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Filmsprache und Filmanalyse in der Medienpädagogik

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© Horst Schäfer / Köln / Oktober 2011<br />

<strong>Filmsprache</strong>, <strong>Filmanalyse</strong> <strong>und</strong> Interpretation von<br />

Literaturverfilmungen<br />

1. <strong>Filmsprache</strong><br />

2. <strong>Filmanalyse</strong><br />

2.1. Methoden <strong>der</strong> <strong>Filmanalyse</strong><br />

3. Die Literatur- o<strong>der</strong> filmhistorische Film<strong>in</strong>terpretation<br />

3.1. Literaturverfilmung<br />

4. Analyse-Modell<br />

5. Medienpädagogische Analyse<br />

5.1. Formen <strong>der</strong> Vor- <strong>und</strong> Nachbereitung des Films<br />

6. Anmerkungen zum Jugendschutz <strong>und</strong> zur Altersfreigabe von Filmen<br />

7. Anmerkungen zur Darstellung von Gewalt <strong>und</strong> zur<br />

Medienwirkungsforschung<br />

8. Literatur / DVD<br />

9. Anhang: Pädagogische Altersempfehlung für K<strong>in</strong><strong>der</strong>filme<br />

(E<strong>in</strong>e Expertise des KJF)<br />

1


1. <strong>Filmsprache</strong><br />

Sprache, ikonische Aussagen (Bil<strong>der</strong>) <strong>und</strong> k<strong>in</strong>ematographische Bil<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d<br />

Zeichensysteme, die bei <strong>der</strong> zwischenmenschlichen Kommunikation am häufigsten<br />

verwendet werden. Die k<strong>in</strong>ematographischen Bil<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d als System – nach Peter<br />

Pleyer – durch drei Klassen von Gr<strong>und</strong>elementen geglie<strong>der</strong>t:<br />

1. Ikonische Zeichen<br />

2. Figuren<br />

3. K<strong>in</strong>esische Zeichen (kle<strong>in</strong>ste bedeutungstragende E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> k<strong>in</strong>etischer<br />

H<strong>in</strong>sicht)<br />

Das k<strong>in</strong>ematographische Bild ist identisch mit <strong>der</strong> filmischen E<strong>in</strong>stellung. Jede<br />

E<strong>in</strong>stellung besteht aus e<strong>in</strong>er Anzahl von E<strong>in</strong>zelbil<strong>der</strong>n, die erst bei <strong>der</strong> Projektion<br />

des Films als k<strong>in</strong>ematographisches Bild wahrgenommen werden. Jedes dieser<br />

E<strong>in</strong>zelbil<strong>der</strong> besteht aus ikonischen Zeichen <strong>und</strong> Figuren. Durch die Projektion<br />

entsteht aus dem Übergang vom E<strong>in</strong>zelbild zur E<strong>in</strong>stellung die dritte Glie<strong>der</strong>ung: Die<br />

Objekte bewegen sich. Diese Objektbewegungen s<strong>in</strong>d k<strong>in</strong>esische Zeichen.<br />

Aus <strong>der</strong> dreifachen Glie<strong>der</strong>ung k<strong>in</strong>ematographischer Bil<strong>der</strong> ergeben sich<br />

Konsequenzen für die Filmrezeption: Da Bil<strong>der</strong> <strong>und</strong> Objektbewegungen <strong>in</strong> ihnen<br />

wahrgenommen werden, gew<strong>in</strong>nen die k<strong>in</strong>ematographischen Bil<strong>der</strong> <strong>und</strong> damit <strong>der</strong><br />

Film <strong>in</strong>sgesamt hohe realistische Anmutungsqualität für den Rezipienten; <strong>der</strong> Film<br />

wird als Reproduktion von Wirklichkeit erlebt. Dieser E<strong>in</strong>druck wird noch verstärkt<br />

durch die gleichzeitige Wahrnehmung von Sprache <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en akustischen<br />

Zeichen <strong>und</strong> Figuren beim Tonfilm.<br />

Im Film wird e<strong>in</strong>e Vielzahl von k<strong>in</strong>ematographischen Bil<strong>der</strong>n ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gefügt. Se<strong>in</strong>e<br />

Syntax enthält dementsprechend nicht nur Regeln für die Konstruktion<br />

k<strong>in</strong>ematographischer Bil<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n auch Regeln für die Montage <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

Regeln für bestimmte filmische Erzählweisen. Semantisch stellt je<strong>der</strong> Film (auch jede<br />

Fernsehsendung) e<strong>in</strong> komplexes Bedeutungsgefüge mit erheblicher<br />

Bedeutungsmenge dar, die sich ergibt aus<br />

o <strong>der</strong> Bedeutung ikonischer, sprachlicher, k<strong>in</strong>esischer <strong>und</strong> sonstiger<br />

E<strong>in</strong>zelzeichen,<br />

o <strong>der</strong> Kontextbedeutung ikonischer, sprachlicher, k<strong>in</strong>esischer <strong>und</strong> sonstiger<br />

E<strong>in</strong>zelzeichen im k<strong>in</strong>ematographischen Bild,<br />

o <strong>der</strong> Kontextbedeutung k<strong>in</strong>ematographischer Bil<strong>der</strong> im Gesamtfilm.<br />

Diese Bedeutungsmenge ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel so groß, dass sie vom Rezipienten nur zum<br />

Teil entschlüsselt werden kann.<br />

2


2. <strong>Filmanalyse</strong><br />

Die <strong>Filmanalyse</strong> leistet die Entschlüsselung <strong>der</strong> Bedeutungsmenge. Ihr Ziel ist es, die<br />

Struktur <strong>der</strong> Filme als auch ihre Wirkung zu untersuchen. Die zentrale Fragestellung<br />

ist:<br />

Mit welchen Gestaltungsmitteln werden bestimmte Effekte erzielt, die beim<br />

Zuschauer bestimmte Wirkungen hervorrufen?<br />

2.1. Methoden <strong>der</strong> <strong>Filmanalyse</strong><br />

Zur Analyse e<strong>in</strong>es Films stehen unterschiedliche Verfahrensweisen zur Verfügung,<br />

die verschiedenen Diszipl<strong>in</strong>en zugeordnet werden können. Gr<strong>und</strong>sätzlich s<strong>in</strong>d zwei<br />

Richtungen <strong>der</strong> <strong>Filmanalyse</strong> zu unterscheiden:<br />

o die empirisch-sozialwissenschaftliche Methode (Inhaltsanalyse), die zum Ziel hat,<br />

strukturelle Merkmale auf e<strong>in</strong>e objektivierbare, d.h. quantifizierbare Weise zu<br />

ermitteln.<br />

Inhaltsanalysen werden vor allem im sozial- <strong>und</strong> publizistikwissenschaftlichen<br />

Bereich, aber auch literatur-, kunst- <strong>und</strong> kommunikationswissenschaftlichen<br />

Ansätzen durchgeführt, <strong>in</strong> denen es beispielsweise auf die Beantwortung von<br />

Fragen im Zusammenhang größerer Produktmengen ankommt, so dass sich<br />

Häufigkeiten von Merkmalen als e<strong>in</strong> zusammenfassendes Strukturelement<br />

herausstellen lassen. Die ästhetische Struktur des e<strong>in</strong>zelnen Produkts wird dabei<br />

eher vernachlässigt. E<strong>in</strong> Beispiel dafür ist die ideologiekritische Inhaltsanalyse <strong>der</strong><br />

Darstellung von Randgruppen (soziale Außenseiter, krim<strong>in</strong>elle Jugendliche etc.) <strong>in</strong><br />

den Medien. Hier s<strong>in</strong>d die engagierte Parteilichkeit o<strong>der</strong> die bewusste<br />

Diffamierung ausschlaggeben<strong>der</strong> als die ästhetische Qualität.<br />

o Der hermeneutische Zugang zu Filmen.<br />

Er orientiert sich an <strong>der</strong> Theorie <strong>und</strong> Praxis <strong>der</strong> Textauslegung, <strong>in</strong>dem die<br />

vorhandenen Bedeutungsebenen <strong>und</strong> S<strong>in</strong>npotentiale aufgedeckt werden. Da es<br />

um e<strong>in</strong> S<strong>in</strong>nverstehen geht, fließt auch die Subjektivität des Rezipienten <strong>in</strong> die<br />

Analyse e<strong>in</strong>. Hermeneutisch orientierte Film- <strong>und</strong> Fernsehanalysten s<strong>in</strong>d sich<br />

immer <strong>der</strong> Historizität <strong>der</strong> Analyse bewusst.<br />

Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur<strong>in</strong>terpretation entwickelten Arbeitsschritte f<strong>in</strong>den sich auch <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Filmanalyse</strong> wie<strong>der</strong>.<br />

3


Ausgehend von <strong>der</strong> Seh-Erfahrung des Betrachters lässt sich<br />

o e<strong>in</strong> erstes Verständnis des Films formulieren, <strong>in</strong> dem auch Mißverständnisse<br />

<strong>und</strong> Nichtverstehen deutlich werden, die zugleich die Subjektivität <strong>der</strong><br />

Seherfahrungen deutlich machen,<br />

o die eigene Seh-Erfahrung wird als e<strong>in</strong>e spezifische Lesart o<strong>der</strong> Wahrnehmung<br />

artikuliert <strong>und</strong> zugleich als e<strong>in</strong>e erste Auslegungshypothese (Fragestellung)<br />

formuliert.<br />

o Daran knüpft die Analyse des Films an, die sich nicht nur auf subjektive<br />

Empf<strong>in</strong>dungen, son<strong>der</strong>n auf zusätzliche E<strong>in</strong>sichten stützt, <strong>in</strong>dem durch<br />

fachspezifische Methoden die Bed<strong>in</strong>gungen des Filmverständnisses reflektiert<br />

werden, die Struktur des Produkts untersucht, se<strong>in</strong>e Ausdrucksformen, se<strong>in</strong>e<br />

filmästhetische Gestaltung, se<strong>in</strong> Bezug zu den filmischen Traditionen <strong>und</strong> die <strong>in</strong> ihm<br />

vorhandenen Bedeutungspotentiale entschlüsselt werden.<br />

o Die eigene Seh-Erfahrung, die Lesart des Films <strong>und</strong> die Analyse <strong>der</strong> Struktur<br />

werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em letzten Schritt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Zusammenhang gebracht.<br />

Die Film<strong>in</strong>terpretation kann sich aus verschiedenen Perspektiven auf<br />

unterschiedliche Aspekte des Film<strong>in</strong>halts beziehen:<br />

Sie stellt das zentrale Gerüst des Films, se<strong>in</strong>en Aufbau, se<strong>in</strong>e Komposition, se<strong>in</strong>e<br />

spezifische Ordnung als E<strong>in</strong>zelwerk <strong>in</strong> den Mittelpunkt <strong>der</strong> Untersuchung. Fragen<br />

beziehen sich beispielsweise<br />

o auf die Handlung <strong>und</strong> Handlungsstränge<br />

o auf die Figuren<br />

o auf die Stilmittel (Kamera, Bilde<strong>in</strong>stellungen/Komposition, Montage,<br />

Geräusche, Musik)<br />

o auf den Bereich <strong>der</strong> Werte, Normen, <strong>der</strong> Ideologie.<br />

Die biographische <strong>Filmanalyse</strong><br />

Sie zielt nicht auf die Struktur des Films wie beim strukturalistischen Ansatz son<strong>der</strong>n<br />

es geht darum, über den Regisseur <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Biographie, zu e<strong>in</strong>em besseren<br />

Verständnis se<strong>in</strong>es Werkes zu gelangen. An die Stelle <strong>der</strong> formalen Struktur wird<br />

somit e<strong>in</strong>e biographische Struktur gesetzt, beispielsweise die „beson<strong>der</strong>e<br />

Handschrift“ <strong>in</strong> den Filmen von Alfred Hitchcock o<strong>der</strong> David Lynch.<br />

Genrespezifische Film<strong>in</strong>terpretation<br />

Zu e<strong>in</strong>em Genre zählt e<strong>in</strong>e Gruppe von Filmen, die Geme<strong>in</strong>samkeiten h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />

Thematik, <strong>der</strong> Motive, <strong>der</strong> Symbole, Handlungsschemata o<strong>der</strong> auch <strong>in</strong> Bedeutungen<br />

aufweisen. Gängige Genre s<strong>in</strong>d beispielsweise die Love Story, <strong>der</strong> Thriller, die<br />

Teenhorrorfilme o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Science-Fiktion-Film.<br />

Bei <strong>der</strong> genrespezifischen Film<strong>in</strong>terpretation werden Filme im Kontext ihres Genres<br />

analysiert. Zwei Fragen stehen dabei im Mittelpunkt: Was ist bei dem zu<br />

<strong>in</strong>terpretierenden Film unverän<strong>der</strong>t im Verhältnis zu an<strong>der</strong>en Filmen se<strong>in</strong>es Genres?<br />

4


Was än<strong>der</strong>t sich im Verhältnis zu den an<strong>der</strong>en Filmen, welches s<strong>in</strong>d die Variablen,<br />

aus denen sich die Genre-Entwicklung ersehen lässt?<br />

Die soziologische Film<strong>in</strong>terpretation<br />

Hier lautet <strong>der</strong> Schlüsselbegriff „Gesellschaft“. Die soziologische Film<strong>in</strong>terpretation<br />

geht von <strong>der</strong> gesellschaftlichen Prägung des Films aus, <strong>in</strong>sofern als sie den Film im<br />

H<strong>in</strong>blick auf se<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>gabe von Wirklichkeit bewertet. Daraus lässt sich<br />

ideologiekritisch die Frage nach <strong>der</strong> gesellschaftlichen Parteilichkeit des Films<br />

ableiten; Parteilichkeit für o<strong>der</strong> gegen bestimmte Randgruppen, Schichten <strong>und</strong><br />

Personen, Parteilichkeit <strong>in</strong> Problemfragen <strong>und</strong> Interessensgegensätzen.<br />

E<strong>in</strong> Film kann affirmativ als auch kritisch gegenüber <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>und</strong> realen<br />

Herrschaftsverhältnissen se<strong>in</strong>. Es werden Fragen gestellt wie: Wird hier gelogen,<br />

verschönt, utopisch e<strong>in</strong> neuer Weg aufgezeigt? Die Interpretation zielt somit auf die<br />

Funktion des Films <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er bestimmten Gesellschaft.<br />

Die psychologische Film<strong>in</strong>terpretation<br />

Psychologische Film<strong>in</strong>terpretationen beschäftigen sich mit Aspekten <strong>der</strong><br />

Filmwahrnehmung, wobei <strong>der</strong> Kontext, <strong>in</strong> den <strong>der</strong> Film gestellt wird, <strong>der</strong> Kontext <strong>der</strong><br />

eigenen Psyche, <strong>der</strong> Psyche des Zuschauers ist. Das Erkenntnis<strong>in</strong>teresse besteht<br />

dar<strong>in</strong>, aus dem Manifesten e<strong>in</strong>es Films dessen latente Bedeutung zu ermitteln.<br />

Vorgängiges Wissen ist vor allem die Kenntnis um psychoanalytische Symbole, um<br />

Verarbeitungs-, Verdrängungs-, Maskierungs-, Abwehrmechanismen.<br />

Dieser Bereich spielt beispielsweise e<strong>in</strong>e zentrale Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> Medienwirkungs-<br />

Forschung (Darstellung von Gewalt) <strong>und</strong> im Jugendmedienschutz (psychische<br />

Belastung <strong>und</strong> FSK-Freigaben)<br />

Für die medienpädagogische E<strong>in</strong>schätzung, d.h. ihre Eignung für K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

Jugendliche, bieten sich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die strukturalistische, die soziologische <strong>und</strong><br />

die psychologische Film<strong>in</strong>terpretation an. Die auf Filmstil o<strong>der</strong> -geschichte h<strong>in</strong><br />

ausgerichteten Analysten können das „filmk<strong>und</strong>liche“ Wissen erweitern <strong>und</strong> vertiefen.<br />

3. Die literatur- o<strong>der</strong> filmhistorische Film<strong>in</strong>terpretation<br />

Das Erkenntnis<strong>in</strong>teresse dieses Ansatzes zielt auf e<strong>in</strong> Verständnis des Films im Licht<br />

se<strong>in</strong>er literaturhistorischen o<strong>der</strong> filmhistorischen Tradition, wie beispielsweise die<br />

Serie Noir o<strong>der</strong> die Nouvelle Vague. Bekanntestes Beispiel <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang ist die „Literaturverfilmung“ nach Vorlagen von Roald Dahl, Astrid<br />

L<strong>in</strong>dgren, Christ<strong>in</strong>e Nöstl<strong>in</strong>ger, etc.<br />

Für e<strong>in</strong>en aufschlussreichen Vergleich bietet sich <strong>der</strong> Film „Strangers on a Tra<strong>in</strong>“<br />

(„Der Fremde im Zug“; USA 1951) an. Die Vorlage ist <strong>der</strong> Roman von Patricia<br />

Highsmith. Das Drehbuch schrieb Raymond Chandler <strong>und</strong> die Regie führte Alfred<br />

5


Hitchcock.<br />

E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Zusammenhang ist <strong>der</strong> explizite o<strong>der</strong> teils implizite Bezug e<strong>in</strong>en Films<br />

auf an<strong>der</strong>e Filme (Filmzitate): Ohne die Kenntnis <strong>der</strong> Figur des Rick (Humphrey<br />

Bogart) <strong>in</strong> „Casablanca“ ist Woody Allens „Mach’s noch e<strong>in</strong>mal, Sam“ nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

ganzen Bedeutung zu verstehen.<br />

Aktuelle Beispiele: „Inglourious Basterds“ von Quent<strong>in</strong> Tarant<strong>in</strong>o (D/USA 2009) <strong>und</strong><br />

„Machete“ von Robert Rodriguez (USA 2010)<br />

3.1. Literaturverfilmung:<br />

Die Umsetzung (filmische Version) e<strong>in</strong>er literarischen Vorlage. Die Ausgangsbasis<br />

kann verschiedenen literarischen Gattungen entnommen se<strong>in</strong>: Roman, Drama,<br />

Kurzgeschichte <strong>und</strong> Erzählung.<br />

„Der etwas diffuse Begriff Literaturverfilmung sollte nur dann verwendet werden,<br />

wenn man <strong>der</strong> literarischen Vorlage zu e<strong>in</strong>em Film hohen Rang zumisst, meist<br />

übere<strong>in</strong>stimmend mit dem geltenden kulturgeschichtlichen Kanon <strong>der</strong> Meisterwerke“.<br />

(Reclams Sachlexikon des Films)<br />

Adaptionsformen (nach Wolfgang Gast):<br />

1. Adaption als Aneignung von literarischem Rohstoff. Viele Filme s<strong>in</strong>d geschaffen<br />

„nach Motiven“ etwa <strong>der</strong> Abenteuerliteratur.<br />

2. Adaption als Illustration. Diese „bebil<strong>der</strong>te Literatur“ vernachlässigt die<br />

Eigengesetzlichkeiten <strong>der</strong> beiden Medien <strong>und</strong> br<strong>in</strong>gt meist ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressanten<br />

Transformationen zustande, weil die Vorlage <strong>in</strong>s Visuelle kopiert wird, was<br />

weitgehend zu konventionellen <strong>und</strong> auch langweiligen Endprodukten führt,<br />

beson<strong>der</strong>s bei den Verfilmungen von K<strong>in</strong><strong>der</strong>büchern, aber auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Literaturverfilmungen.<br />

3. Adaption als Transformation. Hier wird umgesetzt, aber ohne Kopierabsicht,<br />

son<strong>der</strong>n die Verfilmung sucht e<strong>in</strong> „analoges Werk“, die medienspezifischen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen leiten den E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Verfahren <strong>und</strong> die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Vorlage, denn statt Wörtliches zu zitieren werden effektive Entsprechungen<br />

<strong>in</strong>tendiert. Das kann zu <strong>in</strong>terpretierenden Transformationen führen, die auf radikal<br />

subjektive Weise die Vorlage verän<strong>der</strong>t, aber sich dennoch an <strong>der</strong>en Geist orientiert<br />

<strong>und</strong> dem Zuschauer die Verschiedenheit von Vorlage <strong>und</strong> Verfilmung, d. h. den<br />

<strong>in</strong>terpretierenden Standpunkt bewusst macht.<br />

4. Adaption als Dokumentation. Hier handelt es sich vor allem um die Verfilmung von<br />

Theater<strong>in</strong>szenierungen, die die filmischen Mittel so e<strong>in</strong>setzen können, dass<br />

filmgerechtere Aufzeichnungen entstehen.<br />

Inhaltlichem Konzept nach unterscheidet Gast noch die aktualisierende, aktuellpolitisierende,<br />

ideologisierende, historisierende, ästhetisierende, psychologisierende,<br />

popularisierende <strong>und</strong> parodierende Adaption; Differenzierungen, die je nach<br />

Inhaltsgesichtspunkt modifiziert werden können.<br />

6


4. Analyse-Modell<br />

Er<strong>in</strong>nert sei an die zentrale Fragestellung: Mit welchen Gestaltungsmitteln werden<br />

bestimmte Effekte erzielt, die beim Zuschauer bestimmte Wirkungen hervorrufen?<br />

Ausgangspunkt <strong>der</strong> Analyse s<strong>in</strong>d die strukturellen Elemente <strong>der</strong> Filmhandlung <strong>und</strong><br />

die filmspezifischen Gestaltungsmittel <strong>der</strong> Handlungsdarbietung.<br />

Das nachfolgende Analyse-Modell orientiert sich im Gegensatz zum Stellenwert an<br />

e<strong>in</strong>er Filmakademie hier an dem Gebrauchswert für die <strong>Medienpädagogik</strong>; für den<br />

E<strong>in</strong>satz von Filmen <strong>in</strong> <strong>der</strong> schulischen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> außerschulischen Bildungsarbeit. Es<br />

werden daher nur die wesentlichen <strong>und</strong> gebräuchlichsten Begriffe <strong>und</strong> Elemente<br />

e<strong>in</strong>bezogen.<br />

Zur Struktur: Inhalt <strong>und</strong> Handlung des Films<br />

o Thema<br />

o Hauptperson<br />

o Nebenrollen<br />

o Handlungsmotivation<br />

o Konflikte / Konfliktlösungen<br />

o Dramaturgie (Szenenfolge, Höhepunkte, Spannungsbogen)<br />

o Erzählperspektive<br />

o Beson<strong>der</strong>e Gestaltungsmittel (Rückblenden, Traumsequenzen, Collagen etc.)<br />

Zur Technik: <strong>Filmsprache</strong><br />

Zwischen extremer Nähe <strong>und</strong> extremer Entfernung hat sich e<strong>in</strong>e achtstufige Skala<br />

von E<strong>in</strong>stellungsgrößen e<strong>in</strong>gebürgert – so Wolfgang Gast <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er „E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong><br />

Begriffe <strong>und</strong> Methoden <strong>der</strong> <strong>Filmanalyse</strong>“ - , die von <strong>der</strong> Produktionsseite her nötig<br />

s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> zugleich auch für e<strong>in</strong>e differenzierte Analyse hilfreiche Kategorisierungen<br />

anbieten:<br />

o E<strong>in</strong>stellungsgrößen<br />

o Weit – Atmosphäre, Spannung, Entspannung<br />

o Total – Handlung im Gesamtüberblick, Übersicht, räumliche Orientierung<br />

o Halbtotal – Distanz zum Zuschauer, sichtbare Körpersprache, jedoch ke<strong>in</strong>e<br />

