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© 2005 Carl Hanser Verlag, München www.qm-infocenter.de/QZ-Archiv Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern<br />
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<strong>REPORT</strong><br />
Optische Sensoren, die auf Roboter montiert<br />
sind, prüfen im Karosseriebau nach<br />
jedem Hauptabschnitt die Funktionsmaße<br />
© Carl Hanser Verlag, München QZ Jahrgang 50 (2005) 11
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AUTOMOBILBAUER KONZIPIERT GESAMTLÖSUNG FÜR MESSRAUM<br />
Ein Haus zu bauen und einzurichten bereitet Arbeit und<br />
macht mit einem guten Konzept und der richtigen Beratung<br />
auch viel Spaß. Lutz Reinecke, Leiter Qualitätsmanagement,<br />
und seine Mitarbeiterin Sonja Wolf, Leiterin Messtechnik<br />
beim Automobilbauer BMW, Werk Leipzig, mussten<br />
2003 nur ein „Zimmer“ einrichten: den Messraum im neu entstehenden<br />
Werk.<br />
Auf die Baustelle laden sie Jürgen Rauchalles ein, Projektleiter<br />
bei der Wenzel GmbH in Wiesthal: „Eines Tages stand<br />
ich vor zwei Baugruben, die eine 35 Meter, die andere 24 Meter<br />
lang.“ Bei der Besichtigung wird ihm klar, dass es bei diesem<br />
Auftrag um mehr geht:„Normalerweise liefern wir nur die<br />
Messmaschinen mit einer Umrandung für die Anbindung zum<br />
Hallenboden. Hier war jedoch ein Gesamtkonzept gefragt.“<br />
Aufgeräumt<br />
Der neue Messraum im BMW-Werk Leipzig setzt auf kurze<br />
Kommunikationswege und standardisierte Komponenten.<br />
Dafür sind während der Bauphase von der statischen Berechnung<br />
des Raumes bis zur farblichen Gestaltung der Koordinatenmessmaschinen<br />
verschiedene Aufgaben zu lösen.<br />
Dieser Herausforderung stellt sich das Wiesthaler Unternehmen<br />
Wenzel.<br />
Im Messraum werden stichprobenartig die Ergebnisse der In-Line-Messtechnik kontrolliert<br />
QZ Jahrgang 50 (2005) 11<br />
Andrea Nowak, QZ-Redaktion<br />
Für den Messmaschinenhersteller Wenzel eine ganz neue Herausforderung.<br />
Von der Projektierung bis zur Abnahme vergehen 18 Monate<br />
Bauzeit. Heute stehen in dem lichtdurchfluteten, klimatisierten<br />
Messraum sieben Doppelständer-Koordinatenmessmaschinen<br />
RAFDplus mit einer Messgenauigkeit (Längenmessabweichung<br />
MPEEM) von 0,1 Millimeter bezogen auf eine dreidimensionale<br />
Messlänge von 6000 Millimetern, mit denen Gesamtfahrzeuge,<br />
Karosserien oder Teile davon vermessen werden.<br />
Konzept setzt auf effektives Arbeiten<br />
<strong>REPORT</strong><br />
Für eine Fahrzeugkarosserie werden just-in-time mehrere hundert<br />
Blechteile angeliefert. Rund 500 Roboter verbinden dann<br />
mit mehr als 5000 Schweißpunkten<br />
die Teile zu einem<br />
Grundgerüst. Zuerst entsteht<br />
aus dem Vorder- und<br />
Hinterbau sowie dem Bodenblech<br />
die Bodengruppe,<br />
die mit dem Seitenrahmen<br />
und dem Dach zum<br />
Karosseriegerippe ergänzt<br />
wird. Türen, Front- und<br />
Heckklappe sowie Seitenwände<br />
komplettieren die<br />
Karosserie.<br />
Nach jedem Hauptabschnitt<br />
folgt eine 100-Prozent-Kontrolle<br />
mit In-Line-Messtechnik.„Optische<br />
Sensoren, die auf Robotern<br />
montiert sind, prüfen an jeweils<br />
20 bis 60 Messpunkten<br />
die Funktionsmaße“,<br />
erklärt Sonja Wolf. Einmal<br />
in der Woche schleuse man<br />
Karosserieteile für <br />
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Die Doppelständerbauweise der Koordinatenmessmaschinen gewährleistet<br />
einen größeren Y-Messbereich<br />
Stichproben aus und bringe sie in den Messraum. Dort erfolge<br />
zunächst ein Abgleich mit den Ergebnissen der In-Line-Messtechnik.<br />
„Dazu messen die Techniker an dem ausgeschleusten<br />
Teil die gleichen Punkte wie in der Linie. Zusätzlich tasten sie<br />
noch wesentlich mehr Messpunkte an, das können bis zu 2000<br />
Stück sein.“<br />
Die Ist-Daten werden mit den Soll-Koordinaten aus dem<br />
Messplan verglichen, so will der Automobilbauer einen durchgängigen<br />
