Symposium Rede Wienholtz -Endfassung
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Statement<br />
Politisches <strong>Symposium</strong> des Landessportverbandes SH<br />
"Sport gestaltet Zukunft - zur gesellschaftlichen Bedeutung des Sports in SH"<br />
LSV-Präsident Dr. Ekkehard <strong>Wienholtz</strong><br />
1. September 2012 im Schleswig-Holsteinischen Landtag<br />
Ich danke dem Landtagspräsidenten sehr für seine Begrüßung. Das Besondere daran war für<br />
mich, die innere Überzeugung erfahren zu können, mit der Klaus Schlie über die Chancen des<br />
Sports für die Entwicklung unseres Landes gesprochen hat.<br />
Sicherlich haben hierzu seine erfolgreichen Jahre als Innen- und damit als für den Sport<br />
zuständiger Minister beigetragen. Die nächsten Monate und Jahre werden für den organisierten<br />
Sport in Schleswig-Holstein nicht einfacher werden – auch in der weiteren politischen Diskussion<br />
um den Stellenwert des Sports in Schleswig-Holstein in der Diskussion darum, was der Sport dem<br />
Land künftig wert ist. Ich freue mich daher, dass ich den Landtagspräsidenten an der Seite des<br />
Sports weiß, und ich danke ihm dafür.<br />
Ich bin gespannt, was uns im Anschluss unser neuer Innenminister mit auf den Weg geben wird.<br />
Wir haben für unser heutiges <strong>Symposium</strong> im Rahmen des „Festival des Sports“ einen<br />
hervorragenden Zeitpunkt finden können, um in einen sportpolitischen Dialog mit dem neuen<br />
Schleswig-Holsteinischen Landtag sowie der neuen Landesregierung zu treten.<br />
Ich freue mich sehr, dass der Innenminister heute hier ist und ein Statement zur Sportpolitik der<br />
neuen Landesregierung abgeben wird. Herzlich Willkommen Andreas Breitner!<br />
Den Staatssekretär im Innenministerium, Bernd Küpperbusch, schließe ich in diesem<br />
Willkommensgruß gerne ein.<br />
Der Sportpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion ist ein langjähriger und zuverlässiger<br />
Begleiter des Sports. Herzlich Willkommen Jürgen Weber.<br />
Besonders freue ich mich darüber, den Vizepräsidenten des Internationalen Olympischen<br />
Komitees und Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes, Dr. Thomas Bach zu<br />
begrüßen. Dass Thomas Bach bereits drei Wochen nach Beendigung der Olympischen Spiele und<br />
noch während der Paralympics in London nach Kiel zu unserem Sportpolitischen <strong>Symposium</strong><br />
kommt, werte ich auch als Anerkennung der großartigen Leistungen unserer schleswigholsteinischen<br />
Sportlerinnen und Sportler in London.<br />
Ich freue mich darauf, von Ihnen ein erstes Fazit der Spiele in London zu hören und auch einige<br />
Anregungen für unsere weitere Arbeit für den Sport in Schleswig-Holstein<br />
Ich heiße alle unsere heutigen Gäste sehr willkommen, von denen ich nur einige wenige<br />
namentlich herausgreifen kann. Stellvertretend für unsere vielen Gäste aus dem Bereich der<br />
Sportverbände begrüße ich den Präsidenten des Deutschen Seglerverbandes, Rolf Bähr.<br />
Lieber Rolf, Deine Anwesenheit ist zugleich eine wichtige Referenz an den Segelsport in unserem<br />
Land.<br />
Ich freue mich, dass von unseren wichtigen gesellschaftlichen Partnern heute unter anderem der<br />
Präsident der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Professor Gerhard Fouquet, das<br />
Vorstandsmitglied der Stiftung zur Förderung des Sports, Roland Reime, die Vorsitzende des<br />
Landesjugendringes, Alexandra Ehlers, die Vorsitzende des Kinderschutzbundes, Irene Johns und<br />
der Präsident des Landesmusikrates, Dr. Klaus Volker Mader unsere Gäste sind.<br />
Ich begrüße viele Wirtschaftspartner des LSV und des „Festival des Sports“, unter ihnen Sara<br />
Baaken von Samsung, den Vorstandsvorsitzenden der eon-hanse AG, Hans-Jakob Tiessen, der in<br />
Kürze in Rendsburg wieder Gastgeber des legendären eon-hanse-Cups im Rudern sein wird; eine<br />
Veranstaltung, die dem Rudersport in unserem Land richtig gut tut Ich begrüße Karin Seidel von<br />
NordwestLotto, das Ehepaar Wortmann von der BARMER-GEK sowie von Himmelseher<br />
Sportversicherungen Dr. Peter Caninenberg.<br />
. . .
