Kleiner Mann mit großem Ziel - Plant-for-the-Planet
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Umweltaktivist Felix Finkbeiner<br />
<strong>Kleiner</strong> <strong>Mann</strong> <strong>mit</strong> <strong>großem</strong> <strong>Ziel</strong><br />
VON KATHRIN HARTMANN<br />
Felix Finkbeiner (Bild:<br />
<strong>Plant</strong> <strong>for</strong> <strong>the</strong> <strong>Planet</strong>)<br />
Lautlos rollt das silberne Hybrid-Auto auf den Parkplatz am S-Bahnhof Tutzing. Auf der<br />
Türe prangt ein riesiger Aufkleber, darauf drei Bäume <strong>mit</strong> grüner Krone, die schwarzen<br />
Stämme sind Menschen, darunter steht "<strong>Plant</strong> <strong>for</strong> <strong>the</strong> <strong>Planet</strong>. Trees <strong>for</strong> Climate Justice".<br />
Es ist kurz vor fünf, die Sonne versinkt hinter der Alpenkette. Frithjof Finkbeiner holt<br />
seinen Sohn Felix von der Schule ab. Oder von der Arbeit, je nachdem, wie man das<br />
sehen will. Der zierliche Zwölfjährige <strong>mit</strong> der Brille hat vor drei Jahren die Kinder-NGO<br />
<strong>Plant</strong> <strong>for</strong> <strong>the</strong> <strong>Planet</strong> gegründet. Sei<strong>the</strong>r ist er ein gefragtes Kind.<br />
Hinter ihm steht ein Kamerateam vom ARD-Morgenmagazin, sie wollen einen positiven<br />
Beitrag zum Klimagipfel machen. Sie haben Felix bereits in der Schule begleitet, einer internationalen<br />
Privatschule in Starnberg. Felix spricht gut Englisch, das ist von Vorteil, denn der Junge ist <strong>mit</strong> seinen Vorträgen<br />
in der ganzen Welt unterwegs. Er war im Sommer bei der UN-Kinderkonferenz in Seoul, im November bei der<br />
UN-Klimakonferenz in New York, im September beim UN-Wald<strong>for</strong>um in China. Er hat bereits Barack Obama, Kofi<br />
Annan und Al Gore die Hand geschüttelt. 400.000 Bäume hat seine Organisation schon in Deutschland gepflanzt,<br />
weltweit sollen es über 200 Millionen werden. Ehrgeizige Pläne, für deren Umsetzung Felix im Jahr 20 freie Tage<br />
von seiner Schule bekommt – was nicht ganz ausreicht, wie der Vater gesteht.<br />
Im Kleinbus folgt das Kamerateam dem Toyota in das Dörfchen Pähl, in dem Felix <strong>mit</strong> seinen Schwestern und<br />
seinen Eltern lebt. Im Auto beteuern Vater und Sohn, ein Tag wie dieser sei die Ausnahme. Schwer zu glauben<br />
angesichts der "1000 Medienergebnisse", wie sie die Berichterstattung nennen, in denen Felix meistens die<br />
Hauptrolle spielt.<br />
Frithjof Finkbeiner ist selbst seit Jahren in Sachen Weltrettung unterwegs. Nach<br />
einer Begegnung <strong>mit</strong> Al Gore verkaufte der Wirtschaftswissenschaftler seine<br />
Baustoff-Firma und gründete 2003 die "Global Marshall Plan Initiative", die für<br />
die Umsetzung einer globalen ökosozialen Marktwirtschaft kämpft. <strong>Plant</strong> <strong>for</strong> <strong>the</strong><br />
<strong>Planet</strong> gehört <strong>mit</strong>tlerweile zur Initiative, die Kinder-NGO ist das lebendige<br />
Moment darin: "Das war eine reine Kopfsache", sagt Finkbeiner, "dass auch der<br />
Einzelne etwas tun kann, das fehlte komplett". Wenn Kinder Kindern<br />
Klimagerechtigkeit beibrächten, habe das eine enorme Wirkung. Erst recht,<br />
wenn diese vor Erwachsenen über ihre Zukunft sprächen.<br />
Bei Felix klingt das so: "Wir Kinder <strong>for</strong>dern Klimagerechtigkeit." Oder: "Wir<br />
Kinder sagen: die Politiker haben Milliarden an die Banken gegeben. Deswegen<br />
sagen wir, die sollen genauso viel in unsere Zukunft investieren." Oder: "Wir<br />
