Fall ein verkleinertes Abbild der<br />
Wirklichkeit wiedergibt, ist dieser Isolationsprozess um so bedeutsamer und<br />
muss sehr sorgfältig vorgenommen werden: alle störenden Bildelemente -<br />
hässlicher oder unpassender Hinter- oder Vordergrund, Gegenstände oder<br />
Personen, die nicht zum eigentlichen Motiv passen, störendes Licht, unpassende<br />
Farben etc. - müssen ausgeschlossen werden, damit die Aufmerksamkeit des<br />
Betrachters nicht vom Wesentlichen abgelenkt wird. Eins der wichtigsten Mittel<br />
dazu ist die Wahl des Bildausschnitts. Dieser wird entweder dadurch bestimmt,<br />
dass der Fotograf mehr oder weniger dicht an das Motiv herangeht; je näher er<br />
dem Motiv ist, desto geringer ist der Bildausschnitt, desto weniger Einzelheiten<br />
sind auf dem Bild, desto größer werden diese aber auch; je weiter er weggeht,<br />
desto mehr Bildinformationen werden aufgezeichnet, aber entsprechend kleiner.<br />
Es kommt also darauf an, bei der Aufnahme, spätestens jedoch bei der<br />
Anfertigung des Positivs die folgenden Prinzipien zu berücksichtigen:<br />
– Isolierung der wichtigsten Bildaussage;<br />
– Reduktion der Bildinformation auf das Wesentliche;<br />
6
– Ausschließen aller störenden Bildinformationen;<br />
– Herstellen möglichst großer Nähe zum Objekt;<br />
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– dies kann geschehen durch Verringerung des Abstands zwischen Kamera und<br />
Objekt oder durch Verwendung eines Objektivs mit langer Brennweite. In<br />
Anlehnung an die von der Filmanalyse entwickelten Begriffe wird auch in der<br />
Fotografie von den folgenden Einstellungsgrößen gesprochen (siehe Blatt A 16):<br />
1. Panoramaaufnahme : Diese Einstellungsgröße wurde im Film erst nach<br />
Erfindung des Breitwandfilms eingeführt; in der Fotografie ist sie nur durch<br />
Verwendung eines Weitwinkelobjektivs, eines Panoramaobjektivs, durch<br />
Montage zweier oder mehrere Negative oder durch entsprechende<br />
Ausschnittvergrößerungen möglich. Die Panoramaaufnahme wird benutzt,<br />
um einen Überblick über einen großen Zusammenhang herzustellen<br />
(Landschafts- oder Städteaufnahmen, Massenveranstaltungen etc.).<br />
2. Totale : Die Totale hat einen ähnlichen Charakter wie die<br />
Panoramaufnahme, sie ist aber durch Verwendung eines Normal- oder<br />
geringen Weitwinkelobjektivs herzustellen.<br />
3. Halbtotale : durch die Halbtotale wird bereits etwas größere Nähe zum<br />
Objekt hergestellt; Menschen sind formatfüllend abgebildet, der Betrachter<br />
sieht aber noch die Umgebung. Die Halbtotale kann durch Verringerung<br />
der Distanz zwischen Kamera und Objekt oder durch Verwendung eines<br />
Objektivs mit langer Brennweite hergestellt werden.<br />
4. Halbnah : Menschen im Vordergrund sind nicht vollständig abgebildet;<br />
Füße, Beine oder der Kopfoberteil können abgeschnitten sein. Im Hintergrund<br />
befindliche Personen können formatfüllend abgebildet sein. Die Umgebung<br />
ist noch deutlich zu sehen.<br />
5. Amerikanische Einstellung : es handelt sich um den Versuch, die<br />
Umgebung des Menschen im Bild zu haben, aber dennoch die<br />
Aufmerksamkeit auf den Menschen zu konzentrieren. Diese<br />
Einstellungsgröße wurde zunächst bei Wildwestfilmen im Show- down<br />
verwendet, bei dem die Helden möglichst groß ins Bild gesetzt werden<br />
sollten, der Colt am Oberschenkel der Personen aber sichtbar bleiben sollte;<br />
sie wurde nach dem Herkunftsland dieser Filme benannt. Der Mensch ist<br />
vom Kopf bis zum halben Oberschenkel zu sehen.<br />
6. Nahaufnahme : Menschen sind von der Hüfte aufwärts zu sehen (Brustbild).<br />
7. Großaufnahme : nur der Kopf von Menschen ist zu sehen.<br />
8. Detailaufnahme : es sind nur die Augen und die Nase oder nur die Augen<br />
(oder andere Gesichtspartien, z.B. Auge und Ohr) zu sehen.<br />
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Die Definition der Einstellungsgrößen ist nur systematisch möglich. In der Praxis<br />
der Bildanalyse kann es immer wieder Meinungsverschiedenheiten darüber<br />
geben, welche Einstellungsgröße gerade vorliegt. Es handelt sich bei diesen<br />
Begriffen immer nur darum, eine Verständigungsebene zu finden, nicht um<br />
Dogmen. Für alle Einstellungsgrößen gilt: je größer die Einstellung sein soll,<br />
desto näher muss die Kamera am Objekt sein oder desto länger muss die<br />
Brennweite des Objektivs sein, wenn der Kamerastandpunkt nicht verändert<br />
werden soll.<br />
Unter bildsprachlichen Gesichtspunkten ist wichtig, dass größere Einstellungen<br />
mehr Nähe oder Intimität herstellen, kleinere Einstellungsgrößen dagegen<br />
Distanz und Übersicht.<br />
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2. Perspektive (siehe Blatt A 18)<br />
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Unter Perspektive werden in der Literatur verschiedene Dinge verstanden. Freier<br />
(Lexikon der Fotografie, S. 261 f.) definiert:<br />
„ Darstellung der dreidimensionalen, körperlich - räumlichen Wirklichkeit in einem<br />
zweidimensionalen Bild, so daß das Motiv auf der Bildfläche einen<br />
annähernd gleichen Seheindruck hinterläßt wie das Motiv in der<br />
Wirklichkeit selbst; Ziel einer perspektivischen Darstellung ist also die Illusion<br />
von Räumlichkeit.“ Dieser Effekt läßt sich durch verschiedene Gestaltungsmittel<br />
herstellen. „Sie täuscht vom einäugigen Sehen her übertragen, Räumlichkeit<br />
derart vor, daß sich alle in Wirklichkeit parallelen, in die Tiefe verlaufenden<br />
Linien in einem Fluchtpunkt schneiden. Daraus resultiert eine kontinuierliche<br />
Verkleinerung der Dinge vom Vordergrund zum Hintergrund hin. Das Maß der<br />
Verkleinerung erfolgt proportional zur Entfernung.“<br />
Perspektive in diesem Sinne dient also dazu, die Dreidimensionalität der<br />
Wirklichkeit so auf die zweidimensionale Ebene des Bildes zu übertragen, dass<br />
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der Eindruck von Räumlichkeit und Tiefe für den Betrachter entsteht. Das Mittel<br />
der Zentralperspektive - das sich beim Foto sozusagen automatisch herstellt -<br />
ist nur eins unter mehreren. Daneben gibt es eine Reihe von Bildsymbolen, die<br />
dem gleichen Zweck dienen. So kann die Tiefenwirkung eines Fotos durch die<br />
Luftperspektive verstärkt werden: durch die optische Wirkung des Dunstes in<br />
der Luft (Staub, Feuchtigkeit, Flimmern) entsteht mit zunehmendem Abstand<br />
zwischen Kamera und Horizont ein Schleier, der Bildtiefe signalisiert. Durch eine<br />
spezifische Verteilung von Licht und Schatten kann Raumtiefe erreicht werden.<br />
Auch die Anordnung von Objekten in unterschiedlichem Größenmaßstab auf<br />
dem Foto kann Tiefe signalisieren: so können Bäume oder Zweige am Bildrand bei<br />
Landschaftsaufnahme einen Rahmen bilden, der Tiefe darstellt; oder durch<br />
Überlappung von Gegenständen kann dieser Effekt erzielt werden; durch Linien<br />
oder Diagonalen, die vom Bildrand im Vordergrund zur optischen Bildmitte im<br />
Hintergrund führen, kann Raumtiefe erzielt werden. Diese Effekte können durch<br />
die Wahl des Abstands vom Motiv, den Bildwinkel des Objektivs (durch eine<br />
lange Brennweite kann größere Tiefe erreicht werden) oder durch den<br />
Aufnahmewinkel erzielt werden. Festzuhalten ist aber in diesem<br />
Zusammenhang, dass die Wahrnehmung der Perspektive als dreidimensionale<br />
Bildtiefe ein Ergebnis erlernter Sehweisen ist.<br />
Die Zentralperspektive war Jahrhunderte lang die ästhetische Norm der Malerei<br />
und wurde auch von der Fotografie übernommen. Dabei war bedeutsam, dass bei<br />
der Malerei wie der Fotografie der Perspektivpunkt (also der Fluchtpunkt der<br />
Linien) in der Körpermitte der abgebildeten Menschen lag. Rodtschenko<br />
(Experiment, S. 78) nennt dies in einem Text von 1928 die<br />
„Bauchnabelperspektive“ und spricht sich vehement gegen die Benutzung dieser<br />
traditionellen Sichtweise in der Fotografie aus.<br />
„ Der neue, schnelle und realistische Spiegel der Welt - die Fotografie - müßte bei<br />
seinen Möglichkeiten, so scheint es, sich damit befassen, die Welt von allen<br />
Blickpunkten aus zu zeigen, und die Fähigkeiten lehren, sie von allen Seiten zu<br />
sehen. Aber da fällt die Psyche ‘des Bauchnabels’ von der Malerei mit ihrer<br />
jahrhundertelangen Autorität über den zeitgenössischen Fotografen her; (...).“ Er<br />
führt weiter aus „daß für die zeitgenössische Fotografie die interessantesten<br />
Blickwinkel die von oben nach unten oder von unten nach oben sind, (...).“<br />
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Konsequent hat er dem Betrachter die extremsten Perspektiven in seinen Fotos<br />
zugemutet. Wie alle radikalen Neuerer in der Kunst wurde er heftig angegriffen<br />
und seine Bilder wurden zunächst in der Sowjetunion boykottiert. Nach und nach<br />
setzte sich seine Sichtweise aber durch und für uns sind heute extreme<br />
Perspektiven in der Fotografie eher selbstverständlich und haben einen<br />
besonderen Reiz.<br />
Zur besseren Verständigung werden die folgenden Begriffe für die<br />
unterschiedlichen Perspektiven in der Fotografie benutzt:<br />
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1. Vogelperspektive : die Kamera befindet sich weit über dem Objekt und<br />
guckt auf dieses hinunter.<br />
2. Extreme Obersicht : die Kamera befindet sich deutlich über dem Objekt.<br />
3. Leichte Obersicht : die Kamera befindet sich nur etwas oberhalb des<br />
Objekts.<br />
4. Augenhöhe : die Kamera befindet sich auf gleicher Höhe mit dem Objekt.<br />
5. Leichte Untersicht : die Kamera befindet sich nur etwas unter dem Objekt.<br />
6. Extreme Untersicht : die Kamera befindet sich deutlich unter dem Objekt.<br />
7. Froschperspektive : Die Kamera befindet sich weit unter dem Objekt und<br />
guckt zu diesem hinauf.<br />
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Die Perspektive der Kamera wird auf dem Bild konsequent diejenige des<br />
Betrachters. Andere Perspektiven signalisieren aber nicht nur andere Sichtweisen<br />
der Welt als die gewohnten. Sie können außerdem Abhängigkeiten und<br />
Hierarchien symbolisieren. Ein Mensch aus der leichten oder extremen Untersicht<br />
betrachtet, wirkt bedrohlich, der Betrachter fühlt sich unterlegen; ein Mensch aus<br />
der leichten oder extremen Obersicht gesehen wirkt nicht bedrohlich, der<br />
Betrachter kann sich überlegen fühlen. Man kann das Prinzip aber auch<br />
ironisierend umdrehen: Ein Mensch, der aus einem Fenster in einer großen<br />
Häuserfront guckt und aus der extremen Untersicht oder der Froschperspektive<br />
fotografiert wird, kann verlassen, ja lächerlich wirken. Bei vielen gestalterischen<br />
Mitteln schlägt die Wirkung in der Übertreibung in ihr Gegenteil um.<br />
3. Schärfe und Unschärfe (siehe Blätter A 4, A 5, A 6, A 7, T 2, T 4)<br />
In den Texten T 2 und T 4 wurde bereits auf die gestalterische Bedeutung der<br />
Schärfe bzw. Unschärfe im Bild hingewiesen. Dies soll an dieser Stelle noch<br />
einmal systematisiert und vertieft werden.<br />
Normalerweise geht man davon aus, dass ein Foto möglichst vom Vorder- bis<br />
zum Hintergrund gleichmäßig scharf sein soll, so dass alle Details klar zu<br />
erkennen sind. Technisch perfekt lässt sich das nie erreichen; Korn in Film und<br />
Fotopapier, Tiefenunschärfe, bestimmte Bewegungsunschärfen, der Lichthof u. a.<br />
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Faktoren stehen dem entgegen. Andererseits haben die Fotografen die Unschärfe<br />
als gestalterisches Mittel entdeckt und setzten sie als Symbol für bestimmte<br />
Bedeutungsinhalte ein. Über die Bewegungsunschärfe als Symbol für<br />
Geschwindigkeit wurde bereits geschrieben (Text T 2). Streng genommen handelt<br />
es sich bei der Darstellung von Geschwindigkeit bzw. Bewegung allerdings nicht<br />
um ein Unschärfephänomen, denn bestimmte Bildteile sind ja scharf und zwar<br />
die, auf die es ankommt. Feininger (Richtig sehen, S. 142 ff) spricht daher vom<br />
„Verwischungseffekt“, wenn der Fotograf z.B. mitreißt. Auch die Aufnahme aus<br />
dem fahrenden Auto in Fahrtrichtung, bei dem die Bildränder durch<br />
Bewegungsunschärfe ganz unscharf sind, während zum Fluchtpunkt die Schärfe<br />
zunimmt, fällt unter diese Kategorie.<br />
Unschärfen lassen sich aber auch auf andere Weise herstellen und können<br />
zusätzlich andere Inhalte symbolisieren. Eine Methode ist die Nutzung des Korns<br />
von Film und Papier, um einen Weichzeichnereffekt z.B. bei Akt- oder Porträtfotos<br />
zu erzielen, bei denen es darauf ankommt, nicht jedes Detail zu zeigen. Der<br />
gleiche Effekt lässt sich auch erzielen, wenn man die Kamera mit einem<br />
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weichzeichnenden Filter versieht. Auch mit Hilfe des Zoomobjektivs lässt sich<br />
eine Unschärfe herstellen, wenn man während der Aufnahme den Zoom von einer<br />
kurzen Brennweite auf eine lange verstellt. Dadurch entsteht im Randbereich eine<br />
Unschärfe, die - ähnlich wie beim Wischeffekt - Bewegung symbolisieren kann.<br />
Neben der bewussten gestalterischen Nutzung der Bewegungsunschärfe ist die<br />
Anwendung der Tiefenunschärfe der am häufigsten angewandte Effekt. Hier<br />
macht der Fotograf sich die Tatsache zunutze, dass bei<br />
relativ offener Blende die Aufnahme von einem Unschärfebereich im Vordergrund<br />
über einen zunehmenden Schärfebereich bis zum schärfsten Punkt, auf den das<br />
Objektiv scharf gestellt ist, und dahinter wieder abnehmender Schärfe reicht.<br />
Durch das Öffnen oder Schließen der Blende und die Wahl der<br />
Entfernungseinstellung können bestimmte Bildpartien hervorgehoben oder<br />
ausgegrenzt werden. Dies kann z.B. ein Mittel sein, um Tiefe zu symbolisieren.<br />
„Die Gegenüberstellung von Schärfe und Unschärfe ist ein grafischer Beweis für<br />
Tiefe.“ (Feininger, Fotolehre, S. 372) Durch die Verbindung von Schärfe und<br />
Unschärfe in einem Bild kann der Fotograf auch die Aufmerksamkeit des<br />
Betrachters steuern („selektive Schärfe“), dessen Blick zunächst den scharfen<br />
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Bildteilen gilt. Auch um verschiedene Objekte in unterschiedlicher Entfernung von<br />
der Kamera grafisch zu trennen, kann man das Mittel der Unschärfe einsetzen.<br />
Ebenso kann die grafische Trennung von Objekten, die in der Tiefe des Bildes<br />
gestaffelt sind und ineinander überlaufen, durch Schärfe und Unschärfe erzielt<br />