Mimik<br />

o Halbnah – Situation, Kommunikation, beobachtende Distanz<br />

o Amerikanisch – „Personen etwa bis unterhalb <strong>der</strong> Hüfte“ (Western)<br />

o Nah – Mimik, Gestik, emotionale Nähe<br />

o Groß – Kopf: Ausdruck von Gefühlen <strong>und</strong> Empf<strong>in</strong>dungen<br />

o Detail – extrem kle<strong>in</strong>er Ausschnitt, Intensivierung, Spannung<br />

o Kameraperspektiven<br />

o Normalsicht – Augenhöhe (<strong>der</strong> Erwachsenen, <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>)<br />

o Froschperspektive – Untersicht (übermächtiges Gegenüber, lächerlich)<br />

o Vogelperspektive – Aufsicht (ger<strong>in</strong>gschätziges Gegenüber, überlegen)<br />

7


Die Kameraperspektive spielt beson<strong>der</strong>s e<strong>in</strong>e Rolle bei <strong>der</strong> (medienpädagogischen)<br />

E<strong>in</strong>schätzung e<strong>in</strong>es Films h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Eignung für K<strong>in</strong><strong>der</strong>, siehe Abschnitt 2.3.):<br />

Entspricht die gewählte Gr<strong>und</strong>-Perspektive (Normalsicht) <strong>der</strong> Augenhöhe <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> wird ihre Wahrnehmung durch die Perspektive e<strong>in</strong>es Erwachsenen verzerrt<br />

wie<strong>der</strong>gegeben?<br />

o Kamera- <strong>und</strong> Objektbewegungen<br />

o Kamerabewegungen – Stand, Schwenk, Fahrt, Zoom<br />

o „Subjektive“ Kamera – Authentizität, Identifikation<br />

o Objektbewegungen:<br />

a) <strong>in</strong> das Bild h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>und</strong> vom Zuschauer weg<br />

b) aus dem Bild heraus <strong>und</strong> auf den Zuschauer zu<br />

c) parallel zum unteren Bildrand von rechts nach l<strong>in</strong>ks o<strong>der</strong> umgekehrt am<br />

Zuschauer vorbei<br />

o Beleuchtung <strong>und</strong> Farbgestaltung<br />

Ausleuchtung, Hervorhebung, Kontraste (Stimmungen)<br />

o Wort-Bild-Ton-Beziehung<br />

„On“ – sichtbare Quelle<br />

„Off“ – unsichtbare Quelle<br />

o Parallel-synchroner Ton (aktueller Ton, kommentieren<strong>der</strong> Ton)<br />

o Kontrapunktisch-synchroner Ton (unterschiedliche Semantik)<br />

o Musik<br />

o illustriert, kommentiert (Handlung, Stimmungen)<br />

o etabliert (Raum <strong>und</strong> Zeit)<br />

o emotionalisiert (Filmrezipienten)<br />

o strukturiert (Kont<strong>in</strong>uität, Zäsur)<br />

o Titel- <strong>und</strong> Leitmotiv (Kanonisierung, Werbung)<br />

o Geräusche<br />

Intensivieren (authentisch, synthetisch)<br />

o Special effects<br />

Filmtricks, Rückprojektionen, Digitalisierung<br />

o Computer Generated Imagery (CGI)<br />

Fachausdruck für mittels 3-D-Computergrafik erzeugte Bil<strong>der</strong> im Bereich <strong>der</strong><br />

Special effects (auch: Visual Effects). Der Begriff bezeichnet<br />

Computeranimationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Filmkunst – im Gegensatz zu<br />

Computeranimationen zum Beispiel <strong>in</strong> Computerspielen.<br />

8


o Dokumentarfilm<br />

Umfassen<strong>der</strong>, allgeme<strong>in</strong>er Begriff für alle nichtfiktionalen Filme -<br />

<strong>in</strong> unterschiedlichen Formen wie „semi-dokumentarisch“<br />

für Spielfilme, die sich den Ansche<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Dokumentarfilms geben –<br />

beispielsweise <strong>in</strong> Filmen über aktuelle Kriegsschauplätze - , o<strong>der</strong> die<br />

„dokumentarische Rekonstruktion“ (auch: „Dokudrama“), die beispielsweise e<strong>in</strong><br />

historisches/zeitgeschichtliches Ereignis <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Spielfilms möglichst<br />

authentisch darstellt.<br />

o Montage<br />

Die Montage ist die Verknüpfung von m<strong>in</strong>destens zwei E<strong>in</strong>stellungen o<strong>der</strong> ganzer<br />

Sequenzen e<strong>in</strong>es Films durch Schnitt (cutt<strong>in</strong>g) o<strong>der</strong> Blende. Unterschieden wird<br />

dabei zwischen dem sichtbaren, gestaltenden Schnitt <strong>und</strong> dem unsichtbaren,<br />

weichen Schnitt.<br />

Die sieben Gr<strong>und</strong>typen <strong>der</strong> Montage:<br />

o Szenische Montage (Augenzeuge, E<strong>in</strong>heit von Raum, Zeit <strong>und</strong> Handlung)<br />

o Erzählende Montage (<strong>in</strong>haltliche E<strong>in</strong>heit, zusammenhängen<strong>der</strong> Prozess)<br />

o Beschreibende Montage (objektbezogen; Schauplätze, Gegenstände <strong>und</strong><br />

Figuren)<br />

o Metonymische Montage (umfassende Klammerung; die Addition e<strong>in</strong>zelner<br />

Teile ergibt e<strong>in</strong> Neues)<br />

o Vergleichende Montage (po<strong>in</strong>tiert ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong> geschnitten <strong>und</strong> mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

verb<strong>und</strong>en)<br />

o Symbolische Montage (Symbole: Uhr = Zeit / Pferde = Freiheit <strong>und</strong><br />

Abenteuer)<br />

o Assoziative Montage (Vermittlung verschiedener Wirkungsebenen,<br />

Atmosphäre, Impressionen)<br />

9


5. Medienpädagogische Analyse<br />

Der Analyse des Films folgt die E<strong>in</strong>schätzung des Films h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />

(medienpädagogischen) E<strong>in</strong>schätzung für K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche. Es wird davon<br />

ausgegangen, dass die Auswahl <strong>der</strong> Filme für K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Medienpädagogen<br />

direkt verantwortet wird <strong>und</strong> möglicherweise nur e<strong>in</strong> Teil des pädagogischen<br />

Programms (Thema – Zielsetzung – Vorbereitung – Film – Nachbereitung) ist,<br />

während Jugendliche stärker <strong>in</strong> die Auswahl e<strong>in</strong>bezogen werden <strong>und</strong> es hier sehr<br />

stark auf e<strong>in</strong>e Kommunikation anregende, dialogstiftende Funktion ankommt.<br />

Die Frage nach <strong>der</strong> Eignung von Filmen für K<strong>in</strong><strong>der</strong> (Zielgruppe 6 bis 12 Jahre) <strong>und</strong><br />

Jugendliche (Zielgruppe 12 bis 16 Jahre) lässt sich gr<strong>und</strong>sätzlich auf folgende vier<br />

Dimensionen beziehen:<br />

o Die emotionale Erlebnisqualität<br />

o Die kognitive Erlebnisqualität<br />

o Die ästhetische Erlebnisqualität<br />

o Der Film als potentielles Lernfeld für K<strong>in</strong><strong>der</strong> bzw. als Kommunikations-<br />

Angebot für Jugendliche<br />

Diesen vier Dimensionen können folgende Kriterien zur E<strong>in</strong>schätzung zugeordnet<br />

werden:<br />

Die emotionale Erlebnisqualität<br />

a) Betroffenheit <strong>und</strong> Identifikation<br />

Die Gr<strong>und</strong>annahme ist: K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben e<strong>in</strong>e hohe Bereitschaft zum emotionalen<br />

Miterleben <strong>und</strong> zur Identifikation. Das Spektrum des altersspezifischen<br />

Rezeptionsvermögens reicht vom ‚totalen‘ Erleben bei den Vorschulk<strong>in</strong><strong>der</strong>n bis zur<br />

emotionalen Distanzierung bei den älteren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Das Ausmaß von tatsächlicher<br />

Erlebens<strong>in</strong>tensität <strong>und</strong> Identifikation hängt ab von <strong>der</strong> Nachvollziehbarkeit <strong>der</strong><br />

Situationen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Geschichte des Films, von <strong>der</strong> dramaturgischen Struktur <strong>und</strong><br />

vom Vorhandense<strong>in</strong> von Identifikationsfiguren.<br />

Filme, <strong>der</strong>en Handlung (die erzählte Geschichte o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne Geschehnisse) die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> betroffen macht o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Protagonisten – beispielsweise gleichaltrige<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> – zur Identifikation e<strong>in</strong>laden, s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>s gut für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>filmarbeit<br />

geeignet.<br />

Dieser Prozess verläuft über die Projektion (eigene Wünsche <strong>und</strong> Vorstellungen<br />

werden <strong>in</strong> das Geschehen projiziert) <strong>und</strong> die Introjektion (unbewusste Nachahmung<br />

o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>beziehung frem<strong>der</strong> Anschauungen/Motive <strong>in</strong> den eigenen Interessenkreis).<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> identifizieren sich aber nicht nur mit den „Filmk<strong>in</strong><strong>der</strong>n“, den Protagonisten,<br />

son<strong>der</strong>n auch mit Tieren als handlungstragende Figuren; beson<strong>der</strong>s bei jüngeren<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d diese sehr beliebt. Schwierig ist es bei Filmen, <strong>in</strong> denen aus<br />

dramaturgischen Gründen anfangs bewusst ‚negative‘ Protagonisten aufgebaut<br />

werden – etwa um Klischee-Charaktere wie beispielsweise unbeliebte Außenseiter<br />

später zu brechen <strong>und</strong> sie sympathisch werden zu lassen. Das Interesse <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

an <strong>der</strong> Entwicklung dieser Figuren ist nicht beson<strong>der</strong>s ausgeprägt.<br />

10


Auch Jugendliche identifizieren sich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie mit den positiven Protagonisten:<br />

mit den Stars, Idolen <strong>und</strong> Ikonen des populären K<strong>in</strong>os. Die Filmbranche produziert<br />

unterschiedliche Idole, <strong>und</strong> sie lösen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> schnell ab. Während <strong>der</strong> Star als<br />

Gegenstand <strong>der</strong> Bew<strong>und</strong>erung aller noch e<strong>in</strong>e gewisse kultur<strong>in</strong>dustriell vermittelte<br />

Verb<strong>in</strong>dlichkeit ausdrückt, muß das Idol von denen ergriffen werden, die sich mit ihm<br />

e<strong>in</strong> Stück weit identifizieren können – sonst verliert es Kontur <strong>und</strong> Magie.<br />

Schauspieler <strong>und</strong> gespielte Figur werden zunehmend untrennbar. Sie „spielen sich<br />

selbst“ <strong>und</strong> werden damit von Idolen zu Ikonen. Die neuen jugendlichen Ikonen s<strong>in</strong>d<br />

ke<strong>in</strong>e Verwandlungskünstler mit e<strong>in</strong>er Allmacht über diverse Gesten <strong>und</strong><br />

Rollenrepertoires, son<strong>der</strong>n sie s<strong>in</strong>d stets dieselben, für jeden wie<strong>der</strong>erkennbar <strong>und</strong><br />

gerade darum geliebt, verehrt, wirksame Identifikationsobjekte (Stars <strong>und</strong> Idole).<br />

Dazu Dieter Baacke <strong>in</strong> „Leben wie im K<strong>in</strong>o“:<br />

„Die neuen Jugend-Idole s<strong>in</strong>d Delegierte. Sie werden von ihren Zuschauern<br />

‚ausgeschickt‘, um jene Grenzerfahrungen zu machen, jene Lebensversuche zu<br />

formulieren, von denen ihre jugendlichen Zuschauer träumen. Der Alltag <strong>der</strong> meisten<br />

Jugendlichen lässt nicht zu, was <strong>der</strong> Film verdichtet zeigt: action, body, emotion.<br />

Zwischen den Jugend-Idolen <strong>und</strong> ihren Zuschauern besteht e<strong>in</strong>e Psychodynamik<br />

gegenseitigen Angewiesense<strong>in</strong>s. Der Delegierte tut, was <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e tun möchte,<br />

aber nicht zu tun sich getraut.<br />

Wichtig am Idol ist zwar se<strong>in</strong>e Authentizität, die Stimmigkeit dessen, was es als<br />

Delegierter für se<strong>in</strong>e Zuschauer erlebt <strong>und</strong> ausführt. Aber es wächst sozusagen über<br />

den Rand des (imag<strong>in</strong>ären) Filmgeschehens h<strong>in</strong>aus, <strong>und</strong> so wird die Trennl<strong>in</strong>ie<br />

unscharf, die filmische Fiktion <strong>und</strong> reales Leben e<strong>in</strong>deutig unterscheidbar machen.“<br />

Identifikationsprozesse f<strong>in</strong>den auch <strong>und</strong> gerade dort statt, wo nicht die Stars <strong>und</strong><br />

Idole – beispielsweise des synthetischen Hollywood-K<strong>in</strong>os die Protagonisten s<strong>in</strong>d,<br />

son<strong>der</strong>n Jugendliche <strong>in</strong> authentischen Filmen. Das s<strong>in</strong>d Filme, die als zeitliche <strong>und</strong><br />

geographische Geme<strong>in</strong>samkeiten aktuelle Bezüge zur Alltagsrealität <strong>der</strong><br />

Jugendlichen aufweisen <strong>und</strong> ihrem Lebensgefühl entsprechen. In den Angeboten zur<br />

Identifikation mit den Protagonisten <strong>und</strong> zur Betroffenheit von dem Geschehen<br />

besitzen diese Filme ihre thematische <strong>und</strong> motivische Geme<strong>in</strong>samkeit. Authentische<br />

Produktionen machen sich die Perspektive <strong>der</strong> Jugendlichen zu eigen. Durch<br />

Parteilichkeit <strong>und</strong> Nähe unterscheidet sich dieser Ansatz beispielsweise von den<br />

Filmen, die auf e<strong>in</strong>e voyeuristische Distanz zu Jugendlichen gehen – sehr oft dort, wo<br />

Problembereiche wie Jugendkrim<strong>in</strong>alität, Banden, Drogen, Prostitution etc.<br />

kommerziell ausgeschlachtet werden.<br />

Auch Filme ohne Identifikationsfiguren können Betroffenheit auslösen <strong>und</strong><br />

Jugendliche fasz<strong>in</strong>ieren. E<strong>in</strong> Beispiel hierfür s<strong>in</strong>d Filme, die den „Geist <strong>der</strong> Zeit“ (o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>er bestimmten) treffen wie beispielsweise <strong>der</strong> experimentelle Dokumentarfilm<br />

„Koyaanisqatsi“ (USA 1982); e<strong>in</strong> Film über den Missbrauch <strong>der</strong> Erde durch den<br />

Menschen <strong>und</strong> die Schädigung urbaner Zivilisation, e<strong>in</strong>e Montage von Bil<strong>der</strong>n <strong>und</strong><br />

Musik ohne e<strong>in</strong> gesprochenes Wort.<br />

b) Psychische Belastung durch bestimmte Inhalte<br />

Die Gr<strong>und</strong>annahme ist: Filme, <strong>in</strong> denen bestimmte bedrohliche Situationen<br />

beson<strong>der</strong>s häufig vorkommen, s<strong>in</strong>d für K<strong>in</strong><strong>der</strong> zu stark psychisch belastend. E<strong>in</strong>e<br />

11


nicht altersgerecht-zumutbare psychische Belastung spricht gegen den E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es<br />

Films: Hierzu gehören beispielsweise die Verlassenheit von Personen/K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong><br />

frem<strong>der</strong> Umgebung, angstauslösende Situationen, plötzlich auftretende,<br />

erschreckende Ereignisse <strong>und</strong> traurige Situationen.<br />

Für die <strong>Medienpädagogik</strong> ist die spezifische Eignung des Films beispielsweise für die<br />

Aufbereitung e<strong>in</strong>es Themas <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>filmarbeit ausschlaggebend. Vorausgesetzt<br />

wird hierbei die Altersfreigabe des Films durch die Freiwillige Selbstkontrolle <strong>der</strong><br />

Filmwirtschaft (FSK), die nicht unterschritten werden darf. Die gesetzliche Freigabe<br />

markiert e<strong>in</strong>e untere Grenze unterhalb <strong>der</strong> das Risiko psychischer Verletzungen <strong>und</strong><br />

Entwicklungsstörungen besteht. Dieser Grenzwert wird häufig als pädagogische<br />

Altersempfehlung fehl<strong>in</strong>terpretiert.<br />

Die kognitive Erlebnisqualität<br />

Hierzu zählen <strong>in</strong>haltliche <strong>und</strong> formale E<strong>in</strong>deutigkeit <strong>und</strong> E<strong>in</strong>fachheit: Die<br />

Verständlichkeit <strong>der</strong> Geschichte <strong>und</strong> des Verhaltens <strong>der</strong> Personen, <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren<br />

Entwicklungen sowie möglicher Rückblenden o<strong>der</strong> Traumsequenzen, sowie e<strong>in</strong>e<br />

überschaubare Erzählstruktur, Klarheit <strong>in</strong> den Personenkonstellationen, sozialen<br />

Beziehungen o<strong>der</strong> Entwicklungen.<br />

Geschehens- <strong>und</strong> S<strong>in</strong>nverständnis e<strong>in</strong>es Films s<strong>in</strong>d altersabhängig. Je e<strong>in</strong>deutiger<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>facher e<strong>in</strong> Film <strong>in</strong>haltlich <strong>und</strong> formal ist, um so besser ist er für jeweils jüngere<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> verstehbar.<br />

Der E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> kognitiven Erlebnisqualität h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> altersspezifischen<br />

Eignung geht voraus die Analyse <strong>der</strong> filmsprachlichen Mittel (Abschnitt 2.2.).<br />

Die ästhetische Erlebnisqualität<br />

Die Vermittlung bzw. Aneignung von Medienkompetenz versteht sich auch als<br />

offener Prozess ästhetischer Bildung. Zur Qualifikation <strong>der</strong> Medienrezipienten tragen<br />

die Entschlüsselung, das Verständnis <strong>und</strong> die Deutung <strong>der</strong> audiovisuellen<br />

Produktionen bei.<br />

Erkenntnisse hierzu ergeben sich aus <strong>der</strong> Analyse des Films, vgl. Abschnitt 2.3. <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Folgerungen h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> künstlerischen <strong>und</strong> dramaturgischen Gestaltung:<br />

Darstellung, Regie, Ausstattung, special effects etc.<br />

Um bei Jugendlichen Akzeptanz zu f<strong>in</strong>den, müssen die Filme ihren<br />

Sehgewohnheiten entsprechen. Das stellt e<strong>in</strong>erseits hohe Anfor<strong>der</strong>ungen an die<br />

ästhetische Qualität, schließt aber an<strong>der</strong>erseits nicht aus, jugendliche Zuschauer<br />

immer wie<strong>der</strong> neu herauszufor<strong>der</strong>n. In produktionstechnischer H<strong>in</strong>sicht hat es sich für<br />

die Akzeptanz bei Jugendlichen als erfolgreich erwiesen, nicht nur mit Profis <strong>und</strong><br />

Stars, son<strong>der</strong>n so viel wie möglich auch mit jugendlichen Darstellern direkt zu<br />

arbeiten. Laiendarsteller wirken als jugendliche Protagonisten oft überzeugen<strong>der</strong> als<br />

junge Schauspieler o<strong>der</strong> Jungstars, die zwar äußerst populär s<strong>in</strong>d, aber nicht mit<br />

ihren Rollen identifiziert werden (Beispiel: W<strong>in</strong>ona Ry<strong>der</strong>, Leonardo DiCaprio). E<strong>in</strong>en<br />

authentischen Bezug – beispielsweise mit Jugendlichen aus e<strong>in</strong>em bestimmten<br />

Milieu o<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Filmhandlung entsprechenden Erfahrungsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> –<br />

erleichtern den Identifikationsprozeß <strong>und</strong> erhöhen den Grad <strong>der</strong> Betroffenheit (siehe<br />

oben).<br />

12


Der Film als potentielles Lernfeld für K<strong>in</strong><strong>der</strong> bzw. als Kommunikations-Angebot für<br />

Jugendliche<br />

Filme können für K<strong>in</strong><strong>der</strong> als Sozialisations- <strong>und</strong> Erziehungs<strong>in</strong>stanz bedeutend se<strong>in</strong>.<br />

Dieses erschließt sich über<br />

o Personen <strong>und</strong> ihre Merkmale: Äußere Ersche<strong>in</strong>ung, Fähigkeiten,<br />

Fertigkeiten, Eigenschaften, Eigenheiten, Mittel des Verhaltens <strong>und</strong><br />

Verhaltensmotive<br />

o Soziale Festlegungen <strong>und</strong> soziale Rollen: Sozialer Status,<br />

Rollenerwartungen <strong>und</strong> ggf. Äußerungsformen, Rollenhandeln <strong>und</strong><br />

Begründung (Geschlechts-, Alters-, Generations-, Berufs- <strong>und</strong><br />

Positionsrolle)<br />

o Personenkonstellationen <strong>und</strong> soziale Beziehungen: Entwicklung sozialer<br />

Aggregate – E<strong>in</strong>zelne/Gruppen (Familie), Menge/Masse – Beziehungen <strong>und</strong><br />

ihre Begründungen<br />

o Konflikte <strong>und</strong> Konfliktverhalten: Anlässe <strong>und</strong> Gewichtung (Art), Beteiligte <strong>und</strong><br />

Konfliktverhalten (emotional/rational, verbal/nonverbal, gewaltlos/mit<br />

Gewalt), Konfliktlösungen (E<strong>in</strong>lenken e<strong>in</strong>es/aller Beteiligten, „Kompromiss“<br />

o<strong>der</strong> „Sieg“?, E<strong>in</strong>greifen an<strong>der</strong>er Personen bzw. e<strong>in</strong>er höheren<br />

Gewalt/Instanz. Übertragbarkeit von Konfliktlösungen,<br />

Lösungsmöglichkeiten o<strong>der</strong> „offenes Ende“? S<strong>in</strong>d an<strong>der</strong>e Lösungen als die<br />

durch Gewaltanwendung denkbar?<br />

o Werte <strong>und</strong> Wertorientierungen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Beurteilung nach eigenen<br />

pädagogischen Normen. Je<strong>der</strong> Film vermittelt die Erfahrung e<strong>in</strong>er fiktiven<br />

Wirklichkeit, die – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von jüngeren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n – als solche nicht<br />

erkannt wird. Entsprechend ausgeprägt ist die Bereitschaft, aus <strong>der</strong><br />

filmischen Welterfahrung zu lernen <strong>und</strong> Informationen über die Realität<br />