Kinder sind uns sicher, dass <strong>mit</strong> Freiwilligikeit nichts erreicht wird. Es braucht<br />
globale Gesetze". Kindersätze sind das nicht. Manchmal schreit er sie fast, wie<br />
ein Politiker am Rednerpult.<br />
Angefangen hat alles <strong>mit</strong> einem Referat, das Felix als Neunjähriger vor der<br />
Klasse hielt. Darin erwähnte er die afrikanische Friedensnobelpreisträgerin<br />
Wangari Maathai, die <strong>mit</strong> dem Green Belt Movement 30 Millionen Bäume in<br />
Afrika pflanzte. Er schloss seinen Vortrag <strong>mit</strong> den Worten: "Lasst uns eine<br />
Million Bäume pflanzen." Seine Lehrerin ließ ihn den Vortrag vor den<br />
Klassensprechern der Schule wiederholen, die Direktorin schickte ihn an andere<br />
Schulen.<br />
Jetzt sitzt Felix auf seinem Bett und futtert Schokolade. Über seinem Zimmer ist<br />
das Büro der Initiative, fünf Mitarbeiter sind dort angestellt. An der Wand in<br />
seinem Zimmer hängt ein <strong>Plant</strong> <strong>for</strong> <strong>the</strong> <strong>Planet</strong>-Banner <strong>mit</strong> Unterschriften<br />
Kritik am Projekt<br />
Felix Finkbeiner, 12, will in<br />
Deutschland eine Million Bäume<br />
pflanzen, um Treibhausgase zu<br />
reduzieren. Seiner NGO "<strong>Plant</strong><br />
<strong>for</strong> <strong>the</strong> <strong>Planet</strong>" (www.plant<strong>for</strong>-<strong>the</strong>-planet.org)<br />
haben<br />
sich bereits 132 Kinder in 56<br />
Nationen angeschlossen. Die<br />
Initiative hat in Deutschland<br />
bisher rund 400.000 Bäume<br />
gepflanzt. Der Schüler aus Pähl<br />
ist außerdem<br />
Kinderbeauftragter des<br />
Umweltschutzprogramms der<br />
UN.<br />
Kritiker halten dem<br />
Zwölfjährigen entgegen, dass<br />
es nichts bringe, Bäume gegen<br />
den Klimawandel zu pflanzen,<br />
da sie erst 60 Jahre wachsen<br />
müssten, um wirksam CO2 aus<br />
der Atmosphäre zu binden. Bis<br />
der Baum groß genug ist,<br />
steigen die<br />
Treibhausgasemissionen aber<br />
weiter an. Während der Baum<br />
über seine Blätter Kohlendioxid<br />
aus der Luft aufnimmt, setzt er<br />
an den Wurzeln Kohlenstoff frei<br />
- vor allem in jungen Jahren.<br />
Umstritten sind solche Projekte<br />
auch, weil für große
chinesischer Kinder, auf dem Klavier sind T-Shirts <strong>mit</strong> dem Logo der Initiative<br />
drapiert. Wenn man Felix fragt, ob er in seiner Freizeit nicht lieber spielen<br />
möchte, sagt er ernst: "Manchmal würde ich lieber <strong>mit</strong> meinen Freunden was<br />
unternehmen. Aber wir Kinder müssen das machen, es geht um unsere<br />
Zukunft." Für Felix heißt das schon mal, zugunsten der Weltrettung in seiner<br />
Freizeit den Schulstoff nachholen zu müssen. Wird ihm das nicht alles zu viel?<br />
Felix hält inne und sagt: "Es macht schon auch Spaß."<br />
Auf der alten Eckbank neben der Küche sitzt seine Mutter Karolin. Sie sagt: "Die<br />
Sache nimmt schon viel Raum ein." Manchmal diskutiere der Vater schon in<br />
aller Früh die Zeitungsartikel <strong>mit</strong> seinem Sohn. "Jetzt lass ihn doch wenigestens<br />
in Ruhe frühstücken", sage sie dann. Ja, sie sei "die Bremserin". Aber im<br />
Klimagipfel in Kopenhagen<br />
Das Kopenhagener Abkommen<br />
zum Klimaschutz soll von 2013<br />
an das Kyoto-Protokoll<br />
ablösen. Studien,<br />
Umweltszenarien, interaktive<br />
Grafiken zur Entstehung von<br />
Ozon, Hintergründe und mehr.<br />
Auf<strong>for</strong>stungsflächen in<br />
Entwicklungsländern das<br />
Landrecht indigener Völker<br />
bedroht ist. Darüber hinaus<br />