werden. In Text T 5 (Arbeiten im Positivlabor) wurde bereits die Technik der<br />
Verzerrung erläutert. Hierbei handelt es sich ebenfalls um den Einsatz der<br />
Unschärfe zu gestalterischen Zwecken. Durch Verzerrung (Kippen oder<br />
Hochwölben des Papier bei der Vergrößerung) werden bestimmte Bildteile<br />
unscharf, während andere scharf werden. Auf diese Weise kann ein Motiv in der<br />
Nachbearbeitung so manipulieren werden, dass z.B. Bewegungsunschärfe,<br />
Dynamik u.ä. dargestellt werden.<br />
4. Brennweiten (siehe Blatt A 7)<br />
Die Wahl der Brennweite eines Objektivs ist nicht nur eine technische, sondern<br />
vor allem eine gestalterische Frage, manche Fotografen machen sie sogar zur<br />
Prinzipienfrage. Wir wollen an dieser Stelle daher über das hinausgehen, was in<br />
Text T 2 behandelt wurde. Zunächst bleibt festzuhalten, dass das Normalobjektiv<br />
der menschlichen Sehweise am nächsten kommt. Zwar hat das menschliche Auge<br />
einen Gesichtskreis von annähernd 360° die Randbereiche werden aber anders<br />
wahrgenommen, als die zentralen: einerseits sieht das Auge im Randbereich nur<br />
noch schwarz- weiß und nicht mehr farbig, es nimmt nur noch Bewegungen wahr;<br />
andererseits konzentriert sich das Hirn auf einen Bildwinkel von ca. 45° was<br />
ungefähr dem entspricht, was auch das Normalobjektiv mit 50 mm Brennweite<br />
wiedergibt (siehe Blatt A 19). Auch die Größenverhältnisse der abgebildeten<br />
Objekte zueinander, insbesondere der Abstand der verschiedenen Objekte von<br />
einander entsprechen beim Normalobjektiv dem Seheindruck des Menschen am<br />
ehesten.<br />
Jede längere oder kürzere Brennweite verändert das Bild in spezifisch<br />
gestalterischer Weise. Die übliche Gebrauchsweise des Teleobjektivs ist, dass<br />
man es wie ein Fernglas benutzt: weil der Fotograf nicht nahe genug ans Objekt<br />
heran kommt oder will, verkürzt er die Distanz zwischen sich und dem Objektiv<br />
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durch eine größere Brennweite. Dabei wird häufig die gestalterische Wirkung der<br />
längeren Brennweite vernachlässigt. Besonders Fotojournalisten benutzen<br />
extreme Teleobjektive sehr häufig, um darüber hinwegzutäuschen, dass sie nicht<br />
dicht am Objekt sind. Aus demselben Grund verwenden bestimmte<br />
Dokumentarfotografen (s. Kap. 9.9, Blätter A 21, A 22 und Texte T 7, P 5)<br />
bevorzugt Normal- oder gar Weitwinkelobjektive, weil sie durch ihre Bilder, aber<br />
auch durch die Aufnahmenähe dokumentieren wollen, dass sie sich mitten im<br />
Geschehen befinden, Teil der Wirklichkeit sind, die sie abbilden. Feininger<br />
dagegen schreibt (Fotolehre, S. 363): „Ich persönlich finde diese Art der<br />
Perspektive (mit langer Brennweite) besonders schön, weil sie das natürliche<br />
Größenverhältnis zwischen den abgebildeten Objekten bewahrt, soweit das in<br />
einem Foto möglich ist.“<br />
Was hier vordergründig als ideologischer Widerspruch erscheint, hat einerseits<br />
etwas damit zu tun, welche Art von Fotos für welchen Zweck man macht und<br />
welchen Gestaltungsprinzipien man den Vorrang gibt. Worin bestehen nun die<br />
gestalterischen Unterschiede zwischen Objektiven verschiedener Brennweite?<br />
Beginnen wir mit dem Teleobjektiv (ab ca. 70 mm Brennweite mit einem<br />
Bildwinkel von weniger als 45° Von der Teleraffung bei langen Brennweiten habe<br />
ich bereits geschrieben, auch davon, dass bei längerer Brennweite die<br />
Tiefenschärfe abnimmt. Ich kann also durch eine Teleraffung den Eindruck von<br />
Enge gestalterisch hervorrufen, weil die Abstände zwischen den Gegenständen<br />
verringert zu werden scheinen. Außerdem kann ich durch geringe Tiefenschärfe<br />
den Blick des Betrachters auf einen bestimmten Bereich der gesamten Aufnahme<br />
konzentrieren. Ich kann aber auch durch den relativ großen Abstand vom Objekt<br />
die Aufnahmeperspektive verändern. Wenn ich z.B. ein Hochhaus mit einem<br />
Normalobjektiv formatfüllend fotografiere, bekomme ich eine extreme Untersicht<br />
und damit zusammenhängend stürzende Linien nach oben, weil ich relativ dicht<br />
an das Haus herangehen muss. Will ich die Untersicht und die stürzenden Linien<br />
vermeiden, muss ich weiter vom Objekt weggehen. Bei gleichbleibender<br />
Brennweite (50 mm Normalobjektiv) wird das Haus im Verhältnis zur Umgebung<br />
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kleiner und ist nicht mehr formatfüllend, der Bildeindruck verändert sich, das<br />
Haus<br />
als eigentliches Objekt tritt gegenüber der Umgebung und dem Vordergrund<br />
zurück. Will ich all das vermeiden, dann benutzte ich das Teleobjektiv: ich kann<br />
weit genug vom Objekt, meinem Hochhaus weggehen und vermeide so die<br />
extreme Untersicht; ich kann dennoch das Haus formatfüllend abbilden, weil das<br />
Teleobjektiv, das Objekt „heranholt“. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass es<br />
mir physisch möglich ist, den Abstand zwischen mir und dem Hochhaus beliebig<br />
zu vergrößern. In einer engen Straßenschlucht stoße ich dabei schnell an<br />
Grenzen. Allerdings handele ich mir bei langer Brennweite die Nachteile von<br />
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geringer Tiefenschärfe und - bei nicht ganz klarem Wetter - der Luftperspektive<br />
ein. Wie bei allen gestalterischen Techniken habe ich daher die Wahl zwischen<br />
verschiedenen Möglichkeiten.<br />
Feininger (Fotolehre, S. 362) empfiehlt auch für Porträtaufnahmen längere<br />
Brennweiten, „weil sie Bilder in größerem Maßstab geben und dementsprechend<br />
einen größeren Abstand zwischen Bildgegenstand und Kamera erfordern, was<br />
wiederum eine bessere Perspektive ergibt.“ Auch auf die geringere Verzeichnung<br />
des Größenmaßstabs weist er in diesem Zusammenhang hin. Eine weitere<br />
Eigenschaft des Objektivs mit längerer Brennweite besteht darin, dass Objekte<br />
von gleicher Größe auch bei unterschiedlichem Abstand von der Kamera im Foto<br />
mit relativ geringen Größenunterschieden abgebildet werden. Bei größerer<br />
Brennweite und größerem Aufnahmeabstand vom Objekt wird die Verkleinerung<br />
immer geringer. Sollen also die natürlichen Größenverhältnisse der Gegenstände<br />
zueinander auch in der Tiefe des Bildes wiedergegeben und Verzeichnungen<br />
vermieden werden, sollte der Fotograf einen großen Aufnahmeabstand und ein<br />
Objektiv mit langer Brennweite wählen.<br />
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Alle Eigenschaften des Teleobjektivs werden mit zunehmender Brennweite stärker<br />
betont: die Teleraffung, die Luftperspektive, die geringere Tiefenschärfe, die<br />
geringere perspektivische Verzeichnung, das Zurücktreten des Vordergrunds, die<br />
abnehmende Bildtiefe sowie die Abbildung der natürlichen Größenverhältnisse<br />
der Objekte zueinander.<br />
Das Gegenteil dessen, was das Teleobjektiv leistet, tritt beim Gebrauch des<br />
Weitwinkelobjektivs ein. Das Weitwinkelobjektiv hat eine Brennweite von weniger<br />
als 40 mm und einen Bildwinkel von mehr als 45°. Je kleiner die Brennweite,<br />
desto dichter muss ich an das Objekt herangehen, um es formatfüllend<br />
abzubilden, desto größer ist die perspektivische Verzeichnung. Das<br />
atmosphärische Flimmern nimmt ab, die Tiefenschärfe und die Bildtiefe nehmen<br />
zu, die Abbildung der Größenverhältnisse wird verfälscht, der Vordergrund wird<br />
betont. Im Extremfall entsteht die Weitwinkelverfremdung: alle geraden Linien -<br />
außer denen, die auf das Objektiv zulaufen, - werden gebogen wiedergegeben.<br />
Benutzt wird das Weitwinkelobjektiv in allen Fällen, in denen der Fotograf nicht<br />
genügend Abstand vom Objektiv nehmen kann, z.B. bei Architekturaufnahmen in<br />
engen Straßen. In diesem Fall ist das Objektiv das Hilfsmittel für ungünstige<br />
Aufnahmeverhältnisse. Der gestalterische Preis dafür sind die ungünstige<br />
Perspektive und die stürzenden Linien. Darüber hinaus empfiehlt sich das<br />
Weitwinkelobjektiv für Aufnahmen, bei denen es um möglichst große<br />
Tiefenschärfe geht, bei denen die Luftperspektive möglichst ausgeschaltet<br />
werden soll oder bei denen der Vordergrund betont und der Hintergrund<br />
unterdrückt werden soll. Auch der Tiefeneindruck wird durch das Objektiv mit<br />
kurzer Brennweite verstärkt. Bevorzugt wird das Weitwinkelobjektiv verwendet,<br />
um ironisierende Verfremdungen oder andere spezifische Effekte zu erzielen.<br />
Stürzende Linien in Verbindung mit der Untersicht oder Froschperspektive<br />
können die Aufmerksamkeit erregen, können einen satirischen Effekt haben.<br />
Durch diesen Verfremdungseffekt können die Wirkungen der Perspektive auf den<br />
Betrachter in ihr Gegenteil verkehrt werden (s. Kap. 2.). Insbesondere das<br />
Fischauge mit seiner sphärischen Perspektive, bei der alle nicht auf das Objektiv<br />
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zulaufenden Linien gekrümmt wiedergegeben werden, eignet sich für<br />
Verfremdungseffekte, die mit der Abbildung der Wirklichkeit wenig, mit dem<br />
Herstellen von Effekten und der damit verbundenen Aufmerksamkeit des<br />
Betrachters viel zu tun haben.<br />
5. Raumperspektive (siehe Blatt A 16)<br />
Die Raumperspektive ist kein technisches Verfahren (wie z.B. die<br />
Froschperspektive, die durch den Kamerastandpunkt bewirkt wird), sondern ein<br />
gestalterischer Effekt, der durch die Zuordnung der einzelnen Motivteile<br />
zueinander entsteht. Im Wesentlichen entsteht Raumperspektive dadurch, dass<br />
Vorder- Mittel- und Hintergrund gestaffelt hintereinander erscheinen, so dass die<br />
Wirkung die ist, dass das Bild Tiefe hat, also die Dreidimensionalität der<br />
Wirklichkeit auch in der Zweidimensionalität des Bildes symbolisiert wird durch<br />
eine Bestimmte Anordnung der Bildteile zueinander. Bevorzugt wurde und wird<br />
das Prinzip in der Landschafts- und der Stadtfotografie verwendet. Vor allem in<br />
der Werbung wird die Raumperspektive benutzt, um die Richtung einer Bewegung<br />
zu signalisieren oder einen abstrakten Begriff wie „Tiefe“ oder „Weite“ oder<br />
„Unendlichkeit“ zu symbolisieren. Man kann die Wirkung der Raumperspektive<br />
auch durch Anwendung technischer Mittel vertiefen, indem man ein<br />
Weitwinkelobjektiv und / oder eine Untersicht verwendet. Wenn z.B. die Länge<br />
eines Weges, seine Richtung und sein Ziel herausgearbeitet werden sollen, so<br />
wird man die Untersicht in Verbindung mit einem Objektiv mit kurzer Brennweite<br />
verwenden. Der Zielpunkt des Weges wird dann so gewählt, dass er möglichst in<br />
der optischen Mitte des Bildes liegt. Der Weg selber sollte durch in die Tiefe des<br />
Bildes gestaffelte Motivteile markiert sein, so dass der Betrachter gewissermaßen<br />
optisch in das Bild hinein geführt wird.<br />
21
6. Beleuchtung (siehe Blatt A 18)<br />
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Für den normalen Amateurfotografen spielt die Beleuchtung eine nachgeordnete<br />
Rolle. Für den gestaltenden Hobbyfotografen, den Werbeprofi oder den<br />
Kunstfotografen ist die Beleuchtung dagegen eins der wesentlichsten<br />
Gestaltungselemente. Am Beispiel der Porträtfotografie kann man sich das am<br />
ehesten klar machen. Beleuchte ich ein Gesicht mit hartem Licht von unten,<br />
bekommt es einen unheimlichen Ausdruck, ein Effekt, den sich der Horrorfilm<br />
zunutze macht. Beleuchte ich dagegen das Gesicht mit einem gleichmäßigen,<br />
weichen Licht, bekomme ich einen eher sinnlichen Eindruck, ein Mittel, das z.B.<br />
im Liebesfilm eingesetzt wird. Auch mit der Verteilung von Licht und Schatten,<br />
dem Kontrast usw. kann man bestimmte Effekte herstellen.<br />
Zunächst müssen die unterschiedlichen Charaktere des Lichts verdeutlicht<br />
werden. Das erste Unterscheidungsmerkmal ist die Helligkeit . Ein zweites<br />
Merkmal ist der Kontrast zwischen hell und dunkel. Drittens ist die Richtung des<br />
Lichts wichtig; man unterscheidet zwischen Vorder- , Seiten- , Gegen,- Ober- ,<br />
Unterlicht und direktem bzw. indirektem Licht. Schließlich spricht man von den<br />
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unterschiedlichen Qualitäten des Lichts : diffuses, reflektiertes, gefiltertes und<br />
natürliches Licht.<br />
Die Helligkeit eines Bildes ist einmal von den Lichtverhältnissen während der<br />
Aufnahme, dann aber von der Öffnung der Blende, der Belichtungszeit und der<br />
Filmempfindlichkeit abhängig. Das bedeutet zugleich, dass ich bei vorgegebener<br />
Helligkeit durch die technischen Variablen der Kamera die Helligkeit der<br />
Aufnahme beeinflussen kann. Gleichzeitig oder statt dessen kann ich durch<br />
künstliche Beleuchtungseffekte die Helligkeit erhöhen oder verringern: durch<br />
Zusatzscheinwerfer, Reflektoren, schattenwerfende Schirme u.ä. Bei hellem Licht<br />
werden Kontraste größer, die Atmosphäre wirkt heiterer; bei dunklerem Licht<br />
wird eine düstere, traurige Stimmung erzeugt.<br />
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Die Kontraste zwischen hell und dunkel sind abhängig von der Intensität des<br />
Lichts und der Dichte der schattenwerfenden Gegenstände. Im Schatten eines<br />
Baums gibt es immer noch Licht zum Fotografieren; fotografiere ich dagegen aus<br />
dem hellen Licht heraus einen Baum, so werde ich die Dinge im Schatten des<br />
Baumes nicht abbilden können. Der Kontrast hängt auch vom Charakter des<br />
Lichts ab: kleine, punktförmige Lichtquellen erzeugen großen Kontrast mit<br />
scharfen schwarzen Schatten, großflächige Lichtquellen dagegen bringen nur<br />
wenige Kontrast.<br />
Die Richtung des Lichts beeinflusst vor allem die Richtung der Schatten , die<br />
gliedernde Wirkung auf das Motiv hat. So kann ich z.B. durch die Verteilung der<br />
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Schatten auf dem Bild die Plastizität und Tiefe eines Motivs herausarbeiten. Ein<br />
Gebäude mit Vorderlicht wird flach und konturlos aussehen; benutze ich dagegen<br />
Seitenlicht, werden die plastischen Konturen stärker herauskommen. Fotografiere<br />
ich dagegen im Gegenlicht, bekomme ich nur die Konturen des Gebäudes als<br />
Silhouette aufs Bild. Durch die Verteilung der Schatten kann ich Tiefe<br />
symbolisieren, wenn ein Schatten in Blickrichtung fällt oder wenn mehrere<br />
Schatten quer zur Blickrichtung hintereinander gestaffelt auftauchen. Durch<br />
Unter- oder Oberlicht kann ich den Ausdruck eines Porträts z.B. in der<br />
