Forschungen am alltäglichsten Stoff der Welt - Kunststofftechnik ...
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Berichte<br />
Blasfolienanlage: Stefan Littek beobachtet an <strong>der</strong> Blasfolienmaschine wie ein roter Schlauch<br />
aus Kunststoff in einen Turm gezogen wird, ehe er von dort auf einen Wickler gelangt.<br />
<strong>Forschungen</strong> <strong>am</strong><br />
<strong>alltäglichsten</strong> <strong>Stoff</strong> <strong>der</strong> <strong>Welt</strong><br />
Unter <strong>der</strong> Leitung von Prof. Dr.-<br />
Ing. Helmut Potente und Prof. Dr.-Ing.<br />
Volker Schöppner beschäftigt sich<br />
das Institut mit <strong>der</strong> Erforschung und<br />
Weiterentwicklung <strong>der</strong> Kunststoffund<br />
Kautschuktechnik. Diese Arbeiten<br />
umfassen sowohl die Grundlagenforschung,<br />
die Entwicklung unterschiedlicher<br />
Softwareprodukte als<br />
auch Auftragsforschungen für die Industrie.<br />
Dabei kooperiert das KTP mit<br />
Unternehmen wie unter an<strong>der</strong>em<br />
„KraussMaffei Berstorff“, „Ferromatik“,<br />
„Bayer“, „Phoenix Contact“ o<strong>der</strong><br />
aber „BASF“, die zumeist auch die<br />
28<br />
Das Institut für <strong>Kunststofftechnik</strong> kooperiert mit weltweit<br />
agierenden Industrieunternehmen<br />
Mal ehrlich: Wer denkt beim Zähneputzen, Autofahren o<strong>der</strong> Telefo-<br />
nieren über Kunststoff nach? Wohl niemand. Dabei machen die Poly-<br />
merverbindungen diese und weitere alltäglichen Handlungen über-<br />
haupt erst möglich. Das Institut für <strong>Kunststofftechnik</strong>, kurz KTP, an <strong>der</strong><br />
Fakultät für Maschinenbau hat dies bereits vor über 25 Jahren erkannt<br />
– und erspart seitdem Industrieunternehmen jede Menge Kosten.<br />
nötigen Maschinen für das Forschungslabor<br />
zur Verfügung stellen.<br />
„Unsere Untersuchungen zielen<br />
darauf, Arbeitsschritte zu minimieren,<br />
Werkzeuge zu optimieren und Material<br />
sowie Energie einzusparen. Das<br />
rechnet sich für die Firmen“, erklärt<br />
Dipl.-Ing. Michael Witt die grundlegende<br />
Ausrichtung des KTP.<br />
Forschungsschwerpunkte<br />
sind Extrusion, Spritzgießen<br />
und Schweißen<br />
Ein aktuelles Projekt dreht sich<br />
beispielsweise um das Werkzeug <strong>der</strong><br />
Fotos: Heinemann<br />
Kunststofftechnologie<br />
Blasfolienmaschine. Bei dieser wird<br />
ein Schlauch aus Kunststoff in einen<br />
Turm gezogen und über ein Rollensystem<br />
auf einen Wickler transportiert.<br />
Derart werden Folien für Einkaufstüten<br />
sowie große Planen hergestellt.<br />
„Wir wollen das Werkzeug variabler<br />
machen und den Aufbau erleichtern.<br />
Das hätte positive Auswirkungen auf<br />
die Wartungs- beziehungsweise Reinigungsarbeiten<br />
und würde Kosten<br />
sparen. Zudem passen wir es <strong>der</strong> Kautschukverarbeitung<br />
an“, zählt Witt<br />
auf.<br />
Ähnlich sieht es bei <strong>der</strong> 16 Meter<br />
langen Rohrextrusionslinie aus, die<br />
ebenfalls im Forschungslabor des KTP<br />
steht. Sie wurde im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts<br />
mit den Maschinenherstellern<br />
„Windmöller & Hölscher“,<br />
„Battenfeld Extrusionstechnik“<br />
sowie „Reifenhäuser“ durch das<br />
Bundesministerium für Bildung und<br />
Forschung (BMBF) geför<strong>der</strong>t. Dabei<br />
geht es um einen Einschneckenextru<strong>der</strong>,<br />
<strong>der</strong> die heiße Kunststoffschmelze<br />
unter hohem Druck gleichmäßig aus<br />
einer Öffnung herauspresst. Die entstehenden<br />
