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Text - Eisenstraße

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Dieses Dokument entstammt aus der „Schatzsuche <strong>Eisenstraße</strong>“ auf www.eisenstrasse.info.<br />

Sämtliche Rechte liegen beim Autor.<br />

Chronik<br />

eines<br />

Lebensmittelgeschäftes<br />

Christine Dörr<br />

Krautberggasse 4<br />

3340 Waidhofen/Ybbs<br />

Juni 2005


Dieses Dokument entstammt aus der „Schatzsuche <strong>Eisenstraße</strong>“ auf www.eisenstrasse.info.<br />

Sämtliche Rechte liegen beim Autor.<br />

Chronik eines Lebensmittelgeschäftes<br />

Einleitung ................................................................................................................ 4<br />

Die Geschichte des Hauses.................................................................................... 4<br />

Soziales Umfeld .................................................................................................... 11<br />

Betriebswirtschaftliche Einflussfaktoren am Beispiel der<br />

Lebensmittelbewirtschaftung................................................................................. 13<br />

Warenangebot ...................................................................................................... 17<br />

Sauerkraut ............................................................................................................ 17<br />

Samenhandel........................................................................................................ 17<br />

Warenlieferung...................................................................................................... 20<br />

Literatur................................................................................................................. 21<br />

Anhang<br />

Warenauswertung<br />

Ergänzende Literatur<br />

2


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Sämtliche Rechte liegen beim Autor.<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

1 Fotographie des Hauses……………………………………………………. 4<br />

2 Grundbuchauszug der Stadt Waidhofen/Ybbs…………………………… 4<br />

3 Lehrbrief Michael Ecker……………………………………………………... 6<br />

4 Totenbilder……………………………………………………………………. 7<br />

5 Lehrvertrag Barbara Desch…………………………………………………. 8<br />

6 Fotographie Marie Escher und Barbara Desch, ca. 1932……………….. 9<br />

7 Fotographie Barbara Desch, 1975…………………………………………. 9<br />

8 Bescheinigung der Beschäftigung als Verkäuferin bei Maria Escher<br />

ausgestellt für Barbara Desch – Magistrat Waidhofen/Ybbs…………….<br />

9 Gewerbeschein Barbara Desch……………………………………………. 11<br />

10 Lebensmittelkarten 1949……………………………………………………. 14<br />

11 Speisekarten „Zum goldenen Stern“ 1949………………………………… 15<br />

12 Rechnung Fa. Haubensak………………………………………………….. 17<br />

13 Schriftverkehr Fa. Haubensak 1939 bzw. 1955………………………….. 18<br />

Danksagung<br />

Ich danke für die Unterstützung bei meiner Arbeit insbesondere<br />

• Fr. Leutgeb-Kaltenbrunner<br />

• Fr. Dörfler, Gerstl-Öd<br />

• Fam. Nagelhofer, Waidhofen/Ybbs<br />

• Fam. Escher, Waidhofen/Ybbs<br />

• Fr. Dr. Hopf, Fr. Mag. Zankl; Stadtarchiv Waidhofen/Ybbs<br />

• Hr. Pöchhacker, Magistrat der Stadt Waidhofen/Ybbs<br />

• Fr. Wuchse, Waidhofen/Ybbs<br />

und meiner Familie, sowie allen die mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben.<br />

10<br />

3


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Sämtliche Rechte liegen beim Autor.<br />

Einleitung<br />

Im Juni 2004 übernahm ich im Museum einen Karton, gefüllt mit völlig verklebten Lie-<br />

ferscheinen und Rechnungsbüchern, zur Auswertung.<br />

Der Karton stammte vom Dachboden des Hauses Ybbsitzerstr. 1. Frau Leutgeb-<br />

Kaltenbrunner hatte ihn dem Museum übereignet. Die darin enthaltenen Schriftstü-<br />

cke waren - wie bereits erwähnt - durch Regen, Hitze, Kälte und Schmutz stark in<br />

Mitleidenschaft gezogen. Sie gaben Auskunft über ein früher in diesem Gebäude<br />

existierendes Lebensmittelgeschäft.<br />

Diese Arbeit beleuchtet den Zeitraum der Betriebsausübung als Lebensmittelge-<br />

schäft von 1920 bis 1975 unter der Besitzerin Marie Escher (1920-1952) und ihrer<br />

Nachfolgerin Barbara Desch (1952-1975). Zur Analyse des Warenbestandes werden<br />