Theaterfotografie beeinflussen: möchte ich einen unheimlichen Gesichtsaudruck<br />
unterstreichen, benutze ich Unterlicht; soll dagegen die Person flach,<br />
ausdruckslos erscheinen, benutzte ich Oberlicht.<br />
Über die Qualität des Lichts kann der Fotograf die Stimmung des Fotos<br />
beeinflussen. Am einfachsten ist es beim natürlichen Licht, das aber unter<br />
Studiobedingungen sehr schwer herzustellen ist und wahre Meisterschaft<br />
voraussetzt. Diffuses Licht, das z.B. durch eine dichte Wolkendecke entsteht,<br />
wirkt kontrastarm, strahlt aber noch von oben und wirft schwache Schatten.<br />
Reflektiertes Licht ist fast schattenlos und daher kontrastarm; seine Wirkung<br />
besteht in geringer Bildtiefe und Flächigkeit des Motivs.<br />
Schon beim Fotografieren im Tageslicht muss der/die Fotografin/in die<br />
Beleuchtung berücksichtigen. Der Charakter einer Szene ändert sich je nach<br />
dem, ob die Sonne scheint oder es bedeckt ist, es Tag ist oder Nacht, die Sonne<br />
hoch steht oder flach, Sommer oder Winter ist, es Morgen, Mittag oder Abend ist,<br />
wir in der Stadt, auf freiem Feld, im Hochgebirge oder an der See fotografieren,<br />
etc. Es ändern sich jeweils der Lichteinfall und der Schattenwurf.<br />
Wird künstliches Licht in geschlossenen Räumen verwendet, muss die Wirkung<br />
von Licht und Schatten besonders genau beachtet werden.<br />
Durch die Lichtführung kann der Eindruck von Dreidimensionalität im an sich<br />
zweidimensionalen Film erweckt werden. Glanzlichter und Reflexe geben<br />
Auskunft über die Oberfläche eines Objekts. Durch Lichtführung können<br />
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bestimmte Bildteile hervorgehoben und die Aufmerksamkeit des Betrachters<br />
gelenkt werden. Lichtart und Farbton haben Einfluss auf die Stimmungslage<br />
des Betrachters.<br />
Je nach Charakter des Lichts unterscheidet man:<br />
Führungslicht /Hauptlicht : Es ist die Hauptlichtquelle oder verstärkt bzw.<br />
verlängert die Hauptlichtquelle. Es muss daher zunächst festgelegt werden und<br />
bestimmt die gesamte Ausleuchtung.<br />
Fülllicht : dient zur Aufhellung und Abstimmung von Schatten, die das Hauptlicht<br />
wirft.<br />
Allgemein - oder Grundlicht : Es bestimmt das Grundniveau der Beleuchtung,<br />
liegt unter dem Niveau des Fülllichts und hebt die Beleuchtungsuntergrenze der<br />
Beleuchtung an. Es wird oft durch Reflektoren (weißes Tuch, Styroporplatte etc.)<br />
erzeugt.<br />
Konturen - oder Gegenlicht : trennt Vorder- und Hintergrund, erzeugt den<br />
Glamoureffekt. Augenlicht: bringt durch Spiegelung der Lampe im Auge Glanz ins<br />
Auge. Systematisch lassen sich Richtung und Qualität des Lichts und ihre<br />
optische Wirkung durch die folgende Tabelle darstellen:<br />
Richtung Vorderlicht plakativ<br />
Seitenlicht gewöhnlich<br />
Gegenlicht Tiefe, Kontraste<br />
Oberlicht unfotogen<br />
Unterlicht unheimlich<br />
direktes Licht präzise<br />
Qualität diffuses Licht konstrastarm<br />
reflektiertes Licht fast schattenlos, flächig<br />
natürliches Licht natürlich<br />
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Nicht nur für den Studiofotografen sind Helligkeit, Kontrast,<br />
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Beleuchtungsrichtung und Lichtqualität von großer Bedeutung. Der ambitionierte<br />
Hobbyfotograf und der Kunstfotograf werden auch bei Freilichtaufnahmen auf die<br />
Beleuchtung achten. Der Amateur wird sich nun fragen, wie denn das gehen soll,<br />
denn den Sonnenstand kann man nicht ändern die Wolken nicht verschieben.<br />
Nein, aber man nicht ändern und die Wolken nicht verschieben. Nein, aber man<br />
kann warten, bis der Sonnenstand oder das Wetter so sind, dass die gewünschte<br />
Wirkung zustande kommen. Landschafts- , Architektur- und Stadtfotografien<br />
wirken bei heller Mittagssonne im Sommer einfach flach. Der ambitionierte<br />
Hobby- oder Profifotograf werden daher die Geduld aufbringen müssen, auf<br />
bessere Verhältnisse, also auf das Morgen- oder Nachmittagslicht zu warten. Das<br />
lässt sich natürlich nicht immer machen, z.B. bei der Urlaubsfotografie, bei der<br />
Dokumentarfotografie oder im Fotojournalismus.<br />
Unter bestimmten Verhältnissen lässt sich da allerdings etwas korrigieren. Will<br />
ich z.B. eine Personengruppe in der hellen Mittagssonne fotografieren, so<br />
bekomme ich bei hohem Sonnenstand dunkle Schlagschatten in die Gesichter,<br />
was unvorteilhaft aussieht. Ich kann mir aber helfen, indem ich die Gruppe auf<br />
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einen hellen reflektierenden Untergrund stelle, so dass die Gesichter von unten<br />
aufgehellt werden. Oder ich kann mit einem Papierschirm oder einem weißen<br />
Bettlaken das Sonnenlicht von unten in die Gesichter reflektieren und so die<br />
Schatten aufhellen, ohne den Charakter der Beleuchtung der Gesichter wesentlich<br />
zu verändern.<br />
In einem gut ausgestatteten Studio stehen dem Werbeprofi, Porträtisten oder<br />
Kunstfotografen natürlich alle Möglichkeiten offen. Hier können durch<br />
verschiedene Scheinwerfertypen, Lichtfilter, Reflektoren, Scheinwerferstative oder<br />
- aufhängungen usw. alle möglichen Lichteffekte erzielt werden. Insbesondere in<br />
der Werbefotografie wird davon reichlich Gebrauch gemacht. Kaum ein Werbefoto<br />
entsteht heute noch vor einem natürlichen Hintergrund; das wäre für alle<br />
Beteiligten viel zu aufwendig. Statt dessen werden im Atelier Transparente und<br />
Kulissen von Landschaften aufgehängt, einige Requisiten verteilt und über Licht<br />
die Illusion von Natürlichkeit bzw. Wirklichkeit hergestellt. Auch Porträtisten<br />
arbeiten sehr intensiv mit künstlichem Licht, nur wenige können sich die Zeit<br />
nehmen, z.B. eine berühmte Person in ihrer vertrauten Umgebung so lange zu<br />
studieren und zu fotografieren, bis ein charakteristisches oder typisches Bild<br />
dabei herauskommt. Auch Kunstfotografen nutzen in der arrangierten Fotografie<br />
(Stilleben, Fundstücke, Environments etc.) die gestalterischen Mittel der<br />
Beleuchtung.<br />
Fotojournalisten und Amateurfotografen benutzen häufig Blitzlicht als<br />
Lichtquelle, wenn das natürliche oder künstliche Licht nicht ausreicht. Abgesehen<br />
von den praktischen Vorteilen, von anderen Lichtquellen unabhängig zu sein,<br />
schnelle Bewegungen „einfrieren“ zu können, hat das Blitzlicht erhebliche<br />
Nachteile. Hinsichtlich Kontrast und Schattenwurf kann ich die Wirkung meines<br />
Fotos nicht vorhersehen, weil das Motiv im Dunkeln liegt. Zudem leuchtet der<br />
Blitz den Raum nicht gleichmäßig aus, sondern der Vordergrund ist über- , der<br />
Hintergrund unterbelichtet. In geschlossenen Räumen kann ich durch Abwinkeln<br />
des Blitzes gegen die Decke das zwar abmildern, dafür bekomme ich dadurch<br />
aber ein diffuses, flaches, charakterloses Licht. Kameras mit Schlitzverschluss<br />
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(die meisten Spiegelreflexkameras) haben eine Blitzsynchronisation bei relativ<br />
niedriger Belichtungszeit (1/30 oder 1/60 sec.), dadurch besteht die Gefahr von<br />
„Geisterbildern“.<br />
7. Filter<br />
Filter sind durchsichtige, meist farbige Glas- oder Kunststoffscheiben, die<br />
während der Aufnahme vor das Objektiv gesetzt werden. Sie reduzieren die<br />
Helligkeit und/oder bestimmte Farbanteile des natürlichen Lichts und<br />
beeinflussen so Helligkeit und Farbwiedergabe durch den Film. Grundsätzlich<br />
muss man zwischen drei Arten von Filtern unterscheiden: 1. Effektfilter, 2. Filter<br />
zum Einsatz in der Schwarz- Weiß- Fotografie und 3. Filter für die Farbfotografie.<br />
Bei den Effektfiltern gibt es inzwischen ein breite Palette von Möglichkeiten, die<br />
aus der Trickfilmpraxis übernommen worden sind: Doppelungen von Bildteilen<br />
oder des ganzen Bildes, Verzerrungen, geometrische Figuren, Hervorhebung von<br />
Reflexen usw. Ich halte derartige Filter für Spielereien, deren gestalterischer Wert<br />
eher fragwürdig ist. Natürlich kann zur Erzielung eines ganz bestimmten Effekts,<br />
z.B. die Hervorhebung von Reflexen bei der Produktfotografie, ein Filter sparsam<br />
eingesetzt sinnvoll sein; die in der Hobbyfotografie gegenwärtig zu beobachtende<br />
Inflation des Filtergebrauchs nützt vor allem den Herstellern der meist teuren<br />
Accessoires.<br />
In der Schwarz- Weiß- Fotografie ist der Filter häufig dagegen ein sehr wichtiges<br />
Requisit. Dazu müssen wir uns noch einmal in Erinnerung rufen (siehe Text T 1),<br />
dass Filme nicht immer alle Farben „natürlich“ oder korrekt, d.h. dem<br />
Helligkeitseindruck des menschlichen Auges entsprechend wiedergeben. Der<br />
orthochromatische Film z.B. ist unempfindlich gegen rot, diese Farbe wird daher<br />
häufig zu dunkel wiedergeben, weil die meisten Rottöne einen Gelbanteil haben,<br />
der den Helligkeitseindruck für das Auge beeinflusst. Der panchromatische Film<br />
dagegen ist für Grün weniger empfindlich, gibt also grüne Farben heller wieder.<br />
Alle Filme sind unempfindlich für Blau. Es gibt gegenwärtig keinen Film, der die<br />
natürlichen Farben in ihren Grauwerten und ihren Helligkeitswerten korrekt<br />
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wiedergibt. Hier kann der Einsatz von Filtern hilfreich sein. Um also mit einem<br />
orthochromatischen Film Rottöne korrekt wiederzugeben, kann ich einen Rotfilter<br />
benutzen; dadurch werden die Rotanteile reduziert und rote Farbtöne erscheinen<br />
heller und damit natürlicher. Möchte ich bei einem panchromatischen Film die<br />
Grüntöne dunkler herausarbeiten, muss ich den Filter der Komplementärfarbe,<br />
also Rotfilter benutzen.<br />
Eine weitere Möglichkeit des Filtereinsatzes besteht in der Herausarbeitung von<br />
Kontrasten. In der Übersetzung von natürlichen Farben in Schwarz- Weiß gibt es<br />
häufig Probleme mit den Kontrasten, weil der Helligkeitswert durchaus<br />
unterschiedlicher Farben für den Schwarz- WeißFilm identisch sein kann.<br />
Verschiede Farbtöne, z.B. helles Rot und helles Grün ähneln sich in ihrem<br />
Helligkeitswert. Obwohl es sich um Komplementärfarben handelt, sie für das<br />
menschliche<br />
Auge also einen deutlichen Kontrast darstellen, werden sie wegen der ähnlichen<br />
Helligkeitswerte auf Schwarz- Weiß nicht korrekt wiedergegeben. Das kann ich<br />
durch Filtereinsatz korrigieren. Will ich z.B. eine Person in einem hellroten Kleid<br />
vor einer hellgrünen Hecke fotografieren, weil mir der Farbkontrast gut gefällt,<br />
muss ich zunächst überlegen, dass beide Farben ähnliche Helligkeitswerte haben,<br />
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also im Schwarz- Weiß- Bild als Grautöne wiedergegeben werden. Hier werde ich<br />
durch einen Farbfilter nachhelfen, um den Kontrast herauszuarbeiten.<br />
Das klassische Beispiel ist der Einsatz des Gelb- oder Gelb- Grün- Filters in der<br />
Landschaftsfotografie. Ein dunkelblauer Himmel mit weißen Haufenwolken<br />
kommt im Foto häufig nicht so zur Wirkung, wie es das Auge sieht, weil alle Filme<br />
relativ unempfindlich für Blau sind, den blauen Himmel daher zu hell<br />
wiedergeben, wodurch der Kontrast zu den hellen Wolken reduziert wird. Benutze<br />
ich nun einen Gelbfilter, also die Komplementärfarbe, so wird das Blau dunkler,<br />
der Kontrast zum Weiß wird deutlicher und ich bekomme einen natürlichen<br />
Helligkeitsgrad.<br />
Was für den Einsatz von Filtern bei Schwarz- Weiß- Filmen gilt, gilt auch für die<br />
Dunkelkammerarbeit. Ich kann noch bei der Vergößerung mit Grün- oder<br />
Gelbfiltern oder Effektfiltern den erwünschten und oben beschriebenen Effekt<br />
erreichen, wenn ich einen entsprechenden Filter vor das Objektiv des<br />
Vergrößerers setze.<br />
Sowohl in der Schwarz- Weiß- als auch in der Farbfotografie ist der Einsatz von<br />
Skylight- oder UV- Filtern sinnvoll. Filme sind empfindlich gegen ultraviolettes<br />
Licht, das das menschliche Auge aber nicht als Farbe wahrnimmt. Folglich werden<br />
bei intensivem UV- Licht (z.B. im Gebirge oder am Meer und bei klarem Wetter)<br />
die S/W- Bilder zu dunkel, die Farbbilder werden farbstichig. Der Skylight- Filter<br />
ist ansonsten ohne Einfluss auf Helligkeit, Farben und Kontraste. Viele Fotografen<br />
haben ihn daher ständig vor dem Objektiv, zumal so ein billiger Schutz gegen<br />
Verunreinigung oder Beschädigung des Objekts erreicht wird.<br />
Da wir uns auf die Schwarz- Weiß- Fotografie konzentrieren wollen, soll der<br />
Einsatz von Farbfiltern in der Farbfotografie hier nur der Vollständigkeit halber<br />
erwähnt werden. Auch hier kann ich bestimmte Farbanteile durch Einsatz des<br />
entsprechenden Farbfilters oder der Komplementärfarbe herausarbeiten oder<br />
zurückdrängen. Diese Praxis erfordert aber große Sensibilität und<br />
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Farbempfinden, weil sonst sehr leicht Kitsch entsteht. Es ist daher eher zum<br />
sparsamen Umgang mit Filtern in der Farbfotografie zu raten.<br />
Etwas anders steht es bei der Korrektur der Farbtemperatur. Nicht jedes Licht,<br />
das für unser Auge weiß erscheint, ist auch tatsächlich rein weiß. Je nach<br />
Zusammensetzung können Rot- oder Blauanteile überwiegen. Eine grobe<br />
Unterscheidung ist die, ob es sich um Tageslicht oder Kunstlicht handelt.<br />
Tageslicht hat einen hohen Anteil an Blau, Kunstlicht dagegen einen hohen Anteil<br />
an Rot. Daher müssen zur Vermeidung von Farbstichen unterschiedliche Filme für<br />
Tages- und Kunstlicht verwendet werden. Möchte ich dennoch z.B. einen<br />
Tageslichtfilm mit Kunstlicht belichten und Stichigkeit vermeiden, werde ich<br />
einen Blaufilter verwenden, um eine korrekte Farbwiedergaben zu erreichen. Das<br />
Tageslicht hat aber auch nicht immer dieselben Anteile von Rot oder Blau.<br />
Während das Morgen- und Abendlicht eher rotstichig ist, hat das Mittagslicht<br />
mehr Blauanteile. Aber auch nicht alle Kunstlichter sind hinsichtlich der<br />
Farbzusammensetzung gleich. Leuchtstoffröhren haben mehr Blauanteile als<br />
normale Glühbirnen. Diese Unterschiede kann ich daher durch den Einsatz von<br />
Farbfiltern ausgleichen, was allerdings einige Erfahrung voraussetzt.<br />
8. Filmmaterial, Papier, Entwickler (siehe Blätter A 10, A 12, A 13,<br />
A 14)<br />
Die gestalterischen Möglichkeiten der unterschiedlichen Film- und Papiersorten<br />
sowie der Entwickler wurden bereits in den Texten T 2 und T 4 erwähnt. Die<br />
