Unaufhaltsam tickt die Erdöluhr - Enrev.de
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<strong>Unaufhaltsam</strong> <strong>tickt</strong> <strong>die</strong> <strong>Erdöluhr</strong><br />
Benzin, Kerosin, Diesel - unsere mo<strong>de</strong>rne, globalisierte Welt wäre ohne fossile Treibstoffe<br />
nicht <strong>de</strong>nkbar. Doch das "schwarze Gold" droht knapp zu wer<strong>de</strong>n. Was geschieht, wenn wir<br />
<strong>die</strong> Spitze <strong>de</strong>s "Erdölberges" erreichen – <strong>de</strong>n Peak Oil?<br />
Von: WEB.DE Redaktionsmitglied Manuel Medicus<br />
Die Entmachtung von Libyens Ex-Diktator Gaddafi ist noch nicht ganz abgeschlossen, da<br />
stehen ausländische Staatschefs, Diplomaten und Wirtschaftsvertreter bereits Schlange, um<br />
sich mit <strong>de</strong>r neuen Übergangsregierung auf guten Fuß zu stellen. Der Grund: Libyen verfügt<br />
über enorme Erdöl- und Erdgasvorkommen - und auf <strong>die</strong> haben es viele Interessenten<br />
abgesehen.<br />
Für Volker Blandow ist Libyen kein Einzelfall. Der Diplom-Ingenieur ist Leiter <strong>de</strong>r Abteilung<br />
für Elektromobiliät beim TÜV Süd engagiert sich in <strong>de</strong>r Aspo ("Association for the Study of<br />
Peak Oil and Gas"), einem Netzwerk von Wissenschaftlern, <strong>die</strong> sich mit <strong>de</strong>n Grenzen <strong>de</strong>r<br />
globalen Erdölför<strong>de</strong>rung beschäftigen. Die Aspo beobachtet in <strong>de</strong>n letzten Jahren einen<br />
immer aggressiveren Wettlauf um Ressourcen, allen voran um Erdöl. Zu <strong>die</strong>sen<br />
Anstrengungen zählen etwa das Engagement Chinas im Sudan o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Militäreinsatz <strong>de</strong>r<br />
USA im Irak. "Für <strong>die</strong> Szene ist es klar, dass es im Irakkrieg nur um Öl ging", erklärt<br />
Blandow im Gespräch mit <strong>die</strong>sem Portal. Das Land verfüge über <strong>die</strong> zweitgrößten Ölreserven<br />
<strong>de</strong>r Welt nach Saudi-Arabien – darauf keinen Zugriff zu haben, das wolle man nicht riskieren.
Promotion<br />
© picture alliance<br />
Infografik: Internationale Konzerne in Libyen<br />
Der Grund für <strong>de</strong>n internationalen Konkurrenzkampf ist klar: Je<strong>de</strong>s Land versucht, <strong>die</strong> eigene<br />
Ölversorgung möglichst langfristig und günstig zu sichern. Denn Erdöl ist einer <strong>de</strong>r<br />
wichtigsten Rohstoffe für unsere mo<strong>de</strong>rne Zivilisation, und es wird weltweit immer knapper.<br />
Erdöl – Treibstoff <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Zivilisation<br />
Wenn man an Einsatzzwecke von Erdöl <strong>de</strong>nkt, so geht <strong>de</strong>r erste Gedanke meist an Benzin. In<br />
<strong>de</strong>r Tat ist das "schwarze Gold" als Treibstoff für Automobile, Schiffe und Flugzeuge <strong>die</strong><br />
Grundlage für unsere globalisierte Welt, in <strong>de</strong>r große Warenmengen von einem Ort zum<br />
an<strong>de</strong>ren gebracht wer<strong>de</strong>n müssen. Steigen <strong>die</strong> Transportkosten, steigen auch <strong>die</strong> Preise aller<br />
transportierten Güter.<br />
Damit nicht genug, sind weite Teile <strong>de</strong>r industriellen Produktion von <strong>de</strong>r Verfügbarkeit von<br />
Erdöl abhängig. Allen voran <strong>die</strong> Chemieindustrie mit Produkten wie Kunststoffe, Farben o<strong>de</strong>r<br />
Düngemittel. Eine Verknappung und eine Verteuerung <strong>de</strong>s Rohstoffs Öl könnte daher<br />
weitreichen<strong>de</strong> Konsequenzen haben. Da <strong>die</strong> weltweiten Vorkommen begrenzt sind, ist es nur<br />
eine Frage <strong>de</strong>r Zeit, bis trotz steigen<strong>de</strong>r Nachfrage, nicht mehr eine größere Menge Öl<br />
geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n kann. Dieser Zeitpunkt wird als Peak Oil o<strong>de</strong>r globales Ölför<strong>de</strong>rmaximum<br />
bezeichnet.<br />
Peak Oil o<strong>de</strong>r <strong>die</strong> Spitze <strong>de</strong>s "Ölberges"<br />
Einen <strong>de</strong>rartigen För<strong>de</strong>rhöhepunkt besitzt je<strong>de</strong> einzelne Ölquelle. Dargestellt auf einer Kurve,<br />
<strong>die</strong> mit <strong>de</strong>r Erschließung <strong>de</strong>s Ölfel<strong>de</strong>s beginnt, markiert er das Erreichen <strong>de</strong>r höchsten<br />
För<strong>de</strong>rrate. Nach <strong>die</strong>sem Punkt fällt <strong>die</strong> För<strong>de</strong>rmenge unwie<strong>de</strong>rbringlich ab. "Egal wie viele<br />
Löcher ich noch in <strong>die</strong>ses Ölfeld hineinbohre o<strong>de</strong>r wie viel Druck ich hineinpresse – ich<br />
komme nie wie<strong>de</strong>r zu <strong>die</strong>sem oberen Punkt", erläutert Aspo-Sprecher Blandow. Ad<strong>die</strong>rt man
<strong>die</strong> För<strong>de</strong>rkurven einzelner Quellen zusammen, lässt sich Peak Oil für ganze Regionen und<br />
für <strong>die</strong> gesamte Welt berechnen.<br />
Nun be<strong>de</strong>utet ein globales För<strong>de</strong>rmaximum noch lange nicht, dass das Erdöl weltweit vor <strong>de</strong>m<br />
Versiegen ist. Jedoch markiert schon eine stagnieren<strong>de</strong> Ölför<strong>de</strong>rmenge bei gleichzeitig<br />
steigen<strong>de</strong>m Bedarf mittelfristig das En<strong>de</strong> von billigem Öl. Das allein wür<strong>de</strong> ausreichen, um<br />
weitreichen<strong>de</strong> Konsequenzen nach sich zu ziehen.<br />
alliance<br />
Düstere Aussichten<br />
Infografik: Der Ölpreis seit 1970 © picture<br />
Stellen Sie sich zur Veranschaulichung folgen<strong>de</strong>s Szenario vor: Auf <strong>de</strong>m Weltmarkt schnellen<br />
<strong>die</strong> Ölpreise aufgrund gestiegener Nachfrage und sinken<strong>de</strong>m Angebot in <strong>die</strong> Höhe. Das<br />
Autofahren wird zum Luxus, das Fliegen wird für Reisen<strong>de</strong> empfindlich teuer. Gestiegene<br />
Kosten für Düngemittel und Transport lassen weltweit <strong>die</strong> Nahrungsmittelpreise in <strong>die</strong> Höhe<br />
klettern. Mit <strong>de</strong>r Zeit gerät das globale Wirtschaftssystem ins Wanken. Es drohen neue<br />
internationale Spannungsfel<strong>de</strong>r und eine weltweite Rezession mit Auswirkungen wie<br />
verbreiteter Arbeitslosigkeit und schweren sozialen Unruhen.<br />
Was sich liest wie <strong>de</strong>r Stoff für einen postapokalyptischen Science-Fiction-Film, könnte<br />
irgendwann eine reale Bedrohung wer<strong>de</strong>n. Davon geht auch das Dezernat für Zukunftsanalyse<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>swehr aus. Es skizziert <strong>die</strong> im obigen Beispiel durchgespielte Kettenreaktion in<br />
einer Stu<strong>die</strong> unter <strong>de</strong>m Titel "Peak Oil – Sicherheitspolitische Implikationen knapper<br />
Ressourcen". Darin rechnen <strong>die</strong> Experten mit sicherheitspolitischen Auswirkungen durch<br />
Peak Oil mit einer Verzögerung von 15 bis 30 Jahren. Doch wann tritt das globale<br />
Ölför<strong>de</strong>rmaximum ein?<br />
Wann tritt Peak Oil ein?<br />
Die Stu<strong>die</strong> <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>swehr hält ein Erreichen <strong>de</strong>s Peak Oil schon um das Jahr 2010 für<br />
wahrscheinlich. Die ASPO dagegen geht davon aus, dass das För<strong>de</strong>rmaximum für<br />
konventionelles Öl bereits im Jahr 2006 erreicht wur<strong>de</strong>. Auch <strong>die</strong> Internationale<br />
Energieagentur (IEA) räumte in ihrer Prognose für <strong>die</strong> Welt-Energieversorgung im<br />
vergangenen Jahr ein, dass das Rohöl-För<strong>de</strong>rniveau von 2006 später nicht mehr erreicht<br />
wur<strong>de</strong>.
