Versorgungsengpass? Ein Fall für die Case-Managerin - Institut für ...
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<strong>Versorgungsengpass</strong>? <strong>Ein</strong> <strong>Fall</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Case</strong>-<strong>Managerin</strong> http://www.aerztezeitung.de/extras/druckansicht/?sid=811834&pid=819875<br />
Ärzte Zeitung, 27.04.2012 07:02<br />
<strong>Versorgungsengpass</strong>? <strong>Ein</strong> <strong>Fall</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Case</strong>-<strong>Managerin</strong><br />
Lässt sich <strong>die</strong> Versorgung mehrfach chronisch Kranker mit den vorhandenen<br />
Strukturen verbessern? <strong>Ein</strong> <strong>Case</strong>-Management-Beispiel aus der Hausarztpraxis<br />
zeigt: Es geht.<br />
Von Rebekka Höhl<br />
Es ist der praxisfreie Donnerstagmittag. Oft<br />
genau der Zeitpunkt, zu dem Ayse Korkmaz<br />
Zeit hat, ihre mehrfach chronisch kranken<br />
Patienten, <strong>die</strong> sie als <strong>Case</strong>-<strong>Managerin</strong> betreut,<br />
anzurufen - <strong>für</strong>s regelmäßige Monitoring und<br />
um zu hören, wie es ihnen allgemein geht.<br />
Doch dass <strong>Case</strong>-Management <strong>für</strong> Korkmaz<br />
mehr als ein Anruf bedeutet, zeigt sich schon<br />
allein an der Begeisterung, mit der sie über<br />
das Projekt PraCMan berichtet.<br />
PraCMan, das ist eine Stu<strong>die</strong>, über <strong>die</strong><br />
Wissenschaftler der Universität Heidelberg<br />
belegen wollen, dass ein Hausarzt-basiertes<br />
<strong>Case</strong>-Management <strong>die</strong> Versorgung von<br />
mehrfach chronisch kranken Patienten<br />
<strong>Case</strong>-<strong>Managerin</strong> und MFA zugleich: Ayse Korkmaz<br />
erheblich verbessern kann. 115 Praxen mit bespricht mit Hausarzt Marc Lux <strong>die</strong><br />
132 Teams sind in <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong> eingeschlossen. Monitoringergebnisse.<br />
© R. Höhl<br />
Bisher gab es solche Forschungsansätze nur<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Beobachtung einzelner Erkrankungen. Das Spannende an dem Projekt, das von der<br />
AOK Baden-Württemberg und vom AOK-Bundesverband gefördert wird, ist aber gerade,<br />
dass nicht irgendein Callcenter das <strong>Case</strong>-Management übernimmt, dessen Mitarbeiter <strong>die</strong><br />
Patienten nie zu Gesicht bekommen haben, sondern dass <strong>die</strong> Betreuung in der<br />
Hausarztpraxis verbleibt.<br />
Genau das ist einer der Gründe, warum sich Hausarzt Marc Lux aus dem badenwürttembergischen<br />
Heiningen entschieden hat, bei der Stu<strong>die</strong> mitzumachen.<br />
Denn er wollte sehen, wie sich mit den vorhandenen Ressourcen und Strukturen - bei ihm<br />
heißt das ein Arzt, zwei Medizinische Fachangestellte (MFA) und eine Auszubildende - <strong>die</strong><br />
Versorgung der Patienten verbessern lässt.<br />
Und er wusste, dass er mit Ayse Korkmaz eine motivierte MFA in seinem Team hat, <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Aufgabe der <strong>Case</strong>-<strong>Managerin</strong> wie geschaffen war. Zumal Korkmaz bereits als<br />
Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (VERAH) weitergebildet ist. Lux: "Ich finde es<br />
schön, dass sich Frau Korkmaz da jetzt einbringen kann."<br />
Herzstück ist <strong>die</strong> Zielvereinbarung<br />
Und das tut sie mit ganzem Elan. 20 PraCMan-Patienten betreut sie nun schon seit gut<br />
einem Jahr. "Am Anfang gab es eine Untersuchung - es wurden bei den Diabetikern etwa<br />
<strong>die</strong> Blutwerte bestimmt. Dann folgte ein Assessment", berichtet sie.<br />
Dazu gehörte auch ein Demenztest, aber ebenso umfangreiche Fragen an den Patienten.<br />
Und das Herzstück des <strong>Case</strong>-Managements: <strong>die</strong> Zielvereinbarung mit dem Patienten.<br />
Dabei setzt nicht nur <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>, sondern auch Korkmaz auf eine gemeinschaftliche<br />