Gradation, d.h. die unterschiedlichen Grauabstufungen, die Helligkeit, der<br />
Kontrast und die Schärfe eines Bildes hängen nicht unwesentlich von deren<br />
Auswahl ab. Eine wichtige Entscheidung wird schon beim Film getroffen, wobei<br />
nicht nur die Filmempfindlichkeit, sondern auch das Format bedeutsam sind. Die<br />
Gradation eines Bildes wird geringer, je mehr ich das Negativ beim Positivprozess<br />
vergrößern muss. Die schlechteste Lösung ist insofern die Kleinbildkamera. Profis<br />
benutzen daher großformatige Fachkameras (bis 2o x 25 cm), da die<br />
Qualitätsverluste insbesondere beim Kontrast und der Gradation durch den<br />
Prozess der Vergrößerung verrigert werden.<br />
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Wenn ich ein Bild von 24 x 36 nun auf das Format 30 x 40 cm vergrößere (12,5-<br />
fach), wird das Korn entsprechend mitvergrößert, werden Kontraste gemindert<br />
und die Grauabstufungen werden geringer. Kann ich dagegen vom 20 x 25- cm-<br />
Format vergrößern – was nicht mal die zweifach Vergrößerung ist - so bleibt die<br />
Qualität des Negatives weitgehend erhalten.<br />
Auch die Empfindlichkeit des Films und die damit verbundene Gradation und der<br />
Kontrastumfang sind unter gestalterischen Gesichtspunkten wichtig. Bedeutsam<br />
wird vor allem die Auswahl des Papiers für die Gestaltung. Einerseits lässt sich<br />
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der Bildeindruck durch Papiere unterschiedlicher Gradation variieren. Dauer und<br />
Intensität der Belichtung bei der Vergrößerung haben Einfluss auf die Helligkeit<br />
und Brillanz, die Papieroberfläche kann matt oder glänzend sein, die Färbung<br />
oder Tönung des Papiers kann Einfluss haben. Dabei gibt es kein Patentrezept,<br />
welches das „beste“ Papier ist. Die Wahl des Papiers und seine Verarbeitung sind<br />
abhängig von der gestalterischen Absicht des Fotografen. Eine Porträtaufnahme<br />
werde ich eher auf weichem Papier mit matter Oberfläche anfertigen, während ein<br />
Produktfoto eher auf hartem Papier mit glänzender Oberfläche abgezogen wird.<br />
Sowohl bei der Negativ- wie bei der Positiventwicklung gibt es über die Auswahl<br />
des Entwicklers die Möglichkeit der Einflussnahme. Es gibt hartzeichnende<br />
Grafikentwickler, mit denen man die harte Gradation des Papiers noch verstärken<br />
kann, und ebenso gibt es weicharbeitende Entwickler, mit denen der umgekehrte<br />
Effekt erzielt werden kann. Ähnliches gilt für den Negativentwickler. Auch<br />
Schwärzungsgrad und Kontrast kann man durch spezielle Entwickler oder die<br />
Dauer der Entwicklung beeinflussen. All dies muss der gestaltende Fotograf<br />
wissen und entsprechend seiner Absicht mit dem Bild einsetzen.<br />
9. Elemente der Bildgestaltung (A 18)<br />
Es ist bei der Bildsprache von der Grammatik der Bilder gesprochen worden. Wie<br />
bei der gesprochenen Sprache, gibt es bestimmte gesellschaftliche<br />
Übereinkünfte, die die Bedeutung eines Satzes und seinen Aufbau festlegen,<br />
damit eine zweifelsfreie Verständigung möglich ist. Der Sprechende muss<br />
bestimmte grammatische Regeln einhalten, damit er sicher sein kann, dass der<br />
Hörende ihn richtig versteht. Allerdings kommt es nicht nur auf die Auswahl der<br />
Wörter und deren richtige Reihenfolge an. Einmal spielen Nuancen in der<br />
Stimmmodulation eine Rolle, dann die Satzmelodie, begleitende Gesten, Mimik,<br />
usw. Auch die unterschiedliche Reihenfolge derselben Wörter in einem Satz kann<br />
verschiedene Inhalte ausdrücken. Schließlich ist die lebendige Sprache ständigen<br />
Veränderungen unterworfen und stark von lokalen oder sozialen Unterschieden<br />
abhängig. Ähnlich muss man sich das auch bei der Bildsprache denken. Der<br />
Gestalter tut also gut daran, sich genau zu überlegen, welche Zeichen er nutzt,<br />
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um seine Botschaft an die Frau und an den Mann zu bringen. Dabei kann er<br />
keineswegs sicher sein, dass seine Botschaft von allen Menschen und überall zu<br />
allen Zeiten gleich bzw. in seinem Sinn verstanden wird. Bei aller Schwierigkeit<br />
der „Grammatik“ der Bildsprache gibt es aber einige Bildzeichen und Symbole,<br />
deren Inhalt von vielen Menschen verstanden wird, weil es historische, lokale und<br />
soziale Übereinkünfte hinsichtlich der Bedeutung der Zeichen gibt. Im Anschluss<br />
an Weber (Sehen, S. 32 f.) möchte ich daher zunächst einige wichtige Elemente<br />
der Bildsprache bzw. Bildgestaltung einführen, bevor ich die einzelnen<br />
Bildelemente und ihre Bedeutung erläutere.<br />
1. Danach ist zunächst die Beziehung zwischen der Figur und ihrem<br />
Hintergrund entscheidend, d.h. der Kontrast zwischen der wichtigsten<br />
Bildaussage und den weniger wichtigen.<br />
2. Der Informationswert des Bildes und die Ähnlichkeit mit bereits bekannten<br />
Bildaussagen müssen dem Betrachter deutlich werden.<br />
3. Beleuchtung und Räumlichkeit des Bildes sind wichtig zum Verständnis des<br />
Bildes.<br />
4. Die Linienführung und das Bildformat und ihre symbolische Bedeutung<br />
müssen berücksichtigt werden.<br />
Ich werde daher in den folgenden Kapiteln die wichtigsten Elemente der<br />
Bildgestaltung beschreiben und mit ausgewählten Bildern illustrieren und ihre<br />
Bedeutung erläutern, wobei der Leser immer erinnern muss, wie relativ diese<br />
Festlegungen sind. (Siehe Kap. 9.8)<br />
9.1 Linien und Diagonalen<br />
Der Richtungsverlauf einer Linie kann die Aussage eines Bildes wesentlich<br />
beeinflussen. Linien können durch Kanten eines Gebäudes, die Reihung von<br />
Gegenständen, die Blickrichtung von Menschen entstehen. Sie können in alle<br />
Richtungen gehen, gerade oder gebogen sein; jedenfalls sind sie meist - je nach<br />
Ausprägung - bildbeherrschend und „führen“ u.U. den Blick des Betrachters.<br />
Linien haben aber auch häufig symbolischen Charakter. So können gerade,<br />
waagerechte Linien Ruhe, Stabilität, Dauerhaftigkeit signalisieren. Gerade,<br />
senkrechte Linien symbolisieren Standhaftigkeit, Kraft und Dynamik. Gebogene<br />
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Linien drücken Dynamik, aber auch Ruhe aus, sie symbolisieren Beweglichkeit,<br />
Weiblichkeit und Sanftheit. Bögen - z.B. ein Brückenbogen - können getrennte<br />
Bildelemente miteinander verbinden. Gezackte Linien - Skyline einer Großstadt,<br />
Gebirgskämme u.ä. - drücken Schärfe, Wildheit und Unruhe aus. Spannungs- und<br />
Bewegungslinien können durch die Richtung einer Bewegung, eines Blicks, einer<br />
Geste dargestellt werden und drücken in jedem Fall Dynamik, Bewegung in eine<br />
bestimmte Richtung aus. Durch den Bildaufbau können auch imaginäre Linien<br />
entstehen, die sich mehr oder minder deutlich durch eine bestimmte Anordnung<br />
unterschiedlicher Bildelemente bilden, auch sie können den Blick des Betrachters<br />
in eine bestimmte Richtung lenken, Bewegung und Dynamik signalisieren. Auch<br />
die stürzenden Linien, die in der Wirklichkeit senkrecht und parallel verlaufen,<br />
durch das Kippen der Kamera bei der Aufnahme wegen der perspektivischen<br />
Verkürzung aber zusammenzulaufen scheinen, symbolisieren Höhe oder Tiefe.<br />
Besondere Beachtung bekommen die Diagonalen in der Bildanalyse. Ich denke,<br />
dass hier am häufigsten Über- oder Fehlinterpretationen durch die schematische<br />
Anwendung der Kompositions“regeln“ vorkommen. Diagonalen sind Linien, die<br />
aus einer Bildecke in die gegenüberliegende verlaufen.<br />
„ (...) diagonal verlaufende Linien (ergeben) den Eindruck von Kippen, die<br />
Bildgegenstände, die längs einer der Diagonalen des Fotos angeordnet sind,<br />
scheinen zu gleiten und sich zu bewegen. Infolgedessen ist die Diagonale die<br />
dynamischste aller Linienformen, ein grafisches Symbol für Bewegung, Tätigkeit<br />
und Leben.“ (Feininger: Kompositionskurs, S. 95).<br />
Eine Diagonale von links unten nach rechts oben signalisiert eine positive,<br />
optimistische Stimmung, eine von links oben nach rechts unten das Gegenteil, sie<br />
wird Gegendiagonale genannt. In praktischen Beispielen werden diese<br />
systematischen Festlegungen häufig widerlegt. Dies scheint mir z.B. in dem<br />
Bildbeispiel bei Weber (Sehen, S. 76/77, siehe Abb. S. 24) der Fall zu sein. Zwar<br />
gibt es formal eindeutig eine „fallende Diagonale“ von links oben nach rechts<br />
unten, die durch die Kaimauer gebildet und in der Reihung der Köpfe wiederholt<br />
wird. Auch die Blickrichtung der Menschen geht nach rechts unten. Diese<br />
Diagonale wird durch den Kreis rechts unten (der für Harmonie stehen kann) und<br />
die Waagerechten und Senkrechten, die durch die Haltung der Frauen entstehen,<br />
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etwas aufgefangen. Dennoch dürfte damit alles getan sein, um eine<br />
„pessimistische“ Grundstimmung zu produzieren. Dies würde auch stimmen,<br />
wenn man die Regeln der Bildanalyse schematisch anwendet und vom Bildinhalt<br />
absieht. Haltung, Tätigkeit und Gesichtsausdruck der lachenden Frauen strafen<br />
die Bildanalyse aber Lügen. Auf mich macht dieses Bild eindeutig einen<br />
fröhlichen, optimistischen Eindruck! - Röll/Wolf (Bildgestaltung, Teil 3, S. 45)<br />
weisen daraufhin, dass in der Werbung wegen der „psychodynamischen Wirkung“<br />
der Diagonalen diese so häufig benutzt wird. „Die besondere Bedeutung der<br />
Diagonalen (...) läßt sich aus Kenntnissen der Wahrnehmungsforschung herleiten.<br />
(...) Zum einen tastet unser Auge Bilder diagonal ab, nachdem es vorher die linke<br />
obere Ecke fokussiert hat. (...) Zum anderen löst sie im Hirn erhöhte Aktivität aus.<br />
- Die Diagonale steht im Spannungsfeld von Senkrechter und Waagerechter. Sie<br />
löst im Gehirn Aktivitäten der Zuordnung zu diesen dominaten Linien aus.<br />
Tendenziell vermutet das Gehirn, daß die Diagonale nach unten fällt. Dadurch<br />
werden Nervenzellen aktiviert, die den Reiz auslösen, die fallenden Linien zu<br />
halten. Damit wird ein Aufmerksamkeitsimpuls angesprochen (...)“<br />
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Auf die Problematik dieser Annahmen wird noch Kap. 9.8. eingegangen,<br />
insbesondere die Grundannahme, dass Bilder wie ein Text von links oben nach<br />
rechts unten „gelesen“ werden, ist nicht unwidersprochen. Umgekehrt kann es<br />
auch sein, dass die Werbung durch Anwendung der immer gleichen Bildsignale<br />
die Menschen auf bestimmte Wahrnehmungsweisen konditioniert. Jedenfalls kann<br />
festgehalten werden, dass Diagonalen in der Werbung sehr häufig Verwendung<br />
finden, aus welchem Motiv und mit welchem Erfolg, möchte ich hier offen lassen.<br />
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Feininger (Kompositionskurs, S. 18 f) problematisiert diese bildgestalterischen<br />
„Regeln“, die „durch übermäßige Anwendung zum vielleicht abgedroschensten<br />
aller bildgestalterischen Klischees verschlissen worden“ (sei).<br />
„ Die gesamte Theorie der ‘Leitlinien’ im Foto - von Linien die angeblich das Auge<br />
des Betrachters zu dem sogenannten Mittelpunkt des Interesses im Bild führen<br />
- ist unhaltbar. Wissenschaftliche Untersuchungen dieser Theorie mit Hilfe<br />
besonderer ‘Augen - Kameras’, die die Augenbewegungen des Betrachters<br />
aufzeichnen, haben ergeben, daß sich das Auge sofort auf den Bildteil einstellt,<br />
der das größte Interesse hervorruft (aber nicht unbedingt mit dem Teil des Bildes<br />
übereinstim m t, den der Fotograf zum Mittelpunkt des Interesses ausersehen<br />
hat), wobei es die liebevoll konstruierten Linien völlig außer acht läßt.“<br />
(a.a.O.)<br />
Treffen Linien oder Diagonalen aufeinander, so bilden sie spitze, stumpfe oder<br />
rechte Winkel. Insbesondere der rechte Winkel, der aus einer Waagerechten und<br />
einer Senkrechten gebildet wird, stellt eine interessante Verbindung von Ruhe<br />
und Dynamik dar. Dies ist das beste Beispiel dafür, dass erst die Verbindung<br />
unterschiedlicher Bildelemente zu einer interessanten Komposition führt. Dies<br />
dürfe auch schon aus der kurzen Bildanalyse des Bildes von den Waschfrauen<br />
deutlich geworden zu sein, bei dem erst zusätzlich zu den bildkompositorischen<br />
Elementen die inhaltliche Aussage des Bildes zu einer zutreffenden Interpretation<br />
führt. Der Sonderfall der gebogenen Linie ist der Kreis. Drückt schon die<br />
gebogene Linie Harmonie - in Verbindung mit Dynamik und Ruhe - aus, so ist<br />
der Kreis das Symbol für Ruhe, Geborgenheit, Urwüchsigkeit und<br />
Bodenständigkeit. Röll / Wolf (Bildgestaltung, Teil 1, S. 28 ff) weisen dem Kreis<br />
eine mythische Bedeutung zu (was unter archäologischen Gesichtspunkten sicher<br />
richtig ist), die aber - und das begründen sie psychoanalytisch - auch noch<br />
gegenwärtig wirkt. Der Kreis kann als geschlossene Linie, aber auch als Fläche<br />
gesehen werden, wenn Grauton oder Helligkeit sich deutlich gegenüber dem<br />
Hintergrund abheben. Auch andere geometrische Figuren (Dreiecke, Rechtecke,<br />
Quadrate, Ellipsen, ungleichmäßige Linien) können Flächen bilden. Die Fläche hat<br />
eine zweidimensionale Ausdehnung nach Länge und Breite. Um einem flächigen<br />
Bild dennoch Tiefe zu geben, muss die Fläche in sich gegliedert oder müssen<br />
mehrere Flächen hintereinander gestaffelt sein, um den Eindruck der<br />
Dreidimensionalität hervorzurufen.<br />
39
9.2 Bewegung<br />
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Linien, besonders Diagonalen sind auch ein Symbol für Bewegung. Neben dem<br />
fotografischen Mittel von Unschärfe bzw. Verwischung können auch Linien vor<br />
allem die Richtung einer Bewegung angeben. Sie können z.B. symbolisieren, ob<br />
eine Bewegung am Anfang oder am Ende steht. Wenn eine laufende Person dicht<br />
am Bildrand ist und hinter ihr der Weg zu sehen ist, so schließt der Betrachter<br />
daraus, dass die Figur kurz vor dem Ziel ist, den Weg bereits hinter sich hat. Im<br />
umgekehrten Fall hat sie den Weg noch vor sich, befindet sich also am Start. Auch<br />
die Richtung der Bewegung hat Symbolwert. Läuft die Person von rechts nach<br />
links, so hat der Betrachter unseres Kulturkreises den Eindruck, sie läuft in ihr<br />
Verderben. Das Gegenteil ist bei der umgekehrten Richtung der Fall.<br />
Feininger (Kompositionskurs, S. 124 ff) spricht in diesem Zusammenhang von<br />
einer „dynamischen Komposition“:<br />