Lieferscheine der Jahre 1948 und 1958 herangezogen, da diese augenscheinlich<br />

vollständig vorhanden sind.<br />

Die Geschichte des Hauses<br />

Der Grund, auf dem das Haus Ybbsitzerstr. 1 steht, war früher ein Überlandgarten<br />

und wurde später mit einem Haus überbaut.<br />

Dieses Haus erhielt 1857 einen Zubau, der über den steil abfallenden Konglomerat-<br />

felsen bis „Unter der Leithen“ reichte. Im Straßenverzeichnis wird es sowohl als Haus<br />

Nr. 2 „Unter der Leithen“ als auch als Haus „Ybbsitzerstraße“ Nr. 71 geführt 1 , später<br />

Ybbsitzerstr. 1.<br />

Das Geschäft bestand aus dem Verkaufsraum und einem Lagerraum zu ebener Erde<br />

sowie diversen Kellerräumen über zwei Etagen, hauptsächlich in Richtung „Unter der<br />

Leithen“. Die Kellerräume dienten u.a. der Kühlung von empfindlichen Waren und als<br />

Herstellungs- und Aufbewahrungsort von Sauerkraut.<br />

1 Hauschronik F. Richter Waidhofen/Ybbs<br />

4


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Abb. 1: Fotographie des Hauses ca. 1880<br />

Abb. 2: Grundbuchauszug der Stadt Waidhofen/Ybbs<br />

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Nach einer Fotografie des Heimatmuseums Waidhofen/Ybbs, den vorhandenen<br />

Grundbucheinträgen und nach mündlichen Angaben, war vermutlich der erste Besit-<br />

zer, der sich mit Lebensmitteln, d.h. mit Fleisch beschäftigte, Stefan Rieser, vulgo<br />

Rieß (geb. 1812 - 25.04.1883). Er betrieb eine Selcherei 2 . Stefan Rieser vererbte das<br />

Haus und damit das Geschäft an Anna Ecker (geb. 1844 - 27.03.1917) 3 , der Ver-<br />

wandtschaftsgrad kann nicht eindeutig festgestellt werden 4 .<br />

Weitere Grundbucheinträge:<br />

• 20.02.1882: Michael (geb. 1844 – 14.09.1919) und Anna Ecker je zur Hälfte.<br />

• 07.08.1917: Michael Ecker übernahm nach dem Tod seiner Frau deren<br />

Hälfte.<br />

Michael Ecker war aus Windhag gebürtig und absolvierte bei Engelbert Gutjahr in<br />

Waidhofen/Ybbs seine Lehrzeit. Der Freispruch als Fleischhauer und Selcher erfolg-<br />

te am 18.10.1875 5 . Michael Ecker starb am 14.09.1919.<br />

Das Geschäft wurde am 26.08.1920 an Marie Escher (Nov. 1867 - 16.11.1952) 6 ver-<br />

erbt. Marie Escher war aus Waidhofen gebürtig und stammte aus einer kinderreichen<br />

Familie. (Sie war das fünfte oder sechste Kind). Ihre Taufpatin war Thecla Ecker, de-<br />

ren exakte Verwandtschaft zu Michael Ecker nicht feststellbar ist 7 . Marie Escher fir-<br />

mierte unter dem Namen des Vorbesitzers „M. Ecker“, dies führte dazu, dass sie ü-<br />

berall „Ecker Marie“ genannt wurde. Ab dieser Zeit wurde das Geschäft von Fr. E-<br />

scher als Lebensmittelgeschäft geführt 8 . Sie führte das Geschäft bis zu ihrem Tod<br />

am 16.11.1952.<br />

Das Haus und somit auch die Lebensmittelhandlung vererbte sie an Barbara Desch<br />

(geb. 05.03.1900 in Konradsheim - 16.02.1987). Das Geschäft befand sich ab dem<br />

15.04.1953 im Besitz von Fr. Desch, die im Alter von 32 Jahren (01.06.1932 -<br />

31.05.1935) 9 eine Lehre bei Fr. Escher absolvierte und das Geschäft bis zum<br />

31.12.1975 10 führte.<br />

2<br />

3<br />

Grundbucheintrag 09.10.1879, Totenbild, Auskunft Fr. Leutgeb-Kaltenbrunner<br />

Totenbild<br />

4<br />

5<br />

Vermutlich Tochter: Totenbildvermerk S. Rieß - „geliebter Vater“<br />

Lehrbrief, Bestätigung Bürgermeister Carl Frieß<br />

6<br />

7<br />

Totenbild. Im Grundbuch wird sie mit dem Vornamen Marie geführt; ebenso auf dem Firmenschild.<br />