gibt es keine Garantie, dass die<br />
Bäume überhaupt so lange<br />
stehen, denn die Gefahr von<br />
Waldbränden steigt <strong>mit</strong> der<br />
Erwärmung des Klimas. Und<br />
wenn die Bäume brennen,<br />
blasen sie genau die Menge<br />
CO2 auf einmal wieder in die<br />
Luft, die sie über Jahre<br />
gebunden haben.<br />
Grunde sei es nicht anders, als hätte man ein Kind, das Hochleistungssport treibe. Die Finkbeiners haben eben<br />
einen Kinderstar der Weltrettung. Felix sei sehr ehrgeizig, "er ist auch in der Schule über dem Durchschnitt".<br />
Wenn er nicht in die Schule kann, treibt sie den Stoff bei den Lehrern per Email ein. Die Mutter sagt, sie merke<br />
ihm an, wenn es ihm zu viel werde. Dann gehe sehr früh ins Bett. "Er ist bei diesem Thema sehr ernst. Ansonsten<br />
aber wie ein normaler Zwölfjähriger."<br />
Wie benimmt sich so einer? Das habe er sich auch gefragt, sagt der Vater, und organisierte deshalb eine<br />
Kinderakademie zum Thema Klimagerechtigkeit im Harz. Und festgestellt, "die anderen Kinder sind genauso".<br />
Mittlerweile hielten 20 Kinder, die in solchen Akademien ausgebildet wurden, Vorträge in Deutschland. Das<br />
nehme die Last von Felix’ Schultern. Der Vater schwankt zwischen Sorge und Begeisterung. Zwischen der<br />
Bewunderung, wie selbstständig sein Sohn ist, und der Angst, er könnte zu sehr vereinnahmt werden. Er sagt, er<br />
wolle nicht, dass sein Sohn "wie ein Tanzbär" herumgereicht werde. Dann erzählt er stolz, dass Felix <strong>mit</strong> zehn<br />
Jahren allein zur UNEP-Kinderkonferenz nach Norwegen gereist ist. Felix, sagt er, wisse ganz genau, was er<br />
wolle. Aber: "50, 60 Vorträge im Jahr sind dann auch genug."<br />
Es müsse eben dem großen Ganzen, dem Projekt dienen, sagen beide. Von der<br />
Kritik, dass es nichts bringe, Bäume zu pflanzen, weil die frühestens in 60<br />
Jahren effektiv Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden, lassen sie sich nicht<br />
ausbremsen. Für ihr großes <strong>Ziel</strong> nehmen sie auch Widersprüche in Kauf. Zum<br />
Beispiel, dass Toyota der Hauptsponsor des Projekts ist. Die Kinder hatten den<br />
Autokonzern, der, so Felix und sein Vater, immerhin "glaubwürdig" sei, was das<br />
Umweltengegement angehe, um Unterstützung gebeten. Toyota sagte so<strong>for</strong>t<br />
zu, der Konzern zahlt das Büro der Initiative. Als Felix neun Jahre alt war, hielt<br />
er seinen Vortrag vor 1200 Toyota-Händlern. Man kann den Auftritt bei Youtube<br />
sehen: Felix <strong>mit</strong> Headset auf dem Kopf und schmunzelnde Männer in Anzügen<br />
im Publikum. Ist er für sie nicht nur der süße kleine Junge? "Das Süße ist<br />
vielleicht das Trojanische Pferd, <strong>mit</strong> dem wir in die Unternehmen kommen",<br />
sinniert Vater Finkbeiner. Schließlich hätten bislang 120 Autohändler von<br />
Kindern Bäume pflanzen lassen. Zum Beispiel für den Kauf eines neuen Autos.<br />
Ist Felix dann nicht vielmehr das grüne Maskottchen der Auto-Industrie? Finkbeiner sagt, Toyota ermögliche eben<br />
ihre Arbeit und Felix lasse sich nicht vereinnahmen. Der streite auch <strong>mit</strong> ihm ständig über den Inhalt seiner<br />
Vorträge. Es gehe vor allem um die Selbstermächtigung der Kinder, darum, dass sie Weltbürger würden, sagt<br />
Frithjof Finkbeiner.<br />
Wenn Felix an diesem Abend dann noch seine Hausaufgaben gemacht hat, wird er wohl früh zu Bett gehen. Und<br />
darüber nachdenken, ob sie nun nach Kopenhagen fahren oder nicht. Er findet, das hätte nur Sinn, wenn er vor<br />
den Politikern reden könne. Sein Vater sieht das genauso.