2<br />
Ganz besonders freue ich mich, mit Ihnen allen heute zusammen einige der erfolgreichsten<br />
Sportlerinnen und Sportler unseres Landes begrüßen zu dürfen. Ich begrüße den Segel-Olympia-<br />
Sechsten Simon Grotelüschen, Zehnkampf-Olympiasieger Willi Holdorf, Ruder-Olympiasieger<br />
Kraft Schepke, die Doppel-Olympiasiegerin Meike Evers und den frischgebackenen Olympiasieger<br />
im Ruder-Vierer, Lauritz Schoof. Seien Sie alle herzlich Willkommen!<br />
Unser heutiges <strong>Symposium</strong> trägt den Titel "Sport gestaltet Zukunft – zur gesellschaftlichen<br />
Bedeutung des Sports in Schleswig-Holstein“. Ich will mich in meinem Statement auf zwei<br />
bedeutsame Aspekte konzentrieren.<br />
Zunächst beschäftigt mich die Frage, welchen Stellenwert der Sport in unserer Gesellschaft heute<br />
tatsächlich besitzt oder - besser gesagt - besitzen sollte. Anschließend werde ich kurz darstellen,<br />
wie sich der Landessportverband mit langfristigen Perspektiven in die gesellschaftliche<br />
Entwicklung in Schleswig-Holstein aktiv einbringt. Drei Beispiele werden zeigen, dass wir in<br />
Schleswig-Holstein dringenden Handlungsbedarf für einen künftigen engen Schulterschluss des<br />
Sports mit der Politik und auch mit der Wirtschaft haben.<br />
Wenn wir den gesellschaftlichen Stellenwert des Sports hinterfragen, dann kann man unter dem<br />
Eindruck der Olympischen Spiele in London nur erstaunt feststellen, welche enorm verbindende<br />
Kraft der Sport besitzt.<br />
Sei es hinsichtlich des friedlichen Wettstreites der Länder unserer Erde untereinander oder der<br />
verbindenden Kraft innerhalb eines Landes, wie wir es gerade bei den Briten feststellen konnten.<br />
Die Waliser, Schotten und Engländer haben mit dem Doppel-Olympiasieger über fünf- und<br />
zehntausend Meter - Mo Farah – einen neuen Volkshelden. Einen in Somalia geborenen Farbigen<br />
und gläubigen Moslem, der in den Straßen-Gangs in London aufgewachsen ist.<br />
Wenn das kein gutes Beispiel für die Integrationskraft des Sports ist?<br />
Und in Hamburg bei der Ankunft der deutschen Olympiateilnehmer konnten wir etwas von der<br />
Begeisterung spüren, die bei den Menschen in unserem Land für unsere besten Sportlerinnen und<br />
Sportler gewachsen ist.<br />
Auch Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich in London als Freund des Sports. Er hob die<br />
Vorbildfunktion der Sportlerinnen und Sportler für die Gesellschaft hervor und warb für mehr<br />
Sport in der Breite der Bevölkerung. Für ihn leistet der Sport einen Zugewinn an Lebensqualität<br />
und eine Steigerung der Lebensbejahung.<br />
Für den Bundespräsidenten gehört der Sport daher „in die Mitte der Gesellschaft“, wie er es am<br />
Rande der Eröffnungsfeier in London formulierte.<br />
Der ehemalige Innen– und derzeitige Verteidigungsminister Thomas de Maiziere, der in dieser<br />
Position auch einer der wichtigsten Sportförderer in unserem Land ist, formulierte es anlässlich<br />
einer Ehrungsveranstaltung des deutschen Sports in diesem Jahr ähnlich:<br />
„Die Werte des Sports sind für die Gesellschaft wichtiger als alles andere“.<br />
Und er zählte dabei unter anderem auf:<br />
Respekt - Leistung - Fairness und Miteinander.<br />
Diese besondere Herausstellung der Werte des Sports bei der Begründung seiner<br />
gesellschaftlichen Bedeutung stellt für mich eine besondere Qualität dar. Traditionell werden dem<br />
Sport wesentliche Beiträge für das Gemeinwohl beispielsweise in der Gesundheitsförderung und<br />
damit bei der Entlastung öffentlicher Kassen zugestanden.<br />
Auch eine maßgebliche soziale, integrative und präventive Funktion wird mit dem Sport in<br />
Verbindung gebracht. Die durch den Sport zu vermittelnden Werte in den Vordergrund zu stellen,<br />
dringt aber in seiner Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung tiefer.<br />
Respekt, Leistung, Fairness und Miteinander - das sind durch den Sport vermittelbare<br />
Grundwerte unserer sozialen Ordnung.