(Fakten- <strong>und</strong> Wertewissen) abzuleiten. Das Ausmaß, <strong>in</strong> dem im E<strong>in</strong>zelfall<br />

tatsächlich aus e<strong>in</strong>em Film gelernt wird, ist von <strong>der</strong> beim Filmempfang<br />

vorhandenen Prädisposition abhängig.<br />

Für Jugendliche s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> medienpädagogischen Arbeit beson<strong>der</strong>s die Filme<br />

geeignet, die e<strong>in</strong>e dialogstiftende Qualität besitzen <strong>und</strong> Kommunikationsprozesse<br />

<strong>in</strong>itiieren. Das erfor<strong>der</strong>t:<br />

o Identifikationsfiguren<br />

o Glaubwürdigkeit durch die (parteiliche) Sicht <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

o Ke<strong>in</strong>e plakative <strong>und</strong> platte, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fühlsame, fe<strong>in</strong>s<strong>in</strong>nige <strong>und</strong><br />

liebevolle Dramaturgie<br />

o Ke<strong>in</strong>e abgehobene abstrakte, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e nachvollziehbare <strong>und</strong><br />

lebensnah gestaltete Handlung<br />

o Ke<strong>in</strong>e reaktionären <strong>und</strong> (bloß angepasste) normgerechten<br />

Verhaltensweisen, son<strong>der</strong>n phantasievolle, bewußtse<strong>in</strong>serweiternde <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong>novative.<br />

o Nicht verbietende Lösungen o<strong>der</strong> moralische Zeigef<strong>in</strong>ger, son<strong>der</strong>n<br />

Lösungen o<strong>der</strong> Lösungsansätze, die man überdenken kann. Beson<strong>der</strong>s<br />

hierzu s<strong>in</strong>d Filme mit e<strong>in</strong>em „offenen Ende“ ideal.<br />

13


5.1. Formen <strong>der</strong> Vor- <strong>und</strong> Nachbereitung des Films<br />

Aus den „potentiellen Lernfel<strong>der</strong>n“ für K<strong>in</strong><strong>der</strong> (siehe oben) lassen sich die Themen für<br />

vielfältige Formen <strong>der</strong> Vor- <strong>und</strong> Nachbereitung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>filmen entwickeln.<br />

Ausgangspunkt dieser Arbeit war die Wie<strong>der</strong>entdeckung des K<strong>in</strong><strong>der</strong>films Anfang <strong>der</strong><br />

70er Jahre. Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>film wurde als wichtiger Teil <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>kultur anerkannt <strong>und</strong><br />

das K<strong>in</strong><strong>der</strong>k<strong>in</strong>o als sozialer, kultureller, pädagogischer <strong>und</strong> ästhetischer Ort entdeckt<br />

<strong>und</strong> geschätzt. Damit waren auch die Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e differenzierte<br />

medienpädagogische Vor- <strong>und</strong> Nachbereitung geschaffen worden. Ausgangs- <strong>und</strong><br />

Mittelpunkt <strong>der</strong> Aktivitäten ist das Medium Film. So gibt es e<strong>in</strong>e Reihe von<br />

Produktionen, die ke<strong>in</strong>e Nachbereitung brauchen, die <strong>in</strong> ihrer Bedeutung, ihrer<br />

Wirkung <strong>und</strong> als Erlebnis für sich stehen. Das schließt jedoch bei an<strong>der</strong>en Werken<br />

e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Vor- <strong>und</strong> Nachbereitung, die den Film ergänzt <strong>und</strong> nicht ersetzt, nicht<br />

aus.<br />

In dem Son<strong>der</strong>druck <strong>der</strong> „K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendfilmkorrespondenz“ „Inspiration<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>film“ werden exemplarisch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis erprobte Modelle <strong>der</strong> Vor- <strong>und</strong><br />

Nachbereitung dokumentiert, die die Wahrnehmungsfähigkeit <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> för<strong>der</strong>n <strong>und</strong><br />

den kompetenten Umgang mit Bil<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Symbolen entwickeln helfen. Hans Strobel<br />

führt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>leitung folgendes Spektrum auf:<br />

„1. Vor dem Film<br />

E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung bzw. ‚Ansage‘ zum Film kann folgende Punkte enthalten:<br />

o Informationen zum besseren Verständnis des Films, d.h. Informationen, die<br />

sich aus dem Film nicht erschließen, aber zum Gesamtverständnis<br />

notwendig s<strong>in</strong>d, z.B. bei zeitgeschichtlichen Filmen o<strong>der</strong> Filmen aus<br />

fremden Län<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> fremden Kulturen.<br />

o Informationen über die Filmemacher, über die Autoren, z.B. bei<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>buchverfilmungen<br />

o Informationen, die die anschließenden Aktionen betreffen bzw. vorbereiten<br />

o E<strong>in</strong>stimmungen, die das Filmerlebnis emotional vorbereiten.<br />

2. Nach dem Film<br />

Es gibt e<strong>in</strong>e Vielfalt erprobter Nachbereitungsaktionen; teilweise werden auch ihre<br />

verschiedenen Formen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verknüpft.<br />

o Sprachliche Methoden. Dazu zählen verschiedene Formen des Filmgesprächs<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Filmanalyse</strong> – beispielsweise im Schreiben von Kritiken –, die nur <strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>en Zusammenhängen Anwendung f<strong>in</strong>den.<br />

o Spielerische o<strong>der</strong> spielpädagogische Methoden. E<strong>in</strong> Schwergewicht liegt auf<br />

den non-verbalen, den spielerischen Formen <strong>und</strong> Möglichkeiten. Hier ist vor allem<br />

das Rollen- <strong>und</strong> Theaterspiel zu nennen. Im Spiel können die K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Personen<br />

o<strong>der</strong> Figuren, mit denen sie sich beson<strong>der</strong>s identifiziert haben, nachspielen, neue<br />

Handlungs- <strong>und</strong> Lösungsmöglichkeiten entwickeln o<strong>der</strong> ihre Gefühle verarbeiten.<br />

o Mediale Methoden. Geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d mediale Angebote <strong>und</strong> Formen wie z.B.<br />

Malen, Collagen erstellen sowie Basteln. Interessant ist auch das Filmen mit <strong>der</strong><br />

Videokamera. Hier lernen die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, mit e<strong>in</strong>er Kamera umzugehen, die Wirkung<br />

diverser E<strong>in</strong>stellungsarten auszuprobieren o<strong>der</strong> – angeregt durch den Film – e<strong>in</strong>en<br />

eigenen kle<strong>in</strong>en Film zu drehen. Zur Vermittlung von Gr<strong>und</strong>begriffen <strong>der</strong> bewegten<br />

Bil<strong>der</strong> bietet sich neben <strong>der</strong> Videoarbeit die Direktbearbeitung von Filmmaterial<br />

14


(Blank- <strong>und</strong> Schwarzfilm) an. Die Welt <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> durchschaubarer zu machen, ohne<br />

zu entzaubern, ist das Ziel <strong>der</strong> Beschäftigung mit dem optischen Spielzeug aus <strong>der</strong><br />

Vorgeschichte des Films. Daumenk<strong>in</strong>os, W<strong>und</strong>errä<strong>der</strong>, Zwirbelkärtchen etc. lassen<br />

sich mit Vergnügen herstellen <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d zugleich aufschlussreiche, fasz<strong>in</strong>ierende<br />

Schauobjekte.“<br />

Das „Lexikon des K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendfilms“ stellt <strong>in</strong> „Teil 9: K<strong>in</strong>opraxis“ e<strong>in</strong>e Reihe<br />

von medienpädagogischen Vor- <strong>und</strong> Nachbereitungsideen vor, die sich an e<strong>in</strong>zelnen<br />

Filmen o<strong>der</strong> Filmgenres orientieren <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis erprobt wurden. Hier werden<br />

neben den klassischen, filmgeschichtlich bedeutsamen Filmen auch aktuelle<br />

Produktionen mit e<strong>in</strong>bezogen, die <strong>in</strong> den Medienangeboten für K<strong>in</strong><strong>der</strong> für<br />

nichtkommerzielle Zwecke nutzbar s<strong>in</strong>d.<br />

6. Anmerkungen zum Jugendschutz <strong>und</strong> zur Altersfreigabe von Filmen<br />

„Die FSK-Kennzeichnungen erfolgen auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage von §§ 12,14<br />

Jugendschutzgesetz.<br />

Sie s<strong>in</strong>d gesetzlich verb<strong>in</strong>dliche Kennzeichen, die von <strong>der</strong> FSK im Auftrag <strong>der</strong><br />

Obersten Landesjugendbehörden vorgenommen werden.<br />

Die FSK-Kennzeichnungen s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e pädagogischen Empfehlungen, son<strong>der</strong>n sollen<br />

sicherstellen, dass das körperliche, geistige o<strong>der</strong> seelische Wohl von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong><br />

Jugendlichen e<strong>in</strong>er bestimmten Altersgruppe nicht bee<strong>in</strong>trächtigt wird.“<br />

(verpflichten<strong>der</strong> Kennzeichnungstext im Vorspann je<strong>der</strong> veröffentlichten DVD)<br />

Mit <strong>der</strong> Altersfreigabe ist also ke<strong>in</strong>e pädagogische Empfehlung o<strong>der</strong> ästhetische<br />

Bewertung verb<strong>und</strong>en.<br />

Zu den „Pädagogischen Altersempfehlungen für K<strong>in</strong><strong>der</strong>filme“ hat das K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong><br />

Jugendfilmzentrum <strong>in</strong> Deutschland (KJF) 2011 e<strong>in</strong>e Expertise herausgegeben, die<br />

im Anhang – leicht gekürzt – nachzulesen ist.<br />

7. Anmerkungen zur Darstellung von Gewalt <strong>und</strong> zur<br />

Medienwirkungsforschung<br />

„Die Allgegenwart von Gewaltdarstellungen <strong>in</strong> den Medien<br />

<strong>und</strong> die Frage ihrer Wirkung s<strong>in</strong>d als Themen <strong>der</strong> <strong>Medienpädagogik</strong><br />

e<strong>in</strong> Dauerbrenner“<br />

(Ralf Vollbrecht)<br />

Jugendliche verfügen bereits über e<strong>in</strong>e ausgeprägte Mediensozialisation, was sich<br />

15


eispielsweise <strong>in</strong> ihren ausgesprochenen Vorlieben für Actionfilme o<strong>der</strong> aktuell <strong>der</strong><br />

Popularität <strong>der</strong> Teenhorrorfilme ausdrückt. Zu den möglichen<br />

Gefährdungspotentialen e<strong>in</strong>es Films zählt hier <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Darstellung von<br />

Gewalt. Verschiedene Modelle <strong>der</strong> Medienwirkungsforschung (z.B. Katharsisthese,<br />

Stimulierungsthese o<strong>der</strong> Habitualisierungsthese) kommen zu unterschiedlichen<br />

Aussagen. Unbestritten ist, dass Gewaltverherrlichung mit e<strong>in</strong>em Wirkungsrisiko<br />

verb<strong>und</strong>en ist. Mit <strong>der</strong> immer selbstverständlicheren Präsenz von audiovisuellen<br />

Medien im Alltag von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendliches ist dieses Thema von zunehmen<strong>der</strong><br />

Brisanz.<br />

Ralf Vollbrecht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er „E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Medienpädagogik</strong>“:<br />

„Was aber wird (nicht nur von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n) überhaupt als Gewalt wahrgenommen? Ob<br />

e<strong>in</strong>e Handlung als Gewalthandlung (soziale Abweichung) o<strong>der</strong> als normal angesehen<br />

wird, unterliegt <strong>der</strong> Deutung. Es gibt ke<strong>in</strong>e Gewalt an sich – we<strong>der</strong> <strong>in</strong> den Medien<br />

noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Realität. Deutungsmuster entscheiden darüber, was als Gewalt<br />

angesehen wird <strong>und</strong> welche Gewalt negativ o<strong>der</strong> positiv sanktioniert o<strong>der</strong><br />

gerechtfertigt ist (Notwehr). Solche Deutungsmuster f<strong>in</strong>den ihre juristischen Formen<br />

im Strafgesetzbuch. Wesentlicher als das konkrete Ausmaß an Gewaltanwendung ist<br />

die durch Normen <strong>und</strong> moralische Vorstellungen gestützte soziale Kontrolle. Der<br />

soziale Kontext ist dabei ebenfalls von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung... Es gibt also<br />

neben Normen <strong>und</strong> Rechtfertigungen immer auch Ursachen o<strong>der</strong> Motive für<br />

Gewalthandlungen, ebenso Folgen, die selbst wie<strong>der</strong> Gewalthandlungen se<strong>in</strong><br />

können. Gewaltdarstellungen müssen daher im Rahmen <strong>der</strong> Erzähl- <strong>und</strong><br />

Handlungskontexte gesehen bzw. gedeutet werden. Auch die Genres spielen e<strong>in</strong>e<br />

Rolle, da sie die Vorerwartungen <strong>der</strong> Zuschauer steuern...<br />

Bei personaler Gewalt ist auch e<strong>in</strong>e mögliche Identifikation mit dem Täter zu<br />

bedenken. Mögliche Motive wären hier Selbstbehauptung, Selbst-Durchsetzung o<strong>der</strong><br />

Identifikation mit dem Aggressor....<br />

Wenn Gewaltwirkungen <strong>der</strong> Medien pauschal nicht nachweisbar s<strong>in</strong>d, aber<br />

Indikatoren für e<strong>in</strong> Wirkungsrisiko bei entsprechen<strong>der</strong> <strong>in</strong>dividueller o<strong>der</strong> sozialer<br />

Disposition vorliegen, ist für die Praxis <strong>der</strong> Medienerziehung wohl anzuraten, sich auf<br />

die sichere Seite zu schlagen <strong>und</strong> stets mit <strong>der</strong> Möglichkeit von Wirkungen zu<br />

rechnen (Risikothese). Der Begriff des Risikos unterstellt im Unterschied zum Begriff<br />

<strong>der</strong> Gefährdung nicht das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er generellen Gefahrenlage, schließt<br />

jedoch die Möglichkeit e<strong>in</strong>, dass für bestimmte Individuen o<strong>der</strong> Gruppen unter<br />

bestimmten Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong> Wirkungsrisiko besteht.“<br />

8. Literatur<br />

Albersmeier, Franz-Josef 2001: Texte zur Theorie des Films. Reclam TB 9943,<br />

Philipp Reclam Jun., Stuttgart<br />

Barg, Werner/Niesyto, Horst/Schmoll<strong>in</strong>g, Jan 2006: Jugend:Film:Kultur. Gr<strong>und</strong>lagen<br />

<strong>und</strong> Praxishilfen für die Filmbildung. kopaed, München<br />

Becker, Wolfgang/Schöll, Norbert 1983: Methoden <strong>und</strong> Praxis <strong>der</strong> <strong>Filmanalyse</strong>.<br />

Leske + Budrich, Opladen<br />

Beiken, Peter 2004: Wie <strong>in</strong>terpretiert man e<strong>in</strong>en Film? Für die Sek<strong>und</strong>arstufe II.<br />

Reclam TB 15227, Philipp Reclam Jun., Stuttgart<br />

16


Bergala, Ala<strong>in</strong> 2006: K<strong>in</strong>o als Kunst. Filmvermittlung an <strong>der</strong> Schule <strong>und</strong> an<strong>der</strong>swo.<br />

Schüren Verlag, Marburg<br />

Bienk, Alice 2008: <strong>Filmsprache</strong>. E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>in</strong>teraktive <strong>Filmanalyse</strong>. Schüren<br />

Verlag, Marburg (orig. 2006)<br />

Blothner, Dirk 1999: Erlebniswelt K<strong>in</strong>o. Über die unbewußte Wirkung des Films.<br />

Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach<br />

Bordwell, David 2001: Visual Style <strong>in</strong> C<strong>in</strong>ema. Vier Kapitel Filmgeschichte. Verlag <strong>der</strong><br />

Autoren, Frankfurt<br />

Brücks, Arne/Wegener, Claudia (Hg) 2009: Filmerleben von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong><br />

Jugendlichen. E<strong>in</strong>e HFF-Studie; veröffentlicht im Lexikon des K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong><br />

Jugendfilms<br />

Decke-Cornill, Helene/Luca, Renate (Hg.) 2007: Jugendliche im Film - Filme für<br />

Jugendliche. Medienpädagogische, bildungstheoretische <strong>und</strong> didaktische<br />

Perspektiven. kopaed, München<br />

Die<strong>der</strong>ichs, Helmut H. (Hg.) 2004: Geschichte <strong>der</strong> Filmtheorie. Kunsttheoretische<br />

Texte von Méliès bis Arnheim. Suhrkamp Taschenbuch 1652, Frankfurt<br />

Ehrenspeck, Yvonne/Schäffer, Burkhard (Hg.) 2003: Film- <strong>und</strong> Fotoanalyse <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Erziehungswissenschaft. Leske + Budrich, Opladen<br />

Faulstich, Werner 1994: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Filmanalyse</strong>. Gunter Narr Verlag, Tüb<strong>in</strong>gen<br />

(4., vollst. neu bearb. u. erhebl. erw. Aufl.; orig. 1980)<br />

Faulstich, Werner/Faulstich, Ingeborg 1977: Modelle <strong>der</strong> <strong>Filmanalyse</strong>. Wilhelm F<strong>in</strong>k<br />

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Faulstich, Werner 1988: Die Film<strong>in</strong>terpretation. Vandenhoeck & Ruprecht, Gött<strong>in</strong>gen<br />

Felix, Jürgen 2002: Mo<strong>der</strong>ne Film Theorie. Theo Ben<strong>der</strong> Verlag, Ma<strong>in</strong>z<br />

Fritz, Karsten/ St<strong>in</strong>g, Stephan/ Vollbrecht, Ralf (Hg.) 2003: Mediensozialisation.<br />

Pädagogische Perspektiven des Aufwachsens <strong>in</strong> Medienwelten. Leske + Budrich<br />

Verlag, Opladen<br />

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Hickethier, Knut 1993: Film- <strong>und</strong> Fernsehanalyse. Stuttgart/Weimar, Sammlung<br />

Metzler<br />

Hohmann, Tanja 2002: Medienkompetenz <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>k<strong>in</strong>o – Modelle <strong>der</strong><br />

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(zu beziehen über http://www.kjk-muenchen.de/archiv/son<strong>der</strong>drucke.php)<br />

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Koebner, Thomas (Hg) 2007: Reclams Sachlexikon des Films. Reclam<br />

Korte, Helmut 2004: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Systematische <strong>Filmanalyse</strong>. Erich Schmidt<br />

Verlag, Berl<strong>in</strong> (3. überarbeitete <strong>und</strong> erweiterte Auflage)<br />

17


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Mikos, Lothar 2003: Film- <strong>und</strong> Fernsehanalyse. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz<br />

Monaco, James 2000: Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache, Geschichte <strong>und</strong><br />

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Pleyer, Peter 1974: Informationen zur Massenkommunikationslehre. Verlag C.J.<br />

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Salber, Wilhelm 1977: Wirkungsanalyse des Films. Verlag Walter König, Köln<br />

Schäfer, Horst (Hg.) ab 1998: Lexikon des K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendfilms im K<strong>in</strong>o, im<br />

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Strobel, Hans (Hg.) 1995: Inspiration K<strong>in</strong><strong>der</strong>film. Modelle <strong>der</strong> medienpädagogischen<br />

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Jugendfilmzentrum <strong>in</strong> Deutschland. München<br />

Vollbrecht, Ralf 2001: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Medienpädagogik</strong>. Beltz Verlag, We<strong>in</strong>heim<br />

<strong>und</strong> Basel<br />

DVD<br />

Werner Barg/Horst Schäfer 2005: <strong>Filmsprache</strong> <strong>und</strong> <strong>Filmanalyse</strong>. dffb/KJF.<br />

Auslieferung über den KJF-Medienvertrieb.<br />

Deutsche Filmakademie 2011: Fasz<strong>in</strong>ation Film. Vom Drehbuch bis zur Premiere.<br />

Genauere E<strong>in</strong>zelheiten: vier<strong>und</strong>zwanzig.de (Das Wissensportal <strong>der</strong> Deutschen<br />

Filmakademie).<br />

18


9. Anhang: Pädagogische Altersempfehlung für K<strong>in</strong><strong>der</strong>filme (*)<br />

E<strong>in</strong>e Expertise des K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendfilmzentrums <strong>in</strong> Deutschland<br />

Die Alterskennzeichnung von Filmen ist im Medienalltag von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Jugendlichen <strong>und</strong><br />

Erziehungsverantwortlichen auf breiter Basis verankert <strong>und</strong> e<strong>in</strong> wichtiges<br />

Jugendschutzkriterium. Die entsprechenden Alterse<strong>in</strong>stufungen s<strong>in</strong>d geläufig <strong>und</strong> die<br />

Prüfsiegel allgegenwärtig. Die klaren Regelungen des Jugendschutzes sollen junge<br />

Menschen wirksam vor Entwicklungsbee<strong>in</strong>trächtigungen schützen. Sie schützen jedoch nicht<br />

vor falschen Erwartungen <strong>und</strong> Fehl<strong>in</strong>terpretationen bei <strong>der</strong> altersgerechten Filmauswahl. Das<br />

FSK-Label erhebt we<strong>der</strong> den Anspruch, e<strong>in</strong> Qualitätssiegel zu se<strong>in</strong>, noch als pädagogische<br />

Empfehlung zu gelten. Dieses Missverständnis tritt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit immer wie<strong>der</strong> auf.<br />

Obwohl <strong>in</strong>zwischen selbst im Vorspann je<strong>der</strong> DVD e<strong>in</strong> erläutern<strong>der</strong> Text davor warnt, die<br />

Jugendfreigabe mit e<strong>in</strong>er pädagogischen Empfehlung gleichzusetzen, orientieren sich viele<br />

Eltern bei <strong>der</strong> Programmauswahl an den Freigabekennzeichen <strong>der</strong> FSK. Eltern erwarten<br />

verständliche <strong>und</strong> zugleich transparente Informationen für die Auswahl <strong>der</strong> Filme <strong>und</strong> die<br />

Medienerziehung ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Sie sollen aber nicht nur psychosoziale Schädigungen<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n auch die alters- <strong>und</strong> bedürfnisgerechte Medienrezeption för<strong>der</strong>n.<br />

Altersempfehlungen für Filme werden zwar bereits seit vielen Jahren von e<strong>in</strong>igen<br />

medienpädagogischen <strong>und</strong> filmkulturellen Trägern sowie publizistischen Organen <strong>und</strong><br />

Filmkritikern angeboten. Doch s<strong>in</strong>d sie we<strong>der</strong> untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmt noch die<br />

entsprechenden Kriterien für die Nutzer offengelegt. Daran än<strong>der</strong>t auch die unbestrittene<br />

fachliche F<strong>und</strong>ierung solcher Empfehlungen nichts, selbst wenn sie auf Erfahrungswerten<br />

<strong>der</strong> Filmbildung <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Medienpädagogik</strong> beruhen.<br />

Die vorliegende Expertise will deshalb auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage von Erkenntnissen <strong>der</strong><br />

Wahrnehmungspsychologie, <strong>der</strong> Mediensozialisation <strong>und</strong> <strong>der</strong> Entwicklungspsychologie<br />

gr<strong>und</strong>legende Kriterien für die Festlegung von Altersempfehlungen herausarbeiten. Dieses<br />

Vorhaben wird über diese Expertise h<strong>in</strong>ausgehend noch weiter ausgearbeitet, systematisiert<br />