Taufmatrikel Stadtpfarre Waidhofen/Ybbs, Auskunft Fam. H. Escher<br />

8<br />

Gemäß Victualienordnung von 1846<br />

9<br />

10<br />

Lehrbrief<br />

Bote von der Ybbs, 09.01.1976 – s. Anhang „Ergänzende Literatur“<br />

6


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Abb. 3: Lehrbrief Michael Ecker<br />

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Abb. 4: Totenbilder<br />

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Abb. 5: Lehrvertrag Barbara Desch<br />

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Abb. 6: Fotographie Marie Escher und Barbara Desch, ca. 1932<br />

Abb. 7: Fotographie Barbara Desch, 1975<br />

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Abb. 8: Bescheinigung der Beschäftigung als Verkäuferin bei Maria Escher ausgefüllt für Barbara<br />

Desch - Magistrat Waidhofen/Ybbs<br />

Der Gewerbeschein berechtigt zur Ausübung des gebundenen Gewerbes bzw. des<br />

unbeschränkten Gemischtwarenhandels. Darunter wird der „Kleinhandel mit Lebens-<br />

und Genussmitteln, Wasch-, Haushalts- und Toiletteartikel, Kurzwaren und Sämerei-<br />

en“ verstanden.<br />

Soziales Umfeld<br />

Die Einwohnerzahl der Stadt Waidhofen/Ybbs ist für den Beginn des Vergleichszeit-<br />

raumes (1948) nicht mehr feststellbar. 1951 sind 4.923 Einwohner gemeldet. (Stadt-<br />

archiv Waidhofen/Ybbs.)Lt. Auskunft Statistik Austria hat die Gemeinde Waidhofen/<br />

Ybbs 1948 11.622 Einwohner,1958 11.894 Einwohner. Die Bevölkerungsanzahl ist<br />

also lt. Statistik Austria im Vergleichstraum relativ stabil geblieben (plus 2,3 Prozent).<br />

Das Lebensmittelgeschäft befand sich, wie bereits erwähnt, in der Vorstadt Leithen.<br />

Dieser Stadtteil wurde von Menschen aller Gesellschaftsschichten bewohnt.<br />

In unmittelbarer Nachbarschaft befanden sich zudem eine Fleischhauerei, eine Ta-<br />

baktrafik sowie ein Bettengeschäft.<br />

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Abb. 9: Gewerbeschein Barbara Desch<br />

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Betriebswirtschaftliche Einflussfaktoren<br />

am Beispiel der Lebensmittelbewirtschaftung<br />

In dem Zeitraum, in dem das Geschäft bestand (1920-1975), gab es immer Zeiten in<br />

denen u.a. Lebensmittel bewirtschaftet wurden.<br />

Lebensmittelmarken wurden dabei nicht nur zum Einkauf von Lebensmitteln benötigt,<br />

sondern mussten auch bei Inanspruchnahme eines Versorgungsbetriebes, wie z.B.<br />

Kantine oder Gasthaus abgegeben werden (s. Abb. 11).<br />

Die erste Zeitspanne umfasste den ersten Weltkrieg und die darauf folgende Nach-<br />

kriegszeit:<br />

Die ersten Lebensmittelkarten wurden am 7. April 1915 für Brot und Mehl ausgege-<br />

ben. (Wegfall der k. u. k. Kornkammern Galizien und Bukowina). Auch nach Beendi-<br />

gung des ersten Weltkrieges konnte eine adäquate Versorgung der Bevölkerung<br />

nicht gewährleistet werden, so dass es in den Wintern 1918/19 und 1919/20 zu Hun-<br />

gersnöten und –demonstrationen kam. Aufgrund der allgemeinen Arbeitslosigkeit<br />

und der schlechten Ernährungslage kam es auch in Waidhofen/Ybbs unter der Amts-<br />

zeit von Bürgermeister Dr. Georg Riegelhofer (1913-1918) zu Demonstrationen und<br />

Unruhen (Hopf 2005). Die Attacke eines Arbeiters aus einem der Hungerdistrikte be-<br />

wegte ihn 1918 zur Niederlegung seines Amtes (ebenda).<br />

Erst ab November 1922 endete die Lebensmittelbewirtschaftung in Österreich.<br />