Zielvereinbarung. "Wir haben einen Patienten gehabt, der hat ganz stark geraucht - er hat<br />
es nun geschafft, aufzuhören", sagt sie nicht ohne Stolz.<br />
Wie sie den Patienten dazu bekommen hat? "Man sagt nicht, Du musst jetzt aufhören. Ich<br />
habe ihn einfach nur gefragt: Wie viele Zigaretten täglich können Sie sich vorstellen bis<br />
zum nächsten Monitoring wegzulassen?"<br />
Da fast alle ihre Patienten einen Diabetes und eine KHK-Erkrankung haben, sei das Ziel<br />
aber auch vielfach, <strong>die</strong> Blutzucker- und Blutdruckwerte zu verbessern.<br />
Korkmaz: "Ich gebe dann auch Tipps, wie man <strong>die</strong> Werte durch mehr Bewegung und <strong>die</strong><br />
Ernährung verbessern kann und gebe Hinweise auf Bewegungsprogramme der<br />
Krankenkasse."<br />
Die MFA unterstützt <strong>die</strong> Patienten aber auch bei sozialen Fragen und Anträgen <strong>für</strong> einen<br />
Behindertenausweis, Pflegestufen, Hilfsmittel oder Fahr<strong>die</strong>nste. Und das gehört durchaus in<br />
den Aufgabenbereich der PraCMan <strong>Case</strong>-<strong>Managerin</strong>.<br />
"Muss ein Patient regelmäßig zum Facharzt und hat er niemanden, der ihn fährt, müsste er<br />
<strong>die</strong> Taxifahrten aus eigener Tasche bezahlen", so Korkmaz. Hier unterstützt sie <strong>die</strong><br />
Patienten dabei, eine Erstattung der Krankenfahrten von der Kasse zu erhalten.<br />
Korkmaz macht aber auch Hausbesuche, um zu sehen, wie das häusliche Umfeld ihrer<br />
Patienten aussieht und wo Hilfsmittel benötigt werden. Vor allem, wenn ihr auffällt, dass ein<br />
Patient ständig stürzt. "Dann schaue ich nach Stolperfallen. Liegen etwa alle Teppiche<br />
richtig?"<br />
Die 15 Minuten je Anruf sind gut investiert<br />
Damit es schneller geht, hat sich das Praxisteam nun auch alle wichtigen Formulare auf<br />
Vorrat besorgt. "Dann müssen <strong>die</strong> Patienten nicht erst ins Rathaus, <strong>die</strong> Anträge holen und<br />
sie alleine zuhause ausfüllen." Das sei gerade <strong>für</strong> ältere Patienten, <strong>die</strong> keine fitten<br />
1 von 2 27.04.2012 08:39
<strong>Versorgungsengpass</strong>? <strong>Ein</strong> <strong>Fall</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Case</strong>-<strong>Managerin</strong> http://www.aerztezeitung.de/extras/druckansicht/?sid=811834&pid=819875<br />
Angehörigen hätten wichtig.<br />
Doch nicht nur über <strong>die</strong>sen Zusatzservice, auch über <strong>die</strong> Monitoring-Anrufe, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Praxis<br />
Lux auf ein sechswöchiges Intervall festgelegt hat, freuen sich <strong>die</strong> Patienten. "Wir machen<br />
ja <strong>die</strong> Telefonmonitorings nicht 'schnell, schnell <strong>die</strong> Fragen abarbeiten und fertig‘", sagt<br />
Korkmaz.<br />
Zwar gehe sie zunächst mit ihren Patienten <strong>die</strong> Fragen aus dem Monitoringbogen durch,<br />
aber sie frage auch allgemein, wie es dem Patienten gehe. Und viele Patienten würden auch<br />
einfach noch ein bisschen erzählen.<br />
Die Zeit <strong>für</strong> ein kleines Schwätzchen nimmt sich Korkmaz nicht nur deshalb gerne, weil es<br />
<strong>die</strong> Bindung zu den Patienten intensiviert, sondern auch, weil <strong>die</strong> Patienten ihr so manches<br />
erzählen, was sie in der Praxis nicht erwähnen - und schon gar nicht gegenüber dem Arzt.<br />
Das bestätigt auch Marc Lux: "Im Gespräch mit Frau Korkmaz werden oft ganz andere<br />
Dinge erzählt als bei mir am Schreibtisch." Trotzdem dauert ein Monitoringgespräch nur<br />
zehn bis 15 Minuten.<br />
Neben der Tatsache, dass Lux durch <strong>die</strong> <strong>Case</strong>-<strong>Managerin</strong> ein weiteres Bindeglied zur Praxis<br />
geschaffen hat, muss er auch - danach gefragt - tatsächlich zugeben, dass <strong>die</strong> PraCMan-<br />
Patienten im Kontakt mit ihm weniger Zeit erfordern als vorher. Denn gerade bei den<br />