<strong>und</strong> evaluiert werden müssen. Im ersten Schritt geht es hier <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e darum, e<strong>in</strong>en<br />

anwendungsbezogenen Querschnitt bekannter wissenschaftlicher Ansätze darzulegen, auf<br />

die Praxis <strong>der</strong> Filmrezeption von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu beziehen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme<br />

existieren<strong>der</strong> Altersempfehlungen zu geben. Beschrieben werden auch die Art <strong>der</strong><br />

Kennzeichnungen sowie die Kriterien <strong>und</strong> Verbreitungsmedien, über die solche<br />

Altersempfehlung publiziert s<strong>in</strong>d. Eltern im Nachbarland Österreich steht bei ihrer<br />

Entscheidung für die Medienauswahl e<strong>in</strong> doppeltes Servicepaket zur Verfügung. Es wurde<br />

von <strong>der</strong> Jugendmedienkommission im B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isterium für Unterricht, Kunst <strong>und</strong> Kultur<br />

ausgearbeitet. Für K<strong>in</strong>ofilme werden sowohl Alterskennzeichnungen im S<strong>in</strong>ne des<br />

Jugendschutzes als auch Positivkennzeichnungen im S<strong>in</strong>ne von Filmempfehlungen direkt bei<br />

<strong>der</strong> Veröffentlichung e<strong>in</strong>es Films o<strong>der</strong> Bildträgers ausgesprochen. Die Expertise stellt auch<br />

dieses Praxismodell aus Österreich vor.<br />

Aus den Erfahrungen <strong>und</strong> Erkenntnissen des Jugendmedienschutzes <strong>in</strong> Deutschland <strong>und</strong><br />

Österreich lassen sich zusammenfassend Faktoren ableiten, die für e<strong>in</strong>e pädagogische<br />

Altersempfehlung maßgebend s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong>em vorläufigen Raster führen, an dem sich<br />

medienpädagogische Altersempfehlungen zukünftig orientieren können.<br />

19


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Wissenschaftliche Erkenntnisse als Gr<strong>und</strong>lage für die Annäherung an<br />

pädagogische Altersempfehlungen<br />

1.1. Altersstufen <strong>und</strong> Entwicklungsstadien nach Jean Piaget<br />

1.2. Kompetenzentwicklung bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n nach Prenzky, Charlton u. a.<br />

1.3. Das Modell des Filmverstehens nach Bordwell<br />

1.4. Gesellschaftsmodelle nach Margaret Mead<br />

1.5. Dissertation von Claudia Raabe<br />

Aktuelle Studie zum Filmerleben „Spannung, Spaß, Humor“<br />

2. Regelungen des Jugendmedienschutzes – Altersfreigaben <strong>der</strong> Freiwilligen<br />

Selbstkontrolle <strong>der</strong> Filmwirtschaft (FSK)<br />

2.1. Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Freigabepraxis<br />

2.2. Alterskennzeichnung von Filmen<br />

2.3. Exkurs – Jugendmedienschutz <strong>und</strong> Akzeptanz<br />

3. Altersempfehlungen zu K<strong>in</strong>ofilmen – E<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme<br />

4. Jugendmedienschutz <strong>in</strong> Österreich – E<strong>in</strong> Praxismodell<br />

5. Bildung e<strong>in</strong>es Kriterienrasters für pädagogische Altersempfehlungen bei K<strong>in</strong>ofilmen<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

5.1. Ke<strong>in</strong>e Zielgruppe: Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong> unter vier Jahren<br />

5.2. Allgeme<strong>in</strong>e Vorgaben<br />

5.3. Beurteilungskriterien für e<strong>in</strong>en „guten“ K<strong>in</strong><strong>der</strong>film<br />

5.4. Kriterienraster für K<strong>in</strong><strong>der</strong> zwischen 4 <strong>und</strong> 14 Jahren<br />

6. Literaturh<strong>in</strong>weise<br />

20


1. Wissenschaftliche Erkenntnisse als Gr<strong>und</strong>lage für die Annäherung an<br />

pädagogische Altersempfehlungen<br />

Bereits kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong>teressieren sich für bewegte Bil<strong>der</strong>, Musik <strong>und</strong> Töne <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d<br />

davon fasz<strong>in</strong>iert. In allen Altersstufen erfassen sie zunächst <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktiv die<br />

Gestaltungsmittel von Filmen. Mit zunehmendem Alter differenzieren sich die<br />

Wahrnehmungsformen durch e<strong>in</strong>en Zuwachs an Lebens- <strong>und</strong> Medienerfahrung, durch<br />

eigene Erlebnisse <strong>und</strong> durch Aneignung von Kenntnissen. Es hängt von <strong>der</strong><br />

Kompetenzentwicklung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des ab, wie die dargebotenen Bild- <strong>und</strong> Tonfolgen<br />

e<strong>in</strong>es Films wahrgenommen <strong>und</strong> nachvollzogen werden können. Die Persönlichkeitsentwicklung<br />

e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des vollzieht sich <strong>in</strong> mehreren Stufen, hängt jedoch auch von<br />

weiteren <strong>in</strong>dividuellen Wirkungsfaktoren ab.<br />

E<strong>in</strong>e pädagogische Altersempfehlung muss das berücksichtigen. Sie muss<br />

nachvollziehbare Stufen e<strong>in</strong>er durchschnittlichen Entwicklung beschreiben <strong>und</strong> diese<br />

Stufen bei <strong>der</strong> Darstellung von E<strong>in</strong>schätzungen <strong>und</strong> Empfehlungen kenntlich machen.<br />

Um dieser Aufgabe besser gerecht zu werden, sollen theoretische Erkenntnisse zur<br />

Persönlichkeitsentwicklung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aus <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lagenforschung aus<br />

wissenschaftlicher Sicht etwas näher betrachtet <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>s diejenigen Erkenntnisse<br />

herausgestellt werden, die im H<strong>in</strong>blick auf f<strong>und</strong>ierte pädagogische Altersempfehlungen<br />

e<strong>in</strong>e Orientierung geben o<strong>der</strong> konkrete Ansätze für die Umsetzung bieten. Unter diesem<br />

Gesichtspunkt werden Theorien <strong>der</strong> k<strong>in</strong>dlichen Entwicklung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sozialisation aus<br />

den Perspektiven verschiedener Fachrichtungen kurz dargestellt <strong>und</strong> zusammengefasst.<br />

Dabei bleibt es nicht aus, dass die bisherigen Theorien sowie Forschungs- <strong>und</strong><br />

Studienergebnisse noch Fragen offen lassen. Im Wesentlichen stützt sich die Expertise<br />

auf e<strong>in</strong>e Zusammenfassung <strong>der</strong> Studie des Hans-Bredow-Instituts (2007), die im<br />

Querschnitt die <strong>der</strong>zeit relevanten Gr<strong>und</strong>lagentheorien zusammenfassend beleuchtet<br />

hat.<br />

1.1. Altersstufen <strong>und</strong> Entwicklungsstadien nach Jean Piaget<br />

Im Bereich <strong>der</strong> Entwicklungspsychologie bieten die klassischen Ansätze von Piaget erste<br />

Anhaltspunkte. Er untersuchte, welche <strong>in</strong>tellektuellen <strong>und</strong> emotionalen Fähigkeiten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweiligen Altersstufe beziehungsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Stadium<br />

entwickeln <strong>und</strong> welche Formen sozialen Handelns sie damit verb<strong>in</strong>den. Se<strong>in</strong>er Ansicht<br />

nach s<strong>in</strong>d bei diesem Prozess sowohl konstante Mechanismen zu beobachten, die allen<br />

Altersstufen geme<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d, als auch variable Strukturformen, an denen die Unterschiede<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Entwicklungsstadien ablesbar s<strong>in</strong>d. Die Übergänge <strong>der</strong><br />

Entwicklungsbereiche s<strong>in</strong>d fließend <strong>und</strong> lassen sich nur analytisch zur besseren<br />

Unterscheidung trennen. Insgesamt geht Piaget von fünf Entwicklungsstadien aus, von<br />

denen sich die entscheidenden drei ersten auch bereits im 1. Lebensjahr vollziehen.<br />

Stadium 4 setzt Piaget für das 2. bis 6. Lebensjahr an <strong>und</strong> Stadium 5 für das 7. bis 12.<br />

Lebensjahr.<br />

Bezogen auf die E<strong>in</strong>schätzung von Film<strong>in</strong>halten <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Zuordnung zu e<strong>in</strong>er<br />

Altersgruppe ergibt sich hier e<strong>in</strong> erstes grobes Raster zur Vore<strong>in</strong>stufung, das allerd<strong>in</strong>gs<br />

noch genauer differenziert werden muss. Indem <strong>der</strong> Säugl<strong>in</strong>g die Fähigkeit zur<br />

„geme<strong>in</strong>samen Aufmerksamkeit“ entwickelt, setzt er die Gr<strong>und</strong>lage für se<strong>in</strong>e<br />

Filmrezeption. Die nächste Stufe (ab ca. 1 Jahr) ist die Kompetenz, dass er <strong>in</strong> Bil<strong>der</strong>n<br />

reale Phänomene repräsentiert sieht. Dieses erworbene Gr<strong>und</strong>verständnis wird sich, je<br />

nach Umfeld, weiter entwickeln <strong>und</strong> bestimmt die genauere Verarbeitung von<br />

Medien<strong>in</strong>halten. Schon hier wird deutlich: Wie sich diese Fähigkeiten beim e<strong>in</strong>zelnen<br />

K<strong>in</strong>d entwickeln, hängt sehr vom sozialen Umfeld <strong>und</strong> <strong>der</strong> Stimulation des K<strong>in</strong>des mit<br />

medialen Inhalten ab. Generalisierende Altersempfehlungen können deswegen nur<br />

Anhaltspunkte zur Orientierung se<strong>in</strong> <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Annäherung an soziale Wirklichkeiten<br />

geben.<br />

21


Die Theorie <strong>der</strong> Weltaneignung nach Jean Piaget dient als weitere Gr<strong>und</strong>lage für die<br />

Erarbeitung von pädagogischen Altersempfehlungen. Das wechselseitige<br />

Zusammenspiel von Assimilation <strong>und</strong> Akkommodation hat zur Folge, dass K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> ihrer<br />

Entwicklung neue kognitive Strukturen beziehungsweise neue Schemata entwickeln.<br />

Die qualitative Verän<strong>der</strong>ung im Entwicklungsprozess des K<strong>in</strong>des vollzieht sich <strong>in</strong> vier<br />

aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> aufbauenden Stadien (ebenfalls zitiert nach <strong>der</strong> Bredow-Studie):<br />

<br />

Sensomotorisches Stadium (ca. 0 bis 2 Jahre) K<strong>in</strong><strong>der</strong> „begreifen“ ihre Welt <strong>und</strong><br />

entwickeln aus angeborenen Reflexen erste Schemata (z.B. Saug- <strong>und</strong><br />

Greifschema) sowie die Vorstellung von e<strong>in</strong>em Objekt als beständigem<br />

Gegenstand (Objektpermanenz).<br />

Präoperatives Stadium (ca. 2 bis 7 Jahre) K<strong>in</strong><strong>der</strong> übertragen ihre Konzepte von<br />

realen Objekten auf mentale Repräsentationen.<br />

Konkret-operatives Stadium (7 bis 11 Jahre) K<strong>in</strong><strong>der</strong> entwickeln logische Strukturen,<br />

mittels <strong>der</strong>er sie geistige Operationen durchführen können, die jedoch noch an<br />

konkrete Anschauungen geb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d. Formal-operatives Stadium (ab ca.<br />

11 Jahren) Die Anwendung geistiger Operationen erweitert sich von konkreten<br />

Objekten auf verbale, logische Aussagen.<br />

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich im Laufe <strong>der</strong> letzten 30 Jahre seit den<br />

Forschungsergebnissen von Piaget auch die K<strong>in</strong><strong>der</strong>welten deutlich verän<strong>der</strong>t haben.<br />

Vor allem die Zugänglichkeit von Medien <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Präsenz hat deutlich<br />

zugenommen. Das hat logischerweise auch E<strong>in</strong>fluss auf den Wissensbereich von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Es sche<strong>in</strong>t demnach angeraten, Ansätze <strong>in</strong> die Überlegungen mit<br />

e<strong>in</strong>zubeziehen, die davon ausgehen, dass bei <strong>der</strong> kognitiven Entwicklung <strong>in</strong><br />

bestimmten Bereichen Wissen früher erworben <strong>und</strong> bei <strong>der</strong> Medienrezeption auch<br />

genutzt wird.<br />

1.2. Kompetenzentwicklung bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n nach Prenzky, Charlton u. a.<br />

Marc Prenzky, <strong>der</strong> den Begriff „digital natives“ bildete, stellte im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

Nutzung digitaler Medien fest, dass sie auch E<strong>in</strong>fluss auf die Rezeption von K<strong>in</strong>ofilmen<br />

nehmen. Im Vergleich zu früheren Generationen verfügen die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die ganz<br />

selbstverständlich im Umfeld digitaler Medien aufwachsen, über an<strong>der</strong>e Kompetenzen<br />

als K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus Generationen mit an<strong>der</strong>s strukturierten Medienwelten. Ungeklärt ist<br />

jedoch nach wie vor, <strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong>e Mediennutzung <strong>in</strong> frühen Jahren auch zu e<strong>in</strong>er<br />

verän<strong>der</strong>ten <strong>und</strong> früheren Verstehensleistung bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n führt. Die Schlussfolgerung,<br />

pädagogische Altersempfehlungen aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> starken Medienpräsenz <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>welten<br />

im Vergleich zu früheren Empfehlungen herabzustufen, muss noch überprüft werden.<br />

Ergänzend zur kognitiven Entwicklung spielt die sozial-kognitive Kompetenz des K<strong>in</strong>des<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Fähigkeit zur Empathie bei <strong>der</strong> Rezeption von Filmen e<strong>in</strong>e Rolle.<br />

Darauf wies Michael Charlton <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em strukturanalytischen Ansatz bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />

von Medienkompetenz h<strong>in</strong>. Empathie <strong>und</strong> die Fähigkeit zur Distanzierung bilden sich im<br />

Alter von etwa zwei Jahren heraus <strong>und</strong> schaffen die notwendige Voraussetzung, um<br />

Medienfiguren verstehen <strong>und</strong> sich <strong>in</strong> fiktiven Situationen zurechtf<strong>in</strong>den zu können. Im<br />

Alter von drei bis vier Jahren entwickeln K<strong>in</strong><strong>der</strong> zum e<strong>in</strong>en die Fähigkeit zur<br />

Selbstreflexion <strong>und</strong> zur Perspektivenübernahme sowie erste Fähigkeiten zur<br />

Unterscheidung von Realität <strong>und</strong> Fiktion. Während beispielsweise Dreijährige noch<br />

Schwierigkeiten haben, mediale Handlungen aus ihrer Zuschauerperspektive zu<br />

betrachten, erkennen Vier- bis Fünfjährige bereits, dass sie als Zuschauer e<strong>in</strong>en<br />

Wissensvorsprung gegenüber <strong>der</strong> Person <strong>der</strong> medialen Handlung haben, <strong>und</strong> können<br />

die Handlung – wenngleich noch unsicher – angemessener beurteilen. Im Alter von<br />

sechs bis sieben Jahren entwickeln sie e<strong>in</strong> Verständnis davon, dass verschiedene<br />

Menschen denselben Sachverhalt unter- schiedlich wahrnehmen können. Allerd<strong>in</strong>gs ist<br />

22


es ihnen <strong>in</strong> diesem Stadium noch nicht möglich, sich gleichzeitig mit verschiedenen<br />

Standpunkten zu befassen. Zwischen dem siebten <strong>und</strong> dem zwölften Lebensjahr können<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> verschiedene Perspektiven e<strong>in</strong>nehmen <strong>und</strong> auch Reaktionen an<strong>der</strong>er auf das<br />

eigene Handeln antizipieren. Diese Fähigkeit bezieht sich gleichermaßen auf reale<br />

Personen <strong>und</strong> auf Mediencharaktere.<br />

Die (sozial-)kognitive Entwicklung <strong>und</strong> das jeweilige Vorwissen erweisen sich daher als<br />

entscheidende Voraussetzungen für die Wahrnehmung, Interpretation <strong>und</strong> Verarbeitung<br />

von Medien<strong>in</strong>halten. Während k<strong>in</strong><strong>der</strong>spezifische Medienangebote die<br />

entwicklungsbezogenen Voraussetzungen ihrer Zielgruppe im Allgeme<strong>in</strong>en<br />

berücksichtigen, können bei Angeboten, die sich an ältere Zielgruppen richten,<br />

erhebliche Verständnisschwierigkeiten auftreten, da die K<strong>in</strong><strong>der</strong> erst ab e<strong>in</strong>em gewissen<br />

Alter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, komplexere Handlungen <strong>und</strong> Perspektiven zu verstehen (vgl.<br />

Bredow-Studie).<br />

Hilfreich für e<strong>in</strong>e altersbezogene Zuordnung von Film<strong>in</strong>halten kann auch das Modell von<br />

Charlton/Neumann se<strong>in</strong>, das darlegt, ab wann e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zwischen Realität <strong>und</strong> Fiktion<br />

unterscheiden kann. Mit zunehmendem Alter verän<strong>der</strong>t sich die Medien- nutzung e<strong>in</strong>es<br />

K<strong>in</strong>des von e<strong>in</strong>er illusiven zur e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>lusiven Mediennutzung. Während das K<strong>in</strong>d<br />

zunächst noch gänzlich <strong>in</strong> das Geschehen e<strong>in</strong>taucht <strong>und</strong> über wenige bis ke<strong>in</strong>e<br />

Mechanismen verfügt, sich vom Geschehen zu distanzieren, ist bei <strong>der</strong> <strong>in</strong>lusiven<br />

Mediennutzung diese Fähigkeit bereits ausgebildet. Das Alter, <strong>in</strong> dem K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage<br />

s<strong>in</strong>d, Realität <strong>und</strong> Fiktion e<strong>in</strong>deutig zu unterscheiden, lässt sich nicht präzise festlegen,<br />

da diese Kompetenz maßgeblich von den persönlichen Medienerfahrungen abhängt.<br />

Idealtypisch lassen sich bei <strong>der</strong> Beschreibung von Altersempfehlungen aber<br />

Anhaltspunkte geben.<br />

1.3. Das Modell des Filmverstehens nach Bordwell<br />

Geht es um das Verständnis von Medien<strong>in</strong>halten bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, liefert <strong>der</strong> „schema- <strong>und</strong><br />

wissensbasierte Ansatz“, <strong>der</strong> auf dem Modell des Filmverstehens nach Bordwell (1989)<br />

fußt, hilfreiche Erkenntnisse. Er unterscheidet vier gr<strong>und</strong>legende Schemata, die<br />

hierarchisch aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> aufbauen.<br />

Das Personenschema lenkt den Zuschauer auf die Intention <strong>der</strong> Schauspieler,<br />

Regisseure, Drehbuchautoren, Fernsehanstalt etc. <strong>und</strong> führt dazu, „bei e<strong>in</strong>er<br />

Nacherzählung des Inhalts auf <strong>in</strong>tentionalistische Beschreibungen zurückzugreifen”<br />

(Barth 1995, S. 20).<br />

Das Szenenschema fokussiert den synchronen Aufbau e<strong>in</strong>er Szene anhand <strong>der</strong><br />

Charaktere, <strong>der</strong> dargestellten Umwelt sowie Merkmalen <strong>der</strong> technischen <strong>und</strong><br />

ästhetischen Produktion.<br />

Das Narrationsschema repräsentiert den Verlauf e<strong>in</strong>er Filmhandlung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er -<br />

erzählung, <strong>in</strong>dem es das Personen- <strong>und</strong> das Szenenschema mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verknüpft.<br />

Dadurch wird es möglich, zum Beispiel die Dramaturgie von Fernsehwerbespots zu<br />

erkennen <strong>und</strong> zu verstehen.<br />

Das Formatschema dient <strong>der</strong> Bestimmung von Formaten <strong>und</strong> Genres <strong>und</strong> steuert<br />

entsprechend die genrespezifischen Erwartungen <strong>und</strong> Bewertungen. Die Präsenz dieses<br />

Schemas erfor<strong>der</strong>t vom Rezipienten weniger Aufmerksamkeit.<br />

Altersspezifisch werden die Schemata wie folgt zugeordnet:<br />

Szenen- <strong>und</strong> Personenschema = K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Vorschulalter<br />

Formatschema ab vier Jahren, noch ke<strong>in</strong> Narrationsschema, episodenhafte<br />

Wahrnehmung<br />

Narrationsschema ab sieben Jahren<br />

Das Formatschema ist ab acht Jahren zuverlässig entwickelt<br />

23


Wie <strong>und</strong> ab welchem Alter die Schemata tatsächlich zuverlässig angewandt werden,<br />

hängt von <strong>der</strong> Medienerfahrung <strong>der</strong> Rezipienten ab. Auch wenn diese Schematisierung<br />

für die Fernsehrezeption entwickelt wurde, liefert sie e<strong>in</strong>en weiteren H<strong>in</strong>weis darauf, dass<br />

sich die Zielgruppe K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verarbeitung von Medien<strong>in</strong>halten altersspezifisch stark<br />

differenziert. Inwieweit sich das bei <strong>der</strong> Rezeption von K<strong>in</strong>ofilmen im Vergleich zur<br />

Rezeption an<strong>der</strong>er Inhalte unterscheidet, wäre ggf. noch zu prüfen. Unabhängig von <strong>der</strong><br />

Darbietungsform e<strong>in</strong>es Medien<strong>in</strong>halts s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong><strong>der</strong> bei <strong>der</strong>en Erfassung <strong>und</strong> Verarbeitung<br />

immer von den sozialen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen ihrer persönlichen Medienwelten<br />

bee<strong>in</strong>flusst, <strong>in</strong> denen sie aufwachsen.<br />

Als Stichwort sei hier noch e<strong>in</strong>mal die Tendenz zur Verjüngung <strong>und</strong> Verfrühung von<br />

Mediennutzung <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die Vielfalt des Medienangebots für K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Konsumgesellschaft genannt. Diese Tendenz ist wissenschaftlich zwar nicht e<strong>in</strong>deutig<br />

belegt, aber sie sollte dennoch bei den Alterskriterien berücksichtigt werden. Zugleich<br />

for<strong>der</strong>t sie das Erziehungsverhalten <strong>der</strong> Eltern heraus, die sich <strong>der</strong> Frage stellen<br />

müssen, welchen E<strong>in</strong>fluss sie generell auf die soziale Orientierung <strong>und</strong> die<br />

Werteentwicklung ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben wollen.<br />

1.4. Gesellschaftsmodelle nach Margaret Mead<br />

Die Ausarbeitung <strong>der</strong> Ethnolog<strong>in</strong> Margaret Meads zum gesellschaftlichen Wandel <strong>und</strong><br />

dessen E<strong>in</strong>fluss auf die Kommunikation zwischen den Generationen kann für die<br />

Entwicklung von pädagogischen Alterskriterien ebenfalls e<strong>in</strong>e hilfreiche Gr<strong>und</strong>lage<br />

darstellen. Mead teilt Gesellschaften e<strong>in</strong> <strong>in</strong>:<br />

Postfigurative cultures, das s<strong>in</strong>d Vergangenheitsgesellschaften, die ihre<br />