Rohre kommen als Zu- und<br />
Abwasserleitungen o<strong>der</strong> aber als Leitungen<br />
für Fußbodenheizungen zum<br />
Einsatz. „Es wird vermehrt auf Kunststoffrohre<br />
gesetzt, weil sie beständiger<br />
sind. Wir wollen sie noch robuster<br />
machen. Dann bräuchte man weniger<br />
Material und das Rohr hält den gleichen<br />
Druck aus“, fasst Witt zus<strong>am</strong>men.<br />
Um Wanddicke und Hohlräume<br />
geht es auch beim GIT-Blow-Projekt<br />
im nächsten großen Forschungsgebiet<br />
des KTP, dem Spritzgießen. Dabei<br />
werden aus Kunststoffgranulat direkt<br />
verwendbare Kunststoffteile herstellt.<br />
Dafür wird die Formmasse in einer<br />
Spritzeinheit aufbereitet und im Anschluss<br />
in ein Werkzeug gespritzt, das<br />
eine Negativform des jeweiligen<br />
Kunststoffteils darstellt. Das GIT-<br />
Blow-Verfahren, das von Dipl.-Ing.<br />
Martin Schäfers betreut wird, stellt eine<br />
Spezialform des Spritzgießens dar.<br />
„Beim GIT-Verfahren werden Kunststoffteile<br />
mit einem Hohlraum hergestellt,<br />
während es bei dem Blow-Verfahren<br />
um das Aufblasen und Ausdeh-<br />
Pa<strong>der</strong>borner Universitätszeitschrift 2/2008
Kunststofftechnologie<br />
Vermischen Holz und Kunststoff: Cathrin Funke hält ein gefertigtes Modell aus dem Forschungsprojekt<br />
in <strong>der</strong> Hand, das die Hinterspritzung eines Holzfurniers mit Kunststoff in nur einem Arbeitsschritt<br />
ermöglichen soll. Prof. Dr.-Ing. Volker Schöppner (l.) und Prof. Dr.-Ing. Helmut Potente leiten<br />
das Institut für <strong>Kunststofftechnik</strong>. Sie stehen vor einer Spritzgussmaschine, die <strong>der</strong>zeit im Verarbeitungslabor<br />
des KTP genutzt wird.<br />
nen dieser Räume geht. So werden<br />
Plastikflaschen hergestellt. Wir versuchen<br />
beide Arbeitsschritte in einem zu<br />
erledigen“, erklärt Schäfers. Das Verfahren<br />
ist auf dem Markt bislang einzigartig.<br />
Ein weiteres Ziel ist die Einsparung<br />
von Arbeitsschritten. „Eine<br />
Zus<strong>am</strong>menlegung <strong>der</strong> Produktionsschritte<br />
und eine Minimierung <strong>der</strong><br />
Wanddicke bringt Einsparungen in Sachen<br />
Material, Energie, Zeit und somit<br />
bei den Kosten“, weiß Schäfers um<br />
die Wichtigkeit <strong>der</strong> auf drei Jahre angelegten<br />
Forschung. Eingesetzt werden<br />
sollen die Kunststoffteile als Wasserzufuhrleitungen<br />
zu Haushaltsgeräten<br />
wie Spül- und Waschmaschinen<br />
sowie als Kabelführung in <strong>der</strong> Automobilindustrie.<br />
Zum Spritzgießprozess gehört<br />
auch ein seit Mai 2007 laufendes Forschungsprojekt<br />
zur Verbindung von<br />
Holz und Kunststoff, welches das KTP<br />
zus<strong>am</strong>men mit den Firmen „Werzalit“,<br />
„Reholz“ und „Hummel Formenbau“<br />
durchführt. „Wir entwickeln eine<br />
Technologie, die Holzfurniere ohne<br />
Vorverformung in nur einem Arbeitsschritt<br />
im Spritzgießprozess in 3D verformt<br />
und mit Kunststoff hinterspritzt“,<br />
erklärt Dipl.-Ing. Cathrin Funke,<br />
die das Projekt als wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin betreut. Nach heuti-<br />
Pa<strong>der</strong>borner Universitätszeitschrift 2/2008<br />
gem Stand wird noch ein dünnes Furnierholz<br />
verwendet, das dreidimensional<br />
vorgeformt, und in einem weiteren<br />
Arbeitsschritt auf ein Trägermaterial<br />
aufgebracht werden muss. Erst<br />
dann kann es als optisch schöne Innenausstattung<br />
eines Autos montiert<br />
werden. Zum Hinterspritzen <strong>der</strong> Furniere<br />