Datenfluss sichern. Alle Messdaten bilden einen Pool,<br />
Karosserie intern ein Zulieferteil<br />
Das BMW-Werk Leipzig ist Bestandteil des Produktionsnetzwerkes<br />
der BMW Group München mit insgesamt 22 Produktionsstätten in<br />
zwölf Ländern. Hier gruppieren sich Karosseriebau, Lackiererei<br />
und Montage unter einem Dach sternförmig um ein Zentralgebäude<br />
und sollen so Wachstumsmöglichkeiten nach mehreren Seiten<br />
eröffnen. Die flexiblen Strukturen und modernen Anlagen wurden<br />
mit einem Anfangsaufwand von rund 1,3 Milliarden Euro installiert,<br />
mittelfristig entstehen auf dem Gelände nach BMW-Angaben<br />
über 5000 Arbeitsplätze.<br />
Am 1. März ging der BMW 3er in Serie, mittelfristig sollen in Leipzig<br />
täglich 650 Fahrzeuge produziert werden.<br />
Seit der Einführung des so genannten Kundenorientierten Vertriebs-<br />
und Produktionsprozesses (KOVP) ist die lackierte Karosserie<br />
logistisch ein internes Zulieferteil. Dafür wurden die unterschiedlichen<br />
Varianten im Karosseriebau reduziert. Gab es bei<br />
den Vorgänger-Generationen der 3er-Reihe noch acht verschiedene<br />
Karosserievarianten, sind es beim aktuellen Modell nur vier.<br />
Die lackierten Karosserien werden in einem Zwischenspeicher gelagert<br />
und in den Montageprozess eingesteuert, sobald ein Auftrag<br />
vorliegt. Mit der Fahrgestellnummer wird das Fahrzeug dem<br />
Kundenauftrag zugeordnet. Durch die in die Montage verlagerte Individualisierung<br />
können die Kunden noch sechs Arbeitstage vor<br />
Montagebeginn ihre Bestellung ändern.<br />
der zeigt, ob sich etwas verändert hat, und der bei eventuell auftretenden<br />
Fehlern herangezogen wird.<br />
Bei diesen Messungen ist Schnelligkeit gefragt. „Die Verfahrgeschwindigkeit<br />
der Maschine beträgt daher 865 Millimeter<br />
pro Sekunde“, weiß Jürgen Rauchalles. Zusätzlich zu den<br />
Renishaw-Tastsystemen PHS/TP 20 und PH 10 M /TP 20 entschied<br />
sich der Automobilbauer für das optische Tastsystem<br />
Phoenix von Wenzel.<br />
Die Beta-Version wird seit diesem Jahr in Leipzig getestet und<br />
soll Anfang 2006 die Serienreife erreichen. Dazu Lutz Reinecke:„Der<br />
Sensor ist spezialisiert auf Serienmessungen, dem größten<br />
Teil unserer Kapazität.“ Durch das schnelle Verfahren und<br />
das gleichzeitige Erfassen mehrerer Merkmale passe er gut zur<br />
Messraumgesamtlösung, die auf effektives Arbeiten und Standardisierung<br />
setze.„Jedes Tastsystem lässt sich an jeder Maschine<br />
einsetzen.“ So können die Kapazitäten der Koordinatenmessmaschinen<br />
flexibel genutzt und die Messtechniker überall<br />
arbeiten.<br />
Daten werden kabellos übertragen<br />
Die Koordinatenmessmaschinen stehen in Doppelständerbauweise<br />
im Messraum, was einen größeren Y-Messbereich gewährleisten<br />
soll. „Die bodeneben ausgerichteten Führungsbalken<br />
sind in der X-Achse begeh- und befahrbar abgedeckt und<br />
zueinander exakt ausgerichtet“, erklärt Jürgen Rauchalles. Die<br />
beiden Y-Messbereiche reichen jeweils 100 Millimeter über die<br />
Plattenmitte hinaus, dadurch seien beide Maschinenständer an<br />
einem gemeinsamen Normal kalibrierbar. Auch könnten die<br />
Messergebnisse beider Ständer miteinander verrechnet werden.<br />
„Die Maschinen lassen sich jedoch auch unabhängig voneinander<br />
einsetzen.“<br />
Die Bedienung erfolgt mit dem Handterminal HT400 RC von<br />
Wenzel. „Per Joystick steuern die Messtechniker die X-, Y- und<br />
Z-Bewegungen sowie die CNC-Fahrgeschwindigkeit und bedienen<br />
die Mess-Software auf dem PC. Eine Funkantenne sendet<br />
die Daten auf einem standardisierten, industrietauglichen<br />
Frequenzhopping-System“, beschreibt Jürgen Rauchalles die Wireless-LAN-Technik.<br />
Die kabellose Übertragung gehört ebenso zum Messraumkonzept<br />
wie das Versenken sämtlicher Rechnerschränke im Boden.<br />
Das wirkt sich vorteilhaft auf die Arbeitssicherheit, die<br />
Platzverhältnisse und den Gesamteindruck des Raumes aus. Er<br />
wirkt aufgeräumt.<br />
Zur angenehmen Atmosphäre trägt auch die farbliche Gestaltung<br />