Orientierung aus dem Erfahrungsschatz <strong>der</strong> älteren Generation <strong>und</strong> den überlieferten<br />

Traditionen schöpfen (klassisch, stabile Gesellschaft).<br />

Cofigurative cultures, also Gegenwartsgesellschaften, <strong>in</strong> denen die normativen<br />

Orientierungen <strong>in</strong> den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

Generationen ausgehandelt werden.<br />

Prefigurative cultures, das ist Zukunftsgesellschaften, <strong>in</strong> denen aufgr<strong>und</strong> des<br />

schnellen gesellschaftlichen Wandels normative Orientierungen nicht mehr traditionell<br />

e<strong>in</strong>gelöst werden können <strong>und</strong> die klassischen Sozialisations<strong>in</strong>stanzen Familie, Schule,<br />

Kirche ihre normsetzenden <strong>und</strong> normtradierenden Funktionen verlieren. Zugleich s<strong>in</strong>d<br />

die älteren Generationen gezwungen, sich den pluralen normativen Orientierungen <strong>der</strong><br />

jungen Generation anzupassen.<br />

Für die Entwicklung von Alterskriterien für Medien<strong>in</strong>halte ist diese Betrachtung von<br />

zentraler Bedeutung. Wenn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunftsgesellschaft die Orientierung immer stärker<br />

von <strong>der</strong> jungen Generation ausgeht, kann beispielsweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung filmischer<br />

Geschichten, die auch Wertorientierungen transportieren, auf gr<strong>und</strong>legende Haltungen<br />

früherer Generationen nicht verzichtet werden. Hier geht es unter an<strong>der</strong>em um die<br />

Frage, welche Vorbil<strong>der</strong> Medien<strong>in</strong>halte für K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben <strong>und</strong> <strong>in</strong> welchem Verhältnis sie<br />

zur eigenen Lebenswirklichkeit stehen. Meads H<strong>in</strong>weise auf soziale<br />

Verän<strong>der</strong>ungsmodelle <strong>und</strong> auf den systembestimmenden E<strong>in</strong>flussfaktor <strong>der</strong> jüngeren<br />

Generation legen nahe, den Bedarf an sozialer Orientierung mit <strong>der</strong> Nutzung von<br />

Medien<strong>in</strong>halten zu koppeln.<br />

1.5. Dissertation von Claudia Raabe<br />

In ihrer Dissertation „Soziale Orientierung durch Fernsehen? E<strong>in</strong>e Annäherung aus <strong>der</strong><br />

Perspektive k<strong>in</strong>dlicher Fernsehnutzung“ geht Claudia Raabe <strong>der</strong> Frage nach, <strong>in</strong>wieweit<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> (<strong>und</strong> Jugendliche) soziale Orientierung durch Medien<strong>in</strong>halte im Fernsehen<br />

erhalten <strong>und</strong> <strong>in</strong> welchen Lebenslagen Heranwachsende danach suchen <strong>und</strong> sie für sich<br />

nutzen. Ihre Betrachtungen müssen allerd<strong>in</strong>gs noch daraufh<strong>in</strong> überprüft werden,<br />

<strong>in</strong>wieweit sie sich auf die Filmrezeption im K<strong>in</strong>o übertragen lassen.<br />

Diverse Studien aus sozialwissenschaftlicher Sicht widmen sich den Entwicklungs-<br />

24


aufgaben, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> unter an<strong>der</strong>em mit Hilfe <strong>der</strong> Medien bearbeiten. Altersabhängig<br />

werden die wichtigen Wendepunkte <strong>der</strong> k<strong>in</strong>dlichen Sozialisation betrachtet <strong>und</strong> <strong>in</strong> Bezug<br />

zu Medien<strong>in</strong>halten gesetzt. Zentrale Aufgaben während <strong>der</strong> Vorschulzeit s<strong>in</strong>d die<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> eigenen Geschlechterrolle sowie die Autonomie von den<br />

Eltern. K<strong>in</strong><strong>der</strong> favorisieren Medienhelden, mit <strong>der</strong>en Hilfe sie ihre Entwicklungs- themen<br />

symbolisch bearbeiten können. Für die weitere Entwicklung sowie für das Jugendalter<br />

stehen laut Hurrelmann handlungsleitende Themen im Mittelpunkt. Diese Sichtweise<br />

macht sich unter an<strong>der</strong>en das Projekt „Flimmo“ zunutze, <strong>in</strong> dem regelmäßig das<br />

Fernsehangebot für K<strong>in</strong><strong>der</strong> altersbezogen e<strong>in</strong>geordnet wird.<br />

1.6. Aktuelle Studie zum Filmerleben „Spannung, Spaß, Humor“<br />

Die <strong>der</strong>zeit aktuellste Studie zum Filmerleben von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen wurde im<br />

Januar 2010 veröffentlicht. Die Studie entstand im Rahmen e<strong>in</strong>es Lehrforschungsprojekts<br />

zum Thema „K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Jugend, Medien“ im Studiengang Medienwissenschaft an<br />

<strong>der</strong> Hochschule für Film <strong>und</strong> Fernsehen „Konrad Wolf“ <strong>in</strong> Potsdam. Die Gesamt- zahl <strong>der</strong><br />

Befragten lag bei über 200. 198 Fragebögen wurden ausgewertet, davon stammen 55,6<br />

Prozent von Jungen <strong>und</strong> 44,4 Prozent von Mädchen. Die Studie wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

standardisierten Befragung vorgenommen bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n im Alter von 7 bis 9 Jahren (n =<br />

37), bei Pre-Teens von 10 bis 12 Jahren (n = 91), bei Jugendlichen von 13 bis 17 Jahren<br />

(n = 70) <strong>und</strong> zusätzlich <strong>in</strong> 12 Leitfaden<strong>in</strong>terviews bei 10- bis 14- Jährigen. Die Studie mit<br />

quantitativen wie qualitativen Erfassungsmethoden nahm den K<strong>in</strong>obesuch <strong>und</strong> das<br />

Filmerleben zum Untersuchungsgegenstand. Die wichtigsten Ergebnisse s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrem<br />

publizistischen Titel auf den Punkt gebracht. „Spaß, Spannung <strong>und</strong> Humor“ – das<br />

erwarten K<strong>in</strong><strong>der</strong> wie Jugendliche, Mädchen wie Jungen von Filmen, wenn sie das K<strong>in</strong>o<br />

m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal im Monat o<strong>der</strong> öfter besuchen. Zusammengefasst lesen sich die<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> Studie wie folgt: „Filme s<strong>in</strong>d im Leben Heranwachsen<strong>der</strong> von Bedeutung.<br />

Sie werden gesehen, kritisch bewertet, an <strong>in</strong>dividuelle Lebensthemen angeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> auf<br />

unterschiedliche Weise <strong>in</strong> den Alltag <strong>in</strong>tegriert. Die vorliegende Studie zeigt, welche Filme<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche mögen, welche Erwartungen sie an Filme stellen <strong>und</strong> wie das<br />

Filmerleben <strong>in</strong> den unterschiedlichen Altersstufen differiert (...)<br />

Die beliebtesten Genres <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen, so die Ergebnisse <strong>der</strong> Studie, s<strong>in</strong>d<br />

Abenteuerfilme, Science-Fiction, Komödien <strong>und</strong> Zeichentrickfilme. Dabei zeigen sich sowohl<br />

geschlechtsspezifische als auch altersspezifische Unterschiede. Alle Befragten mögen<br />

Abenteuer-, Action- <strong>und</strong> Zeichentrickfilme. Bei Liebes-, Tanz- <strong>und</strong> Musikfilmen allerd<strong>in</strong>gs<br />

klaffen die Geschmäcker ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Diese werden von den Jungen selten präferiert. Das<br />

Interesse für Zeichentrickfilme <strong>und</strong> Märchen lässt mit steigendem Alter nach, demgegenüber<br />

können sich die Älteren eher für Abenteuer- <strong>und</strong> Science-Fiction-Filme begeistern. Auch<br />

Horror-, Liebesfilme <strong>und</strong> Komödien treffen eher den Geschmack <strong>der</strong> Jugendlichen als den<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Fragt man K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche nach den Themen, die sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Film behandelt<br />

wissen möchten, ist die Präferenz e<strong>in</strong>deutig: Dem Thema Fre<strong>und</strong>schaft messen junge<br />

K<strong>in</strong>ogänger altersübergreifend die höchste Bedeutung zu. Tiergeschichten s<strong>in</strong>d vor allem bei<br />

jüngeren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n beliebt <strong>und</strong> f<strong>in</strong>den bei Älteren kaum mehr Anklang. Im Gegensatz dazu<br />

zeigen sich Pre-Teens <strong>und</strong> Jugendliche dem Thema Liebe gegenüber deutlich aufgeschlossener.<br />

Auch bei den Geschlechtern divergiert das Interesse: So s<strong>in</strong>d Mädchen stärker als<br />

Jungen an solchen Filmen <strong>in</strong>teressiert, die sich mit den Problemen von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong><br />

Jugendlichen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen, <strong>in</strong> denen es um Liebe geht o<strong>der</strong> die das Erwachsenwerden<br />

<strong>in</strong> ihren Mittelpunkt stellen.<br />

Was e<strong>in</strong>en guten Film ausmacht, worüber sich Qualität def<strong>in</strong>iert, darüber s<strong>in</strong>d sich K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> Jugendliche e<strong>in</strong>ig. Aus ihrer Sicht zeichnet sich e<strong>in</strong> guter Film vor allem durch e<strong>in</strong>e gute<br />

Geschichte aus. Die Popularität <strong>der</strong> Schauspieler steht dem nach, auch muss die Geschichte<br />

vorher nicht bekannt se<strong>in</strong>. Auch formale Aspekte werden von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

geschätzt <strong>und</strong> entsprechend kritisch bewertet: In e<strong>in</strong>em Film möchten sie schöne Bil<strong>der</strong><br />

sehen <strong>und</strong> die Filmmusik ist ihnen wichtig. Konsens herrscht ferner bei den emotionalen<br />

Erwartungen, die Heranwachsende an e<strong>in</strong>en Film herantragen, <strong>und</strong> bei solchen Merkmalen,<br />

25


die den Filmgenuss ihrer Me<strong>in</strong>ung nach auszeichnen: Filme sollen vor allem Spaß machen,<br />

sie sollen spannend se<strong>in</strong> <strong>und</strong> Anlass zum Lachen geben. Diese Ansprüche werden von<br />

Jüngeren <strong>und</strong> von Älteren, von Mädchen <strong>und</strong> von Jungen gleichermaßen an Filme gestellt.<br />

Dass Filme mit Altersfreigaben versehen s<strong>in</strong>d, ist den befragten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

mehrheitlich bekannt. Dabei hat die Hälfte <strong>der</strong> Befragten wissentlich schon e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en Film<br />

gesehen, <strong>der</strong> für das eigene Alter nicht freigegeben war. Das wesentliche Motiv hierfür ist<br />

das größere Spannungserleben, das nach Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen mit dem<br />

Ansehen solcher Filme verb<strong>und</strong>en ist. Dennoch setzen Heranwachsende Grenzen bei <strong>der</strong><br />

visuellen Darstellung. Jüngere stehen vor allem <strong>der</strong> Darstellung nackter Menschen<br />

ablehnend gegenüber, auch möchten K<strong>in</strong><strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Sterbenden <strong>und</strong> Toten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Film<br />

sehen. Jugendliche sprechen sich vor allem gegen Gewalt- <strong>und</strong> Kriegsdarstellungen aus.“<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben demnach e<strong>in</strong>e klare Vorstellung davon, mit welchen Film<strong>in</strong>halten sie sich<br />

beschäftigen möchten, was sie sich selbst zumuten. E<strong>in</strong>e richtungsweisende<br />

pädagogische Altersempfehlung müsste diesen Erwartungen Rechnung tragen. Da sie<br />

Orientierung für Erziehende schaffen will, würde e<strong>in</strong>e realitätsferne E<strong>in</strong>ordnung weit weg<br />

von den tatsächlichen Ansprüchen <strong>der</strong> Zielgruppe lediglich zum Misstrauen <strong>in</strong> die<br />

entsprechende Bewertung führen.<br />

E<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressanter Teilaspekt: An<strong>der</strong>s als bislang praktizierte Altersempfehlungen im<br />

Zweijahresabstand ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Studie die Altersgruppe <strong>der</strong> 7- bis 9-Jährigen von den Pre-<br />

Teens mit 10 bis 12 Jahren abgegrenzt.<br />

2. Regelungen des Jugendmedienschutzes – Altersfreigaben <strong>der</strong> Freiwilligen<br />

Selbstkontrolle <strong>der</strong> Filmwirtschaft (FSK)<br />

Bereits vor Veröffentlichung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>ofilms (o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Film-Bildträgers) wird festgelegt,<br />

für welche Altersstufe er im S<strong>in</strong>n des Jugendschutzes geeignet ist. Die Kennzeichnung<br />

<strong>und</strong> Altersfreigabe für Filme <strong>und</strong> DVDs wird <strong>der</strong>zeit von <strong>der</strong> Freiwilligen Selbstkontrolle<br />

<strong>der</strong> Filmwirtschaft (ehemals „K<strong>in</strong>owirtschaft“, FSK) durchgeführt. Das Kennzeichnungs<strong>und</strong><br />

Freigabeverfahren hat auch e<strong>in</strong>e vertriebslenkende Wirkung. In <strong>der</strong> Praxis ist <strong>der</strong><br />

Anteil <strong>der</strong> Medien hoch, die <strong>der</strong> Selbstkontrolle<strong>in</strong>richtung von den Anbietern vorgelegt<br />

werden.<br />

2.1. Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Freigabepraxis<br />

Die Freiwillige Selbstkontrolle <strong>der</strong> Filmwirtschaft unterzieht alle Medien, die <strong>in</strong> die<br />

Öffentlichkeit gelangen <strong>und</strong> damit für K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche zugänglich s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>er<br />

Prüfung durch Fachausschüsse. Sie entscheidet dort über Alterse<strong>in</strong>stufungen <strong>und</strong><br />

Freigaben nach <strong>der</strong> gesetzlichen Vorgabe (siehe hierzu auch Abschnitt 2.2.).<br />

„Mit <strong>der</strong> Altersfreigabe ist ke<strong>in</strong>e pädagogische Empfehlung o<strong>der</strong> ästhetische Bewertung<br />

verb<strong>und</strong>en. E<strong>in</strong>en fest gefügten Kriterienkatalog für die Beurteilung <strong>der</strong> möglichen<br />

Wirkungen kann es nicht geben, wohl aber Maßstäbe, die <strong>der</strong> sachk<strong>und</strong>igen Auslegung<br />

bedürfen. Hierbei ist gr<strong>und</strong>sätzlich das Wohl <strong>der</strong> jüngsten Jahrgänge e<strong>in</strong>er Altersgruppe<br />

zu beachten. Ebenso s<strong>in</strong>d nicht nur durchschnittliche, son<strong>der</strong>n auch gefährdete K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> Jugendliche zu berücksichtigen.“ (www.fsk.de)<br />

In ihren Gr<strong>und</strong>annahmen folgen die Gutachter <strong>in</strong> den FSK-Ausschüssen den<br />

Erkenntnissen <strong>der</strong> Wahrnehmungspsychologie sowie den Annahmen e<strong>in</strong>er<br />

Stufenentwicklung <strong>der</strong> k<strong>in</strong>dlichen Persönlichkeit im H<strong>in</strong>blick auf den Erwerb von<br />

<strong>in</strong>tellektuellen, sozialen <strong>und</strong> emotionalen Kompetenzen. Ergänzend <strong>in</strong> den geme<strong>in</strong>sam<br />

diskutierten Entscheidungen wird die soziale E<strong>in</strong>bettung <strong>der</strong> jeweiligen K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

Jugendlichen berücksichtigt, also die angenommene häusliche Unterstützung beim<br />

Mediengebrauch, die bereits gewonnenen Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> persönlichen<br />

Medienbiografie sowie die angenommene Situation <strong>der</strong> Mediennutzung.<br />

Speziell die Freigaben für den K<strong>in</strong><strong>der</strong>film stellen die Verantwortlichen immer wie<strong>der</strong> auf<br />

26


den Prüfstand <strong>der</strong> praxisnahen Umsetzung. So wurden auf Initiative des Ständigen<br />

Vertreters <strong>der</strong> Obersten Landesjugendbehörde bei <strong>der</strong> FSK mehrere Projekte zum<br />

Thema „Medienkompetenz <strong>und</strong> Jugendschutz“ durchgeführt <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Ergebnisse<br />

publiziert. Es begann 2003 mit dem Pilotprojekt „K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche beurteilen die<br />

Wirkung von K<strong>in</strong>ofilmen“, <strong>in</strong> dem die Rezeptionsweisen von 12- bis 16- Jährigen<br />

untersucht wurden. Das Nachfolgeprojekt „Wie wirken K<strong>in</strong>ofilme auf K<strong>in</strong><strong>der</strong>?“ bezog<br />

2004 auch die jüngsten K<strong>in</strong>ogänger mit e<strong>in</strong>. In beiden Projekten wurden bei <strong>in</strong>sgesamt<br />

etwa tausend K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen von vier bis sechzehn Jahren differenzierte<br />

Erkenntnisse gesammelt, wie bei ihnen die Filmrezeption <strong>und</strong> die Verarbeitung von<br />

Filmen <strong>in</strong> unterschiedlichen Altersgruppen abläuft. Insbeson<strong>der</strong>e g<strong>in</strong>gen sie <strong>der</strong> Frage<br />

nach, wie K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche Ma<strong>in</strong>stream- Filme <strong>und</strong> explizite K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong><br />

Jugendproduktionen rezipieren <strong>und</strong> filmische Inhalte (Fre<strong>und</strong>schaft, Liebe <strong>und</strong> Familie,<br />

Heldenfiguren <strong>und</strong> Geschlechterrollen) beurteilen. E<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Augenmerk lag auf<br />

den Themen, auf die <strong>der</strong> Jugendschutz vor allem achtet wie Drogen, Gewalt <strong>und</strong><br />

Sexualität. Auch das 2009 abgeschlossene „Projekt 16 – Wie beurteilen Jugendliche<br />

Gewalt im Film?“ eröffnete den FSK-Gutachtern neue Perspektiven zur Wirkungsweisen<br />

von Filmen bei <strong>der</strong> Zielgruppe <strong>der</strong> Heranwachsenden.<br />

H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Fragestellung nach pädagogischen Altersempfehlungen s<strong>in</strong>d die<br />

folgenden Aspekte beson<strong>der</strong>s wichtig:<br />

Der K<strong>in</strong>ofilm steht im Mittelpunkt des Erkenntnis<strong>in</strong>teresses<br />

Die Projektergebnisse belegen, dass die Filmrezeption nicht nur im <strong>der</strong>zeit<br />

bestehenden Raster <strong>der</strong> FSK-Altersfreigaben verläuft, son<strong>der</strong>n speziell <strong>in</strong> den<br />

Zuordnungen o. A. <strong>und</strong> ab 6 Jahre differenzierter betrachtet werden muss<br />

Die FSK richtet ihr Augenmerk nicht nur auf entwicklungspsychologische<br />

Entwicklungsstufen bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n berücksichtigt auch sozialwissenschaftliche<br />

Erkenntnisse<br />

Methodisch s<strong>in</strong>d die Projekte so ausgelegt, dass sie differenzierte <strong>und</strong><br />

altersadäquate Erfassungs<strong>in</strong>strumente e<strong>in</strong>beziehen<br />

<br />

Bezogen auf den Jugendmedienschutz wurden gute Kenntnisse sowohl bei<br />

Erwachsenen als auch bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n sowie e<strong>in</strong>e breite Akzeptanz festgestellt, was sich<br />

auch auf den persönlichen Umgang mit FSK-Freigaben auswirkte.<br />

2.2. Alterskennzeichnung von Filmen<br />

Um die Kriterien <strong>der</strong> FSK bei ihren Entscheidungen zur Alterskennzeichnung genau<br />

nachvollziehen zu können, werden im Folgenden die relevanten Alterskennzeichnungen<br />

wie<strong>der</strong>gegeben (www.fsk.de).<br />

Gr<strong>und</strong>satz für die Altersfreigaben <strong>der</strong> FSK<br />

Die FSK-Ausschüsse sprechen Freigaben nach <strong>der</strong> gesetzlichen Vorgabe aus, dass<br />

Filme <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Trägermedien, die „geeignet s<strong>in</strong>d, die Entwicklung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong><br />

Jugendlichen o<strong>der</strong> ihre Erziehung zu e<strong>in</strong>er eigenverantwortlichen <strong>und</strong><br />

geme<strong>in</strong>schaftsfähigen Persönlichkeit zu bee<strong>in</strong>trächtigen“, nicht für ihre Altersstufe<br />

freigegeben werden dürfen (§ 14 Abs. 1, JuSchG). In den FSK-Gr<strong>und</strong>sätzen wird dabei<br />

bewusst auf e<strong>in</strong>e vermutete potenzielle Wirkung abgestellt.<br />

Neben den Altersfreigaben entscheidet die FSK auch über die Eignung von Filmen für<br />

die Vorführung an Feiertagen. Nach Art. 140 des Gr<strong>und</strong>gesetzes s<strong>in</strong>d die Sonntage <strong>und</strong><br />

christlichen Feiertage gesetzlich geschützt. Beson<strong>der</strong>en Rechtsschutz genießen die<br />

„stillen“ Feiertage Karfreitag, Allerheiligen, Buß- <strong>und</strong> Bettag, Volkstrauertag <strong>und</strong><br />

27


Totensonntag. Nicht freigegeben für die stillen Feiertage werden Filme, die dem<br />

Charakter dieser Feiertage so sehr wi<strong>der</strong>sprechen, dass e<strong>in</strong>e Verletzung des religiösen<br />

<strong>und</strong> sittlichen Empf<strong>in</strong>dens zu befürchten ist.<br />

Freigegeben ohne Altersbeschränkung<br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong> erleben filmische Darstellungen unmittelbar <strong>und</strong> spontan. Ihre Wahrnehmung ist<br />

vorwiegend episodisch ausgerichtet, kognitive <strong>und</strong> strukturierende Fähigkeiten s<strong>in</strong>d noch<br />

kaum ausgebildet. Schon dunkle Szenarien, schnelle Schnittfolgen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e laute <strong>und</strong><br />

bedrohliche Geräuschkulisse können Ängste mobilisieren o<strong>der</strong> zu Irritationen führen. K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

bis zum Alter von 6 Jahren identifizieren sich vollständig mit <strong>der</strong> Spielhandlung <strong>und</strong> den<br />

Filmfiguren. Vor allem bei Bedrohungssituationen f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e direkte Übertragung statt.<br />

Gewaltaktionen, aber auch Verfolgungen o<strong>der</strong> Beziehungskonflikte lösen Ängste aus, die<br />

nicht selbstständig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong>e abgebaut werden können. E<strong>in</strong>e schnelle <strong>und</strong> positive<br />

Auflösung problematischer Situationen ist daher sehr wichtig.<br />

Freigegeben ab 6 Jahren<br />

Ab 6 Jahren entwickeln K<strong>in</strong><strong>der</strong> zunehmend die Fähigkeit zu kognitiver Verarbeitung von<br />