3<br />
Zunächst besteht im Respekt anderen gegenüber eine erste wesentliche Säule unseres<br />
Gemeinwesens – Respekt auch dann, wenn diese Anderen anders denken, anders aussehen oder<br />
anders handeln. Dies gilt für das Zusammenleben der Menschen nebenan genauso wie im<br />
Übrigen auch für den politischen Diskurs. Der Sport ist dabei ein hervorragendes Lernfeld dafür,<br />
respektvolles Verhalten zu entwickeln. Respekt gegenüber dem Sieger und auch gegenüber dem<br />
Unterlegenen.<br />
Auch der Respekt vor sich selbst, vor der eigenen Würde gehört dazu. Respektvolles Handeln<br />
schließt bedenkenloses egoistisches Handeln aus. Insofern kann eine Gesellschaft ohne<br />
respektvolles Verhalten nicht funktionieren.<br />
Und dann geht es um die Leistung.<br />
Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Unser Wohlstand basiert darauf, und natürlich wollen wir<br />
die Besten sein – sei es in der Wirtschaft, in der Politik oder im Sport. Unsere Gesellschaft ist dann<br />
erfolgreich, wenn eine möglichst breite Bereitschaft vorhanden ist, seine eigene Begabung zu<br />
entfalten und das Beste zu geben.<br />
Gerade bei Kindern und Jugendlichen kann man es sehr gut beobachten, wie im Sport die Freude<br />
an der eigenen Leistung entdeckt und gefördert werden kann. Der Sport ist somit ebenfalls ein<br />
hervorragendes Lernfeld zur Entwicklung von Leistungsbereitschaft, eine Schule zur<br />
Willensstärkung, zur Selbstbeherrschung und zur realistischen Selbsteinschätzung – alles<br />
Attribute, die wir im gesellschaftlichen Leben überall dringend brauchen.<br />
Traditionell werden die Begriffe Fairness und Fairplay eng mit dem Sport in Verbindung<br />
gebracht. Nun sind dies keine ausschließlichen Errungenschaften des Sports. Aber die Begriffe<br />
und das dahinter liegende Verständnis sind maßgeblich vom Sport geprägt worden. Das gilt<br />
sowohl für das Einhalten von Spielregeln als auch für das faire Achten des anderen - auch des<br />
Gegners. Obwohl Fairness-Regeln leider auch im Sport häufig verletzt werden, haben sie doch<br />
eine außerordentlich wichtige moralische Orientierungsfunktion – und zwar in allen Bereichen der<br />
gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Der faire Umgang untereinander steht im Übrigen in<br />
enger Beziehung zur Solidarität – ohne die der gesellschaftliche Frieden nicht aufrechterhalten<br />
werden könnte.<br />
Und letztendlich ist es das Miteinander, welches für unsere Gesellschaft gerade in einer Zeit an<br />
Bedeutung gewinnt, in der der Drang nach Abgrenzung und Individualisierung weiter zunimmt.<br />
Der Sport ist eine hervorragende Schule des Miteinanders. Seine herausragenden Beiträge liegen<br />
in der Schulung von Teamwork, der Einordnung, der Zusammenarbeit und der Ausrichtung auf<br />
ein gemeinsames Ziel. Im Sport begegnen Menschen einander.<br />
Sie erfahren, dass sie aufeinander angewiesen sind und sich wechselseitig stärken, dass sie<br />
einander herausfordern und miteinander wetteifern können. Miteinander im Sport heißt eine<br />
praxisnahe Übernahme von Verantwortung – für sich und für andere.<br />
Der Sport ist somit auch eine hohe Schule der Demokratie.<br />
Wenn wir zurückblicken, dann waren es solche und ähnliche Überlegungen, die dazu geführt<br />
haben, dass 1998 die Förderung des Sports mit vollem Recht in die Schleswig-Holsteinische<br />
Landesverfassung aufgenommen wurde.<br />
Mit diesem Meilenstein wurde dem Sport in Schleswig-Holstein auch politisch eine Leitfunktion für<br />
die gesellschaftliche Entwicklung in unserem Land zugeschrieben und auch im Selbstverständnis<br />
des in den Vereinen und Verbänden organisierten Sports hat dies zu Veränderungen geführt, die<br />
uns erst allmählich bewusst geworden sind.<br />
Als bisher prägnantesten Beleg dieser Entwicklung kann man den Sportpolitischen<br />
Orientierungsrahmen des Landessportverbandes Schleswig-Holstein ansehen, der vor vier Jahren<br />
mit einer Laufzeit bis 2012 durch den Verbandstag beschlossen wurde und mittlerweile bis zum<br />
Jahr 2016 fortgeschrieben worden ist.