„ Eine Komposition ist dann dynamisch, wenn ihre grafischen Elemente den<br />
Eindruck von Bewegung machen. Das ist der Fall, wenn das Motiv in erster Linie<br />
aus schrägen oder diagonalen Linien besteht und keine (oder nur wenige und<br />
dann unwichtige) waagerechten oder senkrechten Linien enthält; wenn Linien, die<br />
in Wirklichkeit waagerecht oder senkrecht verlaufen, ‘perspektivisch’<br />
wiedergegeben werden, d.h. zusammenlaufend oder ‘stürzend’ und nicht als<br />
Parallele; wenn die wichtigsten Teile des Bildes so angeordnet sind, daß sich eine<br />
Gesamtwirkung von Asymmetrie, Bewegung und ‘Leben’ ergibt (...); und wenn die<br />
Hauptlinien der Komposition, Bewegung oder Spannkraft (...) nach außen<br />
gerichtet sind, d.h. gegen die Ecken oder Ränder des Bildes.“<br />
9.3 Goldener Schnitt und optische Bildmitte<br />
Das Kompositionsprinzip des „Goldene Schnitts“ existiert seit langem und in<br />
unterschiedlichen Kulturen, wenn auch der Begriff erst seit dem 19. Jahrhundert<br />
verwendet wurde. Antike Bauwerke in Ägypten und Griechenland, die<br />
mittelalterlichen Kathedralen, Renaissance- Bauten und - bilder wurden so<br />
konstruiert. Zuerst mathematisch beschrieben wurde dieses Prinzip im 4.<br />
Jahrhundert v.u.Z. von dem griechischen Mathematiker Euklid, der im<br />
Pentagramm die Verhältnisse des Goldenen Schnitts nachgewiesen hat. Danach<br />
stehen die Geraden a und b im folgenden Verhältnis zueinander: a:b = b:(a+b).<br />
Auf das Rechteck übertragen bedeutet das: die kurze Seite steht zur langen Seite<br />
im gleichen Verhältnis wie die lange Seite zur Summe der kurzen und der langen<br />
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Seite. Der Goldene Schnitt kann nur als irrationale Zahl ausgedrückt werden.<br />
Mathematisch genau lassen sich die Seite a und b nicht angeben; daher kann der<br />
Goldene Schnitt im Zahlenverhältnis immer nur annähernd angegeben werden.<br />
Als Annäherungswert gilt das Verhältnis der kurzen zur langen Seite von 5:8.<br />
Seit der Renaissance wurde versucht, Kunst und Natur nach den Regeln des<br />
Goldenen Schnitts zu vermessen. Es wurde ein Idealmensch konstruiert, der<br />
diesen Regeln entspricht. Auch in der Natur - Länge und Breite von Blättern und<br />
Blüten z.B. - wurde dieses Verhältnis festgestellt. Daher ist es nicht<br />
verwunderlich, dass die ersten Bemühungen um die Standardisierung von<br />
Fotoformaten ebenfalls vom Goldenen Schnitt ausgingen (vgl. Text T 1). Das noch<br />
heute gebräuchliche Format 6 x 9 cm sowie das <strong>KB</strong>-Format 24 x 36 mm<br />
entsprechen diesem Verhältnis annähernd. Auch die meisten Papierformate<br />
folgen dem Goldenen Schnitt. Gelegentlich gibt es bei Negativen und Papieren<br />
unterschiedliche Seitenverhältnisse, so dass die Bilder nicht ganz kongruent sind.<br />
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Dies ist bei der Vergrößerung zu berücksichtigen, um nicht eventuell wichtige<br />
Bildinhalte abzuschneiden.<br />
Feininger (Kompositionskurs, S. 83) beschreibt die kompositorische Funktion des<br />
Goldenen Schnitts in der Fotografie wie folgt:<br />
1. „um harmonische Formatverhältnisse herzustellen,<br />
2. um die Lage des Horizonts festzulegen,<br />
3. um eine Komposition in einem guten Verhältnis aufzuteilen,<br />
4. um die Lage des ‘Mittelpunktes des Interesses’ festzulegen.“<br />
Hieraus wird schon deutlich, dass der Goldene Schnitt nicht nur die Kantenlänge<br />
des Bildformats festlegt, sondern dass auch innerhalb des Bildes ähnliche<br />
Längenverhältnisse angewendet werden können, um harmonische Wirkung zu<br />
erzielen. So kommt man zu einem Punkt A im Rechteck, wenn man die lange und<br />
die kurze Seite wiederum im Verhältnis 5 : 8 unterteilt; dies ist der Punkt, den<br />
Feininger den „Mittelpunkt des Interesses“ nennt, den ich als „optische Bildmitte“<br />
bezeichnen möchte. In diesem Punkt laufen wichtige Bildinformationen - z. B.<br />
Linien, Diagonalen, Bögen - zusammen, befinden sich wichtige Bildinhalte, - z. B.<br />
ein Kopf - , wenn ein harmonisches Verhältnis ausgedrückt werden soll.<br />
Nun wäre es falsch den Goldenen Schnitt für alles zum Dogma zu erheben.<br />
Röll/Wolf (Bildgestaltung, Teil 3, S. 46) weisen mit Recht darauf hin, dass<br />
einerseits beim Zuschauer und Betrachter die Verwendung anderer Bildformate<br />
(z.B. das Panoramafoto, das Breitwandformat beim Film oder der Bildschirm des<br />
Fernsehers) eine Gewöhnung an diese neuen Formate bewirkt hat, so dass wir sie<br />
nicht mehr unbedingt als unharmonisch wahrnehmen. Andererseits werden oft<br />
sowohl beim Hoch- wie beim Querformat schlankere Formate verwendet, um<br />
Dynamik, Weite oder Ruhe zu symbolisieren. Hierbei lässt sich oft allerdings<br />
nachweisen, dass die radikalen Formate dennoch den Regeln des goldenen<br />
Schnitts gehorchen: wenn man die kurze Seite eines Formats im Verhältnis 5 : 8<br />
noch einmal nach dem Goldenen Schnitt unterteilt, bekommt man den „radikalen“<br />
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Goldenen Schnitt (Röll / Wolf), also eine schlanke Variante. Zur Problematik der<br />
schematischen Anwendung des Goldenen Schnitts siehe Kap. 9.9.<br />
9.4. Schwerpunkt, Kontrast, Symmetrie und Spannung<br />
Wir haben schon festgehalten, dass über die Einteilung der Bildfläche nach den<br />
Regeln des Goldenen Schnitts, durch Zusammenlaufen oder Kreuzen von Linien<br />
oder Diagonalen der optische Bildmittelpunkt gebildet werden kann. Dieser ist<br />
zugleich ein Schwerpunkt in der Bildkomposition. Hat das Bild mehrerer solcher<br />
z.B. durch Diagonalen gebildeter Schwerpunkte, entsteht ein<br />
Spannungsverhältnis zwischen diesen. Das Spannungsverhältnis sollte so auf<br />
die Bildfläche verteilt sein, dass eine Symmetrie entsteht.<br />
Schwerpunkte, Kontrast und Symmetrien können nicht nur durch Linien<br />
entstehen, sondern auch durch andere geometrische Figuren, z.B. durch<br />
rechteckige, quadratische oder dreieckige Flächen, Punkte, Kreise oder Ellipsen<br />
und Komplementärfarben gebildet werden. Habe ich z.B. ein Bild, auf dem durch<br />
starke Helligkeitsunterscheide (Licht und Schatten) Kontraste entstehen, so werde<br />
ich u.U. die Trennlinie zwischen hell und dunkel in einer Diagonale verlaufen<br />
lassen; ich werde die HellDunkel- Verteilung auf der Fläche nach dem goldenen<br />
Schnitt oder im Verhältnis 1 : 1 vornehmen, um ein ausgeglichenes,<br />
harmonisches, symmetrisches Bild herzustellen. Habe ich zwei optische<br />
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Schwerpunkte, die in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen, so werde<br />
ich sie nach den Regeln des Goldenen Schnitts auf die Bildfläche verteilen; will ich<br />
eine Hierarchie z.B. zwischen zwei Personen symbolisieren, werde ich sie in der<br />
Diagonalen sowie nach dem Goldenen Schnitt verteilen. Will ich Nähe oder<br />
Distanz zwischen zwei Personen ausdrücken, so werde ich zwischen ihnen<br />
weniger oder mehr Raum in der Bildkomposition schaffen. Will ich eine Bewegung<br />
symbolisieren, werde ich die Schwerpunkte perspektivisch in die Tiefe des Bildes<br />
staffeln; soll diese Bewegung dynamisch sein, wird sie von links unten nach<br />
rechts oben verlaufen, soll sie langsamer sein, wird sie umgekehrt verlaufen; will<br />
ich eine negative Entwicklung signalisieren, wird die Bewegung von links oben<br />
nach rechts unten verlaufen.<br />
„ Symmetrie stellt einen besonders hohen Grad von Ordnung dar (...). Ästhetisch<br />
gesehen reicht ihre Wirkung auf den Betrachter von Eindrücken von Vollendung<br />
und Harmonie bis zur Langeweile. Fotografisch gesehen ist Symmetrie ein<br />
statisches Symbol für Förmlichkeit und Monotonie, und daher ein wertvolles<br />
Kompositionsmittel, da ja Förmlichkeit und Monotonie nicht unbedingt<br />
unerwünschte Bildeigenschaften sein müssen.“ (Feininger: Kompositionskurs, S.<br />
118)<br />
An anderer Stelle (a.a.O., S. 114) spricht Feininger von der „statischen<br />
Komposition, die dann entsteht, wenn die grafischen Elemente im Gleichgewicht<br />
zu sein scheinen“.<br />
„ Das ist der Fall, wenn das Motiv hauptsächlich aus waagerechten und/oder<br />
senkrechten Linien besteht, aber keine (...) geneigten Linien enthält; wenn<br />
die dominierenden waagerechten Motivlinien auch im Bild waagerecht verlaufen;<br />
wenn alle Senkrechten ebenfalls senkrecht dargestellt werden, d.h. wenn sie<br />
nicht perspektivisch ‘verzerrt’ zusammenlaufend oder ‘stürzend“<br />
wiedergegeben werden; und wenn die wichtigsten Bildformen so angeordnet<br />
sind, daß sie den Eindruck von Gleichgewicht und Harmonie erwecken.“<br />
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Ein Kontrast entsteht nicht nur durch Schwarz- Weiß, sondern kann auch durch<br />
unterschiedliche Grautöne gebildet werden. Auch eine dunkle Figur kann vor<br />
einem helleren Hintergrund kontrastieren, wobei beide sich in ihren Grauwerten<br />
noch sichtbar und deutlich voneinander abheben müssen. Kontraste können nicht<br />
nur durch helle oder dunkle Flächen entstehen, sondern auch durch eine dunkle<br />
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rechteckige Fläche und einen kleineren dunklen Punkt vor hellem Hintergrund<br />
gebildet werden. Fläche und Punkt werden in der Regel symmetrisch über das<br />
Bild verteilt sein; durch die unterschiedliche Größe und das daraus resultierende<br />
optische Ungleichgewicht kann ein Spannungsverhältnis entstehen. Die<br />
symmetrische Verteilung von hell und dunkel, von Flächen, Punkten, Linien und<br />
Diagonalen entscheidet über Harmonie oder Disharmonie, über ein<br />
ausgewogenes oder unausgewogenes Spannungsverhältnis im Motiv. Dabei ist<br />
aber darauf zu achten, dass Bildsignale gegenüber dem Untergrund klar<br />
kontrastieren. Eine prägnante Bildbotschaft entsteht erst durch den Kontrast z.B.<br />
einer Figur vor dem Untergrund. Unterschiedliche Bildinformationen müssen so<br />
sparsam wie möglich, d.h. der Bildaussage angemessen eingesetzt werden. Sie<br />
dürfen nur so komplex sein, wie die anvisierte Zielgruppe sie noch<br />
nachvollziehen kann.<br />
Ähnlich wie die Perspektive ist auch das Prinzip der Symmetrie in unserem<br />
Jahrhundert einem radikalen Wandel unterworfen worden. Schon in der Antike<br />
galt die Symmetrie als Grundlage der Ästhetik. Diese Auffassung hat sich bis in<br />
die Gegenwart erhalten, nur dass die Formprinzipien, nach denen Symmetrie<br />
aufgebaut wird, verändert haben. Ursprünglich galt Symmetrie als die beinahe<br />
spiegelbildliche Abbildung ähnlicher Bildinhalte. Die idealistische Ästhetik des<br />
19. Jahrhundert definierte mit der Sehnsucht nach der Mitte auch die innere<br />
Balance eines Bildes als symmetrisch. Der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr hat<br />
nach dem 2. Weltkrieg mit seinem Aufsehen erregenden Buch „Der Verlust der<br />
Mitte“ (1948)<br />
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kunsttheoretisch das auf den Begriff gebracht, was die damals moderne Kunst im<br />
Unterschied zur traditionellen (und explizit zur nationalsozialistischen)<br />
ausmachte: den Fliehkräften in der Psyche und im Bewusstsein der modernen<br />
Menschen und Gesellschaften entsprach die Aufhebung der Symmetrie als<br />
ästhetisches Grundprinzip in der Kunst. Auch die moderne Fotografie, sofern sie<br />
sich als avantgardistisch verstand, brach mit den alten Regeln von Symmetrie und<br />
Ausgewogenheit. In der gegenwärtigen Kunsttheorie wird Symmetrie als ein<br />
ausgewogenes Verhältnis unterschiedlicher Bildstrukturen zueinander<br />
verstanden; dadurch wird eine Balance von Schwerpunkten im Motiv erreicht.<br />
Der durchschnittliche Bildbetrachter ist es gewohnt, ein ausgewogenes Bild zu<br />
sehen, dessen Flächen, Linien, Kontraste symmetrisch angeordnet sind. Nur wenn<br />
ich ein Bild so gestalten will, dass es Disharmonie, Asymmetrie und ein<br />
unausgewogenes Spannungsverhältnis aus Gründen der Bildaussage vermitteln<br />
soll, werde ich von diesen Regeln abweichen. Die gestalterische Qualität eines<br />
Bildes ist abhängig von der Zuordnung der einzelnen Bildelemente zueinander,<br />
vom Reichtum der Gestaltungsmittel, der aber das Bild nicht überladen darf,<br />
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sowie - und das ist schließlich entscheiden - von der Angemessenheit der<br />
gestalterischen Mittel im Verhältnis zum Inhalt und zur Bildaussage.<br />
9.5. Bildformate, Ausschnitt und Bildrand<br />
Die Aufnahmeformate der Fotokameras folgen im Normalfall den Regeln des<br />
Goldenen Schnitts, ausnahmsweise haben sie quadratische Formate oder sind<br />
kreisförmig. Bei einem rechteckigen Format habe ich die Wahl zwischen einem<br />
Hoch- und einem Querformat. Die Wahl des Formats ist für die Bildaussage nicht<br />
beliebig. Außerdem ist sie teilweise abhängig von der Präsentationsform (siehe<br />
Kap. 9.7.). Das Querformat betont waagerechte Linien und Flächen und die<br />
Beziehung zwischen rechts und links. Es signalisiert Ruhe, u.U. Kälte, betont die<br />
Horizontale und ist besonders geeignet, Querbewegungen, also parallel zum<br />
unteren oder oberen Bildrand wiederzugeben. Das Hochformat dagegen betont<br />
senkrechte Linien und Flächen, die Vertikale, das Verhältnis von Oben und Unten,<br />
ruft den Eindruck von Höhe, Bildtiefe und räumlicher Ausdehnung hervor. Es<br />
signalisiert Nähe, u.U. Wärme, Aktivität und Kraft.<br />
Bereits um 1855 standartisierte Alphonse Disderi die Porträtfotografie, indem er<br />
als gängiges Format das Visitkartenformat 58 x 94 mm auf einem Karton von 63<br />
x 102 mm annähernd nach dem Goldenen Schnitt definierte. Damit war die<br />
Grundlage für die noch heute gängigen Formate 6 x 9 cm sowie die daraus<br />
entwickelten abweichenden Formate 9 x 13, 10 x 15 cm usw. gelegt.<br />
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Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass bei den Bildformaten die Festlegung<br />
auf den goldenen Schnitt - also die üblichen Film- und Papierformate -<br />
bestimmte gestalterische Auswirkungen hat: Es vermittelt den Eindruck von<br />
Harmonie. Es ist aber durchaus denkbar, dass das Gegenteil von Harmonie<br />
signalisiert werden soll. Dann ist es sinnvoll und notwendig, das Rechteck des<br />
Bildformats - sei es hoch oder quer - in die Höhe oder Breite auszudehnen. Die<br />
Möglichkeit der Verkleinerung der kurzen Seite nach der Regel des Goldenen<br />