Die zweite Zeitspanne umfasste die Zeit der Besetzung Österreichs bzw. ab dem<br />

Zeitpunkt der Bewirtschaftung (31. August 1939) bis zum Ende des zweiten Welt-<br />

krieges:<br />

Die detaillierte Versorgung der Bevölkerung für den zweiten Weltkrieg begann dem-<br />

nach bereits einen Monat vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges (Polenfeldzug).<br />

„Die von den Kartenstellen ausgegebenen 6-12 Karten pro Person (inkl. Rau-<br />

cher, Seifen-, Kleiderkarten und individuelle Bezugsberechtigungen) galten für<br />

eine Versorgungsperiode von 3-4 Wochen. Gegen Kriegsende lauteten die<br />

Abschnitte der Karte nicht mehr auf bestimmte Waren, sondern enthielten nur<br />

Nummern, die zur Einlösung aufgerufen wurden, da die auf den Karten ange-<br />

gebenen Lebensmittel nicht mehr oder nur in verminderten Umfang ausgege-<br />

ben werden konnten“ (Rigele, Wien Lexikon).<br />

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In Waidhofen/Ybbs erfolgte die Lebensmittelkartenausgabe je nach Wohnsitz (Stra-<br />

ße) teils im Rathaus, teils in Gasthöfen (Bote von der Ybbs, 23.05.1941). Nachge-<br />

wiesenermaßen übernahm ab Mai 1941 die Ausgabe für die Ybbsitzer-, Reidmül-<br />

lerstraße, Unter der Leithen, Kreuzgasse, Preußlergasse, Ederstraße, Jaxgasse,<br />

Hötzendorfstraße, Pestalozzigasse, Am Fuchsbichl, der Gasthof Viktor Ebner, Ybb-<br />

sitzerstraße (ebenda). Ab 4. Dezember 1941 übernahm die Ausgabe die Wirtschafts-<br />

stelle im Rathaus (ebenda). Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges brach die wirt-<br />

schaftliche Versorgung auch in Waidhofen/Ybbs zusammen. Im Juni 1945 berichtete<br />

Wirtschaftsamt-Leiter GR Josef Richter im Ybbstaler Wochenblatt von den derzeit<br />

noch vorhandenen Lebensmittelbeständen und deren voraussichtlichen Auslangen<br />

(Ybbstaler Wochenblatt, 29. Juni 1945 – s. „Ergänzende Literatur“).<br />

Die dritte Zeitpanne umfasste die Zeit nach dem Ende des zweiten Weltkrieges bis<br />

1953 (II. Nachkriegszeit):<br />

Da die Versorgung der Bevölkerung nach dem II. Weltkrieg durch die eigene Land-<br />

wirtschaft bzw. Wirtschaft nicht gedeckt werden konnte, übernahmen anfangs die<br />

Besatzungsmächte (UdSSR, Großbritannien, USA, Frankreich) die Versorgung in<br />

ihren Zonen. Später unterstützten Hilfsprogramme wie „United Nations Relief and<br />

Rehabilitation Administration“ (Abk. UNRRA, ab März 1946) die Lebensmittelversor-<br />

gung 11 und das European Recovery Program (Abk. ERP, allg. Marshall-Plan ge-<br />

nannt, ab 1948) die Wirtschaftshilfe 12 (Bischof, 2005; Serfözö, 2003; dtv, Bd. 5, 172).<br />

Die Aufhebung des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzes erfolgte am 31.08.1950.<br />

Damit endete auch der Schwarzmarkt.<br />

„Die Aufhebung des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzes erfolgte zwar am<br />

31.08.1950, doch waren dennoch bis 1.11.1952 Zucker, preisgestützte Spei-<br />

sefette, Margarine, Kunstspeisefett u. Speiseöl sowie ausländ. Schmalz noch<br />

markenpflichtig. Kinder-, Mütter- u. Selbstversorgerkarten wurden mit E. 1952<br />

aufgelassen. Die Versorgungsperiode wurde auf einen Monat ausgedehnt, u.<br />

für 1953 wurden abschl. noch 4 Dreimonatskarten aufgelegt“ (Rigele, Wien-<br />

Lexikon).<br />

11 Österreich erhielt von 08.02.1946 bis 30.06.1947 Lebensmittel, Kleider, Fahrzeuge, Saatgut und Düngemittel<br />

im Wert von 137 Millionen Dollar, die vorwiegend von den USA zur Verfügung gestellt wurden (aeiou<br />