schwierigeren Patienten hat er viele Infos schon vorab und muss nun weniger im<br />
Patientengespräch nachhaken.<br />
Insgesamt habe sich bei seinen 20 Prac-Man-Patienten auch <strong>die</strong> Compliance verbessert.<br />
In einem Rutsch durchgesprochen<br />
Die Nachbesprechung der Telefon-Monitorings machen Korkmaz und Lux - wenn es in den<br />
Praxisalltag passt - gleich im Anschluss. Die MFA bündelt dann <strong>die</strong> Daten von vier, fünf<br />
Patienten, <strong>die</strong> in einem Rutsch durchgesprochen werden.<br />
Bei schwerwiegenden Veränderungen oder im Notfall wird der Arzt sofort informiert. Neben<br />
einer noch weiter gewachsenen Wertschätzung bringt Ayse Korkmaz das <strong>Case</strong>-Management<br />
nämlich noch etwas, so Lux: "Sie ist in ihrer medizinischen Wahrnehmung geschärft."<br />
Ändern an dem <strong>Case</strong>-Management würde Korkmaz nichts - außer dem bürokratischen<br />
Aufwand. "Aber es ist ja nun einmal eine Stu<strong>die</strong>." Vier bis sechs Blätter muss sie pro Patient<br />
und Monitoring ausfüllen. Dass man das Projekt nach der Stu<strong>die</strong> weiterführt, können sich<br />
beide gut vorstellen.<br />
"Profitieren würden vor allem Chroniker, <strong>die</strong> am Anfang ihrer Erkrankung stehen", sagt Lux.<br />
Und natürlich könnte <strong>die</strong> Praxis bei im Schnitt 1300 Scheinen im Quartal das<br />
<strong>Case</strong>-Management dann trotzdem nur <strong>für</strong> eine gewisse Anzahl von Patienten anbieten,<br />
wegen des höheren Aufwands.<br />
Was Lux aber nun eventuell auf all seine Patienten ausweiten will: Das Patienten-Tagebuch.<br />
Denn auch darin sind sich Lux und Korkmaz einig, es bringt erhebliche Vorteile, dass <strong>die</strong><br />
Patienten das Tagebuch, in das alle Befunde und ein Medikamentenplan kommen, mit zu<br />
allen Ärzten nehmen. So ist jeder behandelnde Arzt sofort informiert. Die Fachärzte würden<br />
da auch gut mitmachen, berichtet Korkmaz.<br />
"Man verliert <strong>die</strong> Patienten nicht aus den Augen"<br />
Hilfreich sei aber vor allem der Notfallplan. Dort finden <strong>die</strong> Patienten nicht nur <strong>die</strong><br />
Notfallnummern, sondern eben auch Hinweise zur Notfallmedikation. Korkmaz: "Der Patient<br />
sieht sofort <strong>für</strong> sich, aha, wenn mein Gewicht über 75 Kilo ist, dann muss ich von <strong>die</strong>ser<br />
Tablette noch eine Halbe nehmen."<br />
Das <strong>Case</strong>-Management hat aber noch einen entscheidenden Vorteil: "Man verliert <strong>die</strong><br />
Patienten nicht aus den Augen", sagt Korkmaz. "Es gibt Patienten, <strong>die</strong> durchaus denken,<br />
vielleicht falle ich gar nicht auf, wenn ich <strong>die</strong>ses Quartal nicht zum Blutabnehmen komme."<br />
Das Monitoring gibt ihnen dazu keine Chance. Es zeigt ihnen aber in der heutigen Zeit, "in<br />
der ja alles gekürzt wird", auch - da ist sich Korkmaz sicher -, "<strong>die</strong> Praxis kümmert sich um<br />
mich."<br />
Fachtagung Multimorbidität<br />
Chronisch kranke Patienten: Herausforderung <strong>für</strong> Praxen<br />
Neue Modelle zur Versorgung von Patienten mit mehreren chronischen Erkrankungen haben<br />
Wissenschaftler, Ärzte und Vertreter von Krankenkassen am 25. April auf einer "Fachtagung<br />
Multimorbidität" im AOK-Bundesverband diskutiert. Hier wurde auch das Projekt "PraCMan" vorgestellt,<br />
das vom Universitätsklinikum Heidelberg in Kooperation mit der AOK Baden-Württemberg und dem<br />
AOK-Bundesverband umgesetzt wird. Auf der Tagung wurde außerdem über internationale Erfahrungen<br />
mit der Versorgung chronisch kranker Patienten berichtet. Die Vorträge der Referenten und eine<br />
Langfassung des Interviews mit Dr. Tobias Freund sind im Gesundheitspartner-Portal der AOK abrufbar:<br />
www.aok-gesundheitspartner.de<br />
Lesen Sie dazu auch:<br />
"Das Praxisteam als Ganzes erfährt eine Veränderung"<br />
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