Schnitts wurde bereits erwähnt. Ich werde immer dann vom Goldenen Schnitt<br />
abweichen, wenn ich die besonderen Ausdrucksmöglichkeiten des Hoch- oder<br />
Querformats aus inhaltlichen oder gestalterischen Gründen hervorheben will. Will<br />
ich z.B. die Höhe eines Wolkenkratzers besonders betonen, werde ich ein<br />
extremes Hochformat wählen. Kommt es mir dagegen darauf an, die Weite einer<br />
norddeutschen Landschaft hervorzuheben, werde ich ein extremes Querformat<br />
wählen.<br />
Eine der Sonderformen ist das Quadrat, das mit einigen Kameras (z.B.<br />
Mittelformatkamera 6 x 6 cm) bereits bei der Aufnahme, aber auch durch<br />
Ausschnittvergößerung hergestellt werden kann. Das Quadrat ist relativ<br />
spannungslos, weil es durch die zweiachsige Symmetrie auf die Bildmitte<br />
konzentriert ist und einen statischen Bildeindruck vermittelt. Es signalisiert Ruhe,<br />
Stabilität, Stetigkeit und wird daher häufig für Porträtfotos verwendet. Gerade<br />
beim Quadrat ist es wichtig, die Bildkomposition auf das Format abzustimmen. Es<br />
eignen sich daher für das quadratische Format vor allem runde oder quadratische<br />
Motive, die formatfüllend abgebildet werden können.<br />
Weitere Sonderformen sind der Kreis oder das Oval. Beide Formen - insbesondere<br />
das Oval - wurden früher bevorzugt für Porträts verwendet. In der Regel wurden<br />
dann diese Formate durch Vignettieren (siehe Blatt A 15) oder durch<br />
nachträgliches Beschneiden der Abzüge erreicht. In der konventionellen<br />
Porträtfotografie ist das Oval auch heute noch üblichen. Durch Erfindung des<br />
Fischaugen- Objektivs, das ein kreisförmiges Bild herstellt, ist dieses Format vor<br />
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etwa dreißig Jahren wieder aktuell geworden. Noch stärker als das Quadrat betont<br />
der Kreis die Bildmitte und signalisiert Ruhe und Ausgewogenheit.<br />
Formatveränderungen sind während der Aufnahme nicht möglich. Es empfiehlt<br />
sich aber bei der Aufnahme, bereits die Möglichkeit der Formatveränderung zu<br />
bedenken. Durchführen lässt sich das dann erst bei der Positivvergrößerung,<br />
indem ich einen Bildausschnitt vom Negativ auf ein andersformatiges Papier<br />
vergrößere. Die Absicht der Ausschnittvergrößerung ist deswegen bereits bei der<br />
Aufnahme zu berücksichtigen, weil sonst u.U. wichtige Bildteile fortfallen,<br />
Außerdem verändert sich bei der Ausschnittvergrößerung die gesamte<br />
Komposition: z.B. die Beziehung zwischen dem Objekt, dem Vorder- und<br />
Hintergrund, die Gegenüberstellung oder Überschneidung von Formen, die<br />
Perspektive, die Verteilung von hell und dunkel.<br />
Umgekehrt bietet die Ausschnittvergrößerung die Möglichkeit nachträglicher<br />
Korrekturen an der Komposition. Man kann z.B. überflüssige Bildteile weglassen<br />
und nur das Wichtigste vergrößern; hässliche Bildränder können korrigiert<br />
werden; man kann aus einem rechteckigen Bild ein quadratisches machen und<br />
umgekehrt; man kann das rechteckige Format in ein extremes Format verändern;<br />
man kann die Schwerpunkte des Bildes verlagern.<br />
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Besondere Beachtung sollten sowohl bei Aufnahme wie bei der Vergrößerung die<br />
Bildränder finden. Einerseits sollte das Motiv formatfüllend, den Blick auf das<br />
Wesentliche beschränken, andererseits ist aber auch der Rand Teil des Motivs, er<br />
kann dem Bild einen Rahmen geben. Das Bild unterscheidet sich von der<br />
Sehweise des Menschen dadurch, dass es einen Ausschnitt von Wirklichkeit<br />
wiedergibt, insofern braucht es einen Rahmen, um das Innen des Bildes vom<br />
Außen der Wirklichkeit abzugrenzen. Im Unterschied zu einer Höhlenmalerei oder<br />
einem Kirchenbild gehört das Foto nicht zur sozialen Umwelt des Menschen,<br />
sondern macht eine Aussage über die Umwelt. Der Bildrand - und der Rahmen<br />
(s.u.) - haben insofern Symbolwert, als sie genau diese Trennung von Bild und<br />
Wirklichkeit ausdrücken. Diese Erkenntnis macht die Wichtigkeit des Bildrandes<br />
für die Gestaltung und die Präsentation (s.u.). deutlich.<br />
Je nach der gestalterischen Absicht kann der Bildrand das Motiv einrahmen oder<br />
nach außen verlaufen lassen. Möchte ich z.B. den Blick des Betrachters einer<br />
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Landschaftsaufnahme auf einen markanten Geländepunkt - einen Berg, ein Haus,<br />
einen Baum - konzentrieren, werde ich wie beim Blick durch einen Tunnel am<br />
Bildrand einen Rahmen aus Bäumen, einem Torbogen u.ä. mit fotografieren. Das<br />
Einrahmen, also das Umgeben des Motivs mit einem passenden Vordergrund<br />
verdichtet die Komposition. Sie verstärkt die Tiefenwirkung eines Bildes verbindet<br />
die Komponenten des Bildes eng und isoliert sie gegen äußere Einflüsse (vgl.<br />
Feininger: Kompositionskurs, S. 122 ff.).<br />
Will ich dagegen die Weite einer Landschaft betonen, werde ich an den<br />
Bildrändern keine Gegenstände aufnehmen. Es sollte auch möglichst schon bei<br />
der Aufnahme, spätestens bei der Vergrößerung darauf geachtet werden, dass<br />
gekrümmte Linien nicht den Bildrand berühren, diagonale Linien sollten nicht<br />
genau durch den Bildwinkel laufen.<br />
9.6. Vorder- , Mittel- und Hintergrund<br />
Die wichtigste Funktion der Gliederung eines Motivs in Vorder- , Mittel- und<br />
Hintergrund besteht darin, dass das Bild so in die Tiefe gestaffelt ist, dass der<br />
Eindruck von Räumlichkeit entsteht. Z.B. in der Landschaftsfotografie ist das ein<br />
wichtiges Gestaltungsprinzip. Ein nur in der Silhouette sichtbarer Vordergrund<br />
lenkt den Blick auf das Hauptmotiv im Mittelgrund; der Hintergrund vermittelt die<br />
spezifische Charakteristik des Ortes.<br />
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Bei der Gestaltung von Vorder- und Hintergrund bietet sich auch die Möglichkeit,<br />
Größenmaßstäbe zu vermitteln. Die Unendlichkeit einer Landschaft vermittelt sich<br />
dem Betrachter nicht, wenn das Bild kein Objekt zeigt, an dem der Betrachter die<br />
Größenverhältnisse ablesen kann. Eine Wüstenlandschaft ist von einem<br />
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Dünenstrand - hinsichtlich der Ausdehnung - nicht zu unterscheiden, wenn in<br />
der Wüste z.B. ein Mensch oder am Strand ein Vogel fehlen, deren Größe dem<br />
Betrachter vertraut sind und anhand derer er die Größenverhältnisse erkennen<br />
kann. Über den Maßstab kann ich auch bestimmte Bildaussagen machen. Wenn in<br />
der Wüstenlandschaft weit hinten im Mittel- oder Hintergrund ein Mensch steht,<br />
so ist dieser durch die perspektivische Verkürzung sehr klein. Der Eindruck beim<br />
Betrachter wird sein, dass die Landschaft weit ist und der Mensch relativ verloren<br />
darin steht. Befindet sich der Mensch dagegen im Vordergrund, ist er groß<br />
abgebildet, verliert die Landschaft an Weite, die Verlorenheit des Menschen darin<br />
wird relativiert. Es kommt also bei der Komposition der Aufnahme darauf an, den<br />
Maßstab der abgebildeten Gegenstände schon zu berücksichtigen; dies lässt sich<br />
nicht mehr bei der Vergrößerung korrigieren, denn die Größenverhältnisse der<br />
einzelnen Bildteile zueinander verändern sich auch bei Ausschnittvergrößerungen<br />
nicht mehr.<br />
Ebenfalls bei der Aufnahme muss ich entscheiden, ob Vorder- , Mittel- und<br />
Hintergrund zueinander passen. Ein häufiger Anfängerfehler besteht darin, dass<br />
der Hintergrund gar nicht wahrgenommen wird, also auch nicht erkannt wird, ob<br />
der Hintergrund für das Motiv geeignet ist. Ungeeignet wäre z.B. der<br />
Hochspannungsmast, der aus dem Kopf der abgebildeten Person herauswächst,<br />
weil der Fotograf sich bei der Aufnahme nur auf das ihm wichtigste Objekt, die<br />
Person konzentriert, dabei aber den Hochspannungsmast übersehen hat. Weiter<br />
muss sich das Objekt vom Hintergrund durch Tonwert und / oder Zeichnung<br />
abheben. Bei bedecktem Himmel eine rotgekleidete Person vor einer grünen<br />
Hecke zu fotografieren, ist ziemlich sinnlos, weil im S/W- Foto die Tonwerte sich<br />
nicht voneinander abheben; es entsteht ein langweiliges Bild grau in grau. Die<br />
mittlere Lösung, bei der meistens nichts falsch gemacht werden kann, die aber<br />
auch keine besonderen Reize bietet, ist der neutrale Hintergrund, der zwar mit<br />
dem Objekt kontrastiert - z.B. eine helle Wand hinter der Person - aber<br />
unauffällig bleibt und keine besondere Bildaussage vermittelt. Der Hintergrund,<br />
in den sich das Objekt einfügt und der es kommentiert, ist die beste Lösung. Das<br />
Bild bekommt Tiefe und vermittelt dadurch Räumlichkeit, der Hintergrund gibt<br />
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zusätzliche Bildinformationen und ist vor allem nicht störend, sondern fügt sich<br />
harmonisch ein. Um z.B. einen Fischer als Fischer zu charakterisieren, ist es<br />
sinnvoll, ihn vor einem Hintergrund zu fotografieren, der Hinweis auf seine<br />
Tätigkeit gibt: sein Schiff, sein Arbeitsgerät, das Meer, sein Haus.<br />
9.7. Bildpräsentation (siehe P 15)<br />
Entscheidend für die Wirkung eines Bildes ist dessen Präsentation, d.h. wie das<br />
Bild dem Betrachter vermittelt werden soll. Überlegungen für die geeignete<br />
Präsentation muss der Fotograf während des gesamten Produktionsprozesses<br />
anstellen. Wenn ich mir bei der Aufnahme bereits klar über die Verwendung bin,<br />
um alle gestalterischen Möglichkeiten zu planen, muss ich natürlich auch schon<br />
wissen, in welcher Form es veröffentlicht werden soll. Viele Fotografen, auch<br />
Profis z R im Fotojournalismus fotografieren aber ohne einen solchen Plan. Um so<br />
wichtiger ist es dann, wenn ein Foto aus einer Menge von Negativen für einen<br />
bestimmten Zweck ausgewählt worden ist, die Präsentationsform genau zu<br />
reflektieren und bei der Vergrößerung hinsichtlich Format, Ausschnitt,<br />
Papierfarbe und Oberfläche zu berücksichtigen.<br />
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Soll ein Foto in einer Ausstellung gezeigt werden, bietet sich meistens das<br />
Hochformat als geeignet an. Querformate brauchen einen relativ großen Rahmen,<br />
um nicht verloren auf einer neutralen Ausstellungswand zu wirken. Die<br />
Rahmengröße muss in einem harmonischen Verhältnis zum Bildformat stehen. In<br />
der Regel benutzt man für den Rahmen das nächst größere Format im Verhältnis<br />
zum Foto (z.B. Foto 20 x 30, Rahmen 30 x 40 cm). U.U. kann es aber auch<br />
sinnvoll sein, den Rahmen deutlich größer als das Bild zu wählen (z.B. bei sehr<br />
kleinen Bildformaten, um das Foto an einer großen Ausstellungswand nicht<br />
untergehen zu lassen). Um Enge zu signalisieren, kann aber auch ein besonders<br />
kleiner Rahmen nützlich sein. Auch über das Passepartout muss sich der Fotograf<br />
bei der Präsentation Gedanken machen. Farbe, Material, Innenausschnitt müssen<br />
zum Foto passen. Man ist keineswegs auf den immer gleichen grauen Fotokarton<br />
angewiesen. Ein Holzpassepartout, Packpapier oder Silberfolie und viele andere<br />
Materialien können reizvoll sein. Der Rahmen selber muss im Material, in der<br />
Farbe, der Dicke und der Bearbeitung ebenfalls passen. Ein Industriefoto in einem<br />
schweren vergoldeten Holzrahmen ist meistens eher unpassend - es sei denn,<br />
man plant den verfremdenden Effekt tatsächlich mit ein.<br />
Wichtig ist die Abstimmung zwischen Foto und Farbe bzw. Grauton des<br />
Passepartouts. Ein kontrastarmes Bild mit wenig Grautönen auf einem weißen<br />
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oder hellgrauen Fotokarton versäuft. Umgekehrt ist es nicht zweckmäßig, ein<br />
kontrastreiches Bild mit großflächigem Schwarz auf einem dunklen Untergrund<br />
zu präsentieren. Das Foto sollte sich schon von seinem Passepartout abheben.<br />
Andererseits darf das Passepartout das Foto aber auch nicht erschlagen.<br />
Gelegentlich sieht man gegenwärtig Fotos - bevorzugt kleine Formate in Farbe -<br />
auf kunterbuntem Untergrund präsentiert, möglichst noch mit Fundstücken als<br />
Accessoires garniert. Die Produzenten scheinen sich der Aussagekraft und<br />
Wirkung ihrer Fotos nicht sehr sicher zu sein, sonst wäre derartiger Aufwand<br />
nicht nötig.<br />
Hinsichtlich der Größe von Foto und Rahmen ist der zu erwartende Abstand des<br />
Betrachters wichtig. Der ideale Abstand zwischen Betrachter und Bild ist die<br />
doppelte Länge der Bilddiagonale. In einem enge Gang ist daher ein riesiger<br />
Schinken völlig ungeeignet, weil der Betrachter gar nicht genügend Abstand vom<br />
Bild nehmen kann, um es ganz erfassen zu können. An einer riesigen weißen<br />
Ausstellungswand ist ein 6 x 9- cm- Format zu klein. Für einen Bildband ist bei<br />
einem Leseabstand von ca. 40 cm das Format 10 x 15 cm (Bilddiagonale x 2 = 40<br />
cm) richtig. Will ich größerformatige Bilder wiedergeben, muss ich damit rechnen,<br />
dass nur Bilddetails gesehen werden oder dass der Betrachter das Buch<br />
automatisch weiter von den Augen weghält; dann muss ich die Bildunterschrift<br />
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vergrößern, wenn ich sichern sein will, dass der Betrachter den Text auch liest.<br />
Umgekehrt darf das Format aber auch nicht zu klein sein, weil der Betrachter<br />
sonst nur die Hell- Dunkel- Bereiche wahrnimmt, die Ecken überspringt und die<br />
ungegliederte Fläche wahrnimmt.<br />
Etwas andere Regeln gelten für den Diavortrag. Hier ist das Querformat<br />
geeigneter als das Hochformat, weil die Augen waagerecht nebeneinander liegen<br />
und das Sichtfeld des Menschen ebenfalls ein Querformat ist. Weil das Tempo des<br />
Bildwechsels bei der Diaserie im Normalfall nicht vom Betrachter bestimmt wird,<br />
kommt es sehr darauf an, daß die Dias schnell erfaßt werden können. Muss ich<br />
dennoch aus Gründen des Inhalts oder der Gestaltung ein Hochformat<br />
verwenden, sollte dieses länger stehen bleiben. Auch der Sitzabstand folgt den<br />
gleichen Regeln wie der Abstand zwischen Buch und Betrachter. Meistens sitzen<br />
die Zuschauer bei Diavorträgen viel zu weit weg. Bei einer Leinwandgröße, bzw.<br />
Bildformatgröße von 1 x 1,5 m beträgt der ideale Sitzabstand ca. 3,60 m. Im<br />
übrigen gelten für die Diaserie oder für die Ton- Dia- Schau besondere Regeln, die<br />
denen des Film sehr ähnlich sind; sie sollen daher hier nicht näher erläutert<br />