S<strong>in</strong>nese<strong>in</strong>drücken. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d bei den 6- bis 11-Jährigen beträchtliche Unterschiede <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Entwicklung zu berücksichtigen. Etwa mit dem 9. Lebensjahr beg<strong>in</strong>nen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, fiktionale<br />

<strong>und</strong> reale Geschichten unterscheiden zu können. E<strong>in</strong>e distanzierende Wahrnehmung wird<br />

damit möglich. Bei jüngeren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n steht h<strong>in</strong>gegen noch immer die emotionale, episodische<br />

Impression im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. E<strong>in</strong> sechsjähriges K<strong>in</strong>d taucht noch ganz <strong>in</strong> die Filmhandlung<br />

e<strong>in</strong>, leidet <strong>und</strong> fürchtet mit den Identifikationsfiguren. Spannungs- <strong>und</strong> Bedrohungsmomente<br />

können zwar schon verkraftet werden, dürfen aber we<strong>der</strong> zu lang anhalten noch zu<br />

nachhaltig wirken. E<strong>in</strong>e positive Auflösung von Konfliktsituationen ist auch hier maßgebend.<br />

Freigegeben ab 12 Jahren<br />

Bei Jugendlichen dieser Altersgruppe ist die Fähigkeit zu distanzierter Wahrnehmung <strong>und</strong><br />

rationaler Verarbeitung bereits ausgebildet. Erste Genre-Kenntnisse s<strong>in</strong>d vorhanden. E<strong>in</strong>e<br />

höhere Erregungs<strong>in</strong>tensität, wie sie <strong>in</strong> Thrillern o<strong>der</strong> Science-Fiction-Filmen üblich ist, wird<br />

verkraftet. Problematisch ist dagegen zum Beispiel die Bil<strong>der</strong>flut harter, gewaltbezogener<br />

Action-Filme, die zumeist noch nicht selbstständig verarbeitet werden kann. 12- bis 15-<br />

Jährige bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pubertät, e<strong>in</strong>er schwierigen Phase <strong>der</strong> Selbstf<strong>in</strong>dung, die mit<br />

großer Unsicherheit <strong>und</strong> Verletzbarkeit verb<strong>und</strong>en ist. Insbeson<strong>der</strong>e Filme, die zur<br />

Identifikation mit e<strong>in</strong>em „Helden“ e<strong>in</strong>laden, dessen Rollenmuster durch antisoziales,<br />

destruktives o<strong>der</strong> gewalttätiges Verhalten geprägt ist, bieten e<strong>in</strong> Gefährdungspotenzial. Die<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Filmen, die gesellschaftliche Themen seriös problematisieren, ist<br />

dieser Altersgruppe durchaus zumutbar <strong>und</strong> für ihre Me<strong>in</strong>ungs- <strong>und</strong> Bewusstse<strong>in</strong>sbildung<br />

bedeutsam.<br />

PG (Parental Guidance) – von 6 bis 12 immer möglich! Haben Filme die Kennzeichnung<br />

„Freigegeben ab 12 Jahren“ erhalten, kann auch K<strong>in</strong><strong>der</strong>n im Alter von sechs Jahren aufwärts<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>lass zur Vorstellung gewährt werden, wenn sie von e<strong>in</strong>er personensorgeberechtigten<br />

Person begleitet werden. Die Personensorge steht gr<strong>und</strong>sätzlich den Eltern zu. E<strong>in</strong>e<br />

erziehungsbeauftragte Person, die von den Eltern (= Personensorgeberechtigte) autorisiert<br />

ist, reicht nicht aus.<br />

Freigegeben ab 16 Jahren <strong>und</strong> Ke<strong>in</strong>e Jugendfreigabe s<strong>in</strong>d zwei weitere Freigabestufen,<br />

die für die Betrachtung im Zusammenhang mit Altersempfehlungen bei Filmen für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> nicht relevant s<strong>in</strong>d.<br />

2.3. Exkurs – Jugendmedienschutz <strong>und</strong> Akzeptanz<br />

Seit mehreren Jahrzehnten bezieht <strong>der</strong> gesetzliche Jugendschutz <strong>in</strong> Deutschland<br />

Medien <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Wirkung auf K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Verantwortung mit e<strong>in</strong>.<br />

Die gesetzlichen Regelungen sollen Eltern <strong>in</strong> ihrer Erziehungsaufgabe unterstützen.<br />

28


Zugleich nehmen sie E<strong>in</strong>fluss dort, wo Eltern ihrer Aufgabe nicht nachkommen (können)<br />

o<strong>der</strong> ihren erzieherischen E<strong>in</strong>fluss verlieren. Die jeweiligen Neuregelungen des<br />

Jugendschutzgesetzes s<strong>in</strong>d aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> komplexer werdenden Medienlandschaft<br />

entstanden <strong>und</strong> tragen dem Umstand Rechnung, dass es die zunehmende Vielfalt <strong>der</strong><br />

Medienangebote notwendig macht, die Zugangsmöglichkeiten für K<strong>in</strong><strong>der</strong> (<strong>und</strong><br />

Jugendliche) zu regulieren. Die Alterskennzeichnung von Filmen, DVDs <strong>und</strong><br />

Computerspielen bildet die Basis <strong>der</strong> Jugendschutzmaßnahmen.<br />

Fragen nach <strong>der</strong> gr<strong>und</strong>sätzlichen Akzeptanz dieser Maßnahmen <strong>und</strong> danach, ob das<br />

Handeln von Eltern, Jugendlichen <strong>und</strong> pädagogischen Fachkräften sich an den<br />

Vorgaben orientiert, ist 2007 die bereits zitierte Studie zur Evaluation des<br />

Jugendmedienschutzrechts vom Hans-Bredow-Institut nachgegangen:<br />

„Alterskennzeichnungen im Bereich von K<strong>in</strong>o, DVDs, Computerspielen <strong>und</strong> im<br />

Fernsehen s<strong>in</strong>d zwar bekannt, jedenfalls, wenn die Systeme schon länger etabliert s<strong>in</strong>d,<br />

wie etwa beim Film. Dies bedeutet aber ke<strong>in</strong>eswegs, dass sie verstanden <strong>und</strong> akzeptiert<br />

werden <strong>und</strong> schließlich handlungsleitend s<strong>in</strong>d. M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige, zuweilen aber auch die<br />

Eltern, werten die Kennzeichen nur als Empfehlungen, die sie für an<strong>der</strong>e als s<strong>in</strong>nvoll, für<br />

sich selbst aber als entbehrlich ansehen!“<br />

Unabhängig davon beklagen Eltern, Jugendliche <strong>und</strong> pädagogische Fachkräfte immer<br />

wie<strong>der</strong>, dass die Kriterien <strong>der</strong> Altersfreigaben nicht transparent <strong>und</strong> kaum<br />

nachvollziehbar seien. Folglich misstrauen sie dem Jugendmedienschutz.<br />

Die Ergebnisse <strong>der</strong> Studie blieben nicht unwi<strong>der</strong>sprochen, entfachten allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e bis<br />

heute anhaltende Diskussion über den Jugendmedienschutz. Zudem kam die FSK <strong>in</strong><br />

ihren Projekten „Medienkompetenz <strong>und</strong> Jugendschutz“ <strong>in</strong> den Jahren 2003 <strong>und</strong> 2004<br />

noch zu an<strong>der</strong>en Ergebnissen. Hier zeigte sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Elternschaft e<strong>in</strong> breites Wissen<br />

bezüglich <strong>der</strong> FSK-Altersfreigaben. 90 Prozent <strong>der</strong> befragten Eltern wusste um die<br />

Freigaben <strong>und</strong> mehr als 50 Prozent wussten m<strong>in</strong>destens zwei Kennzeichnungen zu<br />

benennen. Speziell Vor- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulk<strong>in</strong><strong>der</strong> zeigten großes Vertrauen <strong>in</strong> die Arbeit<br />

<strong>der</strong> FSK. Fast drei Viertel stimmten <strong>in</strong> ihrer <strong>in</strong>dividuellen Bewertung <strong>der</strong> Filme meistens<br />

mit den Altersfreigaben <strong>der</strong> FSK übere<strong>in</strong>.<br />

„Insgesamt orientierten sich 77 Prozent <strong>der</strong> Eltern bei <strong>der</strong> Auswahl e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>ofilms für ihr<br />

K<strong>in</strong>d an den FSK-Freigaben, nur fünf Prozent erachteten die Aussagen an<strong>der</strong>er Eltern<br />

als ebenso wichtig. Entsprechend kritisch reagierten die Eltern, wenn ihr K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>en Film<br />

sehen wollte, <strong>der</strong> für Ältere freigegeben ist. 73 Prozent lehnten dies strikt ab. Drei<br />

Prozent jedoch ließen ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> immer o<strong>der</strong> häufig <strong>in</strong> Filme für e<strong>in</strong>e höhere<br />

Altersgruppe. Selbst <strong>in</strong> möglicher Begleitung e<strong>in</strong>es Erwachsenen sprachen sich<br />

allerd<strong>in</strong>gs 68 Prozent gegen e<strong>in</strong>en solchen Filmbesuch ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus.“ (FSK 2004)<br />

Speziell mit Blick auf K<strong>in</strong>ofilme wurden 2008 im Auftrag von „Eltern.de“ 1.007 Personen,<br />

die e<strong>in</strong> eigenes K<strong>in</strong>d unter 15 Jahren haben, repräsentativ befragt. Insgesamt 79 Prozent<br />

<strong>der</strong> Befragten halten sich an die FSK-Vorgaben, allerd<strong>in</strong>gs waren 23 Prozent mit ihren<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Film mit entsprechen<strong>der</strong> Altersfreigabe, den sie jedoch zu niedrig<br />

e<strong>in</strong>gestuft fanden. Diese Gruppe misstraut den Alterskennzeichnungen. Auf e<strong>in</strong>zelne<br />

Altersgruppen bezogen halten sich Eltern strikt an die Altersfreigaben zu 96 Prozent bei<br />

Zwei- bis Vierjährigen, zu 77 Prozent bei den Acht- bis Zehnjährigen sowie zu 75<br />

Prozent bei den Zehn- bis Zwölfjährigen. Je jünger die K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d, desto eher benötigen<br />

Eltern Orientierungs- <strong>und</strong> Entscheidungshilfen. Haben die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, vornehmlich im<br />

häuslichen Bereich, bereits Erfahrungen mit Medien gesammelt, machen sich die Eltern<br />

aus <strong>der</strong> Kenntnis dieser Erfahrungswerte <strong>in</strong> ihren Entscheidungen offenbar zunehmend<br />

unabhängig von gesetzlichen Vorgaben.<br />

Auf dem Internetportal www.eltern.de wurde im Anschluss an die Veröffentlichung <strong>der</strong><br />

Studienergebnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Forum die Frage diskutiert: „Altersbeschränkungen bei<br />

K<strong>in</strong>ofilmen zw<strong>in</strong>gend?“ In diesen Forumsbeiträgen me<strong>in</strong>en Eltern, dass die FSK-<br />

29


Alterskennzeichnungen mit Vorsicht zu genießen seien. Die Kriterien zur E<strong>in</strong>stufung<br />

seien oft nicht e<strong>in</strong>deutig klar – <strong>und</strong> als Begründung wären H<strong>in</strong>weise über den Ausschlag<br />

zur entsprechenden E<strong>in</strong>stufung hilfreich, möglichst mit Bezug zur filmischen Darstellung.<br />

Bemängelt wurde auch, dass Filmkennzeichnungen aus früheren Zeiten nicht zw<strong>in</strong>gend<br />

aktualisiert <strong>und</strong> daher nicht zeitgemäß bewertet werden. Stellvertretend für viele<br />

Äußerungen heißt es:<br />

„Ich b<strong>in</strong> <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung Eltern sollten sich mit dem Inhalt <strong>der</strong> Filme beschäftigen <strong>und</strong> selbst<br />

abwägen, ob ihr K<strong>in</strong>d reif genug für solch e<strong>in</strong>en Film ist. Für mich ist <strong>der</strong> FSK e<strong>in</strong>e grobe<br />

Empfehlung, aber die letzte Entscheidung für o<strong>der</strong> gegen e<strong>in</strong>en Film fällen wir als<br />

Eltern.“<br />

Der Stärkung des Erziehungsrechts <strong>der</strong> Eltern wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Freigabepraxis <strong>der</strong> FSK bereits<br />

seit 2003 Rechnung getragen: „Die ‘Parental Guidance’-Regelung, also die Möglichkeit<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong> zwischen 6 <strong>und</strong> 12 Jahren, <strong>in</strong> Begleitung von personensorgeberechtigten<br />

Personen Filme im K<strong>in</strong>o anzuschauen, die mit ‘Freigegeben ab 12 Jahren’<br />

gekennzeichnet s<strong>in</strong>d, ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>o-Branche sehr bekannt <strong>und</strong> akzeptiert. Diese<br />

Regelung erweist sich als s<strong>in</strong>nvoll, da sie das elterliche Erziehungsrecht stärkt. Die<br />

Evaluierung zeigt aber, dass <strong>der</strong> Bekanntheitsgrad bei Eltern noch nicht beson<strong>der</strong>s hoch<br />

ist. Im Bericht wird daher erwogen, e<strong>in</strong>e spezielle Kennzeichnung (‘12-PG’) für Filme<br />

e<strong>in</strong>zuführen, die <strong>in</strong> Begleitung <strong>der</strong> Eltern ke<strong>in</strong>e Entwicklungsbee<strong>in</strong>trächtigung für jüngere<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> erwarten lassen.“<br />

Dass Eltern <strong>und</strong> Heranwachsende für den K<strong>in</strong>obesuch weiterführende Informationen <strong>und</strong><br />

zusätzliche Kriterien für die Filmauswahl an die Hand bekommen sollten, bestätigen<br />

auch die Befragungen von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n im Rahmen des FSK-Projekts „Medienkompetenz<br />

<strong>und</strong> Jugendschutz“. Eltern <strong>der</strong> Gruppe sechs- bis achtjähriger K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong>teressieren sich<br />

dafür, was diese im K<strong>in</strong>o gesehen hatten. Acht von zehn K<strong>in</strong><strong>der</strong>n wurden von ihren<br />

Eltern nach dem Film befragt. Dabei gab jedes zweite K<strong>in</strong>d an, im K<strong>in</strong>o eigentlich alles<br />

anschauen zu dürfen. 42 Prozent <strong>der</strong> befragten Altersgruppe schauten sich allerd<strong>in</strong>gs oft<br />

alle<strong>in</strong> Filme im K<strong>in</strong>o an, die für ihr Alter noch nicht freigegeben s<strong>in</strong>d. Neben <strong>der</strong> FSK s<strong>in</strong>d<br />

vor allem auch die Eltern gefragt, den Jugendschutz nicht <strong>in</strong>s Leere laufen zu lassen.<br />

Wenn <strong>der</strong> Jugendmedienschutz das elterliche Erziehungsrecht speziell im Bereich <strong>der</strong><br />

Medien unterstreicht, entspricht dies dem Bemühen darum, die Jugendschutzmaßnahmen<br />

nicht aus bewahrpädagogischer Sicht zu praktizieren, son<strong>der</strong>n diese<br />

zeitgemäß weiterzuentwickeln <strong>und</strong> den Notwendigkeiten anzupassen. Auffällig ist, dass<br />

diese Neuregelung flankieren<strong>der</strong> Maßnahmen bedarf, um Eltern <strong>in</strong> ihrer<br />

Erziehungsaufgabe zu stärken. Pädagogische Altersempfehlungen, die e<strong>in</strong>em<br />

differenzierten Kriterienraster folgen, können Eltern ergänzend e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>formative <strong>und</strong><br />

zuverlässige Hilfestellung für ihre Entscheidungen bieten. E<strong>in</strong> solches Modell gibt es<br />

bereits <strong>in</strong> Österreich. Dort werden die Alterskennzeichnung von Filmen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Positivkennzeichnung von Filmen von <strong>der</strong> Jugendmedienkommission im B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isterium<br />

für Unterricht, Kunst <strong>und</strong> Kultur vorgenommen (siehe Abschnitt 4).<br />

3. Altersempfehlungen zu K<strong>in</strong>ofilmen – E<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme<br />

Wer spricht Empfehlungen aus <strong>und</strong> auf welcher Gr<strong>und</strong>lage geschieht das? Das war die<br />

Leitfrage zur Bestandsaufnahme vorhandener Altersempfehlungen zu K<strong>in</strong>ofilmen für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die <strong>der</strong>zeit für Eltern (<strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>) publiziert werden. Recherchiert wurden die im<br />

Internet abrufbaren Angebote. Sie werden – sofern f<strong>in</strong>anziell möglich o<strong>der</strong> konzeptionell<br />

s<strong>in</strong>nvoll – <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel durch Pr<strong>in</strong>tmaterialien ergänzt. Die Recherche erfolgte mit<br />

verschiedenen Stichwortkomb<strong>in</strong>ationen über Suchmasch<strong>in</strong>en. Informationen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Kommentierung stammen aus Gesprächen mit den Herausgebern <strong>und</strong> Redaktionen.<br />

In <strong>der</strong> Ergebnis-Darstellung stehen mit „www.flimmo.de“ <strong>und</strong> „www.top- videonews.de“<br />

zwei Internetportale vorne, die sich <strong>in</strong> Deutschland seit vielen Jahren etabliert haben <strong>und</strong><br />

im Bereich Altersempfehlungen richtungsweisend s<strong>in</strong>d. Punktuell <strong>und</strong> ergänzend<br />

30


erücksichtigen sie bereits K<strong>in</strong>ofilme für K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Der Schwerpunkt von „FLIMMO“ liegt<br />

jedoch orig<strong>in</strong>är auf TV-Filmen, <strong>der</strong> von „www.top-videonews.de“ auf<br />

Filmveröffentlichungen für K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche auf DVD.<br />

E<strong>in</strong>e überschaubare Anzahl von Institutionen <strong>in</strong> Deutschland liefert neben e<strong>in</strong>er FSK-<br />

Alterse<strong>in</strong>stufung auch e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis zur altersbezogenen Filmeignung. Hier s<strong>in</strong>d sich<br />

alle Herausgeber offenbar dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ig, dass die Qualität e<strong>in</strong>es Films an oberster Stelle<br />

steht, wenn es um die altersgerechte Eignung für K<strong>in</strong><strong>der</strong> geht. Sowohl Experten als auch<br />

Nachwuchskritiker lassen sich bei ihrer Bewertung davon leiten, ob das Thema des<br />

Films <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Gestaltung im Interesse e<strong>in</strong>er jeweiligen Altersgruppe liegen könnte,<br />

deswegen also e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>obesuch motiviert o<strong>der</strong> empfehlenswert ersche<strong>in</strong>t. Je nachdem,<br />

ob <strong>der</strong> K<strong>in</strong>obesuch im schulischen Zusammenhang erfolgt o<strong>der</strong> als Freizeitaktivität<br />

ausgeübt wird, werden die Empfehlungen <strong>in</strong> Klassenstufen o<strong>der</strong> Altersangaben<br />

vorgenommen. Der <strong>in</strong>teressierte Nutzer erhält jedoch nur bei e<strong>in</strong>em Teil <strong>der</strong><br />

angebotenen Altersempfehlungen H<strong>in</strong>weise auf die Kriterien, die zur jeweiligen<br />

E<strong>in</strong>schätzung geführt haben.<br />

4. Jugendmedienschutz <strong>in</strong> Österreich – E<strong>in</strong> Praxismodell<br />

Durch das fö<strong>der</strong>alistische Verfassungspr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> Österreich s<strong>in</strong>d die Gesetzgebung <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Vollzug e<strong>in</strong>er Altersfreigabe von K<strong>in</strong>ofilmen alle<strong>in</strong>ige Sache <strong>der</strong> B<strong>und</strong>es- län<strong>der</strong>. Es<br />

gibt neun verschiedene Jugendschutzgesetze, <strong>in</strong> denen die Alterskenn- zeichnung <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong>ospielfilme zum Teil unterschiedlich geregelt ist. Im B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isterium für Unterricht,<br />

Kunst <strong>und</strong> Kultur (BMUKK) <strong>in</strong> Wien ist jedoch e<strong>in</strong>e Jugendmedienkommission (JMK)<br />

e<strong>in</strong>gerichtet, die Empfehlungen für die Altersfreigabe von K<strong>in</strong>ospielfilmen h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />

Jugendverträglichkeit ausspricht. Diese Empfehlungen s<strong>in</strong>d für die e<strong>in</strong>zelnen<br />

B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> re<strong>in</strong> rechtlich nicht verb<strong>in</strong>dlich, werden aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis beachtet <strong>und</strong><br />

regelmäßig übernommen. Im K<strong>in</strong>o selbst beziehungsweise <strong>in</strong> Programm<strong>in</strong>formationen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong>os s<strong>in</strong>d jedenfalls entsprechende Alters<strong>in</strong>formationen zu f<strong>in</strong>den.<br />

Neben <strong>der</strong> Empfehlung für e<strong>in</strong>e Altersfreigabe spricht die Jugendmedienkommission<br />

gegebenenfalls auch e<strong>in</strong>e Positivkennzeichnung aus.<br />

5. Bildung e<strong>in</strong>es Kriterienrasters für pädagogische Altersempfehlungen bei<br />

K<strong>in</strong>ofilmen für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

Die Berücksichtigung <strong>der</strong> wissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>lagen sowie die Erfahrungen aus <strong>der</strong><br />

bisherigen Empfehlungs- <strong>und</strong> Beratungsarbeit des KJF <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er Institutionen lassen<br />

das folgende Kriterienraster für die verschiedenen Altersstufen s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>en. Es<br />

ist <strong>der</strong> Verdeutlichung <strong>und</strong> besseren Nachvollziehbarkeit wegen künstlich nach formalen<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong>haltlichen Kriterien aufgeglie<strong>der</strong>t. In <strong>der</strong> praktischen Filmrezeption bed<strong>in</strong>gen sich<br />

formale <strong>und</strong> <strong>in</strong>haltliche Kriterien gegenseitig. Daher kann e<strong>in</strong> gutes Thema auch ke<strong>in</strong>e<br />

schlechte Aufbereitung ausgleichen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e gute Inszenierung nicht über e<strong>in</strong> schlecht<br />

vermitteltes o<strong>der</strong> vermittelbares Thema. Im Unterschied zur Freigabepraxis <strong>der</strong> FSK, die<br />

den Belangen <strong>der</strong> jeweils jüngsten K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>er (recht breit gefassten) Altersstufe<br />

Rechnung tragen muss, um die Kriterien des Jugendschutzes zu erfüllen, richten sich<br />

pädagogische Altersempfeh- lungen entwicklungsorientiert nach vorne <strong>in</strong> die Zukunft <strong>und</strong><br />

gehen von den Fragen aus: Was können K<strong>in</strong><strong>der</strong> schon <strong>und</strong> was können sie schon<br />

erkennen <strong>und</strong> verkraften? An oberster Stelle steht dabei <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>satz, K<strong>in</strong><strong>der</strong> zwar zu<br />

for<strong>der</strong>n, aber nicht zu überfor<strong>der</strong>n.<br />

31


5.1. Ke<strong>in</strong>e Zielgruppe: Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong> unter vier Jahren<br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong> bis etwa zum vollendeten dritten Lebensjahr s<strong>in</strong>d mit K<strong>in</strong>ofilmen jeglicher Art<br />

alle<strong>in</strong> aufgr<strong>und</strong> ihrer Länge noch überfor<strong>der</strong>t. Deshalb greift auch <strong>der</strong> Gedanke e<strong>in</strong>er<br />

