BEACHTEN SIE - Strafverteidiger Rainer Brüssow & Dirk Petri
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Arbeitsrecht<br />
<strong>Petri</strong>, Arbeitnehmerüberwachung am Arbeitsplatz<br />
Problematisch ist, ob z. B. in Verkaufsräumen eines<br />
Supermarktes im Kassenbereich eine verdeckte Kameraüberwachung<br />
vorgenommen werden darf.<br />
Dies kann allenfalls dann als zulässig angesehen<br />
werden, wenn<br />
• im Hinblick auf einen bestimmten Mitarbeiter<br />
• eine konkrete Verdachtslage besteht und<br />
• ausreichend sichergestellt ist, dass die Rechte der<br />
Kunden – z. B. bzgl. digitaler Zahlungsmittel – gewahrt<br />
sind.<br />
i HINWEIS<br />
Hier könnte es sich anbieten, die Ermittlungsbehörden<br />
einzuschalten, da staatsanwaltschaftlich angeordnete Videoüberwachungen<br />
verwertbar sind. Sollte aus unternehmensinternen<br />
Gründen eine Einschaltung der Ermittlungsbehörden<br />
in einem solchen Fall unterbleiben, dann sollte /<br />
muss zumindest die verdeckte Überwachung zeitlich und<br />
räumlich begrenzt sein.<br />
• Offene, verdeckte, präventive und gezielte<br />
Überwachung<br />
An die offene Überwachung sind sicherlich geringere<br />
Anforderungen zu stellen als an die verdeckte<br />
Überwachung. Maßgebend ist bei der offenen Überwachung<br />
gerade auch der Zweck der Überwachung,<br />
z. B. bei einem Postunternehmen Sorge dafür zu tragen,<br />
dass keine Postsendungen bei der Sortierung<br />
entwendet werden; gleiches gilt z. B. für den Warenversandhandel.<br />
Die heimliche Überwachung kommt nur als ultima<br />
ratio zum Einsatz, wenn<br />
• ein individueller Personenkreis oder<br />
• eine konkrete Person im Verdacht8 steht,<br />
• eine Strafbarkeit zu Lasten des Arbeitgebers<br />
• bzw. gegenüber anderen Arbeitnehmern begangen<br />
zu haben<br />
• bzw. wieder zu begehen.<br />
Eine präventive Überwachung der Mitarbeiter ist<br />
somit grundsätzlich unzulässig.<br />
Die gezielte Überwachung der Mitarbeiter darf<br />
• nur zwecks Aufklärung<br />
• bereits begangener Taten erfolgen oder<br />
• wenn nahe liegt, dass sich Taten wiederholen werden.<br />
• Nicht öffentlich zugängliche Räume<br />
DEFINITION<br />
Nicht öffentlich zugänglich sind alle Räume, die nur von<br />
einem bestimmten Personenkreis betreten werden dürfen.<br />
[ BEISPIEL<br />
Werksangehörigen zugängliche Produktionshalle eines<br />
Unternehmens.<br />
Hierzu bietet es sich gleichfalls an, eine Betriebsoder<br />
Dienstvereinbarung zu schließen; allerdings<br />
kann diese nicht soweit gehen, dass jeder einzelne<br />
Mitarbeiter auch in seinen Büroräumlichkeiten<br />
überwacht wird, wenn er die Tür schließt. Eine derartige<br />
Vereinbarung wäre unzulässig, da bereits die<br />
zeitliche Intensität der Überwachung einen Eingriff<br />
in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters<br />
darstellen würde. 9<br />
!<br />
<strong>BEACHTEN</strong> <strong>SIE</strong><br />
Selbst bei ausdrücklicher Einwilligung wäre die Freiwilligkeit<br />
fraglich, da der Arbeitnehmer womöglich Repressionen<br />
seines Arbeitgebers befürchten müsste.<br />
Hintergrund ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund<br />
des Direktionsrechts des Arbeitgebers der arbeitsvertraglichen<br />
Pflicht nachzukommen hat, seine geschuldete<br />
Arbeitsleistung an einem bestimmten Arbeitsplatz<br />
zu erbringen. Es besteht für ihn nicht die<br />
Möglichkeit, sich der Überwachung durch Verlassen<br />
der Räumlichkeit zu entziehen. Sein Verbleiben in<br />
den Räumlichkeiten kann daher auch nicht als Einwilligung<br />
in die Aufnahmen gesehen werden.<br />
• Verhältnismäßigkeit<br />
Es gibt durchaus schützenswerte Motive des Arbeitgebers,<br />
die dann letztendlich eine Beeinträchtigung<br />
des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer rechtfertigen<br />
können, so z. B. die Funktionsfähigkeit des<br />
Unternehmens, die auch i. S. der Mehrheit der Arbeitnehmer<br />
ist. Somit dürfen die Anforderungen an<br />
den Anfangsverdacht für den Arbeitgeber, der<br />
durch das Grundgesetz in seiner unternehmerischen<br />
Betätigungsfreiheit geschützt ist, nicht zu hoch sein.<br />
[ BEISPIEL<br />
Für die Zulässigkeit der Installation einer verdeckten Videoüberwachung<br />
ist ausreichend, wenn wegen sich häufender<br />
Diebstähle eine Notlage entstanden ist. In diesem<br />
Fall kommt auch die Überwachung mit einer verdeckten<br />
Videokamera in Betracht, wenn der Arbeitgeber sonst keine<br />
andere Möglichkeit mehr hat, die Pflichtverletzung nachzuweisen.<br />
Eine Videoüberwachung ist verhältnismäßig, wenn<br />
die verdeckte Überwachung des Arbeitnehmers auf<br />
konkrete Verdachtsfälle sowie zeitlich und räumlich<br />
beschränkt und ggf. unter Mitwirkung des Betriebs-<br />
8 Einer erheblichen Straftat bedarf es für diese räumlich und zeitlich<br />
von vornherein eingeschränkte Überwachung nicht; es reicht der<br />
konkrete Verdacht von einem einfachen Diebstahl gegenüber dem<br />
Arbeitgeber oder von Nötigungshandlungen zulasten von Mitarbeitern<br />
aus.<br />
9 Zuletzt BAG vom 26.08.2008 – 1 ABR 16/07 –, n.v.; BAG vom<br />
29.06.2004 – 1 ABR 21/03 –, NJW 2005 S. 313.<br />
4 PuR 11-12/08