- Österreich Lexikon).<br />

12 Österreich erhielt bis 1955 beinahe eine Milliarde Dollar an ERP-Leistungen. (Eder 2003, 3; Bischof<br />

2005).<br />

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Während der Bewirtschaftung mit Lebensmittelkarten kam es auch immer wieder zu<br />

Engpässen. Zwischen Juli 1951 und Juli 1952 mussten zwei fleischlose Tage pro<br />

Woche eingeführt werden (Eder 2003, 5).<br />

Die vierte Zeitspanne umfasste die Zeit ab 1953 bis 1994:<br />

Wie bereits erwähnt, endete 1950 das Lebensmittelwirtschaftgesetz und damit auch<br />

der Schwarzmarkt. Die Lebensmittelversorgung funktionierte seither nach marktwirt-<br />

schaftlichen Kriterien, freilich bis 1994 unter Beibehaltung von Elementen der Markt-<br />

lenkung, wie z.B. der Subventionierung der Landwirtschaft.<br />

Abb. 10: Lebensmittelkarten 1949<br />

15


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Abb. 11: Speisekarten „Zum goldenen Stern“ 1949 mit Angabe der abzugebenden Lebensmittelmarken<br />

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Warenangebot<br />

Aus den Lieferscheinen, die zur Verfügung stehen 13 , kann das Warenangebot nach-<br />

vollzogen werden. Die ältesten Unterlagen, datiert aus den Jahren 1945, 1946 und<br />

1947, sind nicht vollständig erhalten. Vollzählig erhalten sind die Lieferscheine ab<br />

1948.<br />

Hieraus ergibt sich, dass das Geschäft 1948 durchschnittlich 170 verschiedene Pro-<br />

dukte, 1958 durchschnittlich 350 Produkte führte.<br />

Als Anlage ist ein Vergleich dieser Jahre hinsichtlich der Lieferanten, der Produkte,<br />

der bestellten Mengen, Preise, Artikel, Lieferentfernung beigefügt.<br />

Für den Vergleich wurden die im Geschäft geführten Produkte in 15 verschiedene<br />

Artikelgruppen (Grundnahrung, Genussmittel, Süßwaren, Gewürze, etc.) zusam-<br />

mengefasst.<br />

Sauerkraut<br />

Für die Qualität ihres Sauerkrautes war Fr. Desch in der ganzen Stadt bekannt (Palla<br />

1989, 61). Sie hatte das Rezept und die Herstellung von Fr. Escher übernommen.<br />

Die Frauen schnitten jährlich - je nach Wirtschaftlage und Absatz – 400 kg bis 1000<br />

kg Kraut ein. Der Lieferant war über viele Jahre, auch für so große Mengen, die Fam.<br />

Reitbauer aus Wallmersdorf 14 .<br />

Samenhandel<br />

Der Samenverkauf war ein wichtiges Standbein des Geschäftes. So beliefen sich<br />

die Umsätze im Jahr 1949 auf 2.935.-S und im Jahr 1958 auf 16.818.-S.<br />

Ihre Samen bezogen Frau Escher und Frau Desch über Jahre (ältester vorliegender<br />

Katalog von 1942) von der Wiener Fachsamenhandlung Erwin Haubensak 15 . Der<br />

13<br />

Fund auf dem Dachboden durch Fr. Leutgeb-Kaltenbrunner und Übergabe an das Heimatmuseum<br />

Waidhofen/Ybbs<br />

14<br />

Lieferschein, Handzettel<br />

15<br />

Adresse: Wien II 27, Reichsbrückenstr. 36 (bzw. Lassallesstr. 36). Wie sich aus dem Schriftverkehr<br />

ergibt, firmiert die Fa. Haubensak bereits am 14.01.1939 als deutsch-arisches Geschäft.<br />

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Inhaber besaß eigene Samenzuchtanstalten in Niederösterreich, Oberösterreich und<br />

der Steiermark und war auf Erwerbsgärtner spezialisiert.<br />

Die Bestellungen beinhalten lt. Schriftverkehr bzw. Lieferscheine Futterrüben-, Ra-<br />

sen-, Blumen- und Gemüsesamen sowie Zwiebelpflanzen.<br />

Die Zustellung erfolgte über ein Transportunternehmen (Spedition Iteka) oder die<br />