4<br />
Dem Sportpolitischen Orientierungsrahmen ging eine grundlegende Bestandsaufnahme des<br />
organisierten Sports in Schleswig-Holstein voraus. Hierbei wurden aktuelle sportinterne und ich<br />
gesellschaftliche Herausforderungen identifiziert und auf ihre Konsequenzen für die künftige<br />
Arbeit in den Vereinen und Verbänden hin durchleuchtet.<br />
Im Ergebnis sind sich die Vereine und Verbände im Sport mittlerweile sehr bewusst, welche<br />
Beiträge sie zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft leisten können:<br />
(Zitat) „Gerade wo staatliches Engagement gesellschaftspolitische Anforderungen nicht oder nur<br />
unzureichend erfüllt, übernehmen die Sportorganisationen im Rahmen ihrer Möglichkeiten und<br />
Kompetenzen Verantwortung. Der gemeinwohlorientierte Vereinssport leistet damit auf vielfältige<br />
Weise wesentliche Beiträge zur Demokratieentwicklung, zur Lebensqualität und zum sozialen<br />
Frieden.“ (Zitat-Ende).<br />
Wie wir sehen, scheinen wir uns – was die gesellschaftliche Bedeutung des Sports angeht - mit<br />
dem Bundespräsidenten und dem Bundesminister durchaus einig zu sein.<br />
Bei aller Anerkennung unserer Arbeit mussten wir leider gerade in unserer aktuellen<br />
Fortschreibung des Orientierungsrahmens einige grundlegende Probleme feststellen, bei denen<br />
der Erkenntnisstand immens groß ist – die hieraus erforderlichen Konsequenzen in der<br />
Umsetzung allerdings nicht oder bisher nur unzureichend gezogen werden.<br />
Ich möchte drei Beispiele herausgreifen, wo wir in Schleswig-Holstein dringenden<br />
Handlungsbedarf sehen und bei dem wir uns für einen künftigen engen Schulterschluss des<br />
Sports, der Politik und auch der Wirtschaft aussprechen.<br />
Wir wissen seit langem, dass ein umfassendes Bewegungsangebot einen wesentlichen Baustein<br />
nicht nur für die körperliche Entwicklung junger Menschen, sondern übergreifend für eine<br />
harmonische Persönlichkeitsbildung darstellt. Ein Mangel an Bewegung kann zu krankhaften<br />
Veränderungen mit Spätfolgen bis ins hohe Alter führen.<br />
Wir wissen seit langem, dass Bewegung und Sport in jungen Jahren die Bildung von neuronalen<br />
Schaltungen im Gehirn fördern. Das heißt, Bewegungsförderung für junge Menschen unterstützt<br />
die Entwicklung von Intelligenz. Anders ausgedrückt: Sport macht schlau.<br />
Es ist auch wissenschaftlich belegt, dass durch den täglichen Schulsport die schulischen<br />
Leistungen insgesamt deutlich erhöht werden. Jugendliche, die zudem regelmäßig an<br />
außerschulischen Sportangeboten teilnehmen, erreichen höhere Bildungsabschlüsse als ihre<br />
bewegungsscheuen Altersgenossen. Das betrifft sowohl die Erlangung der Hochschulreife als<br />
auch den erfolgreichen Abschluss eines Universitäts-Studiums.<br />
Einschränkend haben Forscher jüngst allerdings die besonders Sportlichen unter den jungen<br />
Menschen vor allzu großen Erwartungen hinsichtlich der positiven Auswirkungen ihres Sports<br />
gewarnt, indem sie feststellten:<br />
„Das Potential des Gehirns lässt sich durch Ausdauertraining steigern, aber nur Laufen reicht<br />
auch nicht. Am Lernen führt jedenfalls kein Weg vorbei.“<br />
Das wissenschaftliche Fazit ist eindeutig: Kinder und Jugendliche sollten nicht nur unter<br />
gesundheitlichen Aspekten zu umfassender Bewegung und sportlicher Aktivität animiert werden,<br />
sondern auch zur Steigerung ihrer Bildungs- und Berufsaussichten.<br />
Leider sieht die Realität in unserem Land anders aus.<br />