Infografik: Erwartete Ölför<strong>de</strong>rung im<br />
World Energy Outlook 2010 <strong>de</strong>r Internationalen Energieagentur (Dunkelblau: Produktion<br />
aktueller Erdölfel<strong>de</strong>r; Graublau: Noch zu erschließen<strong>de</strong> Erdölfel<strong>de</strong>r; Türkisblau: Noch zu<br />
fin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Erdölfel<strong>de</strong>r; Rosa: Flüssiggas; Gelb: Unkonventionelles Öl.) © IEA World Energy<br />
Outlook 2010<br />
Schenkt man dagegen <strong>de</strong>n Prognosen <strong>de</strong>r Organisation erdölexportieren<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r (Opec)<br />
Glauben, so müssen wir uns um das Ölför<strong>de</strong>rmaximum noch wenig Sorgen machen. Die Opec<br />
prognostiziere Peak Oil erst für das Jahr 2030 o<strong>de</strong>r später. Doch <strong>die</strong>sen Aussagen schenkt <strong>die</strong><br />
Aspo wenig Glauben. "Wür<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Ölfirmen eine Verknappung zugeben, dann wür<strong>de</strong> sich <strong>die</strong><br />
Gesellschaft nach Alternativen umsehen", gibt Blandow zu Be<strong>de</strong>nken. Die Unternehmen täten<br />
also gut daran, <strong>die</strong> Gesellschaft in Sicherheit zu wiegen, wenn sie weiterhin ihr Geschäft<br />
machen wollten.<br />
Ein Tropfen auf <strong>de</strong>n heißen Stein<br />
Den Hoffnungen <strong>de</strong>r Ölindustrie, genügend neue Quellen zu fin<strong>de</strong>n und effizientere<br />
För<strong>de</strong>rmaßnahmen entwickeln zu können, nimmt Blandow <strong>de</strong>n Wind aus <strong>de</strong>n Segeln. Zuletzt<br />
hatte Norwegen etwa <strong>de</strong>n Sensationsfund eines Ölfel<strong>de</strong>s mit bis zu 1,2 Milliar<strong>de</strong>n Barrel Öl<br />
vermel<strong>de</strong>t. "In <strong>de</strong>r Gesamtkurve ist das nur ein kleiner Zappler." Bezogen auf das<br />
Gesamtför<strong>de</strong>rvolumen mache sich ein <strong>de</strong>rartiger Fund kaum bemerkbar. Wenn man sich <strong>de</strong>n<br />
aktuellen Ölbedarf <strong>de</strong>r Welt vor Augen führt, wird <strong>die</strong>s <strong>de</strong>utlich: Etwa 88 Millionen Barrel Öl<br />
wer<strong>de</strong>n laut IEA-Schätzungen im Jahr 2011 pro Tag verbraucht. Ein Sensationsfund wie in<br />
Norwegen wür<strong>de</strong> also <strong>de</strong>n weltweiten Bedarf für nicht einmal 14 Tage <strong>de</strong>cken. Letztendlich<br />
könnte selbst <strong>die</strong> Ent<strong>de</strong>ckung gigantischer Ölfel<strong>de</strong>r Peak Oil nur hinauszögern, jedoch nicht<br />
verhin<strong>de</strong>rn.<br />
Volker Blandow ist Global Head e-mobility beim TÜV Süd und<br />
Pressesprecher <strong>de</strong>r ASPO Deutschland. © TÜV SÜD AG
Auch ein an<strong>de</strong>res, gerne aufgeführtes Rettungsszenario, <strong>die</strong> Gewinnung von Öl aus<br />
Teersan<strong>de</strong>n, verwirft <strong>de</strong>r Aspo-Sprecher. Das Verfahren sei energieaufwendig, teuer und vor<br />
allem umweltschädlich. "Rechnet man <strong>die</strong> beim Auskochen <strong>de</strong>r Ölsan<strong>de</strong> entstehen<strong>de</strong>n Abgase<br />
mit ein, so lägen <strong>die</strong> CO2-Emission im Fahrzeugbereich um 30 Prozent bis 40 Prozent höher,<br />
als wenn man Benzin aus konventionellem Öl gewinnen wür<strong>de</strong>", meint Blandow und erinnert<br />
daran, wie viel Aufwand <strong>de</strong>rzeit in <strong>de</strong>r Automobilbranche betrieben wür<strong>de</strong>, um auch nur fünf<br />
bis zehn Prozent <strong>de</strong>r Emissionen einzusparen. "Sollte man <strong>die</strong>sen Anteil signifikant erhöhen,<br />
wäre das für das Klima eine Katastrophe."<br />
Die Krise als Chance<br />
Trotz <strong>de</strong>r düster wirken<strong>de</strong>n Aussichten ist Blandow jedoch optimistisch, was einen Ausweg<br />
aus <strong>de</strong>r vermeintlichen Katastrophe angeht. "Noch haben wir alle Handlungsoptionen und vor<br />
allem auch alle finanziellen Möglichkeiten, um Verän<strong>de</strong>rungen einzuleiten", gibt er sich<br />
zuversichtlich.<br />
Denn in <strong>de</strong>r Herausfor<strong>de</strong>rung durch <strong>die</strong> Energiewen<strong>de</strong> sieht <strong>de</strong>r Experte auch eine Chance.<br />
Gegenmaßnahmen zur Ölknappheit wie eine verstärkte Konzentration auf regionale und<br />
lokale Wirtschaftskreisläufe o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Umstieg auf erneuerbare Energien und Treibstoffe,<br />
könnten am En<strong>de</strong> nicht nur <strong>die</strong> Lebensqualität bewahren, son<strong>de</strong>rn sie vielleicht sogar noch<br />
steigern.<br />
weiter lesen: http://web.<strong>de</strong>/magazine/wissen/klima/13719738-unaufhaltsam-<strong>tickt</strong>-<strong>die</strong>erdoeluhr.html#.A1000145