Bahn. Die Verpackung (Emballage) wurde zum Selbstkostenpreis verrechnet und<br />

nicht zurückgenommen. Bezahlt wurde mittels Erlagschein.<br />

Abb. 12: Rechnung Fa. Haubensak<br />

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Abb. 13: Schriftverkehr Fa. Haubensak 1939 bzw. 1955<br />

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Warenlieferung<br />

Die Warenlieferungen - soweit sie nicht aus der Stadt stammten (z.B. Bäcker) - er-<br />

folgten durch die Post, Bahnfracht oder Zustellung mit dem Auto.<br />

Die Bezahlung erfolgte bar bei Lieferung, per Monatsabrechnung oder mittels Erlag-<br />

schein. In dem Zeitraum, in dem das Geschäft als Lebensmittelgeschäft geführt wur-<br />

de (1920-1975), erfolgte die Bezahlung in vier Währungen:<br />

• Erste Republik (1918-1938):<br />

o 1920: Kronen / Heller. (Ein Bankumtausch war bis 31. Mai 1937 möglich).<br />

o 1925: Schilling / Groschen<br />

• Drittes Reich (NS-Zeit) (1938-1945):<br />

o 1938: Reichsmark / Pfennig. (Eine Reichsmark entsprach 1,5 Schilling) 16 .<br />

• Zweite Republik (ab 1945):<br />

o 1945: Schilling / Groschen. (Eine Reichsmark entsprach 1,0 Schilling).<br />

Die Verpackungen wurden zum Teil mehrfach verwendet und mit Pfand belegt (Vor-<br />

kriegs-, Kriegs- und Nachkriegsjahre). So wurden z.B. im Jahre 1951 für einen Kar-<br />

ton 1 Schilling und für ein fünf Liter Glas (für den Verkauf z.B. für Russen) 6,50 Schil-<br />

ling Pfand verlangt.<br />

Da die Ware meist im Geschäft erst portioniert wurde (Schüttgut), kann angenom-<br />

men werden, dass als Verpackung selbst gemachte Stanizel (Papierspitztüten), Pa-<br />

piersäcke 17 oder Materialien des Käufers herangezogen wurden.<br />

16<br />

Warenkorb 1939, s. Anhang<br />

17<br />

Es existiert ein Beleg aus dem Jahre 1951 (30.01.) über eine Lieferung von 1000 Stück Papiersäcke<br />

à 3 kg im Wert von 73,50 Schilling. Lieferant Fa. Ecker & Sager, Linz; Papiersäcke-Fabrik,<br />

Papiergroßhandel, Papier- und Kartonagenfabrik.<br />

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Literatur<br />

Aeiou – Österreich Lexikon: www.aeiou.at (Stand: Juli 2004), u.a.: Lebensmittelver-<br />

sorgung, UNRRA.<br />

Bischof, Günter (2005): Der Marshallplan in Österreich. Die Presse, 19.03.05.<br />

Eder, Franz X. (2003): Privater Konsum und Haushaltseinkommen im 20. Jahrhun-<br />

dert. UT: Überleben und Hoffen auf ein besseres Leben (1945 – 1953/54).<br />

www.univie.ac.at/Wirtschaftsgeschichte/VGS/qs121p.html (Stand: Juli 2004).<br />

[Quelle: Eder, Franz X. et al. (2003): Querschnitte 12: Wien im 20. Jahrhundert.<br />

Wirtschaft, Bevölkerung, Konsum. Innsbruck, Wien, München, Bozen, StudienVer-<br />

lag].<br />

Hopf, Elisabeth (2005): Die Obleute und Kustoden des Waidhofner Musealvereins.<br />

In: 100 Jahre Musealverein Waidhofen/Ybbs, Eigenverlag.<br />

Kleindel, Walter (2004): Österreich. Zahlen, Daten, Fakten. 5. Aufl. Wien, A & M<br />

Palla, Rudolf (1989): Die Mitte der Welt. UT: Bilder und Geschichten von Menschen<br />

auf dem Land. Kapitel: Die Gemischtwarenhändlerin. Wien, Brandstätter Verlag.<br />

Rigele, Brigitte in Wien Lexikon (o.J.): Lebensmittelkarten (2. Weltkrieg u. Nach-<br />

kriegszeit).<br />

Serfözö, Kurt (2003): Das Wiener Marktamt historisch: Die Versorgung nach dem<br />

Krieg. www.magwien.gv.at/ma59/ (Stand: Juli 2004).<br />

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