Aufgrund falscher Ernährungsgewohnheiten und mangelnder Bewegung verschlechtert sich nach<br />
aktuellen Studien der Gesundheitszustand der jungen Generation weiter dramatisch.<br />
Mittlerweile ist fast jedes siebte Kind adipös – sprich übergewichtig. Und dabei sind wir uns auch<br />
einig, dass wir alles dafür tun wollen, dass die dicken Kinder von heute nicht die Diabetiker von<br />
morgen werden!<br />
Aber: In Kindergärten sind Erzieherinnen mit einer ausreichenden Qualifizierung im Bereich der<br />
Bewegungsförderung eher die Ausnahme als die Regel.
5<br />
Trotz aller Erkenntnisse sinkt der Stellenwert des Schulsports weiterhin an vielen Schulen in<br />
unserem Lande. Eine allgemeine Verpflichtung zu umfassendem, möglichst täglichem Schulsport -<br />
vor allem in den entscheidenden Phasen der Primarstufe oder der Sekundarstufe 1 –<br />
gibt es nicht. Durch eine sogenannte Kontingent-Stundentafel ist der Umfang des Sportangebotes<br />
variabel und entscheidet sich vor Ort.<br />
Er hängt damit unter anderem davon ab, in welchem Maße die Verantwortlichen in den einzelnen<br />
Schulen eine eigene Beziehung zum Sport haben. Die Praxis zeigt zudem, dass Sport zunehmend<br />
nicht von ausgebildeten Sportlehrkräften, sondern ‚fachfremd’ unterrichtet wird.<br />
Die Entwicklung zu Offenen Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein hat die Problematik weiter<br />
verschärft. De facto wurde oftmals ein Großteil des Sportangebotes in einen freiwilligen<br />
Wahlbereich am Nachmittag verschoben. Zugleich ist der Zugang zu Sportangeboten in den<br />
Vereinen durch die verlängerte Verweilzeit an den Schulen deutlich erschwert worden.<br />
Viele Vereine spüren bereits jetzt einen Mitgliederrückgang bei Kindern und Jugendlichen, weil<br />
diese einfach keine ausreichende freie Zeit mehr für den Vereinssport haben.<br />
Das gilt im Übrigen auch für eine Vielzahl von Schülerinnen und Schüler, die bisher als Jugend-<br />
oder Übungsleiter in den Vereinen tätig waren und nunmehr dem Vereinssport verloren gehen.<br />
Insgesamt haben wir durch diese Entwicklungen in Schleswig-Holstein nicht nur einen Rückgang<br />
von qualifizierten Bewegungs- und Sportangeboten für junge Menschen zu verzeichnen, sondern<br />
auch Mitgliederrückgänge in den Sportvereinen, die darüber hinaus als wertvolle<br />
Sozialisierungsinstanz für Kinder und Jugendliche verloren gehen.<br />
Als wir vor knapp zwei Jahren eine Vereinbarung mit dem Bildungsministerium unterzeichnet<br />
haben, hatten wir die Hoffnung, dass wir die Entwicklung in der Schullandschaft positiv begleiten<br />
können. Wenn wir heute eine Zwischenbewertung vornehmen, wandelt sich die Hoffnung in<br />
große Sorge.<br />
Die Sportvereine und –verbände versuchen zwar mit vielfältigen Projekten und<br />
Kooperationsmodellen dagegenzuwirken; und es gibt hervorragende Beispiele, was in den<br />
Kindergärten und Schulen alles möglich sein kann. In einzelnen Initiativen finanzieren sogar<br />
Sponsoren an den Schulen die tägliche Sportstunde. Letztendlich reicht dies alles nicht, wenn das<br />
System insgesamt nicht stimmt.<br />
Was wir brauchen ist eine große bildungs- und sportpolitische Debatte in unserem Land über die<br />
besondere Bedeutung von Sport und Bewegung für Kinder und Jugendliche.<br />
Für den einzelnen Menschen und für die Gesellschaft insgesamt.<br />
Und wir müssen diese Debatte gemeinsam führen – und zwar durch den Sport, durch die Politik<br />