Ruhigstellungstaktik“ missbraucht werden darf. Bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ab etwa vier Jahren ist die<br />

psychische <strong>und</strong> kognitive Entwicklung schon so weit fortgeschritten, dass sie an e<strong>in</strong>en<br />

s<strong>in</strong>nvollen Umgang mit kürzeren K<strong>in</strong>ofilmen (die selbstverständlich auch im Fernsehen,<br />

auf DVD o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Trägermedium laufen können, herangeführt werden<br />

können. Diese Heranführung sollte ihrer jeweiligen Altersstufe entsprechen <strong>und</strong> ihnen<br />

Anregungen <strong>und</strong> Anknüpfungs- punkte für ihre weitere Entwicklung bieten. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

gilt: E<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Filmerlebnis <strong>und</strong> e<strong>in</strong> zwangloses geme<strong>in</strong>sames Gespräch<br />

(-sangebot) nach dem Film s<strong>in</strong>d zwar nicht unabd<strong>in</strong>gbar, aber selbst durch noch so<br />

differenzierte <strong>und</strong> allgeme<strong>in</strong> verständliche pädagogische Empfehlungen nicht zu<br />

ersetzen.<br />

5.2. Allgeme<strong>in</strong>e Vorgaben<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>en möglichen negativen E<strong>in</strong>fluss von K<strong>in</strong>ofilmen auf die körperliche<br />

Ges<strong>und</strong>heit, auf die psychische <strong>und</strong> emotionale sowie geistig-kognitive, sozial- ethische<br />

<strong>und</strong> moralische Entwicklung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n unterscheiden sich pädagogische<br />

Altersempfehlungen kaum von den Vorgaben des Jugendschutzes, sieht man von <strong>der</strong><br />

differenzierteren Betrachtung <strong>und</strong> Berücksichtigung <strong>der</strong> jeweiligen Entwicklungs- stufen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zweijahresrhythmus ab. Der Vollständigkeit halber sei vermerkt, dass sich <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em westlich geprägten demokratischen Staat selbstverständlich auch <strong>und</strong> gerade im<br />

Bereich des K<strong>in</strong><strong>der</strong>films ke<strong>in</strong> wie auch immer gearteter Film positiv bewerten lässt, <strong>der</strong><br />

diskrim<strong>in</strong>ierende, f<strong>und</strong>amentalistische o<strong>der</strong> gar totalitäre Ideen <strong>und</strong> Ideologien<br />

befürwortet. Im Bereich des religiösen <strong>und</strong> kulturellen Empf<strong>in</strong>dens<br />

geht es vielmehr darum, frühzeitig die Gedanken des selbstverständlichen Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>s,<br />

<strong>der</strong> Toleranz <strong>und</strong> des Austausches zu för<strong>der</strong>n. Insbeson<strong>der</strong>e viele skand<strong>in</strong>avische<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>filme <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte haben gezeigt, wie das <strong>in</strong> spannende<br />

K<strong>in</strong>ogeschichten umsetzbar ist <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong><strong>der</strong>film funktioniert.<br />

Weitaus schwieriger fällt es, Filme konkret nach Altersempfehlungen zu beurteilen, wenn<br />

sie an mitunter auch problematischere Alltagsrealitäten von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n angelehnt s<strong>in</strong>d,<br />

wobei das den kulturellen <strong>und</strong> religiösen Bereich nicht notwendigerweise ausschließt.<br />

Hier stehen sich – sei es unter Jugendschützern, Pädagogen, Eltern o<strong>der</strong> auch<br />

Filmkritikern – Befürworter <strong>und</strong> Gegner <strong>der</strong> sog. Bewahrpädagogik oft unversöhnlich<br />

gegenüber. Gr<strong>und</strong>sätzlich ist <strong>der</strong> Schutzgedanke für K<strong>in</strong><strong>der</strong> – auch im Bereich <strong>der</strong><br />

Altersempfehlungen – gar nicht hoch genug e<strong>in</strong>zuschätzen. Wie beispielsweise<br />

Untersuchungen <strong>der</strong> FSK gezeigt haben, ist dieser Schutzgedanke bereits bei jüngeren<br />

Zuschauern schon sehr ausgeprägt. Das heißt, die jeweilige Altersgruppe glaubt zwar,<br />

selbst e<strong>in</strong>en bestimmten Film gut verkraften zu können, ist bei problematischeren<br />

Inhalten aber geneigt, ihn an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n erst für e<strong>in</strong>e höhere Altersstufe zu<br />

empfehlen. Warum sollte das bei Erwachsenen gr<strong>und</strong>sätzlich an<strong>der</strong>s se<strong>in</strong>? In <strong>der</strong> Praxis<br />

werden sich viele solcher Konflikte auflösen o<strong>der</strong> wenigstens zu e<strong>in</strong>em guten<br />

Kompromiss führen lassen, wenn die „Bewahrpädagogen“ aus persönlicher Erfahrung<br />

miterleben können, wie K<strong>in</strong><strong>der</strong> Filme rezipieren, was sie wie wahrnehmen <strong>und</strong> wie sie es<br />

verarbeiten.<br />

Genauso wie im Bereich des Jugendschutzes lässt es sich aber nicht vermeiden, dass<br />

auch bei den pädagogischen Altersempfehlungen e<strong>in</strong>zelne Filme <strong>in</strong> ihrem<br />

Wirkungspotenzial unterschiedlich gesehen werden <strong>und</strong> zu Kontroversen führen. Daran<br />

än<strong>der</strong>t auch e<strong>in</strong> noch so sorgfältig <strong>und</strong> differenziert ausgelegtes Raster nichts, denn<br />

Filme wirken als Summe aller Teile <strong>und</strong> als „Gesamtkunstwerk“ <strong>und</strong> sie entstehen<br />

bekanntlich erst wirklich im Kopf <strong>und</strong> im Bauch des Zuschauers. H<strong>in</strong>zu kommen noch<br />

32


sprachliche Def<strong>in</strong>itionen, beispielsweise wenn es darum geht, e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen<br />

Nenner dafür zu f<strong>in</strong>den, was e<strong>in</strong>e „verständliche“ Sprache sei (s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong><strong>der</strong>filme im<br />

bayerischen Dialekt pädagogisch schon bedenklich?) o<strong>der</strong> man denke nur an so beliebte<br />

Begriffe wie „verkraftbar“, „harmlos“, „mäßige Spannung“ usw., die zwar ke<strong>in</strong>eswegs<br />

beliebig s<strong>in</strong>d, aber doch e<strong>in</strong> weites Feld zur <strong>in</strong>dividuellen Auslegung eröffnen.<br />

5.3. Beurteilungskriterien für e<strong>in</strong>en „guten“ K<strong>in</strong><strong>der</strong>film<br />

Vor e<strong>in</strong>er altersgruppenspezifischen Aufglie<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>es möglichen Kriterienrasters<br />

werden zur besseren E<strong>in</strong>stimmung deswegen e<strong>in</strong>ige allgeme<strong>in</strong>e Beurteilungskriterien<br />

genannt, die bei e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong><strong>der</strong>film berücksichtigt werden sollten. Diese für den<br />

vorliegenden Zweck noch stärker auf den Punkt gebrachten Kriterien wurden von dem<br />

unabhängigen Filmpädagogen Holger Twele für e<strong>in</strong>e Tagung <strong>der</strong> Jugendmedienkommission<br />

<strong>in</strong> Wien am 22. Mai 2005 zusammengestellt. Sie haben damals<br />

schon e<strong>in</strong>mal Impulse für die Positivkennzeichnung von Filmen 2006 gegeben, wie an<br />

e<strong>in</strong>zelnen Formulierungen unschwer zu erkennen ist.<br />

Das Recht auf gute Qualität. Wie schon an früherer Stelle betont, s<strong>in</strong>d sich alle<br />

Fachleute, die bisher schon Altersempfehlungen ausgesprochen haben, dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ig,<br />

dass die Qualität e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>der</strong>films an oberster Stelle stehen muss. Dennoch werden <strong>in</strong><br />

Deutschland nicht selten K<strong>in</strong><strong>der</strong>filme produziert, die diesen Anspruch vermissen lassen.<br />

Das Gleiche gilt für so manche allenfalls als mittelmäßig zu beurteilende K<strong>in</strong><strong>der</strong>filme, die<br />

hierzulande <strong>in</strong> den Verleih kommen, während viele wirklich gute (<strong>und</strong> preisgekrönte) nur<br />

auf e<strong>in</strong>schlägigen Festivals zu sehen s<strong>in</strong>d. Mögliche Gründe für diese erhebliche<br />

Diskrepanz s<strong>in</strong>d zwar nicht Thema dieser Expertise. Aber wenn man das<br />

Qualitätskriterium ernst nehmen will, sollte <strong>der</strong> Schutzgedanke bei pädagogischen<br />

Bewertungen über den klassischen Jugendschutz h<strong>in</strong>aus auch gegenüber schlechten<br />

Filmen zum Tragen kommen, wenn sie nur <strong>der</strong> Verdummung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n dienen<br />

<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Unterhaltung auf niedrigstem Niveau bieten.<br />

Das Recht auf gute Unterhaltung. Das führt zum nächsten Aspekt, dem Recht auf gute<br />

Unterhaltung. Wenn e<strong>in</strong> Film „nur“ gute, gelungene Unterhaltung von A bis Z bietet,<br />

leistet er schon mehr als die meisten Filme, die heute auf dem Markt s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Film sollte<br />

daher nicht nur nach se<strong>in</strong>em beson<strong>der</strong>en pädagogischen Wert beurteilt werden o<strong>der</strong><br />

nach dem Grad des Problembewusstse<strong>in</strong>s. Solche Kriterien s<strong>in</strong>d zweifellos wichtig, aber<br />

sie dürfen das Recht auf altersgruppenbezogene, spannende <strong>und</strong> abwechslungsreiche<br />

Unterhaltung nicht außer Acht lassen.<br />

Altersgerechte Geschichten K<strong>in</strong><strong>der</strong> brauchen altersgerechte Geschichten. Zum<strong>in</strong>dest die<br />

schon etwas älteren K<strong>in</strong><strong>der</strong> wollen Anknüpfungspunkte <strong>in</strong> ihrer Alltagsrealität f<strong>in</strong>den. Das<br />

kann durchaus auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit fremden Kulturen <strong>und</strong> Bräuchen<br />

geschehen <strong>und</strong> sogar bei utopischen Filmen. Sobald K<strong>in</strong><strong>der</strong> merken, dass e<strong>in</strong> Film mit<br />

ihnen selbst zu tun hat, beispielsweise Eltern-K<strong>in</strong>d- Beziehungen o<strong>der</strong> Probleme <strong>und</strong><br />

Ängste, kann sich e<strong>in</strong> (älteres) K<strong>in</strong>d auch an fremde Themenaspekte, die über den<br />

eigenen Erfahrungshorizont h<strong>in</strong>aus- weisen, herantasten. Selbstverständlich s<strong>in</strong>d <strong>der</strong><br />

jeweilige <strong>in</strong>dividuelle Entwicklungsstand, das soziale Umfeld <strong>und</strong> die mediale Erfahrung<br />

dabei zu berücksichtigen. Je älter K<strong>in</strong><strong>der</strong> werden, desto eher bevorzugen sie konfliktreiche<br />

Geschichten. Konflikte müssen allerd<strong>in</strong>gs für sie nachvollziehbar se<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />

bewältigt werden können. Prägend s<strong>in</strong>d bei <strong>der</strong> Rezeption weniger e<strong>in</strong>zelne Angst<br />

e<strong>in</strong>flößende Szenen, als die Geschichte <strong>und</strong> das Thema <strong>in</strong>sgesamt. Und wenn die<br />

Geschichte gut ist <strong>und</strong> <strong>der</strong> Film auch gut ausgeht, kommen K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbst mit e<strong>in</strong>zelnen<br />

problematischen Szenen sehr gut zurecht.<br />

Wichtige Themen für K<strong>in</strong><strong>der</strong>. S<strong>in</strong>nvoll, wenn auch nicht unabd<strong>in</strong>gbar ist es, wenn e<strong>in</strong> Film<br />

Themen aufgreift, die für K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Heranwachsende beson<strong>der</strong>s wichtig s<strong>in</strong>d. Das s<strong>in</strong>d<br />

beispielsweise die Themen Fre<strong>und</strong>schaft, Familie, erste Liebe, später die Ablösung vom<br />

33


Elternhaus. Es s<strong>in</strong>d Rollenspiele <strong>und</strong> Identitätssuche, auch schon <strong>in</strong> sexueller H<strong>in</strong>sicht.<br />

Die klassischen Themen Bewährungsproben <strong>und</strong> damit häufig verknüpft die Suche nach<br />

Anerkennung f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> vielen Abenteuer- <strong>und</strong> Fantasyfilmen. Das „Unmögliche“ zu<br />

wagen – <strong>und</strong> sei es „nur“ das Fußballspiel gegen die gefürchtete gegnerischen<br />

Mannschaft – ist e<strong>in</strong> immer wie<strong>der</strong>kehren<strong>der</strong> Topos, <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> – auf ihre jeweilige<br />

Entwicklungs- stufe bezogen – beson<strong>der</strong>s unmittelbar anspricht.<br />

Medienpädagogische Bedeutung. Der Erwerb von Medienkompetenz ist sicher nicht das<br />

wichtigste Kriterium für e<strong>in</strong>e pädagogische Altersempfehlung, aber immerh<strong>in</strong> so wichtig,<br />

dass er bei dieser Aufstellung e<strong>in</strong>en eigenen Punkt verdient. Denn K<strong>in</strong><strong>der</strong> lernen durch<br />

das, was sie sehen o<strong>der</strong> gesehen haben. Zeitgenössische o<strong>der</strong> bei Literaturverfilmungen<br />

„aktualisierte“ Stoffe, s<strong>in</strong>d zwar wünschenswert, aber ke<strong>in</strong>eswegs Bed<strong>in</strong>gung. Auch <strong>und</strong><br />

gerade Filmklassiker können das Wissen um Zusammenhänge erweitern, neue Sicht<strong>und</strong><br />

Sehweisen ermöglichen. Bedeutsam für K<strong>in</strong><strong>der</strong> können Filmklassiker auch dann<br />

se<strong>in</strong>, wenn sie über Geschichten erfahren, wie die Eltern o<strong>der</strong> gar Großeltern früher<br />

gelebt haben, warum sie so geworden s<strong>in</strong>d wie sie s<strong>in</strong>d. Inzwischen wird auch <strong>der</strong> Wert<br />

beziehungsweise die Gewichtung von Dokumentarfilmen für (ältere) K<strong>in</strong><strong>der</strong> erkannt,<br />

denn hier lernen sie beispielsweise etwas über geschichtliche Entwicklungen <strong>und</strong> vor<br />

allem über Wirklichkeitskonstruktionen. Dabei ist es e<strong>in</strong>e wichtige Erfahrung, dass sich<br />

Dokumentarfilme <strong>der</strong> Realität zwar auf an<strong>der</strong>e Weise als <strong>der</strong> Spielfilm nähern, aber<br />

ebenfalls <strong>in</strong>szeniert s<strong>in</strong>d.<br />

Identifikationen <strong>und</strong> Projektionen. E<strong>in</strong> guter K<strong>in</strong><strong>der</strong>film muss Identifikationsmöglichkeiten<br />

mit den Protagonisten ermöglichen <strong>und</strong> wird manchmal auch zu Projektionen führen, bei<br />

denen die eigenen Probleme auf die Hauptfiguren projiziert werden. Identifikationen mit<br />

den Figuren spielen auch e<strong>in</strong>e wichtige Rolle bei <strong>der</strong> Rezeption gefährlicher o<strong>der</strong><br />

trauriger Szenen. Starke <strong>und</strong> unerschrockene Protagonisten erleichtern es sogar schon<br />

Vorschulk<strong>in</strong><strong>der</strong>n, von denen man es bisher nur selten erwartet hatte, emotional<br />

belastende Szenen ohne große Angst wahrzunehmen. Auch im Ansatz bereits<br />

spannende Szenen können selbst jüngere K<strong>in</strong><strong>der</strong> ohne nachhaltig ängstigende Wirkung<br />

aufnehmen <strong>und</strong> verarbeiten, vorausgesetzt, die Spannung wird vollständig aufgelöst <strong>und</strong><br />

die Identifikationsfiguren im Film zeigen ke<strong>in</strong>e allzu große Angst.<br />

Vorbil<strong>der</strong> <strong>und</strong> Helden Filme sollten Vorbil<strong>der</strong> <strong>und</strong> „Helden“ zeigen. Man muss deshalb<br />

nicht bed<strong>in</strong>gungslos dem mythologischen Konzept von Joseph Campbell „Der Heros <strong>in</strong><br />

1000 Gestalten“ folgen, das Christopher Vogler <strong>in</strong> „Die Odyssee des<br />

Drehbuchschreibens“ speziell für den Bereich Film präzisiert hat. Beide haben gezeigt,<br />

dass es <strong>in</strong> vielen Geschichten wie<strong>der</strong>kehrende Strukturen gibt, unabhängig davon, ob es<br />

sich um e<strong>in</strong> Märchen, um K<strong>in</strong><strong>der</strong>- o<strong>der</strong> Weltliteratur o<strong>der</strong> um Filme handelt. Diese<br />

Strukturen werden offenbar vom Publikum auf <strong>der</strong> ganzen Welt <strong>in</strong>tuitiv verstanden –<br />

zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Alter, <strong>in</strong> dem die kognitive Selbstreflexion e<strong>in</strong>gesetzt hat – <strong>und</strong><br />

helfen auch Erwachsenen über Lebensschwellen <strong>und</strong> Entwicklungssprünge h<strong>in</strong>weg.<br />

Gerade die beson<strong>der</strong>s populären Filme greifen oft solche Strukturen auf, erzählen von<br />

e<strong>in</strong>er Reise des Helden <strong>und</strong> von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>dividuellen Reifungsprozess. Auch die meisten<br />

Com<strong>in</strong>g-of-Age-Geschichten s<strong>in</strong>d nach solchen Strukturen aufgebaut.<br />

Aus <strong>der</strong> Perspektive von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Die Wahl <strong>der</strong> Perspektive ist bei jedem Film sehr<br />

wichtig. Sie lässt sich im Zusammenhang <strong>der</strong> Expertise unter drei Gesichtspunkten<br />

fassen: Zum e<strong>in</strong>en sollte e<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>film möglichst ohne pädagogischen Zeigef<strong>in</strong>ger<br />

auskommen. Kameratechnisch bezieht sich die Perspektive auf die Augenhöhe <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Ist e<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>film aus <strong>der</strong> Sichthöhe e<strong>in</strong>es Erwachsenen gedreht, werden die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> automatisch zu den Kle<strong>in</strong>eren <strong>und</strong> Schwächeren. Das erleben K<strong>in</strong><strong>der</strong> tagtäglich <strong>in</strong><br />

ihrem Lebensumfeld, sie möchten das nicht auch noch im Film sehen. Zum Dritten ist mit<br />

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<strong>der</strong> Perspektive geme<strong>in</strong>t, dass die Geschichte für die betreffende Altersgruppe<br />

beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressant <strong>und</strong> geeignet se<strong>in</strong> sollte. Mit <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Perspektive hängt<br />

zusammen, dass die Erwachsenen aus <strong>der</strong> Sicht von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n manchmal als Karikatur<br />

ersche<strong>in</strong>en. Das mögen viele Erwachsene nicht so gern <strong>und</strong> empf<strong>in</strong>den dann den<br />

betreffenden Film als für K<strong>in</strong><strong>der</strong> weniger empfehlenswert. Bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad<br />

s<strong>in</strong>d solche Karikaturen jedoch s<strong>in</strong>nvoll, da sie <strong>der</strong> realen Erfahrungswelt von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

entsprechen <strong>und</strong> sie gerne über die Welt <strong>der</strong> Erwachsenen lachen. Das bedeutet aber<br />

nicht, Eltern- o<strong>der</strong> Erwachsenenfiguren so verzerrt darzustellen, dass sie unglaubwürdig<br />

werden. Differenzierung ist also auch beim K<strong>in</strong><strong>der</strong>film angesagt.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>filme geben Hoffnung <strong>und</strong> Zuversicht. E<strong>in</strong> Film für K<strong>in</strong><strong>der</strong> sollte Hoffnung <strong>und</strong><br />

Zuversicht geben <strong>und</strong> ihnen Mut machen. Die Protagonisten e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>der</strong>films nehmen<br />

daher ihre Probleme selbst <strong>in</strong> die Hand <strong>und</strong> versuchen, mit ihrem Leben auch unter<br />

widrigen Bed<strong>in</strong>gungen zurechtzukommen. S<strong>in</strong>d diese Verhaltensweisen <strong>in</strong>sgesamt<br />

positiv besetzt <strong>und</strong> von Erfolg gekrönt, werden selbst Gewaltszenen bis zu e<strong>in</strong>em<br />

gewissen Grad nebensächlich, denen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Film – <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Realität lei<strong>der</strong> noch<br />

viel stärker – ausgesetzt s<strong>in</strong>d. K<strong>in</strong><strong>der</strong>n sollte ke<strong>in</strong> ausschließlich düsteres <strong>und</strong> negatives<br />

Bild <strong>der</strong> Welt vermittelt werden. Um das zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, gibt es zahlreiche dramaturgische<br />

Möglichkeiten. Etwa durch Auflockerung <strong>der</strong> Szenenfolge, <strong>in</strong>dem e<strong>in</strong>er belastenden<br />

Szene e<strong>in</strong>e weniger belastende o<strong>der</strong> gar e<strong>in</strong>e lustige Szene folgt. Auch mit Hilfe <strong>der</strong><br />

Musik lassen sich bedrückende Bil<strong>der</strong> relativieren. Deshalb werden <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>filmen<br />

häufig K<strong>in</strong><strong>der</strong>lie<strong>der</strong> <strong>und</strong> Songs e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en, die zur Auflockerung dienen, den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>e Verschnaufpause gewähren o<strong>der</strong> das eben Gesehene noch e<strong>in</strong>mal auf leicht<br />

verständliche Weise zusammenfassen. Wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>film Hoffnung vermitteln sollte,<br />

bedeutet das zugleich e<strong>in</strong> Happy End, das nicht aus <strong>der</strong> Luft gegriffen ist. Je älter die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> werden, desto eher akzeptieren sie auch e<strong>in</strong> offenes o<strong>der</strong> nicht e<strong>in</strong>deutig<br />

positives Ende.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>filme geben Orientierungs- <strong>und</strong> Entscheidungshilfen. K<strong>in</strong><strong>der</strong> brauchen<br />

Orientierungshilfen, Vergleiche <strong>und</strong> Hilfestellung bei Entscheidungen. Wie sollen sie aber<br />

<strong>in</strong> ihrem normalen Lebensumfeld richtige Entscheidungen treffen, wenn ihnen im Film (<strong>in</strong><br />

den Medien) Fehler <strong>der</strong> Figuren <strong>und</strong> falsche Handlungsalternativen vorenthalten werden<br />