werden (Vgl. Franz Josef Röll: Grundlagen erfolgreicher Ton- DiaProduktionen. In:<br />
medien praktisch, Heft 2/1992. Julien Biere: Professionelle Dia- AV, 1990. Michael<br />
F. Kenny/Raymond F. Schmidt: Dia- Audiovision, München 1986 S.).<br />
9.8. Psychologische und gesellschaftliche Voraussetzungen der<br />
Bildsprache<br />
In den vorhergehenden Kapiteln wurden einige Begriffe erklärt und bebildert, die<br />
aus der allgemeinen Gestaltungslehre für die Fotografie wichtig sind. Allerdings<br />
möchte ich an dieser Stelle einige kritische Anmerkungen machen und offene<br />
Fragen benennen.<br />
Es gibt in der Wahrnehmungsphysiologie und - psychologie keine eindeutig<br />
richtigen oder gültigen Aussagen oder Theorien. Zunächst muss festgestellt<br />
werden, dass das menschliche Auge hinsichtlich dessen, was es leisten kann und<br />
leistet, seit langem sehr gut erforscht ist (vgl. Kap. 4.). Auch über die<br />
Wahrnehmung dessen, was das Auge dem Gehirn an Informationen weitergibt<br />
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und wie das Gehirn das verarbeitet, wissen wir relativ genau Bescheid (z.B. über<br />
den Unterschied von Sehwinkel des Auges und Wahrnehmungswinkel des<br />
Gehirns; siehe Blatt A 17).<br />
Sehr viel schwieriger ist das Gebiet der psychologischen Wirkung von Bildern auf<br />
den Menschen. Hier bewegen sich viele Theoretiker noch auf dem schwankenden<br />
Untergrund der Spekulation. Drei Thesen seien hier als Beispiel referiert.<br />
1. Die Gestaltpsychologie - bereits vor 100 Jahren entwickelt - geht davon aus,<br />
dass „der Sehvorgang ein (...) konstruktiver Prozeß (ist), bei dem vollständige<br />
Muster (einer Bildtextur; J.F.) wahrgenommen und mit bereits im Gehirn<br />
gespeicherten Mustern und Erfahrungen verglichen werden, um zu einer<br />
Bestimmung des Gesehenen zu gelangen.“ (Weber: Sehen, S. 15) Diese These wird<br />
dann an bestimmten grafischen Grundmustern wie z.B. dem Figur- Grund- Muster<br />
entwickelt.<br />
Die Fähigkeit, Bilder zu „lesen“ wird vom jungen Menschen genauso gelernt, wie<br />
er Sprechen oder Lesen lernt. „Die Erziehung hat unsere Betrachtungsweise<br />
beeinflusst und geprägt und uns gelehrt, ein zweidimensionales Bild<br />
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dreidimensional zu sehen, wenn einer, mehrere oder alle der erwähnten<br />
Anhaltspunkte, die auf Räumlichkeit schließen lassen, erkennbar sind.“ (Weber:<br />
Sehen, S. 24.) Dieser Aneignungsprozess wird als „Kultursehen“ definiert. Der<br />
Vorteil dieser These besteht darin, dass sie subjektiv plausibel und<br />
nachvollziehbar erscheint. Ihr offensichtlicher Nachteil liegt allerdings darin, dass<br />
sie weitgehend spekulativ, nicht oder nur schwer messbar ist.<br />
2. Die Informationstheorie wendet sich genau gegen diesen Nachteil. Sie wurde<br />
von Mathematikern Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt. Danach werden<br />
Informationen (Wort, Bild) von einem Sender über einen Informationskanal an<br />
einen Empfänger gesandt. Das dabei benutzte Zeichensystem muss dem<br />
Empfänger bekannt sein, wenn er die Information verstehen soll. „Der Gehalt, die<br />
Substanz einer Nachricht ergibt sich aus der Beziehung von Unvorhergesehenem<br />
- Neuem - zu bereits Bekanntem und Überflüssigem (...)“. (Weber: Sehen, S. 27).<br />
Bildsignale müssen danach von der jeweiligen Zielgruppe verstanden werden und<br />
einen Erinnerungswert für den Betrachter haben.<br />
3. Beide Theorien berücksichtigen den emotionalen Gehalt einer Bildinformation<br />
zu wenig. Daher wurde die Emotionstheorie entwickelt, die sich zwar auch der<br />
exakten Messbarkeit entzieht, aber ebenfalls plausibel ist. Wir alle kennen<br />
Beispiele von Bildern, die uns emotional stark angesprochen haben, uns u.U.<br />
wichtige Erkenntnisse oder Impulse vermittelt haben, ohne dass sie sich<br />
besonderer formaler Tricks bedienten oder wesentlich neue Erkenntnisse<br />
beförderten. Als Beispiel sei hier das in Text P3, Kap.3. erwähnte Foto von der<br />
Erschießung eines Vietcong durch den Polizeipräsidenten von Saigon erinnert. Ob<br />
und wie stark uns ein Bild emotional berührt, hängt von gesellschaftlich, kulturell<br />
und individuelle sehr unterschiedlichen Faktoren ab.<br />
Keine der Theorien - wie übrigens in der Wirkungsforschung allgemein - kann<br />
einen Ausschließlichkeitsanspruch erheben. Es ist daher auch versucht worden,<br />
die Gestalttheorie mit der Informationstheorie zu vermitteln, da beide deutliche<br />
Berührungspunkte haben. Nachvollziehbar sind alle drei.<br />
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Robert Castell (Bilder und Phantasiebilder, in: Bourdieu u.a.: Kunst S. 23910<br />
entwickelt unter Anwendung des analytischen Verfahrens eine Psychologie der<br />
Photografie unter den Stichworten Foto als Symbol, Erotisierung des Blicks,<br />
fotografischer Fetischismus, Fotografie als Mittler zwischen Bewusstsein und<br />
Unterbewusstsein und Fotografie als Trauerarbeit. Dies bezieht sich vor allem auf<br />
die psychische Funktion des Betrachtens von Bildern durch den Rezipienten,<br />
weniger darauf, was der Produzent beabsichtigt.<br />
Die Bedeutung des Sozialisationsprozesses für die gesellschaftliche Vermittlung<br />
von Sehweisen und die Wahrnehmung von Bildern betonen Kunde/Wawrzyn.<br />
Wahrnehmung ist danach nicht schon naturwüchsig angeboren, sondern wird<br />
Schritt für Schritt im Zuge der Sozialisation gelernt. Form- und<br />
Farbwahrnehmung, Identität des Gegenstandes und Perspektive (Kunde/Wawrzyn:<br />
Fotografieren, S. 10 definieren das als „visuelle Funktionen“) werden durch Praxis,<br />
also Sehen und Erfahren/Begreifen gelernt. Dieser Prozess ist nie abgeschlossen<br />
(lebenslanges Lernen), verlangsamt sich aber im Laufe der Entwicklung und ist<br />
auch abhängig von der Praxis.<br />
Bis in die Gegenwart wird in der Literatur (z.B. Röll / Wolf Bildgestaltung; Mante:<br />
Bildaufbau; u.a.) davon ausgegangen, dass a) die Komposition eines Bildes auf<br />
bestimmte Grundmuster reduziert werden kann und b) die Wirkungen dieser<br />
Grundmuster auf den Betrachter eindeutig und für alle Menschen identisch sind.<br />
Dieser Anschauung hat Feininger schon vor zwanzig Jahren widersprochen. In<br />
„Kompositionskurs“ (S. 17 ff) stellt er die traditionelle Wirkungsforschung mit<br />
Hinweis auf wahrnehmungsphysiologische Forschungen infrage. Akademische<br />
Gestalter gehen davon aus, dass Betrachter - und zwar alle oder mindestens die<br />
meisten, immer oder fast immer - eindeutig auf bestimmte Grundmuster<br />
reagieren, dass der Betrachter durch gerade oder wellenförmige Linien „gelenkt“<br />
werde, dass der Betrachter also mittels Linienführung oder andere<br />
kompositorischer Elemente optisch „an die Hand genommen“ und zur wichtigsten<br />
Bildinformation geführt werden könne.<br />
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Dahinter steckt eine ethnologisch- anthropologische oder psychologische<br />
Sichtweise, die davon ausgeht, dass unabhängig von Kultur und Gesellschaft, von<br />
Zeit und Raum, alle Menschen auf Bildsignale identisch reagieren. Feininger<br />
dagegen bezieht sich auf Untersuchungen mithilfe der „Augenkamera“, die die<br />
Augenbewegung des Betrachters aufzeichnet. Diese Untersuchungen haben<br />
ergeben, dass die Betrachter keineswegs den kunstvoll ausgelegten Ariadnefäden<br />
der Gestalter folgen, sondern meist direkt den Bildteil ansehen, der für sie am<br />
interessantesten ist. Erst dann betrachten sie die Einzelheiten des Bildes genauer<br />
und zwar keineswegs immer planvoll, sondern sozusagen auf der Bildfläche<br />
vagabundierend. (Auch Weber: Sehen, S. 25 weist auf Ergebnisse ähnlicher<br />
Versuche hin, die Feiningers Ansicht bestätigen: „Ecken und Winkel (bilden) die<br />
markantesten Signale für das Erkennen und somit für die Speicherung im Gehirn<br />
(...). Der Sehweg (...) verlief nach einem bestimmten Schema, das jedoch von<br />
Person zu Person und von Vorlage zu Vorlage variierte.“)<br />
Ein bei Roll / Wolf angegebener Versuch ist kaum aussagekräftig. Sie haben<br />
Betrachtern ein Blatt mit Zahlenreihen vorgelegt und sie nach drei Zahlen gefragt,<br />
die sie sich merken konnten; in diesem Versuch nannten die Betrachter<br />
regelmäßig eine Zahl links oben im „Bild“, eine in der Mitte und eine rechts unten.<br />
Daraus schließen die Autoren, dass Betrachter Bilder wie eine Buchseite lesen,<br />
also von links oben nach rechts unten. Fragwürdig ist diese Folgerung, weil es<br />
sich gerade nicht um ein „Bild“ handelt, sondern um einen „Text“. Feininger<br />
widerspricht dieser Auffassung von der „Leserichtung“ des Bildbetrachters mit<br />
dem Hinweis darauf, dass in großen Teilen der Welt keineswegs von links nach<br />
rechts, sondern von rechts nach links oder von oben nach unten gelesen wird.<br />
Feininger erklärt schließlich den Begriff vom fotografischen Symbol für<br />
bedeutsam. Danach sind bestimmte fotografische Formen dank gesellschaftlicher<br />
Übereinkunft oder aufgrund physiologischer Voraussetzungen symbolisch<br />
besetzt. So kann z.B. eine Unschärfe je nach Machart als Symbol für Bewegung<br />
(siehe Texte T 2. und Kap. 3.) oder für Tiefe (siehe Text T 2 und Kap. 3.) stehen.<br />
Schwarze Bildelemente können für Trauer, Diagonalen von links unten nach<br />
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rechts oben für Optimismus usw. stehen. In jedem Fall handelt es sich um<br />
Symbole, deren Bedeutung aufgrund bestimmter Voraussetzungen<br />
(gesellschaftliche Übereinkunft, Wahrnehmungsphysiologie, Psychologie,<br />
kulturelle Tradition) gewertet werden. Wie wichtig die kulturelle Tradition und die<br />
gesellschaftliche Übereinkunft für den Symbolgehalt von Zeichen sind, mag das<br />
Beispiel der „Farben“ Schwarz und Weiß belegen. Bei den antiken Griechen stand<br />
Weiß für Trauer. Erst unter dem Einfluss des Christentums wurde Trauer durch<br />
Schwarz symbolisiert und das nicht nur in Griechenland, sondern überall dort, wo<br />
das Christentum kulturell beherrschend wurde.<br />
In einer von visuellen Zeichen immer stärker strukturierten Medienwelt<br />
bekommen Symbole für bestimmte Inhalte zunehmend Bedeutung. So werden -<br />
insbesondere an Orten, die von einem internationalen Publikum besucht werden,<br />
z.B. Flughäfen - für Informationen immer öfter sog. Piktogramme verwendet.<br />
Hierbei handelt es sich um Symbole, die jeweils eine bestimmte Bedeutung<br />
haben; diese sind eindeutig, unabhängig von sprachlichen Unterschieden lesbar<br />
und schnell verständlich. Zu unterscheiden ist zwischen bildlichen Symbolen, die<br />
in einfacher bildlicher Form den jeweiligen Inhalt symbolisieren, und abstrakten<br />
Symbolen. Bei den bildlichen Symbolen wiederum ist wichtig anzumerken, dass<br />
diese soziokulturell festgelegt sind und nicht notwendig den Erfahrungen aller<br />
Menschen entsprechen. So unterstellt z.B. das Symbol für „Männer“, dass alle<br />
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Männer dieser Erde Schlips und Hosen tragen, das Symbol für „Frauen“, dass alle<br />
Frauen Röcke tragen. Dass das nicht oder nicht immer der Fall ist oder war, zeigt<br />
der Blick nach Asien, wo teilweise die Männer Röcke und nie Schlips tragen.<br />
Piktogramme „verlangen ein Minimum von visueller Erziehung. Denn die<br />
Menschen des einen Kulturkreises sehen Bilder nicht in gleicher Weise wie die<br />
eines anderen.“ (Weber: Sehen, S. 24) Die abendländische Kultur umspannt die<br />
Erde inzwischen wie ein Netz (im Hinblick auf die gesprochene Sprache haben die<br />
Linguisten, z.B. Whorf bereits darauf hingewiesen). Dies führt dazu, dass in<br />
großen Teilen der Erde, also auch in solchen, die früher eine andere dominante<br />
Kultur hatten, die kulturellen und sozialen Übereinkünfte des abendländischen<br />
Kulturkreises und deren Symbolik verstanden werden. Teilweise bestehen auch<br />
Symbolsprachen unterschiedlicher Herkunft nebeneinander, so dass<br />
Kommunikationspartner häufig erst - meist durch stille Übereinkunft - klären<br />
müssen, welches Kommunikationssystem mit welcher Symbolsprache sie<br />
benutzen wollen, wenn sie sich verständigen wollen.<br />
Es gibt einfache, leicht verständliche Symbole, die sich dem Betrachter sofort<br />
erschließen, z.B. die erwähnten Piktogramme. Es gibt aber auch verschlüsselte,<br />
komplizierte Symbole, die dem Betrachter eine analytische Leistung abverlangen.<br />
Je komplexer die Symbolsprache eines Bildes ist, desto schwieriger ist es zu<br />
lesen, desto interessanter ist es aber auch. Sehen wird dann zum aktiven<br />
Vorgang, in dem der Betrachter sich mit dem Bild auseinandersetzen, es<br />
entschlüsseln, Stellung nehmen muss. Ambitionierte Fotografen sollten sich<br />
daher vor allzu simpler Symbolik hüten, sondern Bilder machen, die den<br />
Betrachter zur Auseinandersetzung herausfordern.<br />
Das „Regelwerk (der Bildgestaltung) aber bildet nur ein Instrumentarium im<br />
Hintergrund, das hilft, eine Bildaussage herzustellen, einen bestimmten Eindruck<br />
zu vermitteln. Viel wichtiger sind Sicht und Verständnis des Fotografen und -<br />
natürlich - aussagekräftige Motive. Nur dafür gibt es eben kaum Regeln - hier<br />
sind Persönlichkeit und Kreativität gefragt.“<br />
(Niemz: Bildgestaltung, Teil 1, S. 33)<br />
65
9.9. Durchbrechen der Regeln: Künstlerische Fotografie,<br />
Alltagsfotografie und Sozialfotografie<br />
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Ein weiterer kritischer Hinweis über die akademische Gestaltungslehre stammt<br />
von Feininger (Kompositionskurs, S. 18; Fotolehre, S. 251). Große Fotografen<br />
haben sich immer dadurch ausgezeichnet, dass sie mit Konventionen brachen,<br />
dass sie neue, kühne Gestaltungsmittel entwickelten, dass sie neue Sichtweisen<br />
der Welt vorstellten. Wer die Regeln der akademischen Gestaltungslehre Punkt für<br />
Punkt anwendet, wird immer nur Klischees reproduzieren, aber keine guten Fotos<br />
machen.<br />
„ Es gibt nun einmal nur zwei Arten von Fotos und Fotografen: gute und<br />
schlechte. Die schlechten Fotografen sind phantasielos, schüchtern in ihrer<br />
Arbeit, ahmen eher nach, als daß sie etwas erfinden, und halten sich sklavisch an<br />
die alten Regeln. Dagegen sind gute Fotografen dauernd auf der Suche nach<br />
neuen grafischen Ausdrucksmöglichkeiten und verbessern ihre Leistungen<br />