nutzt das KTP die so genannten<br />
WPC’s: die „Wood Plastic Composites“.<br />
Dabei handelt es sich um einen<br />
Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoff.<br />
Hand in Hand mit dem Spritzgießen<br />
geht <strong>der</strong> Forschungsbereich<br />
Fügen. Dieser ist deshalb so wichtig,<br />
da nicht alle benötigten Kunststoffteile<br />
in einem Schritt gespritzt werden<br />
können und erst maschinell zus<strong>am</strong>mengesetzt<br />
werden müssen. Derart<br />
zum Beispiel bei Autoscheinwerfern.<br />
Das KTP forscht hier nach einer Minimierung<br />
<strong>der</strong> Arbeitsschritte und testet<br />
gleichzeitig die Festigkeit und Stabilität<br />
<strong>der</strong> zus<strong>am</strong>mengefügten <strong>Stoff</strong>e.<br />
<strong>Welt</strong>weit<br />
genutzte Softwareprogr<strong>am</strong>me<br />
Verbunden mit den Forschungsschwerpunkten<br />
werden <strong>am</strong> Institut für<br />
<strong>Kunststofftechnik</strong> zudem von Firmen<br />
weltweit eingesetzte Softwareprogr<strong>am</strong>me<br />
hergestellt. Beispielhaft seien<br />
hier die Simulationsprogr<strong>am</strong>me<br />
Berichte<br />
REX 10 (Rechnergestützte Extru<strong>der</strong>auslegung)<br />
und PSI 8 (Pa<strong>der</strong>borner<br />
Spritzgieß-Simulationsprogr<strong>am</strong>m) genannt.<br />
Beide st<strong>am</strong>men von Prof. Dr.-<br />
Ing. Helmut Potente, seit 2007 ist<br />
Prof. Dr.-Ing. Volker Schöppner für die<br />
Weiterentwicklung <strong>der</strong> Simulationsprogr<strong>am</strong>me<br />
zuständig. „Das Proben<br />
an realen Maschinen ist zeitaufwändig<br />
und kostenintensiv. Daher ist die<br />
rechnergestützte Simulation für die<br />
Industrie von größter Bedeutung“, erklärte<br />
Dipl.-Ing. Robert Weddige.<br />
Als Bindeglied zwischen dem KTP<br />
und <strong>der</strong> Industrie fungiert seit 1993<br />
<strong>der</strong> „Verein zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kunststofftechnologie“.<br />
Darüber hinaus ist<br />
das Institut für <strong>Kunststofftechnik</strong> Mitbegrün<strong>der</strong><br />
des Netzwerkes „Kunststoffe<br />
in OWL“ (www.kunststoffe-inowl.de),<br />
das seit 2005 existiert und<br />
mittlerweile über 70 regionale Unternehmen<br />
<strong>der</strong> kunststoffverarbeitenden<br />
Industrie umfasst. Es dient beson<strong>der</strong>s<br />
dem Erfahrungs- und Informationsaustausch<br />
sowie dem Technologietransfer.<br />
Die intensive Kooperation<br />
mit <strong>der</strong> Industrie hat für das KTP einen<br />
weiteren Nutzen, denn die Studierenden<br />
bekommen die Möglichkeit für ihre<br />
Studien-, Diplom- o<strong>der</strong> Promotionsschriften<br />
direkt mit den Unternehmen<br />
sowie den jeweiligen Maschinen zu<br />
arbeiten, und dadurch frühzeitig mit<br />
einem potenziellen Arbeitgeber in<br />
Kontakt zu treten.<br />
Grundlage für all diese Projekte ist<br />
eine qualitativ hochwertige Lehre. Die<br />
Fachrichtung <strong>Kunststofftechnik</strong> kann<br />
in den Studienfächern Maschinenbau,<br />
Wirtschaftsingenieurwesen, Ingenieurinformatik,<br />
Technomathematik,<br />
Lehr<strong>am</strong>t für berufsbildende Schulen<br />
und Berufsbildungsingenieur Maschinenbau<br />
belegt werden.<br />
Autor:<br />
Mark Heinemann<br />
Kontakt:<br />
Oberingenieur Dipl.-Ing. Sebastian<br />
Kleineheismann,<br />
Institut für <strong>Kunststofftechnik</strong>,<br />
Tel.: 05251/60 3052,<br />
E-Mail: kleineh@ktp.upb.de,<br />
www.ktpweb.de<br />
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