<strong>und</strong> sie immer nur sehen, wie jemand alles richtig <strong>und</strong> perfekt macht. Das wirkt eher<br />

demotivierend <strong>und</strong> ist <strong>in</strong>sofern ke<strong>in</strong> Vorbild. Auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en positiven<br />

Gesamtzusammenhang e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>ene negative Ereignisse <strong>und</strong> Verhaltensweisen<br />

können also S<strong>in</strong>n machen <strong>und</strong> sprechen nicht gegen e<strong>in</strong>e pädagogische Empfehlung für<br />

die vorgesehene Altersstufe.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d ernst zu nehmen! E<strong>in</strong> letzter Punkt <strong>und</strong> <strong>der</strong> ist beson<strong>der</strong>s wichtig: Wie im<br />

realen Umgang mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Heranwachsenden sollte man sie auch im K<strong>in</strong>ofilm <strong>und</strong><br />

als Filmrezipienten ernst nehmen. E<strong>in</strong> Film, <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> ihren großen <strong>und</strong> – aus<br />

Erwachsenensicht – mitunter „kle<strong>in</strong>en“ Problemen nicht ernst nimmt, ihnen etwas<br />

Unwahres vorgaukelt, sie vor den unangenehmen Seiten des Lebens bewahren möchte,<br />

gehört eigentlich nicht <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>hand – den brauchen allenfalls e<strong>in</strong>ige Erwachsene zur<br />

Beruhigung ihres pädagogischen Gewissens.<br />

5.4. Kriterienraster für K<strong>in</strong><strong>der</strong> zwischen 4 <strong>und</strong> 14 Jahren<br />

Wie bereits <strong>in</strong> Abschnitt 5.2. erläutert, kann man sich den Kriterien e<strong>in</strong>er pädagogischen<br />

Altersempfehlung (m<strong>in</strong>destens) von zwei unterschiedlichen Richtungen nähern.<br />

Beide haben ihre Berechtigung, beide f<strong>in</strong>den hier ihre Berücksichtigung. Deshalb werden<br />

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zuerst die wichtigsten Fähigkeiten von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Heranwach- senden bis 14 Jahren <strong>in</strong><br />

Bezug auf das Erfassen <strong>und</strong> Verarbeiten e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>ofilms aufgelistet, über die sie bei<br />

normaler Entwicklung ab e<strong>in</strong>er bestimmten Altersstufe verfügen (sollten). Im Anschluss<br />

daran werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit formale <strong>und</strong> <strong>in</strong>haltliche Kriterien<br />

aufgelistet, die sich aus diesen Fähigkeiten ergeben <strong>und</strong> zu pragmatischen Ergebnissen<br />

führen.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> 4 bis 5 Jahre<br />

Im Alter von etwa vier Jahren beg<strong>in</strong>nen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, ihr eigenes Denken <strong>und</strong><br />

Handeln <strong>und</strong> das ihrer Mitmenschen zu verstehen:<br />

Sie können e<strong>in</strong>zelne fremde Personen physisch unterscheiden (wenn sie nicht<br />

zu schnell wechseln) <strong>und</strong> sich bereits auf e<strong>in</strong>e Handlungsperspektive<br />

konzentrieren, die jedoch ihre eigene ist (egozentrische Sichtweise)<br />

Ab etwa fünf Jahren beg<strong>in</strong>nen sie, zielgerichtetes Handeln zu verstehen <strong>und</strong><br />

entwickeln e<strong>in</strong> subjektives Verständnis sozialer Beziehungen, was auch für die<br />

Rezeption e<strong>in</strong>es Spielfilms zutrifft<br />

E<strong>in</strong>zelne Elemente <strong>der</strong> Filmhandlung werden zwar erschlossen, aber noch<br />

nicht vollständig mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong> Beziehung gesetzt, son<strong>der</strong>n eher assoziativ<br />

erlebt.<br />

Das emotionale Filmerleben steht ganz im Mittelpunkt <strong>und</strong> orientiert sich fast<br />

ausschließlich an den Figuren<br />

Formale Kriterien<br />

Kurze Filmgeschichten bis maximal 30 M<strong>in</strong>uten, <strong>in</strong> sich abgeschlossen<br />

(Das K<strong>in</strong>o bietet selten Programme unter 90 M<strong>in</strong>uten an. Für die ganz jungen<br />

K<strong>in</strong>oneul<strong>in</strong>ge ist das e<strong>in</strong>e zu lange Verweil-Dauer <strong>und</strong> erfor<strong>der</strong>t zu lange<br />

Aufmerksamkeitsspannen. Wenn die K<strong>in</strong>obetreiber ke<strong>in</strong>e Programmpause e<strong>in</strong>planen –<br />

was ganz selten <strong>der</strong> Fall ist – sollte wenigstens die Dramaturgie so konzipiert se<strong>in</strong>, dass<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er epischen o<strong>der</strong> episodischen Erzählweise des Films <strong>der</strong> E<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Ausstieg <strong>in</strong>/aus<br />

<strong>der</strong> Geschichte an verschiedenen Stellen möglich ist. Das Medium DVD hat<br />

demgegenüber Vorteile. K<strong>in</strong><strong>der</strong> schauen ihre Liebl<strong>in</strong>gsfilme gerne wie<strong>der</strong>holt <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Rhythmus lässt sich durch Pause, Vor- <strong>und</strong> Rücklauf <strong>in</strong>dividuell anpassen. Auch werden<br />

auf DVD oft Kompilationen von Kurzfilmen speziell für jüngere K<strong>in</strong><strong>der</strong> angeboten).<br />

E<strong>in</strong>facher Aufbau <strong>der</strong> Geschichte, klare Formen<br />

Episodische Erzählweise (kurze Handlungsstränge, ke<strong>in</strong>e dramatischen<br />

Zuspitzungen)<br />

Chronologische Erzählweise mit l<strong>in</strong>earen Handlungsabläufen ohne<br />

Nebenhandlungen <strong>und</strong> zeitliche o<strong>der</strong> örtliche Sprünge<br />

Verständliche Sprache, ke<strong>in</strong>e bedrohlichen Tonexperimente o<strong>der</strong> emotional<br />

belastende Musikuntermalung<br />

Begrenzte Anzahl <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>e überschaubare Anordnung von Filmfiguren<br />

(analog zum noch stark familiär ausgerichteten Bezugsrahmen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> ihrer<br />

Alltagsrealität)<br />

Spannungsaufbau <strong>und</strong> -abbau, <strong>der</strong> leicht nachvollziehbar ist<br />

Filmende mit harmonischem o<strong>der</strong> positivem Ausgang („Happy End“)<br />

Alle Genres, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Märchen <strong>und</strong> Tierfilme ́<br />

Inhaltliche Kriterien<br />

Tiergeschichten, die Spaß machen <strong>und</strong> zur unmittelbaren Identifikation<br />

e<strong>in</strong>laden<br />

Kle<strong>in</strong>e Helden erk<strong>und</strong>en ihre Umwelt, nehmen ihr Schicksal schon selbst <strong>in</strong> die<br />

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Hand <strong>und</strong> wachsen anhand von solchen Erfolgsmomenten über sich h<strong>in</strong>aus E<strong>in</strong>bettung<br />

<strong>der</strong> Filmfiguren <strong>in</strong> familiäre Bezüge<br />

Gute Unterhaltung mit positiven Erlebnissen <strong>und</strong> Gefühlen<br />

Abenteuerreisen aus e<strong>in</strong>er vertrauten Umgebung heraus, die später wie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e vertraute Geme<strong>in</strong>schaft zurückführen<br />

Aufgreifen <strong>und</strong> k<strong>in</strong>dgerechte Beantwortung von e<strong>in</strong>fachen Wissensfragen<br />

Gr<strong>und</strong>schulk<strong>in</strong><strong>der</strong> 6 <strong>und</strong> 7 Jahre<br />

Im Alter von etwa 7 Jahren s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, bereits die Relativität<br />

e<strong>in</strong>zelner Handlungsperspektiven zu verstehen<br />

Realität <strong>und</strong> Fantasie werden als verschieden wahrgenommen, was e<strong>in</strong>e erste<br />

distanzierte Betrachtung ermöglicht, wenn auch die Trennschärfe noch nicht<br />

voll entwickelt ist<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> entwickeln eigene Schutzmechanismen (Augen o<strong>der</strong> Ohren zuhalten),<br />

um sich vor unangenehmen Film<strong>in</strong>halten zu schützen; zugleich wird die Familie als<br />

Schutzraum wahrgenommen<br />

Formale Kriterien<br />

Die Geschichten dürfen schon länger <strong>und</strong> vielschichtiger se<strong>in</strong>, sollten aber<br />

noch unter <strong>der</strong> normalen Spielfilmlänge von 90 M<strong>in</strong>uten liegen<br />

Nicht allzu spannende <strong>und</strong> vor allem abwechslungsreiche Inszenierung, die<br />

genügend Entspannungsmomente e<strong>in</strong>baut, etwa <strong>in</strong> Form von beruhigenden<br />

Szenen, e<strong>in</strong>er Verlangsamung des Erzählflusses o<strong>der</strong> durch musikalische<br />

Elemente<br />

Epische <strong>und</strong> episodische Erzählweisen, ke<strong>in</strong>e übermäßig dramatischen<br />

Zuspitzungen, die Handlungsebenen müssen deutlich erkennbar se<strong>in</strong><br />

Filmgeschichten mit nachvollziehbarem Abschluss, möglichst auch noch <strong>in</strong><br />

Form e<strong>in</strong>es Happy Ends<br />

Vom Gefühl her nachvollziehbare Zeichnung <strong>und</strong> Darstellung <strong>der</strong> Figuren<br />

Unterhaltsame <strong>und</strong> abwechslungsreiche Präsentation von Informationen, aber<br />

ke<strong>in</strong>e Bil<strong>der</strong>fluten <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Informationsüberflutung<br />

Alle Genres, die auf nachvollziehbare Weise Bezug auf die Erlebnis- <strong>und</strong><br />

Alltagswelt von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n dieser Altersgruppe nehmen<br />

Inhaltliche Kriterien<br />

Alltagsgeschichten mit Bezug zur k<strong>in</strong>dlichen Lebenswelt, die auch durch den<br />

Schule<strong>in</strong>tritt sich verän<strong>der</strong>nde Familienbil<strong>der</strong> sowie neue Themen wie Schule<br />

<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaft jenseits <strong>der</strong> häuslichen Umgebung aufgreifen<br />

Rollenbil<strong>der</strong> <strong>und</strong> -angebote für Jungen <strong>und</strong> Mädchen, auch die Rollen <strong>der</strong><br />

Erwachsenen dürfen bereits vorsichtig h<strong>in</strong>terfragt werden<br />

Abenteuer- <strong>und</strong> Fantasy-Geschichten<br />

Überlieferung traditioneller <strong>und</strong> mo<strong>der</strong>ner K<strong>in</strong><strong>der</strong>literatur (etwa Märchen)<br />

Wissenswertes auch schon außerhalb des normalen Alltagsgeschehens<br />

Schulk<strong>in</strong><strong>der</strong> 8 <strong>und</strong> 9 Jahre<br />

Fähigkeiten<br />

Motive <strong>und</strong> Handlungs<strong>in</strong>tentionen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Filmfiguren werden klar<br />

erkannt<br />

Ab etwa 9 Jahren beg<strong>in</strong>nen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, sich auch für die filmischen<br />

Gestaltungsmittel zu <strong>in</strong>teressieren, erste Genrekenntnisse entstehen<br />

Dramaturgische Mittel <strong>der</strong> Spannungssteigerung werden als solche erkannt<br />

Erste Ansätze zur Interpretation e<strong>in</strong>es Films entstehen, wobei das<br />

abstrahierende Denken noch nicht voll ausgebildet ist<br />

Formale Kriterien<br />

37


Geschichten <strong>in</strong> normaler Spielfilmlänge, aber nicht wesentlich darüber h<strong>in</strong>aus<br />

Gute Identifikationsmöglichkeiten mit den Figuren<br />

Temporeiche Erzählweise mit deutlichen Spannungskurven<br />

Anspruchsvolle Handlungsabläufe, auch mit mehreren Figuren<br />

Wechsel von Erzählperspektiven <strong>und</strong> Zeitebenen<br />

Nachvollziehbarer Humor, aber ke<strong>in</strong>e Ironie <strong>und</strong> erst recht ke<strong>in</strong> Sarkasmus<br />

Nachvollziehbarer Ausgang von Geschichten, die jedoch bereits e<strong>in</strong> offenes<br />

Ende aufweisen können<br />

Unterhaltsame <strong>und</strong> abwechslungsreiche Präsentation von Sach<strong>in</strong>formationen<br />

Alle Genres, die Bezug auf die Erlebnis- <strong>und</strong> Alltagswelt von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n dieser<br />

Altersgruppe nehmen<br />

Inhaltliche Kriterien<br />

Alltagsgeschichten aller Art, <strong>in</strong> denen Empathie mit den Figuren möglich o<strong>der</strong><br />

sogar erfor<strong>der</strong>lich ist<br />

Fre<strong>und</strong>schafts-, Schul-, Fantasy-, Abenteuer-, Science Fiction, Tier-<br />

Geschichten<br />

Themen des sozialen Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>s <strong>und</strong> über die Fun38tion von<br />

Geme<strong>in</strong>schaften<br />

Informationen zu Wissensgebieten <strong>und</strong> aktuellen Ereignissen zur Erweiterung<br />

persönlicher Erfahrungen<br />

Schulk<strong>in</strong><strong>der</strong> 10 bis 12 Jahre<br />

Fähigkeiten<br />

Die Fähigkeit zur distanzierten Wahrnehmung <strong>und</strong> rationalen Verarbeitung ist<br />

voll entwickelt<br />

Parallelen zwischen <strong>der</strong> eigenen Welterfahrung <strong>und</strong> <strong>der</strong> filmischen Darstellung<br />

werden gezogen, unterschiedliche Standpunkte erkannt <strong>und</strong> mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Beziehung gesetzt<br />

Filmwelten <strong>und</strong> Filmklischees werden reflektiert<br />

Die Unterscheidung zwischen Realität <strong>und</strong> Fiktion erfolgt schon so präzise,<br />

dass auch erste Formen <strong>der</strong> Angst-Lust positiv verarbeitet werden können<br />

Die Orientierung an sozialen Normen <strong>und</strong> Werten gestattet, nicht nur eigenes<br />

Handeln, son<strong>der</strong>n auch das von fiktionalen Personen an diesen Normen zu messen <strong>und</strong><br />

zu vergleichen, also moralische Urteile zu entwickeln<br />

Formale Kriterien<br />

Geschichten können auch normale Spielfilmlänge überschreiten<br />

Identifikationsfiguren dürfen auch Ecken <strong>und</strong> Kanten haben<br />

Komplex angelegte Handlungsabläufe, die herausfor<strong>der</strong>n<br />

Inszenierungen, die ästhetisch beson<strong>der</strong>s ausgereift s<strong>in</strong>d<br />

Zusatzebenen wie leichte Ironie, Kritik, gesellschaftliche, soziale <strong>und</strong> politische<br />

H<strong>in</strong>tergründe, s<strong>in</strong>d möglich<br />

Herausfor<strong>der</strong>nde Spannungsbögen, die beispielsweise über die Form <strong>der</strong><br />

Parallelmontage o<strong>der</strong> des schnellen Schnitts h<strong>in</strong>ausweisen<br />

Informationsaufbereitung <strong>und</strong> -veranschaulichung von gesellschaftlich<br />

wichtigen Sachthemen<br />

Alle Genres, auch wenn sie nur <strong>in</strong> <strong>in</strong>direkter Weise Bezug auf die Erlebnis<strong>und</strong><br />

Alltagswelt von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n dieser Altersgruppe nehmen<br />

Inhaltliche Kriterien<br />

Filmfiguren, die sich deutlich von den Erwachsenen abgrenzen<br />

Konfliktproblematisierung <strong>und</strong> Möglichkeiten <strong>der</strong> Konfliktbewältigung (Umgang<br />

mit Konflikten, mit Aggressionen <strong>und</strong> Gewalt)<br />

38


Erste Liebesbeziehungen <strong>und</strong> Bewährungsproben<br />

Abschluss <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit <strong>und</strong> erste Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens, die<br />

aber zur positiven Identifikation e<strong>in</strong>laden sollten<br />

Soziales Zusammenleben <strong>und</strong> kulturelle Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Schulk<strong>in</strong><strong>der</strong> 13 bis 14 Jahre<br />

Fähigkeiten<br />

Die Gesamthandlung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>ospielfilms wird nachvollzogen, auch längere<br />

Spannungsmomente werden ausgehalten<br />

Realität <strong>und</strong> Fiktion werden klar vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> getrennt, <strong>der</strong> Film als<br />

Medien<strong>in</strong>szenierung erkannt <strong>und</strong> die Botschaften e<strong>in</strong>es Films klar dechiffriert<br />

In <strong>der</strong> Pubertät wird die K<strong>in</strong>dheit endgültig abgeschlossen, neue<br />

Erwartungshaltungen <strong>und</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen stellen sich e<strong>in</strong>, aber auch neue<br />

Sensibilitäten, etwa <strong>in</strong> Bezug auf die Umsetzung e<strong>in</strong>es Filmstoffes <strong>und</strong> auf Vorbil<strong>der</strong><br />

Formale Kriterien<br />

Geschichten aller Art ohne zeitliche <strong>und</strong> formale Beschränkungen<br />

Positive, aber auch negative Identifikationsfiguren, <strong>in</strong>sofern sie zur kritischen<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit eigenen Verhaltensweisen beitragen können<br />

Verschachtelte Handlungsabläufe mit komplexeren Montageformen<br />

Inszenierungen, die zur Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung über das Verhältnis von Inhalt<br />

<strong>und</strong> Form anregen<br />

Zusatzebenen wie Ironie <strong>und</strong> Satire, handfeste Kritik, umfassende<br />

gesellschaftliche, soziale <strong>und</strong> politische H<strong>in</strong>tergründe<br />

Filme, die klassische Erwartungshaltungen an e<strong>in</strong>en Spannungsbogen nicht<br />

voll erfüllen<br />

Wichtige Sachthemen aus dem Bereich von Politik, Gesellschaft <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Geschichte<br />

Ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung <strong>in</strong> den Genres, <strong>in</strong>sofern sie den Belangen des<br />

Jugendschutzes gerecht werden<br />

Inhaltliche Kriterien<br />

Filmfiguren, die mit <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Erwachsenen offen <strong>in</strong> Konflikt geraten<br />

Alternativen im Umgang mit Problemen <strong>und</strong> Konflikten (etwa De-Eskalation<br />

von Gewalt, Hass <strong>und</strong> Intoleranz)<br />

Unterscheidung zwischen Realität <strong>und</strong> Fiktion, Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

Mischformen <strong>der</strong> filmischen Herangehensweise<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit den Eltern <strong>und</strong> mit ihren Traditionen<br />

Liebesbeziehungen <strong>und</strong> Rollenmuster (sexuelle Identität)<br />

Handfeste Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens (Com<strong>in</strong>g of Age-Themen)<br />

Begegnung <strong>und</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit fremden Kulturen<br />

39


6. Literaturh<strong>in</strong>weise<br />

Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an <strong>der</strong> Universität Hamburg (Hrsg.): Analyse<br />

des Jugendmedienschutzsystems – Jugendschutzgesetz <strong>und</strong> Jugendmedienschutz-<br />

Staatsvertrag. Endbericht, Hamburg, Oktober 2007, als PDF abrufbar unter www.hansbredow-<strong>in</strong>stitut.de/forschung/recht/071030Jugendschutz-<br />

Gesamtbericht.pdf<br />

Hochschule für Film <strong>und</strong> Fernsehen „Konrad Wolf“, Fachbereich Medienwissenschaft,<br />

Projektleitung: Claudia Wegener (Hrsg.): Spannung, Spaß, Humor. E<strong>in</strong>e Studie zum<br />

Filmerleben von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen, Potsdam 2010<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>-<strong>und</strong> Jugendfilmzentrum <strong>in</strong> Deutschland, K<strong>in</strong><strong>der</strong>k<strong>in</strong>o München e. V. / K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong><br />

Jugendfilm Korrespondenz (Hrsg.): Medienkompetenz <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>k<strong>in</strong>o – Perspektiven<br />

<strong>der</strong> kulturellen K<strong>in</strong><strong>der</strong>filmarbeit <strong>und</strong> ihr Beitrag zur Vermittlung <strong>und</strong> zum Erwerb von<br />

Medienkompetenz, Remscheid/München 2002<br />

M<strong>in</strong>isterium für Bildung, Frauen <strong>und</strong> Jugend Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, Ständiger Vertreter <strong>der</strong><br />

Obersten Landesjugendbehörden bei <strong>der</strong> FSK, Freiwillige Selbstkontrolle <strong>der</strong><br />

Filmwirtschaft, Landeszentrale für private R<strong>und</strong>funkveranstalter Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz (Hrsg.):<br />

Medienkompetenz <strong>und</strong> Jugendschutz – K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche beurteilen die Wirkung<br />

von K<strong>in</strong>ofilmen, Wiesbaden, Februar 2003<br />

M<strong>in</strong>isterium für Bildung, Frauen <strong>und</strong> Jugend Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, Ständiger Vertreter <strong>der</strong><br />

Obersten Landesjugendbehörden bei <strong>der</strong> FSK, Freiwillige Selbstkontrolle <strong>der</strong> Filmwirtschaft,<br />

Stiftung Medienkompetenz Forum Südwest, (Hrsg.): Medienkompetenz <strong>und</strong><br />

Jugendschutz II – Wie wirken K<strong>in</strong>ofilme auf K<strong>in</strong><strong>der</strong>? Wiesbaden, September 2004<br />

M<strong>in</strong>isterium für Bildung, Wissenschaft, Jugend <strong>und</strong> Kultur Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, Ständiger<br />

Vertreter <strong>der</strong> Obersten Landesjugendbehörden bei <strong>der</strong> FSK, Freiwillige Selbstkontrolle<br />

<strong>der</strong> Filmwirtschaft (Hrsg.): Medienkompetenz <strong>und</strong> Jugendschutz III, Projekt 16 – Wie<br />

beurteilen Jugendliche Gewalt im Film? Wiesbaden, Oktober 2009<br />

Claudia Raabe: Soziale Orientierung durch Fernsehen? E<strong>in</strong>e Annäherung aus <strong>der</strong><br />

Perspektive k<strong>in</strong>dlicher Fernsehnutzung, Dissertation an <strong>der</strong> Universität Kassel, 2006<br />

Claudia Wegener, Dieter Wiedemann (Hrsg.): K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Kunst <strong>und</strong> K<strong>in</strong>o. Gr<strong>und</strong>lagen zur<br />

Filmbildung aus <strong>der</strong> Filmpraxis, München 2009<br />

Hrsg: K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendfilmzentrum <strong>in</strong> Deutschland © Mai 2011<br />

Redaktion: Christian Exner, Robert Herfurtner Texte: Krist<strong>in</strong> Langer, Holger<br />

Twele<br />

(*) Der Text wurde um e<strong>in</strong>ige Abschnitte bzw. Absätze gekürzt. Die vollständige Version ist<br />

beim KJF abrufbar.<br />

http://www.kjf.de/tl_files/downloads/pdf/Paedagogische_Altersempfehlungen_Kriterienueber<br />

sicht.pdf<br />

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