ständig durch phantasievolle Nutzung aller vorhandenen Mittel.“ (Feininger:<br />
Fotolehre, S. 251; Hervorhebung von Feininger)<br />
Sieht man sich die fotografischen Bildbeispiele der akademischen<br />
Gestaltungslehre (z.B. Mante, Weber oder Röll / Wolf) an, so fällt auf, wie plakativ,<br />
wenig aussagekräftig oder provokant diese Fotos sind. Meist handelt es sich um<br />
Bilder, die vor allem dem Interpretationszweck der Autoren entsprechen, nicht<br />
aber durch besondere künstlerische Ambitionen oder neue aufregende<br />
Sichtweisen auffallen. Sie sind eher dekorativ, weniger aussagekräftig. Dies lässt<br />
sich bei Mante z.B. darauf zurückführen, dass er sich auf die Kompositionslehre<br />
des Bauhauses bezieht (Kandinsky, Klee), dessen primäre Absicht im Design von<br />
Gebrauchsgegenständen lag.<br />
Für die künstlerische Fotografie ist darüber hinaus bedeutsam, dass keine<br />
Kunstform ohne Klischees auskommt. Jedes Kunstwerk, also auch das Bild, die<br />
Fotografie muss dem Betrachter Bekanntes vermitteln. Bildelemente müssen dazu<br />
geeignet sein, dass der Betrachter sich erinnert, sie mit bereits gesehenen Bildern<br />
vergleicht und dadurch zu Assoziationen angeregt wird. Jedes Bild - auch das des<br />
größten Neuerers - verbindet bekannte Bildelemente oder Klischees mit Neuem<br />
(vgl. Kap. 9.8). Das ausgewogene Verhältnis zwischen beidem entscheidet<br />
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darüber, ob und in welchem Umfang der Betrachter bereit ist, sich mit dem Bild<br />
auseinander zu setzen: Ein Bild das langweilig ist, weil es nur Bekanntes<br />
reproduziert, wird ebenso wenig Aufsehen erregen wie eins, das nur ungewohnte<br />
Sichtweisen vorstellt. Natürlich bestimmt sich die Ausgewogenheit von<br />
Konvention und Innovation auch durch den Betrachter. Einer, der gewohnt ist,<br />
sich mit Neuem auseinander zu setzen, findet eine radikal neue Sichtweise<br />
aufregend, lehnt konventionelle Bildelemente dagegen völlig ab. Und umgekehrt.<br />
Wohlgemerkt: diese Aussagen beziehen sich vorwiegend, wenn auch nicht<br />
ausschließlich auf die Kunstfotografie.<br />
„ Die ästhetische Bewertung eines jeden Bildes ist stets individuell verschieden<br />
und von Emotionen bestimmt. Sie hängt wesentlich vom Bewußtseinsstand,<br />
dem Erfahrungsschatz und der Sensibilität des Betrachters ab.“ (Weber: Sehen, S.<br />
32)<br />
Nun gibt es allerdings in gewisser Weise eine Wechselwirkung zwischen Gestalter<br />
und Betrachter in der Form, dass Gestaltung - insbesondere die Werbung - beim<br />
Betrachter, also beim Publikum bestimmte Wahrnehmungs- und Sichtweisen<br />
herstellen. Wenn bestimmte Symbole, Methaphern oder Bilder immer wieder, ggf.<br />
durch Text kommentiert mit einer bestimmten Bedeutung verwendet werden,<br />
dann stellt sich beim Betrachter schließlich ein automatisches<br />
Assoziationsverhalten ein, so dass er mit bestimmten Symbolen auch in neuen<br />
Zusammenhängen die vertrauten Inhalte verbindet. Werbung und Gestaltung<br />
legen daher in gewissen Zeitintervallen gesellschaftliche Übereinkünfte<br />
hinsichtlich der Interpretation von Symbolen neu fest. Am Beispiel des Goldenen<br />
Schnitts macht Feininger (Kompositionskurs, S. 86 ff) deutlich, dass die<br />
sklavische Anwendung der Regeln des Goldenen Schnitts häufig zu stereotypen,<br />
langweiligen und konventionellen Bildern führt, bei denen man den Eindruck hat,<br />
sie schon hundertundeinmal gesehen zu haben (was indirekt sogar stimmt).<br />
Hieraus erklärt sich auch, dass die Beispielfotos in den einschlägigen Bildbänden<br />
zur Kompositionslehre überwiegend zwar schön und harmonisch, aber eigentlich<br />
langweilig, aussageschwach und konventionell wirken, weil sie idealtypisch die<br />
traditionellen Regeln der Bildgestaltung wiedergeben sollen.<br />
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„ Was nicht genug betont werden kann ist die Tatsache, daß es in der Fotografie<br />
keine ‘Gesetze der Komposition’ gibt, am allerwenigsten unverletzliche. Alle<br />
solche ‘Gesetze’ (sind) höchstens Grundsätze. Aber selbst diese sollten<br />
bestenfalls als Leitfäden angesehen werden, die verschiedenartig gedeutet und<br />
gegebenenfalls ignoriert werden können. Wenn ein Fotograf eine eigene Meinung<br />
in Angelegenheiten der Komposition hat, sollte er sie meiner Ansicht nach auch<br />
in seinen Bildern ausdrücken, ohne Rücksicht darauf, was andere darüber denken<br />
mögen.“ (Feininger, a.a.O., S. 88)<br />
Insbesondere dann, wenn Disharmonie symbolisiert werden soll, kann es<br />
angeraten sein, den Goldenen Schnitt (oder andere Kompositions“regeln“) zu<br />
vermeiden. Möchte ich mit meinem Foto ungewohnte, vielleicht sensationelle<br />
Wirkungen erzielen, neue Sehweisen provozieren, die besondere Aufmerksamkeit<br />
des Betrachters gewinnen, bestimmte inhaltliche Aussagen machen, werde ich die<br />
akademischen Regeln der Kompositionslehre beiseiteschieben und meine eigenen<br />
gestalterischen Mittel entwickeln. Große Fotografen (ebenso wie andere Künstler)<br />
sind selten berühmt geworden, weil sie sich buchstabengetreu an die Regeln<br />
gehalten haben, sondern weil sie diese gerade radikal durchbrochen haben (was<br />
nicht selten zunächst zu massiven Anfeindungen seitens der Konservativen<br />
führte, z.B. bei Rodtschenko; siehe Kap. 2.).<br />
Das kann u.U. selbst für den Werbefotografen oder - grafiker gelten. Werbemittel<br />
haben häufig dann Wirkung gezeigt, wenn sie neue formale Mittel entwickelt<br />
haben. Ich möchte das an einem sprachlichen Beispiel verdeutlichen. Der Slogan<br />
„Persil bleibt Persil“ war einer der größten Werbeerfolge und fand Eingang in die<br />
alltägliche Sprichwortpraxis, obwohl er die stilistische Regel verletzte, dass man<br />
Tautologien (das ist z.B. der berühmte „weiße Schimmel“) vermeiden soll. - Ich<br />
habe das in diesem Zusammenhang so ausführlich dargestellt, weil gerade die<br />
Prinzipien des Goldenen Schnitts und der optischen Bildmitte traditionell in der<br />
Gestaltungslehre so stark betont werden. Auch Werbemittel haben häufig dann<br />
Wirkung gezeigt, wenn sie neue formale Mittel entwickelt haben. Primär arbeitet<br />
die Werbung mit Klischees. Um aber immer wieder die Aufmerksamkeit des<br />
Konsumenten zu fesseln, muss der Werbedesigner auch Neues, Ungewohntes<br />
einarbeiten. Mehr noch als der Kunstfotograf muss er aber die Bereitschaft des<br />
Betrachters einkalkulieren, Ungewohntes zu akzeptieren. Die Wechselwirkung<br />
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zwischen Gestalter und Betrachter stellt beim Publikum bestimmte<br />
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Wahrnehmungs- und Sichtweisen her. Wenn bestimmte Symbole, Methaphern<br />
oder Bilder immer wieder, ggf. durch Text kommentiert, mit einer bestimmten<br />
Bedeutung verwendet werden, dann stellt sich beim Betrachter schließlich ein<br />
automatisches Assoziationsverhalten ein, so dass er mit bestimmten Symbolen<br />
auch in neuen Zusammenhängen die vertrauten Inhalte verbindet. Werbung und<br />
Gestaltung legen daher in gewissen Zeitintervallen gesellschaftliche<br />
Übereinkünfte hinsichtlich der Interpretation von Symbolen neu fest.<br />
Das genaue Gegenteil von künstlerischer Fotografie ebenso wie von der<br />
Gebrauchsfotografie ist die Ästhetik der Alltagsfotografie (vgl. Text P 3), auf<br />
deren besondere „gestalterische“ Mittel ich an dieser Stelle hinweisen möchte.<br />
Hier fällt auf, daß die Grundsätze der Bildkomposition regelmäßig außer Kraft<br />
gesetzt werden. Vorder- und Hintergrund harmonieren meistens nicht. Die<br />
dargestellten Personen werden genau in der Bildmitte platziert. Es wird<br />
überwiegend die Zentralperspektive benutzt. Sie werden nicht im Profil oder<br />
Halbprofil, sondern fast ausschließlich von vorn fotografiert. Häufig werden vor<br />
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allem bei Urlaubsfotos Objekte mit den dargestellten Personen verbunden, z.B.<br />
die Reisegruppe oder die Partner vor dem Brandenburger Tor usw. Man könnte<br />
schlicht daraus folgern, dass die Unkenntnis der Bildsprache zu diesen<br />
Ergebnissen führt. Ich denke aber, dass wir es einfach mit einer anderen<br />
Bildsprache, sozusagen einem Slang, einer Art Alltagssprache zu tun haben.<br />
Dadurch, dass in der Zentralperspektive, frontal und mittig das Objekt<br />
Brandenburger Tor ebenso wie die dargestellte Person abgebildet werden, wird<br />
beiden eine besondere Wertung gegeben, sie verstärken gegenseitig ihre Wirkung<br />
und werden zum Symbol erhoben. Durch das Repräsentative des Tores wird die<br />
Person herausgehoben; das Tor bekommt aber zugleich durch die abgebildete<br />
Person eine neue Bewertung, nur beide zusammen machen für den Fotografen<br />
und den späteren Betrachter, dem die Urlaubsfotos vorgeführt werden, das Bild<br />
zum Besonderen.<br />
Auch in der sozialdokumentarischen Fotografie werden aus unterschiedlichen<br />
Gründen die akademischen Regeln der Bildgestaltung häufig außer Kraft gesetzt<br />
(siehe Texte T 7 und P 5, Blätter A 21/22). Bei der Aufnahme lassen sich diese<br />
Regeln oft nicht berücksichtigen, weil es auf die Schnelligkeit in einer<br />
bestimmten Situation ankommt. Immerhin lässt sich viel in der Nachbearbeitung<br />
(Vergrößerung, Präsentation) korrigieren. Die klassischen Ausdrucksmittel der<br />
fotografischen Sozialdokumentation sind: kurze Brennweiten, mittlere Distanz,<br />
Augenhöhe als überwiegende Perspektive, gleichmäßige Beleuchtung, ein<br />
Spektrum von Menschen und Dingen, komplexe Bildinformationen sowie die<br />
Montage (vgl. Günther: Fotografie, S. 158). Die kurzen Brennweiten sind der<br />
formale Ausdruck dafür, dass der Fotograf Teil der Bewegung, Mitglied der<br />
jeweiligen Gruppe oder vertraut mit der Person ist. Er ist daher nicht auf das<br />
Teleobjektiv angewiesen, und das Bild ist zugleich Dokument für die Nähe zum<br />
Objekt. Durch Augenhöhe als gebräuchlichste Perspektive wird optisch<br />
signalisiert, dass der Fotograf und der Betrachter auf einer Höhe stehen mit den<br />
abgebildeten Personen, weder überlegen noch untergeordnet ist. Die Montage in<br />
der Nachbearbeitung wird häufig verwendet, um abstraktere Verhältnisse,<br />
Verbindung oder Widersprüche zu visualisieren. Lange Brennweiten oder extreme<br />
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Perspektiven werden nur ausnahmsweise zur Charakterisierung von Hierarchien<br />
oder zur Ironisierung z.B. verwendet. Kurze Brennweiten zwingen zur<br />
Auseinandersetzung mit den Menschen, setzen ihr Einverständnis voraus und<br />
vermeiden die Indiskretion und den Voyeurismus des Teleobjektivs. Das Ziel der<br />
sozialdokumentarischen Fotografie ist also die genaue und umfassende<br />
Information sowie der Appell an die Vernunft und den Sinn. Das genaue Gegenteil<br />
streben die Werbe- oder die Propagandafotografie an, die plakativ sind, an das<br />
Unterbewusste appellieren und auf den Effekt zielen.<br />
Auf den Unterschied von Gestaltung und Manipulation und die damit<br />
verbundenen Probleme weist Gisele Freund (Photographie, S. 229) hin:<br />
„ Ein Bild ist leichter zu verstehen als das abstrakte Wort und daher für<br />
jedermann zugänglich; seine Besonderheit liegt darin, daß es an das Gefühl<br />
appelliert; es läßt keine Zeit zum Nachdenken, wie es vergleichsweise bei der<br />
Unterhaltung oder der Lektüre eines Buches möglich ist. Die Macht des Bildes<br />
liegt in seiner Unmittelbarkeit, und hier liegt auch seine Gefahr. Die Photographie<br />
hat das Bild um Billionen vervielfacht. Für die meisten Menschen wird die Welt<br />
nicht mehr erzählt, sondern vorgeführt.“ Es folgt ein Beispiel eines Fotos aus<br />
dein Vietnamkrieg, das damals die ganze Welt anrührte und gegen den Krieg<br />
empörte. „Weil die Photographie sich an das Gefühl richtet, besitzt sie eine<br />
Überzeugungskraft, die ganz bewußt von denjenigen ausgenutzt wird, die sich<br />
ihrer als eines Instruments zur Manipulation bedienen.“ (a.a.O., S. 229)<br />
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Literatur:<br />
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Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie.<br />
Frankfurt/Main 1989.<br />
Bourdieu, Pierre: Eine illegitime Kunst. Zur Geschichte der Ästhetik der<br />
Sozialfotografie. Reinbek 1982.<br />
Feininger, Andreas: Feiningers große Fotolehre. Düsseldorf/Wien 1979.<br />
Feininger, Andreas: Kompositionskurs der Fotografie. Wien/Düsseldorf 1974.<br />
Feininger: Richtig sehen<br />
Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie. Göttingen 1997 8 .<br />
Freier, Felix: DuMonts Lexikon der Fotografie. Köln 1992.<br />
Freund, Gisèle: Photographie und Gesellschaft. München 1976.<br />
Günther, Roland: Fotografie als Waffe. Zur Geschichte der Ästhetik der<br />
Sozialfotografie. Reinbek 1982.<br />
Mante, Harald: Bildaufbau. Gestaltung in der Fotografie. München 1990 3 .<br />
Kunde, Wolfgang/Lienhard Wawrzyn: Eingreifendes Fotografieren. Geschichte,<br />
Theorie, Projekte. Berlin 1979.<br />
Nietuz: Bildgestaltung<br />
Rodtschenko, Alexander: Alles ist Experiment. Der Künstler- Ingenieur. Hamburg<br />
1993.<br />
Röll, Franz Josef/ Hildegard Wolf: Grundlagen der Bildgestaltung; in: medien<br />
praktisch; Teil 1: Heft 3/93, S. 27ff., Teil 2: Heft 4/93, S. 54ff.; Teil 3: Heft 1/94,<br />
S. 44 ff.; Teil 4: Heft 2/94, S. 53 ff.<br />
Sedlmeyer, Hans: Der Verlust der Mitte. Reinbek 1948.<br />
Weber, Ernst A.: Sehen, Gestalten und Fotografieren. Basel/Boston/Berlin 1990.<br />
Whorf, Benjamin Lee: Sprache, Denken, Wirklichkeit. Reinbek 1965.<br />
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Dieser Text bietet das Hintergrundwissen, das notwendig ist, um die wichtigsten<br />
Kenntnisse über Bildgestaltung zu vermitteln. Die Veranschaulichung durch die<br />
Arbeitsblätter A 18 „Bildgestaltung“ und A 19 „Unterschiede zwischen<br />
menschlichem und fotografischem Sehen“ und das Zeigen der kommentierten<br />
Diaserie D 2 ist sinnvoll.<br />
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.<br />
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes<br />
ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers unzulässig und strafbar. Das gilt<br />
insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen<br />
und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />
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