im Land und in den Kommunen und auch durch die Wirtschaft – denn auch diese muss an künftig<br />
gut ausgebildeten jungen Persönlichkeiten interessiert sein.<br />
Und wir brauchen eine zweite umfassende Debatte in unserem Land. Nämlich die um den<br />
Stellenwert des Spitzensports in Schleswig-Holstein. Im Kern geht es um die Frage, wie wichtig ist<br />
uns der Erfolg von Sportlerinnen und Sportlern aus Schleswig-Holstein? Welchen Preis sind wir<br />
bereit, dafür zu zahlen? Und sind wir bereit, hierzu einige Dinge zu verändern?<br />
Und auch das hat zunächst etwas mit Bildungspolitik zu tun.<br />
Auch hier wirken die Veränderungen im Bildungssystem mit Schulzeiten nicht nur bis in den<br />
Nachmittag hinein, sondern auch noch mit einer Schulzeitverkürzung durch G 8 an den<br />
Gymnasien. Heutzutage muss ein Schüler an einem G 8-Gymnasium cirka 35 Stunden Unterricht<br />
pro Woche ableisten. Für einen jugendlichen Spitzensportler kommen dann noch einmal im<br />
Schnitt 25 Stunden Training hinzu. Insgesamt sind dies nahezu 60 Stunden pro Woche.<br />
Die Zeit für die Hausaufgaben oder das Lernen für Klausuren ist noch nicht einmal eingerechnet.<br />
Welcher junge Mensch kann das leisten?
6<br />
Renommierte Bildungsforscher stellen mittlerweile fest, dass alleine durch den Umfang und den<br />
Anspruch von G 8 viele der Schülerinnen und Schüler mittlerweile deutlich überfordert sind. Wenn<br />
man darüber hinaus auch noch Sport treiben will – und zwar Sport im Verein und gar Spitzensport<br />
– dann muss man feststellen: Für G 8-Gymnasiasten ist dies heute fast nicht mehr möglich.<br />
Wenn wir in Schleswig-Holstein unsere Verantwortung für die Entwicklung von jungen Sport-<br />
Talenten ernst nehmen und wenn wir auch in Zukunft den Erfolgreichsten von ihnen bei großen<br />
Sportereignissen zujubeln wollen, dann müssen wir einige Dinge ändern.<br />
Zunächst müssen wir talentierten Sportlerinnen und Sportlern gerade zu Schulzeiten optimale<br />
Rahmenbedingungen für eine sportliche Leistungsentwicklung ermöglichen. Wir brauchen ein<br />
Aufbrechen von G 8 für den Sport. Wir brauchen die Möglichkeit von Schulzeitstreckungen für<br />
junge Spitzensportler. Wir brauchen landesweit die Vorgabe für schulische Ausnahmeregelungen<br />
für junge Spitzensportler, damit sie für Trainingslager oder Wettkampfeinsätze nicht nur vom<br />
Wohlwollen einzelner Schulleiter abhängig sind.<br />
Und wir brauchen eine Eliteschule des Sports. Schleswig-Holstein ist immer noch das einzige<br />
Bundesland ohne Eliteschule. Wir werden aber nur dann eine realistische Chance zur Einrichtung<br />
einer Eliteschule haben, wenn wir ein Verbundsystem mit der bestehenden Eliteschule in<br />
Hamburg bilden. Wir haben ja bereits einen gemeinsamen Olympiastützpunkt<br />
Hamburg/Schleswig-Holstein.<br />
Für ein Verbundsystem Eliteschule können wir unsere eigenen erfolgreichen Partnerschulen des<br />
Sports in Kiel und Ratzeburg mit einbringen.<br />
Wir – und damit meine ich insbesondere das Land – müssen es nur wollen. Dann werden wir<br />
auch den entsprechenden Weg finden.<br />
Und für die Zeit nach der Schule ist ein laufbahnbegleitender Übergang in den späteren Beruf<br />
erforderlich. Dazu gehört unter anderem die Einführung einer speziellen Quote für<br />
Spitzensportler für die Zulassung an den Universitäten in Schleswig-Holstein. Ich habe mit Freude<br />
zur Kenntnis genommen, dass sich die Bildungsministerin im Rahmen einer Neuregelung des<br />
Hochschul-Zulassungsgesetzes dafür einsetzen will.<br />