bei.„Alle vertikalen Maschinenteile sind violett, alle horizontalen<br />
silber lackiert“, erklärt Jürgen Rauchalles die Vorgaben<br />
der Architektin. „Dazu wurde in Wiesthal extra eine Referenzmaschine<br />
lackiert und abgenommen.“<br />
Diese und noch andere Aufgaben hatte das Wenzel-Team zu<br />
lösen, bevor die ersten Messmaschinen aufgestellt werden konnten.<br />
„So war beispielsweise die Statik des Raumes zu berechnen,<br />
es mussten aktiv gedämpfte Betonblöcke gegossen und Estricharbeiten<br />
ausgeführt werden“,erinnert sich Jürgen Rauchalles.Von<br />
all diesen Anstrengungen merken die Messtechniker nichts,wenn<br />
sie heute auf dem hochwertigen Eicheparkettboden laufen.<br />
Für sie zählen vielmehr schnelle und genaue Messergebnisse,<br />
auch bei der Analysemessung. „Das Messen gegen CAD ist unsere<br />
zweite große Aufgabe“, berichtet Sonja Wolf. Dabei gehe es<br />
um Details: Schließt die Heckleuchte korrekt mit dem Blechteil<br />
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In zweiter Generation<br />
Werner Wenzel gründet 1968 in Wiesthal<br />
das Familienunternehmen Wenzel, in dem<br />
heute bereits die zweite Generation tätig<br />
ist. Die weltweit 330 Beschäftigten fertigen<br />
Koordinatenmessmaschinen (KMM)<br />
mit Luft- und Rollenlagerung, Seit 1982<br />
wurden über 4500 Maschinen verkauft.<br />
Zum Leistungsprogramm gehören zudem<br />
Software, Sensorik und Dienstleistungen.<br />
Jährlich erwirtschaftet die Wenzel-Gruppe<br />
einen Umsatz von 58 Millionen Euro und<br />
nimmt damit nach eigenen Angaben den<br />
zweiten Platz unter den KMM-Herstellern<br />
in Deutschland ein. 2002 wurde Wenzel<br />
unter die TOP-100-Unternehmen des innovativen<br />
Mittelstandes gewählt.<br />
ab, sitzt die Dichtung an der Tür richtig?<br />
Bei solchen Fragen werden mit den 3D-<br />
Koordinatenmessmaschinen beliebige<br />
Messpunkte angetastet und mit Hilfe der<br />
Wenzel-Mess-Software Metrosoft CM<br />
mit den CAD-Flächendaten aus der Konstruktion<br />
verglichen.<br />
Zusammenarbeit entlang<br />
der Prozesskette<br />
Zwei weitere Doppelständer-Maschinen<br />
im Messraum nutzen Messtechniker aus<br />
den Bereichen Produkt- und Prozessanalyse,<br />
Montage und Absicherung Gesamtfahrzeug.<br />
Sie prüfen die von der Produktentwicklung<br />
vorgegebenen Fertigungstoleranzen<br />
sowie verschiedene Geometrien<br />
und Positionen. Treten Fragen zur Karosserie<br />
auf, können sich die Kollegen rasch<br />
absprechen. „Die direkte Zusammenarbeit über die Prozesskette<br />
hinweg soll doppelte Messungen vermeiden“,erklärt Lutz Reinecke<br />
das Gesamtkonzept eines effektiven Messraums.<br />
Auch die Wechselplatten sollen Zeit sparen. Das Umrüsten<br />
dauert mitunter länger als das Messen, im Werk Leipzig findet<br />
es daher außerhalb der Maschine statt.„Während eine Messung<br />
läuft, bereitet der Techniker die nächste vor“, erklärt der Leiter<br />
Qualitätsmanagement das verlustarme Arbeiten.<br />
Die Karosserieteile werden unter anderem mit dem flexiblen<br />
Aufspannsystem EasyLock von Wenzel fixiert. Dazu liest der<br />
Techniker zunächst die CAD-Daten des Teils ein. Die Software<br />
erstellt eine virtuelle Messaufnahme und einen Bauplan mit den<br />
einzelnen Arbeitsschritten. Danach wird die Messaufnahme<br />
außerhalb der Maschine aufgebaut und mit einer Genauigkeit<br />
unter einem Millimeter eingestellt. Das Einmessen und die Feinjustage<br />
erfolgen mit Hilfe eines berührungslosen Spezialsensors<br />
in einem Arbeitsschritt auf der Messmaschine.<br />
Eine Bibliothek der einzelnen Aufspannteile ermöglicht eine<br />
QZ Jahrgang 50 (2005) 11<br />
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Die Messtechniker steuern die Koordinatenmessmaschine mit einem Handterminal, das die<br />
Daten kabellos in den PC überträgt<br />
einfache Verwaltung und Lagerhaltung. So beginnt die Aufgeräumtheit<br />
schon im Rechner. <br />
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