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2011-1

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Andacht<br />

3<br />

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden,<br />

sondern überwinde das Böse mit Gutem.“<br />

Röm 12,21<br />

„Lass dich nicht vom Bösen über‐<br />

winden“, so beginnt die Jahreslosung<br />

<strong>2011</strong> aus dem Brief des Paulus an<br />

die Römer. „Würde ich ja gerne“,<br />

könnten wir denken, „aber wie soll<br />

das möglich sein, hat uns doch auch<br />

das letzte Jahr wieder vor Augen<br />

geführt, dass das Böse überall ist.<br />

‚Krieg‘ lautet seit diesem Jahr die<br />

offizielle Bezeichnung für das, was<br />

unsere Soldaten in Afghanistan täg‐<br />

lich erleben.<br />

‚Terror‘ heißt der diffuse, schwer<br />

greifbare Feind, der nicht erst dieses<br />

Jahr auch unser sicher geglaubtes<br />

Land erreicht hat.<br />

‚Fremdenhass‘ tönt die salonfähig<br />

gewordene Stammtischparole, weil<br />

wir dieses Jahr plötzlich festgestellt<br />

haben, dass unsere Nachbarn aus<br />

einem anderen Land immer noch<br />

eine andere Kultur haben.<br />

‚Rettungsschirm‘ nennt sich das<br />

Steuergeld des kleinen Mannes, das<br />

für den Größenwahn weniger Mäch‐<br />

tiger büßen muss.<br />

‚Umweltkatastrophe‘ läuten die<br />

Alarmglocken der Inseln, die im<br />

Schmelzwasser der Gletscher ver‐<br />

sinken und vom Sturm weggeweht<br />

werden.<br />

Und zu all dem immer wieder die<br />

Gewalt vor unserer eigenen Haustür,<br />

auf dem Schulweg unserer Kinder,<br />

von Kollegen an unserem Arbeits‐<br />

platz, in der eigenen Familie.<br />

Das Böse ist überall und seine Viel‐<br />

falt ist erschreckend.<br />

Stellt man sich all diese Einbrüche<br />

des Bösen in unser Leben und in<br />

unseren Alltag allein im vergange‐<br />

nen Jahr vor Augen, so klingt der<br />

Aufruf des Apostels Paulus besten‐<br />

falls wie ein frommer Mutmach‐<br />

spruch, schlimmstenfalls zynisch.<br />

„Lass dich nicht vom Bösen über‐<br />

winden, sondern überwinde das<br />

Böse mit Gutem“. Schön wär’s, aber<br />

hat mich das Böse nicht schon längst<br />

überwunden? Und so steht die Jah‐<br />

reslosung in der Gefahr zu einem<br />

Kalenderspruch zu verkommen.<br />

Klingt schön und sicher auch gut,<br />

aber sobald das Kalenderblatt alt,<br />

das Datum verstrichen, der nächste<br />

Tag, die nächste Woche oder der<br />

nächste Monat angebrochen ist, ist<br />

der Spruch auch schon wieder ver‐<br />

gessen, auf chlorfrei gebleichtem<br />

Papier garantiert recycelbar in der<br />

blauen Tonne verschwunden.<br />

Doch Paulus ist weder Zyniker noch<br />

Mutmachprediger. Viel zu oft hat<br />

auch er das Böse in all seiner Be‐<br />

drohlichkeit und Übermacht am ei‐<br />

genen Leibe zu spüren bekommen,<br />

als dass er es mit Sätzen wie diesen<br />

bagatellisieren könnte. Als Verfolger<br />

hat er Christen bis aufs Blut gejagt<br />

und hat in dem Bewusstsein, das<br />

Richtige zu tun, ihre Hinrichtung<br />

veranlasst. Als Verfolgter war er<br />

selbst Opfer der Christenverfolgung,<br />

litt im Gefängnis und kam dadurch<br />

vermutlich auch ums Leben. Er hat<br />

größenwahnsinnige römische Kaiser<br />

erlebt und mit seinen Briefen immer<br />

wieder gegen das Ausbrechen von<br />

Glaubenskriegen in seinen eigenen<br />

Gemeinden angekämpft. Wenn er<br />

einen Satz wie diesen in seinen Brief<br />

an die römische Gemeinde schrieb,<br />

dann nicht, um ihnen zu sagen, dass<br />

doch alles eigentlich ganz einfach<br />

wäre. Nur in dem Wissen um die<br />

Übermacht des Bösen, konnte Pau‐<br />

lus einen solchen Satz ernsthaft<br />

schreiben; nicht, um das Böse klein<br />

zu machen, sondern um die Größe<br />

des Guten umso deutlicher hervor‐<br />

treten zu lassen. Denn wie groß<br />

muss ein Gutes sein, das dieses<br />

übermächtig Böse überwinden<br />

kann?<br />

Zu groß für einen Menschen, wäre<br />

da nicht ein Gutes, das alles Böse<br />

bereits überwunden hat. Und genau<br />

darin liegt die ganze Ernsthaftigkeit<br />

des paulinischen Satzes. Jesus Chris‐<br />

tus hat das Böse dieser Welt mit dem<br />

Äußersten an Gutem so weit über‐<br />

wunden, dass er das Böse an sich<br />

überwunden hat, die Sünde und den<br />

Tod. Als der Sohn Gottes die größte<br />

4<br />

Bosheit und Feindschaft der Men‐<br />

schen zu spüren bekommen hat,<br />

hätte er sie vernichten können. Doch<br />

stattdessen wählte er, sie zu lieben,<br />

bis über den Tod hinaus, ihre Schuld,<br />

die sie auch an ihm verübt hatten,<br />

selbst zu tragen. Diese göttliche<br />

Liebe war stärker als die Schuld der<br />

Menschen, stärker als der Tod selbst.<br />

Und sie brachte nicht etwa den ewi‐<br />

gen Tod, sondern das ewige Leben.<br />

Für Jesus Christus, für uns.<br />

Und so beinhaltet die Jahreslosung<br />

zwei Botschaften: einen Zuspruch<br />

und einen Anspruch.<br />

Der Zuspruch heißt: Das Böse, in all<br />

seiner grausamen Vielfalt, ist letzt‐<br />

lich doch machtlos, weil Jesus Chris‐

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