Und wir brauchen die Unterstützung unserer Wirtschaft.<br />
Wir brauchen Ausbildungsplätze für Spitzensportler, die gleichermaßen den Anforderungen des<br />
Sports Rechnung tragen.<br />
Wir brauchen insgesamt eine noch bessere Partnerschaft mit der Wirtschaft. Dabei wissen wir:<br />
Partnerschaft ist natürlich durch die jeweiligen Interessenlagen bestimmt. Sie findet sich in dem<br />
gemeinsamen Ziel, einen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft zu leisten - und -<br />
die Partnerschaft von Sport und Wirtschaft bietet die große Chance, das Profil unseres Landes als<br />
nachhaltigen Standortfaktor weiter zu entwickeln.<br />
Das tut unserer Lebensqualität gut, das tut dem Tourismus gut und<br />
das tut der Wirtschaft gut.<br />
Das dritte Themenfeld, in dem wir Handlungsbedarf für einen künftigen engen Schulterschluss<br />
des Sports, der Politik und auch der Wirtschaft sehen, ist die Frage nach der künftigen<br />
Finanzierung des Sports in Schleswig-Holstein.<br />
Diese Frage ist seit Jahren eng mit der Glücksspielgesetzgebung in Schleswig-Holstein<br />
verbunden. Seit Anfang des Jahres haben wir ein bundesweit einzigartiges Glücksspielgesetz in<br />
Schleswig-Holstein, in dem die Förderung des gemeinwohlorientierten Sports nicht nur in seiner<br />
bis dahin geltenden Höhe festgeschrieben, sondern erweitert wurde um ein Drittel der<br />
Einnahmen aus den Sportwettenabgaben.<br />
Nun haben wir alle zur Kenntnis genommen, dass die neue Landesregierung die<br />
Glücksspielgesetzgebung verändern und einem entsprechenden Staatsvertrag der übrigen 15<br />
Bundesländer beitreten will.
7<br />
Dieser Staatsvertrag kennt keine Beteiligung des organisierten gemeinnützigen Sports an den<br />
Abgaben aus den Sportwetten. Die Ministerpräsidenten konnten sich dazu nicht entschließen,<br />
obgleich es nachdrückliche Appelle des DOSB, des DFB und der DFL dazu gab.<br />
Ein deutliches Signal der Solidarität – auch des Profisports – für den gemeinnützigen Sport, das<br />
wir in dieser Form erst in der Diskussion um die Liberalisierung des Sportwettenmarktes erfahren<br />
haben.<br />
Zum Glücksspieländerungsstaatsvertrag und seiner Ausführungsgesetzgebung hat die erste<br />
Lesung in der letzten Woche in diesem Hohen Haus stattgefunden. Der Landessportverband ist<br />
bisher zu den Vorstellungen der Landesregierung nicht gehört worden.<br />
Ich nutze deshalb die Gelegenheit, von dieser Stelle aus darum zu bitten,<br />
- neben der Beibehaltung der Mindestfördersumme deren<br />
Dynamisierung und<br />
- eine Beteiligung des Landessportverbandes in der Höhe von<br />
einem Drittel der künftigen Einnahmen aus den Sportwettenabgaben<br />
in der Ausführungsgesetzgebung festzuschreiben.<br />
Ich bin gern bereit, in den Ausschussberatungen zur Begründung unserer Bitte zur Verfügung zu<br />
stehen.<br />
Abschließend habe ich die Hoffnung, dass wir das heutige <strong>Symposium</strong> als Startschuss nutzen<br />
können für den angesprochenen engen Schulterschuss zwischen dem Sport, der Politik und der<br />
Wirtschaft für die Zukunft der Menschen in unserem Land.<br />
Und damit unsere Ideen und Vorstellungen nicht verloren gehen, hat der Landessportverband ein<br />
entsprechendes Positionspapier mit der Überschrift PRO SPORT 2016 erstellt. Ich würde mich<br />
freuen, wenn Sie sich im Anschluss an unserem <strong>Symposium</strong> ein Exemplar davon am Ausgang<br />
mitnehmen würden.<br />
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit