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Elmar Treptow<br />

Theorie und Praxis<br />

bei Hegel<br />

und den Junghegelianern


1<br />

Treptow<br />

Theorie und Praxis<br />

bei Hegel<br />

und den Junghegelianern


2<br />

Elmar Treptow<br />

Theorie und Praxis<br />

bei Hegel<br />

und den Junghegelianern<br />

<strong>Habilitationsschrift</strong>,<br />

von <strong>der</strong> Philosophischen <strong>Fakultät</strong><br />

<strong>der</strong> Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

angenommen im Jahr 1971


3<br />

Paul Treptow, meinem Vater,<br />

gewidmet


4<br />

I n h a 1 t s v e r z e i c h n i s<br />

Vorwort......................................................................................................6<br />

I. Hegels dialektische, ideelle und systematische Vereinigung von<br />

Theorie und Praxis ..........................................................................7<br />

1. Das Verhältnis von Theorie und Praxis als die Dialektik von<br />

Geist und Willen.........................................................................7<br />

2. Die Mangelhaftigkeit, Einseitigkeit und Unfreiheit <strong>der</strong> Theorie<br />

und Praxis im Bereich <strong>der</strong> Endlichkeit ...............................19<br />

3. Die dialektische Einheit von Teleologie und Kausalität in<br />

<strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Naturaneignung .................................................27<br />

4. Theorie und Praxis als gesellschaftlich-geschichtlicher Prozess<br />

..........................................................................................31<br />

5. Die Konzeption <strong>der</strong> Praxis als konkreter Sittlichkeit .................36<br />

6. Der scheinbare Vorrang <strong>der</strong> Praxis gegenüber <strong>der</strong> Theorie........55<br />

7. Die Praxis und die endliche Theorie als Stufen auf dem<br />

Weg zur vollkommenen Subjekt-Objekt-Einheit in <strong>der</strong> absoluten<br />

Theorie.........................................................................65<br />

8. Die Wirklichkeit <strong>der</strong> Vernunft in <strong>der</strong> politisch-historischen<br />

Praxis.......................................................................................74<br />

II. Heines Ableitung <strong>der</strong> revolutionären politisch-sozialen Praxis<br />

aus <strong>der</strong> philosophischen Theorie ...................................................83<br />

III. Cieszkowskis historiosophische Konzeption <strong>der</strong> Praxis als<br />

höchster Stufe des absoluten Geistes ............................................89<br />

IV. Strauß’ Umbildung <strong>der</strong> dialektischen Methode zur analytischen<br />

Kritik <strong>der</strong> religiösen Entfremdung......................................101


5<br />

V. Ruges radikaldemokratische Konzeption <strong>der</strong> Übersetzung <strong>der</strong><br />

philosophischen Theorie in die politische Praxis vermittels<br />

<strong>der</strong> Kritik ....................................................................................113<br />

VI. Bauers skeptizistische Konzeption <strong>der</strong> philosophischen Theorie<br />

als Funktion des menschlichen Selbstbewusstseins und<br />

Negation seiner Objektivationen ..................................................127<br />

VII. Stirners anarchistische Konzeption <strong>der</strong> egoistischen Revolte<br />

und des willkürlichen Denkens ...................................................145<br />

VIII. Feuerbachs sensualistische Konzeption <strong>der</strong> Praxis als Liebe<br />

und <strong>der</strong> Theorie als unmittelbarer Anschauung auf <strong>der</strong> Basis<br />

<strong>der</strong> Ich-Du-Beziehung .................................................................161<br />

IX. Marx’ Übergang von <strong>der</strong> kritischen <strong>Philosophie</strong> zur Konzeption<br />

<strong>der</strong> Aufhebung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> durch ihre Verwirklichung......186<br />

Zusammenfassung ...............................................................................221<br />

Anmerkungen.......................................................................................245<br />

Literaturverzeichnis..............................................................................335<br />

Personenverzeichnis Text (Seitenzahlen) ...............................................362<br />

Personenverzeichnis Anmerkungen (Endnotenzahlen)...........................368


6<br />

V o r w o r t<br />

Gegenstand <strong>der</strong> Untersuchung ist das Verhältnis von Theorie und Praxis<br />

im Denken Hegels und <strong>der</strong> Junghegelianer. Als „Junghegelianer" seien<br />

hier im weitesten Sinn des Wortes nicht nur D. F. Strauß, B. Bauer, Stirner<br />

und Ruge, son<strong>der</strong>n auch Heine, Cieszkowski, Feuerbach und <strong>der</strong> junge<br />

Marx bezeichnet, insofern sie alle den Auflösungsprozess des Hegelianismus<br />

repräsentieren. Die Analyse soll so weit wie möglich Hegels Grundsatz<br />

des Eingehens auf die Sache selbst und des Fernhaltens beliebiger von<br />

außen genommener Gesichtspunkte befolgen, ohne dass aber die Verwicklung<br />

mit <strong>der</strong> Sache die Versöhnung mit ihr ist.


7<br />

I. Hegels dialektische, ideelle und systematische Vereinigung von<br />

Theorie und Praxis<br />

Der zentrale Aspekt bei <strong>der</strong> Untersuchung des Verhältnisses von Theorie<br />

und Praxis im Denken Hegels muss <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Freiheit sein. Er ist<br />

<strong>der</strong> Schlüssel, <strong>der</strong> den Zugang zur Hegelschen Konzeption von Theorie und<br />

Praxis öffnet. Es ist im einzelnen zu zeigen, wie <strong>für</strong> Hegel die verschiedenen<br />

Formen <strong>der</strong> Theorie und Praxis die stufenweise Verwirklichung <strong>der</strong><br />

Freiheit als Überwindung des Subjekt-Objekt-Gegensatzes und damit als<br />

Aufhebung <strong>der</strong> Entfremdung zum Zweck haben, und wie die theoretischen<br />

und praktischen Vereinigungen von Subjekt und Objekt mit dem Vollbringen<br />

<strong>der</strong> Freiheit zugleich das Wahre und Gute realisieren.<br />

In Hinblick darauf ist zunächst zu klären (ohne dass auf eine vorliegende<br />

Abhandlung verwiesen werden könnte 1a ): wie verhalten sich grundsätzlich<br />

<strong>für</strong> Hegel Theorie und Praxis zueinan<strong>der</strong>?<br />

1. Das Verhältnis von Theorie und Praxis als die Dialektik von Geist<br />

und Willen<br />

Theorie und Praxis bilden eine Einheit, die darin besteht, dass <strong>der</strong> Geist<br />

mit seiner Substanz, <strong>der</strong> Freiheit 1 , nur in die Existenz gelangt und sich<br />

durchsetzt im Willen und in dessen Realisierung. Der Wille ist <strong>der</strong> „praktische<br />

Geist“. 2 Das heißt: <strong>der</strong> Wille und seine Ausführung in <strong>der</strong> Handlung<br />

sind das im dialektischen Sinne an<strong>der</strong>e des Geistes, die Entäußerung o<strong>der</strong><br />

Objektivation des Geistes. Geist und Wille bedingen sich wechselseitig wie<br />

Inneres und Äußeres. 3 In formaler Hinsicht sind somit Geist und Wille<br />

„fundamentum“ und „terminus“ einer Relation, die die Struktur eines in<br />

sich zurückkehrenden Übergangs o<strong>der</strong> einer reflexiven Transzendenz hat.<br />

Das innere Geistige ist das allgemeine Mögliche, das erst durch den Willen<br />

und die praktische Tätigkeit des Menschen ins Wirkliche übersetzt<br />

wird: „Prinzip, so auch Grundsatz, Gesetz ist ein Allgemeines, Inneres, das<br />

als solches, so wahr es auch an ihm sei, nicht vollständig wirklich ist...<br />

was an sich erst ist, ist eine Möglichkeit, ein Vermögen, aber noch nicht<br />

aus seinem Innern zur Existenz gekommen. Es muss ein zweites Moment<br />

<strong>für</strong> ihre Wirklichkeit hinzukommen, und dies ist die Betätigung, Verwirkli-


8<br />

chung, und <strong>der</strong>en Prinzip ist <strong>der</strong> Wille, die Tätigkeit <strong>der</strong> Menschen überhaupt.“<br />

4<br />

Dieses dialektische Verhältnis von Geist und Willen ist nach Hegel im<br />

subjektiven, objektiven und absoluten Sinne zu verstehen: durch die individuellen<br />

Willenshandlungen verwirklicht sich sowohl die Freiheit des subjektiven,<br />

individuellen Geistes (im Lebenslauf des einzelnen Menschen) als<br />

auch des objektiven Volksgeistes (im Hervorbringen einer epochalen Stufe<br />

<strong>der</strong> Geschichte) sowie des absoluten Weltgeistes (im Vollbringen <strong>der</strong> Weltgeschichte),<br />

<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um – wenn auch verborgenerweise – vermittels des<br />

Volksgeistes und dessen Werken das substantielle, wesentliche Terrain <strong>der</strong><br />

Realisierung <strong>der</strong> Freiheit des individuellen Geistes ist.<br />

Geist und Wille bilden also keine getrennten Vermögen; und Hegel fasst<br />

ihre Wechselbeziehung nicht statisch, son<strong>der</strong>n dynamisch auf. Das heißt:<br />

die Bewegung des Geistes läuft nicht selbständig neben dem Prozess <strong>der</strong><br />

praktischen Tätigkeit her, baut sich auch nicht äußerlich hierarchisch über<br />

ihm auf, son<strong>der</strong>n ist in ihn einbezogen. Zunächst durchdringen sich<br />

theoretische und praktische Tätigkeit auf <strong>der</strong> Stufe und im Wirkungskreis<br />

des subjektiven, individuellen Geistes. Isoliert betrachtet, richtet sich die<br />

individuelle theoretische Tätigkeit, sofern sie von <strong>der</strong> Anschauung und<br />

Vorstellung zum Denken aufsteigt, auf das Innere, Rationale, Allgemeine<br />

und Unendliche; dagegen bleibt die individuelle praktische Tätigkeit als<br />

solche, die sich nicht zum allgemeinen objektiven Willen erhoben hat, auf<br />

das Äußere, Sinnliche, Beson<strong>der</strong>e und Endliche <strong>der</strong> Wirklichkeit beschränkt.<br />

Aber in Wahrheit stehen die individuelle theoretische und praktische<br />

Tätigkeit in untrennbarer Einheit.<br />

Es gibt nämlich keine Intelligenz ohne Willen; denn „indem wir denken,<br />

sind wir eben tätig. Der Inhalt des Gedachten erhält wohl die Form des<br />

Seienden, aber dies Seiende ist ein Vermitteltes, durch unsere Tätigkeit<br />

Gesetztes “ 5<br />

Auf welche Weise die theoretischen Erkenntnisse praktisch vermittelt<br />

werden, ist unten in Verbindung mit dem Problem <strong>der</strong> Vergegenständlichung<br />

darzustellen. Dass erst auf <strong>der</strong> Grundlage des Willens die theoretische<br />

Distanz zu den Objekten möglich ist, wird deutlich werden aus <strong>der</strong><br />

Charakterisierung des Willens als Triebhemmung. Wenn Hegel sagt, in <strong>der</strong><br />

Tätigkeit des Denkens finde sich das Moment des Willens, so sei dieser


9<br />

Zusammenhang zunächst erläutert durch den Hinweis darauf, dass wir<br />

unverkennbar unseren Willen auf theoretische Überlegungen konzentrieren<br />

und absichtlich allgemeine gedankliche Inhalte einprägen und lernen<br />

sowie reproduzieren können.<br />

Ebenso ist nach Hegels Einsicht umgekehrt die Praxis untrennbar von<br />

<strong>der</strong> theoretischen Tätigkeit: wesentlich <strong>für</strong> den Willen und jede Willenshandlung<br />

ist die Zielstrebigkeit, das bewusste Innehaben des Zweckes <strong>der</strong><br />

Handlung: „... <strong>der</strong> Wille hält das Theoretische in sich: <strong>der</strong> Wille bestimmt<br />

sich; diese Bestimmung ist zunächst ein Inneres: was ich will, stelle ich<br />

mir vor, ist Gegenstand <strong>für</strong> mich.“ 6 Hierbei ist das „Vorstellen“ im weitesten<br />

Wortsinne zu verstehen; das geistig antizipierte Resultat kann nämlich<br />

außer in <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Vorstellung im engeren Sinne – <strong>der</strong> sinnlichen Vorstellung<br />

- auch in <strong>der</strong> Form des Gedankens auftreten.<br />

Mehrere Bewusstseinsmomente und differenzierte Operationen wie Abwägen<br />

<strong>der</strong> Konsequenzen <strong>der</strong> Handlung, Kollidieren <strong>der</strong> Motive, Treffen<br />

einer Wahl, Hegen einer Absicht und Fassen eines Vorsatzes und Entschlusses<br />

sind innere, intellektuelle Bestandteile einer komplizierten Willenshandlung<br />

vor ihrer Durchführung.<br />

Die Willenshandlung ist die spezifisch menschliche Handlung. Im Gegensatz<br />

zu ihr sind in <strong>der</strong> unwillkürlichen Trieb- o<strong>der</strong> Impulshandlung, die<br />

ebenfalls wie die Willenshandlung einen Zustand des Bedürfnisses und<br />

Mangels zu negieren sucht, die angestrebten Gegenstände nicht als Ziel<br />

bewusst geworden: das Gefühl hat überhaupt „noch keine Gegenständlichkeit“,<br />

ist ein bestimmter Zustand des Subjekts, <strong>der</strong> Trieb dagegen ist<br />

zwar gegenständlich, aber bewusstlos, <strong>der</strong> Wille schließlich ist sowohl gegenständlich<br />

als auch bewusst.<br />

Das Tier bleibt in seiner reaktiven situationsbedingten Lebenstätigkeit<br />

dem Trieb verhaftet; <strong>der</strong> Mensch weiß im Trieb nicht, was er will. Aber<br />

durch die Reflexion auf den Trieb erkennt er ihn als beschränkt, hebt sich<br />

von ihm ab und geht über ihn hinaus. Die Reflexion vergleicht den Trieb<br />

mit den Mitteln seiner Befriedigung, die Mittel und Triebe untereinan<strong>der</strong><br />

und die Triebe mit den Hauptzwecken des menschlichen Wesens. 7<br />

Auf Grund <strong>der</strong> Hemmung <strong>der</strong> Triebe, <strong>der</strong> zielgerichteten Willenshaltung<br />

und <strong>der</strong> Möglichkeit, von allem gegebenen Inhalt willentlich zu abstrahie-


10<br />

ren, gewinnt <strong>der</strong> Mensch freie Distanz („Weltoffenheit“) gegenüber den Gegenständen<br />

<strong>der</strong> Natur und Gesellschaft und vermag infolgedessen auf sie<br />

mit Überlegung und Auswahl einzuwirken.<br />

Die willenlosen, trieb- und instinktgeleiteten Tiere dagegen sind mit <strong>der</strong><br />

Natur nicht entzweit und somit von <strong>der</strong> Umwelt unmittelbar abhängig und<br />

determiniert Sie passen sich <strong>der</strong> Natur, ohne sie entsprechend ihren Bedürfnissen<br />

zu verän<strong>der</strong>n, an und assimilieren sie direkt. Sie sind, wie Hegel<br />

sagt, nicht ausgeschlossen von den „Eleusischen Mysterien <strong>der</strong> Ceres<br />

und des Bacchus“ über die Nichtigkeit <strong>der</strong> sinnlichen Dinge; denn sie „langen...<br />

ohne weiteres zu und zehren sie auf.“ 8<br />

Grundlegend ist Hegels Einsicht, dass <strong>der</strong> Mensch nicht unmittelbar<br />

von Natur selbständiges freies Subjekt ist, son<strong>der</strong>n dies erst in einem<br />

praktisch-theoretischen Vermittlungs- und Bildungsprozess werden kann.<br />

Das Tier „kann zwischen seinen Trieb und dessen Befriedigung nichts einschieben;<br />

es hat keinen Willen, kann die Hemmung nicht vornehmen. Das<br />

Erregende fängt bei ihm im Innern an und setzt eine immanente Ausführung<br />

voraus. Der Mensch aber ist nicht darum selbständig, weil die Bewegung<br />

in ihm anfängt, son<strong>der</strong>n weil er die Bewegung hemmen kann und<br />

also seine Unmittelbarkeit und Natürlichkeit bricht. - Denken, dass er Ich<br />

ist, macht die Wurzel <strong>der</strong> Natur des Menschen aus. Der Mensch ist als<br />

Geist nicht ein Unmittelbares, son<strong>der</strong>n wesentlich ein in sich Zurückgekehrtes...<br />

er ist also das, wozu er sich durch seine Tätigkeit macht. Erst<br />

das in sich Zurückgekehrte ist das Subjekt...“ 9<br />

Die praktische Selbständigkeit und Selbstbestimmung des Menschen<br />

sind also bedingt durch die theoretische Selbsterkenntnis, indem die Beherrschung<br />

und Regulierung <strong>der</strong> Triebe zur Voraussetzung hat das Bewusstsein<br />

und Selbstbewusstsein, d. h. das Bewusstsein des Menschen<br />

als Ich o<strong>der</strong> Subjekt, wie auch umgekehrt die selbstbewusste theoretische<br />

Tätigkeit bedingt ist durch die Hemmung <strong>der</strong> Triebe und die willentliche<br />

Selbstbestimmung.<br />

Wie Hegel hervorhebt, sind die natürlichen Bedürfnisse, die Weisen ihrer<br />

willentlich-praktischen Befriedigung und die Mittel hier<strong>für</strong> beim Menschen<br />

im Gegensatz zum Tier nicht konstant und einfach, son<strong>der</strong>n sie differenzieren,<br />

multiplizieren, komplizieren und spezialisieren sich in einem<br />

unendlichen Prozess. 10 In dessen Verlauf geraten die Menschen im „Sys-


11<br />

tem <strong>der</strong> Bedürfnisse“ <strong>der</strong> „bürgerlichen Gesellschaft“ in <strong>der</strong> Weise in wechselseitige<br />

Abhängigkeit, dass ihre Verhältnisse schließlich – weiter bedingt<br />

durch die „Ungleichheit des Vermögens und <strong>der</strong> Geschicklichkeiten <strong>der</strong><br />

Individuen“ – antagonistisch im „Übermaße des Reichtums“ und „Übermaße<br />

<strong>der</strong> Armut“ resultieren, wogegen Hegel Abhilfe erwartet von dem Welthandel,<br />

<strong>der</strong> Kolonisation und <strong>der</strong> Besteuerung <strong>der</strong> Reichen, aber vor allem<br />

von <strong>der</strong> durch den Bauern-, Handels- und Gewerbe- sowie Beamtenstand<br />

vermittelten Unterordnung <strong>der</strong> konkurrierenden selbstsüchtigen Privatinteressen<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft unter den Staat als Versöhnung des Individuellen<br />

und Allgemeinen. 11 – Durch die Auffassung von <strong>der</strong> gesellschaftlichgeschichtlichen<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Bedürfnisse unterscheidet sich Hegel<br />

grundlegend von <strong>der</strong>jenigen zeitgenössischen philosophischen Anthropologie,<br />

die dahin tendiert, natürliche Konstanten und invariante Strukturen<br />

des Menschen aufzusuchen und ihn eher als biologisches denn als geschichtliches<br />

Wesen zu betrachten. Für Hegel sind die Bedürfnisse des<br />

Menschen immer solche auf einer bestimmten Stufe <strong>der</strong> Entwicklung, ebenso<br />

wie die Welt des Menschen, in <strong>der</strong> er denkt und handelt, immer eine<br />

konkrete Welt des objektiven Geistes ist.<br />

Mit <strong>der</strong> Fundierung <strong>der</strong> Praxis in dieser geschichtlich orientierten Anthropologie<br />

knüpft Hegel unausgesprochen an Her<strong>der</strong> an. Für Her<strong>der</strong> ist <strong>der</strong><br />

Mensch „<strong>der</strong> erste Freigelassene“ <strong>der</strong> Natur; das Tier ist mit seinen Trieben<br />

in einer beschränkten artspezifischen Umwelt festgehalten; es „hat seinen<br />

Kreis, in den es von <strong>der</strong> Geburt an gehört.“ Der Mensch unterdrückt o<strong>der</strong><br />

sublimiert seine Triebe und emanzipiert sich von ihnen, sein Organismus<br />

ist mit Mängeln ausgestattet und verhältnismäßig unspezialisiert. („Seine<br />

Sinne und seine Organisation sind nicht auf Eins geschärft...“). Den Menschen<br />

leitet <strong>der</strong> „künstliche Instinkt“, die Vernunft. Statt in einer natürlichen<br />

Umwelt lebt er in einer – nur relativ stabilen – Kulturwelt. (Dies bedeutet,<br />

dass entgegen <strong>der</strong> Annahme von Verhaltensforschern speziell die<br />

menschliche Destruktivität im wesentlichen nicht aus <strong>der</strong> tierischen Aggressivität<br />

ableitbar ist.) Der Mensch ist von Natur wesentlich zur Vernunft,<br />

Freiheit und Humanität organisiert. Dementsprechend darf er „wählen,<br />

wenn er auch das Schlechteste wählte: er kann über sich gebieten,<br />

wenn er sich auch zum Niedrigsten aus eigener Wahl bestimmte.“ Das Wesen<br />

o<strong>der</strong> „die Natur“ des Menschen ist also nicht fertig und einfach vorgegeben,<br />

son<strong>der</strong>n geschichtlich aufgegeben und Resultat dessen, wozu <strong>der</strong>


12<br />

Mensch sich selbst verwirklicht und bestimmt, was aber objektive Möglichkeit<br />

bleibt und nicht im Belieben steht. „Der“ Mensch ist <strong>der</strong> Bildungsprozess<br />

des Menschen. „Die“ Vernunft ist kein fixes Vermögen, das <strong>der</strong><br />

Mensch hat, son<strong>der</strong>n sie ist „das fortgehende Werk <strong>der</strong> Bildung des<br />

menschlichen Lebens. Sie ist nicht angeboren...“ 12<br />

Unverkennbar ist die vielmals perhorreszierte Konzeption <strong>der</strong> Selbstverwirklichung<br />

des Menschen hier nicht entworfen aus prometheischer<br />

Überhebung, son<strong>der</strong>n auf Grund einer begründeten Analyse <strong>der</strong> geistigleiblichen<br />

Konstitution des Menschen.<br />

Diese Konzeption impliziert die Schlussfolgerung: die Ergründung dessen,<br />

wer <strong>der</strong> Mensch ist, ist keine rein theoretische, son<strong>der</strong>n auch eine<br />

praktisch-geschichtliche Frage.<br />

Daraus muss sich ergeben, dass die philosophischen Aussagen über<br />

den Menschen nicht in <strong>der</strong> Weise von wissenschaftlichen unbeteiligten<br />

Feststellungen über unmittelbar seiende Naturgegenstände, Dinge o<strong>der</strong><br />

„positive“ Fakten nur beinhalten, was <strong>der</strong> Mensch als Objekt ist, son<strong>der</strong>n<br />

zugleich auch, was <strong>der</strong> Mensch als Subjekt sein kann. Die philosophischen<br />

Aussagen über den Menschen for<strong>der</strong>n Anteil- und Stellungnahme<br />

heraus. Sie enthalten Elemente von Hinweisen <strong>für</strong> das Handeln. Sie lassen<br />

kein Sichabfinden mit den bestehenden „Fakten“ zu.<br />

Die philosophische Betrachtung des Menschen verliert damit die Möglichkeit,<br />

sich methodologisch einseitig an <strong>der</strong> Mathematik o<strong>der</strong> den Naturwissenschaften<br />

(die selbst nicht voraussetzungslos, son<strong>der</strong>n geschichtlich<br />

vermittelt sind) zu orientieren und zum Beispiel wie Spinoza „more geometrico“<br />

zu verfahren o<strong>der</strong> wie Kant einen „sichern Gang <strong>der</strong> Wissenschaft“<br />

zu erstreben.<br />

So wird ein – allerdings nicht geradliniger – Weg sichtbar von Her<strong>der</strong>s<br />

Bestimmung des Menschen zu Hegels Abgrenzung <strong>der</strong> Methode <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

von dem Verfahren des mathematischen Erkennens in <strong>der</strong> Vorrede<br />

<strong>der</strong> „Phänomenologie des Geistes“: während das mathematische Erkennen<br />

seinem Gegenstande äußerlich bleibt, steht dagegen das philosophische<br />

Erkennen nicht in souveräner Zuschauerhaltung „über“ <strong>der</strong> Sache; das<br />

philosophische Erkennen gehört wesentlich zu seinem Inhalt und dessen<br />

geschichtlich-praktischer Bewegung (die als Entstehung des Wesens, des


13<br />

Inneren, im „Werden des Daseins“, des Äußeren, zugleich Aufhebung des<br />

Daseins und „das sich Zurücknehmen ins Wesen“, ins Innere, ist). 13 Die<br />

philosophische Wahrheit beweist sich demnach nicht nur als eine Form<br />

des erkennenden Subjekts, son<strong>der</strong>n auch als Moment im Dasein, d. h. als<br />

Existenzweise in dem geschichtlich-praktischen Prozess (<strong>der</strong> als relatives<br />

Moment die Unwahrheit einschließt).<br />

Die Wahrheit – wie die Freiheit – muss <strong>für</strong> Hegel weitgehend im Gegensatz<br />

zur philosophischen Überlieferung letzten Endes deshalb eine Obliegenheit<br />

<strong>der</strong> Praxis, nicht nur <strong>der</strong> Kontemplation, werden, weil er den Willen,<br />

die Sphäre <strong>der</strong> Praxis, als untrennbar vom Geist, als das im dialektischen<br />

Sinne an<strong>der</strong>e des Geistes, bestimmt.<br />

Hegels Konzeption <strong>der</strong> Einheit volitiver und intellektueller Momente in<br />

<strong>der</strong> individuellen zielgerichteten Handlung, eingebettet in die Verhältnisse<br />

des objektiven Geistes, ist nicht im „naturalistischen“ Sinne so aufzufassen,<br />

dass die Handlung zwar von bewussten Zielen gesteuert wird, diese<br />

Ziele aber wie<strong>der</strong>um ausschließlich bewusst gewordene Ausdrucksformen<br />

selbständiger natürlicher Bedürfnisse sind. Dies wäre eine Zurückführung<br />

des Denkens auf den Willen. Da aber Hegel umgekehrt den Willen als das<br />

an<strong>der</strong>e des Geistes bestimmt, gelten ihm konsequenterweise als Quellen,<br />

die die Willenshandlunng mobilisieren und determinieren, letztlich geistige<br />

Zwecke selbst. Die Selbständigkeit <strong>der</strong> natürlichen Bedürfnisse<br />

und ihrer Gegenstände ist <strong>für</strong> Hegel nur <strong>der</strong> (notwendige) Schein<br />

auf dem Standpunkt <strong>der</strong> Endlichkeit des subjektiven Geistes, <strong>der</strong> eine<br />

Entäußerungsstufe des absoluten Geistes ist. Der Mensch auf dem Standpunkt<br />

des subjektiven endlichen Geistes hat in seiner Tätigkeit, wenn<br />

auch ihm selbst verborgen, als Inhalt und Interesse den Geist selbst, <strong>der</strong><br />

sich in dem Selbstverständnis des Menschen ausdrückt. Indem <strong>der</strong><br />

Mensch „seine Triebe hemmen o<strong>der</strong> laufen lassen kann, handelt er nach<br />

Zwecken, bestimmt er sich nach dem Allgemeinen. Welcher Zweck ihm<br />

gelten soll, hat er zu bestimmen; er kann das ganz Allgemeine selbst zu<br />

seinem Zwecke setzen. Was ihn dabei determiniert, sind die Vorstellungen<br />

von dem, was er sei und was er wolle... Er kann sich so den einfachen<br />

Begriff zu seinem Zwecke machen, z.B. seine positive Freiheit.“ 14<br />

Das Selbstbewusstsein des Menschen kommt also nicht beiläufig zum<br />

Bewusstsein des Gegenstandes <strong>der</strong> Willenshandlung hinzu, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong>


14<br />

Bewusstseinserfahrung drückt sich wesentlich das Wissen des Menschen<br />

von sich aus. Indem <strong>für</strong> Hegel das Selbstbewusstsein das Wesen des Menschen<br />

ist (das sich in <strong>der</strong> praktischen Lebensführung entfaltet), ist seine<br />

Konzeption auch zu unterscheiden von einer Auffassung, <strong>der</strong> das Selbstverständnis<br />

des Menschen zwar insofern notwendiges, nicht beiläufiges<br />

Moment seiner praktischen Lebensführung ist, als <strong>der</strong> Mensch nicht einfach<br />

hin natürlich und unmittelbar lebt, aber <strong>der</strong> das Selbstverständnis<br />

des Menschen dennoch nicht das Wesentliche ist.<br />

Für Hegel gehen also nicht nur etwa alle theoretischen und praktischen<br />

Tätigkeiten von einem bewussten und selbstbewussten „realen“ Menschen<br />

als geistig-leibliche Einheit aus und sind von ihm unabtrennbar, son<strong>der</strong>n<br />

sie wurzeln ursprünglich im Prozess des Selbstbewusstseins, in dem sich<br />

<strong>der</strong> „reale“ Mensch erst entwickelt.<br />

Hegels Konzeption des Selbstbewusstseins und <strong>der</strong> Scheinselbständigkeit<br />

<strong>der</strong> natürlichen Bedürfnisse ist untrennbar von seinem idealistischen<br />

Erfahrungsbegriff, demgemäß Gegenstand und Bewusstsein in das Wissen<br />

selbst fallen und sich dem Bewusstsein „in <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung des Wissens...<br />

in <strong>der</strong> Tat auch <strong>der</strong> Gegenstand selbst“ än<strong>der</strong>t. 15<br />

Das Grundprinzip, die letzte einheitliche Basis, des Theorie-Praxis-<br />

Verhältnisses sind <strong>für</strong> Hegel we<strong>der</strong> die Willensakte im voluntaristischen<br />

Sinne noch die äußeren Verhaltensweisen und (bewusstlosen) Reaktionen<br />

im behavioristischen und pragmatistisch-mechanistischen Sinne noch die<br />

Handlungen in dem Sinne, dass an ihnen sekundär die beiden in Wechselwirkung<br />

stehenden Momente des Willens und des Geistes als relativ<br />

selbständig getrennt werden, son<strong>der</strong>n dieses Grundprinzip ist: die Tätigkeit<br />

des Selbstbewusstseins, das als Bewusstsein erscheint und unmittelbar<br />

o<strong>der</strong> dem Begriff nach Geist ist.<br />

Die Entwicklung des Selbstbewusstseins, die Kontrolle und Regulierung<br />

<strong>der</strong> Triebe und die Herausbildung des Willens ermöglichen nicht nur das<br />

Sichablösen von <strong>der</strong> Natur und in dieser Weise die Entwicklung <strong>der</strong> Selbständigkeit<br />

des Subjekts, son<strong>der</strong>n zugleich den Verzicht auf ausschließlich<br />

individuelle, subjektive Motivation und damit positiv die Einordnung des<br />

subjektiven Willens in den allgemeinen Willen, d. h. das Entstehen spezifisch<br />

menschlicher Beziehungen als rechtliches, moralisches und sittlichpolitisches<br />

Verhalten.


15<br />

Das Individuum, das eine solche geistige objektive Welt vorfindet, hat,<br />

wie Hegel in <strong>der</strong> „Phänomenologie des Geistes“ darlegt, die Aufgabe, sie<br />

aufzuarbeiten und zu integrieren: „Der einzelne muss auch dem Inhalte<br />

nach die Bildungsstufen des allgemeinen Geistes durchlaufen, aber als<br />

vom Geiste schon abgelegte Gestalten, als Stufen eines Wegs, <strong>der</strong> ausgearbeitet<br />

und geebnet ist...“ 16<br />

Das Individuum kann sich nicht verwirklichen, indem es das Dass vom<br />

Was abtrennt und die allgemeinen objektiven geschichtlichgesellschaftlichen<br />

Verhältnisse zu überspringen sucht. Es kann nicht hinaus<br />

über die vorgegebene objektive Stufe <strong>der</strong> Entwicklung seines Volkes.<br />

Wenn auch Leidenschaft, partikulares Interesse und selbstsüchtige Zwecke<br />

die Triebkraft des Handelnden sind, so ist doch einerseits ihr Inhalt –<br />

da <strong>der</strong> Handelnde denken<strong>der</strong> Mensch ist – „durchzogen mit allgemeinen,<br />

wesenhaften Bestimmungen des Rechts, des Guten, <strong>der</strong> Pflicht usf.“ 17 ; an<strong>der</strong>erseits<br />

führt aber auch das Handeln des einzelnen – kraft <strong>der</strong> „List <strong>der</strong><br />

Vernunft“ 18 – zu allgemeinen Ergebnissen, die nicht in seiner beson<strong>der</strong>en<br />

Absicht gelegen haben müssen. (Dabei führt die Tätigkeit <strong>der</strong> „welthistorischen<br />

Individuen“ – unter unerlässlicher Berücksichtigung dessen, was<br />

objektiv „an <strong>der</strong> Zeit ist“ und „im Innern schon vorhanden“ ist – im Gegensatz<br />

zur Aktivität <strong>der</strong> „erhaltenden Individuen“ zu einer qualitativ höheren<br />

Stufe <strong>der</strong> allgemeinen Verhältnisse des objektiven Geistes.) Der objektive<br />

Inhalt wird realisiert, auch wenn <strong>der</strong> einzelne Mensch sein „Wohl“ o<strong>der</strong><br />

seine „Glückseligkeit“ anstrebt, d. h. die Harmonie und Befriedigung seiner<br />

subjektiven Absichten und beson<strong>der</strong>en Bedürfnisse und Interessen. 19<br />

Die Hemmung <strong>der</strong> Triebe und die Herausbildung des individuellen Willens<br />

dürfen nicht dazu führen, dass <strong>der</strong> Mensch sich in sich zurück zu<br />

ziehen und in einem romantischen Kultus <strong>der</strong> Innerlichkeit und Subjektivität<br />

abzuschließen versucht. Da Geist und Wille wie Wesen und Erscheinung<br />

eine untrennbare Einheit bilden, muss <strong>der</strong> Geist sich äußern in<br />

Handlungen und Taten. Dem entspricht in <strong>der</strong> philosophischen Wissenschaft<br />

das von Hegel nachdrücklich hervorgehobene Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />

Durchführung des allgemeinen Prinzips. 20<br />

Was <strong>der</strong> Mensch tut, das ist er (und umgekehrt). „Das, was <strong>der</strong> Mensch<br />

ist, ist seine Tat, ist die Reihe seiner Taten, ist das, wozu er sich gemacht


16<br />

hat... So ist <strong>der</strong> Geist wesentlich Energie, und man kann bei ihm nicht von<br />

<strong>der</strong> Erscheinung abstrahieren.“ 21<br />

Infolgedessen muss <strong>der</strong> Mensch <strong>für</strong> seine Handlungen einstehen. Er<br />

kann sich nicht auf eine „innere Handlung“ berufen. Letztlich sind nicht<br />

einmal seine ehrlichen Absichten und Gesinnungen entscheiden<strong>der</strong> Maßstab<br />

zur Beurteilung seines praktischen Verhaltens in sittlicher Hinsicht,<br />

worauf im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> konkreten Sittlichkeit und<br />

Hegels Kritik an Kants und Fichtes ethischen Formalismus zurück zu<br />

kommen ist.<br />

Allerdings hat <strong>der</strong> einzelne Mensch nicht diejenigen Konsequenzen seiner<br />

Handlung als „imputable“ Schuld, als das „Seinige“, zu übernehmen,<br />

die keine „immanente Gestaltung <strong>der</strong> Handlung“ sind, son<strong>der</strong>n hervorgehen<br />

aus äußeren – zufälligen und notwendigen – Umständen, die er nicht<br />

kannte o<strong>der</strong> verkannte und die er infolgedessen nicht in den Vorsatz einbeziehen<br />

konnte. Hierin liegt die Anerkennung des Menschen als Denkenden.<br />

22<br />

Das heißt in Hegels Terminologie: <strong>der</strong> einzelne Mensch hat sich nur<br />

seine „Handlungen“, nicht aber seine „Taten“ in vollem Umfange als<br />

Schuld zuzurechnen. („Schuld“ im Hegelschen Sinne hat <strong>der</strong> Mensch notwendigerweise,<br />

insofern er nämlich aus <strong>der</strong> Unschuld des Naturzustandes<br />

heraustritt und überhaupt seine Handlungen will.) Zur „Handlung“ gehört<br />

also allein die mit Vorsatz, zur „Tat“ auch die ohne Vorsatz hervorgebrachte<br />

praktische Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> objektiven Wirklichkeit (wobei grundsätzlich<br />

im Vorsatz das, was noch nicht da ist und erst sein soll, in Differenz<br />

steht zu dem, was unmittelbar vorliegt).<br />

Seine Tat, nicht nur seine Handlung hat, wie Hegel analysiert, <strong>der</strong> heroische<br />

Mensch in <strong>der</strong> antiken Tragödie – Ödipus o<strong>der</strong> Ajax zum Beispiel –<br />

zu büßen. 23<br />

Aber auch <strong>der</strong> Mensch in unserer Zeit muss nach Hegels Konzeption<br />

<strong>der</strong> konkreten Sittlichkeit dann den ganzen Umfang seiner Handlung auf<br />

sich nehmen und verantworten, wenn er – auch ohne Vorsatz – die wesentlichen<br />

sittlichen zwischenmenschlichen Verhältnisse verletzt; denn er ist<br />

wesentlich denken<strong>der</strong> und frei wollen<strong>der</strong> Mensch.


17<br />

Dass <strong>der</strong> Geist des Menschen sich wesentlich nur in Handlungen und<br />

Taten äußert, macht Hegel mit beson<strong>der</strong>er Schärfe deutlich im Zusammenhang<br />

mit seiner Polemik gegen die Physiognomik (Lavaters) und die<br />

Phrenologie (Galls) in <strong>der</strong> „Phänomenologie des Geistes“ in dem Kapitel:<br />

„Beobachtung <strong>der</strong> Beziehung des Selbstbewusstseins auf seine unmittelbare<br />

Wirklichkeit; Physiognomik und Schädellehre“.<br />

Die Äußerung des Inneren in Schädelbildung und Physiognomie bildet,<br />

wie Hegel ausführt, kein wesentliches und notwendiges Verhältnis. Sie<br />

macht den Geist nicht begreiflich. Eine zufällige, nur unbestimmte Meinungen<br />

und Vorstellungen zulassende nicht gesetzmäßige Verbindung von<br />

Innen und Außen ist <strong>der</strong> sinnliche daseiende Ausdruck – das Sein <strong>für</strong> an<strong>der</strong>e<br />

– des Inneren in den leiblichen Organen, <strong>der</strong> Gestalt, <strong>der</strong> Stimme, den<br />

Zeichen <strong>der</strong> Mienen und Gebärden, dem Gesicht und <strong>der</strong> Handschrift, erst<br />

recht im toten Knochenbau („Es ist... <strong>für</strong> völlige Verleugnung <strong>der</strong> Vernunft<br />

anzusehen, <strong>für</strong> das wirkliche Dasein des Bewusstseins einen Knochen<br />

auszugeben“ 24 ).<br />

Sogar die Hand, nach Aristoteles „das Werkzeug <strong>der</strong> Werkzeuge“, ist<br />

nicht die wahre Vergegenständlichung des Geistes, obgleich sie „nächst<br />

dem Organ <strong>der</strong> Sprache am meisten es ist, wodurch <strong>der</strong> Mensch sich zur<br />

Erscheinung und Verwirklichung bringt. Sie ist <strong>der</strong> beseelte Werkmeister<br />

seines Glücks; man kann von ihr sagen, sie ist das, was <strong>der</strong> Mensch tut,<br />

denn an ihr als dem tätigen Organ seines Sichselbstvollbringens ist er als<br />

Beseelen<strong>der</strong> gegenwärtig...“ 25 In den leiblichen Organen ist das Tun noch<br />

als Tun o<strong>der</strong> als Inneres am Individuum einfach gegenwärtig; es ist nicht<br />

eigentlich nach außen getreten, jedenfalls im Vergleich zu seiner Äußerung<br />

in (<strong>der</strong> Vielheit <strong>der</strong>) Taten und Werke, die vom Individuum abson<strong>der</strong>bar<br />

sind.<br />

Sprache und Arbeit dagegen sind „Äußerungen, worin das Individuum<br />

nicht mehr an ihm selbst sich behält und besitzt, son<strong>der</strong>n das Innere ganz<br />

außer sich kommen lässt, und dasselbe An<strong>der</strong>em preisgibt“. 26<br />

Wenn die leiblichen Erscheinungen die wahren Ausdrucksformen, die<br />

„Phänomenologie“, des individuellen Geistes wären, würde <strong>der</strong> Geist nur<br />

verbunden mit <strong>der</strong> Vergangenheit <strong>der</strong> vita acta, nicht mit <strong>der</strong> Gegenwart<br />

und Zukunft <strong>der</strong> vita agenda.


18<br />

Was aber <strong>der</strong> einzelne Mensch an sich ist, lässt sich – mit Solon - erst<br />

aus und nach dem ganzen Lebensvollzug wissen. 27 Die Freiheit des tätigen<br />

Individuums wi<strong>der</strong>streitet <strong>der</strong> wesentlichen Festlegung auf sein leibliches<br />

Dasein. 28 Zustimmend zitiert Hegel Lichtenberg: „Gesetzt, <strong>der</strong> Physiognom<br />

haschte den Menschen einmal, so käme es nur auf einen braven Entschluss<br />

an, sich wie<strong>der</strong> auf Jahrtausende unbegreiflich zu machen.“ 29<br />

Nur im Willen, in <strong>der</strong> Handlung und <strong>der</strong> Tat hat also <strong>der</strong> Geist seine<br />

wesentliche gegenständliche Wirklichkeit, die Erfüllung seiner Möglichkeiten,<br />

seine Reflexion in sich, seine Selbstbestätigung: „Das wahre Sein des<br />

Menschen ist... seine Tat; in ihr ist die Individualität wirklich... die Individualität<br />

stellt sich in <strong>der</strong> Handlung als das negative Wesen da, welches<br />

nur ist, insofern es Sein aufhebt.“ 30<br />

Da die vollbrachten Taten – wie z. B. „Mord, Diebstahl o<strong>der</strong> Wohltat“ –<br />

nicht eine „gemeinte“ unaussprechliche infinite Bedeutung haben, son<strong>der</strong>n<br />

eine feste Bestimmtheit, ist in ihnen die „schlechte Unendlichkeit vernichtet.“<br />

Die Tat „ist dies, und ihr Sein ist nicht nur ein Zeichen, son<strong>der</strong>n die<br />

Sache selbst. Sie ist dies, und <strong>der</strong> individuelle Mensch ist, was sie ist...“ 31<br />

Indem also <strong>der</strong> menschliche Geist – wie auch die voran gegangenen Kapitel<br />

in <strong>der</strong> „Phänomenologie des Geistes“ über die Vernunft sowie über die<br />

sinnliche Gewissheit, die Wahrnehmung und den Verstand demonstrieren<br />

– seine Realität, d. h. die Objektivität o<strong>der</strong> Entäußerung seiner Subjektivität,<br />

nur in den Gegenständen als seinen eigenen Werken, nicht in den<br />

Gegenständen als unvermittelt seienden, gegebenen Dingen erfährt, haben<br />

wir es hier mit dem Gegensatz des Theoretischen und Praktischen zu tun;<br />

und Hegel kommt konsequenterweise zu dem Resultat: das Bewusstsein<br />

muss, um seine Freiheit hinsichtlich <strong>der</strong> Dinge zu gewinnen, von <strong>der</strong> gescheiterten<br />

theoretischen „beobachtenden“ reproduzierenden (gleichsam<br />

protokollierenden und datenverarbeitenden) Einstellung – hier in Gestalt<br />

<strong>der</strong> Physiognomik und Phrenologie – übergehen zu einer praktischen Einstellung:<br />

„Das Bewusstsein will sich nicht mehr unmittelbar finden,<br />

son<strong>der</strong>n durch seine Tätigkeit sich selbst hervorbringen. Es selbst ist<br />

sich <strong>der</strong> Zweck seines Tuns, wie es ihm im Beobachten nur um die Dinge<br />

zu tun war.“ 32


19<br />

2. Die Mangelhaftigkeit, Einseitigkeit und Unfreiheit <strong>der</strong> Theorie und<br />

Praxis im Bereich <strong>der</strong> Endlichkeit<br />

Wenn bisher die Einheit des Theoretischen und Praktischen hervorgehoben<br />

wurde, so kommt es jetzt darauf an, ihre Differenz zu erfassen.<br />

Hier<strong>für</strong> ist <strong>der</strong> Ausgangspunkt <strong>der</strong> Subjekt-Objekt-Gegensatz.<br />

„Subjekt“ <strong>der</strong> Theorie und Praxis ist aber nicht etwa <strong>der</strong> Mensch als<br />

leiblich-geistige Einheit, son<strong>der</strong>n das „Bewusstsein“ o<strong>der</strong> „Ich“ ist es, das<br />

sich als „Subjekt“ praktisch o<strong>der</strong> theoretisch zu den Gegenständen verhält<br />

und den Gegensatz zu ihnen zur Versöhnung und zur Freiheit – als dem<br />

Beisichsein im an<strong>der</strong>en – zu bringen sucht. „Den höchsten Inhalt nun,<br />

welchen das Subjektive in sich zu befassen vermag, können wir kurzweg<br />

die Freiheit nennen.“ 33<br />

Die Unfreiheit ist das Objektive, das dem Subjekt als Schranke und<br />

Fremdes gegenübersteht. „Der Trieb <strong>der</strong> Wissbegierde, <strong>der</strong> Drang nach<br />

Kenntnis, von <strong>der</strong> untersten Stufe an bis zur höchsten Staffel philosophischer<br />

Einsicht hinauf, geht nur aus dem Streben hervor, jenes Verhältnis<br />

<strong>der</strong> Unfreiheit aufzuheben und sich die Welt in <strong>der</strong> Vorstellung und im<br />

Denken zu eigen zu machen. In <strong>der</strong> umgekehrten Weise gehe die Freiheit<br />

im Handeln darauf aus, dass die Vernunft des Willens Wirklichkeit erlange.“<br />

34<br />

Es ergibt sich: die endliche o<strong>der</strong> relative theoretische und praktische<br />

Tätigkeit in <strong>der</strong> Sphäre des subjektiven Geistes unterscheiden sich vor allem<br />

durch eine umgekehrte Stellung des Ich zum Gegenstand: in <strong>der</strong> theoretischen<br />

Tätigkeit verän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> bestimmt (durch Setzung eines Unterschieds)<br />

<strong>der</strong> Gegenstand das Ich, in <strong>der</strong> praktischen Tätigkeit dagegen bestimmt<br />

o<strong>der</strong> verän<strong>der</strong>t das Ich den Gegenstand (sei er ein äußerer, sinnlicher,<br />

sei er ein innerer, intelligibler des objektiven Geistes, also ein rechtlicher,<br />

moralischer o<strong>der</strong> sittlicher 35 , wobei im letzten Fall <strong>der</strong> Gegensatz im<br />

Inneren und Subjektiven selbst liegt). Die Vereinigung von Subjekt und<br />

Objekt ist also in Theorie und Praxis gegenläufig: in <strong>der</strong> Theorie wird das<br />

Innere mit dem Äußeren, in <strong>der</strong> Praxis das Äußere mit dem Inneren zur<br />

Übereinstimmung gebracht. Der Anfang <strong>der</strong> Theorie liegt bei dem äußeren<br />

Vorhandenen, <strong>der</strong> Anfang <strong>der</strong> Praxis bei dem inneren Entschluss. 36


20<br />

Hegel erkennt, dass – innerhalb dieses endlichen Verhältnisses von<br />

Subjekt und Objekt – sowohl die Praxis als auch die Theorie einseitig und<br />

mangelhaft ist. 37<br />

Die Einseitigkeit <strong>der</strong> Theorie besteht erstens darin, dass sich das Subjekt<br />

in <strong>der</strong> Theorie passiv verhält, d. h. sich (unter Ausschaltung subjektiver<br />

Vorurteile) nach den objektiven Gegenständen richtet, diese als selbständig<br />

gewähren lässt und sich somit dem Vorhandenen unterwirft, das<br />

seinerseits von dem Subjekt nicht bestimmt wird und <strong>der</strong> Selbstbestimmung<br />

des Subjekts entgegensteht. 38<br />

Hegels Feststellung, das theoretische Bewusstsein verhalte sich in Bezug<br />

auf den Gegenstand passiv, mag auf den ersten Blick paradox und<br />

unvereinbar damit erscheinen, dass <strong>für</strong> Hegel gerade die Bewusstseinsdialektik<br />

Impuls <strong>der</strong> Erkenntnisbewegung ist.<br />

Aber es ist zu berücksichtigen: das Bewusstsein ist nur die einseitige<br />

abstrakte Erscheinung des Selbstbewusstseins und Geistes; und erst dieser<br />

ist die Vermittlung o<strong>der</strong> Negativität (die Negation <strong>der</strong> Negation)<br />

schlechthin, <strong>der</strong> sich sowohl das Bewusstsein als auch <strong>der</strong> Gegenstand<br />

nicht mehr als unmittelbar gegeben, son<strong>der</strong>n als vermittelt darstellt.<br />

Das endliche Subjekt ist, wie Hegel ausführt, im theoretischen Verhalten<br />

nur scheinbar frei, d. h. bei sich selbst im an<strong>der</strong>en, in Wirklichkeit aber<br />

durch die als selbständig sich erhaltenden Objekte beschränkt.<br />

Zwar wird durch die passive Aufnahme des objektiven Inhalts die Abstraktheit<br />

und Leerheit <strong>der</strong> unmittelbaren SelbstGewissheit, des reinen<br />

Fürsichseins o<strong>der</strong> <strong>der</strong> formalen Freiheit aufgehoben, aber nur zugunsten<br />

einer Abhängigkeit von dem in <strong>der</strong> Außenwelt vorgefundenen Inhalt.<br />

Wie Hegel nicht entgeht, ist die theoretische Einstellung des endlichen<br />

Subjekts allerdings nicht gänzlich passiv: das Empfangen <strong>der</strong> Eindrücke<br />

von den Gegenständen ist begleitet von <strong>der</strong> richtungsweisenden und auswählenden<br />

Aktivität <strong>der</strong> Aufmerksamkeit. 39<br />

Überhaupt bedeutet die Passivität des theoretischen Verhaltens des<br />

endlichen Subjekts gegenüber dem äußeren Inhalt keineswegs, dass in<br />

ihm die Aktivität innerer Denkoperationen, die formale Selbstbestimmung<br />

des Bewusstseins ausgeschlossen wäre. 40


21<br />

Zweitens besteht im Theoretischen Einseitigkeit hinsichtlich <strong>der</strong> Objekte:<br />

die äußeren Gegenstände werden nur als seiende, nicht als <strong>für</strong>sich seiende,<br />

Zweck und Begriff in sich tragende gefasst; die Einheit des Begriffs<br />

ist hier nur außerhalb ihrer, nämlich im theoretischen endlichen Subjekt.<br />

Es ist offensichtlich: dies letztere bemängelt Hegel an dem endlichen<br />

theoretischen Verhalten vom Standpunkt nicht mehr des objektiven, son<strong>der</strong>n<br />

des absoluten Idealismus, d. h. vom Standpunkt seines idealistischen<br />

Objektivitätsbegriffs, demgemäß die Gegenstandswelt zwar unabhängig<br />

vom menschlichen Bewusstsein, aber abhängig vom absoluten Geist ist.<br />

Bevor auf die Einseitigkeit <strong>der</strong> endlichen praktischen Tätigkeit eingegangen<br />

wird, seien die hauptsächlichen in Frage stehenden Formen des<br />

endlichen theoretischen Bewusstseins, die Hegel im einzelnen analysiert,<br />

in aller Kürze angeführt 41 : die Wahrnehmung – ebenso wie schon die<br />

„sinnliche Gewissheit“ des Hier und Jetzt – setzt im Unterschied zur Empfindung<br />

das Bewusstgewordensein des Subjekt-Objekt-Gegensatzes voraus<br />

und ist gegenständlich.<br />

Die Vorstellungen <strong>der</strong> Einbildungskraft sind sinnlich-bildliche Reproduktionen<br />

von Gegenständen, die im Gegensatz zu den Wahrnehmungsobjekten<br />

nicht unmittelbar räumlich-zeitlich gegenwärtig zu sein brauchen,<br />

o<strong>der</strong> sie sind – in <strong>der</strong> produktiven Einbildungskraft – schöpferische Umbildungen<br />

<strong>der</strong>artiger Gegenstände.<br />

Die Erinnerung – das innere Aufbewahren und Bleiben des Wahrgenommenen<br />

– ist die Voraussetzung <strong>für</strong> dessen Reproduktion o<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>erkennen<br />

in <strong>der</strong> Vorstellung und <strong>für</strong> die Verknüpfung mehrerer Erscheinungen<br />

in <strong>der</strong> Erfahrung.<br />

Ebenfalls auf <strong>der</strong> Erinnerungsfähigkeit basiert die Sprache als ein System<br />

von Hör- und Sehbil<strong>der</strong>n mit signifikativer (semantischer) und kommunikativer<br />

Funktion, das „ausgedehnteste Werk <strong>der</strong> Einbildungskraft. 42<br />

Sprache und Gedanke sind in unterschiedener Einheit. Sprache ist die<br />

sinnliche Existenzform <strong>der</strong> allgemeinen unsinnlichen Gedanken. (Implizit<br />

zurückgewiesen ist Locke’s Mosaiktheorie einer jeweils privaten Sprache,<br />

die völlig getrennten Bewusstseinswelten <strong>der</strong> Individuen angehört.) Die<br />

Einbildungskraft löst sich von den sinnlichen Gegenständen, abstrahiert<br />

schon von den anschaulichen Einzelheiten, vereinfacht, hebt allgemeine


22<br />

Züge hervor und ist fähig, in <strong>der</strong> Kunst das Innere sichtbar zu machen<br />

(zum Beispiel in Gestalt <strong>der</strong> Allegorie o<strong>der</strong> des Symbols – nach dem Wortgebrauch<br />

Goethes –, d. h. in Gestalt des Repräsentierens des Allgemeinen<br />

im Beson<strong>der</strong>en, <strong>der</strong> Einheit von Bild und allgemeiner Bedeutung o<strong>der</strong> gedanklichem<br />

Gehalt). Die Einbildungskraft bildet somit die Mitte in <strong>der</strong> Anodos<br />

zu den allgemeinen Gedanken.<br />

We<strong>der</strong> einseitig rationalistisch noch empiristisch ist Hegels Konzeption<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> Quellen <strong>der</strong> endlichen Erkenntnis: er trennt we<strong>der</strong> Sinnliches<br />

und Rationales, Einzelnes und Allgemeines sowie Erscheinung und<br />

Wesen gänzlich voneinan<strong>der</strong> – als könnte das Erkennen die Empirie umgehen<br />

und unmittelbar das Wesen erfassen – noch fährt er das Rationale<br />

auf das Sinnliche zurück – als könnte Erkenntnis eine Summation von<br />

Sinnesdaten sein. 43<br />

Zu den nicht-sinnlichen, rationalen Formen des endlichen theoretischen<br />

Bewusstseins gehört zunächst als elementare Verstandestätigkeit<br />

<strong>der</strong> Vergleich einzelner Wahrnehmungsgegenstände, d. h. das Aufdecken<br />

des Identischen und Differenten.<br />

Damit wird <strong>der</strong> Übergang gemacht zur Abstraktion, die das Herausheben<br />

eines einzelnen Momentes eines wahrgenommenen sinnlichen Konkreten,<br />

also einer Einheit mannigfaltiger Bestimmungen, und sein Fixieren<br />

zur einfachen Allgemeinheit ist. (Das allgemeine naturwissenschaftliche<br />

Gesetz ist <strong>für</strong> Hegel wesentlich Begriff und damit nicht abhängig von induktorischer<br />

infiniter Verifikation 44 .)<br />

Abstraktionen und Definitionen werden gebildet in Verbindung mit den<br />

theoretischen Operationen <strong>der</strong> Analyse und Synthese. Die Analyse ist das<br />

Zerglie<strong>der</strong>n eines einheitlichen konkreten Gegenstandes <strong>der</strong> sinnlichen<br />

Wahrnehmung in allgemeine abstrakte Elemente, und die Synthese ist das<br />

Wie<strong>der</strong>herstellen <strong>der</strong> konkreten Einheit vermittels <strong>der</strong> Vereinigung <strong>der</strong> abstrakten<br />

Elemente auf <strong>der</strong> höheren Stufe des Denkens, so dass das sinnliche<br />

Konkrete Ausgangspunkt <strong>der</strong> Analyse und das gedankliche Konkrete<br />

Resultat <strong>der</strong> Synthese ist. 45<br />

Die grundlegende Verstandestätigkeit des Urteilens ist, wie Hegel aufweist,<br />

immanent dialektisch, insofern – z. B. in dem Urteil „die Rose ist<br />

rot“ – die Kopula in <strong>der</strong> Verbindung von Subjekt und Prädikat mit <strong>der</strong> Un-


23<br />

terschiedenheit zugleich die Einheit des Einzelnen und Allgemeinen ausdrückt.<br />

Da in allem Seienden Einzelheit und Allgemeinheit vereint sind,<br />

kann Hegel sagen: „... alle Dinge sind ein Urteil.“ 46<br />

Schließlich ist <strong>der</strong> Syllogismus eine Form des endlichen Erkennens. Im<br />

Verstandesschluss stehen die drei Begriffe in einem äußerlichen Verhältnis.<br />

Auf dem Standpunkt <strong>der</strong> absoluten spekulativen Theorie aber enthüllt<br />

sich nach Hegels Auf-fassung <strong>der</strong> subjektive Schluss als Entäußerungsstufe<br />

des objektiven Zusammenschlusses des absoluten Subjekts mit sich<br />

selbst vermittels seiner Momente.<br />

Im Gegensatz zum endlichen theoretischen Verhalten kommt in <strong>der</strong><br />

endlichen praktischen Tätigkeit die Unselbständigkeit <strong>der</strong> Objekte ausdrücklich<br />

zur Geltung. (Von dieser Praxis ist zu unterscheiden die konkret<br />

unendliche Praxis auf <strong>der</strong> Stufe des objektiven Geistes.) Das Subjekt „triumphiert“<br />

über das unmittelbar Gegebene und äußerlich Vorhandene<br />

durch dessen Negation. Nach seinen Zwecken und Interessen verän<strong>der</strong>t<br />

und verarbeitet <strong>der</strong> Mensch die ihm dienstbare machtlose Außenwelt. Mittels<br />

des Kriteriums <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Außenwelt teilt Hegel auch die<br />

Sinnesorgane in praktische und theoretische ein. 47<br />

Dass die Objekte nicht als unabhängig <strong>für</strong> sich und nicht als in sich<br />

zweckvoll gefasst werden, darin liegt aber auch <strong>für</strong> Hegel ein Mangel <strong>der</strong><br />

endlichen Praxis (ebenso wie <strong>der</strong> endlichen Theorie).<br />

Zweitens besteht in <strong>der</strong> praktischen Tätigkeit nach dee subjektiven Seite<br />

hin die Einseitigkeit und Unfreiheit darin, dass die Objektwelt zwar –<br />

im Gegensatz zum passiven theoretischen Verhalten – von den inneren<br />

Zwecken des endlichen Subjekts bestimmt wird und sich als unselbständig<br />

erweist, aber dennoch durch die Praxis nur relativ „formiert“ werden<br />

kann und letztlich in ihrer Objektivität dem Subjekt unüberwindlich wi<strong>der</strong>steht.<br />

Die endliche Praxis ist in <strong>der</strong> Tat zweiseitig: zur Aktivität gehört fatalerweise<br />

die Passivität, nämlich die äußere Bedingtheit und Abhängigkeit von<br />

den objektiven Umständen. (Weiter ist an <strong>der</strong> Praxis mangelhaft, dass die<br />

menschlichen Zwecke, Bedürfnisse und Interessen von außen beeinflusst<br />

sind, untereinan<strong>der</strong> in Konflikt geraten und zu zufälligen und willkürlichen<br />

Entscheidungen führen können.)


24<br />

Kurz: die Praxis ist <strong>für</strong> Hegel in zweifacher Hinsicht – nach <strong>der</strong> objektiven<br />

und <strong>der</strong> subjektiven Seite – mangelhaft: erstens verhin<strong>der</strong>t sie als Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> objektiven Wirklichkeit die vollkommene Autonomie <strong>der</strong> objektiven<br />

Wirklichkeit; zweitens verhin<strong>der</strong>t sie als nur relative Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> objektiven Wirklichkeit die vollkommene Autonomie des Subjekts.<br />

Zu den Formen des praktischen individuellen Bewusstseins gehören<br />

außer dem Willen als Trieb, Neigung, Leidenschaft, Begierde und Interesse<br />

auch die praktischen Gefühle . 48<br />

Als Grundlage <strong>der</strong> praktischen Gefühle und ihrer Polarität des Angenehmen<br />

und Unangenehmen erkennt Hegel die Beziehung zwischen den<br />

Bedürfnissen des Subjekts und den Objekten; das heißt: die praktischen<br />

Gefühle, z.B. Freude und Schmerz, sind <strong>der</strong> Ausdruck davon, wie <strong>der</strong><br />

Handelnde in <strong>der</strong> Außenwelt <strong>für</strong> seine individuellen Bedürfnisse eine Entsprechung<br />

findet. Die praktischen Gefühle sind in dieser Weise eine subjektive<br />

– die niedrigste – Form des objektiven Inhalts. Nicht nur Verstand<br />

und Wille, son<strong>der</strong>n auch Gefühl und Wille sind im Menschen eine Einheit<br />

und keine isolierten fertigen Vermögen, beisammen „wie in einem Sacke“. 49<br />

Sowohl die endliche Theorie als auch die endliche Praxis knüpft also<br />

das Band zwischen Ich und Gegenstandswelt; sie überwinden jeweils in<br />

einan<strong>der</strong> ergänzen<strong>der</strong> Weise den Gegensatz und die Entfremdung von Subjekt<br />

und Objekt, indem die „Einseitigkeit <strong>der</strong> Subjektivität“ – die unmittelbare<br />

Selbständigkeit des Subjekts – von <strong>der</strong> die Objekte aufnehmenden<br />

Theorie, und die „Einseitigkeit <strong>der</strong> Objektivität“ 50 – die unmittelbare Selbständigkeit<br />

<strong>der</strong> Objekte – von <strong>der</strong> die Objekte verän<strong>der</strong>nden Praxis negiert<br />

wird. „Diejenigen, welche soviel von <strong>der</strong> Festigkeit und Unüberwindlichkeit<br />

des Endlichen, sowohl des Subjektiven als des Objektiven sprechen, haben<br />

an jedem Triebe das Beispiel von dem Gegenteil. Der Trieb ist sozusagen<br />

die Gewissheit, dass das Subjektive nur einseitig ist und keine Wahrheit<br />

hat, ebensowenig als das Objektive“. 51<br />

Dass sowohl die Theorie als auch die Praxis Bewusstsein und Gegenstand<br />

vereint, heißt, dass ihre zugrunde liegende Struktur die gleiche ist,<br />

nämlich die Negation <strong>der</strong> Negation (die Negativität).<br />

Indem Theorie und Praxis die Entzweiung von Subjekt und Objekt aufheben,<br />

negieren sie nämlich – jeweils auf entgegengesetzter Seite – das


25<br />

unmittelbar Gegebene. Das von Theorie und Praxis mittels <strong>der</strong> Negation in<br />

gleicher Form angestrebte Resultat ist die versöhnende Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

<strong>der</strong> Einheit und Freiheit, die sich im an<strong>der</strong>en mit sich zusammenschließende,<br />

vermittelte Rückkehr des Subjekts in sich (o<strong>der</strong> das Fürsichsein als<br />

Negation <strong>der</strong> Negation und „wahrhafte Unendlichkeit“). „Die Gegenstände,<br />

sofern ich mich zu ihnen mit dem Triebe danach verhalte, sind Mittel <strong>der</strong><br />

Intregation; dies macht überhaupt die Grundlage des Theoretischen und<br />

Praktischen aus.“ 52<br />

Aber sowohl die theoretische als auch die praktische Vereinigung von<br />

Subjekt und Objekt in <strong>der</strong> Sphäre <strong>der</strong> Endlichkeit – und das heißt: im Bereich<br />

nicht nur des subjektiven, son<strong>der</strong>n auch des objektiven Geistes –<br />

bleibt eine Beziehung auf an<strong>der</strong>es und bringt keine Auflösung aller Wi<strong>der</strong>sprüche.<br />

Die Abhängigkeit o<strong>der</strong> Unfreiheit ist nur formal o<strong>der</strong> an sich, aber nicht<br />

inhaltlich aufgehoben. „Die physischen Bedürfnisse, das Wissen und Wollen<br />

des Menschen erhalten nun also in <strong>der</strong> Tat eine Befriedigung in <strong>der</strong><br />

Welt und lösen den Gegensatz von Subjektivem und Objektivem, von innerer<br />

Freiheit und äußerlich vorhandener Notwendigkeit in freier Weise auf.<br />

Der Inhalt aber dieser Freiheit und Befriedigung bleibt dennoch beschränkt,<br />

und so behält auch die Freiheit und das Sichselbstgenügen eine<br />

Seite <strong>der</strong> Endlichkeit. Wo aber Endlichkeit ist, da bricht auch <strong>der</strong> Gegensatz<br />

und Wi<strong>der</strong>spruch stets wie<strong>der</strong> von neuem durch, und die Befriedigung<br />

kommt über das Relative nicht hinaus... Was <strong>der</strong>... in Endlichkeit verstrickte<br />

Mensch sucht, ist die Region einer höheren, substantielleren<br />

Wahrheit, in welcher alle Gegensätze und Wi<strong>der</strong>sprüche des Endlichen ihre<br />

letzte Lösung und die Freiheit ihre volle Befriedigung finden können.“ 53<br />

Indem Hegel mit dem absolut idealistischen Anspruch auftritt, wahre<br />

Freiheit erfor<strong>der</strong>e die Beziehung eines Subjekts auf einen objektiven Inhalt<br />

als Beziehung auf sich selbst, d. h. sie erfor<strong>der</strong>e die Aufhebung aller äußeren<br />

Bedingtheit und somit <strong>der</strong> Gegenständlichkeit als solcher, kann er konsequenterweise<br />

das endliche theoretische und praktische Subjekt-Objekt-<br />

Verhältnis als nur unvollkommene Einheit und Freiheit bestimmen.<br />

Innerhalb des endlichen Verhältnisses ist in <strong>der</strong> Tat <strong>für</strong> Theorie und<br />

Praxis nur eine Konvergenz an die inhaltliche Synthese von Subjekt und<br />

Objekt erreichbar. Vollkommene Vereinigung von Subjekt und Objekt,


26<br />

Form und Inhalt, Begriff o<strong>der</strong> Idealität und Realität, Denken und Sein, d.<br />

h. restlose Überwindung des Wi<strong>der</strong>standes <strong>der</strong> Objektivität und damit<br />

vollkommene Freiheit lässt sich <strong>für</strong> Hegel jedoch, wie zu zeigen sein wird,<br />

gewinnen im absoluten Denken.<br />

Aber schon das ästhetische Verhalten ist eine Synthese des Praktischen<br />

und Theoretischen, eine Aufhebung ihrer Einseitigkeit und Unfreiheit, und<br />

steht damit höher als die endliche Theorie und die Praxis, d. h. es gehört<br />

zum absoluten Geist.<br />

Obgleich nämlich das Kunstwerk, <strong>der</strong> schöne Gegenstand, nicht wie <strong>der</strong><br />

Gegenstand <strong>der</strong> praktischen Tätigkeit <strong>der</strong> Begierde zerstört wird, macht es<br />

den Betrachter doch auch nicht –trotz seines beschränkten Inhalts – abhängig<br />

und unfrei wie <strong>der</strong> Gegenstand <strong>der</strong> endlichen Theorie. (Das Kunstwerk<br />

setzt auf Grund seiner appellativen o<strong>der</strong> evokativen Wirkung einen<br />

Prozess <strong>der</strong> Befreiung im Kunstgenießenden in Gang.) Der Grund da<strong>für</strong> ist,<br />

dass im schönen Gegenstand das sinnliche Objektive keine Selbständigkeit<br />

und Unmittelbarkeit hat, d. h. dass <strong>der</strong> schöne Gegenstand seinen einheitlichen<br />

lebendigen Begriff o<strong>der</strong> seine Form nicht außerhalb seiner Objektivität<br />

o<strong>der</strong> seines Stoffes hat. Er ist vielmehr <strong>der</strong>en konkrete Einheit, in <strong>der</strong><br />

sich vernünftiger Zweck und sinnliche Realität zu freier Totalität o<strong>der</strong> Individualität<br />

durchdringen; er ist die Freiheit als Notwendigkeit „hinter dem<br />

Schein absichtsloser Zufälligkeit“. 54<br />

Dennoch ist die ästhetische Synthese des Praktischen und Theoretischen<br />

noch keine vollkommene Vereinigung von Subjekt und Objekt, d. h.<br />

keine perfekte Aufhebung <strong>der</strong> Gegenständlichkeit, kein reines Gesetztsein<br />

<strong>der</strong> Gegenständlichkeit durch das Subjekt, keine restlose Verwandlung <strong>der</strong><br />

Substanz ins Subjekt. Das Schöne ist als das „sinnliche Scheinen <strong>der</strong> Idee“<br />

55 noch nicht explizit die Idee in ihrem eigenen Element, dem Begriff,<br />

den zu erfassen, Aufgabe <strong>der</strong> absoluten Theorie ist. Auch die Religion kann<br />

nach Hegels Konzeption <strong>der</strong> „drei Reiche des absoluten Geistes“ in ihrem<br />

Element <strong>der</strong> Vorstellung – die eine höhere Stufe <strong>der</strong> Innerlichkeit o<strong>der</strong><br />

Subjektivität als das ästhetische Anschauen repräsentiert – nicht den absoluten<br />

Inhalt, die Einheit des Göttlichen und Menschlichen, des Unendlichen<br />

und Endlichen, in vollkommen adäquater Form ausdrücken und den<br />

Subjekt-Objekt-Gegensatz zur reinen Freiheit aufheben.


27<br />

3. Die dialektische Einheit von Teleologie und Kausalität in <strong>der</strong> Praxis<br />

<strong>der</strong> Naturaneignung<br />

Die Einheit von theoretischer und praktischer Tätigkeit, die sich in je<strong>der</strong><br />

Willenshandlung manifestiert, konkretisiert Hegel weiter, indem er den<br />

Zusammenhang von Praxis und Teleologie sowie Teleologie und Kausalität<br />

aufdeckt.<br />

Wie Hegel zeigt, sind Kausalität und Teleologie miteinan<strong>der</strong> vereinbar<br />

und schließen sich nicht dualistisch-antinomisch aus. Die Verlässlichkeit<br />

kausaler Naturprozesse – <strong>für</strong> Hegels mechanische und chemische Prozesse<br />

– ist die Voraussetzung zweckvollen praktischen Eingreifens, auch in<br />

Gestalt <strong>der</strong> Technik. 56 Die Teleologie ist die Wahrheit des Mechanismus<br />

und Chemismus. 57<br />

Die Zweck-Mittel-Relation hat zur Grundlage die Ursache-Wirkung-<br />

Relation; ein Mittel kann zur Erreichung eines Zieles nur angewendet werden,<br />

wenn das Mittel Ursache bestimmter Wirkung ist.<br />

Auf Grund <strong>der</strong> Verknüpfung von Teleologie und Kausalität stehen<br />

Mensch und Natur in einem <strong>der</strong>artigen praktischen Wechselwirkungsverhältnis,<br />

dass <strong>der</strong> Mensch we<strong>der</strong> ausschließlich als Subjekt noch aus<br />

schließlich als Objekt agiert, d. h. dass die Natur we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Aktivität des<br />

Menschen schrankenlosen Spielraum gewährt noch den Menschen gänzlich<br />

einengt und zu Passivität o<strong>der</strong> Fatalismus und Hinnahme ihrer<br />

Fremdheit verurteilt (wie die Mechanisten und Deterministen des l8. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

– im Wi<strong>der</strong>streit zu ihrem politischen Engagement – annahmen<br />

infolge <strong>der</strong> Übertragung <strong>der</strong> Naturerscheinungen <strong>der</strong> Anziehung und Abstoßung<br />

auf das menschliche Verhalten 58 ).<br />

In <strong>der</strong> Einheit von Teleologie und Kausalität ist die Einheit von Freiheit<br />

und Notwendigkeit impliziert. Diese vier Kategorien <strong>der</strong> Praxis lassen sich<br />

nicht trennen.<br />

Wenn <strong>der</strong> Mensch annimmt, seine Willensfreiheit läge darin, beliebig<br />

und willkürlich entscheiden und handeln zu können, lässt er sich schließlich<br />

in seiner Handlung von zufälligen Konstellationen determinieren und<br />

ist tatsächlich unfrei. 59 Freiheit besteht in <strong>der</strong> Sphäre <strong>der</strong> Endlichkeit nur<br />

in <strong>der</strong> Erkenntnis und in dem praktischen Beherrschen notwendiger allgemeiner<br />

Zusammenhänge.


28<br />

Die Vereinbarkeit von Freiheit und Notwendigkeit (die auch Goethe hervorhebt<br />

als die Dialektik von Wollen und Schicksal in <strong>der</strong> Abhandlung<br />

„Shakespeare und kein Ende“) wird zum Beispiel dadurch bestätigt, dass<br />

wir eine Handlung nur frei nennen, wenn auch ihre Folgen mit berücksichtigt<br />

und einkalkuliert worden sind, was aber einen <strong>der</strong> Handlung<br />

zugrunde liegenden notwendigen Zusammenhang voraussetzt.<br />

Die praktische Realisierung des subjektiven Zwecks und die Herstellung<br />

<strong>der</strong> relativen Einheit von Subjekt und Objekt ist dadurch eine Negation <strong>der</strong><br />

Unmittelbarkeit sowohl des Subjekts als auch des Objekts, dass <strong>der</strong> Zweck<br />

aus seiner Innerlichkeit herausgesetzt, objektiviert wird und das Objekt<br />

vom Zweck durchdrungen und ihm adäquat formiert wird. „Dieses negative<br />

Verhalten gegen das Objekt ist ebensosehr ein negatives gegen sich<br />

selbst, ein Aufheben <strong>der</strong> Subjektivität des Zwecks.“ 60<br />

Der subjektive, innere Zweck, <strong>der</strong> auf das objektive zu bearbeitende Material<br />

bezogen ist, wird – auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Triebhemmung – unter Anwendung<br />

eines Mittels o<strong>der</strong> Werkzeugs realisiert.<br />

Die Mittel <strong>der</strong> Produktfon haben den Vorrang vor den unbeständigen<br />

subjektiven Zwecken und den rastlos sich erneuernden Bedürfnissen („das<br />

Essen, die Sättigung, das Schlafen hilft nichts, <strong>der</strong> Hunger, die Müdigkeit<br />

fangen morgen von vorn wie<strong>der</strong> an“ 61 ); denn in den Mitteln verallgemeinert<br />

sich die Einzelheit <strong>der</strong> Arbeit zu einer (relativ) beständigen nachahmbaren<br />

Regel: „... <strong>der</strong> Pflug ist ehrenvoller als unmittelbar die Genüsse sind, welche<br />

durch ihn bereitet werden und die Zwecke sind. Das Werkzeug erhält<br />

sich, während die unmittelbaren Genüsse vergehen und vergessen werden.<br />

An seinen Werkzeugen besitzt <strong>der</strong> Mensch die Macht über die äußerliche<br />

Natur, wenn er auch nach seinen Zwecken ihr vielmehr unterworfen ist.“ 62<br />

Auch hinsichtlich dieser Mittel <strong>der</strong> praktischen Naturaneignung, nicht<br />

nur im direkten Zusammenhang mit dem Geschichtsprozess, spricht Hegel<br />

von einer „List <strong>der</strong> Vernunft“: <strong>der</strong> Mensch hält sich „im Hintergrund“ und<br />

lässt die Objekte <strong>der</strong> Natur, das Material und das Mittel (das passiv gegen<br />

den Arbeitenden und aktiv gegen das zu Bearbeitende ist) <strong>für</strong> seine Zwecke<br />

wirken und sich aneinan<strong>der</strong> „abreiben“, ohne „Komplimente“ mit ihnen zu<br />

machen: „Dass <strong>der</strong> Zweck sich aber in die mittelbare Beziehung mit dem<br />

Objekte setzt und zwischen sich und dasselbe ein an<strong>der</strong>es Objekt einschiebt,<br />

kann als die List <strong>der</strong> Vernunft angesehen werden... In <strong>der</strong> unmit-


29<br />

telbaren Beziehung auf dasselbe träte er selbst in den Mechanismus o<strong>der</strong><br />

Chemismus und wäre damit <strong>der</strong> Zufälligkeit und dem Untergange seiner<br />

Bestimmung, an und <strong>für</strong> sich seien<strong>der</strong> Begriff zu sein, unterworfen. So aber<br />

stellt er ein Objekt als Mittel hinaus, lässt dasselbe statt seiner sich<br />

äußerlich abarbeiten, gibt es <strong>der</strong> Aufreibung preis und erhält sich hinter<br />

ihm gegen die mechanische Gewalt.“ 63<br />

Die praktische teleologische Tätigkeit <strong>der</strong> Naturaneignung hat somit die<br />

Form eines Syllogismus. Durch das Mittel (B) schließt sich <strong>der</strong> subjektive<br />

Zweck (C) mit den Gegenständen (A) zusammen und in ihnen auch insofern<br />

mit sich selbst, als er sich darin objektiviert. 64<br />

In <strong>der</strong> ersten Prämisse des praktischen Syllogismus bezieht sich <strong>der</strong><br />

subjektive Zweck (C) auf das Mittel o<strong>der</strong> Arbeitsinstrument (B), in <strong>der</strong> zweiten<br />

Prämisse ist das Mittel o<strong>der</strong> Arbeitsinstrument (B) auf die vorgefundenen<br />

Gegenstände (A) bezogen. Die beiden Extreme des Schlusses sind <strong>der</strong><br />

subjektive Zweck als Terminus minor und das kausal determinierte Material<br />

<strong>der</strong> Gegenstände als Terminus maior; <strong>der</strong> Terminus medius ist das<br />

Mittel o<strong>der</strong> Werkzeug.<br />

Bis zu diesem Punkt wird Hegels Analyse <strong>der</strong> praktischen Naturaneignung<br />

als Unterbrechung und zielstrebige „Umfunktionierung“ des Kausalkonnexes<br />

auch von einer nicht absolut idealistischen Konzeption (soweit<br />

sie jedenfalls nicht mechanistisch-reflexologisch orientiert ist) inhaltlich<br />

akzeptiert werden müssen. Aber eine solche nicht absolut idealistische<br />

Konzeption wird erstens nicht anerkennen, dass die Sphäre <strong>der</strong> Zweck-<br />

Mittel-Objekt-Relation primär die Logik ist und dementsprechend die syllogistische<br />

Form in <strong>der</strong> praktischen Tätigkeit des Menschen nur ihre Vergegenständlichung<br />

o<strong>der</strong> ihren Abglanz hat. 65 Eine „naturalistische“ Konzeption<br />

würde zweitens alle Zwecksetzungen selbst wie<strong>der</strong>um als letztlich<br />

kausal bedingt auffassen, nämlich als ursächlichen Ausdruck natürlicher<br />

Bedürfnisse. Und eine dritte grundlegende Divergenz ergäbe sich daraus,<br />

dass eine solche Konzeption den Haupt-zweck <strong>der</strong> Praxis nicht in <strong>der</strong> Fortbildung<br />

<strong>der</strong> Selbsterkenntnis erblicken würde, was aber, wie unten zu zeigen<br />

ist, Hegels Aspekt <strong>der</strong> Praxis ist.<br />

Zwar behandelt Hegel mit <strong>der</strong> Analyse des Verhältnisses von Teleologie<br />

und Kausalität in extenso den von Descartes generell herausgestellten Zusammenhang<br />

zwischen <strong>der</strong> Existenz allgemeingültiger Gesetze, <strong>der</strong>en Er-


30<br />

kenntnis und <strong>der</strong> rationalen Herrschaft des Menschen als „maître et possesseur<br />

du monde“, und er könnte damit anknüpfen an Bacons Gleichsetzung<br />

von Macht und Wissen sowie auch an Vicos Gleichsetzung von Machen<br />

und Erkennen 66 , aber es ist zu bedenken: <strong>für</strong> Hegel geht das Wissen<br />

nicht auf in <strong>der</strong> praktikablen operativ-technischen Theorie <strong>der</strong> Naturbewältigung,<br />

son<strong>der</strong>n diese ist ein Moment im Dienste <strong>der</strong> Freiheit des Geistes,<br />

die Hegel schließlich kulminieren lässt in einer Erneuerung <strong>der</strong> aristotelischen<br />

Kontemplation. Und die auf die Natur sich beziehende Theorie<br />

erschöpft sich <strong>für</strong> Hegel, wie ein Blick in seine Naturphilosophie zeigt,<br />

nicht in einem einförmigen mathematischen Formalismus; vielmehr rehabilitiert<br />

er die qualitative Mannigfaltigkeit <strong>der</strong> Natur. Die Unzulänglichkeit<br />

<strong>der</strong> mathematisch-mechanischen Methode <strong>der</strong> alten Physik war schon naturwissenschaftlich<br />

erwiesen mit dem Entstehen <strong>der</strong> Chemie, <strong>der</strong> Biologie<br />

und <strong>der</strong> Elektrizitätslehre.<br />

Ebensowenig wie die Theorie in <strong>der</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> Naturgesetze erschöpft<br />

sich <strong>für</strong> Hegel die Praxis in <strong>der</strong> technischen Naturbeherrschung.<br />

Nicht schon deshalb allein, weil Hegel überhaupt in seine Theorie-Praxis-<br />

Konzeption das Moment <strong>der</strong> Naturaneignung systematisch integriert, ließe<br />

sich behaupten, dass bei ihm die Praxis im aristotelischen Sinne, d. h. das<br />

ausschließlich auf die Welt des Menschen bezogene – in den Einzelfällen<br />

von <strong>der</strong> Klugheit (phronesis) nur unwissenschaftlich ungenau geleitete<br />

nicht lehrbare stets verän<strong>der</strong>liche und sein Ziel in sich selbst tragende 67 –<br />

Handeln abdanke zugunsten <strong>der</strong> Poiesis, <strong>der</strong> technischen Herstellung, <strong>der</strong><br />

Produktion. Die eigentliche Distanz des aristotelischen Begriffs des situationsgerechten<br />

klugen tugendhaften Handelns – <strong>für</strong> das sich keine stringenten<br />

Prinzipien aus <strong>der</strong> reinen Theorie und Weisheit ableiten lassen 68 – zu<br />

dem Hegelschen Praxisbegriff wird erst ersichtlich aus Hegels dialektischer<br />

Verknüpfung <strong>der</strong> Praxis mit dem Geschichtsprozess.


4. Theorie und Praxis als gesellschaftlich-geschichtlicher Prozess<br />

31<br />

Wenn die praktische Tätigkeit <strong>der</strong> Naturaneignung so dargestellt wird,<br />

dass <strong>der</strong> einzelne „homo faber“ o<strong>der</strong> das einzelne „toolmaking animal“<br />

(Benjamin Franklin) zwischen sich und den Naturobjekten ein Mittel einschiebt<br />

und die Natur in solcher Weise <strong>für</strong> sich arbeiten lässt, fehlt in diesem<br />

praktischen Individualismus noch das Moment <strong>der</strong> Wechselbeziehung<br />

<strong>der</strong> Menschen untereinan<strong>der</strong>, das heißt die gesellschaftlich-geschichtliche<br />

Seite <strong>der</strong> praktischen Tätigkeit <strong>der</strong> Naturaneignung,<br />

über die Hegel schließlich in <strong>der</strong> „Phänomenologie des Geistes“<br />

feststellt: „Das rein einzelne Tun und Treiben des Individuums bezieht sich<br />

auf die Bedürfnisse, welche es als Naturwesen, d. h. als seiende Einzelheit<br />

hat. Dass selbst diese seine gemeinsten Funktionen nicht zunichte werden,<br />

son<strong>der</strong>n Wirklichkeit haben, geschieht durch das allgemeine erhaltende<br />

Medium, durch die Macht des ganzen Volks... Die Arbeit des Individuums<br />

<strong>für</strong> seine Bedürfnisse ist ebensosehr eine Befriedigung <strong>der</strong> Bedürfnisse<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n als seiner eignen, und die Befriedigung <strong>der</strong> seinigen erreicht<br />

es nur durch die Arbeit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n.“ 69<br />

In welcher Weise das Bearbeiten <strong>der</strong> Natur, das Handeln in <strong>der</strong> Geschichte<br />

und die Entstehung des Selbstbewusstseins, d. h. die Selbstverwirklichung<br />

des Menschen, sich bedingen, expliziert Hegel in <strong>der</strong> „Phänomenologie<br />

des Geistes“ als erstes in dem Kapitel „Selbständigkeit und Unselbständigkeit<br />

des Selbstbewusstseins; Herrschaft und Knechtschaft“.<br />

Aus diesem Kapitel erhellt: die durch die Triebhemmung frei gewordene<br />

Mitte <strong>der</strong> praktischen Naturaneignung bildet zunächst <strong>der</strong> mit den Werkzeugen<br />

arbeitende „Knecht“.<br />

In <strong>der</strong> individuellen praktischen Tätigkeit <strong>der</strong> Begierde, die den „selbstlosen“<br />

Naturgegenstand machtvoll negiert, kommt das einzelne Selbstbewusstsein,<br />

wie Hegel ausführt, durch die Befriedigung zwar zu einem<br />

Selbstgefühl und einer Selbstgewissheit, aber nicht zur vollen Anerkennung<br />

seiner Freiheit als Fürsichseiendes (als Selbst o<strong>der</strong> Subjekt).<br />

Diese kann es nur erreichen durch die Vermittlung in Richtung auf ein<br />

Subjekt, das objektiv seiend ist, d. h. auf ein an<strong>der</strong>es Selbstbewusstsein,<br />

also nicht in einer einfachen, son<strong>der</strong>n in einer doppelten Reflexion, denn<br />

nicht <strong>der</strong> selbstlose Naturgegenstand <strong>der</strong> Begierde, son<strong>der</strong>n nur das ande-


32<br />

re Selbstbewusstsein kann die Negation an sich selbst vollziehen und somit<br />

das erste Selbstbewusstsein bejahen. Daher stellt Hegel fest: „Das<br />

Selbstbewusstsein erreicht seine Befriedigung nur in einem an<strong>der</strong>en<br />

Selbstbewusstsein.“ 70<br />

Dass es kein „Ich“ gibt außerhalb <strong>der</strong> Beziehung zum „Du“, heißt <strong>für</strong><br />

Hegel konkret: es gibt keine praktisch-theoretische Selbständigkeit o<strong>der</strong><br />

Freiheit eines Subjekts ohne die praktisch-theoretische Selbständigkeit<br />

o<strong>der</strong> Freiheit eines an<strong>der</strong>n Subjekts.<br />

Das Streben nach Respektierung des Daseins und <strong>der</strong> Selbständigkeit<br />

des einen Selbstbewusstseins durch ein an<strong>der</strong>es ist im Naturzustand des<br />

„bellum omnium contra omnes“ zunächst gerichtet auf die Aufhebung <strong>der</strong><br />

Selbständigkeit und des unmittelbaren Daseins (des Seins <strong>für</strong> an<strong>der</strong>e) des<br />

an<strong>der</strong>en Selbstbewusstseins, d. h. seiner Leiblichkeit, in <strong>der</strong> es zu einem<br />

alter ego seine „vermittelnde Beziehung“ hat 71 , und wird so zu einem<br />

„Kampf auf Leben und Tod“.<br />

In ihm zieht einer <strong>der</strong> Kämpfer resignierend dem Tod die Knechtschaft<br />

vor, d. h. die Erhaltung seines Lebens und seines einzelnen Selbstbewusstseins,<br />

ohne dass dieses als selbständig, als ens per se stans, anerkannt<br />

wird.<br />

Hervorzuheben ist, dass Hegel weit davon entfernt ist, aus dem Kampf,<br />

<strong>der</strong> gewaltsamen Repression und <strong>der</strong> autoritären Herrschaft die „Natur“<br />

des Menschen im Sinne eines biologistischen Mythos zu machen o<strong>der</strong> die<br />

in Macht und Unterwerfung polarisierte unversöhnte Zwangsordnung wegen<br />

ihrer äußeren Stabilität und Konsistenz zu sanktionieren. Hegel sieht<br />

ausdrücklich Kampf und Gewalt nur als entwicklungsgeschichtlich frühes<br />

Übergangsmoment zu vernünftigen Verhältnissen an. 72<br />

Hiermit lässt sich die Bestimmung des Aristoteles vergleichen, dass das<br />

staatliche Gemeinwesen zwar wegen des Überlebens entstanden ist, aber<br />

um des „guten Lebens“ willen besteht, und zwar als Ordnung einer „Herrschaft<br />

über Freie und Gleichgestellte“, nicht einer Despoteia und Monarchia<br />

(die allerdings über Sklaven in <strong>der</strong> Hausverwaltung, <strong>der</strong> Oikonomia,<br />

von Aristoteles als „natürlich“ zugestanden wird). 73<br />

In einen an<strong>der</strong>en – die zwischenstaatlichen Beziehungen betreffenden<br />

Zusammenhang – gehört, dass Hegel den Krieg „nicht als absolutes Übel“


33<br />

ansieht, son<strong>der</strong>n ihm erstens eine „universalhistorische Berechtigung“ –<br />

aber nicht mehr innerhalb Europas 74 – und zweitens die integrierende<br />

Funktion, „innere Unruhen“ zu verhin<strong>der</strong>n, auferlegt, indem er das Völkerrecht<br />

und Kants Vorstellung eines „ewigen Friedens“ durch einen Staatenbund<br />

ablehnt und einen „Naturzustand“ zwischen den als einheitliche Individualitäten<br />

gefassten Staaten und somit ihre volle äußere Souveränität<br />

gegeneinan<strong>der</strong> annimmt, wobei er die Staaten aber schließlich unterordnet<br />

unter die Vermittlung <strong>der</strong> „Weltgeschichte als Weltgericht“. 75<br />

Wie Hegel weiter analysiert, wird das Wesen des Knechts dazu, Objekt<br />

des Herrn –nicht selbsttätiges Subjekt – zu sein und in seinem Dienst zu<br />

arbeiten. Da <strong>der</strong> Herr außer über den Knecht auch über die zu bearbeitenden<br />

Dinge verfügt, die die „Kette“ des Knechts sind, bezieht er sich sowohl<br />

mittels <strong>der</strong> Dinge auf den Knecht als auch mittels des Knechts auf die Dinge.<br />

76<br />

In dieser Weise <strong>der</strong> Unterjochung ist unmittelbar zunächst die Selbständigkeit<br />

des Selbstbewusstseins des Herrn gesichert. Das Fürsichsein<br />

des Knechts ist durch die doppelte Abhängigkeit vom Herrn und von den<br />

Dingen unwesentlich geworden und entäußert. Der Knecht hat sich verdingen<br />

müssen. Der Herr hält sich aus <strong>der</strong> aufreibenden Macht <strong>der</strong> Dingwelt<br />

heraus, „er ist die reine negative Macht, <strong>der</strong> das Ding nichts ist, und<br />

also das reine wesentliche Tun in diesem Verhältnisse“ 77 ; er genießt unmittelbar<br />

– wie das Tier – die Arbeitsprodukte des sich unter eigenem<br />

Triebverzicht in kommandierter Arbeit abarbeitenden Knechts. Da diese<br />

Arbeitsprodukte das vergegenständlichte Bewusstsein des Knechts sind,<br />

bezieht sich <strong>der</strong> Herr auch in ihnen auf ein an<strong>der</strong>es Selbstbewusstsein.<br />

Auf Grund <strong>der</strong> durch die Knechtsarbeit vermittelten Distanz zu den<br />

Dingen und auf Grund <strong>der</strong> „Arbeitsteilung“ als Trennung von Herrschaft<br />

und Arbeit kann <strong>der</strong> Herr sich müßig und theoretisch verhalten, ein Zusammenhang,<br />

den auch Aristoteles klar aufgedeckt hat. 78<br />

Aber durch die praktische Tätigkeit verkehrt sich das ungleiche Verhältnis<br />

von Selbständigkeit und Unselbständigkeit: die Knechtschaft „wird<br />

als in sich zurückgedrängtes Bewusstsein in sich gehen und zur wahren<br />

Selbständigkeit sich umkehren.“ 79 Der Herr erfährt in dem einseitigen Anerkennen<br />

seine Abhängigkeit von <strong>der</strong> Tätigkeit des Knechts und die Unselbständigkeit<br />

seines eigenen Bewusstseins. Die zugrundeliegende ge-


34<br />

schichtliche Etappe, auf die sich Hegel bezieht und die er hier in ihrer<br />

Spiegelung in <strong>der</strong> Entwicklung des subjektiven individuellen Geistes darstellt,<br />

ist die Auflösung <strong>der</strong> antiken Sklavengesellschaft. Auf <strong>der</strong> Stufe des<br />

objektiven Geistes ist mit dem Ineinan<strong>der</strong>umschlagen <strong>der</strong> Selbständigkeit<br />

des Knechts und des Herrn am ehesten vergleichbar die von Hegel analysierte<br />

Verwandlung des „edelmütigen Bewusstseins“ des Lehnsmanns mit<br />

seinem „Heroismus des Dienstes“ in das „nie<strong>der</strong>trächtige Bewusstsein“ des<br />

Höflings und <strong>der</strong> feudalen „Staatsmacht“ in den bürgerlichen „Reichtum“<br />

80 .<br />

Ohne dass Hegel es ausdrücklich so nennt, ist auch dies eine „List <strong>der</strong><br />

Vernunft“, dass die aufopfernde Selbstpreisgabe des Knechts zur Selbstgewinnung<br />

wird und sein Leiden ihn mündig macht. Angesichts <strong>der</strong> Bedrohung<br />

und <strong>der</strong> Angst, sein ganzes Selbst durch den Tod zu verlieren, hat<br />

„alles Fixe... in ihm gezittert“, ist er zur Selbstbehauptung entschlossen<br />

und ist sein Fürsichsein, das ihm im Herrn entfremdet und suspendiert<br />

war, schon „an ihm selbst“; aber erst wirklich „sein eigenes“ und an und<br />

<strong>für</strong> sich seiendes ist es auf Grund <strong>der</strong> Arbeit. Dass die Todesgefahr des<br />

Knechts zur Aufhebung <strong>der</strong> Desintegration seines Selbst führt, lässt sich<br />

in Verbindung sehen mit Hegels grundlegen<strong>der</strong> Spekulation über den Tod<br />

als Überwindung des Endlichen, Natürlichen und Gegebenen und als vermittelndes<br />

Moment <strong>der</strong> Erhebung ins Leben des unendlichen Geistes. 81<br />

Das Tun des Herrn, das unmittelbare Verzehren <strong>der</strong> Arbeitsprodukte,<br />

hinterlässt keine objektiven gesellschaftlichen „vestigia“, son<strong>der</strong>n verschwindet<br />

mit diesem Tun, während dagegen das „formierende Tun“ des<br />

Knechts, <strong>der</strong> seine eigene transitorische Begierde erzwungenermaßen negiert<br />

und seinem Eigenwillen entsagt, in den Arbeitsgegenständen und<br />

Werkzeugen von Dauer ist, „in das Element des Bleibens tritt“: „Diese Befriedigung<br />

ist aber deswegen selbst nur ein Verschwinden, denn es fehlt<br />

ihr die gegenständliche Seite o<strong>der</strong> das Bestehen. Die Arbeit hingegen ist<br />

gehemmte Begierde, aufgehaltenes Verschwinden, o<strong>der</strong> sie bildet. Die negative<br />

Beziehung auf den Gegenstand wird zur Form desselben und zu einem<br />

Bleibenden, weil eben dem Arbeitenden <strong>der</strong> Gegenstand Selbständigkeit<br />

hat.“ 82<br />

In diesen (relativ) beständigen Objektivierungen seines subjektiven Bewusstseins<br />

findet <strong>der</strong> Arbeitende – in einer Art praktischer Anamnesis –


35<br />

sich selbst wie<strong>der</strong> und gelangt in <strong>der</strong> Selbsterkenntnis zum Bewusstsein<br />

seines An- und Fürsichseins: „Die Form wird dadurch, dass sie hinausgesetzt<br />

wird, ihm nicht ein An<strong>der</strong>es als es; denn eben sie ist sein reines Fürsichsein,<br />

das ihm dadurch zur Wahrheit wird.“ 83<br />

Damit hat Hegel an diesem Wendepunkt <strong>der</strong> Entwicklung des Geistes<br />

analysiert, wie die Selbsterkenntnis gewonnen wird auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong><br />

Umgestaltung <strong>der</strong> Natur, und zwar innerhalb bestimmter geschichtlichgesellschaftlicher<br />

Beziehungen <strong>der</strong> Menschen untereinan<strong>der</strong>. In <strong>der</strong><br />

„Rechtsphilosophie“ wird die gesellschaftliche Seite <strong>der</strong> Naturaneignung im<br />

„System <strong>der</strong> Bedürfnisse“ im Zusammenhang mit <strong>der</strong> „Spezifizierung <strong>der</strong><br />

Mittel und Bedürfnisse“ und <strong>der</strong> Arbeitsteilung entwickelt 84 .<br />

Die Analyse des allgemeinen Selbstbewusstseins, des „Ich, das Wir, und<br />

das Wir, das Ich ist“ 85 , in Gestalt des Herrn und des Knechts gleicht zwar<br />

noch einer Robinsonade 86 und bezieht sich auf eine relativ abstrakte geschichtliche<br />

Entwicklungsetappe des absoluten Geistes auf dem Weg zu<br />

seiner Selbsterkenntnis; aber Hegel konkretisiert die gegenseitige Anerkennung<br />

<strong>der</strong> Selbständigkeit und objektiven Allgemeinheit des Selbstbewusstseins<br />

schrittweise weiter als Selbstbewusstsein eines Volkes, das<br />

sich in Moral, Recht und Sittlichkeit sowie in Kunst, Religion und <strong>Philosophie</strong><br />

entfaltet, und als die Reihe <strong>der</strong> „welthistorischen Volksgeister“ auf<br />

ihrem Fortschritt zu immer vollkommenerer Freiheit des Bewusstseins.<br />

Das also ist Hegels konkretere Bestimmung <strong>der</strong> Einheit von Theorie und<br />

Praxis (konkreter als ihre Einheit in je<strong>der</strong> Willenshandlung und in <strong>der</strong><br />

praktisch-teleologischen Naturaneignung): Theorie und Geschichte sind<br />

dialektisch aufeinan<strong>der</strong> bezogen.<br />

Die menschliche Erkenntnis ist <strong>für</strong> Hegel kein rein „erkenntnistheoretischer“<br />

(innerer) Vorgang eines einzelnen isoliert genommenen Subjekts,<br />

keine einfache Relation zwischen einem Subjekt und einem Objekt, son<strong>der</strong>n<br />

– wie auch die Selbsterkenntnis des absoluten Geistes, zu <strong>der</strong> sie als<br />

Entwicklungsphase gehört – ein praktischer natürlich-geschichtlicher (äußerer)<br />

Prozess, <strong>der</strong> stufenweise von <strong>der</strong> Menschheit vollzogen wird. Erkenntnis<br />

basiert also gleichsam auf einer menschheitsgeschichtlichen Intersubjektivität.<br />

(In <strong>der</strong> letzten Hinsicht kommt Goethe Hegel nahe, wenn<br />

er in einen Brief an Schiller sagt: „Nur sämtliche Menschen erkennen die<br />

Natur, nur sämtliche Menschen leben das Menschliche“ 87 .) Die volle Er-


36<br />

kenntnis <strong>der</strong> Wahrheit ist bedingt durch die Verwirklichung <strong>der</strong> Wahrheit<br />

in <strong>der</strong> geschichtlich-politischen Freiheit.<br />

Weiter ist die Einheit von Theorie und Praxis als Einheit von Theorie<br />

und Geschichte die Einheit <strong>der</strong> Logik und <strong>der</strong> Geschichte, insofern die logisch-systematischen<br />

Stufen und Erkenntnisformen des Geistes – Anschauung,<br />

Vorstellung und Denken – in <strong>der</strong> geschichtlichen Entwicklung<br />

erscheinen auf dem Niveau <strong>der</strong> Kunst, <strong>der</strong> Religion und <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>.<br />

Nach Hegels Konstruktion findet <strong>der</strong> Geist seine jeweils adäquate Form<br />

in <strong>der</strong> Kunst des Griechentums, <strong>der</strong> Religion des Mittelalters und <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

<strong>der</strong> Zeit Hegels. Auch die logisch-absoluten (o<strong>der</strong> ontologischen)<br />

Kategorien <strong>der</strong> philosophischen Theorie erscheinen also als Gestalten im<br />

geschichtlich-relativen Entwicklungsprozess (zum Beispiel die Kategorie<br />

des Seins bei Parmenides, die des Werdens bei Heraklit und so fort).<br />

5. Die Konzeption <strong>der</strong> Praxis als konkreter Sittlichkeit<br />

Frei, allgemein und unendlich ist <strong>der</strong> beschränkte, natürliche und endliche<br />

Wille nur formal, an sich o<strong>der</strong> seinem Begriffe nach, das heißt insofern,<br />

als er die Möglichkeit hat, von jedem bestimmten Inhalt, den er durch<br />

seinen Entschluss wählt, ins („schlechte“) Unendliche fort zu abstrahieren<br />

o<strong>der</strong> ihn zu transzendieren und in dieser einseitigen Weise als einfache<br />

Reflexion in sich und Negation des Realen unmittelbar bei sich zu sein.<br />

Sogar sein Leben kann <strong>der</strong> Mensch im Gegensatz zum Tier durch Selbstmord<br />

„fallen lassen“. 88<br />

Diese negative verstandesmäßige Freiheit des formalen Willens ist „im<br />

Politischen wie im Religiösen <strong>der</strong> Fanatismus <strong>der</strong> Zertrümmerung aller bestehenden<br />

gesellschaftlichen Ordnung, und die Hinwegräumung <strong>der</strong> einer<br />

Ordnung verdächtigen Individuen...“, worin <strong>für</strong> Hegel insbeson<strong>der</strong>e die Signatur<br />

<strong>der</strong> plebejischen jakobinischen „Schreckenszeit <strong>der</strong> französischen<br />

Revolution“ vor dem Thermidor (l794) mit ihrer antikisierenden „allgemeinen<br />

Freiheit“ und dem Terror im Namen <strong>der</strong> asketischen Tugend besteht. 89<br />

Die Unbestimmtheit des Willens ist allerdings die Voraussetzung da<strong>für</strong>,<br />

dass er einen bestimmten Entschluss fassen kann. An<strong>der</strong>s gesagt: die Zu-


37<br />

wendung des Menschen zur Welt basiert auf seiner originären Weltoffenheit<br />

und Triebbeherrschung.<br />

Form und Inhalt bleiben aber unter diesem Gesichtspunkt im Gegensatz:<br />

außerhalb des abstrakten nur potentiell, nicht aktuell unendlichen<br />

allgemeinen unentschlossenen Willens steht <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>e Inhalt, zu dem<br />

sich <strong>der</strong> Wille jeweils entschließen muss, indem er aus seiner unbestimmten<br />

Identität <strong>der</strong> reinen Selbstgewissheit heraustritt. 90<br />

Insofern Kants und Fichtes praktische <strong>Philosophie</strong> auf diesen formalen<br />

allgemeinen Willen, das abstrakte unwirkliche Gute, gegründet ist (auch<br />

bei Fichte kommt nämlich, wie Hegel bemängelt, <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>e Inhalt zum<br />

allgemeinen Ich – als dem Wahren <strong>für</strong> sich – nur hinzu und ist ihm nicht<br />

immanent 91 ), stehen sich auch in ihr das apriorische Allgemeine und das<br />

empirische Mannigfaltige unvermittelt gegenüber und machen wahre Sittlichkeit<br />

als Einheit des allgemeinen Gesetzes und des bestimmten Inhalts<br />

unmöglich: „Die Leerheit des reinen Pflichtgefühls und <strong>der</strong> Inhalt kommen<br />

einan<strong>der</strong> beständig in die Quere.“ 92<br />

Die inhaltslose Universalität <strong>der</strong> Moral ist getrennt von <strong>der</strong> empirischen<br />

Partikularität, ohne jemals vollkommen verwirklicht werden zu können.<br />

Die Erfüllung <strong>der</strong> moralischen Postulate bleibt eine ethische Utopie, ist ein<br />

unendlicher Prozess, <strong>der</strong> „perennierend gesetzte Wi<strong>der</strong>spruch selbst“ 93<br />

Dieser Wi<strong>der</strong>spruch ist unaufhebbar; denn wenn sich das Sollen realisierte<br />

und die gedachte Einheit <strong>der</strong> Pflicht und <strong>der</strong> Glückseligkeit als seiend<br />

zustande käme, verschwände das Sollen und die Pflicht. Die Vollendung<br />

<strong>der</strong> Harmonie „ist ins Unendliche hinauszuschieben; denn wenn sie<br />

wirklich einträte, so höbe sich das moralische Bewusstsein auf. Denn die<br />

Moralität ist nur moralisches Bewusstsein als das negative Wesen, <strong>für</strong> dessen<br />

reine Pflicht die Sinnlichkeit nur die negative Bedeutung, nur nicht<br />

gemäß ist“. 94<br />

Dadurch, dass die Ethik Kants und Fichtes – wie ihre Erkenntnistheorie<br />

– den Dualismus von Idealität und Realität, Subjektivität und Objektivität,<br />

nicht wahrhaft überbrückt, wird trotz des Rigorismus <strong>der</strong> moralischen<br />

For<strong>der</strong>ungen dem empirischen „gemeinen Bewusstsein“ nichts „von seiner<br />

Zufälligkeit und Gemeinheit“ genommen, son<strong>der</strong>n es bleibt – ebenso wie<br />

die empirische Wirklichkeit – unverän<strong>der</strong>t, unaufgehoben bestehen. Infol-


38<br />

gedessen stabilisiert diese Ethik die Zerrissenheit des Lebens und die „Zerstückelung<br />

des Menschen“. 95<br />

Dass <strong>der</strong> abstrakt allgemeine formal gute existenzlose Wille (nicht nur<br />

im Sinne <strong>der</strong> Kantischen und Fichteschen Ethik) nicht wahrhaft autonom<br />

ist, zeigt sich, wie Hegel in <strong>der</strong> „Phänomenologie des Geistes“ in dem Kapitel<br />

„Die Tugend und <strong>der</strong> Weltlauf“ sagt, daran, dass „das Gute, indem es in<br />

dem Kampf gegen den Weltlauf auftritt, damit sich darstellt als seiend <strong>für</strong><br />

ein an<strong>der</strong>es, als etwas, das nicht an und <strong>für</strong> sich selbst ist, denn sonst<br />

würde es nicht durch Bezwingung seines Gegenteils sich erst seine Wahrheit<br />

geben wollen.“ Wenn an<strong>der</strong>erseits <strong>der</strong> „Ritter <strong>der</strong> Tugend“ das abstrakte<br />

Gute als schon an und <strong>für</strong> sich seiend ausgibt, ist sein Kampf gegen den<br />

Weltlauf unernste „Spiegelfechterei“. 96<br />

Wie Hegel ausführt, besiegt <strong>der</strong> geschichtlich-gesellschaftliche Inhalt<br />

des Weltlaufs – dessen „Kraft das negative Prinzip (ist), welchem nichts bestehend<br />

und absolut heilig ist, son<strong>der</strong>n welches den Verlust von allem und<br />

jedem wagen und ertragen kann“ – die utopische freischwebende Tugend<br />

des sich vergeblich auflehnenden Ritters (Don Quichotte), „dem es im<br />

Kampfe allein darum zu tun ist, sein Schwert blank zu erhalten“, mitsamt<br />

den „pomphaften Reden“ von Weltverbesserung, den „Deklamationen“ und<br />

<strong>der</strong> „leeren Aufgeblasenheit“. Hiermit ist vergleichbar, was Hegel in einem<br />

Entwurf schon in seiner Frankfurter Zeit formuliert: „Das an<strong>der</strong>e Extrem<br />

von dem, von einem Objekte abzuhängen, ist das – die Objekte <strong>für</strong>chten,<br />

die Flucht vor ihnen, die Furcht vor Vereinigung, die höchste Subjektivität.“<br />

97<br />

Die Tugend hört auf Grund ihres Schicksals schließlich auf, die Individualität<br />

rigoros aufopfern zu wollen, muss sich mit <strong>der</strong> Wirklichkeit versöhnen<br />

und die Erfahrung machen, dass „<strong>der</strong> Weltlauf so übel nicht ist,<br />

als er aussah“; denn – und das ist Hegels zentraler Gesichtspunkt – das<br />

scheinbar nur eigennützige pfiffige Handeln <strong>der</strong> Individualität ist zugleich<br />

„allgemeines Tun“ (weshalb am Ende nicht nur die Tugend, son<strong>der</strong>n auch<br />

<strong>der</strong> ihr abstrakt entgegengesetzte Weltlauf aufgehoben wird). 98<br />

In diesem Zusammenhang wird schon deutlich, dass Hegel gerade im<br />

Gegensatz zum subjektiven Idealismus die Individualität nicht „vertilgt“.<br />

Die Individualität kann Hegel insofern nicht dem Allgemeinen aufopfern,<br />

als er nachweist, dass es keine Individualität isoliert <strong>für</strong> sich gibt, die nicht


39<br />

durchdrungen wäre vom Allgemeinen, und keine praktische Tätigkeit, die<br />

nicht an sich gesellschaftlichen Charakter hätte („die Bewegung <strong>der</strong> Individualität<br />

ist die Realität des Allgemeinen“ 99 ).<br />

Der Vorwurf <strong>der</strong> Aufopferung <strong>der</strong> Individualität lässt sich gegen Hegel<br />

nur dann erheben, wenn man zuvor in undialektischer Weise einseitig das<br />

Individuelle, Einmalige, Faktische und Ereignishafte verabsolutiert und<br />

jede allgemeine Vernünftigkeit und Gesetzlichkeit – o<strong>der</strong> ihre Erkennbarkeit<br />

– verneint, d. h. das Dass vom Was scheidet. Die Konsequenz davon<br />

wie<strong>der</strong>um ist, dass ein unüberbrückbarer Abgrund zwischen Innen und<br />

Außen, Theorie und Praxis, entsteht. Theoretisch unerleuchtet und desorientiert,<br />

handelt dann <strong>der</strong> Mensch auf Grund einer – scheinbar objektiv<br />

unvermittelten – „absoluten“ Entscheidung o<strong>der</strong> Leidenschaft. Die blinde<br />

unbegründbare bodenlose Praxis mündet in einen irrationalen Voluntarismus.<br />

Für ihn gilt, was Leonardo da Vinci hinsichtlich <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />

und künstlerische Praxis äußert: „Diejenigen, die sich <strong>für</strong> Praxis<br />

ohne Wissen begeistern, sind wie Seeleute, die ohne Steuer o<strong>der</strong> Kompaß<br />

ein Schiff besteigen und nie ganz sicher sind, wohin sie fahren.“ 100<br />

Schwerwiegend ist Hegels Aufweis, dass aus dem reinen, formalen abstrakten<br />

Willen und dem kategorischen überzeitlichen Pflichtgebot <strong>der</strong><br />

praktischen Vernunft kein bestimmter Inhalt deduzierbar ist, auch nicht<br />

unter Anwendung des – ebenfalls noch formalen – Kriteriums <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruchslosigkeit<br />

<strong>der</strong> Handlungen. „... man kann von außen her wohl einen<br />

Stoff hereinnehmen, und dadurch auf beson<strong>der</strong>e Pflichten kommen, aber<br />

aus jener Bestimmung <strong>der</strong> Pflicht als dem Mangel des Wi<strong>der</strong>spruchs, <strong>der</strong><br />

formellen Übereinstimmung mit sich, welche nichts an<strong>der</strong>es ist als die Fortsetzung<br />

<strong>der</strong> abstrakten Unbestimmtheit, kann nicht zur Bestimmung von<br />

beson<strong>der</strong>en Pflichten übergegangen werden... ein Wi<strong>der</strong>spruch kann sich<br />

nur mit etwas ergeben, das ist, mit einem Inhalt, <strong>der</strong> als festes Prinzip zum<br />

voraus zugrunde liegt.“ 101<br />

Beson<strong>der</strong>s prägnant vertritt Kant in seiner 1793 in <strong>der</strong> Berlinischen<br />

Monatsschrift veröffentlichten Abhandlung „Über den Gemeinspruch: Das<br />

mag in <strong>der</strong> Theorie richtig sein, taugt aber nicht <strong>für</strong> die Praxis“ die Auffassung,<br />

dass die aus <strong>der</strong> reinen a priori gesetzgebenden Vernunft stammenden<br />

allgemeinen Prinzipien <strong>der</strong> Moral sowie des Staats- und Völkerrechts<br />

<strong>für</strong> die Praxis tauglich seien, das Handeln anleiten und bestimmen könn-


40<br />

ten, weil selbst auf das Handeln hin bezogen, dass es zum Übergang von<br />

<strong>der</strong> Theorie zur Praxis nicht etwa geschichtlicher Vermittlungen des objektiven<br />

Geistes, son<strong>der</strong>n nur eines individuellen „Aktus dar Urteilskraft“ bedürfe,<br />

wodurch „<strong>der</strong> Praktiker unterscheidet, ob etwas <strong>der</strong> Fall <strong>der</strong> Regel<br />

sei o<strong>der</strong> nicht“, und dass, dementsprechend die Theorie trotz ihrer Bezogenheit<br />

auf praktische Verwirklichung souverän, unabhängig von äußeren<br />

in <strong>der</strong> Geschichte erfahrbaren Gründen und Erfolgen, „<strong>für</strong> sich selbst bestehende<br />

Theorie“ sei. 101a<br />

Indem Hegel in seine Konzeption <strong>der</strong> Sittlichkeit den verän<strong>der</strong>lichen Inhalt<br />

aufnimmt, kehrt er sich nicht nur vom ethischen Formalismus und<br />

Apriorismus ab, son<strong>der</strong>n auch vom ethischen Individualismus: an die Stelle<br />

des individuellen Wollens und Handelns, das unter dem Aspekt des<br />

Konflikts <strong>der</strong> sinnlichen Neigung des „homo phänomenon“ und <strong>der</strong> moralischen<br />

Pflicht des „homo noumenon“ beurteilt wird (als ob die Wi<strong>der</strong>sprüche<br />

und Unvollkommenheiten des menschlichen Lebens nur aus <strong>der</strong> Sinnlichkeit<br />

stammten), tritt als Basis <strong>der</strong> Ethik die gesellschaftlichgeschichtliche<br />

Praxis. (Hierin trifft sich Hegel insofern wie<strong>der</strong>um mit Aristoteles,<br />

als auch <strong>für</strong> diesen Ethik und Politik eine Einheit bilden und das<br />

private gute und gerechte Handeln des einzelnen Menschen von <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Verfassung <strong>der</strong> Polis abhängt, in <strong>der</strong> allein die Freiheit als Autarkeia,<br />

also als Unabhängigkeit von Äußeren, wirklich ist.)<br />

Der substantielle Inhalt <strong>der</strong> konkreten Sittlichkeit stammt <strong>für</strong> Hegel aus<br />

<strong>der</strong> absoluten Vernunft, die sich in <strong>der</strong> Geschichte ausbreitet, im menschlichen<br />

Handeln realisiert und im Volksgeist objektiv konkretisiert als Familie,<br />

bürgerliche Gesellschaft und Staat. (Kant setzt Staat, „civitas“, und<br />

Gesellschaft, „societas civilis“, noch gleich.) An dieser konkreten relativen<br />

Totalität lassen sich als eine beson<strong>der</strong>e Seite abstrakt die Moralität und<br />

die Legalität isolieren. Aber in Wahrheit ist die Historizität und Sozialität<br />

des Menschen von seinem Handeln nicht abtrennbar.<br />

Infolgedessen ist letztlich <strong>für</strong> Hegel das sittliche Kriterium einer Handlung<br />

ihre Übereinstimmung mit dem Inhalt <strong>der</strong> „an und <strong>für</strong> sich seienden<br />

Gesetze und Einrichtungen“ 102 eines Staatswesens, nicht allein die individuelle<br />

Gesinnung und das Gewissen als scheinbar unvermitteltes Faktum;<br />

<strong>der</strong>en Bedeutung wird von Hegel herabgemin<strong>der</strong>t, d. h. Hegel gibt nicht <strong>der</strong><br />

Tendenz <strong>der</strong> Verselbständigung des Gewissens nach, die geschichtlich mit


41<br />

<strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Stände und ihrer Regeln zugunsten <strong>der</strong> freien Konkurrenz<br />

auftrat.<br />

Dennoch wird das Gewissen von Hegel nicht im historistischen Sinne<br />

vollständig relativiert, da es ein notwendiges Moment in <strong>der</strong> Entwicklung<br />

des absoluten Geistes bleibt. Dies wird häufig in <strong>der</strong> Befehdung <strong>der</strong> Hegelschen<br />

Auffassung des Gewissens mißachtet Der einzelne Mensch ist nach<br />

Hegels Konzeption unbedingt berechtigt, nur das anzuerkennen, was Gewissen,<br />

Überzeugung, Gesinnung, Einsicht und Gewissheit gut heißen.<br />

„Das Gewissen drückt die absolute Berechtigung des subjektiven Selbstbewusstseins<br />

aus, nämlich in sich und aus sich selbst zu wissen, was<br />

Recht und Pflicht ist...“ 103<br />

Die Anstrengung des Gewissens und <strong>der</strong> subjektiven Reflexion ist sogar<br />

die Pflicht des Einzelnen; denn eine äußerliche Befolgung <strong>der</strong> objektiven<br />

vernünftigen Gebote ohne persönliche Überzeugung entbehrt <strong>der</strong> moralischen<br />

Qualität. 104 (In geschichtlicher Hinsicht repräsentiert das unmittelbare<br />

Verharren in den substantiellen Verhältnissen das Niveau <strong>der</strong> despotischen<br />

orientalischen vorgriechischen Welt.) Der objektive sittliche Gehalt<br />

kann vom subjektiven Willen gerade deshalb nicht seine blinde Anerkennung<br />

und Hinnahme for<strong>der</strong>n, weil <strong>der</strong> subjektive Wille unendlich <strong>für</strong> sich<br />

ist und die formale Möglichkeit hat, in reiner Selbstgewissheit und Selbstbestimmung<br />

von allem Vorhandenen und Geltenden abzusehen und sich<br />

ihm gegenüber zu behaupten, d. h. weil das selbstbewusste Subjekt sich<br />

als ein solches weiß, „dem alle vorhandene und gegebene Bestimmung<br />

nichts anhaben kann noch soll“. 105 (In geschichtlicher Hinsicht hat sich<br />

die unendliche Freiheit <strong>der</strong> Individuen – und ihre Gleichheit vor Gott – im<br />

Christentum manifestiert, nachdem die „Richtung nach innen“ mit Sokrates<br />

und den Stoikern ihren Anfang nahm.)<br />

Infolgedessen sind das Heraustreten des Subjekts aus <strong>der</strong> Verschlossenheit<br />

und Konzentriertheit <strong>der</strong> Innerlichkeit und die abermalige Zuwendung<br />

zum objektiven Inhalt freiwillig: das Subjekt nimmt den sittlichen<br />

Gehalt, sofern es eine höhere Stufe seiner Selbstbestimmung erreichen<br />

will, nach eigener Prüfung und Entscheidung in sich auf und lässt sich<br />

von ihm in seinem Willen und Handeln durchdringen. Das Subjekt hat also<br />

keine äußerliche unmittelbare, son<strong>der</strong>n eine vermittelte Beziehung zum


42<br />

objektiven Inhalt <strong>der</strong> aus dem Absoluten stammenden Geschichte und Gesellschaft,<br />

<strong>der</strong> somit nicht an sich, son<strong>der</strong>n an und <strong>für</strong> sich gültig ist.<br />

Hegel weist allerdings zurück, dass das Subjekt den vernünftigen wesentlichen<br />

Inhalt – <strong>der</strong> nur aus dem Zusammenhang <strong>der</strong> ganzen Geschichte<br />

zur begreifen ist und nicht mit dem alltäglich Vorhandenen und Zufälligen<br />

identisch ist 106 – seinem Belieben und Meinen unterwirft und seine<br />

Beson<strong>der</strong>heit gegen ihn nach Gutdünken geltend macht. Die subjektive<br />

Reflexion kann letztlich ebensowenig Beurteilungsmaßstab <strong>der</strong> Vernünftigkeit<br />

einer Handlung sein wie das subjektive Bewusstsein <strong>der</strong> Rechtswidrigkeit<br />

einer Tat Voraussetzung ihrer Strafbarkeit ist. 107<br />

Es ist augenfällig: Hegels Auffassung von <strong>der</strong> Moral und insbeson<strong>der</strong>e<br />

von dem Gewissen steht und fällt mit seiner Geschichtskonzeption, die<br />

zugleich einer aristotelischen Praxisauffassung den Weg versperrt.<br />

Mit <strong>der</strong> Aufnahme des verän<strong>der</strong>lichen gesellschaftlich-geschichtlichen<br />

Inhalts, <strong>der</strong> sich in Gegensätzen bewegt, anerkennt Hegel auch die von<br />

Kant und Fichte verneinte Kollision <strong>der</strong> Pflichten 108 , die das Fundament<br />

<strong>der</strong> relativen Tragik <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Geschichte Handelnden bildet. Ebensowenig<br />

wie Goethe kennt Hegel einen „Pantragismus“ im Sinne des Neuhegelianers<br />

H. Glockner, <strong>der</strong> die dialektische Methode Hegels ablehnt 109 und darin<br />

übereinstimmt mit so verschiedenen Hegelinterpreten wie: F. A. Trendelenburg,<br />

Logische Untersuchungen, 1839, von denen Kierkegaard beeinflusst<br />

ist; R. Haym, Hegel und seine Zeit (1859); W. Dilthey, Die Jugendgeschichte<br />

Hegels, 1905; B. Croce, Lebendiges und. Totes in Hegels <strong>Philosophie</strong>,<br />

1909; W. Windelband, Die Erneuerung des Hegelianismus, 1910; R.<br />

Kroner, Von Kant zu Hegel, 192l-24, und an<strong>der</strong>en.<br />

Die Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit im Bereich <strong>der</strong> Sittlichkeit ist ein Spezialfall<br />

<strong>der</strong> allgemeinen Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit, die <strong>für</strong> Hegel die objektive Wirklichkeit<br />

wesentlich kennzeichnet, die <strong>für</strong> Kant dagegen – wie die Behandlung<br />

<strong>der</strong> Antinomien <strong>der</strong> Endlichkeit und Unendlichkeit, <strong>der</strong> Kontinuität und<br />

Diskontinuität sowie <strong>der</strong> Freiheitund Notwendigkeit in <strong>der</strong> transzendentalen<br />

Dialektik <strong>der</strong> „Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft“ zeigt – Beweis <strong>für</strong> die<br />

Schranken des menschlichen Erkenntnisvermögens und die Unerkennbarkeit<br />

<strong>der</strong> Dinge an sich ist.


43<br />

Hegels Ablehnung des erkenntnistheoretischen und ethischen Subjektivismus<br />

geht Hand in Hand mit <strong>der</strong> Anerkennung <strong>der</strong> dialektischen Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit<br />

<strong>der</strong> Wirklichkeit, und das heißt letztlich: ihrer Bewegung<br />

und Tätigkeit schlechthin; denn Bewegung kann, wie Hegel aufzeigt, in <strong>der</strong><br />

Tat nicht formallogisch unter Vermeidung des Wi<strong>der</strong>spruchs begriffen<br />

werden etwa als Summe bestimmter unbewegter diskontinuierlicher identischer<br />

Einheiten, son<strong>der</strong>n nur unter dem Aspekt, dass diese fixen Einheiten<br />

in Wahrheit zugleich verschwinden und ineinan<strong>der</strong> kontinuierlich übergehen,<br />

also nur sind, indem sie nicht sind. 110<br />

Dem abstrakten guten Willen einseitig entgegengesetzt sind <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>e<br />

Wille und das Böse, das heißt das Beharren des natürlichen Willens,<br />

<strong>der</strong> Leidenschaften, Triebe und Begierden in <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heit, die intransigente<br />

Abtrennung vom geistigen Allgemeinen (aus <strong>der</strong> auch Sokrates seine<br />

Dialogpartner herauszuführen sucht), das Insichgehen, die Vereinzelung<br />

und Selbstbehauptung ohne Einordnung ins Ganze 111 (wozu also im<br />

weiteren Sinne auch Kierkegaards unendliches Interesse an <strong>der</strong> je eigenen<br />

Existenz gehören würde).<br />

Das Böse ist aber <strong>für</strong> Hegel keine Privation, son<strong>der</strong>n die notwendige Negation<br />

des Guten: die Bedingung da<strong>für</strong>, dass <strong>der</strong> Mensch das an und <strong>für</strong><br />

sich Gute erwirbt, ist, dass er heraustritt aus <strong>der</strong> Einseitigkeit <strong>der</strong> Unschuld<br />

des unmittelbaren bewusstlosen Naturzustandes, in dem er nur<br />

erst <strong>der</strong> Möglichkeit nach, nicht wirklich gut und frei ist, d. h. dass er sich<br />

<strong>der</strong> Natur entgegensetzt, sich in sich entzweit von sich weiß, <strong>für</strong> sich wird<br />

und schuldig werden kann. So sind <strong>für</strong> Hegel –im Gegensatz zu Rousseau<br />

– das Böse, das Übel, <strong>der</strong> Schmerz, die Krisen, Revolutionen, Katastrophen<br />

und tragischen Zusammenbrüche als das notwendige Negative die positiven<br />

Triebkräfte <strong>der</strong> Geschichte (und ihr Begreifen ist <strong>für</strong> ihn, wie sich zeigen<br />

wird, die Realisierung <strong>der</strong> Leibnizischen versöhnenden Theodizee).<br />

Der Sündenfall – <strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong> unschuldigen Sichselbstgleichheit und<br />

<strong>der</strong> „arbeitslos sich darbietenden Natur“ im Garten <strong>der</strong> Tiere –, entstanden<br />

durch das Erkennen und Unterscheiden, ist also kein einmaliges und zufälliges<br />

Ereignis; er ist <strong>für</strong> Hegel „die ewige Geschichte des Geistes“, <strong>der</strong><br />

„ewige Mythus des Menschen, wodurch er eben Mensch wird.“ 112<br />

Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Trinitätsspekulation erblickt Hegel das Böse<br />

im Geist Gottes selbst, insofern Gott-Vater sich – von Anfang an, nicht erst


44<br />

auf Grund eines „Abfalls“ – in sich entzweit, sich in sich reflektiert und aus<br />

seiner einfachen Unendlichkeit und Identität mit sich in die Differenz und<br />

Endlichkeit tritt, was impliziert, dass Gott <strong>für</strong> Hegel wesentlich Schöpfer<br />

ist. Das ist – trotz Hegels Verwahrung dagegen – eine Art des Pantheismus<br />

und <strong>der</strong> Ablehnung <strong>der</strong> Transzendenz: <strong>der</strong> Geist kann <strong>für</strong> Hegel die Welt<br />

nicht schaffen, da <strong>der</strong> Geist zugleich notwendigerweise Welt ist. Das Erschaffen<br />

ist die vorstellungsmäßige dem Begriff inadäquate Form <strong>für</strong> das<br />

Negative des Geistes: „Dieses Erschaffen ist das Wort <strong>der</strong> Vorstellung <strong>für</strong><br />

den Begriff selbst nach seiner absoluten Bewegung o<strong>der</strong> da<strong>für</strong>, dass das<br />

als absolut ausgesagte Einfache o<strong>der</strong> reine Denken, weil es das abstrakte<br />

ist, vielmehr das Negative und hiemit sich Entgegengesetzte o<strong>der</strong> Andre<br />

ist.“ 113<br />

Wie Hegel ausführt, wird <strong>der</strong> Charakter des Bösen als notwendiges<br />

Moment des Guten nur erfasst vom Wissen, nicht von <strong>der</strong> religiösen Vorstellung,<br />

die nicht über den Dualismus hinaus zur begrifflichen Versöhnung<br />

gelangt. 114<br />

Da <strong>der</strong> Geist, die Quelle des Bösen, auch das Prinzip <strong>der</strong> Versöhnung<br />

des Entzweiten ist, wäre eine romantische Rückwärtswendung in Richtung<br />

auf einen unschuldigen Naturzustand gegen die Entwicklung des Geistes<br />

gerichtet.<br />

Indem <strong>für</strong> Hegel die Freiheit des beson<strong>der</strong>en Willens des einzelnen privat<br />

interessierten Menschen nur die Kehrseite des abstrakt allgemeinen<br />

formal freien Willens ist und somit keine Basis <strong>für</strong> die substantiellen<br />

menschlichen Beziehungen bilden Bann, lehnt er auch Rousseaus Theorie<br />

<strong>der</strong> Gemeinschaftsbildung auf Grund eines zwischen den Individuen geschlossenen<br />

Vertrags ab als eine „atomistische Ansicht im Politischen“, die<br />

den Vorrang <strong>der</strong> gesellschaftlichen und staatlichen Ganzheit verkenne.<br />

Rousseaus Konzeption des „allgemeinen Willens“ muss Hegel als abstrakt<br />

– und in <strong>der</strong> Konsequenz als jakobinisch – ansehen, da zu diesem „allgemeinen<br />

Willen“ <strong>der</strong> vermittelnde Übergang von den einzelnen beliebigen –<br />

gleichsam demoskopisch erfassbaren – Willensäußerungen und ebenso<br />

von dem „Willen aller“ fehlt. 115<br />

Mit dieser Auffassung <strong>der</strong> Priorität des konkreten Allgemeinen, <strong>der</strong> Gesamtpraxis,<br />

distanziert sich Hegel zwar eindeutig vom Liberalismus; aber<br />

um diese Einstellung Hegels nicht wie<strong>der</strong>um undialektisch mit einer völli-


45<br />

gen Degradierung des Individuums o<strong>der</strong> gar mit einer Sanktionierung des<br />

autoritären Totalitarismus gleichzusetzen 116 , muss jede Kontroverse hierüber<br />

berücksichtigen: dieses vernünftige – das Bestehen von Recht und<br />

Gesetz einschließende – Allgemeine, das „bonum commune“, wird von Hegel<br />

eben nicht abstrakt verstanden, d. h. nicht verselbständigt o<strong>der</strong> objektiviert,<br />

nicht <strong>der</strong> individuellen Freiheit obstinat entgegen gesetzt. Es wird<br />

vielmehr begriffen als konkret vermittelt durch die subjektiven Tätigkeiten<br />

<strong>der</strong> Individuen. Der Liberalismus und speziell die nach-thermidorianischen<br />

Neuerungen (<strong>der</strong>en Antagonismen von Hegel nicht übersehen werden) sind<br />

also in seiner politischen <strong>Philosophie</strong> als Moment aufgehoben.<br />

Eine Interpretation, die in <strong>der</strong> Hegelschen Staatslehre einen Ausdruck<br />

o<strong>der</strong> eine Vorbereitung des Totalitarismus o<strong>der</strong> eine Affinität zu ihm sieht,<br />

ignoriert, dass gemäß Hegels Konzeption <strong>der</strong> konkreten Sittlichkeit <strong>der</strong><br />

einzelne Mensch niemals nur behandeltes passives Objekt, son<strong>der</strong>n stets<br />

zugleich handelndes aktives Subjekt ist. Und was Hegel sein Leben lang<br />

als das grundlegende Verdienst <strong>der</strong> Kantischen Ethik trotz aller ihrer Mängel<br />

anerkennt, ist gerade <strong>der</strong> bei Rousseau vorgebildete Gedanke <strong>der</strong><br />

Selbstbestimmung und Freiheit des Willens, <strong>der</strong> Selbständigkeit des Subjekts,<br />

aber nicht nur im Sinne des transzendentalen reinen Bewusstseins<br />

gefasst. Dass <strong>der</strong> Mensch wesentlich Subjekt ist und kein Objekt <strong>der</strong> (feudalistischen)<br />

Willkür werden darf, bleibt <strong>für</strong> Hegel die unverzichtbare „kopernikanische<br />

Wendung“ in ethischer Hinsicht. 117a<br />

„Die Freiheit liegt... we<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Unbestimmtheit, noch in <strong>der</strong> Bestimmtheit,<br />

son<strong>der</strong>n sie ist beides“. 117 Das heißt aber: erst <strong>der</strong> konkret allgemeine<br />

wahrhaft gute Wille, <strong>der</strong> den beson<strong>der</strong>en Inhalt immanent enthält<br />

o<strong>der</strong> durch ihn hindurchgeht, <strong>der</strong> an und <strong>für</strong> sich seiende vernünftige Wille,<br />

hebt den Gegensatz von Form und Inhalt, Subjekt und Objekt, Begriff<br />

und Realität, auf und damit auch die Abhängigkeit und Beschränkung seitens<br />

<strong>der</strong> bestimmten Gegenstände.<br />

Schon <strong>der</strong> junge Hegel in seiner Berner Periode (1793-1796), auch<br />

schon in seiner Tübinger Studienzeit, untersucht die Probleme <strong>der</strong> Praxis,<br />

die <strong>für</strong> ihn zu dieser Zeit den Primat haben, von vornherein im Gegensatz<br />

zu Kant unter gesellschaftlich-geschichtlichem Aspekt. Es geht ihm nicht<br />

um die Praxis des intelligiblen (noumenalen) Ich, son<strong>der</strong>n um die Freiheit<br />

des Volkes als die Praxis <strong>der</strong> gemeinschaftlichen Selbsttätigkeit o<strong>der</strong> Sub-


46<br />

jektivität. Er sieht diese Selbsttätigkeit verwirklicht im öffentlichen Leben<br />

<strong>der</strong> antiken Polis. Sie wie<strong>der</strong> aufleben zu lassen, ist sein von <strong>der</strong> französischen<br />

Revolution inspiriertes utopisches, nicht realisierbares Bestreben.<br />

Die praktische Autonomie in <strong>der</strong> Polis basiert <strong>für</strong> den jungen Hegel <strong>der</strong><br />

Berner Periode auf <strong>der</strong> Eigenart <strong>der</strong> antiken Religion als „subjektiver“ und<br />

„öffentlicher“ „Volksreligion“ mit aus dem Volksgeist stammenden Festen<br />

und Bräuchen („Die Volksfeste <strong>der</strong> Griechen waren wohl alle Religionsfeste...<br />

Volksreligion – die, große Gesinnungen erzeugt und nährt – geht Hand<br />

in Hand mit <strong>der</strong> Freiheit...“ 118 ).<br />

Der Verfall und Verlust <strong>der</strong> Freiheit und Selbsttätigkeit, das Aufkommen<br />

von Unterdrückung und Passivität sind nach <strong>der</strong> Darstellung des<br />

jungen Hegel auch ein Ergebnis <strong>der</strong> Ungleichheit des Reichtums (<strong>der</strong> „Aristokratie<br />

des Kriegsruhms und des Reichtums“), aber primär die Auswirkung<br />

und Ursache <strong>der</strong> „Positivität“ – d. h. <strong>der</strong> Objektivität o<strong>der</strong> Fremdheit,<br />

Autorität und Heteronomie – <strong>der</strong> christlichen sich an den einzelnen Menschen<br />

wendenden „Privatreligion“, wobei Hegel nicht genügend unterscheidet<br />

zwischen dem vorkonstantinischen Christentum und <strong>der</strong> – den Gedanken<br />

des „Romanum Imperium“ und <strong>der</strong> „Roma aeterna“ rezipierenden –<br />

machtvollen Staatskirche mit ihrer hierarchischen Herrschaftsstruktur.<br />

(„Das Bild des Staates, als ein Produkt seiner Tätigkeit verschwand aus<br />

<strong>der</strong> Seele des Bürgers... Alle Tätigkeit, alle Zwecke bezogen sich jetzt aufs<br />

Individuelle... alle politische Freiheit fiel hinweg... Die Vernunft konnte es<br />

nie aufgeben, doch irgendwo das Absolute, das Selbständige, Praktische zu<br />

finden, in dem Willen <strong>der</strong> Menschen war es nicht mehr anzutreffen; es<br />

zeigte sich ihr noch in <strong>der</strong> Gottheit, die die christliche Religion ihr darbot,<br />

außerhalb <strong>der</strong> Sphäre unserer Macht, unseres Wollens, doch nicht unseres<br />

Flehens und Bittens – die Realisierung einer moralischen Idee konnte<br />

also nur noch gewünscht... nicht mehr gewollt werden...“ 119 )<br />

In <strong>der</strong>selben Weise sind <strong>für</strong> den jungen Hegel <strong>der</strong> Berner Periode die<br />

Moralgesetze <strong>der</strong> dualistischen Kantischen Ethik gegenüber <strong>der</strong> praktischen<br />

Subjektivität positiv, also objektiv o<strong>der</strong> gegenständlich, gegeben,<br />

fremd, tot, unaufhebbar, „etwas außer uns Bestehendes“. 120<br />

In seiner weiteren Entwicklung, in <strong>der</strong> Frankfurter Periode (1797-1800),<br />

sieht Hegel – in gewandelter Einstellung zum Christentum – die praktische<br />

lebendige Subjektivität und Selbstbestimmung, die gegen die Hinnahme


47<br />

<strong>der</strong> toten Positivität (des etablierten Faktums und des affirmierten Fatum)<br />

opponiert, in <strong>der</strong> Liebe und in dem „Leben“ <strong>der</strong> Religion verwirklicht.<br />

Das christliche Leben vereint das von den tyrannischen Kantischen Moralgeboten<br />

und von den herrischen jüdischen Gesetzen Entzweite und versöhnt<br />

mit dem notwendigen äußeren „Schicksal“ (speziell mit <strong>der</strong> Strafe<br />

des Verbrechers).<br />

So sagt Hegel in dem Konzept zu seiner Frankfurter Hauptschrift „Der<br />

Geist des Christentums und sein Schicksal“ (l799): „Jesus setzt dem Gebote<br />

die Gesinnung gegenüber, d. h. die Geneigtheit, so zu handeln; Neigung<br />

ist in sich gegründet, hat ihr idealisches Objekt in sich selbst; nicht in einem<br />

Fremden (dem Sittengesetze <strong>der</strong> Vernunft)... Gesinnung hebt die Positivität,<br />

Objektivität <strong>der</strong> Gebote auf; Liebe die Schranken <strong>der</strong> Gesinnung,<br />

Religion die Schranken <strong>der</strong> Liebe.“ 121<br />

Der Hauptaspekt <strong>der</strong> Kritik Hegels an Kants Ethik kommt in <strong>der</strong> Ausarbeitung<br />

dieser Frühschrift mit folgenden Worten prägnant zum Ausdruck<br />

(im Anschluss an eine Stelle in Kants „Die Religion innerhalb <strong>der</strong> Grenzen<br />

<strong>der</strong> bloßen Vernunft“): „... zwischen dem tungusischen Schamanen mit<br />

dem Kirche und Staat regierenden europäischen Prälaten o<strong>der</strong> dem Mogulitzen<br />

mit dem Puritaner und dem seinem Pflichtgebot Gehorchenden ist<br />

nicht <strong>der</strong> Unterschied, dass jene sich zu Knechten machten, dieser frei wäre;<br />

son<strong>der</strong>n dass jener den Herren außer sich, dieser aber den Herren in<br />

sich trägt, zugleich aber sein eigener Knecht ist... Ein Mann (sc. Kant, E.<br />

T.) <strong>der</strong> den Menschen in seiner Ganzheit wie<strong>der</strong> herstellen wollte, konnte<br />

einen solchen Weg unmöglich einschlagen, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Zerrissenheit des Menschen<br />

nur einen hartsinnigen Dünkel zugesellt...“ 122<br />

In dem Konzept zu <strong>der</strong> Schrift „Der Geist des Christentums und sein<br />

Schicksal“ behandelt Hegel ein Hauptmoment <strong>der</strong> Praxis, nämlich die<br />

Wahl, und zwar in Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Kants Bestimmung <strong>der</strong> Wahl<br />

als Entscheidung zwischen moralisch Gutem und Bösem. Die Wahl ist <strong>für</strong><br />

Hegel hier die adäquate Vereinigung o<strong>der</strong> Versöhnung zwischen wählendem<br />

Subjekt und gewähltem Objekt und vollbringt als solche die Aufhebung<br />

<strong>der</strong> Positivität. Ob die Vereinigung <strong>der</strong> Wahl wirklich moralisch ist,<br />

hängt vom gewählten Inhalt ab, nicht primär von <strong>der</strong> Gesinnung und <strong>der</strong><br />

Vorstellung. Worauf es Hegel wesentlich ankommt, ist, was gewählt wird:<br />

„... das Vorstellende und das Vorgestellte werden eins; dies ist die Hand-


48<br />

lung; das Moralische <strong>der</strong> Handlung ist in <strong>der</strong> Wahl, die Vereinigung in <strong>der</strong><br />

Wahl ist, dass das Ausgeschlossene ein Trennendes ist; dass das Vorgestellte,<br />

das in <strong>der</strong> Handlung vereinigt wird mit dem Vorstellenden <strong>der</strong> Tätigkeit,<br />

selbst schon ein Vereinigtes sei, unmoralisch, wenn es ein Trennendes<br />

ist. Die Möglichkeit <strong>der</strong> Entgegensetzung ist Freiheit – das Entgegensetzen<br />

selbst ein Akt <strong>der</strong> Freiheit. Die moralische Handlung ist darum<br />

unvollständig und unvollkommen, weil sie die Wahl, weil sie Freiheit, Entgegengesetzte,<br />

Ausschließung eines Entgegengesetzten voraussetzt, – je<br />

verbundener dies Ausgeschlossene ist, desto größer die Aufopferung, die<br />

Trennung, desto unglücklicher das Schicksal; ‚je‘ größer dieser einzelne,<br />

desto zerrissener die Idee des Menschen; ‚je‘ intensiver sein Leben, desto<br />

mehr verliert es an Extension, und er trennt sich wie<strong>der</strong> desto mehr. Moralität<br />

‚ist‘ Angemessenheit, Vereinigung mit dem Gesetz des Lebens; ist dieses<br />

Gesetz aber nicht Gesetz des Lebens, son<strong>der</strong>n selbst ein fremdes, so ist<br />

die höchste Trennung; Objektivität.“ 123 (Freiheit ist also <strong>für</strong> Hegel eine<br />

Qualität <strong>der</strong> Willensentscheidung, <strong>der</strong> Wahl selbst, nicht nur – wie etwa<br />

<strong>für</strong> Locke, <strong>der</strong> die Frage <strong>der</strong> Willensfreiheit unbeantwortet lässt – die Fähigkeit,<br />

eine getroffene Willensentscheidung in die Tat umzusetzen.)<br />

Auch im Frankfurter Systemfragment von 1800 steht im Mittelpunkt<br />

die Frage <strong>der</strong> Vereinigung und des „Lebens“ (d. h. <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong> Vereinheitlichung<br />

des Entgegengesetzten o<strong>der</strong> des „Fließgleichgewichts“ – venia<br />

sit verbo). Später präzisiert Hegel den Begriff des Lebens durch Angabe <strong>der</strong><br />

drei Hauptmerkmale: Totalität, Prozesshaftigkeit und Selbstbewegung o<strong>der</strong><br />

Selbstreproduktion. 124 Diese Problematik wird hier weiter ausgeführt in<br />

Richtung auf die reife Konzeption <strong>der</strong> konkreten Sittlichkeit. Zwischen Individuum<br />

und Objektwelt herrscht nach Hegels Entwurf eine untrennbare<br />

Beziehung; das Individuum „wird bloß in Beziehung betrachtet, sein Sein<br />

nur als Vereinigung habend...“ 125 Diese Beziehung zwischen Subjekt und<br />

Objekt wird als lebendiges Wechselverhältnis aufgefasst.<br />

Dabei bestimmt Hegel das „Leben“ o<strong>der</strong> den „Geist“ mit einer Formulierung,<br />

die seiner reifen Artikulation <strong>der</strong> Dialektik als „Identität <strong>der</strong> Identität<br />

und Nichtidentität“ entspricht: er nennt das Leben „die Verbindung <strong>der</strong><br />

Verbindung und <strong>der</strong> Pflichtverbindung“. 126 Aus alledem ist im übrigen ersichtlich,<br />

dass Hegels Begriff des „Lebens“ – die Keimform seines Begriffes<br />

<strong>der</strong> Sittlichkeit – nichts gemeinsam hat mit dem gleichnamigen Begriff <strong>der</strong>


49<br />

Lebensphilosophie, die Hegel vielmehr indirekt in Friedrich Heinrich Jacobi<br />

und seiner Lehre vom undialektischen intuitiven „unmittelbaren Wissen“<br />

kritisiert. Viel eher ist bei Hegels Begriff des „Lebens“ an Aristoteles’<br />

Bestimmung des Geistes als Leben in <strong>der</strong> „Metaphysik“ zu denken.<br />

Am Ende <strong>der</strong> folgenden Jenaer Periode (180l-1807), in <strong>der</strong> er seine Dialektik<br />

vollständig entwickelt hat, zeigt Hegel in <strong>der</strong> „Phänomenologie des<br />

Geistes“ an mehreren Wendepunkten <strong>der</strong> „Odyssee des Geistes“ (Schelling),<br />

wie vor dem Erreichen <strong>der</strong> Position <strong>der</strong> konkreten Sittlichkeit und<br />

praktischen Freiheit die wahre Vereinigung von Einzelnem und Allgemeinem<br />

wie<strong>der</strong>holt scheitert, indem das Subjekt mit <strong>der</strong> fremd gegenüberstehenden<br />

unbegriffenen Objektwelt kollidiert. In diesen Zusammenstößen<br />

liegt ein Merkmal <strong>der</strong> Kontinuität, ein Leitfaden, in <strong>der</strong> allgemeinen geistigen<br />

Entwicklung.<br />

Zu diesen mißglückten Synthesen gehören: die Flucht des stoischen<br />

Bewusstseins aus <strong>der</strong> realen Abhängigkeit in die „einfache Wesenheit des<br />

Gedankens“, worin nur <strong>der</strong> abstrakte inhaltslose „Begriff <strong>der</strong> Freiheit,<br />

nicht die lebendige Freiheit selbst“ liegt 127 ; das Sicheinlassen des skeptischen<br />

Bewusstseins in den bestimmten einzelnen Inhalt, den es zwar negiert,<br />

in dem es aber trotz <strong>der</strong> Deklaration seiner Nichtigkeit befangen<br />

bleibt, falls es sich nicht in das an<strong>der</strong>e Extrem <strong>der</strong> rein negativen Freiheit<br />

des Selbstbewusstseins unversöhnt zurückzieht („es erkennt seine Freiheit<br />

einmal als Erhebung über alle Verwirrung und alle Zufälligkeit des Daseins<br />

und bekennt sich ebenso das andremal wie<strong>der</strong> als ein Zurückfallen in die<br />

Unwesentlichkeit und als ein Herumtreiben in ihr“ 128); dann die Entzweiung<br />

des unglücklichen Bewusstseins, dessen Kennzeichen <strong>der</strong> Dualismus<br />

von Diesseits und Jenseits, von Menschlichem, Unwesentlichem und<br />

Wandelbarem einerseits und Göttlichem, Wesentlichem und Unwandelbarem<br />

an<strong>der</strong>erseits ist; es hat den Herr-Knecht-Gegensatz in sich selbst. Das<br />

unglückliche Bewusstsein ist <strong>der</strong> Schmerz „über dieses Dasein und Tun,<br />

denn es hat darin nur das Bewusstsein seines Gegenteils als des Wesens,<br />

und <strong>der</strong> eigenen Nichtigkeit.“ 129 Es gewinnt in <strong>der</strong> entzwei gebrochenen<br />

Wirklichkeit durch die Arbeit, die es sich nicht als seine eigene zuschreibt,<br />

keine Bewährung und Selbstbestätigung. (Hiermit kontrastiert zum Beispiel<br />

die Darstellung <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>län<strong>der</strong> in <strong>der</strong> „Ästhetik“, in <strong>der</strong>en Bil<strong>der</strong>n<br />

sich ausdrückt, wie heimisch, frei, voller Froheit und Selbstgefühl sie in


50<br />

ihrer bürgerlichen Welt waren, in <strong>der</strong> sie alles „ihrer eigenen Tätigkeit verdanken“<br />

konnten. 130 ) Aber durch Entsagung und Verzicht auf eigenen Willen,<br />

Arbeit, Genuß und Besitz hat an sich auch vom unglücklichen Bewusstsein<br />

„sein Unglück... abgelassen“, und ist es an sich die vernünftige<br />

Einheit des Einzelnen und Allgemeinen, des Wandelbaren und Unwandelbaren.<br />

Die bisher erwähnten Kollisionen von Subjekt und Objekt spielten sich<br />

im individuellen Bewusstsein auf dem Hintergrund <strong>der</strong> antiken und mittelalterlichen<br />

Welt ab. Aber auch auf <strong>der</strong> folgenden Stufe des objektiven<br />

Geistes kommt es zu praktischen Zusammenstößen zwischen Individuellem<br />

und Allgemeinem: die sinnliche Lust o<strong>der</strong> das einzelne Gefühl – in<br />

Goethes „Faust“ vom Erdgeist repräsentiert – findet den Untergang in <strong>der</strong><br />

schicksalhaften allgemeinen Notwendigkeit. Das Bewusstsein erfährt, dass<br />

„die Folgen seiner Taten... ihm nicht seine Taten selbst“ sind, und die abstrakte<br />

Notwendigkeit ist „nur die unbegriffene Macht <strong>der</strong> Allgemeinheit, an<br />

welcher die Individualität zerschmettert wird.“ 131<br />

Ähnlich ergeht es dem Individuum, das sein unmittelbares „Gesetz des<br />

Herzens“, dessen beson<strong>der</strong>em Inhalt und seine Auffassung vom „Wohl <strong>der</strong><br />

Menschheit“ in seinem Tun verwirklichen will. Es muss erfahren, dass die<br />

an<strong>der</strong>en „Herzen <strong>der</strong> Menschen selbst seinen vortrefflichen Absichten entgegen“<br />

sind. 132 Als Beispiele <strong>für</strong> die Ausdehnung <strong>der</strong> subjektiven hochfliegenden,<br />

überschwenglichen Ziele zur substantiellen Allgemeinheit führt<br />

Hegel in <strong>der</strong> „Ästhetik“ unter an<strong>der</strong>em an: Faust (im ersten Teil des Dramas),<br />

Ferdinand in Schillers „Kabale und Liebe“, Wallenstein und Karl<br />

Moor, <strong>der</strong> sich als „selbständiger Rächer“ gegen „die gesamte bürgerliche<br />

Ordnung und den ganzen Zustand <strong>der</strong> Welt und Menschheit seiner Zeit<br />

empört“. 133<br />

Nach <strong>der</strong> Darstellung des Scheiterns <strong>der</strong> Tugend am Weltlauf zeigt Hegel<br />

den Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> individuellen Handlung und dem<br />

gesellschaftlichen Allgemeinen im „geistigen Tierreich“ <strong>der</strong> bürgerlichen<br />

Gesellschaft („Das Ganze ist die sich bewegende Durchdringung <strong>der</strong> Individualität<br />

und des Allgemeinen...“ 134 ), bevor er in den Kapiteln „Die gesetzgebende<br />

Vernunft“ und „Die gesetzprüfende Vernunft“ die „reine Form <strong>der</strong><br />

Allgemeinheit“ <strong>der</strong> Kantischen und Fichteschen Moral bemängelt und<br />

dann von den „Gestalten des Bewusstseins“ zu den wirklichen „Gestalten


51<br />

einer Welt“, d. h. zur Entwicklung des objektiven Geistes, übergeht. Auch<br />

an ihrem Endpunkt steht – vor dem hier in <strong>der</strong> „Phänomenologie des Geistes“<br />

noch vagen „versöhnenden Ja“ – eine Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem<br />

gegenüber dem Inhalt gleichgültigen unmittelbar „seiner selbst gewissen<br />

Geist“ <strong>der</strong> abstrakten Moralität und auch mit dem Bewusstsein <strong>der</strong> „schönen<br />

Seele“, dem die „Kraft <strong>der</strong> Entäußerung“ fehlt, „die Kraft, sich zum<br />

Dinge zu machen und das Sein zu ertragen; es lebt in <strong>der</strong> Angst, die Herrlichkeit<br />

seines Innern durch Handlung und Dasein zu beflecken; und um<br />

die Reinheit seines Herzens zu bewahren, flieht es die Berührung <strong>der</strong><br />

Wirklichkeit...“ 135<br />

Hier tritt noch einmal beson<strong>der</strong>s prägnant Hegels Konzeption <strong>der</strong> Praxis<br />

als konkreter Sittlichkeit hervor in <strong>der</strong> Ablehnung einer starren Trennung<br />

<strong>der</strong> Pflichten gegen sich selbst und gegen die Allgemeinheit: „Alsdenn ist<br />

ferner jene Unterscheidung <strong>der</strong> Pflicht gegen das Einzelne und gegen das<br />

Allgemeine <strong>der</strong> Natur des Gegensatzes überhaupt nach nichts Festes. Son<strong>der</strong>n<br />

vielmehr was <strong>der</strong> Einzelne <strong>für</strong> sich tut, kommt auch dem Allgemeinen<br />

zugute; je mehr er <strong>für</strong> sich gesorgt, desto größer ist nicht nur seine Möglichkeit,<br />

an<strong>der</strong>n zu nützen; son<strong>der</strong>n seine Wirklichkeit selbst ist nur dies,<br />

im Zusammenhange mit an<strong>der</strong>n zu sein und zu leben... In <strong>der</strong> Erfüllung<br />

<strong>der</strong> Pflicht gegen den Einzelnen, also gegen sich, wird also auch die gegen<br />

das Allgemeine erfüllt.“ 136<br />

In diesem Exkurs über die Hauptetappen <strong>der</strong> sukzessiven Entstehung<br />

<strong>der</strong> Hegelschen Praxiskonzeption <strong>der</strong> konkreten Sittlichkeit ist die – nach<br />

Überwindung des Utopismus <strong>der</strong> Berner Periode – sich steigernde Tendenz<br />

zur Versöhnung mit <strong>der</strong> Wirklichkeit hervorgetreten, auf <strong>der</strong>en Konsequenzen<br />

unten zurückzukommen ist. Es muss noch einmal unter an<strong>der</strong>em<br />

Aspekt die ausgebildete Theorie des objektiven Geistes betrachtet werden.<br />

Im folgenden ist herauszustellen, dass <strong>für</strong> Hegel die Praxis des allgemeinen<br />

konkreten Willens die Sphäre <strong>der</strong> Entfremdung des absoluten Geistes ist.<br />

Zu dem Niveau des objektiven Geistes erhebt sich <strong>der</strong> einzelne, subjektive<br />

Wille dadurch, dass er sich denjenigen Inhalt, Gegenstand und Zweck<br />

gibt, den er nur im Denken erreichen kann, nämlich die rechtlichen, moralischen<br />

und sittlichen Gesetze des Geistes, <strong>der</strong>en zusammenfassende Bestimmung<br />

die Freiheit ist. „Die wahre Freiheit ist als Sittlichkeit dies, dass<br />

<strong>der</strong> Wille nicht subjektive, d. i. eigensüchtige, son<strong>der</strong>n allgemeinen Inhalt


52<br />

zu seinen Zwecken hat; solcher Inhalt ist aber nur im Denken und durchs<br />

Denken...“ 137<br />

Dagegen ist <strong>der</strong> Inhalt des individuellen Willens auf <strong>der</strong> Stufe des subjektiven<br />

Geistes nicht ausschließlich im Denken. Er kann auch in <strong>der</strong><br />

Wahrnehmung o<strong>der</strong> Vorstellung sein; und die Verstandesreflexion bringt<br />

an den beson<strong>der</strong>en zufällig gegebenen Inhalt des individuellen Willens nur<br />

die formale Allgemeinheit heran, so dass Form und Inhalt sich entgegengesetzt<br />

bleiben und <strong>der</strong> individuelle reflektierende Wille an den Inhalt gebunden<br />

und durch ihn bestimmt bleibt.<br />

Schon um nur die Reflexionsform <strong>der</strong> Allgemeinheit des Wissens und<br />

Wollens zu erreichen, muss sich <strong>der</strong> einzelne, subjektive Wille erheben aus<br />

<strong>der</strong> vorgefundenen Objektwelt, d. h. aus dem Bereich <strong>der</strong> unmittelbaren,<br />

natürlichen, partikulären Bedürfnisse und <strong>der</strong> äußerlich sich dem Bewusstsein<br />

darbietenden Naturdinge sowie aus dem Bereich des Verhältnisses<br />

einzelner Menschen, die sich in ihrem Selbstbewusstsein verschieden<br />

und partikulär sind. Der einzelne, subjektive Wille – dessen Freiheit als<br />

Auflösung und Vereinigung des Subjekt-Objekt-Gegensatzes zur Befriedung<br />

nur beschränkt und nicht endgültig ist – befreit sich weiter und bildet<br />

sich durch „die harte Arbeit gegen die bloße Subjektivität des Benehmens,<br />

gegen die Unmittelbarkeit <strong>der</strong> Begierde, sowie gegen die subjektive<br />

Eitelkeit <strong>der</strong> Empfindung und die Willkür des Beliebens.“ 138<br />

Da <strong>der</strong> objektive konkret allgemeine, vernünftige Inhalt des Willens, die<br />

allgemeingültige Ordnung <strong>der</strong> zwischenmenschlichen Beziehungen, dem<br />

Denken angehört, aber auch sein wirkliches Element im Willen hat, repräsentiert<br />

<strong>der</strong> „wirkliche freie Wille“ als objektiver, gegenständlicher Geist die<br />

Aufhebung und Synthese <strong>der</strong> subjektiven theoretischen und praktischen<br />

Tätigkeit. 139<br />

In dieser Synthese <strong>der</strong> subjektiven Theorie und Praxis auf <strong>der</strong> Stufe des<br />

objektiven Geistes erfasst sich aber <strong>der</strong> Geist noch nicht in seinem eigenen<br />

Element, im Geist selbst. Der objektive, vergegenständlichte Geist ist noch<br />

nicht <strong>der</strong> absolute Geist. Der Geist bleibt im Element des Willens, in seinem<br />

an<strong>der</strong>en, sich selbst entfremdet. Er bezieht sich nicht auf sich als<br />

Geist. Das heißt: die Gegensätze von Subjekt und Objekt sind noch keine<br />

rein logischen Gegensätze des absoluten Wissens. Das Wahre ist noch<br />

nicht in <strong>der</strong> Form des Wahren. Die rechtlichen, moralischen und sittlichen


53<br />

geistigen Bestimmungen existieren durch den Willen. Denken und Willen<br />

werden im Bereich des objektiven Geistes noch unterschieden. Der objektive<br />

Geist ist <strong>der</strong> absolute Geist erst in seinem Dasein. „Die Idee erscheint<br />

so nur im Willen, <strong>der</strong> ein endlicher, aber <strong>der</strong> Tätigkeit ist, sie zu entwickeln<br />

und ihren sich entfaltenden Inhalt als Dasein, welches als Dasein <strong>der</strong> Idee<br />

Wirklichkeit ist, zu setzen, – objektiver Geist.“ 140<br />

Das heißt vom Standpunkt des absoluten Geistes aus, dass <strong>der</strong> objektive<br />

Geist die Sphäre <strong>der</strong> Praxis ist; denn Geist und Wille verhalten sich<br />

prinzipiell wie Theorie und Praxis, und <strong>der</strong> absolute Geist hat sich als objektiver<br />

Geist in den Willen entäußert. Dagegen erwies sich vom Standpunkt<br />

des subjektiven Geistes aus <strong>der</strong> objektive Geist als Einheit von (subjektiver)<br />

Theorie und Praxis.<br />

Indem <strong>der</strong> objektive Geist – in Hinblick auf den absoluten Geist – die<br />

Sphäre <strong>der</strong> Realität o<strong>der</strong> Existenz und Praxis ist, ist er auch noch die<br />

Sphäre <strong>der</strong> Entfremdung und Endlichkeit. 141 Das zeigt sich daran, dass<br />

<strong>der</strong> Träger des objektiven Geistes jeweils ein beson<strong>der</strong>es Volk in <strong>der</strong> Geschichte<br />

mit bestimmten staatlichen Einrichtungen ist. „Das Prinzip selbst<br />

aber, als dessen Wirklichkeit das Staatsleben da ist und worin <strong>der</strong> Mensch<br />

seine Befriedigung sucht, ist, wie mannigfach es auch in seiner inneren<br />

und äußeren Glie<strong>der</strong>ung sich entfalten mag, dennoch ebensosehr wie<strong>der</strong><br />

einseitig und abstrakt in sich selbst. Es ist nur die vernünftige Freiheit des<br />

Willens, welche sich darin expliziert; es ist nur <strong>der</strong> Staat – und wie<strong>der</strong>um<br />

nur dieser einzelne Staat – und dadurch wie<strong>der</strong> eine beson<strong>der</strong>e Sphäre des<br />

Daseins, und <strong>der</strong>en vereinzelte Realität, in welcher Freiheit wirklich<br />

wird.“ 142<br />

Somit ist <strong>der</strong> objektive Geist noch nicht vollkommen frei, und zwar unter<br />

<strong>der</strong> grundlegenden Voraussetzung, dass die Gegenständlichkeit<br />

schlechthin in den absoluten Geist aufhebbar ist. Als frei und unendlich<br />

erwies sich <strong>der</strong> objektive Geist nur insofern, als auf seiner Stufe <strong>der</strong> Wille<br />

mit <strong>der</strong> Aufnahme des ihm angemessenen allgemeinen rechtlichen, moralischen<br />

und sittlichen Inhalts denjenigen Standpunkt erreicht, den er als<br />

Wille erreichen kann, nämlich seine Wahrheit als Übereinstimmung seines<br />

Begriffs und seines Daseins.


54<br />

Der Wille als Wille überwindet zwar die Endlichkeit und Abhängigkeit,<br />

aber die Wahrheit des Willens ist <strong>für</strong> Hegel <strong>der</strong> absolute Geist, mit dem<br />

we<strong>der</strong> <strong>der</strong> subjektive noch <strong>der</strong> objektive Wille übereinstimmt.<br />

Wenn auch <strong>der</strong> objektive Geist in <strong>der</strong> Perspektivs des absoluten Geistes<br />

noch die Sphäre <strong>der</strong> Praxis, <strong>der</strong> Entfremdung, Gegenständlichkeit, Endlichkeit<br />

und Unfreiheit ist, so befindet er sich doch auf dem Wege zum absoluten<br />

Geist: er ist ein Schritt zur Entgegenständlichung, Verinnerlichung<br />

und vollkommenen geistigen Freiheit; denn die Gegenstände <strong>der</strong> Praxis auf<br />

<strong>der</strong> Stufe des objektiven Geistes – die rechtlichen, moralischen und sittlichen<br />

Bestimmungen – sind nicht sinnlich, son<strong>der</strong>n intelligibel, ausschließlich<br />

dem Denken zugänglich. Der auf sie gerichtete Wille ist also in seiner<br />

Verwirklichung schon innerlich. Die Synthese von Innen und Außen, Begriff<br />

o<strong>der</strong> Idealität und Realität ist auf dieser Stufe selbst innerlich und ideell.<br />

„Der an und <strong>für</strong> sich seiende Wille ist... nicht bloße Möglichkeit, Anlage,<br />

Vermögen(potentia), son<strong>der</strong>n das Wirklich-Unendliche (infinitum actu),<br />

weil das Dasein des Begriffs, o<strong>der</strong> seine gegenständliche Äußerlichkeit das<br />

Innerliche selbst ist.“ 142a<br />

Der Wille auf <strong>der</strong> Stufe des objektiven Geistes ist also real, indem er von<br />

sich weiß. Die Entwicklungshöhe <strong>der</strong> rechtlichen, moralischen und sittlich-politischen<br />

Verhältnisse, das heißt <strong>der</strong> realen Freiheit, innerhalb eines<br />

bestimmten Volkes hängt somit von <strong>der</strong> Entwicklung seines Selbstbewusstseins<br />

ab.<br />

Da <strong>der</strong> objektive Geist eine Sphäre <strong>der</strong> Praxis ist, <strong>der</strong> Wille in ihr aber<br />

ausschließlich gedanklich fassbare Gegenstände hat, ergibt sieh: <strong>für</strong> Hegel<br />

ist die Praxis, d. h. die Bestimmung o<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung von Gegenständen,<br />

nicht identisch mit <strong>der</strong> Bestimmung o<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung sinnlicher Gegenstände.<br />

Dies verdient schon an dieser Stelle hervorgehoben zu werden hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> junghegelianischen Umdeutungen <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> Hegels, in<br />

<strong>der</strong>en Verlauf schließlich Marx die Praxis mit „gegenständlicher“ – und das<br />

heißt <strong>für</strong> ihn: sinnlicher – Tätigkeit gleich setzt.


55<br />

6. Der scheinbare Vorrang <strong>der</strong> Praxis gegenüber <strong>der</strong> Theorie<br />

Wenn auch, wie dargestellt, <strong>für</strong> Hegel Theorie und Praxis in <strong>der</strong> Sphäre<br />

<strong>der</strong> Endlichkeit beide einseitig sind und keine vollkommene Einheit und<br />

Freiheit erreichen, da dem subjektiven Geist eine beschränkende objektive<br />

Außenwelt mit ihrer Selbständigkeit und Fremdheit vorgegeben bleibt und<br />

dem objektiven Willen noch die Form des absoluten Geistes ermangelt, so<br />

sind sie doch nicht gleichrangig.<br />

Zunächst hat die Praxis einen Vorrang: im theoretischen Verhalten des<br />

endlichen Bewusstseins empfängt das Subjekt den Inhalt als vorgegebenen<br />

und ist ausschließlich formal o<strong>der</strong> abstrakt bei sich selbst und frei, insofern<br />

es bei allen äußeren Bestimmungen in reiner Unbestimmtheit und<br />

Selbstgewissheit identisch mit sich bleiben kann. Dagegen bestimmt sich<br />

das Subjekt in <strong>der</strong> Praxis nicht nur formal, son<strong>der</strong>n auch inhaltlich aus<br />

sich selbst, aus dem Bewusstsein. „Beim theoretischen Vermögen macht<br />

es nun den wesentlichen Unterschied aus, dass nur die Form im Bestimmen<br />

des Geistes liegt, hingegen beim praktischen <strong>der</strong> Inhalt auch vom<br />

Geist herkommt.“ 143<br />

Diese inhaltliche Selbstbestimmung gilt sowohl <strong>für</strong> die objektive konkret<br />

allgemeine Praxis als auch <strong>für</strong> die subjektive, individuelle Praxis; aber<br />

<strong>für</strong> diese gilt sie nur in relativer Weise: den inneren Inhalt, <strong>der</strong> durch das<br />

Handeln äußeres Dasein erhalten soll, findet sie vor und macht ihn erst<br />

willentlich – durch den Entschluss – zum eigenen Inhalt. „Die Umstände<br />

o<strong>der</strong> Beweggründe haben nur so viel Herrschaft über den Menschen, als er<br />

selbst ihnen einräumt.“ 144<br />

Indem <strong>der</strong> innere Inhalt des Willensentschlusses durch das Handeln<br />

realisiert wird, d. h. die inneren Möglichkeiten und Reichtümer vorgezeigt<br />

werden, und dadurch das äußere Vorhandene umgestaltet und zur Übereinstimmung<br />

und Vereinigung mit dem Inneren gebracht wird (so dass das<br />

Handeln Setzen und Negieren, gewissermaßen Zustimmung und Missbilligung,<br />

zugleich ist), bleiben <strong>der</strong> innere Inhalt und <strong>der</strong> realisierte Inhalt <strong>der</strong><br />

gleiche, und nur die Form wird aufgehoben. „Das Haus, welches, dem Vorsatz<br />

nach, gebaut werden soll, und das, welches, dem Plan nach, gebaut<br />

wird, sind dasselbe Haus.“ 145


56<br />

Dementsprechend stellt Hegel auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> „Logik“ die praktische<br />

Idee des Guten, da sie in sich das Moment <strong>der</strong> Bestimmtheit enthält, höher<br />

als die theoretische Idee des Wahren: „In <strong>der</strong> theoretischen Idee steht<br />

<strong>der</strong> subjektive Begriff als das Allgemeine, an und <strong>für</strong> sich Bestimmungslose,<br />

<strong>der</strong> objektiven Welt entgegen, aus <strong>der</strong> er sich den bestimmten Inhalt<br />

und die Erfüllung nimmt. In <strong>der</strong> praktischen Idee aber steht er als Wirkliches<br />

dem Wirklichen gegenüber... Die Objektivität hat das Subjekt hier<br />

sich selbst vindiziert; seine Bestimmtheit in sich ist das Objektive, denn es<br />

ist die Allgemeinheit, welche ebensowohl schlechthin bestimmt ist... Diese<br />

in dem Begriffe enthaltene, ihm gleiche, und die For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> einzelnen<br />

äußerlichen Wirklichkeit in sich schließende Bestimmtheit ist das Gute...<br />

Diese Idee ist höher als die Idee des betrachteten Erkennens, denn sie hat<br />

nicht nur die Würde des Allgemeinen, son<strong>der</strong>n auch des schlechthin Wirklichen.“<br />

146<br />

Aber <strong>der</strong> Vorrang <strong>der</strong> Praxis gegenüber <strong>der</strong> Theorie wird letztlich von<br />

Hegel als Schein behandelt. Der Mangel <strong>der</strong> Praxis ist <strong>für</strong> Hegel, dass sie<br />

keine absolute Selbstbestimmung gewährt. Der Inhalt des objektiven allgemeinen<br />

Willens ist nämlich nicht in seiner wahren Form, dem Geist; und<br />

<strong>der</strong> subjektive, individuelle Wille ist inhaltlich nur relativ autonom, d. h. er<br />

bleibt in Beziehung auf seinen Inhalt beschränkt und endlich.<br />

Der Grund da<strong>für</strong> ist, dass <strong>der</strong> Praxis eine von ihr unabhängige gleichsam<br />

wi<strong>der</strong>spenstige objektive Welt als unüberwindliche nicht manipulierbare<br />

Schranke, als das sich selbst vorgebende Unverfügbare, Ungenießbare,<br />

vorausgesetzt bleibt, dass also die Gegenständlichkeit <strong>für</strong> die schöpferische<br />

praktische Initiative den Charakter <strong>der</strong> Notwendigkeit hat.<br />

Infolgedessen kann auch die Realisierung des Willensinhaltes in <strong>der</strong><br />

Außenwelt gehemmt o<strong>der</strong> verhin<strong>der</strong>t werden (so dass sie ein Postulat<br />

bleibt); o<strong>der</strong> ein realisierter Willensinhalt kann mit einem an<strong>der</strong>en kollidieren<br />

und von ihm zerstört werden. 147<br />

Die Praxis hat aber nicht nur den Mangel <strong>der</strong> Relativität <strong>der</strong> Selbstbestimmung.<br />

Sie ermangelt auch eines Vorzugs <strong>der</strong> endlichen Theorie: diese<br />

lässt im Gegensatz zur Praxis die unabhängige Gegenstandswelt frei in ihrem<br />

eigenen Wesen gewähren und behandelt sie nicht als <strong>für</strong> sich nichtig<br />

(allerdings auf Kosten ihrer eigenen inhaltlichen Selbstbestimmung). 148


57<br />

Diese doppelte Mangelhaftigkeit <strong>der</strong> Praxis und die – oben im zweiten<br />

Abschnitt ausführlicher darstellte – Einseitigkeit <strong>der</strong> endlichen Theorie<br />

können nach Hegels Konzeption von <strong>der</strong> absoluten Theorie, dem absoluten<br />

Wissen, als einer Synthese <strong>der</strong> endlichen Theorie und <strong>der</strong> endlichen –<br />

subjektiven und objektiven – Praxis überwunden werden.<br />

Diese absolute Theorie muss demnach drei Bedingungen erfüllen: erstens<br />

muss sie die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Objektivität schlechthin überwinden;<br />

zweitens muss sie aber auch die objektive Wirklichkeit frei <strong>für</strong> sich in<br />

ihrem Wesen lassen; drittens darf sie dennoch nicht von <strong>der</strong> so frei gelassenen<br />

objektiven Wirklichkeit – wie die endliche Theorie – in ihrer inhaltlichen<br />

Selbstbestimmung eingeschränkt werden.<br />

Die Erfüllung dieser drei Bedingungen impliziert konsequenterweise die<br />

Konzeption einer vollkommenen Vereinigung von Subjekt und Objekt in<br />

<strong>der</strong> Weise, dass die objektive Wirklichkeit selbst das Produkt o<strong>der</strong> die Entäußerung<br />

eines absoluten Subjekts, des absoluten Geistes, ist, so dass<br />

also die objektive Wirklichkeit selbst geistiger Natur ist und das Subjekt in<br />

<strong>der</strong> Beziehung auf das Objekt in vollkommener Selbstbestimmung bei sich<br />

bleibt.<br />

Es ist offensichtlich, wie leicht aus Hegels Bestimmung des Theorie-<br />

Praxis-Verhältnisses bei einer Reduzierung des absoluten Geistes auf den<br />

menschlichen Geist Folgerungen zugunsten des Primats <strong>der</strong> Praxis gezogen<br />

werden können. Insofern mit dem absoluten Geist auch <strong>der</strong> idealistische<br />

Objektivitätsbegriff preisgegeben wird, lassen sich <strong>der</strong> unüberwindliche<br />

Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Objektwelt, d. h. die Unaufhebbarkeit <strong>der</strong> Gegenständlichkeit<br />

als solcher, und <strong>der</strong> nur relative Charakter <strong>der</strong> praktischen Verän<strong>der</strong>ung<br />

dann nicht mehr als Mangel und Argument <strong>für</strong> die Unzulänglichkeit<br />

<strong>der</strong> Praxis ansehen. Die endliche Theorie kann wegen <strong>der</strong> Relativität<br />

<strong>der</strong> praktischen Verän<strong>der</strong>ung nicht etwa ohne weiteres den Vorrang bekommen;<br />

denn sie muss ebenfalls die Objekte selbständig gewähren lassen<br />

und sich ihnen gleichsam resignierend und wi<strong>der</strong>standslos unterwerfen,<br />

und zwar sogar von vornherein und ohne wenigstens relativ verän<strong>der</strong>nd<br />

und selbstbestimmend einzugreifen und das Fremde, Unpersönlich-<br />

Objektive, Bedrohliche, gleichsam „Überrumpelnde“ und Missbehagliche<br />

wegzuarbeiten. Das endliche passive theoretische Verhalten muss nicht<br />

nur wie die Praxis darauf verzichten, zum Beispiel das Volumen <strong>der</strong> Erde


58<br />

o<strong>der</strong> die „revolutiones“ <strong>der</strong> Gestirne und die Jahreszeiten zu verän<strong>der</strong>n<br />

(das Wollen und seine Ausführung in <strong>der</strong> Handlung beschränken sich – im<br />

Gegensatz zum Wünschen – charakteristischerweise von vornherein auf<br />

Erreichbares), son<strong>der</strong>n ihr ist überhaupt keine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Objektwelt<br />

möglich; sie kann – im metaphorischen Sinne gesprochen – gar nichts<br />

in Frage stellen o<strong>der</strong> verweigern. Die endliche Theorie lässt sich also nicht<br />

einfach gegen die Praxis ausspielen unter Berufung auf den nur relativen<br />

Charakter <strong>der</strong> praktischen Verän<strong>der</strong>ung. Ebensowenig lässt sich die endliche<br />

Theorie gegenüber <strong>der</strong> Praxis zur Geltung bringen unter Hinweis darauf,<br />

die Praxis betreffe nur die verän<strong>der</strong>liche geschichtliche Menschenwelt,<br />

den „mundus hominum“, nicht aber das Ganze <strong>der</strong> natürlichen Welt, den<br />

„mundus rerum“ 149 ; denn dieses Ganze ist – wenn überhaupt an<strong>der</strong>s als<br />

nur approximativ erfassbar – nur einer nicht-endlichen Theorie zugänglich,<br />

die sich auf den Standpunkt des Ganzen zu stellen vermag durch<br />

Aufhebung des endlichen Subjekt-Objekt-Gegensatzes. Und wenn man die<br />

das Ganze erfassende Theorie gleichsetzt mit <strong>der</strong> aristotelischen „episteme<br />

theoretike“, übersieht man, dass diese einem endlichen Objekt, nämlich<br />

dem abgeschlossenen überschaubaren antiken Kosmos, zugeordnet ist,<br />

<strong>der</strong> nicht mehr das Ganze repräsentieren kann, das angeblich im einfachen<br />

– praktisch unvermittelten – theoretischen Anblick gegenwärtig werden<br />

soll. In Wahrheit lässt sich die Praxis nicht in dualistischundialektischer<br />

Weise von <strong>der</strong> Theorie trennen; wie insbeson<strong>der</strong>e die Herr-<br />

Knecht-Analyse zeigte, ist die Praxis die unentbehrliche Grundlage <strong>für</strong> die<br />

Herausbildung <strong>der</strong> Theorie. Es darf nicht die Möglichkeit unterschoben<br />

werden, das Begreifen und das Eingreifen, die theoretische Ansicht und<br />

die praktische Umsicht, könnten nebeneinan<strong>der</strong> bestehen, ohne sich gegenseitig<br />

zu durchdringen, und die Theorie könnte ausschließlich reiner<br />

„kontemplativer“ Spiegel, passive Reflexion mit unmittelbarer Gewissheit<br />

sein.<br />

Obgleich die Praxis also auf Grund ihrer inhaltlichen Selbstbestimmung<br />

einen Vorrang vor <strong>der</strong> endlichen Theorie hat, behauptet sich nach Hegels<br />

Konzeption doch auch in ihr – im Rücken des endlichen Subjekts – <strong>der</strong><br />

Vorrang <strong>der</strong> absoluten Theorie. Denn <strong>der</strong> Zweck nicht nur <strong>der</strong> theoretischen,<br />

son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> praktischen Tätigkeit ist <strong>für</strong> Hegel schließlich,<br />

dass <strong>der</strong> Mensch im vertieften Maße ein Bewusstsein von sich erlangt, <strong>für</strong>


59<br />

sich wird und sich in dieser Weise verwirklicht. An<strong>der</strong>nfalls wäre <strong>der</strong><br />

Mensch nicht wesentlich denkendes Lebewesen und Selbstbewusstsein.<br />

Insofern <strong>der</strong> Mensch sich in den praktisch formierten Gegenständen<br />

vergegenständlicht und wie<strong>der</strong>erkennt, wirkt die „praktische Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Außendinge“ auf den Menschen zurück, formt den Menschen selbst<br />

und führt ihn zu tieferem Wissen von sich, und zwar nicht als akzidentelles<br />

Resultat <strong>der</strong> Praxis, son<strong>der</strong>n als ihr Hauptzweck, was ein längeres Zitat<br />

aus <strong>der</strong> „Ästhetik“ zeigen soll: „Dies Bewusstsein von sich erlangt <strong>der</strong><br />

Mensch in zwiefacher Weise: Erstens theoretisch, insofern er im Inneren<br />

sich selbst sich zum Bewusstsein bringen muss, was in <strong>der</strong> Menschenbrust<br />

sich bewegt... Zweitens wird <strong>der</strong> Mensch durch praktische Tätigkeit<br />

<strong>für</strong> sich, indem er den Trieb hat, in demjenigen, was ihm unmittelbar gegeben,<br />

was <strong>für</strong> ihn äußerlich vorhanden ist, sich selbst hervorzubringen<br />

und darin gleichfalls sich selbst zu erkennen. Diesen Zweck vollführt er<br />

durch Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Außendinge, welchen er das Siegel seines Inneren<br />

aufdrückt und in ihnen nun seine eigenen Bestimmungen wie<strong>der</strong>findet...<br />

Schon <strong>der</strong> erste Trieb des Kindes trägt diese praktische Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Außendinge in sich; <strong>der</strong> Knabe wirft Steine in den Strom und bewun<strong>der</strong>t<br />

nun die Kreise, die im Wasser sich ziehen, als ein Werk, worin er die Anschauung<br />

des Seinigen gewinnt.“ 150<br />

Das praktische „Hinausgehen“ des menschlichen (wie des absoluten)<br />

Bewusstseins aus sich hat also <strong>für</strong> Hegel den hintergründigen Sinn des<br />

theoretischen „Hineinbildens in sich“. Die Ausbreitung dient <strong>der</strong> Vertiefung.<br />

Die zeitlich-räumliche Entäußerung und Vergegenständlichung bezwecken<br />

das geistige Insichgehen und die „Erinnerung“.<br />

Es zeigte sich schon bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Einheit von Denken und<br />

Wollen in <strong>der</strong> individuellen Handlung, dass <strong>für</strong> Hegel die Zwecke <strong>der</strong> Praxis<br />

letztlich keine Reflexe von natürlichen Bedürfnissen und <strong>der</strong>en Gegenstände<br />

sind. Die Praxis wurzelt <strong>für</strong> Hegel in dem geistigen Bedürfnis <strong>der</strong><br />

Selbsterkenntnis.<br />

Das Selbstbewusstsein ist <strong>der</strong> „Trieb“, die Bewegung, die Negativität,<br />

sich als Gegenstand hervorzubringen, d. h. sein An sich o<strong>der</strong> seinen Begriff<br />

zu realisieren durch die Entäußerung seiner selbst, die zugleich Setzung,<br />

Affirmation, und Negation <strong>der</strong> unmittelbaren sinnlichen Gegenstände<br />

des Bewusstseins ist. 151


60<br />

In diesen Zusammenhang gehört auch speziell Hegels Bestimmung des<br />

Verhältnisses von Leib und Seele (als innigste Verbindung des Materiellen<br />

und Geistigen) in <strong>der</strong> Psychologie: <strong>der</strong> Leib, die Quelle <strong>der</strong> physischen Bedürfnisse,<br />

wird nur zunächst in seiner „unmittelbaren Harmonie“ mit <strong>der</strong><br />

Seele gefasst, schließlich aber als gesetztes und vermitteltes Moment <strong>der</strong><br />

Seele, als gebildet zum „gefügigen und geschickten Werkzeug“ <strong>der</strong> Tätigkeit<br />

<strong>der</strong> Seele in Richtung auf ihre Beziehung auf sich selbst.<br />

Die Selbsterkenntnis ist also in teleologischer Weise die dominierende<br />

Seite des Verhältnisses von theoretischer und praktischer Selbstbestimmung.<br />

Die praktische Autonomie, die reale Verselbständigung und Abhebung<br />

von <strong>der</strong> Objektwelt, d. h. das Subjekt- und Zentrum werden von<br />

praktischer Energie, vervollkommnet sich primär zu dem Zwecke (sekundär<br />

in dem Maße) <strong>der</strong> Vertiefung <strong>der</strong> Selbsterkenntnis, also <strong>der</strong> theoretischen<br />

Freiheit, die kein unmittelbarer Zustand ist, son<strong>der</strong>n – was nicht<br />

genug betont werden kann – erworben werden muss durch unaufhörliche<br />

Negation dessen, was als natürlich Gegebenes ihr entgegensteht.<br />

Mittels <strong>der</strong> praktischen Vergegenständlichung wird die Selbsterkenntnis,<br />

das Wissen des Menschen von sich, bis zum Erreichen des Standpunktes<br />

<strong>der</strong> Subjekt-Objekt-Identität in <strong>der</strong> absoluten Theorie in <strong>der</strong> Weise<br />

vertieft, dass stufenweise die Gegenstandswelt ins Selbstbewusstsein aufgehoben<br />

wird, d. h. das An sich zum Für sich, das Unmittelbare zum Vermittelten,<br />

das Einfache zum Verdoppelten, die Substanz ins Subjekt verwandelt<br />

wird, wodurch zugleich das Wirken des absoluten Geistes bestätigt<br />

und aufgedeckt wird. 152 Dabei ist das Vorhandensein <strong>der</strong> dialektischen<br />

Spannung zwischen Substanz und Subjekt, die Nichtübereinstimmung<br />

von Gegenstand und Ich, d. h. „das Negative überhaupt“, die Quelle, <strong>der</strong><br />

Puls o<strong>der</strong>, „die Seele“, die die theoretische und praktische Bewegung in<br />

Gang hält. 153<br />

Man kann also sagen: sekundär drückt sich nach Hegels Konzeption die<br />

Selbsterkenntnis des Menschen in <strong>der</strong> Praxis aus, primär formiert sie sich<br />

in ihr.<br />

Dies impliziert: das dialektisch sich entwickelnde Verhältnis von Geist<br />

einerseits und Willen sowie Handlung an<strong>der</strong>erseits ist nicht so zu interpretieren,<br />

dass <strong>der</strong> Geist des Menschen fertig wäre, in Willen und Handlung<br />

nur sich äußerte und erschiene und nach seinem Erscheinen <strong>der</strong> gleiche


61<br />

bliebe, so dass in undialektischer Weise die Theorie in <strong>der</strong> Praxis nur ihre<br />

Anwendung, nicht aber ihre Aufhebung fände. Dies würde bedeuten, dass<br />

die Erkenntnis nur die Voraussetzung <strong>der</strong> Praxis ist, nicht auch das primär<br />

angezielte – Resultat <strong>der</strong> Praxis wird.<br />

Zunächst betrifft Hegels Konzeption <strong>der</strong> durch Praxis vermittelten geistigen<br />

Entwicklung den subjektiven, individuellen Geist (einschließlich <strong>der</strong><br />

Begabungen, Fähigkeiten, des Temperaments und Charakters): die Lebensgeschichte<br />

und Profilierung eines Menschen ist unbestreitbar nicht<br />

ausschließlich eine Aktualisierung fertiger geistiger Potenzen, son<strong>der</strong>n<br />

auch eine Formierung <strong>der</strong> geistigen Potenzen selbst durch den Vollzug und<br />

die praktische Gestaltung des Lebens, durch das Sichaussprechen und<br />

Darstellen <strong>der</strong> Individualität als Übersetzen „seiner selbst aus <strong>der</strong> Nacht<br />

<strong>der</strong> Möglichkeit in den Tag <strong>der</strong> Gegenwart“, aus dem „Nichtgesehenwerden<br />

in das Gesehenwerden“, was auch Goethe im Sinn hat, wenn er davon<br />

spricht, dass die „Tätigkeit gegen die Außenwelt“ nicht zugunsten einer<br />

„innern falschen Beschaulichkeit“ preisgegeben werden dürfe, denn: „Der<br />

Mensch kennt nur sich selbst, insofern er die Welt kennt, die er nur in<br />

sich und sich nur in ihr gewahr wird. Je<strong>der</strong> neue Gegenstand, wohl beschaut,<br />

schließt ein neues Organ in uns auf.“ 154<br />

In gewissem Maße hiermit vergleichbar ist die Auffassung des Aristoteles<br />

von <strong>der</strong> „hexis“, dem „habitus“, worin ein Keim einer dialektischen Betrachtungsweise<br />

des Handelns liegt: das Handeln nimmt einerseits seinen<br />

Ausgang und seine Richtung von <strong>der</strong> Basis einer festen, geformten, geordneten<br />

ethischen „Haltung“ und Charaktertugend (nicht die Ziele, son<strong>der</strong>n<br />

nur die Mittel <strong>der</strong> Handlung werden nach Aristoteles bestimmt von <strong>der</strong> intellektuellen<br />

Wahl, <strong>der</strong> „prohairesis“), aber diese Basis selbst wird an<strong>der</strong>erseits<br />

auch durch das Handeln gefestigt. 154a<br />

Das gleiche Verhältnis <strong>der</strong> Wechselwirkung macht sich geltend auf <strong>der</strong><br />

Stufe des objektiven Geistes. Aber aufs Ganze gesehen, hinsichtlich des<br />

absoluten Geistes, hat <strong>für</strong> Hegel die Vergegenständlichung des Geistes<br />

nicht mehr die inhaltliche Entwicklung des Geistes zum Zweck, son<strong>der</strong>n<br />

nur noch das Realisieren <strong>der</strong> fertigen Möglichkeiten, des in sich abgeschlossenen<br />

An sich o<strong>der</strong> Begriffs. Der Inhalt des absoluten Geistes steht<br />

nicht auch erst als Resultat, son<strong>der</strong>n allein als Voraussetzung des Objektivierungsprozesses<br />

des absoluten Geistes in <strong>der</strong> Geschichte fest. Der inne-


62<br />

re Gehalt, <strong>der</strong> Ertrag und Sinn <strong>der</strong> Geschichte sind letztlich <strong>für</strong> Hegel erschöpft,<br />

immanent und providentiell beschlossen. Die Geschichte bringt<br />

nur hervor, was ursprünglich „investiert“ ist, und erschließt keine wesentlich<br />

neuen Aspekte. Sie ist gewissermaßen eine dialektische Tautologie<br />

und nur formal eine Entwicklung. Die praktisch-geschichtliche (räumlichzeitliche)<br />

Aufeinan<strong>der</strong>folge <strong>der</strong> Epochen ist das Abbild <strong>der</strong> theoretischlogischen<br />

Auseinan<strong>der</strong>folge <strong>der</strong> Kategorien o<strong>der</strong> Strukturen. Die Entwicklung<br />

ist <strong>der</strong> „in sich zurückgehende Kreis, <strong>der</strong> seinen Anfang voraussetzt,<br />

und ihn nur im Ende erreicht“, wobei die Kreisläufigkeit das Kriterium <strong>der</strong><br />

Wahrheit ist. 155 Als solches Rückwärtsschreiten im Vorwärtsschreiten ist<br />

sie eine Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> ursprünglichen Einheit, eine Wie<strong>der</strong>holung,<br />

eine Reproduktion des von vornherein teleologisch angelegten Grundmusters,<br />

gleichsam ein mythisches, immer gleichbleibendes Rondo. Dementsprechend<br />

bezeichnet <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> wahren Unendlichkeit <strong>für</strong> Hegel – in<br />

Übereinstimmung mit Spinoza und Descartes und im Gegensatz zu Locke<br />

und den an<strong>der</strong>en Empiristen – eine Qualität, keine Quantität, d. h. das<br />

aktual Unendliche, nicht das potentiell Unendliche des unbegrenzten Fortschreitens<br />

(dessen Begriff in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Mathematik seit Weierstraß bei<br />

<strong>der</strong> Bestimmung des Grenzwertes des unendlich Großen und Kleinen allein<br />

angewendet wird und aus dessen Begriff die Konstruktivisten die Gültigkeit<br />

des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten sowie <strong>der</strong> indirekten Existenzbeweise<br />

bestreiten). Als abgeschlossene systematisierbare Totalität, in<br />

<strong>der</strong> je<strong>der</strong> <strong>der</strong> Teile seine logifizierte Stelle hat, ist die Geschichte nicht erst<br />

Totalität in Hinblick auf die Zukunft. Sie gewährt unter diesem Gesichtspunkt<br />

<strong>der</strong> Horizontlosigkeit keine Hoffnung. 156 Ihr Neues ist das Alte in<br />

einer Weise, die durchaus vergleichbar ist mit <strong>der</strong> Abgeschlossenheit und<br />

anthropologischen Vorbildlichkeit und Verbindlichkeit des Kosmos <strong>der</strong><br />

Wesenheiten bei Platon und Aristoteles, die mit größter Prägnanz zum<br />

Ausdruck kommen in Aristoteles’ verfehlter Bestimmung <strong>der</strong> produzierenden<br />

„techne“ als bloße Nachahmung, „mimesis“, <strong>der</strong> Natur (o<strong>der</strong> jedenfalls<br />

als bloßes Zuendebringen <strong>der</strong> Tendenzen <strong>der</strong> Natur), eine Auffassung von<br />

<strong>der</strong> „techne“, <strong>der</strong>en Korrektur eingeleitet wurde durch die nichtaristotelische<br />

nominalistische Scholastik und durch Nikolaus von Cusa<br />

(mit seinem „Idiota“, <strong>der</strong> schon in dem geschnitzten Löffel – und, wie sich<br />

hinzufügen ließe, erst recht zum Beispiel in dem Automotor o<strong>der</strong> dem Ra-


63<br />

dioapparat –schöpferisch ein Artefakt zustande bringt, das ohne Naturvorbild<br />

ist). 157<br />

Geist und Wille durchdringen sich somit und treiben sich wechselseitig<br />

voran nur innerhalb dieses Kreises und dieses in inhaltlicher Hinsicht statischen<br />

Verhältnisses von Ausgangs- und Endpunkt, von Alpha und Omega,<br />

<strong>der</strong> Bewegung des Ganzen, worin das Letzte das Erste ist und umgekehrt.<br />

Das heißt: Hegel konzipiert zwar im Gegensatz zur traditionellen<br />

Wesensmetaphysik eine geschichtliche Entwicklung nicht nur <strong>der</strong> Erscheinungen<br />

o<strong>der</strong> des Ontischen, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Wesenheiten selbst,<br />

ausgenommen aber bleiben das absolute Wesen und das Sein.<br />

Die Abgeschlossenheit <strong>der</strong> Totalität des Logos muss <strong>der</strong> Theorie und<br />

dem wissenschaftlichen System prinzipiell den Vorrang vor aller Praxis garantieren<br />

(abgesehen davon, ob faktisch – worauf unten zurückzukommen<br />

ist – die formale Entwicklung <strong>der</strong> Geschichte, die Ausführung des ursprünglichen<br />

Zweckes, also das Wirklichwerden <strong>der</strong> Vernunft, schon als<br />

abgeschlossen angesehen wird); denn Praxis ist immer bezogen auf die<br />

noch nicht abgeschlossene Zukunft <strong>der</strong> „vita agenda“ und erfor<strong>der</strong>t einen<br />

offenen Horizont. Konsequenterweise müssen <strong>für</strong> Hegel das philosophische<br />

Begreifen, d. h. das gedankliche Informsetzen des Inhalts, und das Nach-<br />

Denken zur höchsten Tätigkeit werden. Hegel kann seine „Enzyklopädie“<br />

abschließen mit einem Zitat aus Aristoteles’ „Metaphysik“ (XII, 7) über das<br />

Sichselbstdenken des Geistes.<br />

Wird noch einmal das Theorie-Praxis-Verhältnis innerhalb des totalen<br />

Kreises bedacht, so scheint sich ein „circulus vitiosus“ o<strong>der</strong> eine „petitio<br />

principii“ daraus zu ergeben, dass <strong>der</strong> Mensch sich einerseits erst mittels<br />

<strong>der</strong> Praxis wesentlich theoretisch selbst erfasst („Das Individuum kann...<br />

nicht wissen, was es ist, eh es sich durch das Tun zur Wirklichkeit gebracht<br />

hat“ 158 ), an<strong>der</strong>erseits aber gleichsam als Kompass <strong>für</strong> die Praxis<br />

schon sein Wesen theoretisch kennen muss, um nach seinen wesentlichen<br />

Zwecken tätig sein zu können. Womit kann <strong>der</strong> Mensch in diesem Kreis<br />

von Theorie und Praxis den Anfang machen? Wie Hegel in <strong>der</strong> „Phänomenologie<br />

des Geistes“ ausführt, kann er von dem unmittelbar in seinem Bewusstsein<br />

Gegebenen als Zweck praktisch ausgehen, d. h. vom Inhalt seines<br />

Charakters, seiner Fähigkeiten, Talente und Interessen: „... das Interesse,<br />

welches das Individuum an etwas findet, ist die schon gegebene


64<br />

Antwort auf die Frage: ob und was hier zu tun ist“ 159 ; denn dieser Inhalt<br />

ist nur dem Schein nach unmittelbar gegeben; er ist in Wahrheit durchdrungen<br />

vom Allgemeinen; d. h. in ihm spricht sich immanent wirkend,<br />

gegenwärtig zugrunde liegend und sich durchhaltend das Wesen des Menschen,<br />

das Selbstbewusstsein, aus, in das je<strong>der</strong> scheinbar unvermittelte<br />

Bewusstseinsinhalt zurückgeführt wird.<br />

Diese Lösung Hegels lässt sich in Entsprechung zu seiner Antwort auf<br />

die Frage in <strong>der</strong> „Logik“ sehen: „Womit muss <strong>der</strong> Anfang <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

gemacht werden?“ Indem die Linie <strong>der</strong> wissenschaftlich-philosophischen<br />

Methode gemäß <strong>der</strong> Bewegung des absoluten Geistes einen Kreis beschreibt,<br />

kann das Denken überall anfangen, denn je<strong>der</strong> unmittelbare<br />

Ausgangspunkt erweist sich zugleich als vermitteltes Resultat (es gibt<br />

„nichts im Himmel o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Natur o<strong>der</strong> im Geiste o<strong>der</strong> wo es sei, was<br />

nicht ebenso die Unmittelbarkeit enthält als die Vermittlung...“ 160 ).<br />

Die Auffassung Hegels von <strong>der</strong> Praxis, dass sie ihren Zweck in <strong>der</strong> Theorie<br />

hat, ist also untrennbar von <strong>der</strong> – in <strong>der</strong> Nachfolge des Descartes stehenden<br />

– Konzeption des menschlichen Wesens als (sich selbst bewegendes)<br />

Selbstbewusstsein sowie von <strong>der</strong> Konzeption des absoluten Wesens<br />

als (sich selbst bewegende) Idee; denn Zwecke setzen kann nur ein geistiges<br />

Subjekt, und alle Tätigkeit Zwecken des Geistes unterordnen kann nur<br />

ein Subjekt, das wesentlich Geist ist.<br />

Die Annahme, dass das Absolute wesentlich Geist ist, impliziert den idealistischen<br />

Objektivitätsbegriff und ist die Voraussetzung <strong>für</strong> die Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> gedanklich-ideellen Rücknahme o<strong>der</strong> Aufhebung <strong>der</strong> Entäußerungen<br />

des Absoluten, also <strong>für</strong> den Primat <strong>der</strong> philosophischen Theorie.<br />

An<strong>der</strong>erseits ist schon hier deutlich: das Festhalten an <strong>der</strong> Bestimmung<br />

des menschlichen Wesens als Selbstbewusstsein ist nicht unerlässliche<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> die Übernahme jener Hegelschen Auffassung, dass die<br />

Praxis – als Vergegenständlichung – die Grundlage (nicht <strong>der</strong> Zweck) <strong>für</strong><br />

die Herausbildung <strong>der</strong> endlichen Theorie ist.


65<br />

7. Die Praxis und die endliche Theorie als Stufen auf dem Weg zur<br />

vollkommenen Subjekt-Objekt-Einheit in <strong>der</strong> absoluten Theorie.<br />

In <strong>der</strong> im dritten Abschnitt behandelten endlichen subjektiven Teleologie,<br />

die in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Naturaneignung mit <strong>der</strong> Kausalität eine Einheit<br />

bildet, bleiben die Zwecke den vorgefundenen Gegenständen und den Mitteln<br />

ihrer Ausführung äußerlich und relativ. Sie sind nicht die immanenten<br />

Zwecke des Materials selbst. „Wenn ich den Gegenstand z.B. um mich<br />

davon zu ernähren, verzehre, so liegt dieses Interesse nur in mir und bleibt<br />

dem Objekte selber fremd.“ 161<br />

Im absoluten Schluss <strong>der</strong> inneren Zwecktätigkeit <strong>der</strong> kreisläufigen –<br />

und deshalb transzendenzlosen – absoluten Subjektivität und Totalität<br />

dagegen fungiert <strong>der</strong> sich realisierende Zweck selbst als Mitte <strong>der</strong> Extreme,<br />

die auch wie<strong>der</strong>um Zweck und Mitte werden. 162<br />

Mit diesem Prinzip <strong>der</strong> inneren Zwecktätigkeit kann Hegel – indem er<br />

die ältere metaphysische objektive Teleologie <strong>der</strong> Endlichkeit und Empirie,<br />

zum Beispiel die Wolffsche, ablehnt (also überhaupt die Finalität von dem<br />

Typus, den mit Hegels Akklamation Voltaire persiflierte 163 und den Heine<br />

in <strong>der</strong> „Harzreise“ charakterisiert: die Bäume sind grün, „weil grün gut <strong>für</strong><br />

die Augen ist...“) – mittelbar vor allem an Aristoteles, Kant und Schiller<br />

anknüpfen. 164<br />

Als Verdienst Kants, an dem er hauptsächlich den ethischen Formalismus<br />

und Agnostizismus bemängelt, hebt Hegel hervor, dass er in gewisser<br />

Weise über den Gegensatz von Allgemeinem und Einzelnem, Verstand und<br />

Sinnlichkeit sowie Freiheit und Natur hinausgekommen ist, und zwar in<br />

<strong>der</strong> „Kritik <strong>der</strong> Urteilskraft“ im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong><br />

inneren Zweckmäßigkeit sowohl des Kunstschönen als auch <strong>der</strong> in mechanisch-kausaler<br />

Weise nicht erklärbaren organischen Natur (worin<br />

Zweck und Mittel, zum Beispiel die Glie<strong>der</strong> eines Organismus, nicht getrennt<br />

existieren, son<strong>der</strong>n sich gegenseitig durchdringen und in wesentlicher<br />

Beziehung zu einan<strong>der</strong> stehen) und auf Grund <strong>der</strong> Annahme des <strong>der</strong><br />

reflektierenden Urteilskraft zugeschriebenen Prinzips des anschauenden<br />

Verstandes, d. h. <strong>der</strong> sich selbst bestimmenden Allgemeinheit.<br />

Der Mangel aber liegt <strong>für</strong> Hegel darin, dass Kant von diesem Prinzip nur<br />

den subjektiven und regulativen, nicht jedoch den konstitutiven Gebrauch


66<br />

zuließ. Kant begründet diese Einschränkung damit, dass <strong>für</strong> den menschlichen<br />

diskursiven Verstand das Beson<strong>der</strong>e „in Ansehung des Allgemeinen<br />

etwas Zufälliges enthält“, das nicht aus <strong>der</strong> allgemeinen zweckmäßigen<br />

Gesetzlichkeit ableitbar ist. 165<br />

Objektive Geltung spricht zwar schon <strong>der</strong> junge Schelling <strong>der</strong> intellektuellen<br />

Anschauung zu – das heißt dem Wissen, „dessen Objekt nicht von<br />

ihm unabhängig ist, also ein Wissen, das zugleich ein Produzieren seines<br />

Objekts ist...“ 166 –, aber ursprünglich nicht hinsichtlich des Natur- und<br />

Geschichtsprozesses, son<strong>der</strong>n nur in <strong>der</strong> ästhetischen Anschauung, auf<br />

die er die Einheit zweckmäßiger und kausal bestimmter Tätigkeit gründet,<br />

und das heißt <strong>für</strong> Schelling: die Einheit bewusster, freier und subjektiver<br />

Tätigkeit einerseits und bewusstloser, notwendiger Tätigkei an<strong>der</strong>erseits.<br />

„Wenn die ästhetische Anschauung nur die objektiv gewordene transzendentale<br />

ist, so versteht sich von selbst, dass die Kunst das einzige wahre<br />

und ewige Organon zugleich und Dokument <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> sei, welches<br />

immer und fortwährend beurkundet, was die <strong>Philosophie</strong> äußerlich nicht<br />

darstellen kann, nämlich das Bewusstlose im Handeln und Produzieren,<br />

und seine ursprüngliche Identität mit dem Bewussten.“ 167<br />

Der Hauptmangel dieser intellektuellen Anschauung, die also im Gegensatz<br />

zur sinnlichen Anschauung ihr Objekt nicht als gegeben vorfindet,<br />

son<strong>der</strong>n hervorbringt, liegt <strong>für</strong> Hegel in ihrer Unmittelbarkeit und in ihrer<br />

Esoterik: die absolute Subjekt-Objekt-Einheit (die Einheit von Wissen und<br />

Produzieren) wird von Schelling – ebenso wie von Fichte – nicht als Resultat<br />

<strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong> Überwindung des Subjekt-Objekt-Gegensatzes<br />

schrittweise aufgewiesen und vermittelt; die intellektuelle Anschauung, <strong>der</strong><br />

sinnliche Verstand o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „intellectus archetypus“, ist, wie Schelling<br />

selbst sagt, als Anschauung ein Wissen, „wozu nicht Beweise, Schlüsse,<br />

überhaupt Vermittlung von Begriffen führen“ 168 , und damit ist ihre Allgemeinheit<br />

<strong>für</strong> Hegel abstrakt, nicht konkret.<br />

Als solche Intuition, die den unterscheidenden Verstand nicht integriert,<br />

die Anstrengung <strong>der</strong> „ascensio“ meidet und die Vermittlungsstufen<br />

überspringt, wird die philosophische Erkenntnis von Schelling in methodologischer<br />

Hinsicht über die prinzipielle Zugänglichkeit (zum Beispiel über<br />

die Erlernbarkeit) hinausgehoben, bleibt ein „esoterisches Besitztum einiger<br />

Einzelner“ 169 und legitimiert den genialischen „Sprung“.


67<br />

Dagegen ist es das Bestreben Hegels in <strong>der</strong> „Phänomenologie des Geistes“,<br />

die absolute Subjekt-Objekt-Einheit Schritt <strong>für</strong> Schritt zu vermitteln,<br />

nicht „wie aus <strong>der</strong> Pistole mit dem absoluten Wissen unmittelbar“ anzufangen,<br />

son<strong>der</strong>n dem Individuum „die Leiter... zu diesem Standpunkte“ zu<br />

reichen. 170<br />

An dieser Frage <strong>der</strong> Vermittlung und mit <strong>der</strong> Ausarbeitung <strong>der</strong> „Phänomenologie<br />

des Geistes“ scheiden sich die Wege Hegels und Schellings,<br />

nachdem beide gemeinsam gegen den subjektiven Idealismus Fichtes aufgetreten<br />

sind (seit Hegels „Differenz“-Schrift und <strong>der</strong> Herausgabe des „Kritischen<br />

Journal <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“ in Jena 1801 bis 1803 mit Hegels Schriften<br />

„Glauben und Wissen“ und „Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten<br />

des Naturrechts“).<br />

Beide stimmen darin überein, dass Fichtes Prinzip des Ich, das das<br />

Kantische transzendentale – im Keim spekulative – Prinzip <strong>der</strong> Deduktion<br />

<strong>der</strong> Kategorien fortführt, nur ein, wie Hegel sagt, „subjektives Subjekt-<br />

Objekt“ ist. 171 Deshalb hat die Subjekt-Objekt-Einheit bei Fichte noch den<br />

postulativen Charakter des unendlichen Sollens <strong>der</strong> Kantischen praktischen<br />

Vernunft: das freie schöpferische unbedingte Handeln des Ich bringt<br />

seine Selbstbeschränkung, Entgegensetzung und Negation, also das Nicht-<br />

Ich, nur insofern hervor, als es einen zu überwindenden Wi<strong>der</strong>stand benötigt,<br />

wenn es handeln soll. Das Ich wird also bei Fichte nicht durch einen<br />

Akt <strong>der</strong> Theorie objektiv, und <strong>der</strong> Übergang vom reinen Bewusstsein zur<br />

Mannigfaltigkeit des empirischen Bewusstseins bleibt in theoretischer<br />

Hinsicht unbegreiflich. Nur auf Grund einer praktischen For<strong>der</strong>ung kann<br />

Fichte das Ich als Einheit des Handelns und des Ergebnisses des Handelns,<br />

als Einheit <strong>der</strong> Tätigkeit und <strong>der</strong> Tat, ansehen. „Weil im bewusstlosen<br />

Produzieren die Spekulation ihr Prinzip Ich=Ich nicht vollständig aufweisen<br />

kann, son<strong>der</strong>n das Objekt des theoretischen Vermögens notwendig<br />

ein von Ich nicht Bestimmtes in sich enthält, so wird an das praktische<br />

Vermögen verwiesen. Dem Ich kann es nicht durch bewusstloses Produzieren<br />

gelingen, sich als Ich=Ich zu setzen o<strong>der</strong> sich als Subjekt-Objekt anzuschauen.<br />

Die For<strong>der</strong>ung ist also noch vorhanden, dass Ich sich als Identität,<br />

als Subjekt-Objekt, d. i. praktisch produziere, dass Ich sich selbst in<br />

das Objekt metamorphosiere. Diese höchste For<strong>der</strong>ung bleibt im Fichteschen<br />

System eine For<strong>der</strong>ung; sie wird nicht nur nicht in eine echte Syn-


68<br />

these aufgelöst, son<strong>der</strong>n als For<strong>der</strong>ung fixiert, damit das Ideale dem Reellen<br />

absolut entgegengesetzt und die höchste Selbstanschauung des Ichs<br />

als eines Subjekt-Objekts unmöglich gemacht.“ 172<br />

Indem Fichtes Subjekt-Objekt-Einheit nur subjektiv und ihre tätige Realisierung<br />

nur ein Sollen, Unendliches, Streben, Sehnen, Jenseits, Glauben<br />

ist, steht diese Einheit also noch – als ein Extrem fixiert – im Gegensatz.<br />

So ist die objektive Natur, wie Hegel in „Glauben und Wissen“ hervorhebt,<br />

„nichts an sich, son<strong>der</strong>n nur in Beziehung auf ein an<strong>der</strong>es“, „ein<br />

zu Vernichtendes, an dem <strong>der</strong> Vernunftzweck ewig erst zu realisieren ist“;<br />

sie ist nur, um in praktischer Hinsicht „den freien Wesen eine Sphäre und<br />

Spielraum zu bilden und um zu Trümmern werden zu können...“ 173<br />

Da Fichtes Idealismus <strong>der</strong> „Grundlage <strong>der</strong> gesamten Wissenschaftslehre“<br />

somit wegen <strong>der</strong> Abhängigkeit des Ich von einem „Anstoß“ seitens des<br />

Nicht-Ich <strong>für</strong> Hegel die Annahme eines Dinges an sich und den Kantischen<br />

Dualismus restituiert, lässt sich sagen: <strong>für</strong> Hegel ist im Grunde die theoretische<br />

und praktische Tätigkeit des Fichteschen Prinzips des Ich eine Tätigkeit<br />

innerhalb des endlichen Verhältnisses von Subjekt und Objekt, wie<br />

sie oben im zweiten Abschnitt dargestellt wurde; denn die Unendlichkeit<br />

des Ich ist, weil abstrakt, endlich (wenn auch nicht in <strong>der</strong> Weise <strong>der</strong> Sinnlichkeit<br />

und Empirie) ebenso wie die des Nicht-Ich, das nur die „schlechte“<br />

Unendlichkeit <strong>der</strong> Unbegrenztheit ist.<br />

Dementsprechend sind die Tätigkeiten des Fichteschen Ich behaftet mit<br />

<strong>der</strong> Einseitigkeit, Mangelhaftigkeit und Unfreiheit <strong>der</strong> Subjekt-Objekt-<br />

Vereinigungen in <strong>der</strong> Sphäre <strong>der</strong> Endlichkeit: das Ich ist als theoretisches<br />

Bewusstsein – und zwar also nicht nur, wie Fichte selbst annimmt, als gewöhnliches<br />

„bewusstloses“ Bewusstsein im Gegensatz zum philosophischen<br />

Bewusstsein – passiv und wird bestimmt und beschränkt vom einwirkenden<br />

„anstoßenden“ Nicht-Ich (dem Kantischen Ding an sich); und<br />

das Ich als praktisches Bewusstsein bestimmt, begrenzt und setzt das<br />

Nicht-Ich. 174<br />

Was somit Fichte nicht gelingt, ist, die absolute Subjekt-Objekt-Einheit<br />

in <strong>der</strong> Weise zu fassen, dass das Bestimmen, Setzen, Affirmiere zugleich<br />

das Bestimmtwerden, Entgegensetzen, Negieren ist, d. h. die Tätigkeit in<br />

zwei Richtungen als ein und denselben Akt, das Hinausgehen als die befreiende<br />

Rückkehr in sich, als ein Verhalten zu sich selbst, zu begreifen:


69<br />

„Ich ist <strong>der</strong> absolute Begriff, <strong>der</strong> nicht zur Einheit des Denkens kommt,<br />

nicht in diese Einfachheit zurückkehrt, o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Einfachheit nicht den<br />

Unterschied, in <strong>der</strong> Bewegung nicht die Ruhe hat, – Setzen, reine Tätigkeit<br />

des Ich und Entgegensetzen nicht als dasselbe begreift.“ 175<br />

Einen großen Schritt in Richtung zur Subjekt-Objekt-Einheit im Sinne<br />

des objektiven Idealismus – über Fichtes subjektiven Idealismus hinaus –<br />

geht Schiller (noch vor Schelling) im Ausgang von Kants „Kritik <strong>der</strong> Urteilskraft“.<br />

Hegel hebt hervor: „Es muss Schiller das große Verdienst zugestanden<br />

werden, die Kantische Subjektivität und Abstraktion des Denkens<br />

durchbrochen und den Versuch gewagt zu haben, über sie hinaus die<br />

Einheit und Versöhnung denkend als das Wahre zu fassen und künstlerisch<br />

zu verwirklichen.“ 176<br />

Mit <strong>der</strong> Bestimmung des Schönen als harmonischer Einheit von Stoff<br />

und Form, Sinnlichkeit und Vernunft, Naturgesetz und Sittengesetz, Leiden<br />

und Selbsttätigkeit, Abhängigkeit und Freiheit, Einzelnem und Allgemeinem,<br />

Mannigfaltigkeit und Einheit, Leben und Gestalt, das heißt: mit<br />

<strong>der</strong> Bestimmung des Schönen als „lebende Gestalt“, <strong>der</strong> <strong>der</strong> „Spieltrieb“ –<br />

die Verbindung von „Stofftrieb“ und „Formtrieb“ – zugeordnet ist, gewinnt<br />

Schiller das Prinzip <strong>der</strong> ästhetischen Erziehung. 177<br />

Von <strong>der</strong>en Wirksamkeit erwartet er am Maßstab <strong>der</strong> antiken Kultur vor<br />

allem in den Briefen „über die ästhetische Erziehung des Menschen“<br />

(1795), die auf Hegel sofort einen enthusiastischen Eindruck machen, dass<br />

die Zerrissenheit und Zerstückelung des mo<strong>der</strong>nen Lebens <strong>der</strong> Individuen,<br />

die <strong>für</strong> den Fortschritt <strong>der</strong> Gattung immerhin för<strong>der</strong>lich gewesen seien, beseitigt<br />

werden. „Auseinan<strong>der</strong>gerissen wurden jetzt <strong>der</strong> Staat und die Kirche,<br />

die Gesetze und die Sitten; <strong>der</strong> Genuß wurde von <strong>der</strong> Arbeit, das Mittel<br />

vom Zweck, die Anstrengung von <strong>der</strong> Belohnung geschieden. Ewig nur<br />

an ein einzelnes kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich <strong>der</strong><br />

Mensch selbst nur als Bruchstück aus, ewig nur das eintönige Geräusch<br />

des Rades, das er umtreibt, im Ohre, entwickelt er nie die Harmonie seines<br />

Wesens, und anstatt die Menschheit in seiner Natur auszuprägen, wird er<br />

bloß zu einem Abdruck seines Geschäfts, seiner Wissenschaft.“ 178<br />

Die Schönheit führt nach Schillers Ansicht zur Freiheit. Dies ist überhaupt<br />

die illusionäre typische Einstellung <strong>der</strong> deutschen Klassiker: indem<br />

<strong>der</strong> ästhetische Humanismus auf dem Wege <strong>der</strong> Erziehung die Totalität


70<br />

des Menschen wie<strong>der</strong>herstelle, werde zugleich <strong>der</strong> von blinden Kräften und<br />

rohen Bedürfnissen beherrschte feudal-absolutistische Staat <strong>der</strong> Not in<br />

einen Staat <strong>der</strong> Freiheit und Vernunft reformiert und somit eine revolutionäre<br />

Umwandlung wie in Frankreich vermieden.<br />

Auf diesem Wege <strong>der</strong> ästhetischen Erziehung tritt man nach Schillers<br />

Ansicht auch aus dem Zirkel heraus, <strong>der</strong> dadurch entsteht, dass die barbarischen<br />

staatlich-politischen Verhältnisse die moralische Praxis beeinflussen<br />

(die mit <strong>der</strong> theoretischen Aufklärung in Wechselwirkung steht),<br />

von <strong>der</strong> aber gerade die Reform dieser Verhältnisse ausgehen müsste. Die<br />

Kunst allein könne sich frei von „aller politischem Ver<strong>der</strong>bnis“ halten und<br />

reiche über ihre Zeit hinaus. 179<br />

Hegel steht Schiller also auch in dieser letzten Frage nahe, wenn er die<br />

Kunst dem absoluten Geist zuordnet. Aber die entscheidende Schranke<br />

Schillers ist <strong>für</strong> Hegel, dass die ästhetische konkrete Einheit – wenn auch<br />

objektiv und nicht mehr nur subjektiv – doch nur als sinnliche Anschauung<br />

und nicht als Vernunft gefasst wird.<br />

Die vernünftige Subjekt-Objekt-Einheit ist <strong>für</strong> Hegel die absolute Idee.<br />

Sie wird von ihm als Einheit <strong>der</strong> theoretischen und <strong>der</strong> praktischen Idee<br />

bestimmt 180 , aber nicht in <strong>der</strong> Weise, dass sie <strong>der</strong>en Zusammenfall und<br />

Neutralisierung wäre, d. h. nicht im Sinne <strong>der</strong> „Indifferenz des Subjektiven<br />

und Objektiven“ Schellings o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „coincidentia oppositorum“ des Nikolaus<br />

von Cusa und des Giordano Bruno. 181 Die Differenz und somit die<br />

Bewegung gehen nicht im Absoluten unter; die Negativität o<strong>der</strong> Vermittlung<br />

wird nicht suspendiert o<strong>der</strong> gleichsam aufgesaugt und versenkt in<br />

einem qualitätslosen Positivum, das nur durch unvermittelte Intuition erfassbar<br />

wäre. Auf dem Niveau <strong>der</strong> Subjekt-Objekt-Einheit in <strong>der</strong> Logik<br />

bleiben nämlich die Gegensätze und die bestimmten Begriffe.<br />

Dem wi<strong>der</strong>streitet aber nicht, dass in jedem dialektischen Gegensatz eine<br />

Seite prävaliert (wie zum Beispiel das Sein vor dem Nichts den Vorrang<br />

hat, ohne den das Werden als wechselseitiges Umschlagen und Verschwinden<br />

des Seins in Nichts nicht zum Resultat des Daseins führen<br />

könnte). So ist – hinsichtlich des Gegensatzes von Innerlichkeit und Äußerlichkeit,<br />

Subjektivität und Objektivität, Denken und Sein – die in sich<br />

reflektierte Idee zwar nicht reine, vollkommen zurückgezogene Innerlichkeit,<br />

aber doch letztlich über die substantielle seiende Objektivität „über-


71<br />

greifende Subjektivität, Denken, Unendlichkeit“. 182 Die absolute Einheit<br />

des Ideellen und des Realen, des Theoretischen und des Praktischen, ist<br />

also selbst ideell und theoretisch.<br />

Der „idealistische“ Charakter <strong>der</strong> absoluten Idee als Subjektivität und<br />

Denken ist die Bedingung und Grundlage da<strong>für</strong>, dass die Aufhebung <strong>der</strong><br />

dialektischen Gegensätze und <strong>der</strong> praktisch-geschichtlich konkretisierten<br />

Entfremdungen zwar auch eine praktisch-geschichtliche Bewegung und<br />

nicht nur eine Form des erkennenden Subjekts ist, aber doch letztlich auf<br />

gedanklich-geistigem Wege zu erreichen ist durch die <strong>Philosophie</strong>, <strong>der</strong>en<br />

Versöhnung „eine Versöhnung nicht in <strong>der</strong> Wirklichkeit, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong><br />

ideellen Welt“ ist. 183<br />

Die absolute Idee ist als Subjekt o<strong>der</strong> „Selbst“ geistiger Prozess, absolute<br />

Negation <strong>der</strong> Negation, sich in sich unterscheidende lebendige Totalität.<br />

Sie ist nicht ein und dasselbe Subjekt, eine fix und fertige substantielle<br />

Basis im spinozistischen Sinne, an die in <strong>der</strong> Weise <strong>der</strong> alten Metaphysik<br />

mannigfaltige beson<strong>der</strong>e unverbunden nebeneinan<strong>der</strong> stehende Prädikatsinhalte<br />

durch die Verstandesbewegung geknüpft werden. 184<br />

Der spekulative Satz, <strong>der</strong> die dialektische Bewegung des absoluten Geistes<br />

begreift, muss die Form des Satzes, nämlich die Entgegensetzung von<br />

Subjekt und Prädikat aufheben, insofern <strong>der</strong> absolute Satzgegenstand<br />

selbst nicht unbewegt seinen Bestimmungen gegenüber verharrt, son<strong>der</strong>n<br />

sich in ihnen entfaltet, d. h. in ihnen – als dem substantiellen Inhalt – verloren,<br />

„zugrunde“ geht, wodurch das „Fortlaufen“ des vorstellenden Denkens<br />

an den Prädikaten „gehemmt“ wird und „einen Gegenstoß“ erleidet:<br />

„Vom Subjekte anfangend, als ob dieses zum Grunde liegen bliebe, findet<br />

es, indem das Prädikat vielmehr die Substanz ist, das Subjekt zum Prädikat<br />

übergegangen und hiemit aufgehoben.“ 185<br />

Das spekulative Denken, das die zweckmäßige sich entzweiende sich<br />

selbstbestimmende „urteilende“ Bewegung des absoluten Geistes begreift,<br />

gehört notwendig selbst zu ihr, so dass das theoretisch-philosophische System<br />

das Bewusstsein des absoluten Geistes über sich selbst ist.<br />

Hinter den scheinbar fremden objektiven Dingen erkennt <strong>der</strong> Mensch<br />

sich selbst, sein Wesen, wie<strong>der</strong>. Er enthüllt Schritt <strong>für</strong> Schritt den subjektiven<br />

Charakter <strong>der</strong> Erscheinungen. Vom Resultat <strong>der</strong> dialektischen Er-


72<br />

kenntnis, <strong>der</strong> absoluten Einheit von Subjekt und Objekt, her – also auf<br />

dem Standpunkt <strong>der</strong> „Logik“, <strong>der</strong> am Schluss <strong>der</strong> „Phänomenologie des<br />

Geistes“ vermittelt ist, wo das Wissen „nicht mehr über sich selbst hinauszugehen<br />

nötig hat“ 186 – lässt sich im Rückblick <strong>der</strong> Gang <strong>der</strong> Bewusstseinserfahrung<br />

(das Fortschreiten von <strong>der</strong> sinnlichen Gewissheit zu <strong>der</strong><br />

Wahrnehmung, dem Verstand, dem Selbstbewusstsein und <strong>der</strong> Vernunft)in<br />

seiner Notwendigkeit als die hinter seinem Rücken wirkende und<br />

leitende Tätigkeit des absoluten Geistes selbst, nämlich seiner Selbstentäußerung<br />

und ihrer Rücknahme, erkennen.<br />

In Hinblick auf diesen dialektischen Prozess <strong>der</strong> inneren Zwecktätigkeit<br />

des absoluten Geistes wird die Hegelsche Bestimmung des Verhältnisses<br />

von Geist und Wille, Theorie und Praxis, konkret: die Praxis und die endliche<br />

Theorie sind nur ein Moment, eine Stufe auf dem Wege des absoluten<br />

Geistes und aus seiner Entäußerung in Natur und Geschichte zurück zu<br />

sich selbst und zur vollkommenen geistigen Freiheit.<br />

Hierin zeigt sich insofern eine Fortführung <strong>der</strong> Transzendentalphilosophie,<br />

als auch <strong>der</strong> transzendentale Akt des Ich sich in teleologischer Weise<br />

– um seiner Einheit willen – zum Sollen differenziert und als solcher das<br />

eigentliche Handeln ist, das sich vermittels <strong>der</strong> endlichen ontischen Praxis,<br />

Theoria und Poiesis verwirklicht (so dass Kant auch das Denken als<br />

„Handlung“ des Verstandes bezeichnen kann).<br />

Auf dem Vermittlungsweg, innerhalb <strong>der</strong> Sphäre <strong>der</strong> Verendlichung des<br />

absoluten Geistes, ist sowohl die praktische als auch die endliche – nur<br />

formal o<strong>der</strong> an sich unendliche – theoretische Tätigkeit einseitig und mangelhaft,<br />

insofern beide Tätigkeiten vollkommene Freiheit durch Aufhebung<br />

<strong>der</strong> Selbständigkeit <strong>der</strong> Objekte nicht erreichen können, wie oben im zweiten<br />

Abschnitt dargestellt wurde. (Wenn <strong>der</strong> Hegelsche absolute Geist in<br />

den menschlichen verwandelt wird, müsste konsequenterweise die Einseitigkeit<br />

und gegenseitige Ergänzungsbedürftigkeit von Theorie und Praxis<br />

anerkannt werden.) Aber <strong>für</strong> Hegel kann sich <strong>der</strong> Mensch aus <strong>der</strong> Abhängigkeit<br />

endlicher Verhältnisse befreien durch das Begreifen <strong>der</strong> Tätigkeit<br />

des absoluten Geistes als stufenweise fortschreitende Vereinigung von<br />

Subjekt und Objekt und Rücknahme <strong>der</strong> Gegenständlichkeit überhaupt.<br />

Hauptakteur bleibt somit <strong>der</strong> absolute Geist. Nicht wir handeln und erkennen<br />

letztlich, son<strong>der</strong>n gleichsam durch uns, den Agenten o<strong>der</strong> „Ge-


73<br />

schäftsträgern“, hindurch agiert <strong>der</strong> absolute Geist: „Wenn nun dies Negative<br />

zunächst als Ungleichheit des Ichs zum Gegenstand erscheint, so ist<br />

es ebensosehr die Ungleichheit <strong>der</strong> Substanz zu sich selbst. Was außer ihr<br />

vorzugehen, eine Tätigkeit gegen sie zu sein scheint, ist ihr eigenes Tun,<br />

und sie zeigt sich wesentlich Subjekt zu sein.“ 187<br />

Damit steht die absolute Theorie auf dem Standpunkt des Allgemeinen,<br />

das sich in unbedingter Weise selbst bestimmt, indem es seinen Inhalt<br />

nicht als äußeren Gegenstand vorfindet, son<strong>der</strong>n hervorbringt.<br />

Wenn man davon ausgeht, „wirkliche“ Freiheit heiße Machthaben über<br />

„wirkliche“ Verhältnisse, so kann Hegel diese Macht deshalb letztlich im<br />

Denken finden, da <strong>für</strong> ihn das Wesen <strong>der</strong> Dinge <strong>der</strong> objektive Begriff ist.<br />

Demzufolge ist <strong>für</strong> Hegel <strong>der</strong> Maßstab bei <strong>der</strong> Prüfung <strong>der</strong> Übereinstimmung<br />

zwischen Begriff und Gegenstand, also <strong>der</strong> Wahrheit, nicht nur<br />

<strong>der</strong> Gegenstand, son<strong>der</strong>n auch umgekehrt – was absolut idealistisch ist –<br />

<strong>der</strong> Begriff, so dass im zweiten Fall geprüft wird, ob <strong>der</strong> Begriff, <strong>der</strong> Zweck,<br />

das Logische sich objektiviert und realisiert hat. Begriff und Gegenstand<br />

fallen somit in das Wissen selbst. 188<br />

Wenn man schließlich im Verlauf <strong>der</strong> Umwandlung <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong><br />

die Konzeption <strong>der</strong> absoluten Subjekt-Objekt-Einheit, <strong>der</strong> absoluten<br />

„conciliatio“ o<strong>der</strong> – treffend in englischer Sprache – „at-one-ment“, <strong>für</strong><br />

eine idealistische Verstiegenheit o<strong>der</strong> Mystifikation hält, muss die Auflösung<br />

aller Gegensätze über die endliche praktisch-theoretische Aufhebung<br />

hinaus in <strong>der</strong> spekulativen Theorie den Charakter des Scheins erhalten.


74<br />

8. Die Wirklichkeit <strong>der</strong> Vernunft in <strong>der</strong> politisch-historischen Praxis<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Stellung Hegels zur praktisch-theoretischen Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> Vernunft, und zwar zur Zeit <strong>der</strong> vollen Ausbildung des Systems<br />

und <strong>der</strong> Methode in <strong>der</strong> „Rechtsphilosophie“ (1821), müssen folgende Aspekte<br />

unterschieden werden: (1) Die systembedingte endgültige theoretische<br />

Verwirklichung <strong>der</strong> Vernunft in <strong>der</strong> spekulativen <strong>Philosophie</strong>; (2) die<br />

ebenfalls systembedingte endgültige praktisch-geschichtliche Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> Vernunft, und zwar (a) im unmittelbar gegenwärtigen Zustand<br />

des preußischen Staatslebens, (b) im Zustand eines weiter reformierten<br />

zukünftigen preußischen Staatslebens.<br />

Aus <strong>der</strong> Konzeption <strong>der</strong> absoluten Subjekt-Objekt-Einheit und aus dem<br />

entsprechenden idealistischen Objektivitätsbegriff ergibt sich, wie ausgeführt,<br />

die Möglichkeit <strong>der</strong> Rücknahme <strong>der</strong> Entäußerungen des absoluten<br />

schöpferischen Subjekts auf dem Wege <strong>der</strong> spekulativen Theorie. Darüberhinaus<br />

muss diese auf Grund des absoluten idealistischen Prinzips die<br />

abschließende Weise <strong>der</strong> Versöhnung von Vernunft und Wirklichkeit sein.<br />

Die Vollendung im Wissen des absoluten Geistes setzt die Vollendung in<br />

<strong>der</strong> geschichtlichen Praxis des objektiven Geistes voraus. Auch <strong>für</strong> die<br />

Strukturierung und Periodisierung <strong>der</strong> geschichtlichen Praxis selbst ist die<br />

methodologische Voraussetzung <strong>der</strong> Abschluss <strong>der</strong> Geschichte.<br />

Die Hegelsche Erneuerung <strong>der</strong> aristotelischen Theorie umfasst also die<br />

als vollendet begriffene Geschichte. Die Hegelsche spekulative Theorie ist<br />

wie die aristotelische Theoria auf das Ewige und Absolute ausgerichtet;<br />

aber sie ist im Gegensatz zu dieser auch mit dem Zeitlichen, Relativen und<br />

Praktischen dialektisch verknüpft.<br />

Da diese Art <strong>der</strong> Erneuerung <strong>der</strong> aristotelischen Theoria prinzipiell bedingt<br />

ist und ihre Voraussetzungen im idealistischen System hat, lässt sie<br />

sich nicht auslegen als Resignation, Quietismus, Apologetik o<strong>der</strong> Akkommodation<br />

an die bestehenden politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse<br />

Preußens, es sei denn in <strong>der</strong> Weise, dass man das idealistische Prinzip<br />

selbst – wie Marx – deutet als verzerrten ins Kontemplative verlagerten<br />

Ausdruck <strong>der</strong> praktischen Rückständigkeit <strong>der</strong> deutschen ökonomischen,<br />

sozialen und politischen Verhältnisse, d. h. als Ausdruck des Mangels an


75<br />

realer revolutionärer Stärke des Bürgertums und <strong>der</strong> politischen kleinstaatlichen<br />

Zersplitterung.<br />

Da die absolute Einheit von Vernunft und Wirklichkeit o<strong>der</strong> Subjektivität<br />

und Objektivität die Entfaltung und Durchsetzung des Fortschritts <strong>der</strong><br />

Freiheit und <strong>der</strong> Versöhnung <strong>der</strong> Gegensätze fraglos garantiert, maß es<br />

Hegel prinzipiell ablehnen, wenn anstelle des Begreifens – d. h. des Informbringens<br />

des gegenwärtigen vorgegebenen Wirklichen und des Erkennens<br />

<strong>der</strong> versöhnenden Vernunft als <strong>der</strong> „Rose im Kreuze <strong>der</strong> Gegenwart“<br />

189 – gesetzt wird das Sollen, die For<strong>der</strong>ung nach praktischer Verän<strong>der</strong>ung<br />

des Bestehenden, die <strong>für</strong> Hegel nur die Gestalt <strong>der</strong> Utopie und <strong>der</strong><br />

illusionären Ausflucht annehmen könnte. Unter diesem Aspekt ist Hegels<br />

dezidierte Stellungnahme gegen das „Aufstellen eines Jenseitigen“, d. h.<br />

gegen das Belehren durch das Konfrontieren des Staates, <strong>der</strong> ist, mit dem,<br />

<strong>der</strong> sein soll, gegen das undialektische Auseinan<strong>der</strong>reißen von Wirklichkeit<br />

und Ideal in <strong>der</strong> Vorrede <strong>der</strong> „Rechtsphilosophie“ zu sehen. In ihr wird ein<br />

solches Überspringen <strong>der</strong> Gegenwart (das sich in <strong>der</strong> von J. F. Fries und<br />

den Burschenschaftlern repräsentierten volkstümlich-nationalen Bewegung<br />

„von unten“ äußert) auf den Zwischenbereich des leeren Räsonierens<br />

und Querulierens, eitlen Meinens und Fühlens zurückgeführt und überdies<br />

als in Wahrheit unmöglich angesehen, da die philosophischen Gedanken<br />

erst entstehen, „nachdem die Wirklichkeit ihren Bildungsprozess vollendet<br />

und sich fertig gemacht hat“ und nachdem „eine Gestalt des Lebens<br />

alt geworden“ ist, die von <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> nicht verän<strong>der</strong>t, „verjüngt“ werden<br />

kann. 190 Hiermit tritt Hegel also nicht nur gegen den Primat <strong>der</strong> Praxis<br />

auf, son<strong>der</strong>n auch gegen die Theorie im Typus <strong>der</strong> Kritik, d. h. <strong>der</strong> nicht<br />

nachträglich tätigen Theorie.<br />

Die in <strong>der</strong> Vorrede <strong>der</strong> „Rechtsphilosophie“ ausgesprochene Gleichsetzung<br />

von Vernunft und Wirklichkeit – „Was vernünftig ist, das ist wirklich;<br />

und was wirklich ist, das ist vernünftig“ 191 – verlangt und bedeutet aber<br />

nicht, dass Hegel in <strong>der</strong> „Rechtsphilosophie“ alle gerade bestehenden politisch-gesellschaftlichen<br />

Zustände des Preußens seiner Gegenwart, das<br />

immerhin im Zusammenhang mit dem Wirken des Freiherrn vom Stein<br />

verhältnismäßig reformfreudig ist 192, als vernünftig ansieht, wie zum Beispiel<br />

<strong>der</strong> liberale Hegelkritiker Haym unterstellt. 193


76<br />

Ebenso wie <strong>der</strong> Hegelsche Begriff des Wirklichen nicht im empiristischen<br />

o<strong>der</strong> positivistischen Sinne des alltäglich Vorhandenen und Zufälligen,<br />

son<strong>der</strong>n im Sinne des Substantiellen und Notwendigen zu fassen<br />

ist 194 , ist <strong>der</strong> Begriff des Gegenwärtigen nicht im Sinne des gleichsam<br />

punktuell Bestehenden, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> geschichtlichen qualitativen Stufe zu<br />

nehmen.<br />

Die logische Freiheit als Einheit des Beson<strong>der</strong>en und Allgemeinen ist in<br />

<strong>der</strong> gegenwärtigen Stufe <strong>der</strong> objektiven Sittlichkeit die wirkliche Freiheit im<br />

Staat als Übereinstimmung des subjektiven und objektiven Willens, so<br />

dass die Individuen, die in <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft selbstsüchtig und<br />

aggressiv ihre Privatinteressen verfolgen (und in <strong>der</strong> Familie nur durch das<br />

Band des natürlichen Zusammenhalts und <strong>der</strong> unmittelbaren Empfindung<br />

vereinigt sind) im Staat ihre – vermittels <strong>der</strong> Gesetze – gewollte und gewusste<br />

„Vereinigung als solche“ 195 haben (womit Hegel im Gegensatz steht<br />

zur liberalistischen Beschränkung <strong>der</strong> Staatsaufgaben auf die Sicherung<br />

<strong>der</strong> Privatpersonen und ihres Eigentums, wie sie exemplarisch zum Ausdruck<br />

kommt in Wilhelm von Humboldts – erst l85l herausgegebenen –<br />

Frühschrift „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen <strong>der</strong> Wirksamkeit des<br />

Staates zu bestimmen“). Diese gegenwärtige Stufe <strong>der</strong> objektiven Sittlichkeit<br />

schließt als vollkommene und endgültige Verkörperung des Geistes in<br />

<strong>der</strong> Welt eine neue höher stehende politisch-gesellschaftliche Epoche aus,<br />

aber sie schließt ein zukünftiges reformiertes preußisches Staatsleben ein,<br />

in dem es Einrichtungen gibt, die zur Zeit <strong>der</strong> Abfassung <strong>der</strong> „Rechtsphilosophie“<br />

noch nicht bestehen.<br />

Dieser Ausblick Hegels ist deshalb möglich, weil das System – <strong>der</strong> „Zusammenstand“<br />

– <strong>der</strong> teleologisch geschlossenen Totalität und die Aufstellung<br />

des Prinzips <strong>der</strong> Übereinstimmung von Vernunft und Wirklichkeit,<br />

von logischer und historischer Entwicklung, nur implizieren, dass <strong>der</strong><br />

Kreis <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>gewinnung des absoluten Subjekts sich in epochaler Hinsicht<br />

geschlossen hat, d. h. die ideelle Involution auf dem Weg <strong>der</strong> Weltgeschichte<br />

qualitativ vollendet ist und unter diesem Aspekt die Gegenwart<br />

als volle Entfaltung des vernünftigen Potentials verabsolutiert werden<br />

kann.<br />

Zu diesen zukünftig-gegenwärtigen vernünftigen Einrichtungen in<br />

Preußen, die zur Zeit <strong>der</strong> Restauration <strong>der</strong> Heiligen Allianz, speziell <strong>der</strong>


77<br />

Karlsba<strong>der</strong> Beschlüsse (1819), in <strong>der</strong> Perspektive des aufsteigenden Bürgertums<br />

progressiv sind, gehören <strong>für</strong> Hegel in <strong>der</strong> „Rechtsphilosophie“ die<br />

Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens und <strong>der</strong> parlamentarischen Debatten,<br />

die Rechtsgleichheit vor dem Gesetz und die Entfesselung des Eigentums<br />

und damit <strong>der</strong> Produktion aus <strong>der</strong> feudalen Privilegien-Ordnung (mit<br />

Ausnahme <strong>der</strong> Majorate).<br />

Aber die über die unmittelbar gegenwärtigen Zustände hinaus weisenden<br />

Teile <strong>der</strong> „Rechtsphilosophie“ sind nicht charakteristisch. In ihr überwiegen<br />

eindeutig die – in bürgerlicher Perspektive – regressiven, stabilisierenden<br />

und unzeitgemäßen Tendenzen. Sie kommen vor allem zum Ausdruck<br />

in <strong>der</strong> Ablehnung <strong>der</strong> Volkssouveränität, einer allgemein gewählten<br />

Repräsentationskörperschaft, <strong>der</strong> Gewaltenteilung im Sinne Lockes, <strong>der</strong><br />

Beherrschung <strong>der</strong> staatlichen Institutionen durch die bürgerliche Gesellschaft<br />

<strong>der</strong> Arbeit und des Bedürfnisses, <strong>der</strong> Pressefreiheit sowie in den<br />

Darlegungen über die Polizei, die Korporationen, die Bürokratie und das<br />

monarchische Prinzip.<br />

Hierin liegt nicht mir eine Ablehnung des Sollens, insofern dieses als<br />

Grundsatz proklamiert wird, son<strong>der</strong>n auch, insofern dieses eine zeitlich<br />

begrenzte demokratisch-liberale Opposition beinhaltet. Beide Formen <strong>der</strong><br />

Stellungnahme <strong>für</strong> die halb-feudale Ordnung Preußens finden sich in <strong>der</strong><br />

„Rechtsphilosophie“ und müssen unterschieden werden.<br />

Dass die spezifisch konservative o<strong>der</strong> auch „realistische“ Hegelsche Einstellung<br />

<strong>der</strong> Hinnahme, des Sichabfindens und des Anerkennens <strong>der</strong> unmittelbar<br />

gegebenen gesellschaftlich-politischen Praxis nicht mehr prinzipiell<br />

bedingt ist und Hegel in seiner früheren Entwicklung weitaus negativer,<br />

unversöhnlicher und kritischer zur Gegenwart stand, zeigt ein Blick<br />

auf die Stufen seiner Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Gegensätzen und Krisen<br />

<strong>der</strong> Zeit nach <strong>der</strong> französischen Revolution.<br />

Die französische Revolution – <strong>der</strong>en Prinzip Hegel in <strong>der</strong> allgemeinen<br />

Rechtsfreiheit des Menschen als Menschen, „nicht weil er Jude, Katholik,<br />

Protestant, Deutscher, Italiener u. s. f. ist“ 196 , erblickt und die er immer<br />

als historisch notwendig, wenn auch später nicht mehr als geeignet ansieht,<br />

die Freiheit wirklich durchsetzen und konkretisieren zu können –<br />

begeistert ihn in seiner Tübinger Zeit und inspiriert ihn in seiner Berner<br />

Periode zur überschwenglichen Hoffnung auf die zukünftige Erneuerung


78<br />

des antiken Republikanimus auf dem Wege uneingeschränkter Selbsttätigkeit,<br />

wie oben im fünften Abschnitt skizziert wurde. In dieser Zeit<br />

schreibt Hegel an Schelling: „... Mit Verbreitung <strong>der</strong> Ideen, wie etwas sein<br />

soll, wird die Indolenz <strong>der</strong> gesetzten Leute, ewig alles zu nehmen, wie es<br />

ist, verschwinden...“ 197<br />

Dieselbe Einstellung spricht aus Hegels kommentierter anonym veröffentlichter<br />

Übersetzung <strong>der</strong> „Vertraulichen Briefe“ des Advokaten Cart<br />

(1798), die gegen das revolutionsfeindliche oligarchische Regime in Bern<br />

gerichtet sind und <strong>für</strong> die „alten Rechte“ des von diesem unterdrückten<br />

Waadtlandes eintreten.<br />

In <strong>der</strong> „Vorerinnerung“ warnt Hegel die Anhänger <strong>der</strong> deutschen Reaktion:<br />

aus dem Kontrast <strong>der</strong> einst triumphierenden, jetzt inzwischen von<br />

französischen Truppen besiegten Berner Oligarchie „würden sich eine<br />

Menge Nutzanwendungen ergeben; doch die Begebenheiten sprechen <strong>für</strong><br />

sich laut genug; es kann nur darum zu tun sein, sie in ihrer ganzen Fülle<br />

kennenzulernen; sie schreien laut über die Erde: Discite justiciam moniti,<br />

die Tauben aber wird ihr Schicksal schwer ergreifen.“ 198<br />

Hegels Absicht ist hier also die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> politischen Verhältnisse<br />

auf dem Wege <strong>der</strong> kritischen Belehrung als Verän<strong>der</strong>ung des Bewusstseins<br />

<strong>der</strong> Herrschenden – zum Zweck <strong>der</strong> Prophylaxe des revolutionären<br />

Paroxysmus. 199<br />

Verän<strong>der</strong>ungen, mutige Reformen <strong>der</strong> unhaltbar gewordenen überlebten<br />

Württemberger Zustände des feudalen Absolutismus, die am Maßstab des<br />

Begriffs nicht zu rechtfertigen sind, for<strong>der</strong>t Hegel in seiner unveröffentlichten<br />

Schrift aus <strong>der</strong> Frankfurter Zeit über den Verfassungskonflikt zwischen<br />

den Landständen und dem Herzog „Über die neuesten inneren Verhältnisse<br />

Württembergs, beson<strong>der</strong>s über die Gebrechen <strong>der</strong> Magistratsverfassung“<br />

(1798): „Wie blind sind diejenigen, die glauben mögen, dass Einrichtungen,<br />

Verfassungen, Gesetze, die mit den Sitten, den Bedürfnissen,<br />

<strong>der</strong> Meinung <strong>der</strong> Menschen nicht mehr zusammenstimmen, aus denen <strong>der</strong><br />

Geist entflohen ist, länger bestehen, dass Formen, an denen Verstand und<br />

Empfindung kein Interesse mehr nimmt, mächtig genug seien, länger das<br />

Band eines Volkes auszumachen.“ 200 Dabei ist es hier unerheblich, dass<br />

Hegels bestimmte Reformvorschläge – die Schaffung einer Versammlung


79<br />

von „aufgeklärten und rechtschaffenen Männern“ anstelle von Volkswahlen<br />

– zaghaft sind (gemessen an <strong>der</strong> Schärfe <strong>der</strong> Kritik). 201<br />

In <strong>der</strong> ebenfalls nicht publizierten Abhandlung über „Die Verfassung<br />

Deutschlands“ (1802) stellt Hegel fest, dass das Deutsche Reich nach den<br />

Kriegen gegen die französische Republik und nach dem Rastatter Kongress<br />

seine von innen her bedrohte Einheit und seine „machthabende Allgemeinheit“<br />

und Souveränität verloren hat und umgestaltet werden muss.<br />

Im Einleitungsfragment von 1799/1800 hebt Hegel das Negative in den<br />

bestehenden feudalen beschränkten Zuständen des Deutschen Reiches<br />

hervor: „Alle Erscheinungen dieser Zeit zeigen, dass die Befriedigung im<br />

alten Leben sich nicht mehr findet; es war eine Beschränkung auf eine<br />

ordnungsvolle Herrschaft über sein Eigentum, ein Beschauen und Genuss<br />

seiner völlig untertänigen kleinen Welt, und dann auch eine diese Beschränkung<br />

versöhnende Selbstvernichtung und Erhebung im Gedanken<br />

an den Himmel.“ 202<br />

Am Schluss <strong>der</strong> endgültigen Ausarbeitung dieser Schrift (1802) drückt<br />

Hegel seine Erwartung aus, dass die praktische Umgestaltung des Deutschen<br />

Reiches – mit dem Ziel <strong>der</strong> Herstellung <strong>der</strong> Einheit von Vernunft<br />

und Wirklichkeit – nur durch Gewalt erfolgen kann (worin schon ein Hinweis<br />

auf Napoleon zu erblicken ist ebenso wie in <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>holten Evokation<br />

des staatenstiftenden „Theseus“): „... <strong>der</strong> Begriff und die Einsicht <strong>der</strong><br />

Notwendigkeit (ist) viel zu schwach ..., um aufs Handeln selbst zu wirken;<br />

<strong>der</strong> Begriff und Einsicht führt etwas so Misstrauisches gegen sich mit,<br />

dass er durch die Gewalt gerechtfertigt werden muss, dann unterwirft sich<br />

ihm <strong>der</strong> Mensch.“ 203<br />

Dass diese Schrift „Die Verfassung Deutschlands“ wesentlich auf zukünftige<br />

Verhältnisse ausgerichtet bleibt, ist hier vereinbar damit, dass<br />

Hegel schon als ihren Zweck statt <strong>der</strong> Kritik das heilsame Begreifen des<br />

Notwendigen angibt: „Die Gedanken, welche diese Schrift enthält, können<br />

bei ihrer öffentlichen Äußerung keinen an<strong>der</strong>n Zweck noch Wirkung haben,<br />

als das Verstehen dessen, was ist, und damit die ruhigere Ansicht<br />

sowie ein in <strong>der</strong> wirklichen Berührung und in Worten gemäßigtes Ertragen<br />

<strong>der</strong>selben zu beför<strong>der</strong>n. Denn nicht das, was ist, macht uns ungestüm<br />

und leidend, son<strong>der</strong>n dass es nicht ist, wie es sein soll; erkennen wir aber,


80<br />

dass es ist, wie es sein muss, d. h. nicht nach Willkür und Zufall, so erkennen<br />

wir auch, dass es so sein soll.“ 204<br />

Wie wenig sich Hegels <strong>Philosophie</strong> in <strong>der</strong> Jenaer Periode (1801-1807)<br />

auf das Begreifen des – in vollständig entwickelter Form – Vorgegeben beschränkt,<br />

zeigt sich deutlich in <strong>der</strong> Stellung zu Napoleon. Von ihm, <strong>der</strong><br />

nicht angesehen wird als Usurpator, son<strong>der</strong>n als legitimer Vollstrecker <strong>der</strong><br />

französischen Revolution in <strong>der</strong> Weise ihrer Aufhebung, als „Weltseele“<br />

und „großer Staatsrechtlehrer in Paris“ 205 , erwartet Hegel, dass er eine<br />

neue Epoche beginnen lässt, nämlich die Verwirklichung <strong>der</strong> französischen<br />

Revolution in Deutschland und damit die Überwindung <strong>der</strong> feudalen partikularistischen<br />

Rückständigkeit ineins mit <strong>der</strong> staatlichen Ausgleichung<br />

(nicht etwa <strong>der</strong> Sicherung) <strong>der</strong> ökonomischen Interessen <strong>der</strong> bürgerlichen<br />

Gesellschaft. Dementsprechend heißt es in <strong>der</strong> Vorrede <strong>der</strong> „Phänomenologie<br />

des Geistes“: „Es ist übrigens nicht schwer zu sehen, dass unsere Zeit<br />

eine Zeit <strong>der</strong> Geburt und des Übergangs zu einer neuen Periode ist. Der<br />

Geist hat mit <strong>der</strong> bisherigen Welt seines Daseins und Vorstellens gebrochen<br />

und steht im Begriffe, es in die Vergangenheit hinab zu versenken,<br />

und in <strong>der</strong> Arbeit seiner Umgestaltung.“ 206 Und am Schluss des Kollegs<br />

über spekulative <strong>Philosophie</strong> in Jena am l8. September 1806 sagt Hegel:<br />

„Wir stehen in einer wichtigen Zeitepoche, einer Gärung, wo <strong>der</strong> Geist einen<br />

Ruck getan, über seine vorige Gestalt hinausgekommen ist und eine<br />

neue gewinnt... Es bereitet sich ein neuer Hervorgang des Geistes. Die <strong>Philosophie</strong><br />

hat vornehmlich seine Erscheinung zu begrüßen und ihn zu erkennen.“<br />

207<br />

In Übereinstimmung mit seiner Zukunftserwartung spricht Hegel in <strong>der</strong><br />

„Phänomenologie des Geistes“ zwar davon, dass die in Frankreich aufgetretene<br />

revolutionäre „absolute Freiheit aus ihrer sich selbst zerstörenden<br />

Wirklichkeit in ein an<strong>der</strong>es Land des selbstbewussten Geistes“ 208 , nämlich<br />

nach Deutschland, übergeht, aber er kann die <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> des „seiner<br />

selbst gewissen Geistes“ entsprechende wirkliche versöhnende Staatsordnung<br />

nicht mehr behandeln.<br />

Nach eigener politischer Tätigkeit als Redakteur <strong>der</strong> Bamberger Zeitung,<br />

die er wegen <strong>der</strong> Finanz- und Zensurschwierigkeiten als Galeerenarbeit<br />

empfindet, wird <strong>für</strong> Hegel schließlich die Nie<strong>der</strong>lage Napoleons die Krise,<br />

die zur Annäherung an die preußischen Verhältnisse führt. Erst danach


81<br />

wird die Hegelsche <strong>Philosophie</strong> endgültig zur „Eule <strong>der</strong> Minerva“ (womit sie<br />

den hergestellten Zusammenhang zwischen <strong>Philosophie</strong> und Zeit selbst<br />

bestätigt).<br />

Davon zeugen die beiden an<strong>der</strong>en politischen Publikationen Hegels, die<br />

Landstände-Schrift (1815/16) und die Schrift „Über die englische Reformbill“<br />

(1831), sowie die akademischen Antrittsreden in Heidelberg und Berlin<br />

und schließlich die Vorrede zur zweiten Auflage <strong>der</strong> „Logik“. 209<br />

Beson<strong>der</strong>s die „Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Geschichte“<br />

(1830/31 zuletzt gehalten) machen die kontemplative Stellung Hegels zur<br />

politisch-gesellschaftlichen Praxis deutlich: die Theorie <strong>der</strong> deutschen <strong>Philosophie</strong><br />

wird höher gestellt als die Praxis <strong>der</strong> französischen Revolution (die<br />

selbst allerdings „von <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> ihre erste Anregung erhalten“ habe,<br />

nämlich von <strong>der</strong> abstrakten Aufklärungsphilosophie 210 ). Dementsprechend<br />

wird nunmehr die Reformation – mit ihrem Prinzip <strong>der</strong> Freiheit als Versöhnung<br />

von Vernunft und Wirklichkeit – als entscheiden<strong>der</strong> Wendepunkt<br />

vor <strong>der</strong> französischen Revolution bewertet. Die Reformation habe in den<br />

protestantischen Län<strong>der</strong>n eine Revolution nicht notwendig gemacht. „Was<br />

die andre Frage betrifft: warum sind die Franzosen sogleich vom Theoretischen<br />

zum Praktischen übergegangen, wogegen die Deutschen bei <strong>der</strong> theoretischen<br />

Abstraktion stehenblieben, so könnte man sagen: die Franzosen<br />

sind Hitzköpfe (ils ont la tête près du bonnet); <strong>der</strong> Grund liegt aber tiefer.<br />

Dem formellen Prinzip <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> in Deutschland nämlich steht die<br />

konkrete Welt und Wirklichkeit mit innerlich befriedigtem Bedürfnis des<br />

Geistes und mit beruhigtem Gewissen gegenüber. Denn es ist einerseits<br />

die protestantische Welt selbst, welche so weit im Denken zum Bewusstsein<br />

<strong>der</strong> absoluten Spitze des Selbstbewusstseins gekommen ist, und andrerseits<br />

hat <strong>der</strong> Protestantismus die Beruhigung über die sittliche und<br />

rechtliche Wirklichkeit in <strong>der</strong> Gesinnung, welche selbst, mit <strong>der</strong> Religion<br />

eins, die Quelle alles rechtlichen Inhalts im Privatrecht und in <strong>der</strong> Staatsverfassung<br />

ist... In Deutschland war in Ansehung <strong>der</strong> Weltlichkeit schon<br />

alles durch die Reformation gebessert worden...“ 211<br />

Durch die Verabsolutierung <strong>der</strong> Gegenwart in <strong>der</strong> kontemplativspekulativen<br />

<strong>Philosophie</strong> wird Hegels dialektische Verknüpfung von Absolutem<br />

und Relativem, Logik und Geschichte, Sein und Zeit, letztlich aufgelöst;<br />

denn die Geschichte wird zum Stehen gebracht und dadurch logifi-


82<br />

ziert, kategorisiert o<strong>der</strong> in ein Transzendentales verwandelt und damit<br />

selbst in den Rang dessen versetzt, worauf sie ursprünglich bezogen ist.<br />

Gerade weil Hegel aber Logik und Geschichte aufeinan<strong>der</strong> bezieht, kann<br />

die Geschichte auch grundsätzlich zum Kriterium <strong>für</strong> sein System werden,<br />

d. h. <strong>für</strong> die ideelle Versöhnung von Theorie und Praxis. Das System hat<br />

sich an <strong>der</strong> Geschichte zu bewähren, die erstmals und grundsätzlich die<br />

Position einer systemimmanenten Kritik erhält.<br />

Das Auftreten praktisch-geschichtlicher qualitativ neuer im System<br />

nicht integrierter Gegensätze innerhalb <strong>der</strong> bestehenden Welt – wie sie in<br />

<strong>der</strong> Julirevolution 1830 akut werden 212 – wird ein Argument gegen die Hegelsche<br />

Vereinigung von Theorie und Praxis.


83<br />

II. Heines Ableitung <strong>der</strong> revolutionären politisch-sozialen Praxis aus<br />

<strong>der</strong> philosophischen Theorie<br />

Die Schrift „Zur Geschichte <strong>der</strong> Religion und <strong>Philosophie</strong> in Deutschland“<br />

entsteht 1834 in Paris, wohin Heine nach <strong>der</strong> Julirevolution übergesiedelt<br />

ist. Als ihren Zweck führt er an, <strong>für</strong> die französischen Leser die Religion<br />

und <strong>Philosophie</strong> in Deutschland verständlich zu machen, wobei<br />

zugleich die Auslegung Victor Cousins korrigiert werden soll (nachdem er<br />

über die deutsche Literatur in <strong>der</strong> Schrift „Die romantische Schule“ berichtet<br />

hat in Fortsetzung und Berichtigung <strong>der</strong> Bände „De l’Allemagne“ Frau<br />

von Staëls, die beschlagnahmt wurden durch Napoleon, den <strong>der</strong> junge<br />

Heine wie Hegel als „Sohn <strong>der</strong> Revolution“ begrüßt). Aber diese Schrift ist<br />

in Wahrheit ein groß angelegter Entwurf einer Synthese von Theorie und<br />

Praxis.<br />

Die philosophische Theorie ist <strong>für</strong> Heine durch Hegel zur Vollendung<br />

gekommen. „Unsere philosophische Revolution ist beendigt. Hegel hat ihren<br />

großen Kreis geschlossen.“ 213 Analog dazu charakterisiert Heine die<br />

Goethezeit als das Ende <strong>der</strong> „Kunstperiode“, auf die aber ein neuer Abschnitt,<br />

nämlich die Periode demokratisch-revolutionärer Literatur folge. 214<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> muss <strong>für</strong> Heine also schließlich die entscheidende<br />

Frage entstehen, wie ein Hinausgehen über die vollendete <strong>Philosophie</strong><br />

möglich ist.<br />

Die philosophische Revolution beginnt <strong>für</strong> Heine mit Kant und führt<br />

über Fichte und Schelling zu Hegel. Sie ist hervorgegangen aus <strong>der</strong> protestantischen<br />

Religion. Diese wird von <strong>der</strong> philosophischen Revolution in einen<br />

Pantheismus verwandelt. Die Hegelsche <strong>Philosophie</strong> ist also <strong>für</strong> Heine<br />

die höchste Form des Pantheismus, <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Lehre Spinozas,<br />

<strong>der</strong> Gleichsetzung von Gott und Welt.<br />

Der zum Pantheismus führende Protestantismus wie<strong>der</strong>um ist eine höhere<br />

Stufe des Katholizismus. Das heißt: <strong>der</strong> ursprünglich reine „Spiritualismus“<br />

<strong>der</strong> christlichen Religion wird schrittweise durch den Protestantismus<br />

und die deutsche idealistische <strong>Philosophie</strong> negiert (nicht aufgehoben<br />

im Hegelschen Sinne). Nur partiell wird <strong>der</strong> „Sensualismus“ von Luther<br />

– <strong>der</strong> „zugleich ein träumerischer Mystiker und ein praktischer Mann“<br />

war, <strong>der</strong> „sprach und handelte“ – rehabilitiert. „Indem die notwendigsten


84<br />

Ansprüche <strong>der</strong> Materie nicht bloß berücksichtigt, son<strong>der</strong>n auch legitimiert<br />

werden, wird die Religion wie<strong>der</strong> eine Wahrheit.“ 215<br />

Die Idee des Christentums ist also <strong>für</strong> Heine nicht wie <strong>für</strong> Hegel die<br />

Freiheit, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> „Spiritualismus“ als „die Vernichtung <strong>der</strong> Sinnlichkeit“,<br />

<strong>der</strong> Leiblichkeit, des Weltlichen, <strong>der</strong> „Materie“. 216<br />

Der extreme Dualismus von Spiritualismus und Sensualismus, „Nazarenertum“<br />

und „Hellenentum“ 217 , Geist und Materie, Theorie und Praxis,<br />

ist im Laufe <strong>der</strong> Geschichte zwar abgeschwächt, aber nicht in einer Synthese<br />

überwunden worden.<br />

Da <strong>der</strong> Spiritualismus des Christentums im Wi<strong>der</strong>spruch zur menschlichen<br />

Natur steht, kann es nicht verwirklicht werden. Der Sinnlichkeit<br />

müssen in <strong>der</strong> christlichen Religion inkonsequenterweise Zugeständnisse<br />

gemacht werden. Die christliche Religion „war eben allzu erhaben, allzu<br />

rein, allzu gut <strong>für</strong> diese Erde, wo ihre Idee nur in <strong>der</strong> Theorie proklamiert,<br />

aber niemals in <strong>der</strong> Praxis ausgeführt werden konnte... Der Versuch, die<br />

Idee des Christentums zur Ausführung zu bringen, ist jedoch, wie wir endlich<br />

sehen, aufs kläglichste verunglückt, und dieser unglückliche Versuch<br />

hat <strong>der</strong> Menschheit Opfer gekostet, die unberechenbar sind, und trübselige<br />

Folge <strong>der</strong>selben ist unser jetziges soziales Unwohlsein in ganz Europa.“<br />

218<br />

Da <strong>der</strong> deistische Spiritualismus ein Bündnis mit dem Feudalismus<br />

eingegangen ist, wird er von zwei Seiten bedrängt; von <strong>der</strong> pantheistischen<br />

<strong>Philosophie</strong> und <strong>der</strong> politisch-sozialen Umwälzung, die darauf abzielt, die<br />

„große Weltzerrissenheit“ zu überbrücken. (Dagegen hilft schließlich auch<br />

keine Anpassung 219 etwa in Gestalt des „christlichen Sozialismus“ des Buchez<br />

o<strong>der</strong> des Abbé Lamennais, dessen in über hun<strong>der</strong>t Auflagen erschienenen<br />

„Paroles d’un croyant“ von Börne 1834 ins Deutsche übersetzt werden.)<br />

Durch „das Gedeihen <strong>der</strong> Industrie und durch die <strong>Philosophie</strong> wird<br />

<strong>der</strong> Spiritualismus in <strong>der</strong> öffentlichen Meinung diskreditiert; <strong>der</strong> dritte<br />

Stand erhebt sich; die Revolution grollt schon in den Herzen und Köpfen.“<br />

220<br />

Die Überwindung <strong>der</strong> Entzweiung von Spiritualismus und Sensualismus,<br />

die in <strong>der</strong> Theorie durch Hegel vollendet ist, ist somit <strong>für</strong> Heine Sache


85<br />

<strong>der</strong> Zukunft 221 und kommt letztlich erst zustande durch politisch soziale<br />

Praxis.<br />

Von dieser erwartet er, dass sie in Deutschland eine Form annimmt<br />

und auf einem Niveau stattfindet, wogegen „die französische Revolution<br />

nur wie eine harmlose Idylle erscheinen möchte.“ 222<br />

Der Grund da<strong>für</strong> ist: die deutsche Revolution wird aus einer vollendeten<br />

<strong>Philosophie</strong> hervorgehen: „Mich dünkt, ein methodisches Volk wie wir<br />

musste mit <strong>der</strong> Reformation beginnen, konnte erst hierauf sich mit <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong> beschäftigen und durfte nur nach <strong>der</strong>en Vollendung zur politischen<br />

Revolution übergehen... Durch diese Doktrinen haben sich revolutionäre<br />

Kräfte entwickelt, die nur des Tages harren, wo sie hervorbrechen<br />

und die Welt mit Entsetzen und Bewun<strong>der</strong>ung erfüllen können.“ 223 So<br />

werden die Deutschen die Franzosen, die sie schon in Gedanken überflügelten,<br />

auch in <strong>der</strong> Tat überflügeln. In diesem Sinne wagt Heine, <strong>der</strong> Gegner<br />

des burschenschaftlichen Nationalismus und <strong>der</strong> Deutschtümelei, in<br />

<strong>der</strong> Vorrede zu „Deutschland. Ein Wintermärchen“ (l844) die ironische<br />

Prognose: „Die ganze Welt wird deutsch werden!“ 224<br />

Kennzeichnend <strong>für</strong> Heine ist, dass er – großenteils im Gegensatz zu den<br />

an<strong>der</strong>en Schriftstellern des oppositionellen „Jungen Deutschland“, zu Börne,<br />

Gutzkow, Laube, Wienbarg und Mundt – nicht nur die politische Praxis,<br />

son<strong>der</strong>n auch vor allem die soziale Praxis im Auge hat. Es geht ihm<br />

nicht so sehr um die Staatsformen <strong>der</strong> Monarchie o<strong>der</strong> Republik o<strong>der</strong> um<br />

Fragen <strong>der</strong> parlamentarischen Repräsentation als vielmehr um das<br />

„Wohlsein <strong>der</strong> Materie, das materielle Glück <strong>der</strong> Völker“ (wobei er auch die<br />

Vertröstungen des jakobinischen Tugend-Asketismus persifliert). 225<br />

Diese Einstellung Heines wird geför<strong>der</strong>t durch die Bekanntschaft mit<br />

den Saint-Simonisten (ihrem Repräsentanten Prosper Enfantin widmet er<br />

die französische Ausgabe <strong>der</strong> Schrift „Zur Geschichte <strong>der</strong> Religion und <strong>Philosophie</strong><br />

in Deutschland“ in dem Sammelwerk „De l’Allemagne“,1835) und<br />

mit den Anhängern Fouriers und mit Louis Blanc sowie durch die Kenntnis<br />

<strong>der</strong> Geschichtsauffassung Mignets, und sie begünstigt die Zusammenarbeit<br />

mit Ruge und Heß und – seit l844 – die Freundschaft mit Marx.


86<br />

Heine ist <strong>der</strong> erste, <strong>der</strong> die revolutionäre politisch-soziale Praxis in Zusammenhang<br />

bringt mit <strong>der</strong> deutschen idealistischen <strong>Philosophie</strong>, wie dies<br />

Engels in einem späteren Rückblick hervor hebt. 226<br />

Zum einen erwartet Heine, wie angeführt, das Hervorgehen <strong>der</strong> deutschen<br />

Revolution aus <strong>der</strong> deutschen <strong>Philosophie</strong>. „Der Gedanke geht <strong>der</strong><br />

Tat voraus wie <strong>der</strong> Blitz dem Donner.“ 227 Zum an<strong>der</strong>en parallelisiert er die<br />

deutsche <strong>Philosophie</strong> mit <strong>der</strong> französischen geschichtlichen Praxis: „... wie<br />

hier in Frankreich jedes Recht, so muss dort in Deutschland je<strong>der</strong> Gedanke<br />

sich justifizieren, und wie hier das Königtum, <strong>der</strong> Schlussstein <strong>der</strong> alten<br />

sozialen Ordnung, so stürzt dort <strong>der</strong> Deismus, <strong>der</strong> Schlussstein des<br />

geistigen alten Regimes.“ 228<br />

Kant wird in Analogie gesetzt mit Robespierre (<strong>der</strong> “nichts als die Hand<br />

von Jean-Jacque Rousseau“ war), Fichte mit Napoleon und <strong>der</strong> spätere<br />

Schelling mit <strong>der</strong> restaurierenden Reaktion 229 , wobei die negative Einschätzung<br />

Schellings – vor allem hinsichtlich seiner Entwicklung seit <strong>der</strong><br />

Schrift „<strong>Philosophie</strong> und Religion“ (1804) – typisch wird <strong>für</strong> alle Junghegelianer.<br />

Während Hegel, wie oben dargestellt, das Ausbleiben <strong>der</strong> revolutionären<br />

Praxis in Deutschland und das Stehenbleiben bei <strong>der</strong> Theorie als die vernünftige<br />

Auswirkung <strong>der</strong> Reformation ansieht und Marx dies als Schwäche<br />

des Bürgertums erklärt 230 , erblickt Heine darin eine Verzögerung aus methodischer<br />

Gründlichkeit (einschließlich des Zurückschreckens vor den<br />

Resultaten des Denkens), einen Nachteil, <strong>der</strong> sich zum Vorteil wenden<br />

werde.<br />

Bei <strong>der</strong> Parallelisierung <strong>der</strong> französischen Praxis mit <strong>der</strong> deutschen<br />

Theorie ordnet Heine Hegel nicht wie Schelling eindeutig <strong>der</strong> Restauration<br />

zu trotz Hegels Zugeständnisse an das Bestehende: „... wenn er auch,<br />

gleich Herrn Schelling, dem Bestehenden in Staat und Kirche einige allzu<br />

bedenkliche Rechtfertigungen verlieh, so geschah dieses doch <strong>für</strong> einen<br />

Staat, <strong>der</strong> dem Prinzip des Fortschritts wenigstens in <strong>der</strong> Theorie huldigt,<br />

und <strong>für</strong> eine Kirche, die das Prinzip <strong>der</strong> freien Forschung als ihr Lebenselement<br />

betrachtet.“ 231 Entschiedener urteilt Heine in <strong>der</strong> Vorrede zur<br />

Schrift „Französische Zustände“ (1833): „Dieses Preußen! wie es versteht,<br />

seine Leute zu gebrauchen!... Hegel musste die Knechtschaft, das Bestehende,<br />

als vernünftig rechtfertigen.“ 232 Und in <strong>der</strong> Abhandlung „Die ro-


87<br />

mantische Schule“ (l833) zählt Heine Hegel zu den „Justifikatoren dessen,<br />

was da ist“ und zu den „Staatsphilosophen“:„... sie ersannen philosophische<br />

Rechtfertigungen aller Interessen des Staates, worin sie sich angestellt<br />

befanden. Zum Beispiel Hegel, Professor in dem protestantischen<br />

Berlin, hat in seinem Systeme auch die ganze evangelisch protestantische<br />

Dogmatik aufgenommen.“ 233<br />

Aber Hegels Rechtfertigung des Bestehenden ist nach Heine im doppelten<br />

Sinn äußerlich: nicht nur aus dem Grunde, weil als die inneren Konsequenzen<br />

<strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Atheismus und die Revolutionslehre<br />

anzusehen seien, son<strong>der</strong>n auch deshalb, weil Hegel selbst diese Lehren<br />

als esoterische Ansichten vertreten und sie nur bewusst verklausuliert<br />

habe.<br />

Seine Kenntnis <strong>der</strong> esoterischen Lehre Hegels führt Heine in den Geständnissen“<br />

(l854) und in den fragmentarischen erst posthum veröffentlichten<br />

„Briefen über Deutschland“ (l844 geschrieben) auf ein Gespräch<br />

zurück, das er vorgeblich selbst mit Hegel gehabt hat. 234 Demnach sei<br />

auch das Schulgeheimnis <strong>der</strong> Gleichsetzung von Vernunft und Wirklichkeit<br />

ihr revolutionärer Charakter: „Als ich einst unmutig war über das<br />

Wort: ,Alles, was ist, ist vernünftig‘, lächelte er son<strong>der</strong>bar und bemerkte:<br />

,Es könnte auch heißen: Alles, was vernünftig ist, muss sein.‘ Er sah sich<br />

hastig um, beruhigte sich aber bald, denn nur Heinrich Beer hatte das<br />

Wort gehört.“ 235<br />

Es ist offensichtlich, dass sich Heine mit dieser Berufung auf ein Augurenlächeln<br />

hinwegsetzt über Hegels systembedingte Konzeption <strong>der</strong><br />

Vollendung <strong>der</strong> Geschichte und <strong>der</strong> endgültigen Versöhnung von Theorie<br />

und Praxis. Heine zieht Konsequenzen aus Hegels Lehre, die sich erst ergeben<br />

könnten nach einer bewussten Destruktion des Systems, das keine<br />

Irreführung <strong>für</strong> nicht Eingeweihte, son<strong>der</strong>n ein konstitutiver Bestandteil<br />

<strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> ist.<br />

Heines Verkennen <strong>der</strong> systematischen Seite <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong><br />

bedeutet aber nicht, dass er die dialektische Methode als ihr revolutionäres<br />

Moment absolut hervorgehoben hätte, so wie Alexan<strong>der</strong> Herzen –<br />

durchaus im Sinne von Marx und Engels – in <strong>der</strong> Dialektik die „Algebra<br />

<strong>der</strong> Revolution“ erblickte. Der Übergang zur revolutionären politischsozialen<br />

Praxis ergibt sich aus Hegels Lehre <strong>für</strong> Heine dagegen in erster


88<br />

Linie auf Grund <strong>der</strong> Vollendung des Umsturzes des Deismus. Die geistig<br />

emanzipierten Menschen – nicht die Angehörigen einer bestimmten Klasse<br />

– werden die Geschichte selbst machen, nachdem sie gründlich wissen,<br />

dass Gott zwar „<strong>der</strong> eigentliche Held <strong>der</strong> Weltgeschichte“, die Weltgeschichte<br />

und die ganze Menschheit aber „eine Inkarnation Gottes“ ist. 236<br />

Mehr <strong>für</strong> Heines Biographie als <strong>für</strong> die Umbildung <strong>der</strong> Hegelschen Theorie-Praxis-Konzeption<br />

ist es von Belang, dass Heine sich später wie<strong>der</strong><br />

dem Deismus zuwendet und sein Grauen bekundet vor dem Erbe <strong>der</strong> Hegelschen<br />

<strong>Philosophie</strong>, dem Bündnis des Atheismus mit dem Kommunismus,<br />

von dem er die Zerstörung <strong>der</strong> Kultur be<strong>für</strong>chtet, und dass er bekennt:<br />

„Ich war nie abstrakter Denker, und ich nahm die Synthese <strong>der</strong> Hegelschen<br />

Doktrin ungeprüft an, da ihre Folgerungen meiner Eitelkeit<br />

schmeichelten.“ 237


89<br />

III. Cieszkowskis historiosophische Konzeption <strong>der</strong> Praxis als höchster<br />

Stufe des absoluten Geistes<br />

Wie Heine übernimmt August von Cieszkowski Hegels grundlegende<br />

Verbindung <strong>der</strong> Praxis sowie <strong>der</strong> Theorie mit <strong>der</strong> Geschichte. Die Wahrheit<br />

und Freiheit sind auch <strong>für</strong> ihn nicht primär Sache <strong>der</strong> individuellen Erkenntnis,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> geschichtlichen Praxis. Der „<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Tat“<br />

Cieszkowskis liegt Hegels Konzeption <strong>der</strong> Praxis als konkreter Sittlichkeit<br />

zugrunde, die sowohl Aristoteles’ Ethik des situationsgerechten Handelns<br />

als auch Kants Ethik des pflichtgemäßen Handelns negiert. In <strong>der</strong> Umbildung<br />

<strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> geht Cieszkowski mit seiner Schrift „Prolegomena<br />

zur Historiosophie“ (1838) aber über Heine insofern hinaus, als<br />

er die Hegelsche <strong>Philosophie</strong> nicht nur in die Praxis überführt sehen will,<br />

son<strong>der</strong>n sie auch als Theorie umwandelt, nämlich zu einer <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong><br />

Praxis.<br />

Hierin liegen zugleich eine Stärke und eine Schwäche <strong>der</strong> Position<br />

Cieszkowskis: er ignoriert nicht einfach wie Heine das Hegelsche System<br />

unter Berufung auf eine vorgebliche revolutionäre Esoterik, aber er verwandelt<br />

es schließlich in eine schematische aprioristische Konstruktion.<br />

An die Stelle <strong>der</strong> kontemplativen Theorie Hegels tritt die „historiosophische“,<br />

nicht etwa eine „kritische“ Theorie, die unbegrenzt Vernunft und<br />

Wirklichkeit aufeinan<strong>der</strong> bezieht. Darin unterscheidet sich Cieszkowski<br />

von an<strong>der</strong>en Junghegelianern.<br />

Hinsichtlich des Systems sind <strong>für</strong> Cieszkowski die Hegelsche <strong>Philosophie</strong><br />

und die <strong>Philosophie</strong> überhaupt noch unvollendet, hinsichtlich <strong>der</strong><br />

dialektischen Methode aber vollendet. „Die absolute Methode ist erreicht<br />

und diese ist <strong>der</strong> Kern <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, darum hieße es wirklich die Größe<br />

und weltgeschichtliche Bedeutung Hegels verkennen, nicht in ihm wenigstens...<br />

den Anfang des Endes <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> zu sehen... in Hegel hat das<br />

Denken sein, wesentliche Aufgabe gelöst...“ 238<br />

Die For<strong>der</strong>ung, über Hegel, den „zweiten Aristoteles“, hinauszugehen,<br />

knüpft Cieszkowski nicht an die Aufdeckung des Wi<strong>der</strong>streits zwischen <strong>der</strong><br />

Methode und dem System <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong>, d. h. zwischen dem<br />

Prozess des unbeschränkten Fortschreitens und dem Zustand des endgültigen<br />

Abschlusses; Cieszkowski proklamiert die Weiterentwicklung <strong>der</strong> He-


90<br />

gelschen <strong>Philosophie</strong> nicht unter Berufung auf den Vorrang <strong>der</strong> Methode<br />

vor dem System, son<strong>der</strong>n im Namen <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruchslosigkeit des Systems<br />

und damit <strong>der</strong> wahren Totalität. Der Übergang zur Praxis soll die<br />

Mängel und Einseitigkeiten des Systems beseitigen. Cieszkowski stützt<br />

sich also nicht primär auf den revolutionären Charakter <strong>der</strong> dialektischen<br />

Methode.<br />

Die Unterordnung <strong>der</strong> Dialektik unter den „Organismus“ des Systems<br />

kommt schon in einem Brief Cieszkowskis an seinen Lehrer und lebenslangen<br />

Freund Michelet aus <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Vorarbeit <strong>für</strong> die „Prolegomena<br />

zur Historiosophie“ zum Ausdruck: was er im Auge habe, sei „la vraie dialectique<br />

objective, le procès intrinsèque qui développe l’unité des<br />

contrastes, la marche normale de l’objet dans sa genèse organique, le<br />

développement de l’idée dans sa totalité.“ 239 Der entscheidende Mangel des<br />

Hegelschen Systems ist <strong>für</strong> Cieszkowski, dass es – man muss ergänzen:<br />

erst nach dem Sturz Napoleons – die Gegenwart verabsolutiert, die Zukunft<br />

und das Problem ihrer allgemeinen Erkennbarkeit nicht als wesentliches<br />

Moment integriert und deshalb die organische Totalität <strong>der</strong> Geschichte<br />

verfehlt. 240 So wie das Hegelsche System die Grenzen des Kantischen<br />

Kritizismus und Agnostizismus durchbrochen habe, seien Hegels<br />

„Vorurteil“ und „noch nicht gereifte Erkenntnis“ zu überwinden und sei die<br />

zukünftige Periode zu bestimmen, und zwar aus <strong>der</strong> Einsicht in Vergangenheit<br />

und Gegenwart sowie aus <strong>der</strong> Idee des Organismus und seiner Architektonik<br />

241, die gegenüber <strong>der</strong> mechanisch-undialektischen Methode<br />

<strong>der</strong> Aufklärungszeit ihre relative Berechtigung hat.<br />

Dies ist unausgesprochen ein Versuch, Fichtes Bestimmung <strong>der</strong> Zukunft<br />

in <strong>der</strong> ethisch-naturrechtlichen Konzeption <strong>der</strong> „Grundzüge des gegenwärtigen<br />

Zeitalters“ (1804/5) konkreter geschichtlich zu fassen. 242<br />

Fichte konstruiert aus dem Endzweck <strong>der</strong> Menschheit, nämlich „dass sie...<br />

alle ihre Verhältnisse mit Freiheit nach <strong>der</strong> Vernunft einrichte“, fünf Epochen,<br />

von denen zwei in Zukunft folgen werden auf den gegenwärtigen<br />

„Stand <strong>der</strong> vollendeten Sündhaftigkeit“, <strong>der</strong> Befreiung und „Ungebundenheit<br />

ohne einigen Leitfaden“. 243 Zugleich wird Cieszkowski in dieser Frage<br />

<strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong> Zukunft von Fourier beeinflusst, <strong>der</strong> ausdrücklich<br />

von ihm in einem entsprechenden Zusammenhang genannt wird 244 , und<br />

<strong>der</strong> in seiner „Tabelle philosophischer Prinzipien“ zu den wertvollen Er-


91<br />

kenntnissen und Methoden zählt: „... 6. Durch Analogie vom Bekannten<br />

zum Unbekannten schreiten. 7. Mit Hilfe von Analyse und Synthese<br />

Schlussfolgerungen ziehen. Glauben, dass im System des Universums alles<br />

verbunden, einheitlich ist.“ 245 Auf Cieszkowski dürfte auch – möglicherweise<br />

neben Condorcet und Buchez 246 – Saint-Simon eingewirkt haben,<br />

<strong>der</strong> auf Grund <strong>der</strong> Annahme eines einheitlichen Gesetzes des Weltalls,<br />

nämlich <strong>der</strong> allgemeinen Gravitation, aus dem „Studium des Weges,<br />

den die Vernunft bis auf den heutigen Tag zurückgelegt hat“, darauf<br />

schließt, „welche nützlichen Schritte <strong>der</strong> Vernunft auf dem „Wege <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

und des Glücks noch zu tun verbleiben.“ 247<br />

Cieszkowskis Ausrichtung auf die Zukunft unter Verweis auf die bestehenden<br />

„Wi<strong>der</strong>sprüche <strong>der</strong> Zeit“ und die „chaotischen Bewegungen <strong>der</strong> Gegenwart“,<br />

beson<strong>der</strong>s auf die „sozialen Wi<strong>der</strong>sprüche“ 248 , bildet einen berechtigten<br />

Ansatzpunkt <strong>der</strong> Kritik an Hegels Versöhnung von Idee und<br />

Wirklichkeit, Theorie und Praxis, da Hegel selbst <strong>Philosophie</strong> und Zeit aufeinan<strong>der</strong><br />

bezieht und sein philosophisches System sich dementsprechend<br />

an <strong>der</strong> Geschichte zu bewähren hat. Implizit muss Cieszkowski diese Wi<strong>der</strong>sprüche<br />

aber als qualitativ neu und epochal ansehen, damit sie die ihnen<br />

zugeschriebene Funktion <strong>der</strong> relativen Sprengung des Hegelschen Systems<br />

ausüben können. Zur gegenwärtigen Krise <strong>der</strong> Trennung von Vernunft<br />

und Wirklichkeit gehört <strong>für</strong> Cieszkowski, wie sich unten zeigen wird,<br />

<strong>der</strong> absolute Idealismus Hegels selbst, <strong>der</strong> sogar den Höhepunkt und die<br />

letzte Zuspitzung, das „Apogäum“ 249, <strong>der</strong> Entfremdung darstellt.<br />

Dabei scheint Cieszkowski sich nicht <strong>der</strong> Differenz zu Hegel bewusst zu<br />

sein, die in seinem Rekurs auf die sozialen Wi<strong>der</strong>sprüche zum Ausdruck<br />

kommt; <strong>für</strong> Hegel resultiert <strong>der</strong> allgemeine kontinuierliche Fortschritt <strong>der</strong><br />

Geschichte aus den äußeren Wi<strong>der</strong>sprüchen <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en diskreten<br />

Volksgeister, nicht aus den inneren Wi<strong>der</strong>sprüchen innerhalb eines Volkes.<br />

Dieser Auffassung Hegels schließt er sich trotz seiner Anknüpfung an<br />

die sozialen Wi<strong>der</strong>sprüche ohne ausdrückliche Modifikation an. 250<br />

Indem Cieszkowski wie Hegel die Weltgeschichte als geistigen teleologischen<br />

Prozess auffasst und an <strong>der</strong> absoluten Einheit von Vernunft und<br />

Wirklichkeit, Logik und Geschichte, festhält und for<strong>der</strong>t, man müsse „das<br />

ganze System <strong>der</strong> Kategorien sich dialektisch in <strong>der</strong> Geschichte entwickeln<br />

lassen“ 251 , ist er prinzipiell gezwungen, mit dieser zukünftigen Periode die


92<br />

Geschichte wie<strong>der</strong>um systematisch zum Abschluss kommen und die<br />

„höchste Spitze des Weltgeistes“ 252 erreichen zu lassen. Das System bleibt<br />

vorherrschend, wenn die zukünftige Periode in trichotomischer Weise konstruiert<br />

wird (unter Abän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Hegelschen Einteilung <strong>der</strong> Geschichte<br />

in eine orientalische, griechische, römische und christlich-germanische<br />

Epoche); die zukünftige Periode müsse notwendig die Synthese von antiker<br />

und mo<strong>der</strong>ner, vorchristlicher und christlicher Welt sein, sie müsse entsprechend<br />

dem Dreischritt von Sein-Denken-Wollen die Synthese <strong>der</strong> thetischen<br />

Periode des Altertums mit <strong>der</strong> Vorherrschaft <strong>der</strong> Kunst sowie <strong>der</strong><br />

Äußerlichkeit und <strong>der</strong> antithetischen Periode <strong>der</strong> christlich-germanischen<br />

Zeit mit <strong>der</strong> Vorherrschaft <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> sowie <strong>der</strong> Innerlichkeit sein. 253<br />

Das heißt: die letzte Stufe <strong>der</strong> Geschichte bei Hegel wird zur vorletzten bei<br />

Cieszkowski; die endgültige Synthese wird nur um eine Stufe höher verschoben.<br />

254<br />

Wie sehr Cieszkowski in den Schranken des Hegelschen Systems bleibt,<br />

zeigt seine Bestimmung des Zukünftigen als potentiell schon Bestehendes<br />

und providentiell Beschlossenes und damit <strong>der</strong> Entwicklung als Aktualisierung<br />

fertiger geistiger Potenzen ohne inhaltliche Formierung; alles Zukünftige<br />

muss, „ehe es selbst ein Bestehendes wird, schon ein Bestehendes<br />

sein...“ 255 So wird zwar von Cieszkowski die Zukunft mit <strong>der</strong> Gegenwart<br />

verknüpft und die Geschichte als Totalität erst in Hinblick auf die<br />

Zukunft begriffen, aber die Zukunft ist <strong>für</strong> ihn infolge <strong>der</strong> Logifizierung <strong>der</strong><br />

Geschichte prinzipiell schon geschehen. Daran än<strong>der</strong>t auch Cieszkowskis<br />

Einsicht nichts, dass mit <strong>der</strong> objektiven Gesetzmäßigkeit die subjektiven<br />

Faktoren zusammengehen müssen, d. h. dass Wirklichkeit und Vernunft<br />

„gegeneinan<strong>der</strong> gravitieren“ müssen. 256 Die geschichtliche Zukunft ist<br />

nicht primär Resultat <strong>der</strong> Praxis, son<strong>der</strong>n sie erwartet gleichsam die auf<br />

sie gebannt zugehenden Menschen.<br />

Die drei Kapitelüberschriften <strong>der</strong> „Prolegomena zur Historiosophie“ zeigen<br />

zusammenfassend, in welcher Hinsicht Cieszkowski auf dem Boden<br />

des Hegelschen Systems bleibt: I. Organismus <strong>der</strong> Weltgeschichte, II. Kategorien<br />

<strong>der</strong> Weltgeschichte, III. Teleologie <strong>der</strong> Weltgeschichte.<br />

Innerhalb dieser Grenzen wird die Brüchigkeit des konstruierenden und<br />

schematisierenden Verfahrens Cieszkowskis am krassesten deutlich in dar<br />

analogischen Zuordnung von Naturkategorien als äußeren „symbolischen


93<br />

Typen“ zu den inneren Geschichtsphasen: die chinesische, griechische,<br />

römische, mittelalterliche, mo<strong>der</strong>ne und die zukünftige Periode werden<br />

verbunden mit den physischen Kategorien <strong>der</strong> Mechanik, des Lichts, <strong>der</strong><br />

Elektrizität, <strong>der</strong> Wärme, mit den chemischen Prozessen, mit dem auf höherer<br />

Stufe wie<strong>der</strong>hergestellten Mechanismus und schließlich mit dem Organismus.<br />

257<br />

Dieses Typisieren trägt in die Geschichte eine Gesetzmäßigkeit hinein,<br />

die we<strong>der</strong> kausalen noch dialektischen Charakter hat. Es wird auf diesem<br />

Niveau nicht einmal als ein Hilfsmittel und Indiz zur Erkenntnis wirklicher<br />

geschichtlicher o<strong>der</strong> natürlicher Zusammenhänge dienen können. Cieszkowski<br />

erhebt allerdings das Typisieren und Analogisieren – das in seinem<br />

späteren Werk „Ojcze-Nasz“ („Vater Unser“) ausgeweitet wird durch die Periodisierung<br />

<strong>der</strong> Geschichte in Entsprechung zu den biologischen Lebensaltern<br />

– noch nicht wie später zum Beispiel Spengler in seiner Geschichtsmorphologie<br />

zur theoretischen Methode schlechthin.<br />

Trotz <strong>der</strong> Ausrichtung auf die Zukunft ist also <strong>für</strong> Cieszkowski die Geschichte<br />

prinzipiell abgeschlossen. Seine Konzeption ist konsequent, insofern<br />

er das systematische Erfassen <strong>der</strong> Totalität nicht preisgeben und<br />

dennoch zugleich ein Überschreiten <strong>der</strong> wi<strong>der</strong>spruchsvollen krisenhaften<br />

Gegenwart ermöglichen will. „So genügen wir gleichfalls beiden entgegengesetzten<br />

For<strong>der</strong>ungen, nämlich die Totalität <strong>der</strong> Weltgeschichte einerseits<br />

ideell zu umschließen, ohne andrerseits die Möglichkeit <strong>der</strong> künftigen<br />

Fortbildung abzuschließen...“ 258<br />

Unter diesem Aspekt ist Cieszkowskis charakteristische Umwandlung<br />

<strong>der</strong> Hegelschen kontemplativen <strong>Philosophie</strong> in eine <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Praxis<br />

zu sehen: die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Praxis, die „Historiosophie“, ist die <strong>Philosophie</strong><br />

<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung des Gegebenen, des Negierens des „Irrationalen“ im<br />

Bestehenden in Richtung auf die zukünftige abschließende Einheit, die<br />

endgültige Synthese von Vernunft und Wirklichkeit, Denken und Sein (in<br />

<strong>der</strong>en Zuordnung Cieszkowski das Grundproblem aller <strong>Philosophie</strong> sieht),<br />

wie das folgende längere Zitat zeigt: „Die praktische <strong>Philosophie</strong>, o<strong>der</strong> eigentlicher<br />

gesagt, die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Praxis, – <strong>der</strong>en konkreteste Einwirkung<br />

auf das Leben und die sozialen Verhältnisse, die Entwicklung <strong>der</strong><br />

Wahrheit in <strong>der</strong> konkreten Tätigkeit – dies ist das künftige Los <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

überhaupt... Dass dieses aber eine Verschiebung ihres eigenen We-


94<br />

sens und eine partielle Abdikation sei, ist andrerseits nicht zu leugnen,<br />

und <strong>der</strong> Grund davon ist schon genug in <strong>der</strong> Nichterreichbarkeit <strong>der</strong><br />

höchsten Stufe <strong>der</strong> Identität durch das Denken angedeutet worden. Wie<br />

aber <strong>der</strong> Gedanke und die Reflexion die schönen Künste überflügelten, so<br />

wird jetzt die Tat und das soziale Wirken die wahre <strong>Philosophie</strong> überflügeln...<br />

Wenn das Denken also jetzt seinen Kulminationspunkt erreicht und<br />

seine wesentliche Aufgabe gelöst hat, so muss es durch den Fortschritt<br />

selbst zurücktreten, d. h. aus seiner Reinheit in ein fremdes Element übergehen.<br />

Wir wollen uns also nicht scheuen es auszusprechen, die <strong>Philosophie</strong><br />

wird von jetzt an beginnen angewandt zu werden... Ihr nächstes<br />

Schicksal ist, sich zu popularisieren... sie muss sich in die Tiefe verflachen...<br />

Jetzt wird also ihr normaler Ausfluss auf die sozialen Verhältnisse<br />

<strong>der</strong> Menschheit beginnen, um in <strong>der</strong> nicht bloß vorhandenen, son<strong>der</strong>n<br />

selbst ausgebildeten Wirklichkeit die absolut objektive Wahrheit zu entwickeln...“<br />

259 Die Praxis in dieser Weise als Anwendung <strong>der</strong> Theorie aufzufassen,<br />

ist nur möglich, indem die Theorie – unter Annahme ihrer Autonomie<br />

– <strong>für</strong> systematisch vollendet gehalten wird. Die Theorie wird aber<br />

hiermit in undialektischer Weise von <strong>der</strong> praktischen Bedingtheit getrennt<br />

und – als <strong>für</strong> sich fertig – aus <strong>der</strong> Verflechtung und Wechselwirkung mit<br />

<strong>der</strong> Praxis heraus gelöst, während sie dem Anschein nach gerade mit <strong>der</strong><br />

Praxis aufs engste verknüpft wird. Dies bedeutet, dass <strong>für</strong> Cieszkowski<br />

letzten Endes die Theorie nur die Voraussetzung o<strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Praxis<br />

ist, nicht auch das Resultat <strong>der</strong> Praxis wird. Theorie und Praxis stehen<br />

einan<strong>der</strong> abstrakt gegenüber.<br />

Damit zeigt sich an Cieszkowskis Entwurf, dass die dialektische Einheit<br />

von Theorie und Praxis nicht aufrecht zu erhalten ist, wenn die Theorie<br />

zugleich auf die Zukunft ausgerichtet und systematisch vollendet wird.<br />

Zumindest auf eines <strong>der</strong> drei Momente muss bei <strong>der</strong> Umwandlung <strong>der</strong> Hegelschen<br />

<strong>Philosophie</strong> verzichtet werden: auf die dialektische Verschränkung<br />

von Theorie und Praxis o<strong>der</strong> die Ausrichtung auf die Zukunft o<strong>der</strong><br />

den systematischen Abschluss, d. h. den Anspruch des theoretischen Erfassens<br />

<strong>der</strong> Totalität.<br />

Cieszkowski trennt Theorie und Praxis aber nicht in <strong>der</strong> Weise, dass <strong>der</strong><br />

Inhalt <strong>der</strong> Theorie ein Ideal ist, das durch unbegrenzt fortschreitende Praxis<br />

ins Sein übergehen soll. Trotz Bezugnahme auf Fichte 260 bleibt <strong>für</strong> ihn


95<br />

das Sollen kein unendliches, son<strong>der</strong>n ein endlich bestimmtes. „Das Sollen...<br />

ist durchaus kein Mangel <strong>der</strong> Spekulation; denn die Bestimmungen<br />

sind ein Zukünftiges, dem aber eine ganz bestimmte Stelle im Prozesse des<br />

Weltgeistes angewiesen ist. Überhaupt ist das Sollen erst durch das Tun<br />

völlig zu besiegen.“ 261<br />

Indem das abgeschlossene System und in seinem Gefolge die Theorie<br />

triumphieren und <strong>der</strong> Praxis nur das zu realisieren überlassen wird, was<br />

die Theorie als das endgültige Ziel o<strong>der</strong> die Vorsehung des geistigen Prozesses<br />

<strong>der</strong> Weltgeschichte antizipiert, behält die Theorie letztlich den Vorrang<br />

und wird die Hegelsche Bestimmung des Verhältnisses von Theorie<br />

und Praxis nicht prinzipiell umgekehrt entgegen dem Anschein, <strong>der</strong> aus<br />

den Worten entstehen kann: „Nach Hegel ist <strong>der</strong> Wille nur eine beson<strong>der</strong>e<br />

Weise des Denkens, und dies ist die falsche Auffassung; vielmehr ist das<br />

Denken ein bloß integrales Moment des Willens, denn das Denken, welches<br />

wie<strong>der</strong> zum Sein wird, ist erst <strong>der</strong> Wille und die Tat.“ 262 Hier wird<br />

nämlich von Cieszkowski unter „Denken“ etwas an<strong>der</strong>es verstanden als<br />

das, was bisher „Theorie“ genannt wurde: „Denken“ meint hier nicht die<br />

philosophisch-spekulative „historiosphische“ Theorie Cieszkowskis selbst,<br />

die die praktisch zu vermittelnde zukünftige Synthese a priori antizipiert,<br />

son<strong>der</strong>n eine einseitige abstrakte retrograde aposteriorische Bewusstseinstätigkeit,<br />

die Cieszkowski in Hegels absolutem Idealismus kulminieren<br />

lässt (und die er in seiner eigenen Terminologie in <strong>der</strong> Regel „theoretisch“<br />

nennt). Nur über das so aufgefasste Denken stellt er den Willen als eine<br />

höhere Stufe, aber als eine Form des „Geistes“, und zwar als „die höchste<br />

Stufe des Geistes“ 263 , die die geistigen Stufen des Seins und Denkens in<br />

einer Synthese zusammenfasst und die im Unterschied zum An sich und<br />

Für sich in Cieszkowskis Terminologie das „Aus sich“ des Geistes darstellt,<br />

was aber kein Heraustreten des Geistes außer sich bedeuten solle. Dementsprechend<br />

gilt die Tat – die Synthese des unmittelbaren Seins und des<br />

abstrakten Denkens – zwar als eine Abdankung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, aber als<br />

eine „ungeheure Emporschwingung des Geistes“. 264<br />

Hinsichtlich dieses Spiritualismus <strong>der</strong> Praxis ist Cieszkowski vergleichbar<br />

mit seinem polnischen Landsmann und Zeitgenossen Edward Dembowski,<br />

<strong>der</strong> in seiner „<strong>Philosophie</strong> des Schaffens“ das Schaffen auch als


96<br />

geistige Kraft betrachtete, bevor er es in dem Aufsatz „Gedanken über eine<br />

zukünftige <strong>Philosophie</strong>“ (1845) materialistisch umdeutete.<br />

Mit Hilfe dieses Spiritualismus also will Cieszkowski Hegels absoluten<br />

Idealismus aufheben und die Einseitigkeit des „Prädominierens des Denkens“<br />

265 und <strong>der</strong> Subjektivität innerhalb <strong>der</strong> Einheit des Denkens und<br />

Seins, des Subjekts und Objekts, des Inneren und Äußeren, überwinden.<br />

Aber auch Cieszkowskis Grundposition ist idealistisch-teleologisch. Konsequenterweise<br />

müsste <strong>für</strong> Cieszkowski das übergeschichtliche Ziel <strong>der</strong><br />

Geschichte die absolute Selbsterkenntnis bleiben und könnte das Tun nur<br />

eine Vorstufe dazu, nicht aber die endgültige Einheit des Seins und Denkens<br />

bilden. Cieszkowski versucht jedoch, den Konsequenzen seines Ansatzes<br />

zu entgehen.<br />

Während Cieszkowski schon gelegentlich einer Anmerkung in den „Prolegomena<br />

zur Historiosophie“ den absoluten Geist mit <strong>der</strong> Sphäre <strong>der</strong> Religion<br />

gleichsetzt 266 , so dass die künstlerische, die philosophische und die<br />

praktische Tätigkeit als spezielle Stufen <strong>der</strong> Religion fungieren, baut er<br />

diese Gleichsetzung in seinen späteren Schriften aus zu einer theosophisch<br />

pneumatologischen Lehre von <strong>der</strong> Individuation des Geistes in <strong>der</strong><br />

Persönlichkeit Gottes, die die wahre Konkretion von Allgemeinheit und<br />

Einzelheit, Idee und Natur, Leib und Seele darstelle 267 , und mit <strong>der</strong>en Begreifen<br />

die Alternative Idealismus-Materialismus hinfällig werde.<br />

Die Persönlichkeit des absoluten Geistes wird dabei offenbar erschlossen<br />

auf Grund einer Analogie zur menschlichen Persönlichkeit 268 . Wenn<br />

aber die Persönlichkeit im Gegensatz zu Hegel nicht mit dem Selbstbewusstsein<br />

identifiziert wird, wird <strong>für</strong> sie die reale Beziehung zur Um- und<br />

Mitwelt bestimmend (und zwar die durch Tätigkeit wachsende Selbständigkeit<br />

ihr gegenüber), und somit ist <strong>der</strong> Mangel des Analogieschlusses auf<br />

eine absolute, also einzigartige und umweltlose, Persönlichkeit offenbar.<br />

In diesem Zusammenhang <strong>der</strong> Umwandlung des Pantheismus in einen<br />

an Ch. H. Weiße und den jüngeren Fichte erinnernden Theismus ist zu<br />

beachten, dass Cieszkowski sich auch auf die intellektuelle Anschauung<br />

als Grundlage <strong>der</strong> dialektischen Spekulation beruft 269 und sich damit in<br />

Gegensatz zu Hegel und in die Nähe Schellings bringt, wobei sich die von<br />

Schelling und beson<strong>der</strong>s von Baa<strong>der</strong> hervorgekehrte Begrenztheit <strong>der</strong> all-


97<br />

gemeinen Zugänglichkeit <strong>der</strong> intellektuellen Anschauung in Cieszkowskis<br />

Messianismus manifestiert.<br />

Im Rahmen seines Spiritualismus <strong>der</strong> Praxis trifft Cieszkowski die gewichtige<br />

Unterscheidung zwischen „vortheoretischer“ und „nachtheoretischer“<br />

Praxis, zwischen unbewussten Tatsachen, faits accomplis, und bewussten<br />

Taten. „Tatsachen (facta) nämlich nennen wir diejenigen passiven<br />

Begebenheiten, die wir gleichsam vorfinden, und zu welchen wir uns ganz<br />

gleichgültig verhalten, etwas Daseiendes ohne unsere Mitwirkung und unser<br />

Bewusstsein. Zu diesen muss freilich das Bewusstsein hinzutreten, um<br />

sie in die seinigen umzuwandeln und in diesem äußerlichen Dasein ein<br />

inneres Wesen zu erforschen. Tat (actum) aber ist etwas ganz an<strong>der</strong>es; es<br />

ist nicht mehr dieses unmittelbare Ereignis, welches wir bloß aufzunehmen<br />

und in uns zu reflektieren hatten, es ist schon reflektiert, schon vermittelt,<br />

schon gedacht, vorgesetzt und vollführt; es ist eine aktive Begebenheit,<br />

die ganz die unsrige ist, – nicht mehr fremd, son<strong>der</strong>n schon bewusst,<br />

noch ehe sie verwirklicht wurde. Man kann also sagen, dass die Facta natürliche<br />

Begebenheiten, die Taten aber künstliche sind. Die Facta bilden<br />

eine unbewusste, also vortheoretische, die Taten aber eine bewusste, also<br />

nachtheoretische Praxis, weil die Theorie zwischen diese beiden Praktiken<br />

in die Mitte tritt, welche letztere, nämlich die nachtheoretische Praxis, als<br />

die wahre Synthesis des Theoretischen und des unmittelbar Praktischen,<br />

des Subjektiven und Objektiven sich uns offenbart...“ 270<br />

Die „nachtheoretische“, das Theoretische in sich enthaltende, nicht erst<br />

„post factum“ theoretisch erhellte Praxis ist das bewusste Mitwirken und<br />

selbstbestimmende Vollbringen <strong>der</strong> Gesetze <strong>der</strong> Geschichte. Die Träger o<strong>der</strong><br />

Subjekte dieser Praxis sind erst im eigentlichen Sinne Subjekte; sie<br />

sind „nicht mehr blinde Werkzeuge, sei es nun des Zufalls o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Notwendigkeit,<br />

son<strong>der</strong>n bewusste Werkmeister ihrer eigenen Freiheit...“ 271<br />

Diese Praxis gründet nicht wie bei Heine in dem Bewusstsein <strong>der</strong> Selbstverantwortlichkeit<br />

des gottlosen Menschen <strong>für</strong> seine Geschichte, son<strong>der</strong>n<br />

in <strong>der</strong> Einsicht des göttlichen Planes, und ist als solche – wie etwas später<br />

in gleicher Weise <strong>für</strong> Constantin Frantz – „tätige Erhebung <strong>der</strong> Menschheit<br />

zu Gott“. 272 Da Gott letztlich <strong>der</strong> Träger des Geschichtsprozesses bleibt,<br />

kann Cieszkowski nicht den Gedanken entwickeln, dass seine Information,<br />

seine theoretische Prognose über den Geschichtsprozess, etwa eine Rück-


98<br />

wirkung auf die Aktion, auf des zielbewusste Handeln <strong>der</strong> menschlichen<br />

Träger des Prozesses, in <strong>der</strong> Weise einer Verän<strong>der</strong>ung des Verlaufs des<br />

Prozesses haben könnte.<br />

Cieszkowski unterscheidet an <strong>der</strong> „nachtheoretischen“ Praxis drei Seiten:<br />

in subjektiver Hinsicht die Ausbildung des einzelnen Willens, in objektiver<br />

Hinsicht die Ausbildung des Staatslebens und in absoluter Hinsicht<br />

das Erreichen <strong>der</strong> vollständigen Identität des Seins und des Denkens. 273<br />

Nach alledem ist offensichtlich, dass Cieszkowski die Praxis nicht etwa<br />

gleichsetzt mit einer philosophisch-kritischen Tätigkeit. 274<br />

Die wirkliche Verän<strong>der</strong>ung des Bestehenden bleibt <strong>für</strong> Cieszkowski allerdings<br />

insofern Sache <strong>der</strong> Theorie, als er davon ausgeht, dass aus <strong>der</strong><br />

Theorie – sobald sie durch ihre vollendete Ausbildung zur Klassizität auf<br />

die Spitze getrieben ist – die wahre nachtheoretische Praxis entspringt, d.<br />

h. dass <strong>der</strong> Gedanke „mit <strong>der</strong> Reife des Bewusstseins“ 275 seinen Wendepunkt<br />

erreicht, umschlägt und die Tat erzeugt, wie es auch Heine annimmt<br />

mit den Worten; „Der Gedanke geht <strong>der</strong> Tat voraus wie <strong>der</strong> Blitz<br />

dem Donner“. Demnach bleibt das (historiosophische) Denken die Grundlage<br />

sowie das Kriterium <strong>der</strong> Praxis und die Quelle des geschichtlichen<br />

Fortschritts. In diesem Sinne ist <strong>für</strong> Cieszkowski die Praxis nicht unableitbare<br />

sinnliche – etwa revolutionäre – Tätigkeit, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Wille und die<br />

Tat bleiben eine Form des Geistes.<br />

Cieszkowski stellt we<strong>der</strong> die Theorie wie Hegel und Heine in Parallele<br />

zur Geschichte Frankreichs noch bringt er wie Heine die geschichtliche<br />

Praxis überhaupt in Verbindung mit <strong>der</strong> Revolution. Seiner Organismus-<br />

Konzeption entspricht die Be<strong>für</strong>wortung <strong>der</strong> Evolution. 276 Die Beseitigung<br />

<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>sprüche erwartet Cieszkowski nicht vom Austrag des Kampfes<br />

<strong>der</strong> Gegensätze, son<strong>der</strong>n von ihrer Harmonisierung. 277<br />

Aber Cieszkowski verknüpft die Praxis, wie schon mehrfach erwähnt,<br />

ähnlich wie Heine und Eduard Gans mit <strong>der</strong> sozialen Tätigkeit bei Ablehnung<br />

des ökonomischen und politischen Liberalismus. Als „bedeutendes<br />

Moment“ 278 auf dem Wege <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> Wahrheit, <strong>der</strong> praktischen<br />

Lösung <strong>der</strong> sozialen Wi<strong>der</strong>sprüche, führt er die Lehre des utopischen<br />

Sozialisten Fourier an, <strong>der</strong> die auf dem Handelskapital basierende<br />

krisenhafte Verteilungsordnung durch Produktivassoziationen überwinden


99<br />

will, und zwar im Vertrauen auf die Kraft <strong>der</strong> Überzeugung und des Beispiels.<br />

Das Motto <strong>der</strong> Fourieristen in <strong>der</strong> Zeitschrift „Phalange“ von l836<br />

bis l840 heißt: „Gesellschaftliche Reform ohne Revolution – Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> Ordnung, <strong>der</strong> Gerechtigkeit und <strong>der</strong> Freiheit – Organisation <strong>der</strong> Industrie<br />

– Vergesellschaftung des Kapitals, <strong>der</strong> Arbeit und des Talents.“<br />

Dabei ist sich Cieszkowski <strong>der</strong> Mangelhaftigkeit <strong>der</strong> Utopie durchaus<br />

bewusst: er sieht ihr Hauptgebrechen darin, „sich nicht selbst mit <strong>der</strong><br />

Wirklichkeit zu entfalten, son<strong>der</strong>n in die Wirklichkeit treten zu wollen.“ 279<br />

Cieszkowski hat also einen Weg im Auge, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Mitte vorläuft zwischen<br />

dem undialektischen Auseinan<strong>der</strong>reißen von Vernunft und Wirklichkeit<br />

einerseits und dem Zusammenfallenlassen von Vernunft und<br />

Wirklichkeit im Hegelschen Sinne an<strong>der</strong>erseits, ohne aber, wie dargestellt,<br />

vermeiden zu können, Theorie und Praxis einan<strong>der</strong> abstrakt gegenüberzustellen.<br />

Trotz des Hinweises auf die Lehre Fouriers bleiben die Konturen <strong>der</strong> zukünftigen<br />

Praxis unscharf. Keine weitergehende Konkretisierung liegt in<br />

Andeutungen wie diesen, dass die soziale Praxis die aufgehobene antike<br />

Kunst sowie den ästhetischen Humanismus im Schillerschen Sinne und<br />

die mo<strong>der</strong>ne <strong>Philosophie</strong> neu beleben und allseitig entwickeln werde, dass<br />

die wahre Sittlichkeit als Einheit von Recht und Moralität adäquat ausgebildet<br />

werde und die Natur regeneriert werde. (Die Praxis <strong>der</strong> Naturaneignung<br />

übergeht Cieszkowski völlig). 280 In diesem Zusammenhang seien<br />

immerhin erwähnt die auf die „Prolegomena zur Historiosophie“ folgenden<br />

zaghaften Pläne zur Reform des Goldwesens, u. z. zugunsten des hypothekarischen<br />

Kredits, in <strong>der</strong> Schrift „Du crédit et de la circulation“ (1839) sowie<br />

die Pläne zur Reform <strong>der</strong> zweiten Kammer durch Einführung einer „Aristokratie<br />

des Verdienstes“ in <strong>der</strong> Schrift „De la pairie et de l’aristocratie<br />

mo<strong>der</strong>ne“ (1840). Schließlich gehören hierher Cieszkowskis Vorstellungen<br />

in dem Vortrag „Zur Verbesserung <strong>der</strong> Lage <strong>der</strong> Arbeiter auf dem Lande“<br />

(1845) und in <strong>der</strong> Schrift „Über die Klein-Kin<strong>der</strong>-Bewahr-Anstalten“<br />

(1855). 281<br />

Fragt man, wer Subjekt o<strong>der</strong> Träger <strong>der</strong> zukünftigen wahren Praxis sein<br />

werde, so gibt Cieszkowski zugleich eine kosmopolitisch und eine polnischmessianisch<br />

orientierte Antwort: einerseits geht er über Hegel hinaus zu<br />

dem Gedanken des Völkerrechts und setzt „die Menschheit“ an die Stelle


100<br />

eines bestimmten Volksgeistes 282 , an<strong>der</strong>erseits mystifiziert er in zunehmendem<br />

Maße – wie zum Beispiel auch zeitweilig Adam Mickiewicz 283 neben<br />

vielen an<strong>der</strong>en Landsleuten – Polen zum leidenden und erlösenden<br />

Wegbereiter <strong>der</strong> Menschheit ins irdische Paradies, ins Reich Gottes auf Erden<br />

284 (während noch Hegel den Slawen überhaupt keine weltgeschichtliche<br />

Rolle in Vergangenheit und Gegenwart zugesteht); und er steht damit<br />

zugleich in <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s von Joachim von Fiore ausgehenden über Lessing<br />

verlaufenden Tradition <strong>der</strong> Lehre von den drei Weltaltern. Cieszkowskis<br />

Konzeption <strong>der</strong> Praxis als höchster Stufe des absoluten Geistes ist<br />

also verbunden mit einer heilsgeschichtlichen Eschatologie.


101<br />

IV. Strauß’ Umbildung <strong>der</strong> dialektischen Methode zur analytischen<br />

Kritik <strong>der</strong> religiösen Entfremdung<br />

Der Ausgangspunkt <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong><br />

ist <strong>für</strong> David Friedrich Strauß nicht wie <strong>für</strong> Heine und Cieszkowski<br />

ihr kontemplativer Charakter. Strauß’ Hauptinteresse gilt nicht <strong>der</strong> noch<br />

ausstehenden Verwirklichung <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> als Übergang<br />

von <strong>der</strong> spekulativen Theorie zur politisch-sozialen Praxis, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Beseitigung<br />

<strong>der</strong> Zweideutigkeit in <strong>der</strong> Stellung Hegels zur Religion, d. h. zur<br />

evangelischen Geschichte und zum christlichen Dogma.<br />

Dennoch wird Strauß mit Recht als Begrün<strong>der</strong> des Junghegelianismus<br />

im eigentlichen Sinne angesehen. Sein Werk „Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet“<br />

(1835) ist epochemachend. Es führt zur Spaltung <strong>der</strong> Hegelschen<br />

Schule in die Rechte <strong>der</strong> Althegelianer und die Linke <strong>der</strong> Junghegelianer.<br />

Der neue folgenreiche Gesichtspunkt, <strong>der</strong> in diesem Werk zur Geltung<br />

kommt, ist die konsequente Anwendung <strong>der</strong> zur analytischen Kritik umgeformten<br />

dialektischen Methode, ohne dass Strauß sich wie Heine auf eine<br />

vorgebliche atheistische und revolutionäre Esoterik Hegels beruft o<strong>der</strong> wie<br />

Cieszkowski <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit und Abgeschlossenheit des organischen<br />

Systems die Dialektik unterordnet.<br />

Vergeblich versucht Cieszkowski, den Resultaten von Strauß’ Kritik zuvor<br />

zu kommen durch ihre Neutralisierung in seinem organischen System.<br />

285 Strauß selbst wird von Cieszkowski nicht beeinflusst. Von Heine<br />

erfährt er keine entscheidenden Anregungen. Dessen „fixe Ideen vom Christentum“<br />

sind <strong>für</strong> Strauß „freilich Unsinn, aber begründet im Zusammenhang,<br />

im geschichtlichen Werden dieser Richtung...“ 286<br />

Strauß’ Kritik an <strong>der</strong> Religion ist wegen des Bündnisses von Thron und<br />

Altar indirekt auch politisch wirksam, wie Engels, <strong>der</strong> durch Strauß’ Vermittlung<br />

vom „Jungen Deutschland“ zur junghegelianischen Bewegung<br />

übergeht, in einem Rückblick hervorhebt. 287<br />

Strauß ist sich eines Zusammenhangs zwischen Staat und Religion bewusst,<br />

wenn er in seinen „Streitschriften“ (1837) die Hegelsche Schule –<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> Stellungnahmen zur Christologie – in Anlehnung an die<br />

politische Gruppierung im französischen Parlament in die Rechte, die Linke<br />

und das Zentrum einteilt. 288 Überdies setzt Strauß seine Kritik aus-


102<br />

drücklich ab von Hegels „System <strong>der</strong> Restauration“, das auf <strong>der</strong> Gleichsetzung<br />

beruhe von Vernunft und Wirklichkeit, „wie <strong>der</strong> Natur so des Staats<br />

und <strong>der</strong> Religion“. 289<br />

Strauß erkennt, dass Hegels Rechtsphilosophie aber nicht das unmittelbar<br />

Vorhandene stabilisiert, son<strong>der</strong>n auf Grund <strong>der</strong> Differenz zwischen<br />

ihren Konstruktionen und den gerade bestehenden politischgesellschaftlichen<br />

Zuständen Preußens (z. B. hinsichtlich <strong>der</strong> Geschworenengerichte,<br />

o<strong>der</strong> des Zweikammersystems) einen relativen „Fortschritt“<br />

begünstigt, wenn auch nicht in dem Sinne, dass – wie Strauß behauptet –<br />

die Liberalen in Hegels Schule gehen könnten. 290<br />

Die Kritik von Strauß in seinem zweiten Hauptwerk „Die christliche<br />

Glaubenslehre“ (1840/41) mündet in die For<strong>der</strong>ung nach <strong>der</strong> Trennung<br />

von Kirche und Staat, da das Göttliche schon im wahrhaft sittlichen Verhalten<br />

des Staatsbürgers verwirklicht werde. 291<br />

Obgleich Strauß erkennt, dass er mit seiner Religionskritik zu den „theoretischen<br />

Vorbereitern“ <strong>der</strong> achtundvierziger Revolution gehört, schreckt<br />

er vor <strong>der</strong> politischen Praxis zurück unter Verachtung <strong>der</strong> „Weisheit auf<br />

allen Gassen“ und unter Berufung auf die aristokratische Geistesbildung<br />

und die Privilegien des Besitzes. Die Praxis <strong>der</strong> Kritik bleibt die Theorie. In<br />

einem Brief bekennt Strauß: „Das Element hört auf, in dem wir uns bisher<br />

am liebsten bewegten... Denn unser Element war doch... die Theorie, ich<br />

meine die freie, nicht auf Zweck o<strong>der</strong> Bedürfnis gerichtete geistige Tätigkeit.<br />

Diese ist jetzt kaum mehr möglich und wird bald sogar geächtet sein.<br />

Denn das Gleichheitsprinzip ist auch dem geistigen Vorrang, wie dem materiellen<br />

feind. Es haßt Bildung wie Besitz. Wie oft rufe ich jetzt unsern<br />

alten Schutzheiligen Goethe an...“ 292<br />

Nachdem Strauß sich dennoch zur Wahl <strong>für</strong> das Frankfurter Parlament<br />

gestellt hat, in ihr unterlegen ist, aber in die Württembergische Ständekammer<br />

delegiert worden ist und dort mehr <strong>für</strong> Mäßigung, Ruhe und Ordnung<br />

als <strong>für</strong> Freiheit eingetreten ist (unter an<strong>der</strong>em die Erschießung Robert<br />

Blums zu rechtfertigen gesucht hat), entwickelt er sich nach 1866 zu<br />

einem Anhänger des Nationalliberalismus und macht sich während des<br />

deutsch-französischen Krieges in einem Sendschreiben an Ernest Renan<br />

zum Anwalt <strong>der</strong> Annexion Elsaß-Lothringens. 293 Diese Entwicklung ist ty-


103<br />

pisch <strong>für</strong> das praktisch-politische Scheitern <strong>der</strong> junghegelianischen Bewegung<br />

des Vormärz.<br />

Wenn Strauß sich von Anfang an auf die Kritik <strong>der</strong> Religion konzentriert,<br />

so ist dabei <strong>für</strong> ihn wie <strong>für</strong> Hegel die Geschichte im wesentlichen<br />

Geistesgeschichte, und das heißt vor allem: Religions- und <strong>Philosophie</strong>geschichte<br />

(und als das Wesen des Menschen gilt ihm implizit das sich im<br />

geschichtlichen Prozess realisierende Selbstbewusstsein).<br />

Im „Leben Jesu“ verlässt Strauß nicht den Boden <strong>der</strong> Hegelschen Religionsphilosophie:<br />

einmal bleibt <strong>für</strong> ihn wie <strong>für</strong> Hegel das Wesentliche <strong>der</strong><br />

christlichen Religion die Menschwerdung Gottes, die Vereinigung des Göttlichen<br />

und Menschlichen (an <strong>der</strong>en Stelle in <strong>der</strong> „dialektischen Theologie“<br />

K. Barths die äußerste Entgegensetzung tritt), zum an<strong>der</strong>en werden Religion<br />

und <strong>Philosophie</strong> inhaltlich gleichgesetzt und nur formal insofern unterschieden,<br />

als die Verwirklichung des Göttlichen von <strong>der</strong> Religion im Medium<br />

<strong>der</strong> sinnlichen Vorstellung, von <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> aber im Medium des<br />

allgemeinen Begriffs gefasst wird. (Erst in <strong>der</strong> „Glaubenslehre“ gibt Strauß<br />

unter dem Einfluss Feuerbachs die Hegelsche inhaltliche Gleichsetzung<br />

von Religion und <strong>Philosophie</strong> auf.)<br />

Mit Recht kann Strauß deshalb in seinen „Streitschriften“ zur Verteidigung<br />

seines „Leben Jesu“ sagen, dass „die allgemeinen Prinzipien <strong>der</strong> Hegelschen<br />

<strong>Philosophie</strong> eine Kritik <strong>der</strong> evangelischen Geschichte in unserem<br />

Sinne nicht ausschließen.“ 294<br />

Auf dem erden <strong>der</strong> Hegelschen Religionsphilosophie stellt Strauß im<br />

„Leben Jesu“ die präzise Frage, ob die Evangelien in ihrer Geschichtlichkeit<br />

zum gemeinsamen Inhalt von Religion und <strong>Philosophie</strong> – <strong>der</strong> Einheit<br />

des Göttlichen und Menschlichen – gehören und mithin auch vom philosophischen<br />

Begreifen anerkannt werden müssen. 295<br />

Die Antwort seiner kritischen Analyse auf die Frage – aus <strong>der</strong> er die Unterscheidung<br />

<strong>der</strong> Hegelianer in Linke und Rechte herleitet – ist negativ: die<br />

evangelischen Berichte seien zur bloßen Form zu rechnen und verlangen<br />

keine philosophische Anerkennung; aus <strong>der</strong> Idee und dem Begriff <strong>der</strong> Einheit<br />

des Göttlichen und Menschlichen sei die Geschichtlichkeit <strong>der</strong> evangelischen<br />

Berichte über die Person und das Leben Jesu nicht deduzierbar (in<br />

dieser Gestalt könne also die Wirklichkeit <strong>der</strong> Vernunft nicht nachgewie-


104<br />

sen werden); die kritische Prüfung – bei <strong>der</strong> Strauß auf quellenkritische<br />

Vorfragen im Gegensatz zu seinem an Niebuhr geschultem Lehrer F. 0.<br />

Baur verzichtet und sich vor allem auf Naturgesetze und psychologische<br />

Gesetze als Kriterien stützt – erweise dagegen die Entstehung <strong>der</strong> Evangelien<br />

aus dem Mythus, d. h. sie erweise diese als absichtslose (nicht bewusst-betrügerische)<br />

zunächst mündlich überlieferte Einkleidungen <strong>der</strong><br />

messianischen Erwartungen <strong>der</strong> urchristlichen Gemeinde, wobei Strauß<br />

mit seiner mythischen Betrachtungsweise, die er von Eichhorn, Gabler,<br />

Baur und de Wette aufnimmt, sowohl die natürliche Exegese <strong>der</strong> rationalistischen<br />

Theologen (H. E. G. Paulus, Wegschei<strong>der</strong>, Gesenius) als auch die<br />

supranaturalistische Auffassungsweise <strong>der</strong> orthodoxen Theologen (Olshausen,<br />

Hengstenberg) überwinden will.<br />

Damit rückt Strauß zwar – vermittels <strong>der</strong> Kritik – die <strong>Philosophie</strong> und<br />

die Evangelien auseinan<strong>der</strong>, aber er ersetzt noch nicht die Religion als solche<br />

durch die <strong>Philosophie</strong>, wie mehrfach behauptet wird. 296 Die religiöse<br />

Wahrheit – in ihrem dogmatischen Gehalt – gilt <strong>für</strong> Strauß in diesem Stadium<br />

seiner Entwicklung noch unabhängig von <strong>der</strong> Historizität <strong>der</strong> Evangelien.<br />

„Christi übernatürliche Geburt, seine Wun<strong>der</strong>, seine Auferstehung<br />

und Himmelfahrt, bleiben ewige Wahrheiten, so sehr ihre Wirklichkeit als<br />

historischer Facta angezweifelt werden mag.“ 297<br />

Damit setzt Strauß die prinzipielle Zweideutigkeit noch fort, die in <strong>der</strong><br />

Hegelschen inhaltlichen Gleichsetzung und formalen Unterscheidung von<br />

Religion und <strong>Philosophie</strong> insofern liegt, als diese zugleich Rechtfertigung<br />

und Kritik <strong>der</strong> Religion sind. 298<br />

Hegel hatte die Frage nach <strong>der</strong> Geschichtlichkeit <strong>der</strong> Evangelien unbestimmt<br />

gelassen und <strong>für</strong> unerheblich und letztlich unbestimmbar gehalten<br />

in <strong>der</strong> Annahme, dass <strong>der</strong> christliche Glaube nicht angewiesen sei auf die<br />

„geistlose“ Beglaubigung äußerer sinnlicher Fakten durch historische<br />

Zeugnisse, „welche als historische Zeugnisse betrachtet freilich nicht den<br />

Grad von Gewissheit über ihren Inhalt gewähren würden, den uns Zeitungsnachrichten<br />

über irgendeine Begebenheit geben.“ 299 Darüberhinaus<br />

verneint Hegel aber ausdrücklich die Geschichtlichkeit <strong>der</strong> übernatürlichen<br />

Erzeugung Jesu, <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Auferstehung als äußere sinnliche<br />

Fakten, sofern sie getrennt vom geistig-spekulativen Begreifen gefußt<br />

werden.


105<br />

In diesem Zusammenhang spricht Hegel eine Erkenntnis aus, zu <strong>der</strong><br />

auch die mo<strong>der</strong>ne Leben-Jesu-Forschung kommt und die ein entscheidendes<br />

Hin<strong>der</strong>nis zur Aufhellung <strong>der</strong> historischen Grundlagen des Christentums<br />

beinhaltet, dass nämlich in <strong>der</strong> urchristlichen Gemeinde ein historisch-chronistisches<br />

Interesse an <strong>der</strong> geschichtlichen Person Jesu als solcher<br />

nicht bestand, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Jesus <strong>der</strong> Geschichte vom Christus des<br />

Glaubens nicht getrennt wurde, Bericht und Bekenntnis, Erzählung und<br />

Zeugnis, Überlieferung und Deutung in den Evangelien eines sind. Hegel<br />

sagt; „Die Lehre, die Wun<strong>der</strong>.. sind in diesem Zeugnisse des Glaubens aufgefasst<br />

und verstanden. Die Geschichte Christi ist auch von solchen erzählt,<br />

über die <strong>der</strong> Geist schon ausgegossen war.“ 300 Diese These greift<br />

Strauß im Grunde auf und fuhrt sie weiter, wenn er in seinem „Leben Jesu“<br />

die Geschichtlichkeit <strong>der</strong> evangelischen Berichte in den Mythus auflöst.<br />

Hegel hält trotzdem daran fest, dass die Einheit <strong>der</strong> göttlichen und<br />

menschlichen Natur auch in dem geschichtlichen Individuum Jesus zum<br />

Bewusstsein gekommen ist, das dann in <strong>der</strong> Gemeinde weiter ausgebildet<br />

worden sei. 301 Und da Hegel seine Aussagen über den einzelnen Jesus <strong>der</strong><br />

Geschichte – nicht über die Einzelheit überhaupt – keineswegs historisch<br />

verifiziert, müssen sie den Charakter einer – immanent unmöglichen inkonsequenten<br />

– philosophischen Deduktion erhalten.<br />

Strauß unterscheidet sich in seinem „Leben Jesu“ grundlegend von Hegel<br />

letztlich nur darin, dass er die Beantwortung <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> geschichtlichen<br />

Person Jesu und seinem Selbstbewusstsein – und somit<br />

nach <strong>der</strong> Menschwerdung Gottes in einem einzelnen Individuum – konsequenterweise<br />

von einer historisch-kritischen Untersuchung abhängig machen<br />

will, womit er sich zugleich von den Rechtshegelianern – unter ihnen<br />

noch Bruno Bauer als Herausgeber <strong>der</strong> „Zeitschrift <strong>für</strong> spekulative Theologie“<br />

– distanziert, die „mit <strong>der</strong> Idee <strong>der</strong> göttlichen und menschlichen Natur<br />

die ganze evangelische Geschichte als historische gegeben“ 302 betrachten.<br />

Das durch Strauß’ Kritik hervorgerufene unüberwundene Dilemma <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Theologie besteht darin, dass einerseits <strong>der</strong> reine historische<br />

Kern <strong>der</strong> Evangelien wegen <strong>der</strong> Verflechtung von Geschichte und Kerygma<br />

– wie sie K. Barth und R. Bultmann hervor heben 303 – weitgehend unzugänglich<br />

bleibt, aber an<strong>der</strong>erseits <strong>der</strong> Glaube eigentlich „nicht mit sich


106<br />

selbst anfängt, son<strong>der</strong>n von einer vorgegebenen Geschichte lebt.“ 304 Wie<br />

ein Salto mortale aus diesem Dilemma muss die Antwort erscheinen, die<br />

schon Kierkegaard – und in seiner Nachfolge Bultmann – gibt mit seinem<br />

Verzicht auf eine historische Begründung des Glaubens „Kann man aus<br />

<strong>der</strong> Geschichte etwas über Christus zu wissen bekommen? Nein.“ 305 Auch<br />

Strauß begnügt sich, wie ausgeführt, mit einer philosophischen (nicht existentiellen<br />

son<strong>der</strong>n spekulativen) Interpretation <strong>der</strong> als Mythus aufgefassten<br />

Evangelien, und zwar ohne in ihrer Unzugänglichkeit als historische<br />

Urkunde einen entscheidenden Mangel zu sehen.<br />

Strauß geht über Hegel such darin nicht hinaus, dass er die Offenbarung<br />

und Menschwerdung Gottes nicht in Jesus <strong>für</strong> vollendet hält, son<strong>der</strong>n<br />

ihre allseitige Entwicklung in <strong>der</strong> Geschichte (<strong>der</strong> Religion, <strong>der</strong> Kunst,<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>) <strong>der</strong> menschlichen Gattung annimmt. Allerdings betont er<br />

von diesem pantheistischen, die Vorstellung eines persönlichen Gottes fallenlassenden<br />

Standpunkt her die Unmöglichkeit <strong>der</strong> vollständigen und erschöpfenden<br />

Verwirklichung des Vernünftigen in einem einmaligen Ereignis<br />

und einer bestimmten Person in beson<strong>der</strong>em Maße. Dass <strong>der</strong> Glaube,<br />

<strong>der</strong> eine bestimmte Person und ihr individuelles Schicksal zum allgemeinverbindlichen,<br />

exemplarischen heilsentscheidenden Rang erhebt, grundsätzlich<br />

dem philosophisch vernünftigen Begreifen wi<strong>der</strong>spricht, wird zur<br />

Überzeugung sowohl <strong>der</strong> Junghegelianer 306 als auch – mit umgekehrten<br />

Vorzeichen <strong>der</strong> Bewertung – Kierkegaards.<br />

In <strong>der</strong> Schlussabhandlung seines „Leben Jesu“ formuliert Strauß seine<br />

pantheistische Geschichtskonzeption folgen<strong>der</strong>maßen: „Wenn <strong>der</strong> Idee <strong>der</strong><br />

Einheit von göttlicher und menschlicher Natur Realität zugeschrieben<br />

wird, heißt dies soviel, dass sie einmal in einem Individuum, wie vorher<br />

und hernach nicht mehr, wirklich geworden sein müsse? Das ist ja nicht<br />

die Art, wie die Idee sich realisiert, in ein Exemplar ihre ganze Fülle auszuschütten,<br />

und gegen alle an<strong>der</strong>n zu geizen... Das ist <strong>der</strong> Schlüssel <strong>der</strong> ganzen<br />

Christologie, dass als Subjekt <strong>der</strong> Prädikate, welche die Kirche Christo<br />

beilegt, statt eines Individuums eine Idee, aber eine reale, nicht Kantisch<br />

unwirkliche, gesetzt wird... Die Menschheit ist die Vereinigung <strong>der</strong> beiden<br />

Naturen, <strong>der</strong> menschgewordene Gott... “ 307<br />

Damit ist die Geschichte <strong>für</strong> Strauß zugleich die Betätigung <strong>der</strong> Macht<br />

des Geistes über die Natur, und zwar „durch Bildung, Selbstüberwindung,


107<br />

über die Natur in ihm, wie durch Erfindungen, Maschinen, über die Natur<br />

außer ihm.“ 308<br />

Die Entfremdung, die <strong>der</strong> versöhnenden Verwirklichung <strong>der</strong> Vernunft<br />

im Laufe <strong>der</strong> geschichtlichen Entwicklung des gottmenschlichen Lebens<br />

<strong>der</strong> Gattung entgegensteht, liegt also <strong>für</strong> Strauß in <strong>der</strong> menschlichen Natürlichkeit<br />

und Endlichkeit. 309 Ihre Negation schließt – seit Strauß’ Wendung<br />

in <strong>der</strong> „Glaubenslehre“ – vor allem die Überrwindung <strong>der</strong> positiven<br />

autoritären Religion ein und führt zur Rechtfertigung aus eigener „Mitwirkung“<br />

310 .<br />

Ohne das Moment <strong>der</strong> – den substantiellen Inhalt <strong>der</strong> Menschwerdung<br />

Gottes verwirklichenden – subjektiven Tätigkeit ganz unberücksichtigt zu<br />

lassen, betont Strauß doch primär die Seite <strong>der</strong> „allgemeinen Mächte in<br />

<strong>der</strong> Geschichte“ 311 , d. h. das Substantielle des Volksgeistes, darunter den<br />

Mythus <strong>der</strong> urchristlichen Gemeinde, so dass Marx davon sprechen kann,<br />

Strauß führe „den Hegel auf spinozistischem Standpunkt“ innerhalb <strong>der</strong><br />

Theologie konsequent durch. 312 Dementsprechend tendiert Strauß dahin,<br />

die objektiven allgemeinen Verhältnisse (<strong>der</strong> geistigen geschichtlichen<br />

Mächte) als scheinbar autonom gegenüber <strong>der</strong> menschlichen Praxis zu<br />

verselbständigen und die Hegelsche Dialektik des Substantiellen und Subjektiven<br />

aufzulösen.<br />

Das festhalten an <strong>der</strong> Vernünftigkeit <strong>der</strong> Geschichte aber verhin<strong>der</strong>t<br />

zum Beispiel, dass Strauß etwa wehrlos wäre gegenüber einem apokalyptischen<br />

und rassisch orientierten Irrationalismus, wie ihn W. Menzel vertritt,<br />

<strong>der</strong> vom „Jungen Deutschland“ attackierte Gegner Goethes und Herausgeber<br />

des Literaturblatts zum Cottaschen „Morgenblatt“, <strong>der</strong> auf Grund<br />

<strong>der</strong> Malthusschen Bevölkerungstheorie einen Vertilgungskampf als Ende<br />

<strong>der</strong> Geschichte prophezeit. 313<br />

Ebensowenig verfällt Strauß in seiner letzten Schrift „Der alte und <strong>der</strong><br />

neue Glaube“ (1872) dem Sozialdarwinismus und <strong>der</strong> Auffassung des<br />

Menschen als Naturwesen, während Nietzsche dagegen in seiner Invektive<br />

gerade die von Strauß vollzogene Trennung von Ethik und Darwinismus<br />

bemängelt. 314 Die Ethik gründet Strauß in dieser Schrift, in <strong>der</strong> er an die<br />

Stelle <strong>der</strong> kritischen <strong>Philosophie</strong> naturwissenschaftlichen Positivismus und<br />

vulgären Materialismus setzt, auf die allgemeine Solidarität <strong>der</strong> Menschen,


108<br />

die er aus dem Gattungscharakter des Menschen herleitet, nunmehr unter<br />

weitgehen<strong>der</strong> Vernachlässigung <strong>der</strong> Prozesshaftigkeit <strong>der</strong> Geschichte.<br />

Nur im Zusammenhang mit <strong>der</strong> von Hegel übernommenen Konzeption<br />

<strong>der</strong> Geschichte als stufenweiser Realisierung <strong>der</strong> Wahrheit lässt sich die<br />

Funktion <strong>der</strong> Straußschen Kritik verstehen. Strauß will die wirksame subjektive<br />

kritische Tätigkeit mit dem dialektischen objektiven Geschichtsprozess<br />

verbunden wissen: „Die subjektive Kritik des einzelnen ist wie ein<br />

Brunnenrohr, das jede Knabe eine Weile zuhalten kamen: die Kritik, wie<br />

sie im Laufe <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te sich objektiv vollzieht, stürzt als ein brausen<strong>der</strong><br />

Strom heran, gegen den alle Schleusen und Dämme nichts vermögen.“<br />

315 „Die wahre Kritik des Dogma ist seine Geschichte.“ 316 Der Kritiker<br />

steht also selbst auf dem Boden des kritischen Prozesses. Die Kritik ist<br />

zugleich Prinzip <strong>der</strong> Wirklichkeit und <strong>der</strong> Methodologie. Deshalb auch<br />

kann Strauß seine Kritik deuten als Annäherung an die Hegelsche Dialektik<br />

in <strong>der</strong> „Phänomenologie des Geistes“, und zwar als ihre spezielle Anwendung<br />

auf die Theologie, als „theologische Phänomenologie“, insofern<br />

die Kritik nicht bei <strong>der</strong> sinnlichen Gewissheit – nämlich des Glaubens, d.<br />

h. <strong>der</strong> biblischen Berichte und des kirchlichen Dogma – stehenbleibt, son<strong>der</strong>n<br />

die geschichtlichem Vermittlungen in <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Theologie<br />

aufgreift und zusammenfasst. 317<br />

Die Kritik ist dabei <strong>der</strong> Bruch mit dem Bestehenden und seine Verän<strong>der</strong>ung<br />

durch Unterscheidung des Geistes von <strong>der</strong> Realität, des Subjekts von<br />

<strong>der</strong> Substanz, d. h. durch theoretische Antizipation <strong>der</strong> wahren Wirklichkeit.<br />

(Da <strong>für</strong> Strauß die Geschichtswirklichkeit wesentlich ein geistiger<br />

Prozess ist, kann die sich ihr anschließende – und infolgedessen nicht<br />

willkürliche – gedankliche Kritik wirkliche Verän<strong>der</strong>ungen hervorrufen,<br />

kann die Verän<strong>der</strong>ung des Bewusstseins zur Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Welt führen.)<br />

Das Subjekt zieht sich, wie Strauß sagt, „aus <strong>der</strong> Substanz seines<br />

bisherigen Glaubens heraus, und negiert diese als seine Wahrheit. Dies<br />

wird es aber nur tun, weil ihm, wenn auch zunächst nur an sich und in<br />

unentwickelter Form, eine an<strong>der</strong>e Wahrheit aufgegangen ist...“ 318<br />

Einen Grundzug <strong>der</strong> Hegelschen Dialektik bewahrt Strauß: die Destruktion<br />

<strong>der</strong> scheinbaren Selbständigkeit, Ursprünglichkeit und Fixiertheit des<br />

äußeren Objekts und unmittelbar Gegebenen (hier: <strong>der</strong> biblischen und


109<br />

kirchlichen Fakten) als einer Form <strong>der</strong> Entfremdung zugunsten des vermittelten<br />

Begreifens <strong>der</strong> Sache selbst. 319<br />

Wie Strauß weiter betont, darf <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> subjektiven kritischen<br />

Vermittlung und Aufhebung, des „Scheidens“ und „Auseinan<strong>der</strong>setzens“,<br />

des „Schmelzens“ und Gärens“, nicht schließlich – wie bei den Althegelianern<br />

Marheineke, Göschel und an<strong>der</strong>en sowie beim späten Schelling – zu<br />

<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung des unvermittelten Ausgangspunktes, des sinnlichen<br />

Faktums <strong>der</strong> Vorstellung, und zu seiner begrifflichen Bestätigung<br />

führen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> kritische Durchgang muss dieses wirklich verän<strong>der</strong>n<br />

und zu etwas Untergeordnetem herabsetzen. „Es ist nur <strong>der</strong> Schein <strong>der</strong><br />

Freiheit, welchen man uns vorspiegelt, wenn man uns über das Faktum<br />

hinaus zur Idee nur darum führt, um uns von <strong>der</strong> Idee wie<strong>der</strong> zum Faktum<br />

als solchem zurückzulenken.“ 320<br />

Damit scheint Strauß vollends auf dem Standpunkt <strong>der</strong> Hegelschen Dialektik<br />

zu stehen; denn ihr gemäß führen die Analyse des sinnlich Konkreten,<br />

des lebendigen Inhalts, in allgemeine tote Abstrakta einerseits und die<br />

darauf erfolgende Synthese <strong>der</strong> Abstrakta zum Konkreten an<strong>der</strong>erseits<br />

nicht zurück zum Ausgangspunkt des sinnlich Konkreten, son<strong>der</strong>n reproduzieren<br />

das sinnlich Konkrete zum geistig Konkreten auf <strong>der</strong> höheren Ebene<br />

des Denkens, so dass Resultat und Ausgangspunkt zwar das Konkrete<br />

ist, aber ein verschiedenes Konkretes.<br />

Aber spätestens seit seiner „Glaubenslehre“ verwendet Strauß in Mehrheit<br />

nicht mehr diese Hegelsche Dialektik. Der dort – unter dem Einfluss<br />

Feuerbachs 321 – vollzogene Bruch zwischen Glauben und Wissen, d. h. die<br />

Ablehnung <strong>der</strong> Hegelschen inhaltlichen Gleichsetzung von Religion und<br />

<strong>Philosophie</strong> (worin eine prinzipielle Modifikation <strong>der</strong> Form-Inhalt-Dialektik<br />

liegt: eine nicht vollkommen adäquate Form setzt auch den Inhalt zu einem<br />

unvollkommeneren herab 322 ), geht Hand in Hand mit einer – von<br />

Strauß selbst nicht explizierten – Umformung <strong>der</strong> Dialektik, die Kritik ist<br />

kein Aufstieg vom sinnlich Konkreten zum geistig Konkreten (als Herausheben<br />

des Wesens aus <strong>der</strong> Erscheinung) vermittels Analyse und Synthese,<br />

son<strong>der</strong>n sie bleibt bei <strong>der</strong> Analyse ohne Synthese stehen, indem ihr Resultat<br />

statt des Aufhebens das Aufgeben und Verwerfen des Ausgangspunkts<br />

(hier des Dogmas) ist.


110<br />

Die Straußsche Kritik ist somit rein negativ dialektisch, nicht reproduktiv<br />

dialektisch im Hegelschen Sinne (und such nicht scheinbar reproduktiv<br />

dialektisch im Sinne <strong>der</strong> Althegelianer). Die Straußsche Kritik bewahrt von<br />

<strong>der</strong> Hegelschen Dialektik nur die Form <strong>der</strong> Entgegensetzung von These<br />

und Antithese, den Kampf <strong>der</strong> Gegensätze. Ohne vermittelnden Übergang<br />

setzt die Kritik an die Stelle <strong>der</strong> als unhaltbar aufgelösten Dogmen die –<br />

ihnen nicht zugrunde liegenden und aus ihnen nicht ableitbaren – philosophischen<br />

Spekulationen. Keineswegs strebt die Kritik an, die Vorstellungen<br />

<strong>der</strong> Dogmengeschichte in Begriffe zu übersetzen o<strong>der</strong> „umzuwandeln“<br />

323 , da <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Religion nicht von ihrer Form trennbar ist.<br />

Glauben und Wissen Werden in zwei Extreme auseinan<strong>der</strong> gespreizt,<br />

wobei nicht nur ihre Versöhnung in <strong>der</strong> Hegelschen, son<strong>der</strong>n auch in <strong>der</strong><br />

Schleiermachischen Gestalt fallengelassen wird. 324 Implizit weist Strauß<br />

damit zugleich die These zurück, die spekulative <strong>Philosophie</strong> sei wesentlich<br />

säkularisierte Religion.<br />

Zum Beispiel behandelt Strauß in dem Kapitel über das Dogma von <strong>der</strong><br />

göttlichen Schöpfung <strong>der</strong> Welt zunächst die mosaische Schöpfungsgeschichte,<br />

dann die patristischen Anstrengungen, mit Hilfe von Allegorien<br />

<strong>der</strong>en Unstimmigkeiten zu beseitigen, weiter die theologischen Versuche,<br />

die Schwierigkeiten, die sich von seiten <strong>der</strong> neueren Astronomie und Geologie<br />

ergaben, zu „bemänteln“ und zu harmonisieren, und darauf die Auflösung<br />

<strong>der</strong> mosaischen Schöpfungsberichte in den Mythus (beginnend mit<br />

Her<strong>der</strong>s Schrift über die „Älteste Urkunde des Menschengeschlechts“). Anschließend<br />

untersucht Strauß die Auslegungsversuche und Umdeutungen<br />

einer apokryphen Stelle über die Schöpfung aus dem Nichts sowie die<br />

theologisch philosophischen Bestimmungen über die Beweggründe <strong>der</strong><br />

Weltschöpfung und die Frage <strong>der</strong> zeitlichen o<strong>der</strong> ewigen Schöpfung und<br />

kommt zu dem Ergebnis, dass die Schwierigkeiten und Wi<strong>der</strong>sprüche (das<br />

heißt hier: Ungereimtheiten) nicht innerhalb <strong>der</strong> kirchlichen Lehre selbst<br />

lösbar sind. Strauß erkennt, dass die spekulative Auffassung diese Wi<strong>der</strong>sprüche<br />

in <strong>der</strong> Weise beseitigt, dass sie den Schöpfungsbegriff überhaupt<br />

verwirft und die Schöpfungslehre in die philosophische Lehre von dem<br />

notwendigen Verhältnis des Absoluten und des Endlichen verschwinden<br />

lässt. „Hiermit ist aber freilich <strong>der</strong> Schöpfungs-Begriff... eigentlich aufgegeben.<br />

Dieser Begriff setzt einen vor und abgesehen von <strong>der</strong> Schöpfung


111<br />

fertigen Gott voraus, welcher, wie ein fertiger Mensch zur Ausarbeitung<br />

eines Buchs, eines Kunstwerks, so sich zur Hervorbringung <strong>der</strong> Welt entschloß.<br />

Nach <strong>der</strong> Lehre <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und spekulativen Theologie hingegen<br />

fällt das Setzen <strong>der</strong> Welt in den Prozess <strong>der</strong> Vollendung des absoluten<br />

Wesens... hinein...“ 325<br />

Trotz des antithetischen – Altes und Neues polarisierenden – Charakters<br />

seiner Kritik verzichtet Strauß in <strong>der</strong> Darstellung nicht auf die triadische<br />

(o<strong>der</strong> tetradische) Form, die aufgesetzt und konstruiert erscheinen<br />

muss. Für ihn nimmt in dem Beispiel <strong>der</strong> Schöpfungslehre Origenes mit<br />

seiner Häresie von <strong>der</strong> anfanglosen Schöpfung die Stellung <strong>der</strong> kritischen<br />

Negation des überlieferten Dogmas ein, die schließlich – nach einer Periode<br />

<strong>der</strong> fortschreitenden rationalistischen Umdeutung – vom spekulativen Rationalismus<br />

wie<strong>der</strong> aufgenommen und vollendet worden sei, und zwar in<br />

Gestalt <strong>der</strong> vollständigen Vernichtung des überlieferten Dogmas (durch<br />

Unterlegung eines völlig fremdartigen Sinnes). 326<br />

Dieser von Strauß gezeichnete Gang hätte allenfalls dann einen triadisch-dialektischen<br />

Charakter, wenn zwischen dem nicht-spekulativen<br />

und dem spekulativen Rationalismus <strong>der</strong> orthodoxe Supranaturalismus<br />

seine Stelle hätte und wenn es <strong>der</strong> anfänglichen häretischrationalistischen<br />

Opposition tatsächlich um eine reine Vernunftreligion<br />

gegangen Wäre, abgesehen davon, dass <strong>der</strong> Aufweis <strong>der</strong> Notwendigkeit in<br />

<strong>der</strong> Entwicklung fehlt. Entsprechend äußerlich ist das triadischdialektische<br />

Verfahren im „Leben Jesu“, in dem an die Stelle <strong>der</strong> natürlichen<br />

und <strong>der</strong> übernatürlichen die mythische Betrachtungsweise gesetzt<br />

wird, so dass A. Schweitzer sie nicht mit vollem Recht „die Synthese aus<br />

einer Thesis und aus einer Antithesis“ nennen kann. 327<br />

Indem sie die kritische Negation sich nicht immanent aus dem Positiven<br />

entwickeln, son<strong>der</strong>n von außen selbständig hinzutreten lässt, weist<br />

Strauß’ Kritik voraus auf Bakunins explizite Konzeption vom vermittlungslosen<br />

Gegensatz, worin das Positive und Negative unverträglich „wie Feuer<br />

und Wasser“ einan<strong>der</strong> gegenüber stehen und das Negative das Schaffen<br />

und Hervorbringen als Zerstören und Vernichten ist: „Ist das Zugrun<strong>der</strong>ichten<br />

des Positiven nicht die einzige Bedeutung des Negativen?“ 328<br />

Nur um den Preis <strong>der</strong> Verkürzung <strong>der</strong> Hegelschen Dialektik zur kritischen<br />

antithetischen Analytik gelingt es Strauß also, dem christlichen


112<br />

Theismus – <strong>der</strong> auf einem einmaligen (keine Idee exponierenden) Ereignis<br />

basiert – wie<strong>der</strong>um seinen angemessenen Ort jenseits <strong>der</strong> pantheistischen<br />

Spekulation zuzuweisen und den versöhnlichen Anschein zu zerstören, als<br />

ob Glauben und Wissen, Ausgangs- und Endpunkt <strong>der</strong> Kritik, sich zueinan<strong>der</strong><br />

verhielten wie das Ganze in <strong>der</strong> Vorstellung und das gleiche Ganze<br />

im Begriff. (Unter diesem Gesichtspunkt gerät Strauß mit den Neupietisten<br />

Tholuck und Nean<strong>der</strong> und sogar den Orthodoxen wie Hengstenberg, dem<br />

Herausgeber <strong>der</strong> „Evangelischen Kirchenzeitung“, auf dieselbe Ebene,<br />

wenn auch mit umgekehrter Frontstellung.).<br />

Das negativ kritische unversöhnliche Ausspielen <strong>der</strong> Spekulation gegen<br />

die Religion ließe die Konsequenz erwarten, dass Strauß die religiöse Entfremdung<br />

lediglich als Beraubung und Deformation des menschlichen Wesens<br />

auffassen würde. Aber Strauß scheut vor dieser Schlussfolgerung<br />

Feuerbachs zurück. An die Stelle einer vollständigen aufklärerischen Negation<br />

<strong>der</strong> religiösen Vorstellungen tritt doch ihre Anerkennung als Ausdruck<br />

des vernünftigen Triebes nach Selbsterkenntnis: „Religion und <strong>Philosophie</strong><br />

tun demselben höchsten Bedürfnis des Geistes genug; mit sich selbst ins<br />

Reine zu kommen, des Einklangs seiner endlichen Erscheinung mit seinem<br />

absoluten Wesen inne zu werden...“ 329<br />

Hiermit distanziert sich Strauß zugleich von <strong>der</strong> Reduktion <strong>der</strong> Religion<br />

auf das rein „Praktische“, d. h. auf das subjektiv-eigennützige Bedürfnis<br />

des Gemüts und <strong>der</strong> Phantasie im Sinne Feuerbachs – <strong>für</strong> den das Verhältnis<br />

von Theorie und Praxis das Verhältnis von Kopf und Herz, „ratio“<br />

und „emotio“, ist – und hebt die davon untrennbaren intellektuellen Momente<br />

hervor. 330


113<br />

V. Ruges radikaldemokratische Konzeption <strong>der</strong> Übersetzung <strong>der</strong> philosophischen<br />

Theorie in die politische Praxis vermittels <strong>der</strong> Kritik<br />

Dialektik diskreditiert alle Fakta. Während <strong>für</strong> D. F. Strauß das mit <strong>der</strong><br />

Vernunft nicht übereinstimmende Faktum die biblische Geschichte und<br />

das kirchliche Dogma ist, wird dieses <strong>für</strong> Arnold Ruge primär <strong>der</strong> bestehende<br />

politisch-staatliche Zustand Preußens. Darin vor allem geht Ruge<br />

über Strauß hinaus, dass sich seine Kritik auf die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> politisch-staatlichen<br />

Wirklichkeit richtet.<br />

Zugleich kritisiert Ruge im Unterschied zu Strauß explizit den einseitig<br />

kontemplativen Charakter <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> als <strong>der</strong>en entscheidende<br />

Schranke, d. h. er erhebt das zukunftsgerichtete Verän<strong>der</strong>n und<br />

Umgestalten des Bestehenden an Stelle des Begreifens und Nach-denkens<br />

ausdrücklich zum Programm mit dem Ziel, den Dualismus zu beseitigen<br />

und die wahre Einheit von Theorie und Praxis, Idee und Wirklichkeit, Begriff<br />

und Existenz, im Prozess <strong>der</strong> Selbstverwirklichung des Menschen herzustellen.<br />

Dabei gibt Ruge im Gegensatz zu Cieszkowski schließlich den<br />

Vorrang des Systems auf und legt den Akzent ganz auf die – zur Kritik<br />

umgeformten – dialektischen Methode.<br />

Strauß hat dieses Ziel <strong>der</strong> Einheit von Theorie und Praxis deshalb<br />

nicht, weil sich seine Kritik auf die Vorstellung und nicht wie die Kritik<br />

Ruges auf den Willen (und über diesen auf die politische Wirklichkeit) richtet.<br />

Im übrigen schließt sich Ruge Strauß’ Religionskritik weitgehend an,<br />

bevor er auf den Standpunkt Feuerbachs übergeht. 331 Infolgedessen kann<br />

Ruge sagen: „Im Religiösen hatte Strauß mit seinem Leben Jesu dieselbe<br />

Befreiung begonnen, wie ich im Politischen mit <strong>der</strong> Kritik von Hegels<br />

Rechtsphilosophie.“ 331a<br />

Ebenso wie Strauß bindet Ruge die subjektive Kritik an die objektive<br />

Kritik <strong>der</strong> als Geistesprozess verstandenen Geschichte; er verankert jene<br />

Kritik in <strong>der</strong> Krisis. 33lb Wie Strauß fasst Ruge die Kritik als Auflösung<br />

und Scheidung ohne Synthese 33lc sowie als vorantreibende Kraft<br />

<strong>der</strong> Geschichte, als „Puls <strong>der</strong> Entwicklung“ und „Sekretionsprozess, <strong>der</strong><br />

zugleich Zeugungsprozess ist“ 332 ; und wie Strauß vollzieht Ruge die Kritik<br />

am Maßstab des spekulativen Begriffs.


114<br />

Ihrer Struktur nach ist die Kritik, wie Ruge sie schließlich bis zum Jahre<br />

1842 herausbildet, „Beziehung des Begriffs auf die Existenz“, d. h. „Beziehung<br />

<strong>der</strong> Theorie auf die geschichtlichen Existenzen des Geistes“. 333 Die<br />

Kritik nimmt ihren Ausgangspunkt bei <strong>der</strong> vernünftigen Theorie als „reiner<br />

Einsicht“ und Metaphysik des logischen Begriffs o<strong>der</strong> <strong>der</strong> abstrakten Kategorie,<br />

und sie wendet sich – nach einem Vergleich des allgemeinen Wesens<br />

mit <strong>der</strong> einzelnen geschichtlichen Existenz, <strong>der</strong> Vernunft mit <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />

– an den Willen des Menschen, den sie zu dem Entschluss mobilisiert,<br />

die einzelne geschichtlichen Existenz <strong>der</strong> vernünftigen Theorie zu „unterwerfen“<br />

und somit die Einheit des Denkens und Wollens herzustellen.<br />

„Erst das Wollen (versteht sich auf dieser Basis vernünftiger Einsicht) ist<br />

das reelle Denken.“ 334<br />

Die gleiche Struktur hat in <strong>der</strong> Konzeption Bruno Bauers die Kritik, die<br />

er in einem Brief an Marx als „Terrorismus <strong>der</strong> wahren Theorie“ kennzeichnet.<br />

335 Die Kritik erneuert den von Hegel in <strong>der</strong> absoluten Theorie<br />

aufgehobenen Gegensatz von Sein und Sollen, Substanz und Subjekts<br />

„Das, was ist und was sein soll, wird unterschieden. Das Sollen aber ist<br />

allein das Wahre, Berechtigte und muss also zur Geltung, Herrschaft und<br />

Gewalt gebracht werden...“ 336<br />

Für Ruge (wie <strong>für</strong> Bauer) bleibt demnach die Kritik als Vermittlung zwischen<br />

<strong>der</strong> Theorie und dem Willen noch eine Sache des Bewusstseins.<br />

Zwar ist die Kritik – die praktizierte Theorie – kein Selbstzweck <strong>für</strong> Ruge<br />

(<strong>der</strong> in Halle und Dresden als Stadtverordneter tätig ist 336 a ), son<strong>der</strong>n sie<br />

zielt letztlich auf wirkliche sinnliche Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> bestimmten politisch-staatlichen<br />

Verhältnisse (deswegen bricht Ruge schließlich mit Bauer<br />

und den in scheinbarer geistiger Selbstgenügsamkeit verharrenden Berliner<br />

„Freien“ 337 ), aber ihre eigene „praktische Wendung“ besteht darin, dass<br />

sie einen Entschluss hervorbringt, was noch ein innerer, geistiger Vorgang<br />

ist.<br />

Darin liegt implizit die Annahme, dass die Durchsetzung vernünftiger<br />

Verhältnisse verhin<strong>der</strong>t wird durch ein falsches Bewusstsein, d. h. durch<br />

das Unaufgeklärtbleiben über Vernunft und Unvernunft (o<strong>der</strong> durch die<br />

Böswilligkeit <strong>der</strong> Herrschenden), nicht aber etwa durch Interessen und<br />

Machtkonstellationen o<strong>der</strong> Leidenschaften und Bedürfnisse, eine Annah-


115<br />

me, die <strong>der</strong> sokratischen Gleichsetzung von Wissen und Tugend entspricht.<br />

337a<br />

Ruge erwartet, dass die sich an <strong>der</strong> wahren Theorie orientierende bewusstseinsmäßige<br />

Kritik unwi<strong>der</strong>stehlich den Übergang zur wirklichen Negation<br />

<strong>der</strong> unvernünftigen (irrationalen) Existenzen macht. „Die Umwälzungen<br />

des Geistes ziehen die Umwälzungen des Lebens nach sich.“ 338<br />

(Die bewusstseinsmäßige subjektive Kritik hat nach Ruges Ansicht ihre<br />

wirkliche objektive Entsprechung in <strong>der</strong> Revolution von 1848 338a .) Darin<br />

bekundet sich ein ungebrochenes aufklärerisches Vertrauen in die Herrschaft<br />

<strong>der</strong> Vernunft 339 , so als ob Beaumarchais’ Figaro tatsächlich, wie<br />

Napoleon meinte, die französische Revolution „schon in Aktion“ gewesen<br />

wäre.<br />

Dem entspricht Ruges Überschätzung <strong>der</strong> Funktion <strong>der</strong> Hallischen und<br />

Deutschen Jahrbücher, dem literarischen Hauptorgan <strong>der</strong> Junghegelianer<br />

von 1838 bis 1843, als Motor <strong>der</strong> Geschichte, als „bewusste Praxis <strong>der</strong> historischen<br />

Dialektik“. 340<br />

Wie Feuerbach feststellt, dass <strong>für</strong> Hegel das Sein wesentlich Gedanke<br />

des Seins ist („Das Denken setzt sich das Sein entgegen, aber innerhalb<br />

seiner selbst...“ 341 ), so lässt sich von <strong>der</strong> aus dem Geist <strong>der</strong> Hegelschen Dialektik<br />

geborenen Kritik Ruges sagen, dass sie wesentlich geistige Kritik<br />

ist. In idealistischer Weise setzt auch Marx in seiner Dissertation (1841)<br />

die kritische <strong>Philosophie</strong> und die Welt einan<strong>der</strong> gegenüber, indem er sagt:<br />

„... die Praxis <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> ist selbst theoretisch. Es ist die Kritik, die die<br />

einzelne Existenz am Wesen, die beson<strong>der</strong>e Wirklichkeit an <strong>der</strong> Idee<br />

misst.“ 342<br />

Wie <strong>für</strong> Hegel <strong>der</strong> Wille „praktischer Geist“ ist, so ist also <strong>für</strong> Ruge <strong>der</strong><br />

von <strong>der</strong> Kritik mobilisierte Wille das nicht ursprüngliche, unselbständige<br />

an<strong>der</strong>e des Geistes; Wille und Denken werden gefasst als das Außen und<br />

Innen des Geistes. Der Wille wird determiniert gedacht von einem theoretisch<br />

fixierten Zweck, nicht etwa von Antrieben und Motiven, die in nichtintellektuellen<br />

Bedürfnissen und Interessen wurzeln und nur nachträglich<br />

bewusst geworden sind.<br />

Die Willensentscheidung bildet keinen unvermittelten Anfang wie bei<br />

Kierkegaard das absolute Entschlossensein – als wesentliche „qualitative


116<br />

Dialektik“ <strong>der</strong> auf sich selbst stehenden Existenz beson<strong>der</strong>s in Gestalt <strong>der</strong><br />

Entscheidung zum „Sprung“ gegen die beiläufige „quantitative Dialektik“<br />

<strong>der</strong> Geschichte gesetzt –, son<strong>der</strong>n sie ist durch die auf die Theorie bezogene<br />

Kritik vermittelt; aber die Theorie selbst wird als vollendet angesehen.<br />

Die Kritik zielt auf die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Existenz, nicht des Begriffs. In rein<br />

theoretischer Hinsicht – hinsichtlich des Prinzips <strong>der</strong> Entwicklung – gilt<br />

Hegels <strong>Philosophie</strong> als unüberholbar, als „die letzte aller <strong>Philosophie</strong>en überhaupt“,<br />

die nur dialektisch umzuschlagen, d. h. aus ihrer theoretischen<br />

Einseitigkeit – <strong>der</strong> Verborgenheit ihres an sich vorhandenen praktischen<br />

Bezuges – herauszutreten habe und von dem „Bewusstsein über sich bewegt<br />

und befruchtet, Tat werden muss“. „Die Dialektik, die sie am Begriffe<br />

aufweist, hat demnach diese <strong>Philosophie</strong> an sich selbst zu vollziehen, und<br />

dieser Prozess, diese Bewegung zur eigenen Gegenständlichkeit und Aktualität<br />

ist ihre Geschichte...“ 343<br />

Der Prozess <strong>der</strong> Kritik – das Geltendmachend <strong>der</strong> Vernunft, die Herstellung<br />

<strong>der</strong> Einheit von Begriff und Existenz – ist also <strong>für</strong> Ruge wie <strong>für</strong> Cieszkowski<br />

nur die Anwendug <strong>der</strong> fertigen Theorie und ihre einseitige Übersetzung<br />

in die Existenz. Die dialektische Wechselwirkung, das gegenseitige<br />

Sichdurchdringen <strong>der</strong> Theorie einerseits und <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> (subjektiven<br />

und objektiven) Kritik an<strong>der</strong>erseits wird von Ruge aufgelöst.<br />

In dieser Hinsicht setzt Ruges Kritik also die Herauslösung <strong>der</strong> Theorie<br />

aus <strong>der</strong> praktischen Bedingtheit fort, die Hegel in Erneuerung <strong>der</strong> aristotelischen<br />

Kontemplation auf <strong>der</strong> Spitze seines Systems vollzieht. Die Theorie<br />

hat nicht ihre Grundlage in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Kritik o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Durchführung<br />

in <strong>der</strong> Handlung; sie ist autonom und souverän. („Das Prinzip, um das<br />

sich jetzt alles dreht, ist die Autonomie des Geistes, und zwar im Wissenschaftlichen<br />

die Fortbildung des Rationalismus und im Staatlichen des<br />

Liberalismus...“ 344 ) Ruge anerkennt nicht etwa einen <strong>der</strong> Kritik vorgängigen<br />

Verän<strong>der</strong>ungswillen, ein ursprüngliches Engagement.<br />

Auch Kriterium können die geschichtlich-politischen Entwicklungen allenfalls<br />

<strong>für</strong> die kritische Anwendung <strong>der</strong> Theorie, nicht <strong>für</strong> die Theorie<br />

selbst sein; die Theorie ist im voraus gesichert, ohne von ihnen bestätigt<br />

o<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>legt werden zu können (was sich auch auf Grund <strong>der</strong> angenommenen<br />

prinzipiellen Isomorphie von Theorie und Geschichte erübrigt). 345


117<br />

Die Hegelsche Rangordnung innerhalb <strong>der</strong> Struktur, an die die Tätigkeit<br />

<strong>der</strong> Kritik anknüpft – die Zuordnung von Begriff und Existenz, Vernunft<br />

und Wirklichkeit, Logischem und Historischem, Absolutem und Relativem<br />

– gibt Ruge vollends erst auf unter dem Einfluss Feuerbachs und dessen<br />

(im „Wesen des Christentums“ schon auf Religion und Theologie angewandter)<br />

Methode <strong>der</strong> grundsätzlichen Umkehrung dieses Verhältnisses<br />

von Begriff und Existenz, Denken und Sein, Subjekt und Prädikat in <strong>der</strong><br />

Schrift „Vorläufige Thesen zur Reform <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“ (1842). Infolgedessen<br />

fasst Ruge die logischen o<strong>der</strong> metaphysischen Kategorien als Abstraktionen<br />

auf; die Logik „ist wirklich nichts an<strong>der</strong>es als Geist und Natur noch<br />

einmal, aber in <strong>der</strong> unbestimmtesten und allgemeinsten Fassung, wie <strong>der</strong><br />

Himmel <strong>der</strong> Theologie nur die wie<strong>der</strong>holte Welt ist.“ 346<br />

Erst in diesem Stadium seiner Entwicklung verzeitlicht Ruge den Geist<br />

radikal und erhebt er – was Löwith zu einer Hauptthese seiner Interpretation<br />

Ruges und aller Junghegelianer macht 347 – die Geschichte zum Maßstab<br />

des Geistes. Löwith übergeht die Wendung in <strong>der</strong> Entwicklung Ruges.<br />

Erst nach <strong>der</strong> von Feuerbach hervorgerufenen Wendung orientiert Ruge<br />

die Kritik ausschließlich am Zeitgeist, verwirft er die Selbständigkeit <strong>der</strong><br />

überzeitlichen Logik überhaupt („die Logik selbst wird ins die Geschichte<br />

hineingezogen“) und bemängelt er auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Unterscheidung zwischen<br />

Theorie und Kritik Hegels Logifizierung und Verabsolutierung bestimmter<br />

historischer Existenzen, zum Beispiel Hegels logische Reduktion<br />

<strong>der</strong> bestehenden Staatsverfassung, <strong>der</strong> erblichen Monarchie, <strong>der</strong> Majorate,<br />

des Zweikammersystems (so wie sich Strauß gegen die Zurückführung <strong>der</strong><br />

biblischen Geschichte und <strong>der</strong> kirchlichen Dogmengeschichte auf die spekulativen<br />

Begriffe wendet). 348<br />

Die Zurückführung des absoluten Geistes auf den menschlichen Geist<br />

nimmt Ruge (wie Strauß und Bauer) die Möglichkeit, die Praxis und die<br />

endliche Theorie mit Hegel als Moment im Prozess <strong>der</strong> Realisierung <strong>der</strong><br />

absoluten Subjekt-Objekt-Einheit zu fassen und die „List <strong>der</strong> Vernunft“ als<br />

Grund <strong>der</strong> teleologischen Notwendigkeit dieses Geschichtsprozesses anzunehmen.<br />

Als Konsequenz ergibt sich eine Aporie, über die sich Ruge nicht<br />

im Klaren ist: da <strong>für</strong> Ruge <strong>der</strong> Träger des Geschichtsprozesses ausschließlich<br />

<strong>der</strong> menschliche Geist ist, diesem aber zugestandenermaßen das Ziel<br />

<strong>der</strong> menschlichen Geschichte (die realisierte geistige Einheit und Freiheit)


118<br />

nicht stets bewusst gegenwärtig war (nämlich bis zu Hegels Erhebung <strong>der</strong><br />

dialektischen Methode zum bewussten Prinzip), dürfte Ruge in Wahrheit<br />

gar kein notwendiges von vornherein auf ein Ziel Ausgerichtetsein des Geschichtsablaufs<br />

supponieren; unvereinbar ist es, den Fortschritt <strong>der</strong> Geschichte<br />

einerseits völlig im menschlichen Geist gründen zu lassen und<br />

dennoch an<strong>der</strong>erseits eine Vorsehung anzunehmen und die Einheit <strong>der</strong><br />

theoretischen und praktischen Tätigkeit in <strong>der</strong> selbstbewussten und<br />

selbstgewollten Durchführung geschichtlicher Intentionen zu sehen. 349<br />

Die Verwandlung des Weltgeistes in den Menschengeist wirft ein weiteres<br />

Problem auf, das Ruge nicht löst und worüber er kaum ein Bewusstsein<br />

hat: das Problem <strong>der</strong> Einheit von menschlichem Geist und Natur (die<br />

nicht mehr als Erscheinungsform des Weltgeistes begriffen werden kann<br />

und selbständig bleibt, insofern sie kein Produkt des menschlichen Geistes<br />

ist); denn die Wechselwirkung von Mensch und Natur, die Hegel in <strong>der</strong> mit<br />

<strong>der</strong> geschichtlichen Praxis verknüpften Teleologie <strong>der</strong> Arbeit aufdeckt, tritt<br />

<strong>für</strong> Ruge in den Hintergrund.<br />

Indem Ruge das Vernünftigfinden <strong>der</strong> Wirklichkeit und ihre Loslösung<br />

aus <strong>der</strong> geschichtlichen Entwicklung nicht nur in Hegels Rechtsphilosophie<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> politisch-staatlichen Verhältnisse feststellt, son<strong>der</strong>n<br />

als charakteristisch <strong>für</strong> Hegels <strong>Philosophie</strong> überhaupt ansieht, negiert er<br />

mit seiner Kritik auch Hegels spekulatives System im ganzen als einseitig<br />

theoretisch und abstrakt. 350<br />

Auch <strong>der</strong> Religion, Kunst und Wissenschaft habe Hegel die praktischgeschichtliche<br />

Seite genommen, indem er sie über den Bereich des Staats<br />

und <strong>der</strong> Geschichte hinaus in die Sphäre des absoluten Geistes rückte<br />

und ihre Freiheit nicht als Prozess und Aktion <strong>der</strong> Befreiung aus jeweils<br />

bestimmten Existenzen auffasste. „Die Wissenschaft ist ihm nicht zugleich<br />

Kritik, die Kunst nicht zugleich Verarbeitung und Abklärung <strong>der</strong> Gegenwart,<br />

die Religion wesentlich Vorstellung und Lehre, nicht praktisches Pathos.“<br />

351<br />

Die Absolutheit des Hegelschen Systems, das die Zukunft im wesentlichen<br />

ignoriert, die auf die Spitze getriebene „faule Beschaulichkeit des Hegelianismus“,<br />

muss nach Ruge umschlagen in die tatkräftige Verwirklichung<br />

des Geistes in <strong>der</strong> Geschichte, in die geschichtliche Freiheit als das


119<br />

bestimmte „inhaltsvolle Sollen“ 352 , als „For<strong>der</strong>ung des zukünftigen vernünftigen<br />

Werdens“ 353 und Freiheit „im öffentlichen Gemeinwesen“. 354<br />

Der Grund <strong>für</strong> die theoretische Einseitigkeit des Hegelschen Systems ist<br />

<strong>für</strong> Ruge die Inkonsequenz gegenüber dem Prinzip <strong>der</strong> dialektischen Entwicklung<br />

als dem Prozess <strong>der</strong> Freiheit, das Nichtdurchführen dieses Prinzips,<br />

d. h. Hegels „Akkommodation und Zurechtmacherei“ 355 , wobei Ruge<br />

voraussetzt, dass diese dialektische Entwicklung und mit ihr die „revolutionäre<br />

Kritik“ <strong>der</strong> „innerste Kern“ <strong>der</strong> Hegelschen Lehre ist. 356 Die „diplomatische“<br />

Versöhnung Hegels mit <strong>der</strong> christlichen Dogmatik und dem preußischen<br />

Staat wie<strong>der</strong>um ist nach Ruges Urteil deshalb möglich gewesen, weil<br />

Hegel nicht einen ähnlichen Konflikt mit den bestehenden Verhältnissen,<br />

wie er Kant wi<strong>der</strong>fuhr durch das ministerielle Wöllnersche Reskript (demzufolge<br />

Kant den Zwiespalt zwischen privatem Denken und öffentlichem<br />

Aussprechen akzeptierte und sich auf den moralischem Standpunkt <strong>der</strong><br />

inneren Selbstbilligung zurückzog), auszutragen hatte und keine Anfeindung<br />

von seiten des Staates erlebte, so dass die Differenz seiner <strong>Philosophie</strong><br />

mit dem preußischen Staat verdeckt blieb. 357 Mit dieser <strong>für</strong> die Junghegelianer<br />

typischen Annahme <strong>der</strong> Akkommodation Hegels verkennt Ruge<br />

die Implikationen des absoluten Idealismus, die – wie oben dargestellt –<br />

prinzipiell einen Abschluss <strong>der</strong> Geschichte erfor<strong>der</strong>lich machen, insofern<br />

die Vollendung im Wissen des absoluten Geistes die Vollendung <strong>der</strong> geschichtlichen<br />

Praxis des objektiven Geistes voraussetzt.<br />

Nicht von Anfang an hat Ruge in den „Hallischen Jahrbüchern“ die Einseitigkeit<br />

<strong>der</strong> reinen Theorie überwinden wollen. Noch 1839 bedauert er<br />

zum Beispiel, dass die Schweiz, wo Strauß <strong>der</strong> Lehrstahl genommen wurde,<br />

vom „politischen Interesse verzehrt“ wird und man „überall dem Gewerbe,<br />

<strong>der</strong> Praxis, dem Leben das Primat“ gibt. 358 Er verteidigt in einer Rezension<br />

das spekulative System gegen die Hegelgegner Weiße, I. H. Fichte,<br />

Stahl, Braniß, K. Ph. Fischer, Krug und Bachmann, wobei er zwar schon<br />

die Methode <strong>der</strong> dialektischen Entwicklung hervorhebt, aber ihre Weiterführung<br />

– in Gestalt <strong>der</strong> „Entwicklung des einzelnen“ als „immer tiefere<br />

Fassung <strong>der</strong> Wahrheit“ – noch <strong>für</strong> vereinbar hält mit Hegels <strong>Philosophie</strong> im<br />

ganzen. 359 Ruge erstrebt in dieser Phase seiner Entwicklung. noch nicht<br />

die praktische Verwirklichung <strong>der</strong> Theorie. Das bestimmte Sollen bleibt<br />

vorerst diskreditiert. Die Aufgabe ist <strong>für</strong> ihn noch, das Bestehende zu er-


120<br />

kennen, „den Geist, also auch Religion und Staat zu erkennen, wie er ist<br />

und geworden ist, nicht wie er sein wird o<strong>der</strong> sein soll.“ 360 Hiermit übereinstimmend<br />

hatte er auch schon im Jahre 1836 in seiner Schrift „Neue<br />

Vorschule <strong>der</strong> Ästhetik“ – von Hinrichs in den „Hallischen Jahrbüchern“<br />

1838 rezensiert – das Komische ähnlich wie Vischer bestimmt als Selbstentgegensetzung<br />

des unendlichen Geistes als „lächerliches und lachendes<br />

Subjekt“, d, h. als Befreiung des unendlichen Geistes aus <strong>der</strong> Verstrickung<br />

ins Endliche und Unwahre.<br />

Ruges kontemplativer Einstellung entspricht in diesem Stadium seine<br />

Verherrlichung des preußischen Staates als Verkörperung des reformatorischen<br />

Prinzips <strong>der</strong> freiwilligen Entwicklung <strong>der</strong> Vernunft und als Erben<br />

<strong>der</strong> französischen Revolution. Von hier führt Ruges Weg in <strong>der</strong> politischen<br />

Kritik, inhaltlich gesehen, zum Liberalismus und Konstitutionalismus,<br />

wobei sich seine Einstellung zum Verhältnis von Theorie und Praxis wandelt,<br />

dann zum radikalen Demokratismus und – nach dem Scheitern <strong>der</strong><br />

achtundvierziger Revolution und <strong>der</strong> Gründung des „Europäischen demokratischen<br />

Komitees“ mit Mazzini und Ledru-Rollin in London – schließlich<br />

zum Nationalliberalismus und <strong>der</strong> Entgegennahme eines Ehrensoldes vom<br />

Bismarckschen Staat.<br />

Zunächst polemisiert Ruge (nach kleineren meist ästhetischliterarischen<br />

Artikeln wie die über die Düsseldorfer Malerakademie und<br />

über Heinrich Heine) anläßlich des Kölner Kirchenstreites in den „Hallischen<br />

Jahrbüchern“ sowohl gegen Joseph Görres und seine Schrift „Athanasius“<br />

als auch gegen dessen orthodox-protestantischen Gegner Heinrich<br />

Leo (<strong>der</strong> den Namen „Junghegelianer“ prägt) und dessen „Sendschreiben<br />

an Görres“, und zwar im Namen des<br />

Rationalismus und <strong>der</strong> Aufklärung – <strong>der</strong> neuen Aufklärung, die im Gegensatz<br />

zur alten geschichtlich verfahre – sowie in Anknüpfung an Hegels<br />

Auffassung <strong>der</strong> Reformation in dessen Vorlesungen über die Geschichte<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>. „Die feindlichen Gedanken <strong>der</strong> Reaktion lehnen sich auf<br />

1) gegen die Berechtigung des Verstandes und schreien darum gegen Aufklärung<br />

und Rationalismus; 2) sie lehnen sich auf gegen die deutsche Reformation,<br />

sowohl in ihrem Prinzipe als in ihrer Ausbildung, dem gegenwärtigen<br />

religiös-politischen Leben in Preußen... 3) sie lehnen sich auf ge-


121<br />

gen die Berechtigung <strong>der</strong> neuesten Geschichte, d. h. gegen die französische<br />

Revolution und die daraus entsprungenen Staatsbildungen...“ 361<br />

Als Leo die – <strong>für</strong> Strauß eintretenden – „Hallischen Jahrbücher“ des Atheismus<br />

(in Gestalt des Pantheismus) und <strong>der</strong> Neigung zur Revolution<br />

verdächtigt und die Regierung auffor<strong>der</strong>t, gegen das „Unkräuticht <strong>der</strong><br />

junghegelschen Rotte“ vorzugehen (und so das Problem <strong>der</strong> Aktualisierung<br />

<strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> zur Polizeifrage macht) 362 , antwortet Ruge voller<br />

Illusion, Leo greife damit den preußischen Staat selbst an, <strong>der</strong> auf dem<br />

Boden <strong>der</strong> Reformation und Aufklärung stehe, eine freiheitliche Entwicklung<br />

– im Geiste Steins und Humboldts – garantiere und eine Revolution<br />

überflüssig und unmöglich mache. 363 Diese Gleichsetzung des preußischen<br />

Staates mit dem Vernunftstaat kommt am entschiedensten zum<br />

Ausdruck in <strong>der</strong> Marx gewidmeten Schrift von Karl Friedrich Köppen<br />

„Friedrich <strong>der</strong> Große und seine Wi<strong>der</strong>sacher“ (1840). Von hier führt eine<br />

Linie zur späteren These von <strong>der</strong> Mission des „preußischen Sozialismus“,<br />

wie sie schließlich Spengler vertritt und wie sie vorgebildet wurde durch<br />

Goethes Beurteilung Lessings im siebenten Buch von „Dichtung und<br />

Wahrheit“ und auch durch Lassalles Einschätzung Lessings und Friedrichs<br />

II. Auch noch 1839 in dem Manifest „Der Protestantismus und die<br />

Romantik. Zur Verständigung über die Zeit und ihre Gegensätze“ – das wie<br />

schon <strong>der</strong> Artikel über Heine 364 gegen den romantischen Rückzug in die<br />

substanzlose Innerlichkeit, in die rein gedankliche Freiheit, den ironischen<br />

Selbstgenuß, die Willkür <strong>der</strong> Phantasie und die aristokratische Exklusivität<br />

und somit gegen den romantischen Dualismus von Subjekt und Objekt,<br />

Denken und Sein, Theorie und Praxis gerichtet ist – ist Ruge nach<br />

eigenem Urteil „Hegelscher Preuße“ und „Hegelscher Christ“. 365 Aber in<br />

dem anonymen Artikel „Karl Streckfuß und das Preußentum“ (November<br />

1839) kritisiert Ruge erstmals desillusioniert – wie dann in <strong>der</strong> Fortsetzung<br />

des Manifests – die preußische Regierung als reaktionär und „katholisch“,<br />

als abgefallen vom Prinzip <strong>der</strong> protestantischen Freiheit und des Vernunftstaates.<br />

366 Damit vollzieht Ruge den Übergang von <strong>der</strong> philosophischreligiösen<br />

Problematik zur politischen Kritik 367 Nunmehr sieht er die Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Kritik in <strong>der</strong> Beseitigung <strong>der</strong> Diskrepanz zwischen philosophischer<br />

Rationalität und politischer Wirklichkeit vermittels <strong>der</strong> Erzeugung<br />

des Entschlusses (<strong>der</strong> Resolution) zur liberalistischen Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

bestehenden unvernünftigen Zustände, <strong>der</strong> Inkonvenienz <strong>der</strong> Existenzen;


122<br />

das konkrete Ziel ist die Teilhabe am Staat „theoretisch mit vollem öffentlichen<br />

Selbstbewusstsein und praktisch mit freiester Vertretung.“ 368<br />

Bezeichnend bleibt, dass Ruge die liberalen For<strong>der</strong>ungen betrachtet als<br />

Ergebnis eines geistigen Prozesses, nicht etwa realer bürgerlicher Interessen.<br />

368a Nach dieser Wendung Ruges zur politischen Kritik arbeiten an<br />

den „Halleschen Jahrbüchern“ auch die Mitglie<strong>der</strong> des Berliner Doktorklubs,<br />

vor allem Karl Friedrich Köppen, Eduard Meyen und Bruno Bauer,<br />

in wachsendem Maße mit. 369<br />

Das Gegensatzpaar Protestantismus-Katholizismus ersetzt Ruge durch<br />

das des Konstitutionalismus-Absolutismus in den folgenden Artikeln über<br />

Wolfgang Menzels „Europa im Jahre 1840“ und „Friedrich von Florencourt<br />

und die Kategorien <strong>der</strong> politischen Praxis“, wobei er das Schicksal des Liberalismus<br />

in Europa an die Entscheidung Preußens entwe<strong>der</strong> <strong>für</strong> England<br />

und Frankreich o<strong>der</strong> <strong>für</strong> Rußland und Österreich knüpft. 370<br />

Wenn Ruge und an<strong>der</strong>en Junghegelianern vorgehalten wird, es werde<br />

fortwährend ein Standpunkt gegen einen an<strong>der</strong>en eingetauscht, so lässt<br />

sich dies mit dem dialektischen Taumel – <strong>der</strong> wesentlichen Negativität –<strong>der</strong><br />

Kritik erklären. Ruge selbst sagt in seinem „Gegenmanifest“, betitelt „Die<br />

wahre Romantik und <strong>der</strong> falsche Protestantismus“: „Die Jahrbücher haben<br />

gesagt, die Kritik sei frei, ein Standpunkt fresse den an<strong>der</strong>en auf; gut, wir<br />

wollen die Probe machen. Wir sind ein neuer Standpunkt, eine neue Negation<br />

in dem unaufhörlichen Veitstanz des Negierens.“ 371<br />

Durch Feuerbachs Einfluss nämlich sieht Ruge jetzt seine politische<br />

Kritik unter dem Gesichtspunkt des Humanismus, dessen Inhalt er als<br />

Volkssouveränität und Atheismus bestimmt und mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach<br />

<strong>der</strong> Revolution verbindet (indem zugleich die Angriffe gegen den im Februar<br />

1841 nach Berlin berufenen Schelling verschärft werden). Der Protestantismus<br />

wird jetzt ebenfalls zur reaktionären Romantik gerechnet, die<br />

„in <strong>der</strong> Qual <strong>der</strong> Erde“ wurzele 372 , und das Christentum überhaupt wird<br />

polemisch behandelt (nachdem Ruge Feuerbach zunächst als „richtigen<br />

Ausleger <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong>“ missverstanden hat 373 ).<br />

Es zeigt sich: die Erfahrung <strong>der</strong> Unwirklichkeit und Ohnmacht seiner<br />

Kritik, d. h. die Erfahrung, dass die bestehenden politischen Verhältnisse<br />

vermittels <strong>der</strong> Kritik nicht zu än<strong>der</strong>n sind, führt Ruge nicht zu einer Neu-


123<br />

orientierung in Gestalt einer prinzipiellen Revision des Verhältnisses von<br />

Theorie und Praxis, son<strong>der</strong>n zu einer graduellen Modifikation, nämlich zu<br />

einer jedesmal radikaleren Fassung <strong>der</strong> gedanklichen Kritik, verstanden<br />

als Fortschritt des Bewusstseins und <strong>der</strong> Selbsterkenntnis. Dabei entgeht<br />

Ruge, dass sich seine Kritik auf diese Weise immer weiter isoliert, und die<br />

Möglichkeit des Einwirkens verringert wird.<br />

Im Vorwort zum letzten Jahrgang <strong>der</strong> „Deutschen Jahrbücher“, betitelt;<br />

„Eine Selbstkritik des Liberalismus“ erteilt Ruge den Liberalen eine Absage.<br />

Die deutsche „Einheit sowohl als alle Arten <strong>der</strong> Freiheit“ sind ungelöste<br />

Probleme geblieben; Ruge geht über zu den „radikalen Demokraten“; er<br />

for<strong>der</strong>t die „Auflösung des Liberalismus in Demokratismus“. 374 Ruges<br />

Haupteinwand gegen den Liberalismus ist, dass dieser sich zu keiner<br />

praktisch tätigen Partei formiert habe (in dieser Zeit gibt es in Preußen überhaupt<br />

keine politischen Parteien) und dass seine Anhänger noch nicht<br />

einmal gegen die staatlichen Zensurmaßnahmen aufbegehrten, son<strong>der</strong>n<br />

dass er passiv, „in <strong>der</strong> Theorie stecken geblieben“ sei und auf dem Standpunkt<br />

<strong>der</strong> inneren reformatorischen Freiheit verharre. „Seit die Deutschen<br />

die Politik über das Denken, die Praxis über die Theorie, die äußere Welt<br />

über die innere vergessen haben, seit <strong>der</strong> Reformation sind sie im Politischen<br />

gedankenlos geworden.“ 375 Eine Tradition radikaldemokratischer<br />

Politik zwischen Liberalismus und Sozialismus kommt nach dem Scheitern<br />

<strong>der</strong> achtundvierziger Revolution in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich<br />

nicht zustande.<br />

Ruge hebt als praktische Probleme hervor die Bildung einer Volksmiliz<br />

an Stelle des stehenden Heeres (in <strong>der</strong> Frankfurter Nationalversammlung<br />

stellt er einen Antrag auf allgemeine Abrüstung und Gründung eines europäischen<br />

Völkerbundes), Bildung einer Volksregierung und Volksjustiz<br />

sowie einer gegen die „Überbildung“ gerichteten Volkserziehung, die den<br />

„Pöbel“ absorbieren und damit zugleich „die furchtbare Frage des Kommunismus“<br />

ohne gewaltsamen Umsturz lösen solle. 376 Ohne dass Ruge sich<br />

hier auf Feuerbach bezieht, versucht er mit diesem „Demokratismus“ doch<br />

offensichtlich, Feuerbachs „Humanismus“ und Vorstellung vom harmonischen<br />

Gattungsleben o<strong>der</strong> Gemeinwesen zu konkretisieren, die ebenfalls<br />

gegen den Liberalismus gerichtet sind und in <strong>der</strong>en Nähe sich deshalb


124<br />

auch zunächst <strong>der</strong> – im moralischen Sinne als Altruismus gefasste – utopische<br />

Kommunismus rücken lässt.<br />

So kann Ruge auf Cabets Frage nach seiner Stellung zum Kommunismus<br />

antworten: „diese praktische Frage des Humanismus“ liege ihm zwar<br />

noch fern, aber im Prinzip sei er mit ihm einig und halte auch den „wirklichen<br />

Menschen“ <strong>für</strong> den Zweck <strong>der</strong> Gesellschaft. 377 Dementsprechend versucht<br />

Ruge nach dem Verbot <strong>der</strong> „Deutschen Jahrbücher“, die französischen<br />

Kommunisten und Sozialisten wie Cabet, Lamennais, Lamartine<br />

und Considérant als Mitarbeiter zu gewinnen an den „Deutsch-<br />

Französischen Jahrbüchern“, als <strong>der</strong>en Ziel er im „Plan“ angibt die Vereinigung<br />

von Denken und Handeln, <strong>Philosophie</strong> und Politik durch die Allianz<br />

<strong>der</strong> theoretischen Deutschen und <strong>der</strong> praktischen Franzosen 378 ; er<br />

scheitert allerdings an dem Vorbehalt gegenüber dem Atheismus.<br />

Aber schnell wird sich Ruge des Gegensatzes zu den Kommunisten bewusst,<br />

insofern <strong>für</strong> ihn die menschliche Gesellschaft, hervorgebracht<br />

durch befreiende Arbeit, eine bürgerliche bleibt (in Anknüpfung an den §<br />

190 <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie 379 ), und er die Aufhebung des Privateigentums<br />

ablehnt, da es das unmittelbare Interesse des Arbeitenden<br />

an seiner Tätigkeit und seine Selbstbestimmung garantiere. 380<br />

Infolgedessen gerät er in Konflikt mit Moses Heß, <strong>der</strong> die soziale Entfremdung<br />

<strong>für</strong> fundamentaler hält als die politische und das Privateigentum<br />

beseitigt wissen will. 381<br />

Vom Standpunkt seines Humanismus verwirft Ruge auch den Egoismus<br />

Stirners als eine hochmütige theoretische Täuschung, die als solche<br />

durch die Praxis augenfällig werde, insofern diese die Existenz und den<br />

Wi<strong>der</strong>stand an<strong>der</strong>er Menschen zu berücksichtigen zwinge. 38la<br />

Schließlich führt Ruges Beharren auf <strong>der</strong> politisch-bürgerlichen Position<br />

nach kurzer Zusammenarbeit an den „Deutsch-Französischen-<br />

Jahrbüchern“ zu dem Bruch mit Marx (und Bakunin) 382 , <strong>der</strong> sich beson<strong>der</strong>s<br />

in den unterschiedlichen Stellungnahmen zum Weberaufstand in dem<br />

Pariser „Vorwärts“ bekundet: Ruge misst in dem Artikel „Der König von<br />

Preußen und die Sozialreform“ dem Weberaufstand nur lokale Bedeutung<br />

zu (ohne Tragweite hinsichtlich <strong>der</strong> Emanzipation des Proletariats) und<br />

erblickt die Wurzel des Elends in dem Egoismus und „<strong>der</strong> heillosen Isolie-


125<br />

rung <strong>der</strong> Menschen von dem Gemeinwesen“ (d. h. hier dem Staatswesen).<br />

Er propagiert wie Julius Fröbel (<strong>der</strong> im „Literarischen Comptoir“ die von<br />

Ruge herausgegebenen Anekdota zur neuesten <strong>Philosophie</strong> und Publizistik“<br />

und die von Herwegh herausgegebenen „Einundzwanzig Bogen aus <strong>der</strong><br />

Schweiz“ verlegt) die Beseitigung des Elends vermittels politischer Erziehung<br />

und politischer Organisation: „Eine Sozialrevolution ohne politische<br />

Seele (d. h. ohne die organisierende Einsicht vom Standpunkt des Ganzen<br />

aus) ist unmöglich.“ 383<br />

Kurz vorher hat Ruge auch versucht, Marx’ weitergehende – auf den<br />

Klassenstandpunkt des proletarischen Sozialismus übergehende – Kritik<br />

an <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft in den Abhandlungen „Zur Judenfrage“<br />

und „Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung“, die in den<br />

gemeinsam herausgegebenen „Deutsch-Französischen-Jahrbüchern“ erschienen,<br />

mit seinem eigenen bürgerlich politischen Humanismus zu harmonisieren<br />

384 , wovon sich Marx darauf unmissverständlich distanziert in<br />

den „Kritischen Randglossen zu dem Artikel ,Der König von Preußen und<br />

die Sozialreform‘“ mit dem Aufweis <strong>der</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> Analyse und <strong>der</strong><br />

Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt, dass politischer<br />

Verstand, politische Energie und politisch-administrative Maßnahmen<br />

unmöglich das soziale Elend beseitigen können.<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Methode zur Durchsetzung des wahren Inhalts, des<br />

Humanismus und Demokratismus, geht Ruge schließlich nicht hinaus über<br />

eine Verbindung <strong>der</strong> Kritik mit <strong>der</strong> Bildung und Erziehung. Das heißt:<br />

er erwartet, dass die praktische Gesellschaftsreform auf bürgerlicher<br />

Grundlage als Verwirklichung des theoretischen Humanismus – die Beseitigung<br />

des entfremdenden inhumanen Egoismus sowie auch des Patriotismus<br />

385 , die Vermenschlichung <strong>der</strong> Existenz und die Emanzipation des<br />

Menschen – primär erfolgt auf dem Wege über Bildung und Erziehung des<br />

Volkes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Masse“, die Ruge zwar im Gegensatz zu Marx undifferenziert<br />

lässt, aber nicht wie Bruno Bauer als Wi<strong>der</strong>sacher des Geistes ansieht.<br />

386 „Ein Volk ist nicht eher frei, als bis es die <strong>Philosophie</strong> zum Prinzip<br />

seiner Entwicklung macht; und es ist die Aufgabe <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, das<br />

Volk zu dieser Bildung zu erheben.“ 387 Mit <strong>der</strong> Ausrichtung auf Bildung<br />

und Erziehung als Weg <strong>der</strong> Umgestaltung des menschlichen Lebens steht<br />

dieser politische Humanismus in <strong>der</strong> Tradition des ästhetischen Huma-


126<br />

nismus <strong>der</strong> deutschen Klassik, wobei zwar die Grenzen des Ästhetischen,<br />

aber nicht die <strong>der</strong> Erziehung erkannt werden. 388


127<br />

VI. Bauers skeptizistische Konzeption <strong>der</strong> reinen Kritik als Funktion<br />

des menschlichen Selbstbewusstseins und Negation seiner Objektivationen<br />

Nachdem sich im Gefolge <strong>der</strong> Unterdrückung <strong>der</strong> „Deutschen Jahrbücher“<br />

und <strong>der</strong> „Rheinischen Zeitung“ am Anfang des Jahres 1843 die<br />

Junghegelianer endgültig gespaltet haben, sieht Bruno Bauer den entscheidenden<br />

Gegensatz zu Ruge in <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Negativität o<strong>der</strong> <strong>der</strong> dialektischen<br />

Radikalität, Rücksichtslosigkeit und Unversöhnlichkeit, d. h.<br />

<strong>der</strong> Voraussetzungslosigkeit und Reinheit <strong>der</strong> Kritik: Ruge verharre mit<br />

seiner For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> zukünftigen praktischen Entwicklung im Sinne des<br />

Liberalismus o<strong>der</strong> des Humanismus und Demokratismus noch konzessionsbereit<br />

– nur von den schon vorhandenen positiven Ansätzen aus ins<br />

Unbeschränkte gehend – auf dem Boden <strong>der</strong> bekämpften Macht (vor allem<br />

des Staates), anstatt mit ihr zu brechen und sich über ihre Voraussetzungen<br />

zu erheben: „Die For<strong>der</strong>ung dagegen, die aus <strong>der</strong> Theorie in die Praxis,<br />

aus <strong>der</strong> ‚Sphäre <strong>der</strong> Abstraktion‘ in die Öffentlichkeit, aus <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

ins Leben, aus <strong>der</strong> Schule zum Staate tritt, hält sich an die Voraussetzungen<br />

<strong>der</strong> Macht, auf <strong>der</strong>en Gebiet sie sich begibt, und geht so weit –<br />

weiter kann sie aber als For<strong>der</strong>ung nichts tun – dass sie diese Voraussetzungen<br />

zu religiösen Mächten erhebt.“ 389 Hiermit gibt Bauer Ruge zugleich<br />

den Vorwurf zurück, Theologe geblieben zu sein 390 .<br />

In <strong>der</strong> Tat bezeichnet Bauer damit – und d. h. mit dem Anspruch, dass<br />

die Kritik als „neue Form des Bewusstseins auch in sich selbst und durch<br />

sich selbst bereits eine neue geschichtliche Existenz“ sei 391 – einen Differenzpunkt,<br />

und zwar nicht nur zwischen sich und Ruge, son<strong>der</strong>n zwischen<br />

allen Berliner „Freien“ einerseits und Ruge, Heß, Engels und Marx an<strong>der</strong>erseits<br />

nach <strong>der</strong> Spaltung.<br />

Bauers radikale Abwendung von dem Bestehenden und seine Bestimmung<br />

des Verhältnisses <strong>der</strong> Kritik zu den Mächten <strong>der</strong> Vergangenheit und<br />

Gegenwart nicht als aufhebende und bewahrende Erbschaft, son<strong>der</strong>n als<br />

abgründige Bindungslosigkeit, entspringt seiner Enttäuschung darüber,<br />

dass das Volk und die Liberalen gegen die unterdrückenden Regierungsmaßnahmen<br />

(seit <strong>der</strong> Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV.) nicht aufbegehrten.<br />

392


128<br />

Beruhigende Selbsttäuschung ist es, wenn Bauer dabei so weit geht,<br />

Einheit und Einverständnis von Regierung und Volk zu supponieren, und<br />

wenn er – ein Jahr vor <strong>der</strong> Revolution – behauptet, die liberalen und radikalen<br />

Theorien wären im Krisenjahr l843 schon in die Praxis und Objektivität<br />

umgesetzt worden: „Der Bürger hatte sich in diesen Monaten auf den<br />

Kampfplatz begeben, um die Praxis, welche Ruge bisher nur for<strong>der</strong>te, ins<br />

Leben zu setzen... Seine For<strong>der</strong>ung enthielt weiter nichts, als was die<br />

‚Masse <strong>der</strong> Menschen‘, Regierungen und Volksvertreter for<strong>der</strong>ten und verlangten<br />

– Hingabe an den Staat – Teilnahme an <strong>der</strong> Phrase des Allgemeinen...“<br />

393<br />

Im Scheitern <strong>der</strong> Bestrebungen <strong>der</strong> „Deutschen Jahrbücher“ kann Bauer<br />

eine Selbstbestätigung seines kritischen Standpunkts sehen, <strong>der</strong> von<br />

<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> erstarkenden Reaktion praktisch unangetastet (und nicht korrumpiert)<br />

bleibt, wenn auch nur insofern, als er Opposition ohne bestimmte<br />

Position ist, d. h. als seine Kritik – ohne Zugeständnisse an das Bestehende<br />

und Gegebene zu machen. und infolgedessen ohne zu partizipieren<br />

und parteilich einzugreifen – sich von vornherein über die politische und<br />

soziale Wirklichkeit hinweg setzt und in ihrer Isolierung gar nicht verwickelt<br />

werden kann. Bauers sozial-politische Abstinenz o<strong>der</strong> Kontaktlosigkeit<br />

ist teilweise vorweg genommen in Hegels Charakterisierung des vor<br />

den Objekten fliehenden sich vergeblich auflehnenden Ritters Don Quichotte,<br />

„dem es im Kampfe allein darum zu tun ist, sein Schwert blank zu<br />

erhalten.“<br />

Diese extrem antidogmatische und antiautoritäre Kritik, diese Position<br />

<strong>der</strong> absoluten Verweigerung, <strong>der</strong> „hochmütigen“ Unwillfährigkeit, <strong>der</strong> unerschütterlichen<br />

Desintegration (auf die kein Schatten des Opportunismus<br />

fallen kann und die keine Gefahr laufen kann, sich von einer parteilichen<br />

Gruppe absorbieren und sich von ihr die subjektive Verantwortlichkeit abnehmen<br />

zu lassen), kulminiert in <strong>der</strong> von Bauer vom Dezember 1843 bis<br />

zum Oktober 1844 herausgegebenen „Allgemeinen Literatur-Zeitung“. In<br />

ihr heißt es von <strong>der</strong> Kritik: „Die Kritik macht keine Partei, will keine Partei<br />

<strong>für</strong> sich haben, sie ist einsam, indem sie sich in ihren Gegenstand vertieft,<br />

einsam, indem sie sich ihm gegenüberstellt. Sie löst sich von allem ab. Jede<br />

gemeinsame Voraussetzung, die zur Bildung einer Partei immer notwendig<br />

ist, würde sie als feindseliges Dogma betrachten, wenn sie, wie es


129<br />

innerhalb einer Partei nötig ist, sich gehin<strong>der</strong>t sehen sollte, dieselbe zu kritisieren<br />

und aufzulösen.“ 394<br />

Die unversöhnliche Ablösung von den Voraussetzungen – <strong>der</strong> absolute<br />

Hiat zu dem Gegebenen – heißt zunächst, dass diese kritische Theorie sich<br />

we<strong>der</strong> mit positivistischen Protokollsätzen und Deskriptionen begnügt<br />

noch ihre Zielsetzungen aus vorhandenen Tendenzen, den inneren Wi<strong>der</strong>sprüchen,<br />

<strong>der</strong> geschichtlichen Entwicklung - durch Unterscheiden, „krinein“,<br />

o<strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>spalten, „discutio“, des unmittelbar Gegebenen –<br />

zu gewinnen sucht.<br />

Zugleich stellt diese Kritik damit – noch eindeutiger als bei Strauß und<br />

Ruge – eine Umformung <strong>der</strong> Hegelschen spekulativen affirmativen Dialektik<br />

zu einer analytischen negativen Dialektik dar (wie sie heute in vergleichbarer<br />

Weise von Adorno erneuert wird 395 ): das Resultat <strong>der</strong> Kritik ist<br />

jeweils die bloße, abstrakte Negation, die Vernichtung des Positiven, d, h.<br />

die Negation enthält das Positive, von dem sie ausgeht, nicht aufgehoben<br />

in sich, so dass es als überwundenes noch wahr bliebe; die Negation ist<br />

nicht von <strong>der</strong> Qualität des jeweils Negierten affiziert und affirmativ determiniert,<br />

son<strong>der</strong>n bleibt ausschließlich die Präposition eines „Anti-“. Daher<br />

ist die Kritik nicht wie die Spekulation die affirmative Synthese, die konkrete<br />

Vermittlung <strong>der</strong> entgegengesetzten Momente zur Totalität.<br />

Hegel anerkennt diese negative Dialektik als eine berechtigte, wenn<br />

auch einseitige Form seiner Versöhnungsphilosophie und kennzeichnet sie<br />

in Hinblick auf die „vollkommene Verzweiflung an allem Festen des Verstanden<br />

und die sich daraus ergebende Gesinnung... <strong>der</strong> Unerschütterlichkeit<br />

und des Insichberuhens“ als Skeptizismus. 396 Bauer verselbständigt<br />

also die skeptische Seite <strong>der</strong> Hegelschen Dialektik. Wie sich zeigen<br />

wird, schließt sich Bauers Kritik dem Skeptizismus auch noch in an<strong>der</strong>er<br />

Hinsicht an.<br />

Dabei ist <strong>für</strong> Bauer die skeptizistische negative Dialektik die Form nicht<br />

nur <strong>der</strong> subjektiven Kritik, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> objektiv-kritischen Geschichtsentwicklung.<br />

Edgar Bauer gibt die Ansicht seines Bru<strong>der</strong>s Bruno<br />

wie<strong>der</strong>: „Auch das Christentum. war nichts als ein gewaltiger Vernichtungskampf,<br />

den ein neues Prinzip gegen die alte Welt anhub. Und die<br />

französische Revolution? Die Geschichte kennt kein ähnliches Beispiel einer<br />

urplötzlicheren, mächtigeren Erschütterung und Neubelebung <strong>der</strong>


130<br />

Menschheit. So ist denn gewiss, dass jedes Prinzip, welches neu auftritt in<br />

<strong>der</strong> Weltgeschichte, vandalisch ist.“ 397 Diese negative Dialektik kann aber<br />

nicht die weltgeschichtliche Kontinuität erklären.<br />

Dass die Kritik Bauers nicht anknüpft an das Bestehende und sich<br />

nicht parteilich einlässt auf das objektiv Vorliegende ist gleichbedeutend<br />

mit ihrem Rückgang ins Subjekt, gefasst als Selbstbewusstsein. Diesen<br />

kritischen Rückgang ins Selbstbewusstsein versteht Bauer als Negation<br />

<strong>der</strong> Religion, des christlichen Staates und <strong>der</strong> „Masse“ in <strong>der</strong> Gesellschaft;<br />

denn sie sind <strong>für</strong> ihn Entfremdungen des allgemeinen menschlichen<br />

Selbstbewusstseins.<br />

Das Selbstbewusstsein gilt ihm als „die wahrhafte causa sui“, die „die<br />

Welt, den Unterschied setzt und in dem, was es hervorbringt, sich selbst<br />

hervorbringt“ und „den Unterschied des Hervorgebrachten von ihm selbst<br />

wie<strong>der</strong> aufhebt.“ 398<br />

Dementsprechend hat <strong>für</strong> Bauer die subjektive Kritik die Fiktion, die<br />

das Selbstbewusstsein in seiner geschichtlichen objektiv-kritischen negativ-dialektisch<br />

fortschreitenden Entwicklung beschränkenden, hemmenden<br />

und unfrei machenden partiellen Objektivationen seiner selbst – das<br />

Bestehende, Substantielle, Positive – zu destruieren und zu „liquidieren“.<br />

Spirituelle Tätigkeit überwindet materielle Wi<strong>der</strong>stände, wenn diese ihre<br />

eigenen Manifestationen sind und wenn sie nicht bloß illegitim vorher in<br />

gedankliche, innere Wi<strong>der</strong>stände verflüchtigt werden, was Marx gegen<br />

Bauer in <strong>der</strong> „Heiligen Familie“ einwendet.<br />

Voraussetzung dieser Bauerschen Konzeption <strong>der</strong> Kritik ist die Umdeutung<br />

<strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> des absoluten Geistes zur <strong>Philosophie</strong> des<br />

menschlichen Selbstbewusstseins (und damit die Verabsolutierung <strong>der</strong><br />

Geschichte). Unter <strong>der</strong> Kapitelüberschrift „Das Gespenst des Weltgeistes“<br />

zeigt Bauer – in orthodox pietistischer Maske – in <strong>der</strong> Schrift „Die Posaune<br />

des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten und Antichristen“, an <strong>der</strong><br />

noch Marx mitgearbeitet hat, dabei die Tendenz zur philosophiegeschichtlichen<br />

Harmonisierung: <strong>der</strong> Weltgeist, <strong>der</strong> „seine Wirklichkeit im Menschengeiste“<br />

und „kein Reich <strong>für</strong> sich, keine Welt, keinen Himmel <strong>für</strong> sich“<br />

hat, wäre nach Bauer „nur ein Bild, welches <strong>der</strong> Philosoph zuweilen aufstellt<br />

und dem er dann die Attribute <strong>der</strong> Göttlichkeit... schenkt. Der Philo-


131<br />

soph weiß aber recht gut, dass dieses Bild nur das Selbstbewusstsein darstellt...“<br />

399 Damit umgeht Bauer die Notwendigkeit, die Feuerbach und<br />

Marx zum Programm erheben, die Hegelsche <strong>Philosophie</strong> zu überwinden.<br />

Unter an<strong>der</strong>em vermeidet Bauer in seiner Harmonisierungstendenz, ernsthaft<br />

daran Anstoß zu nehmen, dass Hegel beansprucht, die <strong>Philosophie</strong> im<br />

wesentlichen systematisch zum Abschluss gebracht zu haben. Seine Differenz<br />

zu Hegel kann Bauer zu verdecken suchen, insofern er mit ihm übereinstimmt<br />

in <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Substantialität o<strong>der</strong> Objektivität in die<br />

Subjektivität. Aber <strong>der</strong> wesentliche Unterschied bleibt: Hegel nimmt die<br />

Substanz ins absolute Selbstbewusstsein hinein, Bauer ins menschliche<br />

allgemeine Selbstbewusstsein. Im Gegensatz zu Bauer anerkennt Hegel<br />

gegenüber dem menschlichen Selbstbewusstsein durchaus die substantielle,<br />

objektive Realität.<br />

Bauers Eliminierung <strong>der</strong> spinozistischen Seite des Hegelschen Systems,<br />

sein abstraktes Herauslösen des Fichteschen Moments und damit sein eigener<br />

Rückgang auf Fichte wird deutlich, wenn er Hegels Stellung zu Fichte<br />

so beurteilt, als wäre Hegel nicht über Fichte hinaus gegangen und als<br />

hätte Hegel eine Überwindung Fichtes nicht als notwendig angesehen:<br />

„Endlich aber kommt <strong>der</strong> Philosoph in seiner Heimat, dem Selbstbewusstsein<br />

an, nachdem ihm Fichte alle Wirklichkeit, die es außer dem Selbstbewusstsein<br />

gibt, zerstört hat... Wenn <strong>der</strong> Spinozismus ihm als <strong>der</strong> notwendige<br />

Anfang <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> galt, so nun die Fichtesche Auffassung des Ich<br />

als die Vollendung...“ 400<br />

Die Hauptabsicht Bauers – beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> „Posaune“ – ist, die Transzendenz<br />

zu zerstören, d. h. <strong>der</strong> Religion den Objektivitätscharakter zu<br />

nehmen, indem sie als Schöpfung des menschlichen Selbstbewusstseins<br />

behandelt wird. In diesem Zusammenhang deutet er Hegels Religionsphilosophie<br />

als Atheismus, insofern <strong>für</strong> Hegel „das religiöse Verhältnis nichts<br />

als ein inneres Verhältnis des Selbstbewusstseins zu sich selber ist und<br />

alle jene Mächte, die als Substanz o<strong>der</strong> als absolute Idee von dem Selbstbewusstsein<br />

noch unterschieden zu sein scheinen, nichts als die eigenen<br />

in <strong>der</strong> religiösen Vorstellung nur objektivierten Momente desselben<br />

sind.“ 401 Um also die transzendenten Objekte <strong>der</strong> Religion zu zerstören,<br />

zerstört Bauer die Objektivität überhaupt. Kein Gegenstand übersteigt <strong>für</strong><br />

Bauer den Gedanken; <strong>der</strong> Gedanke bleibt souverän und die Dialektik im-


132<br />

manent; in diesem Sinne dominiert die Identität trotz <strong>der</strong> (unausdrücklichen)<br />

Negation des Hegelschen allumfassenden stillstellenden Systems.<br />

Dass bei Hegel <strong>der</strong> subjektive Geist vom objektiven Geist abhängig ist<br />

und <strong>der</strong> objektive Geist die jeweils bestehende substantielle – beschränkte<br />

und damit wi<strong>der</strong>sprüchliche – Gestalt aufhebt zugunsten einer neuen höheren<br />

Gestalt und die <strong>Philosophie</strong> jeweils <strong>der</strong>en adäquater Ausdruck ist,<br />

verwandelt Bauer mit dem Fallenlassen <strong>der</strong> Objektivität und ihrem<br />

Verschwindenlassen in die Identität des Selbstbewusstseins dahin, dass<br />

<strong>der</strong> subjektive Geist und die <strong>Philosophie</strong> selbst die bestimmten Gestalten –<br />

mittels <strong>der</strong> Kritik – angreifen und negieren und so den Fortschritt bewerkstelligen.<br />

Auf Grund dieser Umwandlung geht es Bauer noch unmittelbarer als<br />

Hegel um den geschichtlichen Fortschritt des Bewusstseins <strong>der</strong> Freiheit,<br />

so dass er (in einer Rezension von Schriften zur Judenemanzipation in <strong>der</strong><br />

„Allgemeinen Literatur-Zeitung“) sagen kann: „Die Theorie muss wachsen,<br />

um ausgeführt zu werden, um sicher ihre Ausführung zu finden o<strong>der</strong> vielmehr:<br />

um sie zu gebieten! – So weit die Juden jetzt in <strong>der</strong> Theorie sind, so<br />

weit sind sie emanzipiert, so weit sie frei sein. wollen, so weit sind sie es. –<br />

Wachst in <strong>der</strong> Theorie, und ihr werdet in <strong>der</strong> Praxis stärker sein! Habt einen<br />

höhern Begriff von <strong>der</strong> Freiheit, und ihr werdet in <strong>der</strong> Freiheit Fortschritte<br />

machen.“ 402<br />

Mit Hilfe einer Äquivokation von subjektivem und objektivem Geist unterschiebt<br />

Bauer Hegel seine eigene subjektivistische Auffassung von <strong>der</strong><br />

Funktion <strong>der</strong> kritischen <strong>Philosophie</strong>: wenn Hegel in <strong>der</strong> Einleitung zu seinen<br />

Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> (in Hinblick auf den<br />

geschichtlichen Ursprung des Bedürfnisses des <strong>Philosophie</strong>rens) sagt, dass<br />

<strong>der</strong> Geist es ist, <strong>der</strong> „diese substantielle Weise <strong>der</strong> Existenz, diese Sittlichkeit,<br />

diesen Glauben angreift, wankend macht“ 403 , so spricht Hegel eindeutig<br />

von dem objektiven „Geist eines Volkes“ (<strong>der</strong> sich „aus <strong>der</strong> gleichgültigen<br />

Dumpfheit des ersten Naturlebens herausgearbeitet hat“). Bauer aber<br />

folgert daraus verzerrend: „...dann ist es ja die <strong>Philosophie</strong>, welche diesen<br />

Angriff ausführt und die ‚Periode des Ver<strong>der</strong>bens‘ herbeiführt.“ 404<br />

Allerdings scheint Bauer sich <strong>für</strong> diese Auffassung von <strong>der</strong> mäeutischaktivierenden<br />

Rolle <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, die nicht „Eule <strong>der</strong> Minerva“ ist, auch<br />

auf Hegel berufen zu, können, wenn dieser ausführt, dass das philosophi-


133<br />

sche Wissen – dem Inhalt nach <strong>der</strong> Gedanke seiner Zeit, <strong>der</strong> Form nach<br />

über seiner Zeit – das Sichselbstwissen des Geistes ist, und so „<strong>der</strong> formelle<br />

Unterschied auch ein realer wirklicher Unterschied (ist). Dies Wissen ist<br />

es dann, was eine neue Form <strong>der</strong> Entwicklung hervorbringt; die neuen<br />

Formen sind nur Weisen des Wissens. Durch das Wissen setzt <strong>der</strong> Geist<br />

einen Unterschied zwischen das Wissen und das, was ist; dies enthält wie<strong>der</strong><br />

einen neuen Unterschied, und so kommt eine neue <strong>Philosophie</strong> hervor.<br />

Die <strong>Philosophie</strong> ist also schon ein weiterer Charakter des Geistes; sie ist<br />

die innere Geburtsstätte des Geistes, <strong>der</strong> später zu wirklicher Gestaltung<br />

hervortreten wird.“ 405<br />

Hegel sagt also gar nicht – im Gegensatz zu Bauers und auch Löwiths 406<br />

Interpretation –, dass die <strong>Philosophie</strong> außer einer neuen Form selbst ebenfalls<br />

einen neuen Inhalt hervorbringt (den sie gedanklich in sich trägt und<br />

antizipiert auch da, wo sie in „ein an<strong>der</strong>es Land des selbstbewussten Geistes“<br />

ohne schon entsprechende Wirklichkeit übergeht); und wenn auch das<br />

philosophische Wissen gegenüber dem Bestehenden von Hegel „ein realer<br />

wirklicher Unterschied“ genannt wird, so ist diese Realität des Wissens<br />

doch in einem an<strong>der</strong>en Sinne zu verstehen als die Realität <strong>der</strong> wirklichen<br />

Gestalten des objektiven Volksgeistes.<br />

Gegenüber Bauers Ableitung seiner subjektiv-idealistischen Konzeption<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> als Kritik des Bestehenden und Motor <strong>der</strong> Geschichtsbewegung<br />

– als Entgegensetzung von Wissen und Wirklichkeit, Subjekt und<br />

Substanz, Sollen und Sein – aus <strong>der</strong> Hegelschen Bestimmung des Verhältnisses<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> zu an<strong>der</strong>en Gestaltungen einer Stufe des Geistes<br />

müssen Hegels eindeutige Worte zitiert werden: „Das Verhältnis <strong>der</strong> politischen<br />

Geschichte, Staatsverfassungen, Kunst, Religion zur <strong>Philosophie</strong><br />

ist... nicht dieses, dass sie Ursachen <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> wären, o<strong>der</strong> umgekehrt,<br />

diese <strong>der</strong> Grund von jenen, son<strong>der</strong>n sie haben vielmehr alle zusammen<br />

eine und dieselbe gemeinschaftliche Wurzel, den Geist <strong>der</strong><br />

Zeit.“ 407 Im Gefolge <strong>der</strong> Auflösung des absoluten Geistes in den menschlichen<br />

Geist und des objektiven Geistes in den subjektiven kritischen Geist<br />

werden <strong>für</strong> Bauer die Philosophen „die wahren, die einzig gefährlichen,<br />

weil die konsequentesten und rücksichtslosen Revolutionäre.“ 408 Dementsprechend<br />

sieht er die Aufgipfelung <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> in <strong>der</strong><br />

Kontemplation nicht als zu überwindenden Mangel an, son<strong>der</strong>n er be-


134<br />

hauptet, dass Hegels Theorie schon „in ihr selber und, darum die gefährlichste,<br />

umfassendste und zerstörendste Praxis (war). Sie war die Revolution<br />

selber.“ 409<br />

Diese Auffassung von <strong>der</strong> praktisch-revolutionierenden Rolle <strong>der</strong> Theorie<br />

bekundet sich ebenfalls in einem Brief an Marx: „Es wäre Unsinn, wenn<br />

Du Dich einer praktischen Carriere widmen wolltest. Die Theorie ist jetzt<br />

die stärkste Praxis, und wir können noch gar nicht voraussagen, in wie<br />

großem Sinne sie praktisch werden wird“. 410<br />

So ist es konsequent, wenn Bauer auch die Aufklärungsphilosophie als<br />

Ursache <strong>der</strong> französischen Revolution ansieht. Seine Deutung <strong>der</strong> Hegelschen<br />

Stellung zur französischen Aufklärung deckt aber nur wie<strong>der</strong>um eine<br />

Hauptquelle seiner eigenen Anschauungen auf. Wenn Hegel zum Beispiel<br />

sagt: „Was in den französischen philosophischen Schriften, die in<br />

dieser Hinsicht wichtig sind, bewun<strong>der</strong>ungswürdig ist, ist diese erstaunliche<br />

Energie und Kraft des Begriffs gegen die Existenz, gegen den Glauben,<br />

gegen alle Macht <strong>der</strong> Autorität seit Jahrtausenden“ 411 , so will er damit nur<br />

die eine (negative) Seite <strong>der</strong> Aufklärungsphilosophie charakterisieren. Indem<br />

aber Bauer diese Feststellung eklektisch aufgreift und ummünzt zu<br />

Hegels vorbehaltloser „Bewun<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Franzosen und Verachtung gegen<br />

die Deutschen“ 412 , übergeht er, dass Hegel bestrebt ist, die Aufklärungsphilosophie<br />

als einseitigen Rationalismus, formelle Verstandesherrschaft<br />

und zertrümmernden „Fanatismus des abstrakten Gedankens“ in einer<br />

wahren Versöhnung <strong>der</strong> Gegensätze zu überwinden. Ähnlich dokumentiert<br />

sich in Bauers Interpretation, nach Hegels Ansicht müsse „die Kirche gegen<br />

den Staat untergehen“ 413 seine eigene Erwartung, die er an die Bekämpfung<br />

<strong>der</strong> Kirche knüpft, während dagegen Hegel als Aufgabe des<br />

Staates ansieht, „von allen seinen Angehörigen zu for<strong>der</strong>n, dass sie sich zu<br />

einer Kirchengemeinde halten.“ 414<br />

Indem Bauer den Prozess <strong>der</strong> Geschichte von <strong>der</strong> dialektischen Entwicklung<br />

des Selbstbewusstseins und diese wie<strong>der</strong>um von <strong>der</strong> philosophischen<br />

Theorie – etwa <strong>der</strong> aufklärerischen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hegelschen und <strong>der</strong> kritischen<br />

– bestimmt sein lässt, spricht er <strong>der</strong> hervorragenden Persönlichkeit<br />

in <strong>der</strong> weltgeschichtlichen Praxis die entscheidende emanzipierende Rolle<br />

zu.


135<br />

Hegel dagegen trennt das denkende und handelnde Individuum nicht in<br />

dieser Weise von den – aus dem absoluten Geist stammenden – substantiellen,<br />

objektiven Verhältnissen: „An <strong>der</strong> Spitze aller Handlungen, somit<br />

auch <strong>der</strong> welthistorischen, stehen Individuen als die das Substantielle<br />

verwirklichenden Subjektivitäten.“ 415 Deshalb kann sich Bauer auch nur<br />

scheinbar darauf berufen, dass Hegel selbst von den Philosophen sagt, sie<br />

lesen o<strong>der</strong> schreiben die vom Weltgeist ausgehenden „Kabinettsordres<br />

gleich im Original.“ 416<br />

Dennoch verhin<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Hegelianismus Bauers, dass seine Auffassung<br />

von den welthistorischen Personen – von Büchner „Paradegäule und Ecksteher<br />

<strong>der</strong> Geschichte“ genannt – irrational und elitär wäre im Sinne von<br />

Carlyle, Treitschke, Le Bon, Pareto o<strong>der</strong> Ortega y Gasset; denn die Tätigkeit<br />

<strong>der</strong> hervorragenden Persönlichkeit wird von Bauer schließlich noch in<br />

einen vernünftigen geschichtlichen Zusammenhang eingeordnet, durch<br />

dessen Vermittlung ihre Resultate objektiv nachprüfbar werden.<br />

Es bleibt aber eine subjektivistische Verzerrung Hegels und eine extreme<br />

Überschätzung <strong>der</strong> weltgeschichtlichen Bedeutung <strong>der</strong> eigenen Kritik,<br />

wenn Bauer sagt: „Spottet immerhin über eine Nation, <strong>der</strong>en geistiges<br />

Budget auf <strong>der</strong> Leipziger Ostermesse berechnet wird, lacht über den Toren,<br />

<strong>der</strong> in wahnsinniger Selbstvergessenheit über neuen literarischen Arbeiten<br />

brütet und den Hochmut hat, durch ein paar Fe<strong>der</strong>züge <strong>der</strong> Welt eine an<strong>der</strong>e<br />

Gestalt zu geben, – nennt aber auch die einzige geschichtliche Epoche,<br />

die nicht von <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong> gebieterisch vorgezeichnet war und ihre Erschütterung<br />

mit einem Fe<strong>der</strong>strich beschließen lassen musste.“ 417<br />

Im Gegensatz zu Bauer stellt sich Hegel dementsprechend nicht einseitig<br />

negativ gegen die Masse, die Vielen, das Volk und die öffentliche Meinung.<br />

418 Für Bauer erst wird die Masse <strong>der</strong> „natürliche Gegner <strong>der</strong> Theorie“<br />

und <strong>der</strong> „wahre Feind des Geistes“, weshalb ihr Interesse „alle großen<br />

Aktionen <strong>der</strong> bisherigen Geschichte“ fehlgehen ließ. 419 Starr wird dem aktiven<br />

Geist die passive Materie in ihrer sozialen Gestalt als Masse gegenübergestellt<br />

und als blind, leidend, unwissend und träge charakterisiert.<br />

Die „oberflächliche, indolente, selbstzufriedene, fortschritts- und geistesfeindliche<br />

Masse“ wird als Produkt <strong>der</strong> französischen Revolution und Beseitigung<br />

<strong>der</strong> Ständeordnung angesehen. 420 Hand in Hand mit <strong>der</strong> Abwen-


136<br />

dung von <strong>der</strong> Masse geht die Konzeption <strong>der</strong> Reinheit, <strong>der</strong> System- und<br />

Gesinnungslosigkeit, <strong>der</strong> Absolutheit <strong>der</strong> Kritik.<br />

Aber Bauers Mangel ist, dass er die blasse undifferenziert lässt und als<br />

Aggregat völlig gleichartiger Elemente betrachtet; er erkennt nicht, dass<br />

<strong>der</strong> geschichtlich gewordenen abstrakten politischen Gleichheit <strong>der</strong> Individuen<br />

eine wirkliche konkrete Ungleichheit entspricht, und dass speziell die<br />

Bereitschaft <strong>der</strong> Masse zur blinden Gefolgschaft jeweils in einer bestimmten<br />

Bedrohung durch eine objektive Notlage wurzelt.<br />

Mit <strong>der</strong> Abwendung von <strong>der</strong> Masse vollzieht Bauer die Absage an die<br />

sich auf die Masse stützenden und sich damit in seinen Augen diskreditierenden<br />

Lehren und Parteiungen des Liberalismus, radikalen Demokratismus,<br />

Sozialismus und Kommunismus, in Vergleich zu denen Bauers kritische<br />

prinzipienlose Position als anarchistisch erscheinen muss sowie als<br />

prototypisch <strong>für</strong> die geistesaristokratischen sich bescheidenden, entsagenden<br />

vor je<strong>der</strong> Verdinglichung sichernden Rückzugsbewegungen in die Innerlichkeit<br />

(jenseits eines faktischen Glücksanspruchs), aber auch<br />

zugleich als Repristination des antiken skeptischen Bewusstseins, wie es<br />

Hegel analysiert: „... negatives Verhalten, ja tätige Negation gegen alles<br />

Prinzip“, das im Unglück <strong>der</strong> bestehenden Herrschaft „in seinem Innern<br />

auf abstrakte Weise die Befriedigung (hat) suchen müssen, die die Wirklichkeit<br />

ihm nicht gab“ 421 , und das an<strong>der</strong>erseits in dem bestimmten einzelnen<br />

unwesentlichen Inhalt befangen bleibt trotz <strong>der</strong> Deklaration seiner<br />

Nichtigkeit. Innerhalb des nicht preisgegebenen Anspruches, letztlich die<br />

wirkliche Welt mittels <strong>der</strong> Kritik zu gestalten, erneuert Bauer in dieser<br />

Weise den allgemein antiken Dualismus zwischen Arbeit und Muße, Lebensnotwendigem<br />

und Schönem, Theorie des Beständigen und Praxis des<br />

Unsicheren. 422<br />

Bauers Antithese von Denken und Sein in Gestalt von kritischer selbstbewusster<br />

Persönlichkeit und depersonalisierter geistloser Masse hat ihren<br />

Ansatz schon in seiner Evangelienkritik und seiner Polemik gegen Strauß,<br />

insofern er zur Erklärung des Ursprungs <strong>der</strong> Evangelien – in teilweiser<br />

Vorwegnahme <strong>der</strong> formgeschichtlichen Methode Bultmanns und M. Dibelius’<br />

– an die Stelle des „substantiellen“ Gemeindebewusstseins <strong>der</strong> messianischen<br />

Erwartung das schöpferische Selbstbewusstsein als „schriftstellerisches<br />

Prinzip“ setzt und die Evangelien als „Werk <strong>der</strong> Reflexion“ an-


137<br />

sieht. 423 In <strong>der</strong> „Posaune“ benutzt Bauer dann eine Bemerkung Hegels über<br />

Pythagoras zu <strong>der</strong> Umdeutung: „Alle Menschen außer den Philosophen<br />

sind nach Hegel Ochsen.“ 424 Danach kündigt sich in den „Anekdota“ die<br />

Kritik an <strong>der</strong> Masse an, die in <strong>der</strong> „Allgemeinen Literatur-Zeitung“ ihren<br />

Höhepunkt erreicht und dazu führt, dass die Kritik sich nicht mehr einlassen<br />

will auf die gegebenen Voraussetzungen.<br />

Dass die Kritik nicht mehr mit dem Bestehenden verwickelt werden will,<br />

ist nicht gleichbedeutend mit ihrem gänzlichen Verzicht auf praktische<br />

Verän<strong>der</strong>ung und mit ihrer Erhebung zum Selbstzweck. Der Unterschied<br />

ist, dass Bauer vorher mittels seiner Kritik direkt eine bestimmte praktische<br />

Verän<strong>der</strong>ung angestrebt hat („Es muss also zur Tat kommen, zur<br />

praktischen Opposition, und nicht nur nachträglich o<strong>der</strong> auf einem Umwege,<br />

son<strong>der</strong>n geradezu muss ein theoretisches Prinzip Praxis und Tat<br />

werden“ 425 ), schließlich aber die von <strong>der</strong> Kritik vorzubereitende praktische<br />

Verän<strong>der</strong>ung „<strong>der</strong> Geschichte“ und ihrer Krisis überlässt („Die Theorie hat<br />

nun das ihrige getan, wenn sie den bisherigen Gegensatz des Judentums<br />

und Christentums erkannt und aufgelöst hat, und kann mit ruhiger Zuversicht<br />

<strong>der</strong> Geschichte, die über unwürdig gewordene Gegensätze das<br />

letzte Urteil ausspricht, entgegensehen“ 426 ).<br />

Liegt <strong>für</strong> Bauer die praktisch revolutionierende Wirkung <strong>der</strong> Kritik zunächst<br />

nah, dann fern, so betrachtet er doch jeweils als hauptsächliche<br />

Voraussetzung und Ursache <strong>der</strong> praktischen Verän<strong>der</strong>ungen die Kritik<br />

selbst, d. h. die Beseitigung <strong>der</strong> Selbstentfremdung in Gestalt <strong>der</strong> Selbsttäuschungen<br />

und Vorurteile über das wirklich Bestehende, die Aufklärung,<br />

die Verän<strong>der</strong>ung des Bewusstseins. So sagt Bauer zunächst in <strong>der</strong><br />

Vorrede seiner „Kritik <strong>der</strong> evangelischen Geschichte <strong>der</strong> Synoptiker“:<br />

„Durchackern wir nur mit <strong>der</strong> Kritik den Boden <strong>der</strong> Geschichte; aus den<br />

Furchen wird <strong>der</strong> frische Lebensduft aufsteigen und <strong>der</strong> alte Boden, <strong>der</strong><br />

lange genug brach gelegen hat, wird neue Zeugungskraft entwickeln. Hat<br />

uns nur erst die Kritik wie<strong>der</strong> reinen Herzens und frei und sittlich gemacht,<br />

so wird das Neue nicht mehr fern sein.“ 427 Dann – nach <strong>der</strong> Umbildung<br />

dieser Kritik zur reinen Kritik – sagt zum Beispiel Bauers Mitstreiter<br />

Szeliga in <strong>der</strong> „Allgemeinen Literatur-Zeitung“: „Nein! Der Kritiker ist nicht<br />

Mann <strong>der</strong> Tat. Er hat nicht die närrische Einbildung, den Knoten zu lösen,<br />

wenn er ihn durchhaute gleich Alexan<strong>der</strong>. Er nimmt das Schwert daher


138<br />

gar nicht in die Hand; die Hand bleibt ihm überhaupt aus dem Spiele.<br />

Nicht mit roher Faust schlägt er drein, aber das Auge schlägt er frei auf<br />

und sieht – und sieht, wie ihr ihm die Praxis erspart und an euch selber<br />

genug zernichtet.“ 428<br />

Die Bestimmung „<strong>der</strong> Geschichte“ als Adressat und Subjekt <strong>der</strong> – von<br />

<strong>der</strong> Kritik vorzubereitenden – wirklichen Verän<strong>der</strong>ung ist nicht nur eine<br />

mechanisch-deterministische Hypostasierung, son<strong>der</strong>n beinhaltet auch<br />

eine Aporie: „die Geschichte“ würde „die Masse“ einschließen; die Masse<br />

wird als blind und unfähig zur kritischen Aufklärung angesehen, aber die<br />

befreiende Verän<strong>der</strong>ung des Bewusstseins soll die Voraussetzung realer<br />

Verän<strong>der</strong>ung sein. Die massenhafte Verän<strong>der</strong>ung des Bewusstseins wird<br />

also von Bauer zugleich als erfor<strong>der</strong>lich und unmöglich betrachtet. Marx<br />

dagegen geht nach seinem Bruch mit Bauer davon aus, dass die Theorie<br />

praktisch wirksam, zur „materiellen Gewalt“, wird, „sobald sie die Massen<br />

ergreift“ 429<br />

Der Geschichte die praktischen Konsequenzen <strong>der</strong> Kritik zu überlassen<br />

und die kritische Position <strong>der</strong> Überparteilichkeit, Neutralität und Objektivität<br />

einzunehmen, ist gleichbedeutend mit praktischer Toleranz gegenüber<br />

dem Bestehenden, das – auch wenn es wi<strong>der</strong>sprüchlich, unvernünftig und<br />

unmenschlich ist – unangetastet gelassen und nicht negiert wird. So ermöglicht<br />

die reine – vor dem Bestehenden als unauflösbarem Objekt praktisch<br />

resignierende – überparteiliche Kritik zum Beispiel die Gleichgültigkeit,<br />

den wirklich vorhandenen Gegensatz des Unterdrückers und des Unterdrückten<br />

auf <strong>der</strong> gleichen Stufe zu sehen. Die äußerste theoretische<br />

Opposition wird zur äußersten praktischen Position; die Resistenz gegen<br />

die Realität wird zur Kapitulation. Der Wi<strong>der</strong>spruch tritt an die Stelle des<br />

Wi<strong>der</strong>stands. Das heißt auch: die skeptizistische negative Dialektik, die<br />

radikal nur die qualitative Differenz und Diskontinuität hervorhebt,<br />

schlägt in praktischer Hinsicht um in die Affirmation nur quantitativ sich<br />

än<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Sachverhalte.<br />

Ungewollt kehrt sich gegen Bauers Kritik selbst, was er in <strong>der</strong> Rezension<br />

von Strauß’ „Glaubenslehre“ über die Theorie sagt: „Reine und wahre<br />

Theorie ist nur möglich zwischen Gleichen und Freien. In einem Zustande<br />

zum Beispiel, wo die Stände, die Geburtsunterschiede und Privilegien<br />

herrschen o<strong>der</strong> mit Gewalt restauriert werden sollen, ist die Theorie ein


139<br />

Verbrechen, weil sie sich zunächst als Kritik gegen diese natürlichen Unterschiede<br />

richten und die Gleichheit, die noch nicht vorhanden ist und im<br />

Gegenteil als Übel abgewehrt werden soll, wie<strong>der</strong>herstellen würde.“ 430<br />

Hieraus lässt sich folgern: die Beschränkung auf Theorie wie auf theoretische<br />

Kritik ist in Wahrheit erst gerechtfertigt, wenn die wirklichen Gegensätze<br />

und Partikularitäten praktisch zur Homogeneität verän<strong>der</strong>t sind,<br />

d. h. wenn im wesentlichen Gleichheit, Freiheit und Allgemeinheit bestehen.<br />

Auf diesem Niveau wäre die theoretische Kritik sogar die angemessene<br />

Methode des Verän<strong>der</strong>ns, d. h. des Aufdeckens und Überwindens noch<br />

vorhandener unwesentlicher Beschränkungen <strong>der</strong> individuellen Spontaneität.<br />

Der traditionelle Satz: nur Gleichartiges kann erkannt werden, ist<br />

auch so zu deuten: das Erkennen – als Verzicht auf das Eingreifen zugunsten<br />

des Begreifens – setzt Gleichartiges voraus. Der Gott des Aristoteles<br />

verhält sich theoretisch, insofern er autonom, bei sich selbst ist und<br />

von nichts Fremdartigem wirklich eingeschränkt wird. Bei Hegel triumphiert<br />

schließlich das absolute Wissen, insofern alles Fremdartige total<br />

vermittelt ist.<br />

Der scheinbaren Negation des Bestehenden korrespondiert bei Bauer<br />

die scheinbare Autonomie des Kritikers: wenn Bauer die praktischen Konsequenzen<br />

<strong>der</strong> nicht engagierten überparteilichen Kritik <strong>der</strong> Geschichte<br />

überlässt, so nimmt er an, dass das Subjekt <strong>der</strong> Kritik seinerseits nicht<br />

von <strong>der</strong> Geschichte vermittelt, son<strong>der</strong>n autonom und autark ist. Das konkrete<br />

kritisierende Individuum wird auf abstrakte Rationalität reduziert<br />

und als „tabula rasa“ behandelt, die frei von Bedürfnissen und<br />

von äußeren Einflüssen und Manipulationen ist und sich vermittels <strong>der</strong><br />

Anstrengung des kritischen Denkens gegenüber bestimmten andrängenden<br />

Inhalten rein erhalten und bei sich bleiben kann, und zwar als<br />

Grundsituation, nicht als zeitweiliges Ausweichen vor bedrohlichen unfreien<br />

äußeren Verhältnissen zum Zweck <strong>der</strong> inneren Bewahrung bestimmter<br />

Ideale, wie es zunächst scheinen mag, wenn Bauer rhetorisch fragt: „Wenn<br />

die bestehenden Verhältnisse <strong>der</strong> Idee vollständig wi<strong>der</strong>sprechen, wo kann<br />

die Idee dann an<strong>der</strong>s existieren, als in dem reinen Selbstbewusstsein, welches<br />

aus <strong>der</strong> Ver<strong>der</strong>bnis sich gerettet hat und die wahren Formen seiner<br />

Existenz als Ideale zunächst i eich trägt?


140<br />

Hat das Selbstbewusstsein eben als solches nicht das Recht, zu verlangen,<br />

dass es seine inneren Bestimmungen in den Gesetzen und Einrichtungen<br />

des Bestehenden wie<strong>der</strong>findet?“ 431<br />

Die positive Kehrseite <strong>der</strong> äußersten abstrakten theoretischen Opposition<br />

und des absoluten Sichverweigerns dar Kritik ist, dass das einheitliche<br />

Ziel <strong>der</strong> Kritik – sowohl <strong>der</strong> theologischen als auch <strong>der</strong> politischen – in allen<br />

Phasen ihrer Entwicklung bleibt, die Universalität <strong>der</strong> menschlichen<br />

Vernunft gegenüber je<strong>der</strong> Partikularität, Restriktion und Fixiertheit zu erreichen,<br />

in dieser Weise die menschliche Vernunft von <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit<br />

zu befreien und schließlich die Vereinzelung <strong>der</strong> Menschen aufzuheben.<br />

Von hier aus – eine Konsequenz <strong>der</strong> Hegelschen Erkenntnis, dass die<br />

Wahrheit das Ganze ist – ist auch zu verstehen, weshalb Bauer sich unter<br />

zunehmendem politischen Druck immer weiter von dem Engagement <strong>der</strong><br />

eingreifenden Praxis entfernt: die kritische Theorie gewährt eher den Anschein<br />

dieser negativen Freiheit von Beschränkungen und Voraussetzungen,<br />

zumal praktisch vollzogene Entscheidungen an<strong>der</strong>s als theoretische<br />

Unterscheidungen irreversibel sind; Gegensätze, die sich praktisch ausschließen,<br />

lassen sich theoretisch ausgleichen. 432 „Im Denken, im Schreiben,<br />

im feurigen Trieb <strong>der</strong> Kritik lebe ich nicht mehr <strong>für</strong> die Sekte und ihre<br />

beschränkten Voraussetzungen, son<strong>der</strong>n <strong>für</strong> die Gattung und ihre Freiheit.<br />

Das Denken ist <strong>der</strong> wahre Gattungsprozess, welche einen geistigen<br />

Menschen, ja erst die Menschheit selbst erzeugt.“ 433 In dieser Weise<br />

schließt sich Bauer an Hegels Bestimmung des Denkens an als „die Tätigkeit<br />

des Allgemeinen, das Allgemeine in seiner Tätigkeit, Wirksamkeit.“ 434<br />

Implizit liegt <strong>der</strong> Ausrichtung auf die theoretische Allgemeinheit und Freiheit<br />

<strong>der</strong> Zustand zugrunde, dass die praktischen Lebensverhältnisse noch<br />

die Sphäre <strong>der</strong> Partikularität und Kontingenz <strong>der</strong> Bedürfnisse und Interessen<br />

vereinzelter Individuen sind.<br />

Schon in <strong>der</strong> „Kritik <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Offenbarung“ (1838) – unmittelbar<br />

nach <strong>der</strong> Preisgabe seines in <strong>der</strong> von ihm redigierten „Zeitschrift <strong>für</strong><br />

spekulative Theologie“ und in den „Jahrbüchern <strong>für</strong> wissenschaftliche Kritik“<br />

gegen Strauß vertretenen apologetischen Standpunkts in <strong>der</strong> Religionsphilosophie<br />

435 – fasst Bauer das Alte und das Neue Testament als zwei<br />

bestimmte Entwicklungsstufen des menschlichen Geistes und zeitbedingte


141<br />

unangemessene Erscheinungen <strong>der</strong> absoluten Wahrheit auf, die auf Grund<br />

ihrer Relativität noch einen Wi<strong>der</strong>spruch in sich tragen („... Durch diese<br />

Natur ihres Inhalts verfällt die Offenbarung in Wi<strong>der</strong>sprüche“ 436 ).<br />

Wie Bauer weiter in einer Schrift gegen Hengstenberg ausführt, gilt ihm<br />

das jüdische Gesetz als „eine Schranke <strong>für</strong> den Gedanken des Universalismus“,<br />

die als solche im evangelischen Bewusstsein hervorgetreten sei. 437<br />

Im Verhältnis zum Judentum erreiche das Christentum eine „höhere Allgemeinheit“;<br />

den Gegensatz des Göttlichen und Menschlichen löse das<br />

christliche Bewusstsein auf, „ohne aus dieser Auflösung eine neue religiöse<br />

Trennung und Entfremdung hervorgehen zu lassen.“ 438<br />

Aber das als Rückzug aus <strong>der</strong> römischen Welt sich bildende Christentum<br />

– dessen Freiheit von natürlichen und nationalen Schranken sich in<br />

<strong>der</strong> griechischen und hellenistischen <strong>Philosophie</strong> ankündigt – hat <strong>für</strong> Bauer<br />

den Wi<strong>der</strong>spruch an sich, dass seine innere Freiheit „zugleich die Freiheit<br />

von den großen sittlichen Interessen <strong>der</strong> Welt überhaupt, von Kunst<br />

und Wissenschaft“ und als „übermenschliche Freiheit“ <strong>der</strong> „wahren<br />

menschlichen Freiheit“ entgegengesetzt sei 439 , so dass er die christliche<br />

Religion die „abstrakte Religion“ nennt, die einerseits „Natur und Kunst,<br />

Familie, Volk und Staat“ absorbierte, aber an<strong>der</strong>erseits das als einzige<br />

Macht übrig gebliebene leere allgemeine Ich nicht in seiner Macht anzuerkennen<br />

wagte, son<strong>der</strong>n „als eine fremde sich selbst gegenüberstellte und<br />

dieser Macht gegenüber in Furcht und Zittern <strong>für</strong> seine Erhaltung und Seligkeit<br />

arbeitete“, ohne die „reine und wahre Theorie“ zu erreichen. 440<br />

Vom gleichen Gesichtspunkt Partikularismus-Universalismus lässt sich<br />

Bauer auch in <strong>der</strong> Schrift über „Die Judenfrage“ leiten: die Emanzipation<br />

<strong>der</strong> Juden und <strong>der</strong> Christen als Christen – wie die Aufgabe aller religiösen<br />

und politischen Privilegien, Prärogativen und Monopole – liege im Interesse<br />

des allgemeinen Rechts des Menschen als Menschen, d. h. <strong>der</strong> Humanität,<br />

und <strong>der</strong> allgemeinen Theorie. „Als Menschen können sich Juden und<br />

Christen erst betrachten und gegenseitig behandeln, wenn sie das beson<strong>der</strong>e<br />

Wesen, welches sie trennt und zu ,ewiger Abson<strong>der</strong>ung‘ verpflichtet,<br />

aufgeben, das allgemeine Wesen des Menschen anerkennen und als ihr<br />

wahres Wesen betrachten.“ 441<br />

Die Judenfrage bildet <strong>für</strong> Bauer nur einen Teil des Gegensatzes zwischen<br />

<strong>der</strong> allgemeinen „wahren Theorie“ und <strong>der</strong> Praxis des „gewöhnlichen


142<br />

Lebens“. Nicht nur im christlichen preußischen Staat, son<strong>der</strong>n auch noch<br />

im „juste milieu“ Frankreichs nach <strong>der</strong> Julirevolution mit seiner Trennung<br />

von Kirche und Staat und mit gleichzeitiger praktischer Begünstigung <strong>der</strong><br />

christlichen Religion bestehe <strong>der</strong> „Wi<strong>der</strong>spruch <strong>der</strong> Freiheit in <strong>der</strong> Theorie,<br />

die sich in <strong>der</strong> Praxis desavouiert, und <strong>der</strong> Freiheit in <strong>der</strong> Praxis, die sich<br />

in <strong>der</strong> Theorie, im Gesetz verleugnet“ 442 , insofern das allgemeine Gesetz<br />

nicht die Freiheit von den bestimmten religiösen Gegensätzen, Parteiungen<br />

und Kollisionen des praktischen Lebens (zwischen Juden und Christen)<br />

durchsetzt, son<strong>der</strong>n diese duldet und deshalb unfrei ist.<br />

Hiermit zeigt sich, dass Bauer nicht nur die politische, son<strong>der</strong>n auch<br />

die allgemein menschliche Emanzipation anstrebt, mit <strong>der</strong> die Existenz von<br />

Partikularitäten unvereinbar ist. 443 Mit dem Ziel <strong>der</strong> praktischen Durchführung<br />

<strong>der</strong> menschlichen Emanzipation, des Humanismus, haben Bauer<br />

und Marx in formaler Hinsicht die gleiche Aufgabenstellung. Der inhaltliche<br />

Unterschied aber ist: <strong>für</strong> Bauer bleibt schließlich die menschliche Emanzipation<br />

vor allem religiöse Emanzipation und ist gleichbedeutend mit<br />

<strong>der</strong> politischen Emanzipation, während Marx dagegen in seiner Antwortschrift<br />

„Zur Judenfrage“ den politischen Staat selbst im Namen <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Emanzipation kritisiert („... so finden wir Bauers Fehler darin,<br />

dass er nur den ,christlichen Staats‘, nicht den ,Staat schlechthin‘ <strong>der</strong> Kritik<br />

unterwirft, dass er das Verhältnis <strong>der</strong> politischen Emanzipation zur<br />

menschlichen Emanzipation nicht untersucht und daher Bedingungen<br />

stellt, welche nur aus einer unkritischen Verwechselung <strong>der</strong> politischen<br />

Emanzipation mit <strong>der</strong> allgemein menschlichen erklärlich sind.“ 444 ) Dabei<br />

tritt bei Marx an Stelle des Gegensatzes politischer Staat –religiöses Leben<br />

(als Stufen <strong>der</strong> Entwicklung des Selbstbewusstseins) <strong>der</strong> Dualismus politischer<br />

Staat – bürgerliche Gesellschaft (als Resultat <strong>der</strong> realen Geschichte).<br />

Und die Methode <strong>der</strong> Negation <strong>der</strong> Spaltung, <strong>der</strong> Praktizierung <strong>der</strong><br />

menschlichen Emanzipation – des Humanismus – wird bei Marx anstelle<br />

<strong>der</strong> reinen Kritik des autonom Denkenden die sinnlich-gegenständliche<br />

Kritik <strong>der</strong> proletarischen Revolution.<br />

Somit bleibt Bauer in größerer Nähe zu Hegel: er erkennt einerseits wie<br />

dieser das partikulare „egoistische Treiben <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft“<br />

445 und erwartet an<strong>der</strong>erseits wie dieser seine Überwindung vom<br />

Staat als „objektive Existenz <strong>der</strong> Allgemeinheit des befreiten Selbstbe-


143<br />

wusstseins“: „Das letzte, aber freilich auch Schwierigste, was dem Staat...<br />

noch übrigbleibt, ist die Befreiung <strong>der</strong> bürgerlichen Heloten, welche täglich<br />

mit <strong>der</strong> Materie zu kämpfen haben, <strong>für</strong> das Allgemeine die Sinnlichkeit überwinden,<br />

ohne <strong>für</strong> ihre Person in diesem Kampfe des Allgemeinen, dem<br />

sie dienen, sich wahrhaft bewusst zu werden.“ 446<br />

Zwischen Bauer und Marx bestehen weitere formale Parallelen darin,<br />

dass <strong>für</strong> beide die Entmenschlichung und Entfremdung jeweils total, auf<br />

die Spitze getrieben, erscheinen muss, bevor sie umschlagen kann zur völligen<br />

Wie<strong>der</strong>aneignung des Menschen 447 , worin sich eine Gemeinsamkeit<br />

sowohl <strong>der</strong> idealistischen als auch <strong>der</strong> materialistischen Dialektik bekundet;<br />

ebenso ist ein gemeinsames Erbe <strong>der</strong> Hegelschen Maxime <strong>der</strong> „Durchführung“<br />

des Prinzips die Abneigung gegen „die Gleichgültigkeit gegen das<br />

Detail und die Verehrung <strong>der</strong> Phrase“ 448 sowie gegen die erbauliche salbungsvolle<br />

Abschwächung, Beschönigung, Einebnung und Harmonisierung<br />

von Gegensätzen. Weiter sind <strong>für</strong> Bauer und Marx nicht nur die Unterprivilegierten,<br />

son<strong>der</strong>n auch die Privilegierten selbst entfremdet. 449 Und<br />

beide stimmen überein in <strong>der</strong> Auffassung, dass die Kritik <strong>der</strong> Religion beendet<br />

sei. Im übrigen kommt Bauer Marx’ Auffassung von dem Zusammenhang<br />

zwischen gesellschaftlicher und religiöser Entfremdung nahe<br />

(und beleuchtet gleichzeitig seinen Kampf gegen die Religion), wenn er<br />

sagt: „Das religiöse Vorurteil ist die Basis des bürgerlichen und politischen,<br />

aber die Basis, die das letztere, wenn auch bewusstlos, sich selbst<br />

gegeben hat. Das bürgerliche und politische Vorurteil ist <strong>der</strong> Kern, den das<br />

religiöse nur umschließt und schützt. Die Methode des Kampfs gegen die<br />

bürgerliche und politische Unterdrückung, wie ihn die Geschichte bisher<br />

geführt hat..., bestand daher darin, dass die religiöse Voraussetzung jener<br />

Unterdrückung angegriffen und aufgelöst wurde.“ 450<br />

Indem Bauer mit Hilfe seiner Kritik die Destruktion je<strong>der</strong> fixen Partikularität<br />

<strong>der</strong> geschichtlichen Entwicklung des Selbstbewusstseins anstrebt,<br />

geht es ihm zugleich um die fortschreitende Entfaltung <strong>der</strong> menschlichen<br />

Möglichkeiten in ihrer Totalität. In Übereinstimmung mit <strong>der</strong> Hegelschen –<br />

von Her<strong>der</strong> ausgehenden – Erkenntnis betont Bauer: „Der Mensch ist als<br />

Mensch kein Naturprodukt, son<strong>der</strong>n das Werk seiner eigenen Freiheit.<br />

Menschen werden nicht geboren, son<strong>der</strong>n gebildet.“ 451 Kritik und Selbstverwirklichung<br />

des Menschen gehören also zusamen. Dies ist in formaler


144<br />

Hinsicht die gemeinsame Auffassung aller Junghegelianer. Insofern weiter<br />

die durch Kritik vorangetriebene Selbstverwirklichung als Entwicklung des<br />

Ganzen die Wahrheit ist, lassen sich Kritik, Selbstverwirklichung und<br />

Wahrheit zusammenfassen und kann Bauer sagen: „... die Wahrheit ist<br />

nicht, sie wird nur, sie ist also nur in <strong>der</strong> Geschichte und durch die Geschichte,<br />

in <strong>der</strong> Kritik und durch die Kritik.“ 452


145<br />

VII. Stirners anarchistische Konzeption <strong>der</strong> egoistischen Revolte und<br />

des willkürlichen Denkens<br />

Der extremen Abstraktion des Allgemeinen in <strong>der</strong> kritischen Theorie<br />

Bauers setzt Max Stirner die extreme Abstraktion des einzelnen entgegen.<br />

Um die wirkliche Vereinzelung und den Egoismus zu überwinden, verzichtet<br />

Bauer asketisch – die Vertröstungen <strong>der</strong> jakobinischen Tugendlehre<br />

wie<strong>der</strong>holend unbekümmert um Heines For<strong>der</strong>ung nach dem „Wohlsein<br />

<strong>der</strong> Materie“ – auf die individuelle Freiheit und das Glück des einzelnen<br />

zugunsten des Allgemein-Vernünftigen; um die individuelle Freiheit und<br />

das Glück des einzelnen zu erreichen, verwirft Stirner hedonistisch das<br />

Allgemein-Vernünftige zugunsten <strong>der</strong> wirklichen Vereinzelung und des Egoismus.<br />

We<strong>der</strong> Bauer noch Stirner gewinnt eine Konzeption eines allgemein<br />

vernünftigen objektiven Glücks und einer verbindlichen Freiheit.<br />

Wie aus dem Aufbau seines Hauptwerkes „Der Einzige und sein Eigentum“<br />

(1844) hervorgeht, sieht Stirner in Bauer – wie er Mitglied <strong>der</strong> Berliner<br />

„Freien“ 453 – seinen unmittelbaren Vorgänger, aus dessen Konzeption<br />

er die Konsequenzen zieht: bevor Stirner im zweiten Teil unter <strong>der</strong> Überschrift<br />

„Ich“ seine eigene Anschauung entwickelt, behandelt er am Schluss<br />

des ersten Teils, betitelt „Der Mensch“, Bauers „humanen Liberalismus“.<br />

Während Bauer die Partikularität mittels <strong>der</strong> permanenten „reinen Kritik“<br />

in die Universalität des Humanismus aufheben will, spitzt Stirner – in<br />

dem Bestreben radikaler Destruktion <strong>der</strong> Substantialität o<strong>der</strong> Objektivität<br />

– in seiner „interessierten Kritik“ 454 die Partikularität zur Singularität<br />

des Ichs zu. Stirner geht zurück auf das Individuum, den „Einzigen“, <strong>der</strong><br />

jeden an<strong>der</strong>en ausschließt und unvergleichlich ist: „Man soll sich nicht <strong>für</strong><br />

,etwas Beson<strong>der</strong>es‘ halten, wie z.B. Jude o<strong>der</strong> Christ. Nun, Ich halte Mich<br />

nicht <strong>für</strong> etwas Beson<strong>der</strong>es, son<strong>der</strong>n <strong>für</strong> einzig. Ich habe wohl Ähnlichkeit<br />

mit An<strong>der</strong>n; das gilt jedoch nur <strong>für</strong> die Vergleichung o<strong>der</strong> Reflexion; in <strong>der</strong><br />

Tat hin ich unvergleichlich, einzig.“ 455<br />

Alle notwendigen Beziehungen <strong>der</strong> Individuen untereinan<strong>der</strong> lässt Stirner<br />

zusammen schrumpfen in einer „Nullpunktexistenz“, in dem Punkt <strong>der</strong><br />

Identität des jeweiligen Individuums, das – wie jedes Objekt des Universums<br />

– gemäß dem Leibnizschen „principium identitatis indiscernibilium“<br />

mit nichts an<strong>der</strong>em gänzlich übereinstimmt. Wegen <strong>der</strong> Einzigkeit <strong>der</strong> In-


146<br />

dividuen und des Fehlens eines „tertium comparationis“ zwischen ihnen<br />

will Stirner nicht einmal die Anwendung <strong>der</strong> Kategorie des Gegensatzes auf<br />

sie zulassen. Dementsprechend anerkennt er auch keine überpersönlichen<br />

sachlichen sich verselbständigenden Zwänge, durch die die ungeschichtlichen,<br />

traditions- und zukunftslosen Monaden miteinan<strong>der</strong> vermittelt wären.<br />

Gemessen am einzelnen leibhaftigen vergänglichen Individuum gelten<br />

Stirner die menschliche Gesellschaft und das allgemeine Selbstbewusstsein<br />

in Bauers Kritik sowie <strong>der</strong> Staat und das Recht in <strong>der</strong> Lehre des politischen<br />

Liberalismus und die sozialistische Gesellschaft in <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong><br />

utopischen Kommunisten – ebenso wie Hegels Weltgeist und Feuerbachs<br />

Gattungswesen – als Scheinexistenz, als illusionärer „Geist“ und fiktive<br />

„Idee“, als „Fremdes“, „Heiliges“, „Gespenst“ und Residuum des religiösen<br />

Glaubens an das Jenseits.<br />

Somit ist <strong>für</strong> Stirner <strong>der</strong> Hauptmangel auch <strong>der</strong> Bauerschen Kritik,<br />

dass sie auf dem Boden des Gedankens und in seiner Abhängigkeit bleibt,<br />

obgleich sie antidogmatisch ist, insofern sie alle gedanklichen Fixierungen<br />

unaufhörlich im Denkprozess auflöst: „Die Denkfreiheit ist hierdurch in<br />

<strong>der</strong> Tat vollkommen geworden, die Geistesfreiheit feiert ihren Triumph:<br />

denn die einzelnen, die ,egoistischen‘ Gedanken verloren ihre dogmatische<br />

Gewalttätigkeit. Es ist nichts übriggeblieben als das – Dogma des freien<br />

Denkens o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kritik.“ 456 Umgekehrt ist <strong>für</strong> Bauer Stirners „Einziger“<br />

<strong>der</strong> „letzte Zufluchtsort in <strong>der</strong> alten Welt“ <strong>der</strong> Herrschaft <strong>der</strong> Substanz. 457<br />

Diese Kritik an Bauer übt Stirner noch nicht in seiner Rezension <strong>der</strong><br />

„Posaune“, in <strong>der</strong> er beson<strong>der</strong>s mit Bauers Entgegensetzung von Religion<br />

und <strong>Philosophie</strong> übereinstimmt. 458 Ebenso anerkennt er noch Bauers und<br />

Feuerbachs Humanismus im von <strong>der</strong> Zensur verbotenen „Gegenwort“<br />

(1842), worin er im Namen des „reinen“ o<strong>der</strong> „wahrhaft“ Menschlichen polemisiert<br />

und die Erweckung des Bewusstseins über die „voraneilenden<br />

Taten“ verlangt: „Die Gegenwart for<strong>der</strong>t das rein Menschliche, das allein<br />

das wahrhaft Göttliche ist, sie for<strong>der</strong>t nicht Frömmigkeit, son<strong>der</strong>n Sittlichkeit<br />

und Vernünftigkeit... Begeisterung <strong>für</strong> die ewig gegenwärtige Welt des<br />

Wollens und Handelns, nicht blind ergebene Sehnsucht nach dem Jenseits.“<br />

459 Aber in dem wenige Monate später in <strong>der</strong> „Rheinischen Zeitung“<br />

veröffentlichten Artikel über „Das unwahre Prinzip unserer Erziehung o<strong>der</strong>


147<br />

<strong>der</strong> Humanismus und Realismus“ nähert sich Stirner schon weitgehend<br />

dem Standpunkt seines Hauptwerks.<br />

Während Bauers Kritik auf <strong>der</strong> Ebene des Gedankens bleibt, ist das<br />

„Ich“ nach Stirners Anspruch kein Gedanke. Das „Ich“ ist als das Einmalige,<br />

Einzige, „solus ipse“, das Unausdrückbare, „ineffabile“ (und im Verhältnis<br />

zum allgemeinen Wesen des Menschen <strong>der</strong> „Unmensch“), das sich<br />

in Wahrheit nicht durch philosophische Theorie näher entwickeln und<br />

bestimmen lässt, son<strong>der</strong>n nur tautologische Urteile zulässt: „An Mir, dem<br />

Unnennbaren, zersplittert das Reich <strong>der</strong> Gedanken, des Denkens und des<br />

Geistes.“ 460 Das Individuum ist gegenüber je<strong>der</strong> Prädizierung inkommensurabel<br />

und liegt je<strong>der</strong> gedanklichen Konstruktion voraus; es ist in diesem<br />

Sinne alogisch, irrational. Allgemeine Aussagen treffen zwar nach Stirner<br />

bestimmte Seiten am Individuum – zum Beispiel „das Menschliche“ –, aber<br />

nicht das, was dieses konstituiert. 461<br />

Dass das leibhaftige „Ich“, über das Stirner spricht, sich nicht stumm<br />

zeige, son<strong>der</strong>n auch nur wie<strong>der</strong>um – wie sein Prädikat „Einziges“ – ein allgemeiner<br />

Gedanke sei und Stirners Individualismus ein Dogma sei, wenden<br />

gegen Stirner Szeliga, Heß, Kuno Fischer und Karl Schmidt ein. 462<br />

Aber Stirner ist zuzugestehen, dass sein „Ich“ und sein Individualismus<br />

we<strong>der</strong> Dogma noch Prinzip o<strong>der</strong> Kategorie im eigentlichen Sinne sind, son<strong>der</strong>n<br />

inhaltlose nichtssagende „Phrase“, „flatus linguae“ in nominalistischer<br />

Bedeutung. Stirner kann seinen Kritikern nämlich entgegenhalten:<br />

„Was Stirner sagt, ist ein Wort, ein Gedanke, ein Begriff, was er meint, ist<br />

kein Wort, kein Gedanke, kein Begriff. Was er sagt, ist nicht das Gemeinte,<br />

und was er meint, ist unsagbar.“ 463<br />

Während <strong>für</strong> Bauer die gedankliche Kritik die unerlässliche Vorbedingung<br />

wirklicher Befreiung ist, befreit sich nach Stirner das unsagbare Ich<br />

von allen Entfremdungen und Scheinexistenzen und wird <strong>der</strong> „Eigner“ seiner<br />

selbst durch „Nichtphilosophie“, d. h. durch Sprachloswerden, Gedankenlosigkeit<br />

und Unbedenklichkeit. Wenn es dennoch nicht auf das Denken<br />

verzichtet, so erhält doch das Denken den Rang <strong>der</strong> Gedankenlosigkeit;<br />

es wird degradiert zu einer „Sache des egoistischen Beliebens, einer<br />

Sache des Einzigen, gleichsam zu einer bloßen Kurzweil o<strong>der</strong> Liebhaberei“,<br />

zu einem Denken, „welches nicht Mich leitet, son<strong>der</strong>n von Mir geleitet,<br />

fortgeführt o<strong>der</strong> abgebrochen wird, je nach meinem Gefallen... Das


148<br />

,absolute Denken‘ ist dasjenige Denken, welches vergisst, dass es mein<br />

Denken ist, dass Ich denke und dass es nur durch Mich ist. Als Ich aber<br />

verschlinge Ich das Meinige wie<strong>der</strong>, bin Herr desselben, es ist nur meine<br />

Meinung, die ich in jedem Augenblicke än<strong>der</strong>n, d. h. vernichten, in Mich<br />

zurücknehmen und aufzehren kann.“ 464 Stirner verabsolutiert somit die<br />

Tatsache, dass sich in <strong>der</strong> Tätigkeit des Denkens das Moment des Willens<br />

insofern findet, als wir uns willentlich auf theoretische Überlegungen konzentrieren<br />

und absichtlich allgemeine gedankliche Inhalte einprägen und<br />

lernen sowie reproduzieren können. Stirner abstrahiert und verabsolutiert<br />

die richtungsweisende und auswählende Aktivität <strong>der</strong> Aufmerksamkeit, die<br />

die theoretische Aufnahme des objektiven Inhalts begleitet. (Schon die<br />

„sensation“, die Sinneswahrnehmung, ist, wie Locke zeigte, im Gegensatz<br />

zu <strong>der</strong> „reflection“, <strong>der</strong> Introspektion, nicht nur vom Willen abhängig.)<br />

In dem Bestreben, das überpersönliche Denken, das Denken als „eigene<br />

handelnde Persönlichkeit“ – beson<strong>der</strong>s die Selbstbewegung des absoluten<br />

Geistes in <strong>der</strong> Hegelschen Spekulation zu negieren, macht Stirner das einzelne<br />

unvermittelte scheinbar autarke Ich – abgetrennt von Geschichte<br />

und Gesellschaft zum Herrn, Schöpfer und „Eigentümer“ des Denkens, so<br />

dass dieses im Ich seine einzige Voraussetzung hat, nur dessen selbst gestellte<br />

„private“ Aufgaben betrifft und zu dessen „Selbstgenuss“ und<br />

Machtausübung dient. „Für mein Denken ist... <strong>der</strong> Anfang nicht ein Gedanke,<br />

son<strong>der</strong>n Ich, und darum bin Ich auch sein Ziel, wie denn sein ganzer<br />

Verlauf nur ein Verlauf meines Selbstgenusses ist; <strong>für</strong> das absolute<br />

o<strong>der</strong> freie Denken ist hingegen das freie Denken selbst <strong>der</strong> Anfang...“ 465<br />

Das Denken wird bei Stirner zu einer Funktion und einem Instrument <strong>der</strong><br />

Willkür des individuellen Willens.<br />

Mit diesem Voluntarismus wird Hegels dialektische Verknüpfung von<br />

Geist und Willen – die Bestimmung des Willens als die Entäußerung des<br />

Geistes – aufgelöst, d. h. die Grundlage <strong>der</strong> Hegelschen Konzeption <strong>der</strong><br />

Einheit von Theorie und Praxis, von Innen und Außen, zerstört, und damit<br />

zugleich <strong>der</strong> Geschichte die Vernünftigkeit aberkannt. Infolgedessen können<br />

die individuellen Willenshandlungen nicht mehr so verstanden werden,<br />

dass sie die Freiheit des subjektiven, objektiven und absoluten Geistes<br />

verwirklichen.


149<br />

Den individuellen, endlichen, beschränkten Willen spielt Stirner gegen<br />

das Wissen schon in dem Artikel „Das unwahre Prinzip unserer Erziehung<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Humanismus und Realismus“ aus. Hierin for<strong>der</strong>t er die Zurückführung<br />

des Wissens auf das Wollen: „... das Wissen muss sterben, um als<br />

Wille wie<strong>der</strong> aufzuerstehen und als freie Person sich täglich neu zu schaffen.“<br />

466 An die Stelle <strong>der</strong> exklusiven gelehrten humanistischen formellen<br />

Bildung und <strong>der</strong> nachrevolutionären allen zugänglichen praktischrealistischen<br />

materiellen Bildung habe die „persönliche und freie“ Bildung<br />

zu treten, die – ohne „Dressur“ und Autorität – die Selbständigkeit und<br />

Selbstbetätigung <strong>der</strong> Individuen anziele und damit die „höchste Praxis...,<br />

dass ein Mensch sich selbst offenbart“. In <strong>der</strong> wie<strong>der</strong> erreichten „Naivität“<br />

höre dann das Wissen auf, „ein Haben und Besitz“ zu sein (was auch <strong>für</strong><br />

Burckhardt und Nietzsche ein Kennzeichen <strong>der</strong> von ihnen bekämpften historischen<br />

Bildung ist), hafte nicht an Objekten, son<strong>der</strong>n konzentriere sich<br />

auf die vergängliche „Existenz“ 467 und schwinde in „dem unsichtbaren<br />

Punkt des Ichs“ zusammen, das das „schöpferische Nichts“ sei. 468<br />

Dieser irrationale Voluntarismus scheidet also das Dass vom Was, negiert<br />

jede allgemeine objektive Vernünftigkeit und Gesetzlichkeit, verabsolutiert<br />

das Individuelle, Einmalige, Faktische und muss somit zur Konsequenz<br />

haben, dass <strong>der</strong> einzelne Mensch – theoretisch desorientiert – auf<br />

Grund einer unbegründbaren absoluten bodenlosen Entscheidung handelt<br />

und gleichsam von Anfang an in <strong>der</strong> Grube des Thales liegt. Dagegen wies<br />

Hegel gerade auf, dass kein Individuum isoliert <strong>für</strong> sich existiert, das nicht<br />

vom Allgemeinen durchdrungen wäre.<br />

Ohne den Begriff des konkreten Allgemeinen zu behandeln, fasst Stirner<br />

das Allgemeine, das er als Entfremdung perhorresziert, von vornherein<br />

nur als abstraktes Ideal und Normativ (<strong>der</strong> uneigennützigen Hingabe und<br />

Aufopferung) außerhalb des Individuellen. Er nähert sich dem Sensualismus<br />

Lockes, insofern auch <strong>für</strong> diesen – in <strong>der</strong> Nachfolge des franziskanischen<br />

Scholastikers Duns Scotus – die Universalien nicht zur realen Existenz<br />

hinzu gehören, son<strong>der</strong>n Verstandeserfindungen sind, „the inventions<br />

and creatures of the un<strong>der</strong>standing, made by it for its own use, and concern<br />

only signs, whether words or ideas.“ 469 Auch <strong>für</strong> Nietzsche sind Begriffe<br />

„konventionelle Fiktionen“; aber er leitet ihre Herkunft von vitalen Bedürfnissen<br />

ab und sieht als ihr Kriterium an, ob sie „lebensför<strong>der</strong>nd“ und


150<br />

„arterhaltend“ sind. 470 Infolgedessen findet hier ein Vergleich mit Stirner,<br />

wie er oft angestellt wird, seine Grenze. Darüberhinaus ist Stirners frühbürgerliches<br />

Einzelgängertum jenseits von Christentum und Sozialismus<br />

ein negativ heldisches Sektierertum und noch nicht mit <strong>der</strong> Entschlossenheit<br />

zu heroischem Leben und elitärer Herrschaft verbunden.<br />

Wer auf dem Boden des Allgemeinen bleibt, setzt nach Stirner in säkularisierter<br />

Gestalt das christliche Liebesprinzip, das „wahre Sozialprinzip“,<br />

fort, das gegenüber dem Egoismus in Bauers „dienstbarer“ kritischer Theorie<br />

„zum reinsten Vollzug“ komme. 471 Schon in dem Artikel „Einiges Vorläufige<br />

vom Liebesstaat“ stellt Stirner einan<strong>der</strong> gegenüber die entfremdete<br />

Tätigkeit, die auf <strong>der</strong> Liebe gründet, sich nach an<strong>der</strong>en Menschen richtet<br />

und in dieser Weise heteronom ist, und die gleichsam passionslose Tätigkeit,<br />

die insofern autonom ist, als sie aus <strong>der</strong> Selbstsucht entspringt, und<br />

die er deutet als absolute Selbstbestimmung, spontane Selbstschöpfung<br />

und Souveränität in <strong>der</strong> Willkür des Willens: „... <strong>der</strong> Liebende lässt sich<br />

bestimmen, bestimmen durch den Geliebten. Der freie Mensch dagegen<br />

bestimmt sich we<strong>der</strong> durch noch <strong>für</strong> einen an<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n rein aus sich;<br />

er vernimmt sich und findet in diesem Selbstvernehmen den Antrieb zur<br />

Selbstbestimmung: nur sich vernehmend, handelt er vernünftig und<br />

frei.“ 472 (In <strong>der</strong> Tat bezeugt die Liebe, dass das Individuum sich nicht absolut<br />

selbst bestimmt und nicht in Stirners Sinne Schöpfer und Geschöpf<br />

ineins ist.) In Hinblick auf die so als Willkür verstandene Freiheit des Individuums<br />

verurteilt Stirner sowohl den christlichen Staat <strong>der</strong> Liebe als<br />

auch den nachrevolutionären Staat mit seinem Prinzip <strong>der</strong> Gleichheit und<br />

allgemeinen Freiheit, die beide die Autarkie des einzelnen Willen einschränken.<br />

Damit kehrt sich Stirner – im Gegensatz zu den an<strong>der</strong>en Junghegelianern<br />

– gänzlich von Hegels Erkenntnis ab, dass das Individuum sich nicht<br />

verwirklichen kann, wenn es die objektive Stufe <strong>der</strong> geschichtlichen und<br />

gesellschaftlichen Notwendigkeiten zu überspringen sucht, dass die Willkür,<br />

die auf einen zufälligen Inhalt gerichtet ist, nur die abstrakte inhaltslose<br />

Freiheit ist, und dass die konkrete Freiheit in einem praktischen und<br />

theoretischen Vermittlungs- und Bildungsprozess errungen werden muss,<br />

in dem das Subjekt niemals so expansiv wird, dass es sich nicht auch als<br />

Objekt erführe.


151<br />

Vom Standpunkt <strong>der</strong> „schöpferischen Allmacht“ des Individuums aus<br />

betrachtet Stirner ebenfalls in seiner Rezension „Das Mysterien von Paris.<br />

Von Eugène Sue“ (ein Roman, <strong>der</strong> auch von Szeliga in Bauers „Allgemeiner<br />

Literatur-Zeitung“ und darauf von Marx und Engels in <strong>der</strong> „Heiligen Familie“<br />

behandelt wird) Liebe, Tugend, Sittlichkeit, „philanthropische Reformtätigkeit“<br />

und den „Kultus des Guten“ – in <strong>der</strong> gleichen Weise wie die Fixierung<br />

an das Laster – als Entfremdungen, die das soziale Elend nicht beseitigen<br />

können. „Nicht krank ist unsere Zeit, um geheilt zu werden, son<strong>der</strong>n<br />

alt ist sie und ihr Stündchen hat geschlagen.“ 473<br />

Das heißt <strong>für</strong> Stirner in seinem Hauptwerk: <strong>der</strong> Egoismus muss an die<br />

Stelle des Idealismus treten, <strong>der</strong> gekennzeichnet wird durch Abhängigkeit<br />

von den Gedanken. Dieser christlich-neuzeitliche Idealismus folgt in Stirners<br />

negativ-dialektischer Konstruktion <strong>der</strong> Geschichte auf den Realismus<br />

des Altertums, <strong>der</strong> durch Abhängigkeit von den Dingen definiert wird. In<br />

dieser Weise schematisiert Stirner den – implizit teleologisch gedeuteten –<br />

Verlauf <strong>der</strong> Geschichte in Analogie zu den Bewusstseinsstufen <strong>der</strong> Lebensalter<br />

und in Abän<strong>der</strong>ung ihrer Einteilung durch Hegel: „Knaben hatten<br />

nur ungeistige, d. h. gedankenlose und ideenlose, Jünglinge nur geistige<br />

Interessen; <strong>der</strong> Mann hat leibhaftige, persönliche, egoistische Interessen.“<br />

474 Stirner denkt nicht daran, an die Stelle einer negierten Abhängigkeit<br />

von Gedanken und Dingen die Abhängigkeit in Gestalt <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit<br />

anzuerkennen.<br />

In Stirners Ansicht, dass das mannhafte egoistische scheinbar autarke<br />

Individuum, das sich von den idealistischen Entfremdungen befreit hat, in<br />

jedem Augenblick vollkommen Mensch ist, ohne reale unentfaltete Möglichkeiten,<br />

unerschlossene Kapazitäten, aktualisieren und vergegenständlichen<br />

zu müssen („Wir sind allzumal vollkommen! Denn wir sind jeden<br />

Augenblick alles“ 475 ), das heißt: in Stirners Gleichsetzung von Dasein und<br />

Wesen dokumentiert sich am deutlichsten die Auflösung des Hegelianismus<br />

und <strong>der</strong> aus seinem Geiste geborenen Kritik; denn alle Dialektik und<br />

subjektive sowie objektive Kritik (ebenso wie alle Hoffnung und bestimmte<br />

For<strong>der</strong>ung) basieren auf <strong>der</strong> Entzweiung, d. h. auf <strong>der</strong> Differenz zwischen<br />

Rationalem und Realem, zwischen Wesen und Erscheinung, Begriff und<br />

Existenz, Möglichem und Wirklichem, so dass <strong>der</strong> Kritiker verwandt erscheint<br />

mit dem sentimentalischen Dichter im Schillerschen Sinne, <strong>der</strong> –


152<br />

im Gegensatz zu dem als „ungeteilte Einheit“ wirkenden naiven Dichter –<br />

die verlorene Einheit „aus sich selbst wie<strong>der</strong>herzustellen“ und die Beschränktheit<br />

in einem unendlichen Prozess zu überwinden sucht; Stirner<br />

kann dagegen nicht die Phantasie gegen die Realität mobilisieren.<br />

Ausdrücklich verwirft Stirner den Begriff <strong>der</strong> realen Möglichkeit, <strong>der</strong><br />

Dynamis im Unterschied zur Energeia: „Möglichkeit und Wirklichkeit fallen<br />

zusammen.“ 476 Für ihn ist also Möglichkeit nur im Kantischen Sinne<br />

das wi<strong>der</strong>spruchsfrei Denkbare; und er würde in <strong>der</strong> Kontroverse des Aristoteles<br />

mit den Megarikern in dieser Frage <strong>der</strong> realen o<strong>der</strong> formalen Möglichkeit<br />

auf <strong>der</strong>en Seite stehen.<br />

Stirner reduziert den Menschen auf die Stufe von Pflanzen und Tieren:<br />

„Ein Mensch ist zu nichts ,berufen‘ und hat keine ,Aufgabe‘, keine<br />

,Bestimmung‘, so wenig als eine Pflanze o<strong>der</strong> ein Tier einen ‚Beruf‘ hat...<br />

Wie nun diese Rose von vornherein wahre Rose, diese Nachtigall stets<br />

wahre Nachtigall ist, so bin Ich nicht erst wahrer Mensch, wenn ich meinen<br />

Beruf erfülle, meiner Bestimmung nachlebe, son<strong>der</strong>n von Haus<br />

,wahrer Mensch‘.“ 477 Stirner gibt damit die von Her<strong>der</strong> begründete und von<br />

Hegel vertiefte geschichtliche Anthropologie preis, die auf Grund <strong>der</strong> Analyse<br />

<strong>der</strong> geistig-leiblichen Konstitution des Menschen zu <strong>der</strong> Erkenntnis<br />

kommt, dass <strong>der</strong> Mensch nicht fertig, festgestellt und einfach vorgegeben<br />

ist, son<strong>der</strong>n dass er aufgegeben und Resultat dessen ist, wozu er sich verwirklicht<br />

und bestimmt.<br />

Implizit führt Stirner aber selbst eine Unterscheidung zwischen Sein<br />

und Sollen durch seinen Entwurf <strong>der</strong> „Empörung“ ein. 478 Mittels <strong>der</strong> Empörung<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> individuellen Revolte solle sich <strong>der</strong> einzelne befreien von<br />

dem „Druck <strong>der</strong> Verhältnisse“ und <strong>der</strong> Vormundschaft aller allgemeinen<br />

Instanzen <strong>der</strong> Restriktion und Repression, die ihn gleichsam von <strong>der</strong> ersten<br />

Person zur dritten machen und in den Akkusativ setzen. Das monolithische<br />

Verhalten wird rissig.<br />

Diese Revolte des neinsagenden unbotmäßigen und ungeselligen Dissidenten,<br />

des Individuums, das die angeschulte Geduld und Anstelligkeit<br />

verloren hat, ist keine politische o<strong>der</strong> soziale Insurrektion, son<strong>der</strong>n ein antikonventioneller<br />

Protest als eine Aktion <strong>der</strong> Selbstbefreiung, die we<strong>der</strong><br />

göttliche Gnade noch menschliche Teilnahme erhofft. Ausdrücklich unterscheidet<br />

sie Stirner von <strong>der</strong> Revolution unter dem Aspekt, dass die Revolu-


153<br />

tion nur den Bürger, nicht aber das Individuum befreie und dass die Revolte<br />

keine neuen Einrichtungen an die Stelle <strong>der</strong> bekämpften bestehenden<br />

setzen wolle. 479 Stirner will sich überhaupt keiner politisch-sozialen Organisation<br />

anschließen und an keine vorliegenden Voraussetzungen anknüpfen,<br />

also keine auch nur partielle Identifikation mit den bestehenden Verhältnissen<br />

eingehen, d. h. keine vermittelnden Kompromisse schließen,<br />

son<strong>der</strong>n alternativ „alles o<strong>der</strong> nichts“ (was auf pädagogischpsychologischer<br />

Ebene vergleichbar ist mit <strong>der</strong> Haltung <strong>der</strong> totalen Distanzierung<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> von den Eltern als das eine Extrem zu dem an<strong>der</strong>en<br />

Extrem <strong>der</strong> totalen Identifizierung, die beide die Mitte <strong>der</strong> mit Selbstbehauptung<br />

verbundenen Anerkennung verfehlen, o<strong>der</strong> was auf ökonomischer<br />

Ebene vergleichbar ist mit <strong>der</strong> Negation <strong>der</strong> Komplementarität von<br />

Stabilität und Flexibilität).<br />

Dieser unpolitische antiinstitutionelle kompromisslos destruktive Anarchismus<br />

Stirners ist somit zu unterscheiden vom Typ des kollektivsozietären<br />

Anarchismus vor allem Proudhons, Bakunins, Kropotkins und<br />

an<strong>der</strong>er, <strong>der</strong>en Anhänger als „libertäre“ Sozialisten auftreten gegen die „autoritären“<br />

und „doktrinären“ „Staatssozialisten“ 480 (und den Marx in <strong>der</strong><br />

ersten Internationale bekämpft und Lenin als „linken Radikalismus, die<br />

Kin<strong>der</strong>krankheit des Kommunismus“, zurückweist 481 ). Stirner verbindet<br />

aber mit den meisten Anarchisten – außer <strong>der</strong> Ablehnung jedes Staates als<br />

totalitär – die Negation aller bürokratisch-administrativen Apparate, aller<br />

disziplinierten und hierarischen Organisationen sowie aller etablierten Privilegien.<br />

(Wie <strong>der</strong> Anarchismus in Chauvinismus umschlagen kann, findet<br />

sich literarisch dargestellt in Arno Holz’ Drama „Sozialaristokraten“.)<br />

Die individuelle Revolte setzt Stirner gleich mit dem Krieg aller gegen alle.<br />

In ihm gilt die egoistische Maxime des amoralischen Verfolgens <strong>der</strong> jeweils<br />

eigenen Interessen und <strong>der</strong> gewaltsamen usurpatorischen Aneignung<br />

„Greife zu und nimm, was Du brauchst... Ich allein bestimme darüber,<br />

was ich haben will.“ 482 Mit Hilfe dieser Praxis <strong>der</strong> Revolte, nicht aber nach<br />

den Anleitungen <strong>der</strong> utopischen Sozialisten und Kommunisten, lasse sich,<br />

so behauptet Stirner, auch die Eigentumsfrage lösen: „Die Armen werden<br />

nur frei und Eigentümer, wenn sie sich – empören, emporbringen, erheben.“<br />

483 Noch im Namen <strong>der</strong> Vernunft dagegen for<strong>der</strong>t William Godwin unter<br />

dem Einfluss <strong>der</strong> von ihm übersetzten französischen Enzyklopädisten


154<br />

in seiner Schrift „Enquiry concerning political justice and its influence on<br />

general virtue and happiness“ (1793) den freiwilligen Ausgleich des Einkommens<br />

und des Eigentums, des „Schlusssteins“ am „Gebäude <strong>der</strong> politischen<br />

Gerechtigkeit.“ Während <strong>für</strong> Hegel <strong>der</strong> Egoismus <strong>der</strong> konkurrierenden<br />

Privatinteressen nur die bürgerliche Gesellschaft, das „System <strong>der</strong><br />

Bedürfnisse“, bestimmt, im Staat aber mit den Allgemeininteressen versöhnt<br />

wird, gewinnt <strong>für</strong> Stirner <strong>der</strong> Egoismus – in Gestalt <strong>der</strong> individuellen<br />

Revolte – als scheinbar natürliche Konstante und invariante Struktur des<br />

Menschen universale Bedeutung. Stirner selbst will allerdings nicht wahrhaben,<br />

dass er nur die von Hegel analysierten – geschichtlich gewordenen<br />

– schon vorhandenen Triebfe<strong>der</strong>n <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft verabsolutiert.<br />

Er beruft sich dabei darauf, dass in <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft die<br />

egoistischen Beziehungen <strong>der</strong> Menschen untereinan<strong>der</strong> noch entfremdet<br />

seien, d. h. allgemein-rechtlich vermittelt und von Staats wegen sanktioniert<br />

seien statt ausschließlich auf Gewalt zu beruhen: „Worüber man Mir<br />

die Gewalt nicht zu entreißen vermag, das bleibt mein Eigentum; wohlan,<br />

so entscheide die Gewalt über das Eigentum, und Ich will alles von meiner<br />

Gewalt erwarten!“ 484<br />

Mittel zur Durchsetzung <strong>der</strong> egoistischen Interessen <strong>der</strong> Individuen ist<br />

<strong>für</strong> Stirner <strong>der</strong> „Verein“, eine lockere freiwillig-spontane Assoziation (nach<br />

dem Vorbild <strong>der</strong> Berliner „Freien“). Dieser Verein von Egoisten sei die „Auflösung<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft“, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> durch ein geistiges substantielles<br />

Band zusammen gehalten würden. Der Verein schränke zwar auch die<br />

Freiheit, aber nicht die „Eigenheit“ <strong>der</strong> Individuen ein, und bleibe stets ihre<br />

eigene Schöpfung. 485<br />

Mit dieser Skizze des Vereins muss Stirner ungewollt selbst die behauptete<br />

Unvergleichbarkeit <strong>der</strong> Individuen antasten, was auch dadurch zum<br />

Ausdruck kommt, dass er im Verein das Geld beibehalten wissen möchte,<br />

das Äquivalent <strong>der</strong> Güter und Leistungen schlechthin. 486<br />

Stirner nimmt an, dass die Revolte <strong>der</strong> sich zeitweilig im Verein zusammenschließenden<br />

Individuen – wozu auch ein unorganisierter Streik<br />

gehören kann 487 – zur Negation des Bestehenden führe, „eine Umwandlung<br />

<strong>der</strong> Zustände zur unvermeidlichen Folge“ habe: „Verlasse ich das Bestehende,<br />

so ist es tot und geht in Fäulnis über.“ 488


155<br />

In welcher Weise aber diese Opposition in Gestalt <strong>der</strong> Empörung –<br />

ebenso wie die radikale Negation <strong>der</strong> Bauerschen Kritik – die Position und<br />

Toleranz <strong>der</strong> Realität ist, wird deutlich, wenn Stirner (in Konsequenz <strong>der</strong><br />

Tilgung <strong>der</strong> Differenz zwischen Vernunft und Wirklichkeit) selbstzufrieden<br />

die Tätigkeit des Ich hauptsächlich als Genuss und Selbstgenuss bestimmt,<br />

d. h. als Gebrauchen und Verzehren des Vorhandenen, wie es ist<br />

und wie es durch verfügende Macht zum Eigentum geworden ist, ohne<br />

dass Stirner den Aspekt des Sichversagens gegenüber fremden Ansprüchen<br />

hervorheben würde, das im Genuss und Vergnügen wie auch in<br />

künstlerischen formalistischen betont unnützlichen Spielereien liegen<br />

kann. 489490<br />

Sowohl auf die Dinge als auch auf die an<strong>der</strong>en Menschen bezieht Stirner<br />

diese utilitaristische Einstellung, <strong>der</strong>en Maßstab die Brauchbarkeit,<br />

<strong>der</strong> Nutzen, die Exploitation ist (und zwar in allgemeiner Form, ohne wie<br />

bei Jeremy Bentham und James Mill einen speziell ökonomischen Inhalt<br />

zu haben): „Mir bist Du nur dasjenige, was Du <strong>für</strong> Mich bist, nämlich mein<br />

Gegenstand, und weil mein Gegenstand, darum mein Eigentum.“ 490 Sogar<br />

Kant hatte noch in <strong>der</strong> Beziehung <strong>der</strong> Ehepartner den „wechselseitigen Besitz<br />

ihrer Geschlechtseigenschaften“ zugestanden.<br />

Vergleichbar mit de Sade entwürdigt Stirner das Subjekt zum Objekt,<br />

das Fürsichsein zum Ansichsein, zum Abhängigen, Apathischen und Vorhandenen,<br />

das verfügbar und ersetzbar, fungibel ist, und sanktioniert dieses<br />

Verhältnis, soweit es als solches schon besteht. Er betrachtet das passive<br />

behandelte Du nicht auch als zugleich aktives handelndes Ich, das<br />

unantastbares Zentrum <strong>der</strong> authentischen Äußerung, <strong>der</strong> Selbsttätigkeit<br />

und Selbständigkeit leibt, womit er die Ausgangssituation <strong>der</strong> Hegelschen<br />

Herr-Knecht-Analyse wie<strong>der</strong>holt, fixiert und unentfaltet lässt, d. h. ignoriert,<br />

dass <strong>der</strong> Herrschende selbst unfrei ist und erst frei wird in <strong>der</strong> die<br />

Dissoziation aufhebenden Kommunikation und Solidarität <strong>der</strong> Freien.<br />

Während <strong>der</strong> ebenfalls geschichtsfeindliche Individualist Schopenhauer<br />

noch das, „was einer ist“ höher stellt als das, „was einer hat“ (zum Beispiel<br />

in den „Aphorismen zur Lebensweisheit“), enthüllt sich das von Stirner als<br />

sachfrei und unvermittelt konzipierte Verhältnis von Ich zu Ich gerade als<br />

verdinglicht: alle Tätigkeiten des Ich sind <strong>für</strong> Stirner verobjektivierende<br />

Akte. In Stirners Konzeption triumphiert die Kategorie des Habens über die


156<br />

Kategorie des Seins, die Habsucht über die „Seinssucht“ (M. Heß), die Sachenwalt<br />

über die Menschenwelt.<br />

Gerade <strong>der</strong> radikale Subjektivismus, <strong>der</strong> die objektiven Inhalte zu überspringen<br />

und die Subjekt-Objekt-Spannung sowie die Differenz von Begriff<br />

und Realität zu negieren sucht, mündet in eine Verobjektivierung <strong>der</strong> Subjekte<br />

ebenso wie auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite die Subjekt-Objekt-Beziehung, die<br />

zur leeren Idealität ohne sorgende Umsicht überspannt ist.<br />

Mit <strong>der</strong> bewusst angestrebten Verdinglichung menschlicher Beziehungen<br />

verkehrt Stirner die Intentionen des Idealismus und will ihre „kopernikanische<br />

Wende“, in ethischer Hinsicht, nämlich dass <strong>der</strong> Mensch kein<br />

Objekt <strong>der</strong> Willkür werden darf, rückgängig machen. Das führt dazu, dass<br />

Stirner, um die idealistische als theologisch fundiert gedeutete Ethik überwinden<br />

zu können, im Grunde die Ethik überhaupt preisgibt: er findet<br />

keinen Ausweg aus den beiden Extremen <strong>der</strong> unterwürfigen Anpassung<br />

einerseits und des nihilistischen „Alles ist erlaubt,“ an<strong>der</strong>erseits. Speziell<br />

deutet er keinen Ausweg an aus dem Dilemma <strong>der</strong> vollständigen Unterdrückung<br />

und dem uneingeschränkten Gewährenlassen <strong>der</strong> Triebe, was beides<br />

lediglich <strong>der</strong> Machtentfaltung des Ich dienen kann.<br />

Wenn Stirner als notwendige Konsequenz <strong>der</strong> Revolte, des Sichherausziehens<br />

aus den bestehenden Verhältnissen (d. h. auch aus ihren Leistungszwängen),<br />

eine praktische Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> bestehenden Verhältnisse<br />

erwartet, so gilt ihm, dem antiintellektualistischen Intellektuellen, als<br />

unerlässliche Vorbedingung dieser Revolte zwar nicht die gedankliche Kritik<br />

im Bauerschen Sinne („Ein Ruck tut mir die Dienste des sorglichsten<br />

Denkens, ein Recken <strong>der</strong> Glie<strong>der</strong> schüttet die Qual <strong>der</strong> Gedanken ab...“ 491 ),<br />

aber doch auch eine Verän<strong>der</strong>ung des Bewusstseins, nämlich die Beseitigung<br />

des falschen Bewusstseins in Gestalt des „Sündenbewusstseins“,<br />

und das ist die Beseitigung <strong>der</strong> Selbstvorwürfe, gleichsam verstanden als<br />

Sanktionen einer Schizophrenie, sowie <strong>der</strong> Selbsttäuschungen, Vorurteile<br />

und Fiktionen über die bestehenden Verhältnisse, beson<strong>der</strong>s die Preisgabe<br />

des Respekts und <strong>der</strong> Devotion zugunsten einer radikal antiautoritären<br />

Willenshaltung. Die logische Negation gilt Stirner zugleich als ontologische<br />

und axiologische Negation.<br />

In diesem Sinne sagt Stirner zum Beispiel: „Gelangen die Menschen dahin,<br />

dass sie den Respekt vor dem Eigentum verlieren, so wird je<strong>der</strong> Eigen-


157<br />

tum haben, wie alle Sklaven freie Menschen werden, sobald sie den Herrn<br />

als Herrn nicht mehr achten.“ 492492 Noch deutlicher wird <strong>der</strong> von Stirner<br />

behauptete Zusammenhang zwischen Bewusstseinsverän<strong>der</strong>ung, praktischer<br />

Revolte und praktischer Umwandlung <strong>der</strong> bestehenden Verhältnisse,<br />

wenn er sagt: „Die Arbeiter haben die ungeheuerste Macht in den Händen,<br />

und wenn sie ihrer einmal recht inne würden und sie gebrauchten, so wi<strong>der</strong>stände<br />

ihn nichts: sie dürften nur die Arbeit einstellen und das Gearbeitet<br />

als das ihrige ansehen und genießen.“ 493493<br />

Die Hauptsache <strong>der</strong> Emanzipation ist also <strong>für</strong> Stirner eine Bewusstseinsleistung;<br />

psychoanalytisch ausgedrückt: Stirner meint sich als Ich zu<br />

verwirklichen und die allgemeinen Ansprüche <strong>der</strong> Gesellschaft wirklich los<br />

zu sein, sobald er sich mit seinem Über-Ich, in dem sie sich melden, nicht<br />

mehr identifiziert. Daraus ist ersichtlich, weshalb Marx und Engels ihn in<br />

<strong>der</strong> „Deutschen Ideologie“ vor allem unter dem Gesichtspunkt angreifen<br />

können, er halte wirkliche – z.B. staatliche und soziale – entfremdete Verhältnisse<br />

dadurch <strong>für</strong> auflösbar, dass man sie sich aus dem Kopf schlage,<br />

eine Illusion, <strong>der</strong> vorausgehe die Verwandlung <strong>der</strong> wirklichen Verhältnisse<br />

in gedankliche Verhältnisse, d. h. die Idealisierung <strong>der</strong> realen Verhältnisse<br />

und ihre Verflüchtigung zu Scheinexistenzen. „Unsere ganze Darstellung<br />

hat gezeigt, wie Sankt Sancho alle wirklichen Verhältnisse dadurch kritisiert,<br />

dass er sie <strong>für</strong> ,das Heilige‘ erklärt, und sie dadurch bekämpft, dass<br />

er seine heilige Vorsellung von ihnen bekämpft.“ 494<br />

Während Stirner nur die beiden früheren Abhandlungen von Marx in<br />

den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ kennt 495 und auf die „Deutsche<br />

Ideologie“ nicht eingehen kann, da sie zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht<br />

wird, äußert er sich doch zu Moses Heß’ Schrift „Die letzten Philosophen“<br />

(1845), in <strong>der</strong> im wesentlichen das gleiche Argument angeführt wird,<br />

und in dieser Weise indirekt zur „Deutschen Ideologie.“<br />

Heß wirft nämlich Stirner die Verwechselung wirklicher Verhältnisse<br />

mit Abstraktionen vor, als <strong>der</strong>en Konsequenz Stirner schließlich „mit <strong>der</strong><br />

transzendenten Humanität auch alle wirkliche Humanität“ zugunsten des<br />

praktischen Egoismus verwerfe.<br />

Heß’ Gedankengang sei etwas ausführlicher zitiert: „Nicht die gegenseitige<br />

Entfremdung <strong>der</strong> Menschen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> theoretische Ausdruck dieser<br />

Entfremdung: Religion und <strong>Philosophie</strong> – nicht <strong>der</strong> Krieg aller gegen


158<br />

alle, hervorgegangen aus <strong>der</strong> Vereinzelung und Entzweiung <strong>der</strong> Menschen<br />

im Leben, son<strong>der</strong>n das sie begleitende böse Gewissen – nicht das Verbrechen<br />

nach oben und das Verbrechen nach unten, kurz, nicht <strong>der</strong> Egoismus<br />

hat den Pöbel und seine Zwingherren zur Welt gebracht, sagt Stirner,<br />

son<strong>der</strong>n das ,Sündenbewusstsein‘, welches dazu kam, trägt allein die<br />

Schuld! – Wenn du ein Bein gebrochen hast, und <strong>der</strong> Bruch verursacht dir<br />

Schmerzen, und <strong>der</strong> Wundarzt legt einen Verband um den Bruch, so ist,<br />

nach unseren Philosophen, nicht <strong>der</strong> Bruch, son<strong>der</strong>n die schmerzliche<br />

Empfindung des Bruchs und <strong>der</strong> Verband die Ursache deines Übels!“ 496<br />

Zugleich ist Stirner mit seiner Lehre des praktischen Egoismus (in Entsprechung<br />

zu Bauer als „theoretischen Egoisten“) <strong>für</strong> Heß – ähnlich wie <strong>für</strong><br />

Marx – ein Ideologe <strong>der</strong> bürgerlichen Konkurrenzgesellschaft, <strong>der</strong> „sozialen<br />

Tierwelt“, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Mensch im Geld seine äußerste Entäußerung hat. 497<br />

Heß steht in dieser Schrift auf dem Standpunkt <strong>der</strong> Feuerbachschen<br />

Theorie des anthropologisch fundierten Humanismus, den er durch die<br />

„wahre“ gesellschaftliche Vereinigung <strong>der</strong> Menschen im Sozialismus praktisch<br />

negiert und verwirklicht wissen will, wodurch allein <strong>der</strong> Zwiespalt<br />

zwischen <strong>der</strong> Theorie und <strong>der</strong> Praxis, d. h. zwischen dem allgemeinen Gattungsmenschen<br />

des Staates und dem einzelnen leibhaftigen Menschen <strong>der</strong><br />

bürgerlichen Gesellschaft, überwunden werden könne. 498<br />

Den bestehenden Zwiespalt zwischen Theorie und Praxis betrachtet Heß<br />

als Erbe des christlichen Dualismus des Göttlichen und Menschlichen.<br />

Dessen Versöhnung, die in <strong>der</strong> Vergangenheit schon unbewusst im „alten<br />

Bund“ bestanden habe, erwartet er in seiner ersten Schrift „Die heilige Geschichte<br />

<strong>der</strong> Menschheit“ (1837) davon, dass die von Spinoza theoretisch<br />

erkannte Harmonie des Göttlichen und Natürlichen durch bewusste Tätigkeit<br />

in <strong>der</strong> sozialen Harmonie des „neuen Jerusalem“ realisiert werde („Geläutert<br />

ist das alte Gesetz, dessen Leib mit Christus begraben wurde, in<br />

Spinoza wie<strong>der</strong> auferstanden... Religion und Politik werden wie<strong>der</strong> eins<br />

werden, Kirche und Staat sich wie<strong>der</strong> gegenseitig durchdringen. 499 )<br />

Auf dem Übergang von diesem religiösen zum „wahren“ Sozialismus –<br />

ausdrücklich anknüpfend an Cieszkowskis „Prolegomena zur Historiosophie“<br />

und beeinflusst von Heines „Zur Geschichte <strong>der</strong> Religion und <strong>Philosophie</strong><br />

in Deutschland“ – postuliert Heß in seiner Schrift „Die europäische<br />

Triarchie“ (1841) die Einbeziehung <strong>der</strong> Zukunft in die Spekulation


159<br />

und die Übersetzung <strong>der</strong> Hegelschen und junghegelianischen Theorie, die<br />

die Einheit von Denken und Sein nur in theoretischer Gestalt erfassen, in<br />

die Tat: „Die deutsche <strong>Philosophie</strong> hat ihre Sendung erfüllt, sie hat uns in<br />

alle Wahrheit geführt. Jetzt müssen wir Brücken schlagen, die wie<strong>der</strong> vom<br />

Himmel zur Erde führen. – Was in <strong>der</strong> Trennung bleibt, die Wahrheit<br />

selbst, wenn sie in ihrer hohen Abgeschiedenheit verharrt, wird unwahr.<br />

Wie die Wirklichkeit, die nicht von <strong>der</strong> Wahrheit durchdrungen, eben so ist<br />

auch die Wahrheit, die nicht verwirklicht wird, eine schlechte.“ 500<br />

Die sozial-revolutionäre Praxis in England werde die Emanzipation <strong>der</strong><br />

Menschen vollenden, die mit <strong>der</strong> philosophisch-religiösen Befreiung in<br />

Deutschland und <strong>der</strong> politischen Befreiung in Frankreich ins Werk gesetzt<br />

worden sei. 501<br />

In <strong>der</strong> „<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Tat“ (1843), die Marx am Anfang seiner „Ökonomisch-philosophischen<br />

Manuskripte“ mit zwei an<strong>der</strong>en Abhandlungen<br />

von Heß hervorhebt, leitet Heß die kommunistische Gesellschaft nicht wie<br />

Marx aus <strong>der</strong> Klassenlage des Proletariats, son<strong>der</strong>n aus dem philosophischen<br />

Begriff <strong>der</strong> Tätigkeit überhaupt ab, in <strong>der</strong> das Wesen des Menschen<br />

liege (und zwar aus <strong>der</strong> idealistisch gefassten geistigen Tätigkeit, und das<br />

ist <strong>für</strong> ihn wie <strong>für</strong> Cieszkowski sowohl die theoretisch-denkerische als<br />

auch die praktisch-soziale Tätigkeit): die Tätigkeit sei nämlich – was Fichte<br />

<strong>für</strong> das Denken erkannt habe – als Prozess des Ponierens und Negierens<br />

des Nicht-Ich die Tätigkeit <strong>der</strong> Selbstbestimmung 502 , und diese Tätigkeit<br />

schließe ein die Beseitigung aller sie beschränkenden Unfreiheit, d. h. die<br />

„Negation des Bestimmtwerdens von außen“: „Wie nun, wenn aller Kommunismus<br />

und Atheismus, alle Anarchie darauf hinausliefe, die äußerlichen<br />

Schranken in Selbstbeschränkung, den äußern Gott in den innern,<br />

das materielle Eigentum in geistiges umzuschaffen? 503<br />

Dass die hervorbringende Tätigkeit im Laufe <strong>der</strong> Entwicklung des Geistes<br />

–notwendigerweise – durch ihre objektiven Werke ständig fixiert und<br />

entfremdet wurde, so dass <strong>der</strong> Mensch noch nicht „frei und glücklich“ war,<br />

ist <strong>für</strong> Heß gleichbedeutend damit, dass die Tätigkeit noch kein Selbstzweck<br />

war und von ihr <strong>der</strong> Genuß getrennt blieb. In <strong>der</strong> wahrhaft freien<br />

Tätigkeit dagegen sei die Trennung von Arbeit und Genuß sowie Arbeit<br />

und Muße negiert und bilden Produktion und Konsumtion eine Einheit. 504


160<br />

Diese dialektische Einheit in <strong>der</strong> freien Tätigkeit des nicht mit sich zerfallenen<br />

Lebens macht Heß nun auch gegen Stirners einseitigen Egoismus<br />

in seiner Schrift „Die letzten Philosophen“ geltend: „Lieben, schaffen, arbeiten,<br />

produzieren, ist unmittelbarer Genuss... Wenn ich liebe, um zu genießen,<br />

dann liebe ich nicht nur nicht, dann genieße ich auch nicht.“ 505<br />

Indem Stirner diese Zusammenhänge in seiner Entgegnung unbestrittene<br />

„Trivialitäten“ nennt 506506 , verkennt er das Argument gegen seine<br />

Konzeption des Egoismus, das in dem Hinweis auf die Dialektik <strong>der</strong> Tätigkeit<br />

liegt, demzufolge zum Beispiel seine starre Entgegensetzung von egoistischer<br />

Tat und politisch-sozialer Tat unmöglich wird. 507<br />

Vor allem missversteht Stirner völlig Heß’ prinzipiell gemeintes Argument,<br />

dass er wirkliche in bewusstseinsmäßige Verhältnisse verwandle<br />

und die wirklichen Verhältnisse mit den Abstraktionen von ihnen verwechsele.<br />

508<br />

Dieses Argument bekräftigt Stirner gerade dadurch, dass er Heß’ weitere<br />

Behauptung, er stehe mit seiner Be<strong>für</strong>wortung des Egoismus auf dem<br />

Standpunkt <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft, damit zurückweist, in <strong>der</strong> bürgerlichen<br />

Gesellschaft seien die wirklichen menschlichen Beziehungen<br />

noch von „heiligen“ Vorstellungen vermittelt. Infolgedessen mischt er Falsches<br />

und Wahres: „Stirner liegt die bürgerliche Gesellschaft ganz und gar<br />

nicht am Herzen... So etwas konnte Heß nur darum in ihm argwöhnen,<br />

weil er mit Hegelschen Kategorien an ihn trat.“ 509


161<br />

VIII. Feuerbachs sensualistische Konzeption <strong>der</strong> Praxis als Liebe und<br />

<strong>der</strong> Theorie als unmittelbarer Anschauung auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Ich-<br />

Du-Beziehung<br />

Gegenüber Stirners Egoismus des „Einzigen“ bekräftigt Ludwig Feuerbach<br />

in seiner Apologie „Das Wesen des Christentums in Beziehung auf<br />

den ‚Einzigen und sein Eigentum‘“ (1845) seinen anthropologisch fundierten<br />

Humanismus, indem er außer auf <strong>der</strong> Unterscheidung zwischen Wesentlichem<br />

und Unwesentlichem innerhalb eines Individuums vor allem<br />

auf <strong>der</strong> Einheit von Autonomie und Heteronomie in <strong>der</strong> wechselseitigen<br />

Angewiesenheit von Ich und Du beharrt: je<strong>der</strong> einzelne, leibhaftige – geschlechtlich<br />

bestimmte – Mensch bedarf eines an<strong>der</strong>en Menschen zu seiner<br />

physischen Fortpflanzung; und in <strong>der</strong> sittlichen Gemeinschaft <strong>der</strong><br />

Menschen sind egoistische und altruistische Beziehungen in Wahrheit untrennbar,<br />

so dass die im an<strong>der</strong>en Menschen repräsentierte menschliche<br />

„Gattung“ reale Bedingung <strong>der</strong> je eigenen Existenz ist, nicht aber ein Abstraktum<br />

und eine verselbständigte fixe Idee, und Feuerbach sich hier als<br />

„Gemeinmensch, Kommunist“ bezeichnet. 510<br />

Schon hier sei auf Feuerbachs. Schwäche hingewiesen, dass er diese<br />

am natürlichen Ich-Du-Verhältnis gewonnene Auffassung, das egoistische<br />

Streben nach <strong>der</strong> eigenen Glückseligkeit impliziere die altruistische Befriedigung<br />

<strong>der</strong> fremden Glückseligkeit, <strong>für</strong> alle Beziehungen <strong>der</strong> Menschen in<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft verallgemeinert und als Resultante des vernünftigen egoistischen<br />

Strebens (nach Aufhebung <strong>der</strong> religiösen Entfremdung) eine<br />

allgemeine Harmonie und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Menschen erwartet 5l0a , – eine<br />

Illusion, die er mit den Verfechtern des ethischen Prinzips des „wohlverstandenen<br />

Eigeninteresses“ <strong>der</strong> Aufklärung teilt.<br />

(I) Während Feuerbach also in den praktischen Beziehungen <strong>der</strong> Menschen<br />

untereinan<strong>der</strong> dem Egoismus eine partielle Berechtigung zuerkennt,<br />

nämlich in Gestalt vernünftiger Selbstbehauptung 511 , diskreditiert er ihn<br />

gänzlich in dem praktischen Verhalten zur Natur: die praktische Aneignung<br />

<strong>der</strong> Natur gilt Feuerbach als eigennützig und utilitaristisch und deshalb<br />

– im Gegensatz zum theoretischen Verhalten – als wahre Beziehung<br />

zur Natur.


162<br />

Wie Feuerbach in „Das Wesen des Christentums“ (1841) entwickelt, ist<br />

die praktische Aneignung <strong>der</strong> Natur nämlich <strong>für</strong> ihn die Unterwerfung <strong>der</strong><br />

Natur unter den Willen und das Bedürfnis des Menschen, wobei die Natur<br />

als „an und <strong>für</strong> sich nichts“ behandelt wird. Indem <strong>der</strong> Mensch die Natur<br />

zum Objekt des Willens und zum Mittel <strong>für</strong> egoistische Zwecke mache,<br />

son<strong>der</strong>e er sich von ihr ab und entzweie sich mit ihr. „Wo... <strong>der</strong> Mensch<br />

nur auf den praktischen Standpunkt sich stellt und von diesem aus die<br />

Welt betrachtet, den praktischen Standpunkt selbst zum theoretischen<br />

macht, da ist er entzweit mit <strong>der</strong> Natur...“ Durch diese Einstellung werde<br />

<strong>der</strong> Mensch „theoretisch borniert, weil gleichgültig gegen alles, was nicht<br />

unmittelbar auf das Wohl des Selbst sich bezieht“ und verliere den „freien<br />

theoretischen Trieb und Sinn“. 512<br />

Zweck ihrer selbst dagegen – nicht Gegenstand selbstsüchtigen Benutzens<br />

– sei die Natur als Gegenstand <strong>der</strong> Theorie, die eine „freudenvolle, in<br />

sich befriedigte, selige Anschauung“ sei. Die Theorie lasse die Dinge „in<br />

Frieden gewähren und bestehen“ und betrachte sie „an sich selbst, in ihrer<br />

Beziehung auf sich“. 513 Somit ist <strong>für</strong> Feuerbach die praktische Naturaneignung<br />

die Position <strong>der</strong> Entfremdung, dagegen <strong>der</strong> Standpunkt <strong>der</strong> Theorie<br />

„<strong>der</strong> Standpunkt <strong>der</strong> Harmonie mit <strong>der</strong> Welt.“ 514<br />

Weiter ordnet Feuerbach das praktische eigennützige Verhalten zur Natur<br />

den Juden zu, das theoretische, uneigennützige Verhalten aber den<br />

Griechen. Der theoretischen freien Einstellung <strong>der</strong> Griechen zu <strong>der</strong> Natur,<br />

an <strong>der</strong> das Denken seinen Wi<strong>der</strong>stand und seine Grenze findet, entspreche<br />

ihre Auffassung von <strong>der</strong> Unerschaffenheit des Kosmos. („Die so sehr verkannte<br />

Ewigkeit <strong>der</strong> Materie o<strong>der</strong> Welt bei den heidnischen Philosophen<br />

hat also keinen an<strong>der</strong>n Sinn, als dass ihnen die Natur eine theoretische<br />

Wahrheit war.“ 515 ) Dagegen liege die praktische Willkür gegenüber <strong>der</strong> Natur<br />

<strong>der</strong> „Fundamentallehre <strong>der</strong> jüdischen Religion“ zugrunde, nämlich <strong>der</strong><br />

– „keinen theoretischen Anhaltspunkt“ bietenden 516 – Lehre <strong>der</strong> Schöpfung<br />

<strong>der</strong> Natur aus Nichts durch den unbeschränkt mächtigen Willen des einen<br />

naturtranszendenten Gottes. Ebenso dokumentiere sich im Glauben an<br />

alle (an<strong>der</strong>en) Wun<strong>der</strong> die Herabsetzung <strong>der</strong> Natur zu einem <strong>für</strong> sich nichtigen<br />

Objekt des Beliebens und des Bedürfnisses. 517 Die Subjektivität ist<br />

<strong>für</strong> Feuerbach <strong>der</strong> Grundzug auch <strong>der</strong> christlichen Religion, indem ihre<br />

Freiheit nicht im objektiven Sichbeschränken durch die Natur liege son-


163<br />

<strong>der</strong>n im Sichhinwegsetzen über die Natur in Gestalt unbeschränkter Phantasie<br />

und überschwenglichen Gefühls. 518<br />

Offensichtlich ist Feuerbach hier beeinflusst von Hegels Kennzeichnung<br />

<strong>der</strong> jüdischen Religion als „Religion <strong>der</strong> Erhabenheit“, in <strong>der</strong> „die Natur so<br />

ganz negiert, unterworfen, vorübergehend vorgestellt wird“. 519 Aber mit<br />

seiner Abwertung <strong>der</strong> praktischen relativen Negation <strong>der</strong> äußeren Natur<br />

gibt Feuerbach die Hegelsche Erkenntnis preis, dass die rein theoretische<br />

Einstellung (im Bereich <strong>der</strong> Endlichkeit) ebenso mangelhaft, einseitig und<br />

unfrei ist wie die ausschließlich praktische Einstellung. Feuerbach verkennt<br />

die Schwäche <strong>der</strong> Theorie, die darin besteht, dass sich in ihr das<br />

Subjekt passiv verhält, sich – unter Ausschaltung subjektiver Vorurteile –<br />

nach den objektiven Gegenständen richtet und diese als selbständig gewähren<br />

lässt, sich somit aber dem Vorhandenen unterwirft, das seinerseits<br />

vom Subjekt nicht bestimmt wird, sich selbständig erhält und <strong>der</strong> Selbstbestimmung<br />

des Subjekts entgegen steht.<br />

Unfreiheit hinsichtlich <strong>der</strong> Natur besteht <strong>für</strong> Feuerbach also nicht primär<br />

in <strong>der</strong> physischen Abhängigkeit von technisch unkontrollierten und<br />

unbewältigten Prozessen, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> phantastisch-egoistischen subjektiven<br />

Interpretation dieser Prozesse, was indirekt zum Ausdruck<br />

kommt, wenn Feuerbach zum Beispiel in den „Vorläufigen Thesen zur Reform<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“ sagt: „... nur die Anschauung <strong>der</strong> Dinge und Wesen<br />

in ihrer objektiven Wirklichkeit macht den Menschen frei und ledig aller<br />

Vorurteile.“ 520<br />

Wenn allerdings Hegel weiter an <strong>der</strong> theoretischen Einstellung bemängelt,<br />

dass in ihr die äußeren Gegenstände nur als seiende, nicht als <strong>für</strong><br />

sich seiende, Zweck und Begriff in sich tragende gefasst werden, d. h. die<br />

Einheit des Begriffs hier nur außerhalb ihrer, nämlich im theoretischen<br />

Subjekt liege, so könnte dieses Argument nur gegen Feuerbach eingewendet<br />

werden, sofern er den idealistischen Objektivitätsbegriff des absoluten<br />

Idealismus hätte, demgemäß die Gegenstandswelt zwar unabhängig vom<br />

menschlichen Bewusstsein, aber abhängig vom absoluten Geist ist. (In Hegels<br />

absolutem Idealismus muss im Gegensatz zu Feuerbachs Materialismus<br />

die Negation <strong>der</strong> Natur – wie sie auch in den eleusinischen Mysterien<br />

des Brotessens und Weintrinkens vollbracht wird – schon deshalb ein positives<br />

Moment sein, weil in ihm die Natur die Negation des Geistes ist.)


164<br />

Feuerbach verkennt weiter, dass das praktisch negierende Eingreifen in<br />

die Natur das Begreifen <strong>der</strong> Natur nicht verhin<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n gerade ermöglicht,<br />

so wie das „Erkenne dich selbst“ nicht nur durch psychologisierende<br />

Selbstanalyse o<strong>der</strong> doppelgängerische romantische Selbstbespiegelung<br />

(etwa in Tagebüchern), son<strong>der</strong>n auch vor allem durch die Tat verwirklicht<br />

wird und, wie Hegel in seiner Herr-Knecht-Analyse expliziert, durch die<br />

Umgestaltung <strong>der</strong> Natur insofern, als <strong>der</strong> Arbeitende sich in den (relativ)<br />

beständigen, Rückhalt bietenden Objektivierungen seines subjektiven Bewusstseins<br />

wie<strong>der</strong> findet Die Vermittlung <strong>der</strong> Umwelt zur Welt durch die<br />

praktische Naturaneignung – in <strong>der</strong> in dialektischer Einheit auch immer<br />

theoretische Momente enthalten sind – wäre nur dann Entfremdung von<br />

<strong>der</strong> Natur statt einigendes Band, wenn das zeitlich Erste auch das an sich<br />

Ursprünglichere wäre.<br />

Dass Feuerbach zwar Wollen, Denken und Fühlen als Wesensbestandteile<br />

o<strong>der</strong> Gattungsfunktionen des Menschen nennt 521 , aber den Willen in<br />

dieser Weise verkürzt (und ihn nur unter moralischem Aspekt in den zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen anerkennt) ist eine Inkonsequenz; denn<br />

Feuerbach sucht grundsätzlich die religiöse Entfremdung und Vergegenständlichung<br />

in ihren wahren menschlichen Inhalt aufzulösen, führt aber<br />

die von ihm behandelte willentliche Unterwerfung <strong>der</strong> Natur im<br />

Schöpfungs- und Wun<strong>der</strong>glauben auf überhaupt keine positive menschliche<br />

Grundlage zurück. Von Feuerbachs eigenen Voraussetzungen aus wäre<br />

es möglich und notwendig gewesen, den eigennützigen Willen in <strong>der</strong> religiösen<br />

Vorstellung auf die praktische Verwandlung des An sich in ein Für<br />

mich positiv zu reduzieren (wenn auch Feuerbachs Konzentration auf die<br />

Religion ihm den Zugang zu <strong>der</strong> Arbeitspraxis als einer wesentlichen<br />

menschlichen Tätigkeit insofern erschweren musste, als Gott nicht im eigentlichen<br />

Sinne die Natur „bearbeitet“).<br />

Schließlich lässt sich gegen Feuerbachs Verurteilung des praktischen<br />

Verhaltens des Menschen zur Natur als eigennützig und seine For<strong>der</strong>ung<br />

des theoretischen Verhaltens das einwenden, was er selbst treffend gegen<br />

die Kantische Unterscheidung von „an sich“ und „<strong>für</strong> sich“ anführt: nur<br />

dann lässt sich eine <strong>der</strong>artige Zweiteilung rechtfertigen, wenn überhaupt<br />

die Möglichkeit besteht, dass „ein Gegenstand mir wirklich an<strong>der</strong>s erscheinen<br />

kann, als er erscheint“ 522 . Nur hinsichtlich <strong>der</strong> Beziehungen <strong>der</strong>


165<br />

Menschen untereinan<strong>der</strong> ist es sinnvoll, Uneigennutz zu verlangen anstelle<br />

von Eigennutz; denn es ist möglich, dass sich Menschen eigennützig o<strong>der</strong><br />

uneigennützig zu einan<strong>der</strong> verhalten. Aber das praktische Verhalten des<br />

Menschen zur Natur lässt sich nicht verurteilen wegen des Eigennutzes,<br />

da dieses Verhalten (lebens)notwendig ist und nicht durch Hinwendung<br />

zur Theorie an<strong>der</strong>s wird.<br />

Dass Feuerbach die Subjekt-Objekt-Relation in Gestalt <strong>der</strong> praktischen<br />

Beziehung des Menschen zur Natur als einseitig egoistisch und utilitaristisch<br />

ansieht und zugunsten des ausschließlich theoretischen Verhaltens<br />

zur Natur diskreditiert, hin<strong>der</strong>t ihn aber nicht, einige Charakteristika <strong>der</strong><br />

Arbeit zu erfassen. Dies geht aus Bemerkungen hervor, in denen er die Arbeit<br />

dem Gebet gegenüberstellt.<br />

Wie Feuerbach andeutet, ist die Arbeit Vermittlung und Wechselwirkung<br />

zwischen Mensch und Natur auf <strong>der</strong> verlässlichen Grundlage des Bestehens<br />

<strong>der</strong> Naturkausalität und als solche eine Zweck-Mittel-Relation, die<br />

die theoretischen Momente <strong>der</strong> Zielsetzung impliziert. Weiter werden in <strong>der</strong><br />

Arbeit nur erreichbare Wünsche angestrebt, und die Anerkennung <strong>der</strong> Beschränktheit<br />

und Bedingtheit des Menschen kommt in ihr zum Ausdruck<br />

sowie die Macht und Notwendigkeit <strong>der</strong> Natur. 523<br />

Aber auch hier bleibt die Theorie <strong>für</strong> Feuerbach nur einseitig die<br />

Grundlage <strong>der</strong> zwecktätigen Naturaneignung (die „die physischen Bedürfnisse<br />

und Wünsche“ mittelbar – nach Anstrengung – erfüllt 524 ), d. h. die<br />

Theorie – im Sinne <strong>der</strong> „objektiven Anschauung und Erfahrung, <strong>der</strong> Vernunft,<br />

<strong>der</strong> Wissenschaft überhaupt“ – ist <strong>für</strong> ihn „die Quelle <strong>der</strong> wahren<br />

objektiven Praxis“, und die zwecktätige Arbeit ist „durch die Anschauung<br />

<strong>der</strong> gegenständlichen Welt vermittelt“. 525 Dass aber ebenfalls umgekehrt<br />

auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Arbeitspraxis theoretische Resultate vermittelt werden,<br />

entgeht Feuerbach in seiner ganzen Tragweite, wenn er auch gelegentlich<br />

äußert, dass „die Schranken des sinnlichen Bewusstseins und<br />

Lebens“ überwunden werden „durch sinnliche, wirkliche Tätigkeit.“ 526 Diese<br />

Schwäche Feuerbachs wird deutlich, wenn er zum Zweck <strong>der</strong> Vereinigung<br />

von Mensch und Natur ein Bündnis von <strong>Philosophie</strong> und Naturwissenschaft<br />

for<strong>der</strong>t 527 : die Wechselwirkung zwischen <strong>der</strong> Wissenschaft <strong>der</strong><br />

Natur und <strong>der</strong> industriellen Einwirkung auf die Natur bleibt unberücksichtigt.


166<br />

Innerhalb dieser Grenzen bezeugt Feuerbach Einsichten wie die, dass<br />

die praktische Tätigkeit eine sinnliche Vergegenständlichung und äußere<br />

Sichtbarmachung des Subjektiven, Inneren ist: „Was heißt denn machen,<br />

schaffen, hervorbringen an<strong>der</strong>s als etwas, was zunächst nur ein Subjektives,<br />

insofern Unsichtbares, Nichtseiendes ist, gegenständlich machen, versinnlichen,<br />

so dass nun auch an<strong>der</strong>e, von mir unterschiedne Wesen es<br />

kennen und genießen, also etwas außer mich setzen, zu etwas von mir Unterschiednem<br />

zu machen?“ 528 Auch dass das Individuum in <strong>der</strong> praktischen<br />

Tätigkeit „etwas <strong>für</strong> an<strong>der</strong>e“ ist und ein Band zwischen sich und <strong>der</strong><br />

Gattung knüpft, berührt Feuerbach also. 529 Aber wenn Feuerbach mit <strong>der</strong><br />

schranken-überwindenden Aktivität, die immer in bestimmter Weise an<br />

einen bestimmten Inhalt gebunden ist, die Erzeugung eines „positiven<br />

Selbstgefühls“ verbunden sieht, sie als „inneres Bedürfnis“ bezeichnet und<br />

als die „glücklichste, seligste“ preist, so meint er doch wie<strong>der</strong>um nur die<br />

„geistige Produktion“, zum Beispiel: „Lesenswürdiges schaffen.“ 530 Und<br />

wenn er sagt: „Die sinnliche Freiheit ist allein die Wahrheit <strong>der</strong> geistigen<br />

Freiheit“ 531 , so denkt er dabei an die Bewährung einer Gesinnung durch<br />

die Tat.<br />

Indem Feuerbach die Freiheit gegenüber <strong>der</strong> Natur in ihrer Anschauung<br />

sieht und nicht in ihrer Beherrschung auf Grund <strong>der</strong> Kenntnis und Anerkenntnis<br />

ihrer Gesetze, steht er durchaus nicht in <strong>der</strong> neuzeitlichen Tradition,<br />

die mit Bacos Proklamierung des „regnum hominis“ auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong><br />

Naturbewältigung beginnt, son<strong>der</strong>n er geht hinter sie bis in die Antike zurück<br />

(ohne allerdings die mo<strong>der</strong>ne Technik kulturpessimistisch zu perhorreszieren).<br />

(II) Wenn er es auch nicht selbst ausspricht, so lässt sich doch sagen:<br />

Feuerbach zielt mit seiner Theorie-Praxis-Konzeption auf eine (undialektische)<br />

Synthese von Griechentum und Christentum ab.<br />

Die wahre Theorie sieht Feuerbach repräsentiert in <strong>der</strong> Naturanschauung<br />

<strong>der</strong> griechischen <strong>Philosophie</strong> und die wahre Praxis – allerdings in entfremdeter<br />

Gestalt – in <strong>der</strong> Liebe <strong>der</strong> christlichen Religion. Weiter erblickt er<br />

in <strong>der</strong> griechischen Theorie und in <strong>der</strong> christlichen auf ihre anthropologische<br />

Grundlage zurück geführten Liebe die Verwirklichung <strong>der</strong> Freiheit.<br />

Nur negativ, nicht wahrhaft frei waren <strong>für</strong> Feuerbach die Griechen auf<br />

dem praktischen Gebiet <strong>der</strong> menschlichen Beziehungen, insofern ihnen


167<br />

hier die Liebe des Menschen zum Menschen gleichgültig war, und die<br />

Christen auf theoretischem Gebiet, insofern sie sich ausschließlich auf das<br />

Individuum konzentrierten, dem Individuum die Gattung aufopferten, den<br />

Menschen aus dem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Kosmos heraus<br />

lösten und die Natur subjektiv – in <strong>der</strong> Einbildungskraft – verzerrten<br />

und egoistisch benutzten.<br />

Die Freiheit können <strong>für</strong> Feuerbach theoretische Vernunft und praktische<br />

Liebe insofern verwirklichen, als sie nicht exklusiv und partikular,<br />

son<strong>der</strong>n wesentlich unbeschränkt und universell sind. „Universalität, Unbeschränktheit<br />

und Freiheit sind unzertrennlich.“ 532 Und insofern Vernunft,<br />

Liebe und Freiheit universell sind, haben sie ihren einheitlichen<br />

Grund nicht im isolierten Ich allein, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Ich-Du-Beziehung, d.<br />

h. dem Ich als Mitmensch o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Gemeinschaft <strong>der</strong> menschlichen<br />

Gattung, die im Du repräsentiert ist. „Die Liebe ist die subjektive Existenz<br />

<strong>der</strong> Gattung, wie die Vernunft die objektive Existenz <strong>der</strong> Gattung. “ 533<br />

In dieser Weise werden <strong>der</strong> Anthropologismus und Humanismus das<br />

Vereinigende von wahrer Theorie und Praxis: nicht die absolute Subjekt-<br />

Objekt-Identität, son<strong>der</strong>n die „Einheit des Menschen mit dem Menschen“ ist<br />

<strong>für</strong> Feuerbach als Selbstzweck „das höchste und letzte Prinzip <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“,<br />

worin Theorie und Praxis, „ratio“ und „emotio“, Kopf und Herz wurzeln.<br />

534<br />

In Feuerbachs Gründung <strong>der</strong> Theorie und Praxis auf die menschliche<br />

Gattung wird noch eine Seite <strong>der</strong> Hegelschen Einsicht bewahrt, dass Erkennen<br />

und Handeln nicht nur Tätigkeiten eines einzelnen isoliert genommenen<br />

Subjekts sind, wenn auch Feuerbach Theorie und Praxis dehistorisiert,<br />

d. h. ihnen den Charakter des stufenweise von <strong>der</strong> Menschheit<br />

vollzogenen Prozesses nimmt und von Hegels Konzeption <strong>der</strong> Sittlichkeit<br />

als konkreter Totalität fast ganz abstrahiert.<br />

Das letztere wird beson<strong>der</strong>s daraus deutlich, dass Feuerbach sogar vor<br />

<strong>der</strong> Abkehr von Hegel – die sich prägnant in seiner Zustimmung zu Kants<br />

Kritik des ontologischen Gottesbeweises dokumentiert 535 – zwar in theoretischer<br />

Hinsicht auf dem Hegelschen Standpunkt <strong>der</strong> Identität von Denken<br />

und Sein steht, in praktischer Hinsicht aber teilweise näher dem Kantisch-<br />

Fichteschen Rigorismus als <strong>der</strong> Hegelschen Auffassung von <strong>der</strong> geschichtlich-gesellschaftlich<br />

bestimmten Praxis. Wie wenig Feuerbach <strong>der</strong> Hegel-


168<br />

schen – den konkreten Inhalt aufnehmenden – Konzeption <strong>der</strong> Sittlichkeit<br />

in ihrem Gegensatz zum Kantisch-Fichteschen Formalismus gerecht wird,<br />

geht daraus hervor, dass er noch in <strong>der</strong> Vorrede zur zweiten Auflage des<br />

„Wesens des Christentums“ (1843) nicht im Gegensatz zur Hegelschen<br />

praktischen <strong>Philosophie</strong> zu stehen meint mit dieser – einen ethischen subjektiv-idealistischen<br />

Utopismus bekundenden – Aussage: „... die Idee ist<br />

mir nur <strong>der</strong> Glaube an die geschichtliche Zukunft, an den Sieg <strong>der</strong> Wahrheit<br />

und Tugend...“ 536 In erkenntnistheoretischer Hinsicht dagegen lehnt<br />

Feuerbach immer Kants Agnostizismus ab und hält in hegelianischer Weise<br />

an <strong>der</strong> prinzipiell unbeschränkten Erkennbarkeit <strong>der</strong> Welt fest. 537<br />

Wenn Feuerbach Theorie und Praxis auf die menschliche Gattung<br />

gründet, so ist diese anthropologische Konzeption zugleich sensualistisch:<br />

nach ihr haben das Dasein des Menschen <strong>für</strong> den Menschen sowie Theorie<br />

und Praxis im wesentlichen ihr Element in <strong>der</strong> Sinnlichkeit des Leibes, <strong>der</strong><br />

Sinnesorgane und <strong>der</strong> Natur. Eine Folge ist, dass in dieser Konzeption das<br />

Erkennen weitgehend <strong>der</strong> rationalen Momente ermangelt.<br />

Für Feuerbach ist das Denken eine einfache Zusammenfassung des<br />

vielfachen Wahrnehmungsinhaltes: „Denken ist zunächst gar nichts an<strong>der</strong>es<br />

als Vieles, Verschiedenartiges wahrnehmen und es in entsprechende<br />

Begriffsformen umsetzen.“ 538<br />

Das Bestreben, die Selbstbegründung und Selbstgenügsamkeit des in<br />

sich kreisenden monologisierenden – das Sein nur als Gedanke des Seins<br />

in sich selbst als das an<strong>der</strong>e seiner selbst entgegensetzenden sich selbst<br />

überbietenden – Denkens <strong>der</strong> Identitätsphilosophie Hegels, des „deutschen<br />

Proklus“, zu unterbrechen 539 und das Denken an das sinnliche selbständige<br />

Sein als Maßstab zu binden, führt Feuerbach in die Nähe eines Nominalismus<br />

und zu dem extremen Sensualismus, die Diskontinuität, die qualitative<br />

Differenz, von sinnlicher Wahrnehmung und sinnlichem Denken zugunsten<br />

ihrer Kontinuität undialektisch zu verwerfen.<br />

An die Stelle <strong>der</strong> Hegelschen absoluten Vermittlung des Seins mit dem<br />

Denken setzt Feuerbach nicht den relativen Vermittlungsprozess des Abstrahierens<br />

von <strong>der</strong> konkreten Sinnlichkeit und des Konkretisierens <strong>der</strong><br />

Abstrakta auf <strong>der</strong> qualitativ höheren Stufe des Gedankens, son<strong>der</strong>n die<br />

einfache Unmittelbarkeit <strong>der</strong> Beziehung von Denken und Sein, auch wenn<br />

er unter dem unmittelbaren sinnlichen Sein nicht das „auf platter Hand


169<br />

Liegende“, son<strong>der</strong>n das – <strong>der</strong> von phantastischen Vorstellungen gereinigten<br />

Anschauung – Gegebene versteht. 540<br />

Die erkenntnistheoretische Grundlage <strong>für</strong> die Unmittelbarkeit des Erfassens<br />

<strong>der</strong> Wirklichkeit ist die Identität von Wesen und Erscheinung, <strong>der</strong>en<br />

Unwahrheit Feuerbach nur in seiner Hegelschen Periode erkennt, in<br />

<strong>der</strong> er das Denken geradezu definiert als „die Tätigkeit <strong>der</strong> Unterscheidung<br />

des Wesens von <strong>der</strong> Erscheinung.“ 541 Nach seiner Abkehr von Hegel ist <strong>für</strong><br />

Feuerbach die Identität von Sein und Wesen im menschlichen Leben nur<br />

ausnahmsweise „in abnormen, unglücklichen Fällen“ nicht vorhanden. 542<br />

Dementsprechend kann zur Unmittelbarkeit <strong>der</strong> theoretischen Einstellung<br />

hinzukommen die Unmittelbarkeit des praktischen Verhaltens <strong>der</strong> Menschen<br />

untereinan<strong>der</strong>, d. h. die Unmittelbarkeit <strong>der</strong> Liebe, die keine Spannungen<br />

zwischen Existenzverhältnissen und Wesensbestimmungen verän<strong>der</strong>t.<br />

In Folge <strong>der</strong> Identifizierung von Wesen und Erscheinung kommt Feuerbach<br />

darin mit Stirner überein, dass er keinen Kritikbegriff <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />

<strong>der</strong> Politik und <strong>der</strong> Geschichte aus <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> gewinnen<br />

kann, da die Kritik auf <strong>der</strong> Entzweiung von Wesen und Erscheinung,<br />

<strong>der</strong> Differenz zwischen Möglichem und Wirklichem, Rationalem und<br />

Realem basieren müsste.<br />

Zusammen gehören somit bei Feuerbach das Fehlen dieses Begriffes <strong>der</strong><br />

Kritik und die Ungeschichtlichkeit <strong>der</strong> sensualistischen Anthropologie,<br />

<strong>der</strong>gemäß das Wesen des Menschen – im Gegensatz zur geschichtlich orientierten<br />

Anthropologie sowohl Her<strong>der</strong>s als auch Hegels – einfach vorgegeben,<br />

unmittelbar fertig und festgestellt ist, nicht aber aufgegeben und Resultat<br />

dessen, wozu <strong>der</strong> Mensch sich selbst verwirklicht in einem theoretisch-praktischen<br />

Bildungs- und Vermittlungsprozess 543 , <strong>der</strong> also beinhaltet,<br />

dass die Ergründung dessen, was <strong>der</strong> Mensch ist, keine rein theoretische,<br />

son<strong>der</strong>n auch eine praktisch-geschichtliche Frage ist. Feuerbach löst<br />

wie<strong>der</strong> die Hegelsche Verknüpfung <strong>der</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> Wahrheit mit <strong>der</strong><br />

praktischen Verwirklichung <strong>der</strong> Wahrheit in <strong>der</strong> geschichtlich-politischen<br />

Freiheit.<br />

Das erste Kriterium und „fundamentum inconcussum“ <strong>der</strong> Wahrheit ist<br />

<strong>für</strong> Feuerbach die Sinnlichkeit in ihrer Unmittelbarkeit, d. h. in ihrer auf<br />

sich stehenden Positivität. „Wahrheit, Wirklichkeit, Sinnlichkeit sind iden-


170<br />

tisch.“ 544 Notwendig existent und bewusstseinstranszendent ist nicht, was<br />

Objekt des Denkens o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vorstellung ist, son<strong>der</strong>n was Gegenstand <strong>der</strong><br />

Sinnlichkeit ist: „Der Beweis, dass etwas ist, hat keinen an<strong>der</strong>en Sinn, als<br />

dass etwas nicht nur Gedachtes ist. Dieser Beweis kann aber nicht aus<br />

dem Denken selbst geschöpft werden. Wenn zu einem Objekt des Denkens<br />

das Sein hinzukommen soll, so muss zum Denken selbst etwas vom Denken<br />

Unterschiedenes hinzukommen.“ 545 (In <strong>der</strong> Tat ließe sich daraus, dass<br />

ein „Beweis“ des bewusstseinsunabhängigen Objektiven nur innerhalb des<br />

Elements des Denkens vorsichgehen kann, nicht die Schlussfolgerung ziehen,<br />

das Denken sei das Absolute.) Und insofern <strong>für</strong> Feuerbach diese<br />

Sinnlichkeit sich in <strong>der</strong> Liebe als Leidenschaft manifestiert, kann er sagen:<br />

„... nur die Leidenschaft ist das Wahrzeichen <strong>der</strong> Existenz.“ 546 Da ihm weiter<br />

die Liebe als Leidenschaft das wahre praktische Verhalten ist, kann er<br />

sagen: „Die Frage vom Sein ist... eine praktische Frage.“ 547 „Die Frage, ob<br />

dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme – ist keine<br />

Frage <strong>der</strong> Theorie, son<strong>der</strong>n eine praktische Frage“, sagt zwar auch Marx in<br />

<strong>der</strong> zweiten Feuerbach-These fast gleichlautend, aber er meint mit <strong>der</strong><br />

Praxis die die gesellschaftlichen Umstände verän<strong>der</strong>nde revolutionäre Tätigkeit.<br />

Die Praxis <strong>der</strong> – universalen im Sinne Marxens klassenindifferenten<br />

objektivistischen, allenfalls im „Reich <strong>der</strong> Freiheit“ <strong>der</strong> klassenlosen<br />

Gesellschaft „jenseits <strong>der</strong> materiellen Produktion“ integrierbaren – Liebe<br />

enthält <strong>für</strong> Feuerbach zwar auch eine gewisse aktive Komponente, nämlich<br />

den Drang zur „Wohltätigkeit, die alle beglücken will“, aber bestimmend ist<br />

das passive, empfangende Moment, d. h. das Pathos o<strong>der</strong> die Affektion<br />

durch ein leidendes, weil endliches und bedürftiges Wesen zur mitleidenden<br />

Teilnahme: die „Passion“, wobei Feuerbach den Zusammenhang zwischen<br />

Liebe und Affirmation erkennt: „Sein heißt sich behaupten, sich bejahen,<br />

sich lieben.“ 548 Mit <strong>der</strong> Liebe ist außer <strong>der</strong> Sinnlichkeit auch das<br />

an<strong>der</strong>e Kriterium <strong>der</strong> Wahrheit gegeben: die Gemeinschaft des Menschen<br />

mit dem Menschen in Gestalt <strong>der</strong> Intersubjektivität des Gattungsbewusstseins,<br />

vermittels dessen das Wissen von <strong>der</strong> Welt sich bewahrheit: „Wahr<br />

ist, worin <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e mit mir übereinstimmt.“ 549<br />

(III) Zu dem Anthropologismus und Sensualismus, dem Bruch mit dem<br />

Idealismus in erkenntnistheoretischer Hinsicht, kommt Feuerbach durch<br />

die Umkehrung <strong>der</strong> Hegelschen Bestimmung des Verhältnisses von Denken<br />

und Sein sowie Subjekt und Prädikat, und zwar zunächst in <strong>der</strong> in


171<br />

den „Hallischen Jahrbüchern“ veröffentlichten Schrift „Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen<br />

<strong>Philosophie</strong>“ (1839), in <strong>der</strong> er Hegel wie <strong>der</strong> ganzen idealistischen<br />

<strong>Philosophie</strong> seit Descartes und Spinoza den Vorwurf macht „eines unvermittelten<br />

Bruches mit <strong>der</strong> sinnlichen Anschauung“ und <strong>der</strong> „unmittelbaren<br />

Voraussetzung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“, d. h. ihrer Selbstbegründung und Autonomie,<br />

am Anfang sowohl <strong>der</strong> Logik als auch <strong>der</strong> Phänomenologie: <strong>der</strong><br />

wahre philosophische Anfang müsse nicht gemacht werden mit dem Begriff<br />

des Seins (<strong>der</strong> zur Konsequenz habe den Vorrang <strong>der</strong> methodischen<br />

Darstellung und des Systems, die Verkehrung <strong>der</strong> Form zum Wesen), son<strong>der</strong>n<br />

mit dem sinnlich wahrnehmbaren Sein (das immer bestimmtes Sein,<br />

qualitative Mannigfaltigkeit sei 550 , so dass sich Feuerbachs Sensualismus<br />

wie Hegels Naturphilosophie abgrenzt vom mathematisch-mechanischen<br />

Materialismus, wie ihn Hobbes vertrat). Bei dieser grundsätzlichen Kritik<br />

greift Feuerbach im Namen des anfangslosen Seins das Denken des absoluten<br />

Nichts als undenkbar an und trifft damit die Hegelsche Dialektik,<br />

ohne sich zu fragen, ob es eine Dialektik des relativen Nichts gibt und in<br />

welchem Verhältnis sie zur ersten Triade <strong>der</strong> Logik steht. Wenn Feuerbach<br />

im übrigen bemerkt, die „absolute Selbstentäußerung <strong>der</strong> Vernunft“ im<br />

Hegelschen System spreche sich in einem „spekulativen Empirismus“ aus,<br />

z. B. in <strong>der</strong> „Deduktion selbst <strong>der</strong> Majorate“, so haben wir hier die Quelle<br />

<strong>für</strong> Ruges Kritik an Hegels „Positivismus des Vernunftfindens“ (nämlich<br />

<strong>der</strong> Verwandlung <strong>der</strong> historischen Existenz in den Begriff) sowie <strong>für</strong> Marx’<br />

Kritik des Hegelschen „falschen Positivismus“ und „scheinbaren Kritizismus“.<br />

551<br />

Mit Hilfe des im Umkehrverfahren neu gewonnenen Begriffs <strong>der</strong> Entfremdung<br />

kritisiert Feuerbach dann die Religion im „Wesen des Christentums“<br />

(1841) als Ausdruck <strong>der</strong> Entzweiung und idealisierenden Verdoppelung<br />

des leibhaftigen Menschen und seiner „Gattungseigenschaften“ wie<br />

Liebe, Gerechtigkeit, Güte und an<strong>der</strong>er. („Die Religion... ist das Verhalten<br />

des Menschen zu sich selbst... zu seinem Wesen, aber das Verhalten zu<br />

seinem Wesen als zu einem an<strong>der</strong>en Wesen.“ 552 ) In <strong>der</strong> Trennung von <strong>der</strong><br />

entäußerten Gattung sei <strong>der</strong> Mensch ein vereinzeltes egoistisches Individuum,<br />

das nur durch Aufhebung <strong>der</strong> in einem absoluten Subjekt entfremdeten<br />

Gattungseigenschaften, vor allem durch Rücknahme <strong>der</strong> Liebe zu<br />

Gott in die Liebe zum Menschen, sein wahres Wesen zurück gewinnen<br />

könne. So wird zum positiven Teil <strong>der</strong> Reduktion <strong>der</strong> Theologie auf die An-


172<br />

thropologie diese Praxis <strong>der</strong> Liebe des Menschen zum Menschen – eine atheistische<br />

Liebesreligion; denn das Ich-Du-Verhältnis bestimmt Feuerbach<br />

mit diesem praktischen Grundsatz: homo homini deus est. 553 Als einige<br />

<strong>der</strong> Junghegelianer – so Ruge und Engels 554 – Feuerbachs Religionskritik<br />

nicht als Bruch mit <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong>, son<strong>der</strong>n als ihre<br />

Weiterentwicklung und Ergänzung missverstehen, erklärt Feuerbach dezidiert<br />

in dem Aufsatz „Zur Beurteilung <strong>der</strong> Schrift: ,Das Wesen des Christentums’<br />

“: „Meine Religionsphilosophie ist so wenig die Explikation <strong>der</strong><br />

Hegelschen..., dass sie vielmehr nur aus <strong>der</strong> Opposition gegen die Hegelsche<br />

entstanden ist...“ 555<br />

Aber <strong>für</strong> Feuerbach ist nicht nur das ursprüngliche Christentum eine<br />

Entfremdung des menschlichen Wesens, son<strong>der</strong>n darüber hinaus auch<br />

das mo<strong>der</strong>ne Christentum eine Entfremdung des ursprünglichen Christentums.<br />

Wi<strong>der</strong>spruch und Krise seiner Zeit beruhen <strong>für</strong> ihn, wie er in den<br />

Vorreden zum „Wesen des Christentums“ ausführt, hauptsächlich auf dem<br />

Gegensatz von scheinbarer Geltung des Christentums und wirklicher<br />

Herrschaft des Atheismus, d. h. darauf, dass <strong>der</strong> wahre Geist des Christentums<br />

– bedingt durch Renaissance, Reformation, Aufklärung und Naturwissenschaft<br />

– aus dem praktischen Leben gewichen sei, dennoch aber<br />

als konventionelle „komfortable“ Weltanschauung eine fixe theoretisch undurchschaute<br />

Scheinexistenz in den Köpfen <strong>der</strong> Menschen führe.<br />

Somit ist zwar die Entfremdung als wesentlich religiöse <strong>für</strong> Feuerbach<br />

primär eine theoretische, d. h. ein inneres Verhältnis, und kann infolgedessen<br />

durch bewusstseinsmäßige Kritik zurück genommen werden, aber<br />

nach <strong>der</strong> Marxschen Kritik hieran in <strong>der</strong> „Deutschen Ideologie“ bleibt allzu<br />

oft unberücksichtigt 556 , dass <strong>für</strong> Feuerbach die Entfremdung vollständig<br />

erst, insofern überwunden ist, als zur geistig-kritischen aufklärerischen<br />

Reduktion die Praxis <strong>der</strong> Liebe hinzu kommt, und zwar sowohl als Empfindung<br />

wie auch als verän<strong>der</strong>tes Verhalten <strong>der</strong> Menschen zueinan<strong>der</strong>.<br />

Die Religionskritik ist also <strong>für</strong> Feuerbach zwar <strong>der</strong> entscheidende Hebel,<br />

aber sie soll nicht nur dazu führen, dass eine Bewusstseinseinstellung<br />

durch eine an<strong>der</strong>e Bewusstseinseinstellung ersetzt wird, son<strong>der</strong>n dass eine<br />

praktische Versöhnung <strong>der</strong> Gegensätze erreicht wird, wie sie ebenfalls <strong>der</strong><br />

junge Hegel in seiner Frankfurter Periode (an den Feuerbach nicht anknüpfen<br />

konnte) von <strong>der</strong> Liebe erwartet als lebendiger Subjektivität und


173<br />

Selbstbestimmung, die gegen die Hinnahme <strong>der</strong> toten Positivität des etablierten<br />

Faktums und des affirmierten Fatums opponiert. Wie <strong>für</strong> den jungen<br />

Hegel die Liebe das von den tyrannischen Kantischen Moralgeboten<br />

und den herrischen jüdischen Gesetzen Entzweite vereint und versöhnt, so<br />

erlöst <strong>für</strong> Feuerbach die Liebe von dem Zwiespalt, den das Nichtentsprechen<br />

gegenüber dem Postulat <strong>der</strong> moralischen Willensvollkommenheit und<br />

das Sündenbewusstsein hervorbringen: „Die Liebe ist das Band, das Vermittlungsprinzip<br />

zwischen dem Vollkommnen und Unvollkommnen, dem<br />

sündlosen und sündhaften Wesen, dem Allgemeinen und Individuellen,<br />

dem Gesetz und dem Herzen, dem Göttlichen und Menschlichen.“ 557 Insofern<br />

Hegels Begriff <strong>der</strong> Liebe und des „Lebens“ als Vereinheitlichung <strong>der</strong><br />

Entgegensetzung von Subjekt und Objekt, Einzelnem und Allgemeinem,<br />

die Keimform seiner reifen Konzeption <strong>der</strong> konkreten Sittlichkeit ist und<br />

mit Feuerbachs Entwurf <strong>der</strong> Liebe vergleichbar ist, bestätigt sich noch<br />

einmal, dass Feuerbach eine Seite <strong>der</strong> Hegelschen Einsicht von dem Charakter<br />

<strong>der</strong> Gemeinschaftlichkeit <strong>der</strong> praktischen (und theoretischen) Tätigkeit<br />

bewahrt. Feuerbachs Religionskritik im „Wesen des Christentums“<br />

basiert zur Hauptsache auf einer bestimmten Gegenstands- und Bewusstseinstheorie,<br />

die noch entfernt ist von einem erkenntnistheoretischen konsequenten<br />

Sensualismus und Realismus, und die Feuerbach als unhaltbar<br />

angelastet werden muss, wenn man von seinem eigenen in „Zur Kritik <strong>der</strong><br />

Hegelschen <strong>Philosophie</strong>“ angekündigten Programm des Umkehrverfahrens<br />

ausgeht.<br />

Feuerbachs Gedankengang, <strong>der</strong> zu <strong>der</strong> Schlussfolgerung führt, dass <strong>der</strong><br />

Mensch sieh selbst in <strong>der</strong> Religion vergegenständlicht, ist nämlich folgen<strong>der</strong>:<br />

<strong>der</strong> Mensch unterscheidet sich wesentlich vom Tier durch sein Bewusstsein;<br />

das Bewusstsein ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass<br />

es nicht auf Individuelles, son<strong>der</strong>n auf die allgemeine und unendliche Gattung<br />

des Menschen gerichtet ist, d. h. auf Vernunft, Wille und Gefühl. Das<br />

Bewusstsein ist im wesentlichen Bewusstsein des Unendlichen. Worauf<br />

sich das Bewusstsein bezieht, das ist das Wesen des Bewusstseins; daher:<br />

„Das Bewusstsein des Unendlichen ist nichts andres als das Bewusstsein<br />

von <strong>der</strong> Unendlichkeit des Bewusstseins.“ 558 Da nun <strong>für</strong> Feuerbach die Religion<br />

„das Bewusstsein des Unendlichen“ ist, ist die Religion das Bewusstsein<br />

des Menschen von sich selbst.


174<br />

Hiermit bestimmt Feuerbach aber letztlich das Verhältnis von Bewusstsein<br />

und Sein in idealistischer Weise <strong>der</strong>gestalt: das Bewusstsein des<br />

Seins ist das Bewusstsein des Seins des Bewusstseins. Nur auf Grund dieser<br />

Annahme kann Feuerbach behaupten, das Wesen des Bewusstseins<br />

sei das, worauf sich das Bewusstsein wesentlich bezieht.<br />

Feuerbach bestreitet also in seiner Religionskritik im „Wesen des Christentums“<br />

die Möglichkeit <strong>der</strong> Bewusstseinstranszendenz <strong>der</strong> Gegenstände<br />

<strong>der</strong> Religion und erklärt diese Gegenstände zu menschlichen Selbstvergegenständlichungen,<br />

indem er prinzipiell die Annahme einer Bewusstseinstranszendenz<br />

des Seins preisgibt und somit keineswegs auf einer konsequent<br />

sensualistischen und realistischen Position steht; um sein Ziel zu<br />

erreichen, nämlich die Theologie auf die Anthropologie zu reduzieren, findet<br />

Feuerbach hier ebenso wie Bruno Bauer nur den Weg, die Objektivität<br />

alles Seienden in die Subjektivität zurück zu nehmen.<br />

Nur auf Grund <strong>der</strong> Voraussetzung <strong>der</strong> Bewusstseinsimmanenz <strong>der</strong> Gegenstände<br />

überhaupt – und infolgedessen auch <strong>der</strong> religiösen – kann Feuerbach<br />

mit Berechtigung die Form zum Inhalt machen und sich zum Beispiel<br />

gegen Schleiermachers ebenfalls emotionalistische Religionsphilosophie<br />

abgrenzen mit dem Einwand: da Schleiermacher als subjektiven<br />

Grund <strong>der</strong> Religion das Gefühl (<strong>der</strong> „schlechthinnigen Abhängigkeit“) ansieht,<br />

hätte er folgerichtigerweise Gott (<strong>der</strong> we<strong>der</strong> gedanklich erkannt noch<br />

moralisch postuliert wird) auch objektiv als das „Wesen des Gefühls“ auffassen<br />

müssen. 559<br />

Feuerbach kommt zu seiner Position, indem er aus einer begründeten<br />

Feststellung eine nicht zwingende Schlussfolgerung zieht: er stellt fest,<br />

dass die Vernunft eines beliebigen vernünftigen Wesens grundsätzlich<br />

denselben Denkgesetzen unterliegen muss wie die je eigene menschliche<br />

Vernunft (er kann in dieser Hinsicht Malebranches Beispiel zitieren, das<br />

jedes beliebige intelligente Wesen notwendig an die Wahrheit gebunden ist,<br />

dass zweimal zwei vier macht); an<strong>der</strong>s ausgedrückt: „Der Mensch kann<br />

nun einmal nicht über sein wahres Wesen hinaus“. 560<br />

Aber aus dieser bestimmten Art einer zuzugestehenden Bewusstseinsimmanenz<br />

dürfte Feuerbach nicht folgern, dass jedes Vernunftwesen mein<br />

eigenes Wesen in <strong>der</strong> Weise einer eigenen Hervorbringung ist; d. h. Feuerbach<br />

kann mit seiner Feststellung nicht ausschließen, dass ein vernünfti-


175<br />

ges Wesen – wie Seiendes überhaupt – an sich existiert und – in dieser<br />

Hinsicht <strong>der</strong> Existenz – bewusstseinstranszendent ist. Feuerbach räumt<br />

dieses implizit auch dadurch ein, dass er nicht von <strong>der</strong> Annahme <strong>der</strong> Bewusstseinsimmanenz<br />

bis zum Solipsismus fortschreitet, son<strong>der</strong>n im Gegenteil<br />

das Ich-Du-Verhältnis als Grundlage <strong>der</strong> Erkenntnis ansieht.<br />

Wenn Feuerbach gelegentlich eine Einschränkung seiner idealistischen<br />

Voraussetzungen macht („Was ich denke, das tue ich selbst – natürlich<br />

nur bei rein intellektuellen Dingen“ 561 ), so bleibt dies ohne prinzipielle<br />

Konsequenzen hinsichtlich seiner Religionsauffassung, da die Religion <strong>für</strong><br />

Feuerbach von vornherein auf „rein intellektuelle Dinge“ zielt. Ob jedoch<br />

die Gegenstände <strong>der</strong> Religion „rein“ intellektuell sind, bei ihnen also Bewusstsein<br />

und Selbstbewusstsein zusammenfallen, sie gleichsam restlos<br />

aufgehen in ihrer Denkbarkeit und nur das Wesen <strong>der</strong> menschlichen Vernunft<br />

wi<strong>der</strong>spiegeln o<strong>der</strong> ob sie zwar „intellektuell“, aber nichtsdestoweniger<br />

objektiv existent sind (wie z .B. Naturgesetze), ist eben gerade nicht allein<br />

entschieden durch die berechtigte Feststellung, die Gegenstände <strong>der</strong><br />

Religion stimmten mit dem Wesen und den Denkgesetzen <strong>der</strong> menschlichen<br />

Vernunft überein (was z. B. auch <strong>für</strong> Naturgesetze zutrifft).<br />

Wenn man also Feuerbachs Grundsatz: „Das Bewusstsein des Gegenstands<br />

ist das Selbstbewusstsein des Menschen“ 562 nur deutete als Feststellung<br />

einer Konformität von Gegenstand und Selbstbewusstsein, ließe<br />

er sich aufrecht erhalten, nicht aber, wenn man ihn so fasst wie Feuerbach<br />

selbst, dass aus ihm ein imaginärer, fiktiver Charakter <strong>der</strong> Religion<br />

ableitbar wird. Auch aus dem an<strong>der</strong>en begründeten Grundsatz Feuerbachs,<br />

dass die Distinktion zwischen einem unerkennbaren „an sich“ und<br />

einem „<strong>für</strong> mich“ haltlos ist, lässt sich nicht anthropologistisch folgern,<br />

das, worauf das Bewusstsein sich wesentlich bezieht, sei das Wesen des<br />

Bewusstseins.<br />

Feuerbach hätte infolgedessen zusätzlich ein spezifisches Kriterium einzuführen,<br />

das ihn berechtigte, die Gegenstände <strong>der</strong> Religion als „rein intellektuell“<br />

zu kennzeichnen, d. h. als Gegenstände einer menschlichen Vernunft,<br />

die in <strong>der</strong> Weise eines „intellectus originarius“ mit dem Bewusstsein<br />

des Gegenstandes seine Wirklichkeit unmittelbar gegeben sein ließe.<br />

Scheinbar gewinnt Feuerbach dieses Kriterium in <strong>der</strong> Sinnlichkeit,<br />

nachdem er das von ihm selbst später erkannte Schwanken und die In-


176<br />

konsequenz in <strong>der</strong> Abkehr von Hegels Idealismus im „Wesen des Christentums“<br />

563 aufgibt und in seinen beiden nächsten Hauptschriften „Vorläufige<br />

Thesen zur Reform <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“ und „Grundsätze <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong><br />

Zukunft“, in denen er alle pantheistischen philosophischen Systeme seit<br />

Spinoza und insbeson<strong>der</strong>e Hegels Idealismus als Formen <strong>der</strong> Theologie betrachtet,<br />

das Prinzip von <strong>der</strong> Priorität des Seins vor dem Denken 564 , demzufolge<br />

das Sein nicht nur <strong>der</strong> Gedanke des Seins ist, konsequenter durchführt.<br />

Aber auch jetzt gelangt Feuerbach zu seinem religionskritischen Resultaten<br />

nur innerhalb <strong>der</strong> Schranken seines extremen Sensualismus – <strong>der</strong><br />

Gleichsetzung von Objektivität und Sinnlichkeit – : auf Grund <strong>der</strong> Annahme,<br />

objektiv existent sei allein, was unmittelbar sinnlich gegeben ist, und<br />

auf Grund <strong>der</strong> Feststellung, dass Gott wesentlich als Geist gedacht wird,<br />

schließt Feuerbach, dass Gott nicht objektiv existent sei (son<strong>der</strong>n das geistige<br />

Wesen des Menschen). 565 Die Bestreitung <strong>der</strong> Objektivität nichtsinnlicher<br />

Gegenstände würde aber zum Beispiel auch die Naturgesetze betreffen,<br />

<strong>der</strong>en Existenz Feuerbach nicht leugnet.<br />

Bevor im folgenden <strong>der</strong> Charakter <strong>der</strong> Feuerbachschen Umkehrmethode<br />

behandelt wird, sei darauf aufmerksam gemacht, dass sich Ansätze zu ihr<br />

schon finden in Feuerbachs Schrift „Pierre Bayle“ (1838) – die die Reihe<br />

seiner historischen Arbeiten über die „Geschichte <strong>der</strong> neueren <strong>Philosophie</strong><br />

von Bacon von Verulam bis Benedikt Spinoza“ (1833) sowie über Leibniz<br />

(1837) abschließt –, und zwar bezüglich des Verhältnisses von Theologie<br />

und Ethik in Anknüpfung an den Autonomiegedanken <strong>der</strong> Ethik Kants<br />

und Fichtes, näher: bezüglich des Verhältnisses Gottes zur Idee des Guten:<br />

die Idee des Guten sei kein unselbständiges Prädikat des selbständigen<br />

Subjekts Gottes, son<strong>der</strong>n selbst rein und <strong>für</strong> sich Prinzip <strong>der</strong> Ethik:<br />

„Wehe dem, <strong>der</strong> die Idee des Guten als ein Prädikat, als eine –wenn auch<br />

wesentliche – Eigenschaft auf ein Subjekt o<strong>der</strong> Wesen auftragen und von<br />

ihm unterstützen lassen muss... so ist <strong>der</strong> sittliche Geist Geist Geist entschwunden,<br />

wo das Gute nicht frei von aller Persönlichkeit rein durch sich<br />

selbst gedacht und um seiner selbst willen geliebt und getan wird.“ 566 Indem<br />

die Verkehrung des wahren Verhältnisses als Zustand <strong>der</strong> Entäußerung<br />

gefasst wird, nennt Feuerbach hier den Glauben an die Sünde den<br />

Zustand „<strong>der</strong> absoluten Entäußerung <strong>der</strong> Idee des Guten.“ 567 (So findet


177<br />

sich auch in dieser Beziehung bestätigt, was Rawidowicz in seinem am<br />

tiefsten in Feuerbachs <strong>Philosophie</strong> eindringenden Werk hervor hebt, nämlich<br />

dass Feuerbach mit <strong>der</strong> Schrift „Pierre Bayle“ auf dem Übergang steht<br />

von seiner ersten Periode des – einige Vorbehalte und „Zweifel“ 568 einschließenden<br />

– spekulativen Idealismus zum Anthropologismus, Sensualismus<br />

und kontemplativen Materialismus 569 .) Auf Feuerbachs späteren<br />

Weg weisen sogar schon – neben <strong>der</strong> Betonung <strong>der</strong> „Verwirklichung und<br />

Verweltlichung <strong>der</strong> Idee“ in dem Brief an Hegel 570 – die „Gedanken über<br />

Tod und Unsterblichkeit“ (1830) mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach wahrer Überwindung<br />

des Dualismus von Diesseits und Jenseits und dem Verwerfen <strong>der</strong><br />

„Ansprüche auf den Himmel..., um die Ansprüche auf die Erde zu steigern.“<br />

571 Mit diesem Gesichtspunkt ist diese Schrift sogar die erste epochemachende<br />

innerhalb <strong>der</strong> junghegelianischen Bestrebungen und <strong>der</strong><br />

Ausgangspunkt auf dem Wege von Hegel zu Marx. Andeutungsweise<br />

nimmt Feuerbach hier auch noch in einer zweiten Hinsicht die Problematik<br />

<strong>der</strong> Junghegelianer vorweg, nämlich hinsichtlich <strong>der</strong> Ausrichtung auf<br />

die Zukunft. Noch bevor Cieszkowski den entscheidenden Mangel des Hegelschen<br />

Systems darin erblickt, dass es die Gegenwart verabsolutiert und<br />

die Zukunft sowie die Möglichkeit ihrer Erkennbarkeit nicht als wesentliches<br />

Moment integriert, wirft Feuerbach die Frage auf: „Wie verhält sich<br />

die Hegelsche <strong>Philosophie</strong> zur Gegenwart und Zukunft? Ist sie nicht die<br />

vergangene Welt als Gedankenwelt? Ist sie mehr als eine Erinnerung <strong>der</strong><br />

Menschheit an das, was sie war, aber nicht mehr ist?“ 572<br />

(IV) Die Frage ist nunmehr, ob Feuerbachs Kritik vom Standpunkt seines<br />

Anthropologismus dialektischen o<strong>der</strong> undialektischen Charakter hat,<br />

das heißi, ob Feuerbachs Kritik in einem dialektischen o<strong>der</strong> antithetischen<br />

o<strong>der</strong> noch an<strong>der</strong>s gearteten Verhältnis zur Religion, Theologie und spekulativen<br />

<strong>Philosophie</strong> steht, indem sie diese, die alle den Menschen sich<br />

selbst entfremden, in dem dreifachen Hegelschen Sinne aufzuheben o<strong>der</strong><br />

einseitig zu destruieren sucht o<strong>der</strong> sich in an<strong>der</strong>er Weise zu ihnen verhält.<br />

Es ergibt sich bei einer Untersuchung dieser Frage: Feuerbachs Kritik<br />

ist in keinem Fall als dialektische Aufhebung zu interpretieren. Allerdings<br />

ist zu unterscheiden zwischen Feuerbachs „Negation“ <strong>der</strong> Religion auf <strong>der</strong><br />

einen Seite und <strong>der</strong> „Negation“ <strong>der</strong> Theologie auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite.


178<br />

Die Theologie, die „Reflexion über die Religion“, die den Glauben und<br />

die Wesensverschiedenheit von Mensch und Gott hervor hebt 573 , und die<br />

spekulative <strong>Philosophie</strong>, einschließlich <strong>der</strong> spekulativen Religionsphilosophie,<br />

werden durch Feuerbachs Kritik in <strong>der</strong> Weise „negiert“, dass sie verworfen<br />

werden. Die Religion dagegen, die ursprünglich die Liebe und die<br />

Wesenseinheit von Gott und Mensch beinhaltet, will Feuerbach nicht gänzlich<br />

preis gegeben wissen; nur ihr „unmenschliches Wesen“ sei zu destruieren,<br />

ihre „Wahrheit“, ihr „menschliches Wesen“ zu bewahren. So<br />

heißt es in <strong>der</strong> Vorrede zur zweiten Auflage des „Wesens des Christentums“<br />

(1843): „Allerdings ist meine Schrift negativ, verneinend, aber, wohlgemerkt!<br />

nur gegen das unmenschliche, nicht gegen das menschliche Wesen<br />

<strong>der</strong> Religion.“ 574<br />

Dass Feuerbach die religiöse Entfremdung im Gegensatz zur theologischen<br />

Entfremdung nicht im Sinne einer Destruktion zurück genommen<br />

wissen will, son<strong>der</strong>n ihre Grundlage bewahren möchte, heißt aber nicht,<br />

dass er eine dialektische Beziehung zur Religion im Sinn hat. Feuerbachs<br />

we<strong>der</strong> dialektisch aufhebendes noch antithetisch verneinendes Verhalten<br />

zur Religion kann man – mit ihm selbst – als „kritische“ Einstellung zur<br />

Religion abgrenzen: „Unser Verhältnis zur Religion ist daher kein nur verneinendes,<br />

son<strong>der</strong>n ein kritisches, wir scheiden nur das Wahre vom Falschen<br />

– obgleich allerdings die von <strong>der</strong> Falschheit ausgeschiedne Wahrheit<br />

immer eine neue, von <strong>der</strong> alten wesentlich unterschiedne Wahrheit ist.“ 575<br />

Diese Kritik Feuerbachs ist aber nicht historisch; denn wenn auch Feuerbach<br />

in seiner Schrift „Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong>“ sagt, seine<br />

Methode sei im Gegensatz zu <strong>der</strong> Hegelschen eine „genetisch-kritische“, die<br />

den „Ursprungs“ vorstellungsmäßig gegebener Gegenstände untersucht, so<br />

meint er damit nicht eine historisch, son<strong>der</strong>n eine psychologisch verfahrende<br />

– zwischen dem „Subjektiven und Objektiven“ unterscheidende –<br />

Kritik. 576 Indem <strong>für</strong> Feuerbach die Kritik an <strong>der</strong> Religion das Scheiden und<br />

unversöhnliche Durchstreichen einer – <strong>der</strong> psychologisch begründeten imaginären<br />

– Seite ist, kritisiert er nicht wie Strauß und Bauer die geschichtliche<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Religion 577 und will er nicht wie sie die subjektive<br />

kritische Tätigkeit mit dem dialektischen objektiven Geschichtsprozess<br />

verbunden wissen. Feuerbach steht also als Kritiker nicht mehr selbst<br />

auf dem Boden eines kritischen Prozesses, das heißt Feuerbachs Kritik ist


179<br />

kein Prinzip <strong>der</strong> Wirklichkeit mehr, son<strong>der</strong>n hat nur noch eine methodologische<br />

Funktion; denn die Basis <strong>der</strong> Feuerbachschen Kritik, die menschliche<br />

Gattung, erfährt – im Gegensatz zu Strauß’ Konzeption – keine stufenweise<br />

Entwicklung in <strong>der</strong> Geschichte. Auch als Strauß in seiner „Glaubenslehre“<br />

unter Feuerbachs Einfluss die Hegelsche inhaltliche Gleichsetzung<br />

von Religion und <strong>Philosophie</strong> aufgibt und den Bruch zwischen Glauben<br />

und Wissen vollzieht, behält seine analytische negativ dialektische Kritik<br />

insofern eine historische Dimension, als sie an die Stelle <strong>der</strong> als unhaltbar<br />

aufgelösten Dogmen die Hegelschen dialektischen Spekulationen<br />

setzt. Im übrigen führt Strauß also die Theologie auf die Spekulation zurück,<br />

während Feuerbach umgekehrt die Spekulation als Form <strong>der</strong> Theologie<br />

zu enthüllen sucht.<br />

Dialektische Aufhebung hätte Feuerbachs Kritik <strong>der</strong> Religion nur dann<br />

sein können, wenn <strong>für</strong> ihn die religiöse Entfremdung eine notwendige positive<br />

Durchgangsstufe in <strong>der</strong> geschichtlichen Entwicklung wäre und die kritische<br />

Negation sich immanent aus dem Positiven entwickelte (also nicht<br />

selbständig von außen als vermittlungsloser Gegensatz hinzu träte), so<br />

dass die Kritik das Wesen <strong>der</strong> Religion auf höherem Niveau bewahrt hätte,<br />

so wie <strong>für</strong> Hegel die Entäußerung des Absoluten sich nach ihrer Aufhebung<br />

notwendig immer wie<strong>der</strong> herstellt und das Zusichselbstkommen des<br />

Absoluten ermöglicht (o<strong>der</strong> wie <strong>für</strong> Marx die gesellschaftliche Entfremdung<br />

die Produktivkräfte entwickelt und damit die notwendige Voraussetzung<br />

<strong>der</strong> Aufhebung <strong>der</strong> Klassengegensätze schafft). Wenn Feuerbach auch gelegentlich<br />

davon spricht, dass die religiöse „Selbstvergegenständlichung<br />

des Menschen... unwillkürlich, notwendig, so notwendig als die Kunst, als<br />

die Sprache ist“ 578 , so kann er doch nicht angeben, worin <strong>der</strong> Fortschritt<br />

liegen sollte, <strong>der</strong> nicht auch ohne diese Selbstvergegenständlichung erreichbar<br />

wäre. Zur Dialektik gehört, dass <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruch im Wesen des<br />

betreffenden Inhalts liegt. Dementsprechend müsste <strong>für</strong> Feuerbach die religiöse<br />

Entfremdung zum Wesen des Menschen gehören, wenn Feuerbachs<br />

Kritik <strong>der</strong> Religion eine dialektische Funktion haben sollte. (Feuerbach<br />

verneint im übrigen in an<strong>der</strong>en Zusammenhängen ausdrücklich das dialektische<br />

– gleichzeitige – Bestehen von Gegensätzen und anerkennt nur<br />

zeitlich aufeinan<strong>der</strong> folgende Gegensätze. 579 ) Infolgedessen kann Feuerbach<br />

nicht annehmen, dass <strong>der</strong> bewusstseinsmäßige Akt <strong>der</strong> Religionskritik<br />

mit dialektischer Notwendigkeit zur Realisierung des Wesens <strong>der</strong> Reli-


180<br />

gion, <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> menschlichen Liebe, führt; er muss diese vielmehr im<br />

Anschluss an die Kritik propagieren und postulieren, indem die kritische<br />

und die praktische Sphäre sich nicht wechselseitig durchdringen, son<strong>der</strong>n<br />

heterogen einan<strong>der</strong> gegenüber stehen bleiben.<br />

Was die spekulative <strong>Philosophie</strong>, eine Form <strong>der</strong> Theologie, betrifft, so<br />

kann sie nach Feuerbachs Auffassung nicht einmal ihrer Grundlage nach<br />

anerkannt werden, muss also gänzlich negiert werden, obgleich ihr Feuerbach<br />

„die hohe geschichtliche Bedeutung“ konzediert, dass sie ein theoretischer<br />

Schritt auf dem Weg zur „Verwirklichung und Vermenschlichung“<br />

Gottes sei. 580 Nicht erst Hegels, schon Spinozas Pantheismus ist <strong>für</strong> Feuerbach<br />

„Verwirklichung Gottes“, insofern die theistische Abson<strong>der</strong>ung Gottes<br />

verneint wird, das Materielle und Sinnliche zum Attribut Gottes gemacht<br />

wird; so sei die praktisch vorhandene „materialistische Tendenz <strong>der</strong><br />

neuen Zeit“ auch theoretisch legitimiert worden: „... nur, wo die Theorie<br />

nicht die Praxis, die Praxis nicht die Theorie verleugnet, ist Charakter,<br />

Wahrheit und Religion.“ 581<br />

Das zum Anthropologismus und Sensualismus führende Umkehrverfahren<br />

ist also keine dialektische Weiterentwicklung, son<strong>der</strong>n ein antithetisches<br />

Umstürzen des Verhältnisses von Denken und Sein. Um die Umkehrung<br />

von Denken und Sein vornehmen zu können, musste Feuerbach<br />

vorher ihre dialektische Verbindung in Hegels Spekulation zerstören, d. h.<br />

er musste bestreiten, dass Hegel Denken und Sein wahrhaft vereint habe.<br />

Die Voraussetzung des Umkehrverfahrens ist also, dass Feuerbach Denken<br />

und Sein, Subjekt und Prädikat, sich abstrakt einan<strong>der</strong> gegenüberstehen<br />

lässt und nicht anerkennt, dass – wie Hegel zum Beispiel in <strong>der</strong><br />

Vorrede zur „Phänomenologie“ ausführt – die Prädikate im Subjekt dialektisch<br />

untergehen; d. h. Hegels Synthese wird zur These herab gesetzt, und<br />

ihr wird die Antithese unvermittelt entgegen gesetzt; denn Hegels Synthese<br />

von Denken und Sein vollzieht sich <strong>für</strong> Feuerbach nur einseitig im Denken,<br />

und diesem wird das auf sich gegründete Sein opponiert.<br />

Entsprechend ist speziell die Einheit des Bewusstseins des Menschen<br />

und des Selbstbewusstseins Gottes in <strong>der</strong> spekulativen Religionsphilosophie<br />

<strong>für</strong> Feuerbach in Wahrheit nur eine Synthese innerhalb des Denkens,<br />

dem er die Sphäre des Gefühls entgegen hält.


181<br />

Indem Marx diese Feuerbachsche Umkehrung des Verhältnisses von<br />

Denken und Sein übernimmt und Hegel in dieser Weise „vom Kopf auf die<br />

Füße“ stellt, ist auch sein Verhältnis zu Hegel in diesem Punkt durchaus<br />

nicht durch dialektische Weiterentwicklung gekennzeichnet. Sowohl Feuerbachs<br />

als auch Marx’ Übergang vom Idealismus zum Materialismus ist<br />

kein dialektischer, son<strong>der</strong>n ein antithetischer. Idealismus und Materialismus<br />

verhalten sich dementsprechend sowohl nach Feuerbachs als nach<br />

Marx’ Auffassung dualistisch, einan<strong>der</strong> ausschließend zu einan<strong>der</strong>; eine<br />

Synthese o<strong>der</strong> einen „dritten Wege“ gibt es <strong>für</strong> sie nicht.<br />

Die Dialektik bekommt bei Marx aber dadurch wie<strong>der</strong> ihren Platz, dass<br />

er im Gegensatz zu Feuerbach mit <strong>der</strong> Umkehrung nicht den Inhaltsreichtum<br />

des Hegelschen Systems, die dialektisch-wi<strong>der</strong>spruchsvolle geschichtliche<br />

(und natürliche) Welt, gänzlich preisgibt. Obgleich Engels Feststellung<br />

in seiner Spätschrift „Ludwig Feuerbach und <strong>der</strong> Ausgang <strong>der</strong> klassischen<br />

deutschen <strong>Philosophie</strong>“ berechtigt ist, Feuerbach sei gegenüber Hegel<br />

nur <strong>der</strong> Form nach realistisch, hinsichtlich des objektiven Inhalts aber,<br />

d. h. hinsichtlich <strong>der</strong> Berücksichtigung des Rechts, <strong>der</strong> Politik, <strong>der</strong> Ökonomie,<br />

bleibe er hinter Hegel zurück 582 , so ist doch bemerkenswert, dass<br />

Feuerbach immerhin – ohne aber daraus Konsequenzen zu ziehen – den<br />

Inhaltsreichtum des Hegelschen Systems einräumt: „Alles, was auf Erden,<br />

findet sich wie<strong>der</strong> im Himmel <strong>der</strong> Theologie – so auch alles, was in <strong>der</strong> Natur,<br />

im Himmel <strong>der</strong> göttlichen Logik: Qualität, Quantität, Maß, Wesen,<br />

Chemismus, Mechanismus, Organismus... Alles zweimal in <strong>der</strong> Hegelschen<br />

<strong>Philosophie</strong>; als Objekt <strong>der</strong> Logik, und dann wie<strong>der</strong> als Objekt <strong>der</strong> Natur-<br />

und Geistesphilosophie.“ 583<br />

Im undialektischen antithetischen Sinne ist es also zu verstehen, wenn<br />

Feuerbach seine <strong>Philosophie</strong>, die auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Sinnlichkeit <strong>der</strong> Sinnesorgane,<br />

<strong>der</strong> Außenwelt und des (nicht als Gegenstand, son<strong>der</strong>n als<br />

Quelle von Theorie und Praxis gefassten 584 ) Leibes gründet, im Gegensatz<br />

zur Spekulation Hegels als eine <strong>Philosophie</strong> kennzeichnet, „welche... gerade<br />

das Wesen <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> in die Negation <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> setzt, d. h.<br />

nur... die Mensch gewordene <strong>Philosophie</strong> <strong>für</strong> die wahre <strong>Philosophie</strong> erklärt“.<br />

585 Dementsprechend hat <strong>für</strong> Feuerbach zum Zwecke <strong>der</strong> Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> die neue toto genere verschiedene <strong>Philosophie</strong>, die<br />

„unbeschadet <strong>der</strong> Würde und Selbständigkeit <strong>der</strong> Theorie... wesentlich ei-


182<br />

ne praktische und zwar im höchsten Sinne praktische Tendenz“ hat 586 , mit<br />

<strong>der</strong> „Nichtphilosophie“ zu beginnen. 587 Die neue verwirklichte <strong>Philosophie</strong><br />

sei Sache nicht nur des Denkers und einer beson<strong>der</strong>en <strong>Fakultät</strong>, son<strong>der</strong>n<br />

des ganzen wirklichen Menschen; ihr Imperativ sei: „... denke in <strong>der</strong> Existenz,<br />

in <strong>der</strong> Welt als ein Mitglied <strong>der</strong>selben, nicht im Vakuum <strong>der</strong> Abstraktion,<br />

als eine vereinzelte Monade, als ein absoluter Monarch...“ 588 Die unphilosophische<br />

nicht mehr in Ansatz kommende Voraussetzung <strong>der</strong> sich<br />

selbst voraussetzenden und begründenden Hegelschen <strong>Philosophie</strong> liegt<br />

<strong>für</strong> Feuerbach darin, dass Hegel wesentlich als Denker existiert. 589<br />

(V) Nachdem sich gezeigt hat, dass Feuerbach bei seiner Religionskritik<br />

und seinem allgemeinen Umkehrverfahren hauptsächlich das praktische<br />

Interesse leitet, auf diesem Wege das harmonische von <strong>der</strong> Liebe inspirierte<br />

Gattungsleben vorzubereiten 590 , muss thematisch werden, dass Feuerbach<br />

in gewisser Weise seine neue <strong>Philosophie</strong> auch mit <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Politik<br />

verbindet. Diese Verbindung kommt allerdings detaillierter in den<br />

Briefen und dem Nachlass als in den veröffentlichten Schriften zum Ausdruck.<br />

Außer in den im Revolutionsjahr 1848 (auch vor Gottfried Keller) gehaltenen<br />

„Vorlesungen über das Wesen <strong>der</strong> Religion“ – in denen er als Zweck<br />

seiner Schriften angibt, die Menschen „aus religiösen und politischen<br />

Kammerdienern <strong>der</strong> himmlischen und irdischen Monarchie und Aristokratie<br />

zu freien, selbstbewussten Bürgern <strong>der</strong> Erde zu machen“ 591 - wird <strong>der</strong><br />

politische Inhalt <strong>der</strong> neuen <strong>Philosophie</strong> Feuerbachs am prägnantesten in<br />

den nachgelassenen Aufzeichnungen aus den Jahren l842/43 deutlich. In<br />

diesen Aufzeichnungen will Feuerbach das politische aktive Interesse an<br />

den Staatsangelegenheiten als „Religion <strong>der</strong> Zukunft“ gegründet wissen auf<br />

das die Trennung von Theorie und Praxis beseitigendende anthropologische<br />

Prinzip, dass <strong>der</strong> Mensch das höchste Wesen <strong>für</strong> den Menschen ist,<br />

(während dagegen Heine die politische Praxis aus <strong>der</strong> nicht umgebildeten –<br />

aber angeblich esoterischen – Hegelschen Theorie ableitet): „Die neue Religion,<br />

die Religion <strong>der</strong> Zukunft ist die Politik... Fassen wir ein vom Menschen<br />

unterschiedenes Wesen als höchstes Prinzip und Wesen... so kommen<br />

wir nie zur unmittelbaren Einheit mit uns selbst, mit <strong>der</strong> Welt, mit<br />

<strong>der</strong> Wirklichkeit, wir vermitteln uns mit uns selbst und <strong>der</strong> Welt durch ein<br />

An<strong>der</strong>es, Drittes... wir haben ein Jenseits, wenn nicht mehr außer uns,


183<br />

aber in uns, wir befinden uns stets in einem Bruch, einen Zwiespalt zwischen<br />

dem Leben und <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, <strong>der</strong> Praxis und <strong>der</strong> Theorie, wir haben<br />

ein an<strong>der</strong>es, (abstraktes), Wesen im Kopfe als im Herzen... wir sind bei<br />

jedem Schritte im Leben außer <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, bei jedem Gedanken <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong> außer dem Leben... Nur wenn das Wesen unseres Lebens auch<br />

das Wesen unseres Denkens, das wesentliche Objekt <strong>der</strong> Praxis auch das<br />

wesentliche, das absolute Objekt <strong>der</strong> Theorie ist, bekommen wir wahre<br />

Einheit zwischen Sinn und Denken, zwischen <strong>Philosophie</strong> und Leben.“ 592<br />

Die neue <strong>Philosophie</strong> als „Bedürfnis <strong>der</strong> Zukunft“ in Verbindung mit <strong>der</strong><br />

Politik kann <strong>für</strong> Feuerbach auch deshalb an die Stelle <strong>der</strong> christlichen Religion<br />

treten – die sich „vermengt hat mit den Hemnissen des wesentlichen<br />

Triebes <strong>der</strong> jetzigen Menschheit, <strong>der</strong> politischen Freiheit“, und die „den<br />

Menschen um die politische Energie“ bringt –, weil in <strong>der</strong> christlichen Religion<br />

die Realisierung eines wahren politischen Gemeinwesens vorstellungsmäßig<br />

antizipiert worden sei, und zwar in <strong>der</strong> Weise <strong>der</strong> Gleichheit<br />

aller Menschen vor Gott ohne Ansehung <strong>der</strong> Geburt, des Standes und <strong>der</strong><br />

Nation. 593 Dementsprechend ist <strong>für</strong> Feuerbach <strong>der</strong> politisch verwirklichte<br />

Abbau <strong>der</strong> Hierarchie dir Republik, was er in den nachgelassenen Aphorismen<br />

formelhaft so ausdrückt: „Die Auflösung <strong>der</strong> Theologie in die Anthropologie<br />

auf dem Gebiete des Denkens ist auf dem Gebiete <strong>der</strong> Praxis, des<br />

Lebens, die Auflösung <strong>der</strong> Monarchie in die Republik.“ 594<br />

Dass <strong>der</strong> Staat, in dem <strong>der</strong> Mensch nicht „dem Zufall <strong>der</strong> Naturmacht“<br />

preisgegeben ist, in <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Republik die Verwirklichung und zugleich<br />

„die praktische Wi<strong>der</strong>legung“ <strong>der</strong> Religion ist, ist eine etwas nähere<br />

Bestimmung <strong>der</strong> in den „Thesen“ veröffentlichten abstrakt allgemeinen<br />

Behauptung, <strong>der</strong> Staat sei „die realisierte, ausgebildete, explizierte Totalität<br />

des menschlichen Wesens“, in dem „die wesentlichen Qualitäten o<strong>der</strong><br />

Tätigkeiten des Menschen in beson<strong>der</strong>en Ständen verwirklicht, aber in <strong>der</strong><br />

Person des Staatsoberhauptes wie<strong>der</strong> zur Identität zurückgeführt“ seien. 595<br />

Der Grad <strong>der</strong> Abstraktheit <strong>der</strong> Feuerbachschen Konzeption <strong>der</strong> politischen<br />

Praxis in den „Thesen“ kommt auch darin zum Ausdruck, dass er zwar<br />

ähnlich wie Hegel, Heine, Cieszkowski, Heß und Ruge die Verbindung von<br />

Praxis und Theorie in Gestalt einer gallo-germanischen Allianz for<strong>der</strong>t, aber<br />

mit ihr doch nur allgemein die Vereinigung von Herz und Kopf, Leidenschaft<br />

und Geist meint. 596 Infolgedessen ist es verständlich, wenn Marx<br />

über die „Thesen“ an Ruge schreibt: „Feuerbachs Aphorismen sind mir nur


184<br />

in dem Punkt nicht recht, dass er zu sehr auf die Natur und zu wenig auf<br />

die Politik hinweist“; worauf Ruge antwortet: „Über Feuerbachs Natureinseitigkeit<br />

stimm ich ihnen bei. Er hat aber außerdem sehr viel politischen<br />

Sinn, nur meint er, sei in Deutschland dem Ding nicht an<strong>der</strong>s als von <strong>der</strong><br />

Theologie aus beizukommen.“ 597<br />

Feuerbachs Schwäche ist, dass er im wesentlichen dabei bleibt, die<br />

Theologie sei „<strong>für</strong> Deutschland das einzige praktische und erfolgreiche Vehikel<br />

<strong>der</strong> Politik, wenigstens zunächst.“ 598 In dem Bewusstsein, dass sein<br />

anthropologisches Prinzip <strong>für</strong> die politische Praxis allein nicht hinreichend<br />

ist und er keine allseitig fundierte in die Praxis übersetzbare politische<br />

Theorie entwickelt hat, schreibt Feuerbach im Zusammenhang mit dem<br />

Projekt <strong>der</strong> „Deutsch-Französischen Jahrbücher“, <strong>für</strong> das ihn Marx und<br />

Ruge – unter Berufung auf die von ihm selbst verkündigte gallogermanische<br />

Allianz – zu gewinnen suchen: „Ich habe nichts gegen die Idee<br />

an sich – im Gegenteil... aber vom praktischen Gesichtspunkt aus hält sie,<br />

namentlich jetzt, nicht stich und stand. Diese Assoziation ist auffallend,<br />

und schon dadurch verfehlt sie ihren Zweck; denn <strong>der</strong> letzte Zweck ist zunächst<br />

doch immer nur, sich Luft zu machen... Haben wir nur erst Luft,<br />

<strong>der</strong> Wind stellt sich schon mit <strong>der</strong> Zeit ein; er entsteht unter Bedingungen,<br />

die nicht in unserer Gewalt sind... Deutschland kann nur durch Gift kuriert<br />

werden – nicht durch Feuer und Schwert. Wir sind noch nicht auf<br />

dem Übergang von <strong>der</strong> Theorie zur Praxis, denn es fehlt uns noch die Theorie,<br />

wenigstens in ausgebildeter und allseitig durchgeführter Gestalt.“ 599<br />

Wie sich zeigte, muss es <strong>für</strong> Feuerbach gerade wegen seines Anthropologismus<br />

und ungeschichtlichen Sensualismus unmöglich bleiben, einen<br />

exakten Begriff <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> Politik und Gesellschaft zu gewinnen, <strong>der</strong> auf<br />

<strong>der</strong> Differenz von Wirklichem und Möglichem, Realem und Rationalem zu<br />

basieren hätte; und das Fehlen dieses Begriffes <strong>der</strong> Kritik kann nicht adäquat<br />

ersetzt werden durch die Vorstellung eines in <strong>der</strong> Religion antizipierten<br />

auf <strong>der</strong> Gleichheit aller Menschen gegründeten politischen Gemeinwesens.<br />

Aber eines, was die Junghegelianer (im engeren Sinne) von <strong>der</strong> Kritik<br />

annehmen, denkt auch Feuerbach von <strong>der</strong> politischen Theorie, nämlich<br />

dass die praktische Neugestaltung o<strong>der</strong> Therapie zwangsläufig auf die<br />

wahre Einsicht o<strong>der</strong> Diagnose folgen müsse und die Tatlosigkeit wesentlich<br />

in <strong>der</strong> Ratlosigkeit wurzele (so dass, wie sich folgern lässt, in <strong>der</strong> politisch-


185<br />

gesellschaftlichen Praxis auftretende Gegensätze auch durch Ratgeber,<br />

Gutachter- und Sachverständigenräte, „councils of advisers“ o<strong>der</strong> – venia<br />

sit verbo – „brain-trusts“, auflösbar sein müssten): „Die Deutschen sind<br />

politische Kin<strong>der</strong>. Sie müssen erst erzogen werden. Es fehlt ihnen nicht an<br />

Willen, und es fehlt ihnen aber so sehr an Kopf und Erkenntnis; sie sind<br />

nur tatlos, weil ratlos, nur mutlos, weil sie kein Recht zu haben glauben,<br />

mutig zu sein...“ 600


186<br />

IX. Marx’ Übergang von <strong>der</strong> kritischen <strong>Philosophie</strong> zur Konzeption<br />

<strong>der</strong> Aufhebung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> durch ihre Verwirklichung<br />

Bevor Marx teilweise auf Feuerbachs Position übergeht und danach im<br />

Zusammenhang mit seiner Kritik an Feuerbachs kontemplativen Materialismus<br />

und ungeschichtlichen Anthropologismus seine eigene materialistische<br />

und dialektische Konzeption entwickelt, setzt er sich schon mit <strong>der</strong><br />

idealistischen <strong>Philosophie</strong> Hegels und <strong>der</strong> Junghegelianer auseinan<strong>der</strong>.<br />

(1) Vom Anfang seiner schriftlichen Äußerungen an ist Marx dabei bestrebt,<br />

Hegels unter an<strong>der</strong>em in <strong>der</strong> Vorrede zur „Rechtsphilosophie“ ausgesprochene<br />

Ablehnung des leeren Sollens und des utopischen „Aufstellens<br />

eines Jenseitigen“ bei zu behalten, eine hinter Hegel zurück gehende<br />

dualistisch-abstrakte Entgegensetzung von Theorie und Praxis – etwa in<br />

Gestalt einer Orientierung am naturrechtlich gefassten Humanitätsideal –<br />

zu vermeiden und Vernunft und Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen.<br />

In dem aus <strong>der</strong> Berliner Studienzeit stammenden Brief an den Vater<br />

vom 10. November 1837 kritisiert Marx selbst seine eigenen zurück liegenden<br />

Versuche in <strong>der</strong> Poesie wegen ihrer subjektiv-idealistischen Entgegensetzung<br />

„von dem, was da ist und dem, was sein soll“, ebenso wie seine<br />

Versuche in <strong>der</strong> Rechtsphilosophie, in denen „<strong>der</strong>selbe Gegensatz des<br />

Wirklichen und Sollenden.. sehr störend“ hervor getreten sei und Form<br />

und Inhalt, Theoretisches und Positives, dogmatisch getrennt worden seien<br />

statt dass „das Objekt selbst in seiner Entwicklung belauscht“ und die<br />

„Vernunft des Dinges“ aufgedeckt worden sei. Unverkennbar ist hier die<br />

Aufbewahrung dessen, was Hegel beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Vorrede zur „Phänomenologie<br />

des Geistes“ über die Methode <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und gegen den<br />

schematisierenden Formalismus anführt. Das Sollen ist <strong>für</strong> Marx wie <strong>für</strong><br />

Hegel ein Resultat <strong>der</strong> Entwicklung des Wirklichen: „Von dem Idealismus,<br />

den ich, beiläufig gesagt, mit Kantischem und Fichteschem verglichen und<br />

genährt, geriet ich dazu, im Wirklichen selbst die Idee zu suchen. Hatten<br />

die Götter früher über <strong>der</strong> Erde gewohnt, so waren sie jetzt das Zentrum<br />

<strong>der</strong>selben geworden.“ 601<br />

Wenn Marx hierbei ein Ungenügen an <strong>der</strong> – im „Doktorklub“ erörterten<br />

– Hegelschen <strong>Philosophie</strong> bekundet, indem ihm <strong>der</strong>en „groteske Felsenme-


187<br />

lodie... nicht behagte“, so gründet dieses hier noch nicht darin, dass er ihr<br />

Prinzip, die Gleichsetzung von Idee und Wirklichkeit, als unzulänglich bestimmt<br />

hätte; das heißt: <strong>für</strong> Marx ist hier die Gegenständlichkeit durchaus<br />

noch im idealistischen Sinne die Entäußerung o<strong>der</strong> das an<strong>der</strong>e des Geistes.<br />

Auch nimmt Marx noch nicht ausdrücklich Anstoß an dem Wi<strong>der</strong>streit<br />

zwischen dem System und <strong>der</strong> Methode in <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong>,<br />

den im folgenden Jahr Cieszkowski als die Unterordnung <strong>der</strong> Dynamik des<br />

dialektischen Prozesses unter die Statik des endgültigen Abschlusses <strong>der</strong><br />

Geschichte und als Versöhnung von Theorie und Praxis vermittels <strong>der</strong><br />

Verabsolutierung <strong>der</strong> Gegenwart kennzeichnet, ohne aber seinerseits darauf<br />

zu verzichten, an dem Vorrang des Systems vor <strong>der</strong> Methode festzuhalten<br />

und die die Totalität umschließende Synthese nur um eine zukünftige<br />

Stufe höher hinaus zu verschieben.<br />

Wenn aber Marx in den Anmerkungen zu seiner Dissertation über die<br />

„Differenz <strong>der</strong> demokritischen und epikureischen Naturphilosophie“ (1841)<br />

in <strong>der</strong> „Unzulänglichkeit o<strong>der</strong> unzulänglichen Fassung seines Prinzips“ den<br />

Grund <strong>für</strong> Hegels versöhnende Akkommodation sieht 602 (und nicht in <strong>der</strong><br />

von Bauer und Ruge behaupteten inkonsequenten äußerlichen Anpassung<br />

und Apologetik o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> von Heine unterstellten exoterischen Irreführung),<br />

so zielt er damit auf die absolute Einheit von Vernunft und Wirklichkeit<br />

o<strong>der</strong> von Subjektivität und Objektivität, auf Hegels absoluten Idealismus,<br />

dessen Anspruch auf Vollendung im Wissen des absoluten Geistes<br />

prinzipiell voraussetzt die praktisch-geschichtliche Verwirklichung des<br />

Geistes, d. h. die Vollendung <strong>der</strong> geschichtlichen Praxis, die als solche in<br />

ihrem gegenwärtigen vorgegebenen Bestand zu begreifen, in Form zu bringen<br />

ist, und <strong>der</strong> sich also <strong>der</strong> Begreifende in diesem Sinne zu akkomodieren<br />

hat. Mit <strong>der</strong> Abkehr von <strong>der</strong> Hegelschen Konzeption <strong>der</strong> absoluten<br />

Subjekt-Objekt-Einheit, die zwar wie die aristotelische Theoria auf das Ewige<br />

und Absolute ausgerichtet ist, aber im Gegensatz zu ihr mit diesem<br />

zugleich das Zeitliche, Relative und Praktische dialektisch verknüpft, verliert<br />

Marx auch die Möglichkeit <strong>der</strong> Rücknahme <strong>der</strong> Entäußerungen des<br />

absoluten schöpferischen Subjekts auf dem Wege <strong>der</strong> spekulativen Theorie.<br />

Marx bleibt jedoch in seiner Dissertation auf dem Boden <strong>der</strong> Dialektik<br />

des objektiven Geistes (nachdem die Umkehrung des Verhältnisses von<br />

Denken und Sein von Feuerbach schon im Jahre 1839 vorgenommen worden<br />

ist). Die Weltgeschichte ist <strong>für</strong> Marx in diesem Stadium seiner Ent-


188<br />

wicklung bestimmt durch die Beziehung zwischen dem menschlichen<br />

Geist und <strong>der</strong> Welt, <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und <strong>der</strong> Wirklichkeit, dem Selbstbewusstsein<br />

und dem Sein, auf <strong>der</strong>en Einklang – den „Knotenpunkten“ <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong>entwicklung – immer wie<strong>der</strong> im dialektischen Prozess Perioden<br />

<strong>der</strong> Entzweiung folgen wie die nacharistotelische und die nachhegelische<br />

Periode, die gekennzeichnet sind durch den Gegensatz <strong>der</strong> in sich auf abstrakte<br />

Weise abgeschlossenen, freien und harmonischen subjektiven <strong>Philosophie</strong><br />

auf <strong>der</strong> einen Seite und <strong>der</strong> ihr wi<strong>der</strong>sprechenden in sich zerrissenen<br />

Welt auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. „Die Welt ist also eine zerrissene, die<br />

einer in sich totalen <strong>Philosophie</strong> gegenübertritt.“ 603<br />

Auf dem Fundament dieses Zwiespalts und Konflikts von <strong>Philosophie</strong><br />

und Welt, Vernunft und Wirklichkeit, werde, wie Marx ausführt, die Bewegung<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> praktisch, trete sie aus ihrer selbstgenügsamen Kontraktion<br />

heraus nach außen, setze sich als Wille <strong>der</strong> Welt entgegen und<br />

ziele auf die vernünftige Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Welt, bleibe dabei aber im Element<br />

<strong>der</strong> theoretischen Kritik, d. h. <strong>der</strong> theoretischen Vermittlung zwischen<br />

Wesen und Existenz: „Es ist ein psychologisches Gesetz, dass <strong>der</strong> in<br />

sich frei gewordene theoretische Geist zur praktischen Energie wird, als<br />

Wille... sich gegen die weltliche, ohne ihn vorhandene Wirklichkeit kehrt...<br />

Allein die Praxis <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> ist selbst theoretisch. Es ist die Kritik, die<br />

die einzelne Existenz am Wesen, die beson<strong>der</strong>e Wirklichkeit an <strong>der</strong> Idee<br />

misst.“ 604<br />

Diese mit dem Geschichtsprozess verbundene subjektive Kritik, die als<br />

solche Sache des Bewusstseins bleibt, kann als wirksam – als unwi<strong>der</strong>stehlich<br />

den Übergang vom Wesen zur Erscheinung vollbringend und somit<br />

die rationale Negation <strong>der</strong> irrational gewordenen Welt bewerkstelligend<br />

– nur insofern gedacht werden, als <strong>der</strong> Geschichtsprozess in objektiv idealistischer<br />

Weise als wesentlich geistiger Prozess fortschreiten<strong>der</strong> Freiheit<br />

gefasst wird.<br />

Wie die Dissertation weiter zeigt, liegen <strong>für</strong> Marx wahre Freiheit, Selbständigkeit<br />

und Selbstbehauptung nicht in <strong>der</strong> Absolutheit <strong>der</strong> Theorie,<br />

<strong>der</strong> Losgelöstheit von <strong>der</strong> wirklichen geschichtlichen Welt, und dem sich<br />

daraus ergebenden Verzicht, auf sie einzuwirken, was gleichbedeutend wäre<br />

mit <strong>der</strong> permanenten Repulsion des Daseienden, dem reinen Fürsichsein,<br />

<strong>der</strong> formellen Unabhängigkeit und <strong>der</strong> abstrakten Einzelheit: „Die


189<br />

abstrakte Einzelheit ist die Freiheit vom Dasein, nicht die Freiheit im Dasein.<br />

Sie vermag nicht im Licht des Daseins zu leuchten.“ Marx bemängelt<br />

infolgedessen Epikurs Begriff <strong>der</strong> Freiheit als Ataraxie, als „Ausbeugen vor<br />

dem Schmerz und <strong>der</strong> Verwirrung“, dem Epikurs Bestimmung <strong>der</strong> Deklination<br />

des Atoms von <strong>der</strong> geraden Linie sowie seine Auffassung vom Desinteresse<br />

<strong>der</strong> intermundanen Götter an <strong>der</strong> Welt entspreche, wozu das an<strong>der</strong>e<br />

falsche Extrem Demokrits deterministisch-undialektische Bestimmung<br />

<strong>der</strong> Notwendigkeit sei. 605<br />

Unverkennbar sucht Marx sich also anzuschließen an Hegels Konzeption<br />

<strong>der</strong> konkreten Sittlichkeit: frei, allgemein und unendlich ist nach ihr<br />

<strong>der</strong> beschränkte, natürliche und endliche Wille nur formal o<strong>der</strong> seinem<br />

Begriffe nach, das heißt insofern, als er die Möglichkeit hat, durch seinen<br />

Entschluss von jedem bestimmten Inhalt ins Unendliche fort zu abstrahieren<br />

und in dieser einseitigen Weise als einfache Reflexion in sich und Negation<br />

des Realen unmittelbar bei sich zu sein, während dagegen die<br />

wahrhafte Autonomie und Sittlichkeit erst in <strong>der</strong> Einheit des allgemeinen<br />

Gesetzes und des bestimmten Inhalts möglich ist.<br />

Marx’ in <strong>der</strong> Dissertation entwickelte Auffassung von <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong><br />

theoretischen Kritik stimmt mit <strong>der</strong> kritischen <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> idealistischen<br />

Junghegelianer in folgendem überein: erstens in <strong>der</strong> Beziehung <strong>der</strong><br />

subjektiven Kritik auf die als Geistesprozess verstandene objektive Geschichte<br />

(mit ihren latenten und akuten Krisen), wodurch die Kritik als<br />

Selbstzweck verneint wird und in den Dienst <strong>der</strong> geschichtlichen Selbstverwirklichung,<br />

des Prozesses <strong>der</strong> Freiheit, gestellt wird (und sich nicht auf<br />

die Vergangenheit des Menschen bezieht, sofern diese keine gegenwärtige<br />

und zukünftige Dimension mehr hat); somit zweitens in <strong>der</strong> Strukturierung<br />

<strong>der</strong> Kritik, nämlich in <strong>der</strong> vermittelnden Zuordnung <strong>der</strong> – im Geschichtsprozess<br />

enthaltenen – spannungsvollen Zweiheit von Vernunft und<br />

Realität, Begriff und Existenz, Möglichkeit und Wirklichkeit; drittens in <strong>der</strong><br />

hiermit implizierten Ablehnung, Theorie und Praxis – wie Aristoteles – als<br />

ein Verhältnis zweier wesentlich verschiedener Prinzipien zu fassen 606 und<br />

in <strong>der</strong> Fortführung <strong>der</strong> Hegelschen Bestimmung des Vorranges innerhalb<br />

des dialektischen Verhältnisses von Theorie und Praxis, Geist und Willen,<br />

Innen und Außen, demgemäß <strong>der</strong> – von <strong>der</strong> Kritik aktivierte, mobilisierte<br />

und formierte – Wille nicht das Ursprüngliche und Selbständige, son<strong>der</strong>n


190<br />

das an<strong>der</strong>e, die Entäußerung o<strong>der</strong> Objektivation des Geistes, des allgemeinen<br />

Möglichen o<strong>der</strong> An sich, ist; viertens in <strong>der</strong> Annahme, dass die Praktizierung<br />

vernünftiger Verhältnisse hauptsächlich verhin<strong>der</strong>t wird durch ein<br />

falsches Bewusstsein, d. h. durch das Unaufgeklärtbleiben über Vernunft<br />

und Unvernunft (nicht durch Interessen- und Machtkonstellationen sowie<br />

Leidenschaften und Bedürfnisse); fünftens in <strong>der</strong> Auffassung, dass die philosophische<br />

Theorie, an die die Kritik beim Geltendmachen und Inswerksetzen<br />

<strong>der</strong> Vernunft anknüpft, trotz ihres Ausgerichtetseins auf praktische<br />

Effektuierung im wesentlichen <strong>für</strong> sich selbst besteht und souverän ist<br />

und nicht in <strong>der</strong> geschichtlichen Praxis ihre Grundlage hat. In dieser Hinsicht<br />

stehen die Junghegelianer im übrigen nicht in Opposition zu Eduard<br />

Zeller, wie dieser selbst annimmt, indem er zwar die praktische Bedeutung<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, ihre „Verbindung mit dem Leben“ (als „Bestimmen <strong>der</strong> gegebenen<br />

Stoffe und Verhältnisse durch den Gedanken“) anerkennt, aber<br />

schließlich an ihrer Autonomie prinzipiell festhält: „... die rechte Praxis <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong> setzt voraus, dass erst die Selbständigkeit <strong>der</strong> Theorie gegen<br />

unbefugte Ansprüche und Anfor<strong>der</strong>ungen gewahrt werde“, ohne dass er<br />

mit diesen etwa nur korrumpierende willkürliche Einflussnahmen <strong>der</strong> Alltagspraxis<br />

o<strong>der</strong> rechtfertigende Anpassungen <strong>der</strong> Theorie an Taktiken des<br />

Machtstrebens meint. 607<br />

Aber Marx unterscheidet sich von <strong>der</strong> kritischen <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> idealistischen<br />

Junghegelianer schon in seiner Dissertation dadurch, dass er – als<br />

Resultat <strong>der</strong> Kritik – die Verwirklichung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und ihre Versöhnung<br />

mit den Erscheinungen <strong>der</strong> Welt in <strong>der</strong> Weise <strong>der</strong> Aufhebung <strong>der</strong> <strong>für</strong><br />

sich bestehenden <strong>Philosophie</strong> erwartet: „Die innere Selbstgenügsamkeit<br />

und Abrundung ist gebrochen. Was innerliches Licht war, wird zur verzehrenden<br />

Flamme, die sich nach außen wendet. So ergibt sich die Konsequenz,<br />

dass das Philosophisch-Werden <strong>der</strong> Welt zugleich ein Weltlich-<br />

Werden <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, dass ihre Verwirklichung zugleich ihr Verlust...<br />

ist...“ 608<br />

Mit diesem Gedanken, den er im Laufe seiner Entwicklung weiter konkretisiert,<br />

musste Marx später am schroffsten in Gegensatz geraten zu<br />

Bauers Rückgang in die Subjektivität und unversöhnlichen Ablösung von<br />

den bestehenden Voraussetzungen. Aber auch von Feuerbachs Entwurf<br />

einer „Mensch gewordenen <strong>Philosophie</strong>“ unterscheidet sich Marx hier im


191<br />

Grunde; denn Feuerbach erstrebt mit ihr im undialektisch-antithetischen<br />

Sinne nur die Negation, nicht die Aufhebung <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong>.<br />

Zwar die Verwirklichung, aber auch nicht die Aufhebung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

bestimmt unabhängig von Marx Engels in mehreren kleinen Artikeln<br />

von 1840 bis 1842 als Aufgabe <strong>der</strong> Zeit, <strong>der</strong>en Lösung er als einziger in <strong>der</strong><br />

„Vereinigung des Gedankens mit <strong>der</strong> Tat“ als Vollendung <strong>der</strong> „Durchdringung<br />

Hegels und Börnes“ erblickt. 609<br />

Marx sucht mit seinem Begriff von Kritik zu bewahren, was Hegel mit<br />

philosophischer Kritik verbindet und prinzipiell gegen die kritizistische<br />

Voruntersuchung <strong>der</strong> Instrumente des Erkenntnisvermögens anführt,<br />

nämlich die Notwendigkeit des Eingehens auf die Sache selbst, auf den<br />

inneren Gehalt und die Bewegung des Gegenstands, und damit einerseits<br />

das Durchbrechen pseudo-objektiver Klassifikationen und Kategorien, die<br />

von Erfahrungen absperren, sowie an<strong>der</strong>erseits das Fernhalten des „Räsonierens“,<br />

d. h. des Vorbringens subjektiver von außen genommener beliebiger<br />

Gesichtspunkte. Dieser Grundzug lässt sich als die Insistenz und<br />

objektive Immanenz <strong>der</strong> Kritik bezeichnen. Aber als nicht verdinglicht, als<br />

nicht absorbiert ist die Kritik zugleich resistierend und transzendierend,<br />

das heißt: das kritische Eindringen in die Sache –das gleichbedeutend ist<br />

mit <strong>der</strong> Repulsion <strong>der</strong> <strong>für</strong>sichseienden Reinheit, des formalen existenzlosen<br />

Gutseins, des unmittelbaren Beisichseins, <strong>der</strong> einfachen Reflexion in<br />

sich, <strong>der</strong> abstrakten Selbstgenügsamkeit, <strong>der</strong> cartesischen Selbstgewissheit<br />

des Subjekts – verfällt nicht passiv <strong>der</strong> ansichseienden Sache mit ihrem<br />

beson<strong>der</strong>en scheinbar unerschütterlichen Unwesen, son<strong>der</strong>n bewahrt<br />

zugleich als spontan negierendes Distanz und Spannung, so dass die vernünftige<br />

Autonomie nicht preisgegeben werden kann zugunsten wirklicher<br />

Heteronomie. (Diese Stellung des Subjekts zur Objektivität bedeutet im<br />

engen politischen Sinn die Vermeidung <strong>der</strong> beiden Extreme <strong>der</strong> Utopie und<br />

des Opportunismus.) Die Marxsche Kritik verwickelt sich also ihrem Anspruch<br />

nach in die Sache, ohne sich in ihr wehrlos zu verstricken, aber<br />

auch ohne sich mit ihr vollends in <strong>der</strong> Weise <strong>der</strong> Hegelschen konkreten<br />

Sittlichkeit zu versöhnen.<br />

Im Gegensatz zu Hegel verbindet Marx mit seiner Kritik zugleich Polemik<br />

und Parteilichkeit. Hegel grenzt ab: „...wenn die Kritik selbst einen<br />

einseitigen Gesichtspunkt gegen an<strong>der</strong>e ebenso einseitige geltend machen


192<br />

will, so ist sie Polemik und Parteisache.“ 610 Gerade dieses wird die Konsequenz<br />

<strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong>, nachdem ihr Anspruch auf das spekulative<br />

Erfassen des versöhnenden absoluten Ganzen von den Junghegelianern<br />

fallengelassen und nur die objektive Vernunft <strong>der</strong> Entwicklung in Gegensätzen<br />

festgehalten worden ist (und nur Bauer den Rückzug in eine<br />

welt- und substanzlose Überparteilichkeit und Desintegration erstrebt<br />

hat).<br />

Diese Art von Kritik praktiziert Marx im folgenden. Ihr – nicht nur <strong>der</strong><br />

vollständigen und allseitigen Information – den von <strong>der</strong> Pressezensur ungehin<strong>der</strong>ten<br />

Ausdruck zu verschaffen beson<strong>der</strong>s innerhalb <strong>der</strong> politischen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen, in denen er auf selten <strong>der</strong> Liberalen und danach<br />

<strong>der</strong> Radikaldemokraten steht, gelten Marx’ „Bemerkungen über die neueste<br />

preußische Zensurinstruktion“ (Ende Januar 1842) und <strong>der</strong> erste Artikel<br />

über „Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags“, (im Mai 1842<br />

veröffentlicht in <strong>der</strong> „Rheinischen Zeitung“). Überdies konkretisiert er diese<br />

Kritik (die Vermittlung zwischen Wesen und Existenz), indem er die Idee<br />

<strong>der</strong> Freiheit in Gestalt <strong>der</strong> Pressefreiheit vergleicht mit den bestehenden<br />

Zensurzuständen und in dieser bestimmten Weise „das Maß des Wesens<br />

<strong>der</strong> inneren Idee an die Existenz <strong>der</strong> Dinge“ legt. 611<br />

Wie sehr Marx in diesem Zusammenhang bestrebt ist, Theorie und Praxis<br />

zu vereinen, geht indirekt aus dem hervor, was er dem Stand <strong>der</strong> Ritter<br />

hinsichtlich dessen Äußerungen zur Pressefreiheit vorhält: er könne – da<br />

seine wirkliche Stellung obsolet und seine Bestrebungen irrational geworden<br />

seien – seinen praktischen For<strong>der</strong>ungen nur durch theoretische Illusionen<br />

Ausdruck verschaffen: „Weil ferner die wirkliche Stellung dieser Herren<br />

im mo<strong>der</strong>nen Staate keineswegs dem Begriff entspricht, den sie von<br />

ihrer Stellung haben, weil sie in einer Welt leben, die jenseits <strong>der</strong> wirklichen<br />

liegt..., so greifen sie, in <strong>der</strong> Praxis unbefriedigt, notwendig zur Theorie,<br />

aber nur zur Theorie des Jenseits, zur Religion, die jedoch in ihren<br />

Händen eine polemische, von politischen Tendenzen geschwängerte Bitterkeit<br />

empfängt und mehr o<strong>der</strong> weniger bewusst nur <strong>der</strong> Heiligenmantel <strong>für</strong><br />

sehr weltliche, aber zugleich sehr phantastische Wünsche wird.“ 612<br />

Marx stimmt hier sogar schon dem Repräsentanten des Bauernstandes<br />

zu, <strong>der</strong> die Notwendigkeit <strong>für</strong> gesetzliche Bestimmungen <strong>der</strong> Pressefreiheit<br />

aus neuentstandenen geschichtlichen Interessen und Bedürfnissen ablei-


193<br />

tet. 613 Dass diese Perspektive durchaus vereinbar ist mit <strong>der</strong> noch vertretenen<br />

idealistischen Auffassung von Gesetz und Staat als Daseinsweisen<br />

des Volksgeistes und als Wirklichkeit <strong>der</strong> Freiheit, zeigt sich auch an den<br />

vergleichbaren Schriften Hegels: „Über die neuesten inneren Verhältnisse<br />

Württembergs“, „Die Verfassung Deutschlands“ (die damals beide nicht<br />

veröffentlicht waren) und „Verhandlungen in <strong>der</strong> Versammlung <strong>der</strong> Landstände<br />

des Königreichs Württemberg im Jahre 1815 und 1816“, in denen<br />

Hegel Verän<strong>der</strong>ungen unhaltbar gewordener überlebter Zustände am Maßstab<br />

des Begriffs for<strong>der</strong>t.<br />

Unkritisch und positivistisch, d. h. stecken geblieben in gegebenen Tatsachen<br />

als maßgeben<strong>der</strong> Instanz, und in dieser ponierend-stabilisierenden<br />

Weise „materialistisch“ muss nach Marx’ Urteil die historische Rechtsschule<br />

Gustav Hugos und Friedrich Karl von Savignys verfahren, insofern<br />

sie sich gegen die Vernunft skeptisch verhält und nicht von <strong>der</strong> Spannung<br />

– <strong>der</strong> „geeinten Zwienatur“ – von Vernunft und Wirklichkeit ausgeht (womit<br />

sie als verdinglichtes Bewusstsein eine Wahrheit des Idealismus verwirft).<br />

614 In <strong>der</strong> Tat verliert hiermit die historische Rechtsschule – ähnlich<br />

wie die Publizistik Justus Mörsers – die Möglichkeit, über bloß hinnehmendes<br />

„inventarisierendes“ Protokollieren, Deskribieren und Reproduzieren<br />

hinaus das scheinbar unmittelbar Gegebene, Dinghafte, Positive und<br />

Selbständige, das <strong>der</strong> Selbstbestimmung des Subjekts entgegensteht,<br />

durch die Anstrengung <strong>der</strong> „Kritik“, des Unterscheidens – „krinein“ – o<strong>der</strong><br />

Aufschließens und Auseinan<strong>der</strong>spaltens – discutio“ – zu entautorisieren,<br />

die „quaestio facti“ und „quaestio iuris“ einan<strong>der</strong> gegenüber zustellen und<br />

sich als immanente Kritik an den inneren Wi<strong>der</strong>sprüchen <strong>der</strong> geschichtlichen<br />

Entwicklung des manifest-tatsächlich Gewordenen zu orientieren.<br />

Marx hätte sich mit Recht auch auf Friedlich von Gentz, den Übersetzer<br />

von Burkes „Reflections on the revolution in France“ und Vertrauten Metternichs,<br />

beziehen können, <strong>der</strong> den „Vorrang <strong>der</strong> positiven Wissenschaften<br />

über die philosophischen und kritischen“ genau als ein Mittel erkannt hat,<br />

die „intellektuelle Subordination“ zu erhalten. – Wenn im übrigen Marx<br />

und Engels gegen die historische Rechtsschule geltend machen, dass das<br />

Recht nicht nur unbewusster „organischer“ Ausdruck des Volksgeistes,<br />

son<strong>der</strong>n auch bewusste zwecktätige Hervorbringung ist, so entspricht dem<br />

Bauers Stellungnahme gegen Strauß’ Erklärung des Ursprungs <strong>der</strong> Evangelien,<br />

indem Bauer diese nicht aus dem substantiellen urchristlichen


194<br />

Gemeindebewusstsein <strong>der</strong> messianischen Erwartungen, dem absichtslosen<br />

„Mythus“, son<strong>der</strong>n aus dem schöpferischen Selbstbewusstsein als „Werk<br />

<strong>der</strong> Reflexion“ ableitet.<br />

Das kritische Aufeinan<strong>der</strong>beziehen von Vernunft und Wirklichkeit – das<br />

Verklärung <strong>der</strong> Wirklichkeit o<strong>der</strong> Gemütlichkeit und Erbaulichkeit, d. h.<br />

bloße Wie<strong>der</strong>holung des schon Bekannten, nicht zulässt – ist die Quelle<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Puls auch in Marx’ folgenden Untersuchungen. Dass die Existenz<br />

eines Zustandes nicht eo ipso die Berechtigung seines Bestehens, die raison<br />

d’ être, impliziert, ist <strong>der</strong> zentrale Gesichtspunkt in dem Artikel gegen<br />

den Redakteur <strong>der</strong> „Kölnischen Zeitung“ Hermes, <strong>der</strong> <strong>der</strong> „Rheinischen Zeitung“<br />

das Recht <strong>der</strong> Behandlung philosophischer und religiöser Fragen<br />

absprach. Marx hält daran fest, dass <strong>der</strong> Staat, den er hier noch als Verwirklichung<br />

von Vernunft und Freiheit (dem Begriff nach) ansieht, mit Hilfe<br />

<strong>der</strong> philosophischen rationalen Kritik – <strong>der</strong> nicht nur nachträglich tätigen<br />

Theorie – aktiv umgestaltet und emanzipatorisch weiter entwickelt<br />

wird. Die <strong>Philosophie</strong> kann dementsprechend nicht in <strong>der</strong> folgenlosen „systematischen<br />

Abschliessung“ und „leidenschaftslosen Selbstbeschauung“<br />

verharren. Ihr Weltlichwerden und die Möglichkeit ihrer Wechselwirkung<br />

mit <strong>der</strong> geschichtlichen Welt leitet Marx dabei daraus ab, dass sie das<br />

geistige Wesen eben dieser geschichtlichen Welt ist: „Weil jede wahre <strong>Philosophie</strong><br />

die geistige Quintessenz ihrer Zeit ist, muss die Zeit kommen, wo<br />

die <strong>Philosophie</strong> nicht nur innerlich durch ihren Gehalt, son<strong>der</strong>n auch äußerlich<br />

durch ihre Erscheinung mit <strong>der</strong> wirklichen Welt ihrer Zeit in Berührung<br />

und Wechselwirkung tritt. Die <strong>Philosophie</strong> hört dann auf, ein bestimmtes<br />

System gegen an<strong>der</strong>e Systeme zu sein, sie wird die <strong>Philosophie</strong><br />

überhaupt gegen die Welt, sie wird die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />

Welt.“ 615 In <strong>der</strong> wirklichen Welt praktisch tätig ist <strong>für</strong> Marx in dieser seiner<br />

Entwicklungsetappe <strong>der</strong> objektive Zeit- und Volksgeist sowohl in Gestalt<br />

<strong>der</strong> philosophisch-kritischen Tätigkeit als auch in Gestalt <strong>der</strong> sinnlichen<br />

Arbeitstätigkeit: „Derselbe Geist baut die philosophischen Systeme in dem<br />

Hirn <strong>der</strong> Philosophen, <strong>der</strong> die Eisenbahnen mit den Händen <strong>der</strong> Gewerke<br />

baut.“ 616 Dieser Auffassung entspricht es, wenn Marx <strong>der</strong> Subjektivierung<br />

<strong>der</strong> Kritik seitens <strong>der</strong> Berliner „Freien“ immer entschiedener entgegen tritt.<br />

Ihnen wirft er vor, beson<strong>der</strong>s durch die rücksichtslose die Zensur provozierende<br />

Negation des Liberalismus die Kritik zu isolieren und zum Selbstzweck<br />

ohne praktische Wirksamkeit auf die politische Umwelt werden zu


195<br />

lassen. Die die „Phrase“ meidende sachliche undogmatische Kritik, <strong>für</strong> die<br />

Marx plädiert, entwickelt die Theorie konkret, d. h. an den aktuellen Zeiterscheinungen,<br />

und verbindet so Theorie und Praxis: „Die wahre Theorie<br />

muss innerhalb konkreter Zustände und an bestehenden Verhältnissen<br />

klargemacht und entwickelt werden.“ 617 Da die Zeiterscheinungen nicht<br />

mehr als Entäußerungen des absoluten Geistes begriffen werden und das<br />

Wahre we<strong>der</strong> mit dem reinen unbedingten Transzendentalsubjekt noch mit<br />

dem äußeren Anwesenden und Bleibenden gleichgesetzt wird, entfällt mit<br />

dieser methodischen Ausrichtung zugleich die Möglichkeit, die philosophische<br />

Theorie in einem fertigen lehrbaren System – in <strong>der</strong> Weise einer einzelnen<br />

Wissenschaft o<strong>der</strong> einer Ontologie und eines Strukturaslismus – zu<br />

verselbständigen o<strong>der</strong> zu einer geschlossenen Weltanschauung zu machen.<br />

618 Infolgedessen befände sich auf dem Boden <strong>der</strong> Marxschen Theorie,<br />

wer diese we<strong>der</strong> „dogmatisch“ rezipiert, indem er sie in Form von erstarrten<br />

theoretischen Thesen von <strong>der</strong> wirklichen verän<strong>der</strong>lichen Praxis<br />

absperrt, noch ihre dialektische Methode „revisionistisch,“ wie prototypisch<br />

Eduard Bernstein, verwirft.<br />

Eingehendes gründliches Studium verlangt Marx – gegenüber <strong>der</strong><br />

„Augsburger Allgemeinen Zeitung“ – auch hinsichtlich <strong>der</strong> Frage des<br />

Kommunismus, von dem er in Gegensatz zu seiner späteren materialistischen<br />

Auffassung praktische Gefahr <strong>für</strong> die bestehenden Verhältnisse erst<br />

dann erwartet, wenn er theoretisch ausgearbeitet, begrifflich durchdrungen<br />

sein wird: „Wir haben die feste Überzeugung, dass nicht <strong>der</strong> praktische<br />

Versuch, son<strong>der</strong>n die theoretische Ausführung <strong>der</strong> kommunistischen Ideen<br />

die eigentliche Gefahr bildet, denn auf praktische Versuche... kann<br />

man durch Kanonen antworten, sobald sie gefährlich werden, aber Ideen,<br />

die unsere Intelligenz besiegt, die unsere Gesinnung erobert, an die <strong>der</strong><br />

Verstand unser Gewissen geschmiedet hat, das sind Ketten, denen man<br />

sich nicht entreißt, ohne sein Herz zu zerreißen...“ 619 Diese Reihenfolge<br />

von Gedanke und Tat hat Heine als den Vorzug methodischer Gründlichkeit<br />

<strong>der</strong> deutschen <strong>Philosophie</strong> gekennzeichnet, von dem er die Überlegenheit<br />

<strong>der</strong> Praxis erwartet hat.<br />

Ein weiteres Charakteristikum <strong>der</strong> Marxschen Kritik ist, dass sie den<br />

einzelnen Gegenstand im Zusammenhang zu betrachten sich bemüht mit<br />

dem Allgemeinen, dem relativen Ganzen, d. h. mit den wesentlichen Er-


196<br />

scheinungen des menschlichen Lebens in seiner Wechselwirkung mit <strong>der</strong><br />

Natur, womit Hegels Erkenntnis, dass das Wahre nicht ein Satz, son<strong>der</strong>n<br />

das Ganze (ungetrennt von seinen Momenten) ist, aufs Endliche und Zeitliche<br />

verkürzt wird. – Dieses Verfahren präzisiert Marx später in <strong>der</strong> „Einleitung<br />

zur Kritik <strong>der</strong> politischen Ökonomie“ als die Methode <strong>der</strong> Analyse<br />

des sinnlichen Konkreten, <strong>der</strong> unmittelbaren „chaotischen Vorstellung des<br />

Ganzen“, in allgemeine einfache Abstrakta und die darauf folgende Synthese<br />

o<strong>der</strong> Vermittlung dieser wesentlichen Abstrakta zum geistig Konkreten<br />

als Reproduktion des erscheinenden Konkreten auf <strong>der</strong> höheren Ebene<br />

des Denkens 620 , womit dieses Verfahren unausgesprochen bis auf Aristoteles’<br />

Methodologie zurück geht; denn wie Aristoteles zum Beispiel am Anfang<br />

seiner „Physik“ ausführt, hat die Untersuchung auszugehen von dem<br />

„Zusammengeflossenen“, dem Komplexen, d. h. von dem, was <strong>für</strong> uns<br />

deutlicher und erkennbarer, aber an sich o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Natur nach undeutlicher<br />

und unerkennbarer ist, um schließlich zu dem zu führen, was an sich<br />

deutlicher und erkennbarer ist.<br />

Auf diese – gleichsam relativ totalisierende, das scheinbar Kontingente<br />

nicht isolierende – Weise sucht Marx erstmals in dem Artikel „Debatten<br />

über das Holzdiebstahlsgesetz“ eine Art <strong>der</strong> Selbstentfremdung aufzudecken,<br />

die <strong>der</strong> Selbstverwirklichung und subjektiven Spontaneität entgegen<br />

steht, nämlich die Verkehrung von Sache und Mensch, Mittel und Zweck,<br />

die darin liegt, dass Menschen sich an die tote Sache entäußern und einan<strong>der</strong><br />

wesentlich als Personifikationen ökonomischer Beziehungen gegenübertreten:<br />

„Dieser verworfene Materialismus, diese Sünde gegen den heiligen<br />

Geist <strong>der</strong> Völker und <strong>der</strong> Menschheit ist eine unmittelbare Konsequenz<br />

jener Lehre..., bei einem Holzgesetz nur an Holz und Wald zu denken<br />

und die einzelne materielle Aufgabe nicht politisch, d. h. nicht im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> ganzen Staatsvernunft und Staatssittlichkeit zu lösen.“<br />

621 – Diese Art <strong>der</strong> Selbstentfremdung ist es, die Marx später – beson<strong>der</strong>s<br />

im „Kapital“ 622 – konkretisiert als die Verselbständigung <strong>der</strong> Gebrauchsdinge<br />

in Form von Tauschobjekten, d. h. von Waren auf dem Warenmarkt,<br />

und infolgedessen als den Triumph <strong>der</strong> Marktsphäre über die<br />

Produktionssphäre, als „Warenfetischismus“, an den sich das verkehrte,<br />

verdinglichte Bewusstsein knüpft, das die menschlichen Beziehungen weiter<br />

versachlicht. Aber auch nach einer qualitativen Umwandlung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

kann die Spontaneität <strong>der</strong> Individuen eingeschränkt werden


197<br />

durch Bürokratie und Administration, <strong>der</strong>en abgeson<strong>der</strong>te privilegierte<br />

Vertreter unabsetzbar herrschen – statt verantwortlich zu dienen – und die<br />

Individuen zu Ausführungsorganen bis zur völligen Teilnahmslosigkeit an<br />

allen Entscheidungen herab würdigen, wogegen Marx nach den Erfahrungen<br />

<strong>der</strong> Pariser Kommune in <strong>der</strong> Adresse des Generalrats „Der Bürgerkrieg<br />

in Frankreich.“ die Einführung <strong>der</strong> Selbstverwaltung for<strong>der</strong>t.<br />

Insofern sich die politisch-sozialen Zustände, die den allgemeinen Spielraum<br />

abgrenzen <strong>für</strong> die individuellen Wahl- und Handlungsmöglichkeiten,<br />

gegenüber dem Willen des einzelnen Menschen als sachliche verhängnisvoll-unberechenbare<br />

Zwänge verselbständigen und konsolidieren, will<br />

Marx mit seiner Kritik nicht Personen, son<strong>der</strong>n Zustände denunzieren und<br />

diskreditieren, wie er im Zusammenhang mit seinem Eintreten <strong>für</strong> die<br />

Weinbauern an <strong>der</strong> Mosel hervorhebt (was aber nicht Marx’ Hauptaspekt<br />

wi<strong>der</strong>streitet, nämlich dass die entfremdeten sachlichen Zustände im<br />

Grunde Produkte menschlicher Tätigkeit sind): „Bei <strong>der</strong> Untersuchung<br />

staatlicher Zustände ist man allzu leicht versucht, die sachliche Natur <strong>der</strong><br />

Verhältnisse zu übersehen und alles aus dem Willen <strong>der</strong> handelnden Personen<br />

zu erklären. Es gibt aber<br />

Verhältnisse, welche sowohl die Handlungen <strong>der</strong> Privatleute als <strong>der</strong> einzelnen<br />

Behörden bestimmen und so unabhängig von ihnen sind als die<br />

Methode des Atemholens.“ 623 Wie sich dagegen das von vornherein als<br />

sachfrei und als durch objektive Inhalte unvermittelt konzipierte Verhältnis<br />

von Mensch zu Mensch gerade als verdinglicht enthüllen kann, zeigt<br />

sich bei Stirner.<br />

Während Marx die Selbstentfremdung des Arbeiters in <strong>der</strong> Arbeit erst in<br />

den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“ analysiert, entwickelt er<br />

in seiner Schrift „Zur Kritik <strong>der</strong> Hagelsehen Rechtsphilosophie“ die dritte<br />

Art <strong>der</strong> Selbstentfremdung, die <strong>für</strong> ihn in dem durch die französische Revolution<br />

vollendeten Dualismus von bürgerlicher Gesellschaft und Staaat<br />

besteht, d. h. in <strong>der</strong> Trennung <strong>der</strong> bürgerlichen privaten Existenz, die beson<strong>der</strong>en<br />

egoistischen Interessen nachgeht, und <strong>der</strong> politischen öffentlichen<br />

Existenz, die allgemeine Interessen verfolgt. Die versöhnende Synthese<br />

von Staat und Gesellschaft, die Hegel vermittels <strong>der</strong> Stände (im beson<strong>der</strong>en<br />

vermittels <strong>der</strong> über Partikularinteressen erhabenen universal gebildeten<br />

Staatsbeamten) vollbracht sah und die im Mittelalter tatsächlich –


198<br />

allerdings im Zustand <strong>der</strong> Unfreiheit – bestanden habe, sei erst Sache <strong>der</strong><br />

zukünftigen „wahren Demokratie“. 624 Tätiges, vorantreibendes und selbstbestimmendes<br />

Subjekt ist <strong>für</strong> Marx nicht die absolute Idee, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Mensch in Familie, bürgerlicher Gesellschaft und Staat. Aus <strong>der</strong> unter<br />

dem Einfluss von Feuerbachs Umkehrung <strong>der</strong> Priorität von Denken und<br />

Sein vollzogenen allgemeinen Umkehrung des Subjektiven und Objektiven<br />

im Hegelsehen Sinne ergibt sich, dass <strong>der</strong> Mensch zu dem Träger wird, <strong>der</strong><br />

mit seiner Tätigkeit die objektive Freiheit verwirklicht: „Die subjektive Freiheit<br />

erscheint bei Hegel als formelle Freiheit..., eben weil er die objektive<br />

Freiheit nicht als Verwirklichung, als Betätigung <strong>der</strong> subjektiven hingestellt<br />

hat. Weil er dem präsumtiven o<strong>der</strong> wirklichen Inhalt <strong>der</strong> Freiheit einen<br />

mystischen Träger gegeben hat, so bekommt das wirkliche Subjekt <strong>der</strong><br />

Freiheit eine formelle Bedeutung.“ 625 Wenn Marx an Hegel grundsätzlich<br />

bemängelt, er habe geschichtlich verän<strong>der</strong>bare Verhältnisse zu logischen<br />

Bestimmungen verabsolutiert und gleichsam irrmobilisiert (worauf unter<br />

an<strong>der</strong>em auch Nietzsche in <strong>der</strong> „Götzendämmerung“ mit <strong>der</strong> Rede von den<br />

„Begriffs-Mumien“ des „Ägypticismus“ zielt 626 ), er habe die „Logik <strong>der</strong> Sache“<br />

in die „Sache <strong>der</strong> Logik“ transfiguriert und bestehende empirische Existenzen<br />

unkritischerweise als Verwirklichung <strong>der</strong> Vernunft betrachtet 627 ,<br />

so schließt er sich hiermit Ruges Vorwurf gegen Hegels logische Reduktion<br />

<strong>der</strong> bestehenden Staatsverfassung, <strong>der</strong> erblichen Monarchie, <strong>der</strong> Majorate<br />

und des Zweikammersystems an und argumentiert auf <strong>der</strong> Linie, die zuerst<br />

Strauß gezeichnet hat, indem er sich gegen die Zurückführung <strong>der</strong><br />

biblischen Geschichte und <strong>der</strong> kirchlichen Dogmengeschichte auf spekulative<br />

Begriffe gewandt hat. In <strong>der</strong> Konsequenz dieses Ausspielens des Phänomenologischen<br />

gegen das Logische for<strong>der</strong>t Marx, das Denken aus dem<br />

Gegenstand zu entwickeln und in dieser Weise kritisch bestehende Wi<strong>der</strong>sprüche<br />

in Gesellschaft und Staat aufzudecken und ihre eigentümliche<br />

Genesis zu erklären 628 (womit die Kritik letzten Endes anstrebt, die Konflikte<br />

zwischen dem Individuum und den allgemeinen Lebensverhältnissen<br />

in friedliche Konvergenz zu verwandeln).<br />

Unmittelbar vor dem Übergang zum historischen Materialismus kommen<br />

die wesentlichen Momente von Marx’ Konzeption <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> theoretischen<br />

Kritik noch einmal zusammengedrängt in seinen drei Beiträgen<br />

des Briefwechsels von l843 in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“<br />

zum Ausdruck, worin er zum Zweck <strong>der</strong> Emanzipation des Menschen die


199<br />

philosophische Kritik noch nicht speziell mit dem Proletariat verbindet,<br />

son<strong>der</strong>n allgemein auf das Bündnis zwischen allen „denkenden und leidenden<br />

Menschen“ setzt. 629 (Auf dieser Stufe in <strong>der</strong> Bestimmung des revolutionären<br />

Subjekts befindet sich annähernd Herbert Marcuse, insofern er<br />

dieses mit den nicht-integrierten Außenseitern <strong>der</strong> auf eindimensionalquantitativer<br />

„technologischer Rationalität“ gründenden Praxis <strong>der</strong> „fortgeschrittenen<br />

Industriegesellschaft“ gleichsetzt.) Unvereinbar mit <strong>der</strong> kritischen<br />

Theorie ist demnach die absolute Wissenschaft in Gestalt dogmatischer<br />

und konstruieren<strong>der</strong> endgültiger Antizipation <strong>der</strong> zukünftigen neuen<br />

Welt, wie sie die utopischen Kommunisten Cabet, Dézamy, Blanqui und<br />

Weitling erstrebten (und wie sie auch noch Cieszkowski in seinem schematisierenden<br />

Verfahren vorgenommen hat). 630 Marx bestimmt hier als Inhalt<br />

<strong>der</strong> undoktrinären und nicht-utopischen Kritik die Praxis und Theorie des<br />

gegenwärtig Bestehenden und als ihre Aufgabe – wie schon in <strong>der</strong> Dissertation<br />

– das Aufdecken und Geltendmachen <strong>der</strong> realen Möglichkeit, also<br />

<strong>der</strong> Keime zukünftiger Entwicklungen, des Neuen im Alten, des Negativen<br />

im Positiven, als vernünftige For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> bestehenden wirklichen Voraussetzungen,<br />

was heißt, dass bestimmte Perspektiven <strong>für</strong> die Praxis eröffnet<br />

werden: <strong>der</strong> Kritiker hat „aus den eigenen Formen <strong>der</strong> existierenden<br />

Wirklichkeit die wahre Wirklichkeit als ihr Sollen und ihren Endzweck“ zu<br />

entwickeln. Ohne wegen <strong>der</strong> Zurückgebliebenheit <strong>der</strong> feudalen Zustände<br />

vor <strong>der</strong> scheinbar hermetisch geschlossenen, ausweglosen und übermächtigen<br />

Objektivität zu resignieren, son<strong>der</strong>n gerade wegen <strong>der</strong> verzweiflungsvollen<br />

sich zuspitzenden Lage voller Hoffnung auf einen Bruch im Bestehenden<br />

und auf eine „Ordnung <strong>der</strong> freien Menschheit statt <strong>der</strong> Ordnung<br />

<strong>der</strong> toten Dinge“, verlangt Marx, <strong>der</strong> Kritiker habe „an die Parteinahme in<br />

<strong>der</strong> Politik, also an wirkliche Kämpfe anzuknüpfen“ und das Bewusstsein,<br />

die „Selbstverständigung“, über die Kämpfe und Wünsche zu erwecken,<br />

<strong>der</strong> Welt vermittels <strong>der</strong> Analyse „ihre eigenen Aktionen“ zu erklären 631<br />

(womit zugleich <strong>der</strong> undialektische Dualismus vermieden wäre, <strong>der</strong> entsteht<br />

durch die Entgegensetzung von abstraktem Ideal und Wirklichkeit<br />

o<strong>der</strong> durch den Rekurs auf den ethischen Appell im Sinne Feuerbachs,<br />

sich von <strong>der</strong> Liebe zum harmonischen Gattungsleben inspirieren zu lassen).<br />

Wenig später aber wird Marx als entscheidenden Mangel <strong>der</strong> kritischen<br />

<strong>Philosophie</strong> ansehen, worauf er in dem Briefwechsel – im aufklärerischen<br />

Vertrauen auf die praktische Wirksamkeit <strong>der</strong> Vernunft und <strong>der</strong>


200<br />

„Reform des Bewusstseins“ – noch als ihr Fundament baut, nämlich die<br />

Erwartung, dass „die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von<br />

<strong>der</strong> sie nur das Bewusstsein besitzen muss, um sie wirklich zu besitzen.“<br />

632 Im folgenden wird <strong>für</strong> Marx nicht das kritische Aufdecken <strong>der</strong> Perspektiven,<br />

das Erheben <strong>der</strong> objektiven Möglichkeiten ins Bewusstsein, <strong>der</strong><br />

Angelpunkt, son<strong>der</strong>n ihre praktisch-sinnliche Realisierung, wobei ihn <strong>der</strong><br />

Grundsatz leitet, dass Ideen als solche keine wirklichen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

bewerkstelligen können.<br />

(2) In dem ersten <strong>der</strong> beiden Artikel in den „Deutsch Französischen<br />

Jahrbüchern“, betitelt „Zur Judenfrage“, kritisiert Marx den Gegensatz von<br />

politischem Staat und bürgerlicher Gesellschaft unter einem theoretischeng<br />

Gesichtspunkt, und zwar im Gegensatz zu Bauer nicht unter dem<br />

Gesichtspunkt <strong>der</strong> politischen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> menschlichen Emanzipation.<br />

Erst in dem zweiten Artikel „Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie.<br />

Einleitung“ bezeichnet Marx das Subjekt, von dem er die praktische Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> menschlichen Emanzipation erwartet: das Proletariat.<br />

Die Trennung <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft und des politischen Staats,<br />

des Bürgers und des Staatsbürgers, des Bourgeois und des Citoyen, ist <strong>für</strong><br />

Marx die Trennung des praktischen, materiellen Lebens mit seinen privaten<br />

Interessen und des theoretischen, spirituellen Lebens, des „Gattungslebens“,<br />

mit seinen allgemeinen öffentlichen Interessen. 633 Wie Marx aber<br />

in <strong>der</strong> Einleitung „Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie“ bemängelt,<br />

befinde sich das rückständige Deutschland noch nicht einmal auf<br />

diesem geschichtlichen Niveau <strong>der</strong> Trennung von Theorie und Praxis, so<br />

dass hier die „Kritik <strong>der</strong> Erde“, die die hauptsächlich von Feuerbach beendigte<br />

„Kritik des Himmels“ voraussetze, nicht direkt an die wirkliche Politik<br />

anzuknüpfen habe, son<strong>der</strong>n an die philosophische Theorie, vor allem die<br />

Hegelsche <strong>Philosophie</strong>, die allein – wenn auch nur als ideales antizipierendes<br />

Spiegelbild – auf <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> französischen und englischen Zustände<br />

stehe, über die somit die Kritik an <strong>der</strong> deutschen <strong>Philosophie</strong> hinaus weise.<br />

634 Dass in <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie die nachrevolutionäre<br />

Wirklichkeit gedankliche Gestalt bekommen habe, trifft jedoch nur in sehr<br />

einzuschränken<strong>der</strong> Weise zu; in ihr überwiegt vielmehr die Versöhnung<br />

mit <strong>der</strong> halb-feudalen Ordnung Preußens.


201<br />

Jedenfalls will Marx die Hegelsche und die junghegelsche <strong>Philosophie</strong><br />

nicht unmittelbar als solche, son<strong>der</strong>n als selbst vorher kritisierte realisiert<br />

wissen, d. h. als Theorie, an <strong>der</strong> das Überlebte und das Überfällige, Zukunftsträchtige<br />

unterschieden worden ist. Dass dann die kritisierte <strong>Philosophie</strong><br />

zu verwirklichen sei in <strong>der</strong> Weise ihrer Aufhebung, ist Marx’ prinzipiell<br />

neuer Gesichtspunkt, <strong>der</strong> ihn sowohl von <strong>der</strong> traditionellen <strong>Philosophie</strong><br />

als auch von <strong>der</strong> junghegelianischen <strong>Philosophie</strong> trennt: einerseits<br />

bemängelt Marx an <strong>der</strong> „praktischen politischen Partei“ die Abwendung<br />

von <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> bei <strong>der</strong> Hinwendung zur praktischen Verän<strong>der</strong>ung, d.<br />

h. den Versuch <strong>der</strong> Negation <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> ohne ihre Verwirklichung,<br />

an<strong>der</strong>erseits bemängelt er an <strong>der</strong> theoretischen Partei, an den Junghegelianern,<br />

hier summarisch – in <strong>der</strong> „Heiligen Familie“ und in <strong>der</strong> „Deutschen<br />

Ideologie“ ausführlich – den Versuch <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

ohne ihre Negation, d. h. das Ausgehen von den „Voraussetzungen <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“<br />

und das Stehenbleiben bei <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> als solcher, das<br />

Nichtanknüpfen an die dem Wirklichen selbst innewohnenden sprengenden<br />

Kräfte (mit <strong>der</strong> Konsequenz <strong>der</strong> dualistischen Entgegensetzung von<br />

<strong>Philosophie</strong> und Welt). 635 <strong>Philosophie</strong> soll sich demnach nicht ohne weiteres<br />

selbst abschaffen, son<strong>der</strong>n sich tendenziell überflüssig machen durch<br />

ihre Realisierung, so dass sie das Bewusstsein von sich zugleich an <strong>der</strong><br />

Gegenstandswelt erfährt und die (verendlichte) Hegelsche Subjekt-Objekt-<br />

Einheit wirklich wird. Erstrebt werden kann dieses überhaupt nur insofern,<br />

als zum Inhalt <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> anstelle <strong>der</strong> übermenschlichen ewigen<br />

Ordnung ausschließlich die menschliche verän<strong>der</strong>liche Welt geworden ist,<br />

die Aristoteles noch allein <strong>der</strong> Praxis reservierte.<br />

Die Verwirklichung <strong>der</strong> Theorie durch ihre Aufhebung hat <strong>für</strong> Marx zur<br />

Bedingung, dass die Theorie „materielle Gewalt“ wird, indem sie „die Massen<br />

ergreift“, so dass das aus dem Materiellen hervor gegangene Ideelle<br />

sich ins Materielle zurück verwandelt, die Negation negiert wird. Als vermittelndes<br />

Band zwischen <strong>Philosophie</strong> und Welt, Vernunft und Realität,<br />

fungieren in dieser Konzeption die Bedürfnisse und Interessen: „Die Theorie<br />

wird in einem Volke immer nur so weit verwirklicht, als sie die Verwirklichung<br />

seiner Bedürfnisse ist.“ 636 Durch den Rekurs auf die Bedürfnisse<br />

und Interessen – das heißt auch: auf die in <strong>der</strong> „Heiligen Familie“ gegenüber<br />

Bauer behauptete Verbindung von Idee und Interesse in den Massenaktionen<br />

<strong>der</strong> Geschichte 637 – sucht Marx also die dualistisch-abstrakte


202<br />

Entgegensetzung von Theorie und Praxis und die Loslösung des kritischen<br />

Gedankens von <strong>der</strong> gesellschaftlich-geschichtlichen Wirklichkeit zu vermeiden<br />

und damit im Grunde zugleich die Dialektik von Freiheit und Notwendigkeit,<br />

Tat und Schicksal, Wollen und müssen, Teleologie und Kausalität<br />

zu konkretisieren und sowohl dem Voluntarismus als auch dem Determinismus<br />

in <strong>der</strong> Geschichtsauffassung zu entgehen (über <strong>der</strong>en Auslegung<br />

im einzelnen eine Kontroverse entsteht zwischen Lenin und R. Luxemburg,<br />

und zwar hinsichtlich <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong> Aufgabe einer aktiven<br />

proletarischen Organisation im Verhältnis zu den „Massen“ und <strong>der</strong><br />

„revolutionären Situation“). Praxis und Theorie, Sein und Sollen, Ideal und<br />

Wirklichkeit sind also <strong>für</strong> Marx vermittelt durch die – sich im Geschichtsprozess<br />

schon nach Hegels Erkenntnis unendlich differenzierenden, multiplizierenden,<br />

komplizierenden und spezialisierenden – praktischen Bedürfnisse<br />

und Interessen, indem die Theorie an sie anknüpft und <strong>der</strong>en<br />

immanente Dialektik bewusst macht: „... man muss diese versteinerten<br />

Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigene<br />

Melodie vorsingt.“ 638 Dass aber die Bedürfnisse und Interessen, die immer<br />

auf einer bestimmten Stufe <strong>der</strong> Entwicklung zu fassen sind, verdeckt o<strong>der</strong><br />

bis zur Unkenntlichkeit deformiert sein können, bleibt hier außer Betracht.<br />

Insofern Marx die Verwirklichung <strong>der</strong> Gedanken von <strong>der</strong> Verwirklichung<br />

praktischer Bedürfnisse abhängig macht, steht er ebenso in Gegensatz zu<br />

Aristoteles, <strong>für</strong> den die Ziele <strong>der</strong> Praxis primär Bewusstseinsziele sind, wie<br />

zu Hegel, <strong>für</strong> den die natürlichen Bedürfnisse auch nicht ursprünglich<br />

sind, son<strong>der</strong>n Entäußerungen <strong>der</strong> Vernunft, „Beispiele vom Zweck“. 639 Indem<br />

Marx nicht wie Hegel den Willen als das an<strong>der</strong>e des Geistes bestimmt,<br />

gelten ihm (1) letztlich auch nicht geistige Zwecke als Quellen, die die<br />

praktische Tätigkeit mobilisieren und determinieren, (2) ist <strong>für</strong> ihn die<br />

Selbständigkeit <strong>der</strong> natürlichen Bedürfnisse nicht mehr nur <strong>der</strong> Schein<br />

auf dem Standpunkt <strong>der</strong> Endlichkeit des subjektiven Geistes, (3) liegt <strong>für</strong><br />

ihn dem unmittelbar gegebenen Interesse nicht mehr das sich immanent<br />

durchhaltende Wesen des Menschen zugrunde und hat (4) <strong>für</strong> ihn <strong>der</strong><br />

Mensch auf diesem Standpunkt in seiner Tätigkeit, wenn auch ihm selbst<br />

verborgen, nicht mehr als Inhalt und Interesse den Geist selbst, <strong>der</strong> sich in<br />

<strong>der</strong> Selbsterkenntnis des Menschen vermittels <strong>der</strong> Praxis formiert.


203<br />

Marx’ Umwandlung <strong>der</strong> scheinbaren Selbständigkeit in die wirkliche betrifft<br />

nicht nur die Bedürfnisse, son<strong>der</strong>n auch ihre Gegenstände. An die<br />

Stelle des idealistischen Erfahrungsbegriffes, demgemäß <strong>der</strong> Gegenstand<br />

in Wahrheit vergegenständlichter Geist und unselbständiges Unterscheidungsmoment<br />

des absoluten Selbstbewusstseins ist, tritt die materialistische<br />

Konzeption vom Gegenstand: <strong>der</strong> Gegenstand wird zum unabhängigen<br />

selbständigen Gegenstand sinnlicher Bedürfnisse; er kann nicht zurück<br />

genommen werden durch geistige Tätigkeit im absoluten Wissen als<br />

„mystisches Subjekt-Objekt o<strong>der</strong> über das Objekt übergreifende Subjektivität“<br />

640 , son<strong>der</strong>n nur durch praktische Tätigkeit gesellschaftlich angeeignet<br />

werden, so dass er we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Aktivität des Menschen schrankenlosen<br />

Spielraum gewährt noch den Menschen gänzlich einengt und zur Hinnahme<br />

seiner Fremdheit verurteilt; er wird im Sinne Feuerbachs das Positive<br />

nicht als Negation <strong>der</strong> Negation, son<strong>der</strong>n als „das auf sich selbst ruhende<br />

und positiv auf sich selbst begründete Positive“. 641 Gegen Hegels korrelierende<br />

wesentliche Gleichsetzungen von Gegenstand und Gedankenwesen<br />

sowie Mensch und Selbstbewusstsein ist es gerichtet, wenn Marx unter<br />

dem Einfluss Feuerbachs, <strong>der</strong> <strong>für</strong> ihn <strong>der</strong> „wahre Überwin<strong>der</strong>“ Hegels wird,<br />

in den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“ sagt: „Dass <strong>der</strong><br />

Mensch ein leibliches, naturkräftiges, lebendiges, wirkliches, sinnliches,<br />

gegenständliches Wesen ist, heißt, dass er wirkliche, sinnliche Gegenstände<br />

zum Gegenstand seines Wesens, seiner Lebensäußerung hat o<strong>der</strong> dass<br />

er nur an wirklichen Gegenständen sein Leben äußern kann. Gegenständlich,<br />

natürlich, sinnlich sein und sowohl Gegenstand, Natur, Sinn außer<br />

sich haben o<strong>der</strong> selbst Gegenstand, Natur, Sinn <strong>für</strong> ein Drittes sein ist identisch.“<br />

642<br />

Die Bedürfnishaftigkeit des Menschen als gegenständlichen Wesens erweist<br />

sich als doppeldeutig: seine Mangelhaftigkeit und Bedingtheit ist das<br />

eine passive Moment, das zugleich Ursprung des an<strong>der</strong>en aktiven Moments<br />

ist, nämlich <strong>der</strong> praktischen sinnlichen Tätigkeit, des Arbeitens als<br />

<strong>der</strong> bewussten zielstrebigen Vermittlung zwischen sinnlichem Bedürfnis<br />

und sinnlichem Gegenstand (womit Marx hinaus geht über Feuerbachs<br />

kontemplativen, die Sinnlichkeit nur im Element <strong>der</strong> Anschauung fassenden<br />

Materialismus, demzufolge das Leiden allenfalls die Aktivität in Gestalt<br />

<strong>der</strong> Leidenschaft – des „Wahrzeichens <strong>der</strong> Existenz“ – impliziert).


204<br />

Konkret kann vermittels <strong>der</strong> Bedürfnisse und Interessen die Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> Vernunft und <strong>der</strong> theoretischen Emanzipation – d. h. <strong>der</strong> Feuerbachschen<br />

These, <strong>der</strong> Mensch sei <strong>für</strong> den Menschen das höchste Wesen<br />

– <strong>für</strong> Marx seit seiner Schrift „Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie“<br />

nur erreicht werden, wenn das Proletariat – als „negatives Resultat<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft“ und als <strong>der</strong> „völlige Verlust des Menschen“ – aufgehoben<br />

wird, die <strong>Philosophie</strong> also ein Bündnis mit dem Proletariat eingeht. 643<br />

Infolgedessen ist <strong>für</strong> Marx die Theorie durch Praxis, die <strong>Philosophie</strong><br />

durch Nicht-<strong>Philosophie</strong> vermittelt: die Theorie hat ihre Voraussetzung o<strong>der</strong><br />

ihr maßgebendes Substrat in <strong>der</strong> gesellschaftlich-geschichtlichen<br />

Wirklichkeit, nicht in rein philosophischen Prinzipien im traditionellen<br />

Sinn. Marx bemängelt dementsprechend in den „Ökonomischphilosophischen<br />

Manuskripten“ und in <strong>der</strong> „Deutschen Ideologie“ an den<br />

idealistischen Junghegelianern (nicht aber an Feuerbach 644 ), dass sie abhängig<br />

bleiben von <strong>der</strong> scheinbar sich selbst voraussetzenden und selbst<br />

begründenden – das an<strong>der</strong>e des Gedankens nur innerhalb des Gedankens<br />

fassenden – autonomen Hegelschen <strong>Philosophie</strong> (wenn sie auch hinter Hegels<br />

objektiven Idealismus in einen subjektiven zurück fielen). „Die deutsche<br />

Kritik hat bis auf ihre neuesten Efforts den Boden <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

nicht verlassen. Weit davon entfernt, ihre allgemein-philosophischen Voraussetzungen<br />

zu untersuchen, sind ihre sämtlichen Fragen sogar auf dem<br />

Boden eines bestimmten philosophischen Systems, des Hegelschen gewachsen...<br />

Die Voraussetzungen, mit denen wir beginnen, sind keine willkürlichen,<br />

keine Dogmen, es sind wirkliche Voraussetzungen, von denen<br />

man nur in <strong>der</strong> Einbildung abstrahieren kann. Es sind wirkliche Individuen,<br />

ihre Aktion und ihre materiellen Lebensbedingungen, sowohl die vorgefundenen<br />

wie die durch ihre eigene Aktion erzeugten. Diese Voraussetzungen<br />

sind also auf rein empirischem Wege konstatierbar.“ 645<br />

Insofern die Begriffe <strong>der</strong> Marxschen Theorie also von <strong>der</strong> verän<strong>der</strong>lichen<br />

empirisch konstatierbaren Wirklichkeit abhängig sind, sind sie im Grunde<br />

nicht geeignet, diese Wirklichkeit überspringend im Sinne einer Theologie<br />

ohne Gott Heilswahrheiten anzuvisieren und einen paradiesischen die<br />

menschliche Entwicklung abschließenden Zustand zu prognostizieren.<br />

Dieses spricht gegen die Interpretation <strong>der</strong> Marxschen Konzeption aus –<br />

von Marx gerade als abgeleitet behaupteten – theologischen Zusammen-


205<br />

hängen, speziell als „prometheischen Aufstand gegen die christliche<br />

Schöpfungsordnung 646 und als Säkularisierung eschatologischer Heilslehre<br />

(so unter an<strong>der</strong>en von N. A. Berdjajew, P. Tillich, U. Sorel, H. Popitz, E.<br />

Voegelin, E. Topitsch). Marx selbst erklärt: „Der Kommunismus ist <strong>für</strong> uns<br />

nicht ein Zustand, <strong>der</strong> hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit<br />

sich zu richten haben wird. Wir nennen Kommunismus die wirkliche<br />

Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen dieser<br />

Bewegung ergeben sich aus <strong>der</strong> jetzt bestehenden Voraussetzung.“ 647<br />

Marx ist aber bestrebt, nicht nur die traditionelle philosophische<br />

Selbstbegründung hinter sich zu lassen, son<strong>der</strong>n sich an<strong>der</strong>erseits auch<br />

nicht auf die erfor<strong>der</strong>liche empirisch-wissenschaftliche Feststellung und<br />

Abspiegelung des Gegebenen – etwa in <strong>der</strong> Weise von Comtes Positivismus<br />

zu beschränken. Kritische Theorie heißt vielmehr <strong>für</strong> Marx: eingehendes<br />

Analysieren <strong>der</strong> bestehenden sozial-ökonomischen Voraussetzungen unter<br />

dem Aspekt ihrer immanent möglichen praktisch-emanzipatorischen Verän<strong>der</strong>ung.<br />

Wenn Marx somit die kritische Theorie als Ausdruck wirklicher Verhältnisse<br />

ansieht und sie in den „Dienst“ gesellschaftlicher Befreiung<br />

stellt, so ist dies die Konsequenz <strong>der</strong> aufbewahrenden Umwandlung <strong>der</strong><br />

Hegelschen Einsicht, dass <strong>der</strong> Mensch nicht unmittelbar von Natur selbständiges<br />

freies Subjekt ist, son<strong>der</strong>n dieses erst in einem praktischtheoretischen<br />

Vermittlungs- und Bildungsprozess werden kann, das Wesen<br />

des Menschen also nicht fertig und einfach vorgegeben, son<strong>der</strong>n geschichtlich<br />

aufgegeben und Resultat dessen ist, wozu <strong>der</strong> Mensch sich<br />

verwirklicht, so dass die Ergründung dessen, was <strong>der</strong> Mensch ist, keine<br />

rein theoretische, son<strong>der</strong>n auch eine praktisch-geschichtliche Frage ist<br />

und die philosophischen Aussagen über den Menschen nicht in <strong>der</strong> Weise<br />

von unbeteiligten wissenschaftlichen Feststellungen über unmittelbar seiende<br />

Naturgegenstände sich abfindend nur beinhalten, was <strong>der</strong> Mensch<br />

als Objekt ist, son<strong>der</strong>n zugleich auch, was <strong>der</strong> Mensch als Subjekt sein<br />

kann, und dementsprechend das philosophische Erkennen nicht in souveräner<br />

„theatralischer“ Zuschauerhaltung wi<strong>der</strong>standslos weltentfremdet<br />

über <strong>der</strong> Sache steht, son<strong>der</strong>n zu seinem Inhalt und dessen geschichtlichpraktischer<br />

Bewegung wesentlich dazugehört und die philosophische<br />

Wahrheit sich nicht nur als eine Form des erkennenden Subjekts, son<strong>der</strong>n


206<br />

auch als Moment im Dasein, d. h. als Existenzweise im geschichtlichpraktischen<br />

Prozess erweist.<br />

Mit Recht charakterisiert infolgedessen Habermas die Marxsche Konzeption<br />

als aufgehend in <strong>der</strong> Reflexion „in Abhängigkeit <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

und als Vorbereitung einer umwälzenden Praxis“. Er weist nach,<br />

dass Popitz – <strong>der</strong> die Auffassung vertritt, dass Marx die Praxis im wesentlichen<br />

nicht an<strong>der</strong>s als Hegel bestimmt hätte und dass „die Gedanken von<br />

Marx über die von Hegel entwickelte Problematik <strong>der</strong> ‚Verwirklichung‘<br />

nicht hinausgehen“ 648 – sowie Landgrebe und Metzke Marx’ These, die <strong>Philosophie</strong><br />

könne sich nicht selbst begründen, nur wie<strong>der</strong>um „unter den<br />

Voraussetzungen <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“ beurteilen, was zur „Rückverwandlung<br />

des Marxismus aus Kritik in <strong>Philosophie</strong>“, führe, und zwar in „eine Gestalt<br />

junghegelianischer <strong>Philosophie</strong>“. Es ist dieser Zusammenhang, in dem Habermas<br />

die Bedeutung <strong>der</strong> Marxschen Kritik an <strong>der</strong> junghegelianischen<br />

<strong>Philosophie</strong> berührt, wenn er sagt, dass „<strong>der</strong> Marxismus“ (gemeint ist<br />

Marx’ Konzeption) in ihr „das Bewusstsein seiner eigentlichen Bestimmung<br />

erst fand.“ 649 Auch von an<strong>der</strong>en Autoren wird Marx’ kritische Theorie nicht<br />

konsequent genug als Bruch mit <strong>der</strong> philosophischen Tradition analysiert<br />

und zu sehr Hegel o<strong>der</strong> Feuerbach angenähert. Das gilt <strong>für</strong> so verschiedene<br />

Interpreten wie W. Sombart, J. Plenge, P. Bigo, J. Hommes, E. Thier, J.-<br />

Y. Calvez und J. Hyppolite. 650<br />

Landgrebe nimmt wie<strong>der</strong>um Stellung zu Habermas’ Kritik mit <strong>der</strong> These,<br />

dass <strong>für</strong> Marx – bei <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong> Entfremdung und <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />

nach ihrer Aufhebung als Verwirklichung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> – ein Prinzip<br />

und Maßstab von Anfang an voraus gehe, „<strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Entfremdung<br />

aus keiner empirischen Forschung und Analyse des bestehenden Gesellschaftszustandes<br />

zu gewinnen“ sei und Marx’ Standpunkt also „unter den<br />

Voraussetzungen <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“ zu beurteilen sei. 651 Auch Landshut<br />

spricht von einer regulativen „im voraus sicheren Idee bei <strong>der</strong> Bestimmung<br />

des Menschen“, ähnlich M. G. Lange. 652<br />

Zur Beantwortung dieser Frage nach Marx’ empirischer o<strong>der</strong> nichtempirischer<br />

Grundlegung <strong>der</strong> Entfremdungskonzeption ist sein Rückgang<br />

auf die menschlichen Bedürfnisse und Interessen im materialistisch verstandenen<br />

Geschichtsprozess entscheidend: Marx geht davon aus, dass<br />

<strong>der</strong> Zustand <strong>der</strong> Selbstentfremdung – vor allem des Proletariats – sei er-


207<br />

fahrbar durch das Interesse und das Bedürfnis seiner Überwindung,<br />

nicht nur auf Grund des Postulats eines naturrechtlichen Humanitätsideals.<br />

Darin stimmt also Marx mit Kant überein, dass die rein wissenschaftliche<br />

Kenntnis des Seienden kein hinreichen<strong>der</strong> Grund zum Handeln sein<br />

kann; aber was zum Handeln bringt, ist <strong>für</strong> Marx an<strong>der</strong>erseits nicht das<br />

reine „Sollen“ o<strong>der</strong> irgendeine Utopie, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> ursprünglich gegebene<br />

Verän<strong>der</strong>ungswille, <strong>der</strong> in bestimmten Bedürfnissen und Interessen wurzelt<br />

(so dass <strong>für</strong> die Begründung des Handelns auch nicht – wie Kolakowski<br />

behauptet – die Alternative Wissenschaft o<strong>der</strong> Ideologie bleibt 653 ).<br />

Hierin liegt zugleich Marx’ indirektes Argument gegen die Unlösbarkeit des<br />

Wi<strong>der</strong>streits von Faktizität und Normativität, wie er sich nach Max Weber<br />

daraus ergibt, dass die Wissenschaft „wertfrei“ sei und nur „wertfreie“<br />

Aussagen über Zweck-Mittel-Relationen, nicht über die zu wählenden<br />

Zwecke selbst machen könne. Weiter liegt hierin – sowie in dem Rückgang<br />

auf die Erkennbarkeit eines im wesentlichen vernünftigen Geschichtsverlaufs<br />

– Marx’ indirektes Argument gegen eine Trennung von Theorie und<br />

Praxis mit <strong>der</strong> Kierkegaardschen Begründung, die Theorie könne vor dem<br />

Handeln unmöglich – was jedoch erfor<strong>der</strong>lich wäre – das Ganze des geschichtlichen<br />

Handlungsfeldes mit allen Einzelheiten übersehen und sei<br />

innerhalb <strong>der</strong> „quantitativen Dialektik“ <strong>der</strong> Geschichte nur relativ (die Totalität<br />

bleibe Gott vorbehalten), die Praxis aber sei die „qualitative Dialektik“<br />

<strong>der</strong> unvermittelten absoluten Entscheidung <strong>der</strong> auf sich selbst stehenden<br />

Existenz. – In <strong>der</strong> Tat gäbe es von <strong>der</strong> Theorie keinen begründbaren<br />

Übergang zur Praxis (und wäre gleichsam die Situation Hamlets o<strong>der</strong><br />

Oblomows exemplarisch), wenn vor je<strong>der</strong> Handlung alles einzelne reflexiv<br />

zu berücksichtigen wäre. – Für Marx geht die in <strong>der</strong> notgedrungenen Aktivität<br />

liegende wirkliche Einheit von Theorie und Praxis <strong>der</strong> Frage nach ihrer<br />

möglichen Verbindung in einer Weise voraus, die vergleichbar ist mit<br />

dem Vorrang <strong>der</strong> Wirklichkeit <strong>der</strong> Erkenntnis vor <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong><br />

Konstitution <strong>der</strong> Erkenntnis in <strong>der</strong> Transzendentalphilosophie Kants.<br />

Allerdings ist unverkennbar, dass Marx bis zur Abfassung <strong>der</strong> „Heiligen<br />

Familie“ in terminologischer Hinsicht seine eigene Position gegenüber Feuerbachs<br />

ungeschichtlichem Anthropologismus noch ungenügend abgegrenzt<br />

hat und dass er von vornherein an die philosophische Entfremdungsproblematik<br />

Hegels anknüpft, wo<strong>für</strong> Marx aber eine Rechtfertigung<br />

darin sehen könnte, dass sich diese <strong>für</strong> ihn als Abspiegelung empirisch


208<br />

erfahrbarer entfremdeter Gesellschaftsverhältnisse erweist. (Auch Engels<br />

hält unter dem Einfluss von Heß in einem frühen Stadium seiner Entwicklung<br />

noch die <strong>Philosophie</strong> <strong>für</strong> den Ursprung des Kommunismus in<br />

Deutschland und bestimmt erst später die Theorie als undoktrinäre „Anleitung<br />

zum Handeln“ 654 .) Nichtsdestoweniger bedarf die Marxsche Konzeption<br />

in beson<strong>der</strong>er Weise <strong>der</strong> gedanklichen Antizipation und kann sich nicht<br />

als einfacher Reflex und unmittelbare Reflexion <strong>der</strong> empirischen Krisen<br />

und Konflikte <strong>der</strong> Gesellschaft verstehen, weil die klassenlose Gesellschaft<br />

sich nicht schon – wie die bürgerliche Gesellschaft in <strong>der</strong> feudalen – keimhaft<br />

innerhalb <strong>der</strong> Klassengesellschaft zeigt. 655<br />

Das Nichtanerkennen des Marxschen Bruches mit <strong>der</strong> philosophischen<br />

Tradition hat unmittelbar zur Folge, dass Marx’ Begriff <strong>der</strong> Entfremdung<br />

gedeutet wird als die Objektivierung und Verdinglichung <strong>der</strong> menschlichen<br />

Tätigkeit im Arbeitsprodukt überhaupt, nicht aber primär als die Herrschaft<br />

bestimmter Arbeitsprodukte über bestimmte Produzenten in spezifischen<br />

Arbeitsverhältnissen, und dass die Entfremdung reduziert wird auf<br />

eine ungeschichtliche prinzipiell unaufhebbare Invariante im Sinne des<br />

Apriori <strong>der</strong> Kantischen Anschauungsformen und Kategorien o<strong>der</strong> einer existentialen<br />

Struktur in Gestalt einer Uneigentlichkeit und einer „Art<br />

Selbstvergesslichkeit“ des Daseins 656 .<br />

Ein Hauptpunkt <strong>der</strong> Marxschen Kritik an Hegel in den „Ökonomischphilosophischen<br />

Manuskripten“ ist gerade, dass dieser die Entfremdung<br />

o<strong>der</strong> Entäußerung – ein Ausdruck, <strong>der</strong> anfangs in <strong>der</strong> Ökonomie des 18.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts <strong>für</strong> die „Veräußerung“ von Waren und in den naturrechtlichen<br />

Gesellschaftstheorien“ <strong>für</strong> die „Veräußerung“ <strong>der</strong> ursprünglichen<br />

Freiheit an die durch Vertrag entstandene Gesellschaft verwendet wurde –<br />

nicht mit bestimmten vergänglichen, weil praktisch aufhebbaren Formen,<br />

son<strong>der</strong>n mit <strong>der</strong> Gegenständlichkeit überhaupt gleichsetzt (wobei er allerdings<br />

die Vergegenständlichung in jedem Arbeitsprodukt vermittels <strong>der</strong><br />

Praxis <strong>der</strong> Arbeit als Prozess <strong>der</strong> „Selbsterzeugung“ „innerhalb <strong>der</strong> Abstraktion“<br />

erfasst habe): „Nicht, dass das menschliche Wesen sich unmenschlich,<br />

im Gegensalz zu sich selbst sich vergegenständlicht, son<strong>der</strong>n,<br />

dass es im Unterschied vom und im Gegensatz zum abstrakten Denken<br />

sich vergegenständlicht, gilt als das gesetzte und als das aufzuhebende<br />

Wesen <strong>der</strong> Entfremdung.“ 657


209<br />

Marx’ materialistische Auffassung von <strong>der</strong> Unaufhebbarkeit <strong>der</strong> Gegenständlichkeit<br />

als solcher impliziert die Negation <strong>der</strong> Hegelschen Bestimmung<br />

<strong>der</strong> (endlichen) Theorie und Praxis als Momente des absoluten Geistes,<br />

des Hauptakteurs, auf seinem Weg <strong>der</strong> Rückkehr aus <strong>der</strong> Entäußerung<br />

in Natur und Geschichte zu sich selbst und zur vollkommenen geistigen<br />

Freiheit vermittels <strong>der</strong> stufenweise fortschreitenden Vereinigung von<br />

Subjekt und Objekt, <strong>der</strong> Rücknahme <strong>der</strong> Gegenständlichkeit überhaupt. –<br />

Auch Platons Zuordnung <strong>der</strong> Theorie und Praxis zu den Intentionen des<br />

ganzen Kosmos muss <strong>für</strong> die materialistische Gegenstandsauffassung ein<br />

Anthropomorphismus werden; diese macht die Annahme unmöglich, dass<br />

die Dinge selbst streben und wollen und <strong>der</strong> Mensch sich mit seiner Tätigkeit<br />

einzufügen habe in die vorbestimmte Ordnung, die ihrerseits auf die<br />

menschliche Aktivität ausgerichtet sei. Entsprechendes gilt <strong>für</strong> Thomas<br />

von Aquins Bestimmung des Handelns als Verwirklichung <strong>der</strong> wesentlichen<br />

menschlichen Anlagen in <strong>der</strong> Orientierung an dem vorgegebenen<br />

göttlichen Ordo mit seiner geschichtslosen Rangordnung, die Kant in seiner<br />

Ethik als Heteronomie kritisiert.<br />

Wenn <strong>für</strong> Marx <strong>der</strong> Hauptmangel des Idealismus (wie er in <strong>der</strong> „Heiligen<br />

Familie“ in dem Kapitel „Das Geheimnis <strong>der</strong> spekulativen Konstruktion“<br />

entwickelt an dem Beispiel des Begriffes „Frucht“ respektive an <strong>der</strong> Verwandlung<br />

wirklicher Früchte in das Gedankenwesen Frucht und dann<br />

wie<strong>der</strong>um in wirkliche Früchte als dessen Entäußerungsformen vermittels<br />

dessen eigener Tätigkeit <strong>der</strong> Selbstunterscheidung 658) die Begriffsverselbständigung,<br />

die Erhebung von Prädikaten zu Subjekten, von Abstraktionen<br />

zu selbständigen Wesenheiten, ist, und wenn <strong>für</strong> Marx hierin auch die<br />

Junghegelianer befangen sind, indem sie „wirkliche Verhältnisse“ idealisieren,<br />

in Bewusstseinsverhältnisse verkehren und anschließend – als „Ideologen“,<br />

d. h. als Kritiker mit dem Schein <strong>der</strong> Autonomie, <strong>der</strong> Erhabenheit<br />

über gesellschaftliche Voraussetzungen, bei wirklicher Abhängigkeit – nur<br />

diese Wi<strong>der</strong>spiegelungen im Geiste negieren, so hätte er in dieser Hinsicht<br />

<strong>der</strong> Begriffsverselbständigung eine begrenzte Gemeinsamkeit mit dem späten<br />

Schelling zugestehen können, <strong>der</strong> ebenfalls an <strong>der</strong> Nichtableitbarkeit<br />

<strong>der</strong> Existenz aus dem Begriff festhält und die absolute Kontemplativität<br />

<strong>der</strong> Hegelschen Spekulation durch seine „positive“ <strong>Philosophie</strong> praktisch<br />

zu überwinden sucht. Der Grund da<strong>für</strong>, dass Marx aber nur einen „aufrichtigen<br />

Jugendgedanken“ von Schelling, also den mit Hegel gemeinsa-


210<br />

men Ansatz, anerkennt 659 , ist offensichtlich Schellings theologische Deutung<br />

des unableitbaren „Dass“, abgesehen von seiner politischen Einstellung.<br />

Auch Engels will aus demselben Grund in seinem Artikel und seinen<br />

beiden Schriften gegen Schelling keinen Schritt auf dem Weg <strong>der</strong> Abkehr<br />

von Hegel mit ihm gemeinsam machen, zumal er in diesem frühen Stadium<br />

seiner Entwicklung an Hegel nur erst kritisiert, dass die „Prinzipien...<br />

immer unabhängig und freisinnig, die Folgerungen... hier und da verhalten,<br />

ja illiberal“ seien. 660<br />

Marx negiert nicht nur unter Berufung auf die Unaufhebbarkeit und<br />

Nichtableitbarkeit <strong>der</strong> Gegenständlichkeit als solcher Hegels Gleichsetzung<br />

von Entfremdung und Gegenständlichkeit, son<strong>der</strong>n er bemängelt auch<br />

Feuerbachs Anwendung des Entfremdungsbegriffs auf die Religion –<br />

gedeutet als Sphäre <strong>der</strong> Entzweiung und Verdoppelung des Menschen und<br />

seiner Gattungseigenschaften wie Liebe, Gerechtigkeit, Güte – sowie auf<br />

die pantheistischen Systeme seit Spinoza und insbeson<strong>der</strong>e auf Hegels<br />

„theologische“ <strong>Philosophie</strong>, die das Sein nur innerhalb des Denkens anerkennt.<br />

Marx fasst die Entfremdung nicht primär als philosophische o<strong>der</strong><br />

religiöse, son<strong>der</strong>n als gesellschaftliche Erscheinung auf, so dass <strong>für</strong> ihn<br />

auch die Verdoppelung <strong>der</strong> Welt, wie er in <strong>der</strong> vierten Feuerbach-These<br />

formuliert, „nur aus <strong>der</strong> Selbstzerrissenheit und Sichselbstwi<strong>der</strong>sprechen<br />

dieser weltlichen Grundlage zu erklären“ ist. 661<br />

Indem das entfremdete Bewusstsein aus dem entfremdeten gesellschaftlichen<br />

Sein hergeleitet wird, wird zur Aufhebung <strong>der</strong> Entfremdung<br />

im wesentlichen nicht theoretische Kritik, son<strong>der</strong>n praktisch verän<strong>der</strong>nde<br />

gesellschaftliche Tätigkeit erfor<strong>der</strong>lich. Die entscheidende Schranke Feuerbachs<br />

ist <strong>für</strong> Marx, dass er zwar im Gegensatz zu Hegel sinnliche „von den<br />

Gedankenobjekten wirklich unterschiedene Objekte“ zugrunde legt, aber<br />

diese nur als fertige Objekte <strong>der</strong> sinnlichen passiven Anschauung und<br />

Empfindung, nicht als gewordene Resultate <strong>der</strong> sinnlichen „gegenständlichen“<br />

Praxis fasst. 662 Dieser kontemplative undialektische Materialismus<br />

wird von Marx <strong>der</strong> bestehenden bürgerlichen Gesellschaft zugeordnet und<br />

hat <strong>für</strong> ihn seine entsprechende Schranke in dem ungeschichtlichen<br />

Anthropologismus: Feuerbach dehistorisiert und desozialisiert den Menschen;<br />

er kennt nur (wie die Stoiker und Naturrechtler) das Abstraktum<br />

Mensch, das Wesen des Menschen als Gattung, „als innere, stumme, die


211<br />

vielen Individuen natürlich verbindende Allgemeinheit“. 663 Infolgedessen<br />

kann Marx feststellen: bei Feuerbach „fallen Materialismus und Geschichte<br />

ganz auseinan<strong>der</strong>“. 664 Hiergegen macht Marx Hegels materialistisch umgedeutete<br />

Lehre des objektiven Geistes von <strong>der</strong> Gesellschaftlichkeit und<br />

Geschichtlichkeit des Menschen geltend, wovon wie<strong>der</strong>um die Arbeitstätigkeit<br />

unabtrennbar ist.<br />

Die Arbeit als gesellschaftliche gegenständliche Tätigkeit und zielstrebige<br />

Vermittlung zwischen sinnlichem Bedürfnis und natürlichem Gegenstand<br />

ist <strong>für</strong> Marx die „Grundlage <strong>der</strong> ganzen sinnlichen Welt", so dass,<br />

„wenn sie auch nur <strong>für</strong> ein Jahr unterbrochen würde, Feuerbach eine ungeheure<br />

Verän<strong>der</strong>ung nicht nur in <strong>der</strong> natürlichen Welt vorfinden, son<strong>der</strong>n<br />

auch die ganze Menschenwelt und sein eignes Anschauungsvermögen, ja<br />

seine eigne Existenz sehr bald vermissen würde.“ 665<br />

Die gesellschaftliche Bearbeitung <strong>der</strong> Natur ist ein Prozess <strong>der</strong> Negation<br />

<strong>der</strong> Negation, insofern die vermittels <strong>der</strong> Arbeitsinstrumente in ihrer Positivität<br />

und Unmittelbarkeit negierte Natur – das formierte Arbeitsprodukt –<br />

wie<strong>der</strong>um negiert und angeeignet wird. Sogar Gegenstände <strong>der</strong> scheinbar<br />

unmittelbaren sinnlichen Gewissheit sind vermittelt durch Arbeit und Verkehr,<br />

„ein Produkt <strong>der</strong> Industrie und des Gesellschaftszustandes“, wie<br />

Marx an einem Beispiel verdeutlicht: „Der Kirschbaum ist... bekanntlich<br />

erst vor wenig Jahrhun<strong>der</strong>ten durch den Handel in unsre Zone verpflanzt<br />

worden und wurde deshalb erst durch diese Aktion einer bestimmten Gesellschaft<br />

in einer bestimmten Zeit <strong>der</strong> ‚sinnlichen Gewissheit‘ Feuerbachs<br />

gegeben.“ 666 Auch die fünf Sinne des Menschen seien nicht ein <strong>für</strong> allemal<br />

fertig gegeben, son<strong>der</strong>n entwickelten sich im Laufe <strong>der</strong> Zeit und bekämen<br />

immer menschlicheres Gepräge, indem ihre Gegenstände durch die Arbeitspraxis<br />

immer meht vermenschlicht würden. „Die Bildung <strong>der</strong> fünf<br />

Sinne ist eine Arbeit <strong>der</strong> ganzen bisherigen Weltgeschichte.“ Die Sinne<br />

werden <strong>der</strong> bloßen Nützlichkeit enthobene „Theoretiker“. „Es versteht sich,<br />

dass das menschliche Auge an<strong>der</strong>s genießt als das rohe, unmenschliche<br />

Auge, das menschliche Ohr an<strong>der</strong>s als das rohe Ohr... Für den ausgehungerten<br />

Menschen existiert nicht die menschliche Form <strong>der</strong> Speise, son<strong>der</strong>n<br />

nur ihr abstraktes Dasein als Speise... Der sorgenvolle bedürftige Mensch<br />

hat keinen Sinn <strong>für</strong> das schönste Schauspiel.“ 667 Weiter gehört <strong>für</strong> Marx<br />

zur Bildung des Menschen durch die gesellschaftliche Arbeit außer <strong>der</strong>


212<br />

Vermenschlichung <strong>der</strong> Sinne auch die Entfaltung des Denkens, <strong>der</strong> Sprache,<br />

des Willens und <strong>der</strong> Liebe. Dies impliziert, dass Marx im Gegensatz<br />

zur philosophischen Tradition das Erkennen nicht anheben lässt mit dem<br />

Staunen und <strong>der</strong> Wissbegierde, son<strong>der</strong>n mit <strong>der</strong> in praktischen Bedürfnissen<br />

wurzelnden Naturaneignung.<br />

Marx verabsolutiert – nach <strong>der</strong> Preisgabe <strong>der</strong> absoluten Subjekt-Objekt-<br />

Einheit – die geschichtliche Entwicklung nicht nur <strong>der</strong> Erscheinungen,<br />

son<strong>der</strong>n auch des Wesens selbst, die zwar schon Hegel im Gegensatz zur<br />

traditionellen Wesensmetaphysik innerhalb des Kreises des Objektivierungsprozesses<br />

des absoluten Geistes konzipierte, aber gleichsam auf <strong>der</strong><br />

Spitze des Systems noch abbrach. „We<strong>der</strong> die Natur – objektiv – noch die<br />

Natur subjektiv ist unmittelbar dem menschlichen Wesen adäquat vorhanden.“<br />

668 Indem also <strong>der</strong> Mensch die Natur bearbeitet und umformt, die gegenständliche<br />

Welt mit seinen Kräften durchdringt, d. h. sich in <strong>der</strong> Form<br />

des Gegenstandes objektiviert und den zunächst fremden inadäquaten Gegenstand<br />

<strong>der</strong> Natur subjektiviert o<strong>der</strong> vermenschlicht, verwandelt er sich<br />

selbst und bringt nach Marx’ Konzeption nicht nur nützliche Waren, son<strong>der</strong>n<br />

sich selbst im Laufe <strong>der</strong> Geschichte hervor. Eine Negation <strong>der</strong> Unmittelbarkeit<br />

sowohl des Objekts wie des Subjekts ist also die Tätigkeit <strong>der</strong><br />

Naturaneignung als praktische Realisierung subjektiver Zwecke und „Wesenskräfte“<br />

und Herstellung <strong>der</strong> relativen Einheit von Subjekt und Objekt;<br />

denn <strong>der</strong> Zweck wird aus seiner Innerlichkeit heraus gesetzt, und das Objekt<br />

wird vom Zweck durchdrungen und ihm adäquat formiert. Wie Hegel<br />

erkannt hat, ist <strong>der</strong> Syllogismus die Form dieser Praxis: durch das Arbeitsinstrument<br />

(B) schließt sich <strong>der</strong> Mensch (C) mit den Gegenständen (A) zusammen<br />

und in ihnen auch insofern mit sich selbst, als er sich darin objektiviert.<br />

Marx lehnt somit auch alle die Theorien ab, die das soziale Milieu<br />

(o<strong>der</strong> die biologische Vererbung) als bestimmenden unverän<strong>der</strong>lichen<br />

objektiven Faktor beschreiben, <strong>der</strong> <strong>der</strong> aktiven Einwirkung des Subjekts<br />

schicksalhaft-fatalistisch entzogen bleibt.<br />

Wenn K. Löwith hinsichtlich <strong>der</strong> Marxschen historischmaterialistischen<br />

Kritik an <strong>der</strong> Auffassung <strong>der</strong> Welt als Objekt passiver<br />

Betrachtung von einer Verkehrung des Verhältnisses von natürlicher Welt<br />

und Menschenwelt, „mundus rerum“ und „mundus hominum“, spricht, da<br />

<strong>der</strong> „übermenschliche physische Kosmos... in Vergessenheit“ gerate 669 , so


213<br />

würde Marx also dagegen den erkenntnistheoretischen Anspruch erheben,<br />

dass alles Wissen von <strong>der</strong> Natur wesentlich erst durch die menschliche<br />

naturverän<strong>der</strong>nde Tätigkeit vermittelt werden könne, Naturerkenntnis somit<br />

nicht durch Einwirkung <strong>der</strong> natürlichen Dinge auf das sich passiv „visionär“<br />

als reiner Spiegel verhaltende Subjekt entstehe, und dass insbeson<strong>der</strong>e<br />

das Ganze <strong>der</strong> Natur, das kein abgeschlossener überschaubarer<br />

antiker Kosmos ist, nicht im einfachen praktisch unvermittelten Anblick<br />

gegenwärtig werden kann.<br />

Mährend Hegel gegen Kant die Unmöglichkeit <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong><br />

Erkenntnisfähigkeit unabhängig von wirklicher Erkenntnis geltend macht,<br />

behauptet Marx weitergehend die Unmöglichkeit wirklicher Erkenntnis<br />

unabhängig von <strong>der</strong> (unmittelbaren, persönlichen o<strong>der</strong> durch an<strong>der</strong>e vermittelten)<br />

wirklich verän<strong>der</strong>nden Praxis. – Als Marx’ Schüler erweist sich in<br />

dieser Hinsicht Mao Tse-tung, indem er in einem Artikel „Über die Praxis“<br />

sagt: „Willst du etwas wissen, so nimm teil an <strong>der</strong> praktischen Tätigkeit,<br />

das Gegebene zu än<strong>der</strong>n. Willst du wissen, wie eine Birne schmeckt, so<br />

än<strong>der</strong>e sie und beiße mit deinen Zähnen hinein. Willst du wissen, wie ein<br />

Atom gebaut ist und welche Eigenschaften es hat, so führe physikalische<br />

und chemische Versuche durch und verän<strong>der</strong>e den Zustand des Atoms.<br />

Willst du wissen, wie Theorie und Methode einer Revolution sind, so nimm<br />

teil an <strong>der</strong> Revolution.“ 670<br />

Hierbei schließt Marx’ Auffassung, das menschliche Eingreifen in die<br />

Natur sei die vermittelnde Voraussetzung ihres Begreifens, nicht die – von<br />

Löwith intendierte – Anerkennung eines gewissen „ontologischen“ Vorrangs<br />

<strong>der</strong> Natur aus; auch <strong>für</strong> Marx ist die natürliche Welt we<strong>der</strong> eine kosmologische<br />

„Idee“ im Kantischen Sinn noch ein „Total-Horizont“ o<strong>der</strong> ein Welt-<br />

„Entwurf“ im Sinne Husserls o<strong>der</strong> Heideggers, son<strong>der</strong>n eine „<strong>der</strong> menschlichen<br />

Geschichte vorhergehende Natur.“ 671<br />

Vereint sind Mensch und Natur <strong>für</strong> Marx primär durch das praktische<br />

Verhalten zur Natur, durch die Industrie, sekundär durch das theoretische<br />

Verhalten zur Natur, durch die Naturwissenschaft, die beide in Wechselwirkung<br />

stehen. Von ihrer Entwicklung sind wie<strong>der</strong>um Geschichte und<br />

Gesellschaft unabtrennbar, und zwar <strong>der</strong>gestalt, dass schließlich Industrie<br />

und Naturwissenschaft die „Entmenschung vervollständigen“ und zugleich<br />

die Emanzipation vorbereiten konnten. 672


214<br />

Die gesellschaftlich-geschichtliche Seite <strong>der</strong> praktischen Tätigkeit <strong>der</strong><br />

Naturaneignung, die Hegel in einer relativ abstrakten Entwicklungsetappe<br />

im Kapitel „Herrschaft und Knechtschaft“ <strong>der</strong> „Phänomenologie“ expliziert<br />

und schrittweise weiter konkretisiert, manifestiert sich zunächst in <strong>der</strong><br />

Arbeitsteilung. Ihre generelle Auswirkung verdeutlicht Marx in <strong>der</strong> „Deutschen<br />

Ideologie“ an einem extremen Beispiel, indem er gegen Stirners Behauptung,<br />

Raffaels Gemälde seien unabhängig von <strong>der</strong> Teilung <strong>der</strong> Arbeit<br />

entstanden, ausführt: „Raffael, so gut wie je<strong>der</strong> andre Künstler, war bedingt<br />

durch die technischen Fortschritte <strong>der</strong> Kunst, die vor ihr gemacht<br />

waren, durch die Organisation <strong>der</strong> Gesellschaft und die Teilung <strong>der</strong> Arbeit<br />

in seiner Lokalität und endlich durch die Teilung <strong>der</strong> Arbeit in allen Län<strong>der</strong>n,<br />

mit denen seine Lokalität im Verkehr stand. Ob ein Individuum wie<br />

Raffael sein Talent entwickelt, hängt ganz von <strong>der</strong> Nachfrage ab, die wie<strong>der</strong><br />

von <strong>der</strong> Teilung <strong>der</strong> Arbeit und den daraus hervorgegangenen Bildungsverhältnissen<br />

<strong>der</strong> Menschen abhängt.“ 673<br />

Die gesellschaftliche Kooperation, <strong>der</strong>en Grad von <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />

Arbeitsinstrumente abhängt, betrachtet Marx als Grundlage <strong>für</strong> die Klassenteilung,<br />

<strong>für</strong> die „Verfügung über fremde Arbeitskraft“, und die jeweilige<br />

Aneignung des Mehrprodukts o<strong>der</strong> des Mehrwerts durch Nichtarbeitende.<br />

Damit schaffe die Arbeitsteilung auch die Voraussetzung <strong>der</strong> Trennung<br />

materieller und geistiger Arbeit, <strong>der</strong> Loslösung <strong>der</strong> Theorie von <strong>der</strong> Praxis.<br />

Während das Bewusstsein ursprünglich das Bewusstsein <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Praxis <strong>der</strong> Naturaneignung gewesen sei, könne auf Grund <strong>der</strong> Arbeitsteilung<br />

<strong>der</strong> Schein <strong>der</strong> Selbständigkeit und aus sich selbst zu begreifenden<br />

Herrschaft <strong>der</strong> Gedanken gegenüber dem empirischen Lebensprozess<br />

entstehen.<br />

Dementsprechend lasse sich nur durch die Beseitigung <strong>der</strong> unfreiwilligen<br />

Unterordnung <strong>der</strong> Menschen unter die Arbeitsteilung innerhalb <strong>der</strong><br />

Klassengesellschaft die Abtrennung <strong>der</strong> philosophischen Theorie von den<br />

wirklichen Bedürfnissen rückgängig machen und die Einheit und Wechselwirkung<br />

von Theorie und Praxis wiede gewinnen. 674 Demgegenüber wissen<br />

Aristoteles und Hegel die reine Theorie zwar auch <strong>der</strong> Trennung des<br />

Notwendigen und des Zweckfreien und dem „Bedürfnis <strong>der</strong> Bedürfnislosigkeit“,<br />

<strong>der</strong> Muße, entsprungen, leiten daraus aber nicht ihre Scheinhaftigkeit,<br />

son<strong>der</strong>n gerade ihre Dignität ab. 675


215<br />

Allerdings gründet dieser Gegensatz nicht darin, dass <strong>für</strong> Marx das<br />

menschliche Dasein seine wesentliche Erfüllung und Vollendung fände im<br />

Dienste <strong>der</strong> Befriedigung <strong>der</strong> natürlichen in <strong>der</strong> organischen Konstitution<br />

wurzelnden Bedürfnisse vermittels <strong>der</strong> Arbeit, also in <strong>der</strong> ökonomischen<br />

Sphäre. Wie sich die Hegelsche Konzeption <strong>der</strong> Praxis nicht auf die Konzeption<br />

<strong>der</strong> Praxis als Begierde, d. h. als Naturaneignung, sowie als Herstellung<br />

eines Werkes und als Herrschaft reduzieren lässt, son<strong>der</strong>n die<br />

Praxis als konkrete Sittlichkeit in <strong>der</strong> Sphäre des objektiven Geistes (und<br />

somit das politische Handeln im durchaus nicht technisch-instrumental<br />

verfügenden Sinne) mitumfasst, so gelangt auch <strong>für</strong> Marx <strong>der</strong> Mensch zur<br />

vollen Entfaltung erst im „Reich <strong>der</strong> Freiheit“ „jenseits <strong>der</strong> Sphäre <strong>der</strong> eigentlichen<br />

materiellen Produktion.“ 676 Aber im Gegensatz zur philosophischen<br />

Tradition bis zu Hegel bleibt dieses Reich <strong>für</strong> Marx erstens mit <strong>der</strong><br />

materiellen Produktion als seiner Basis verbunden (ohne seine Freiheit innerhalb<br />

<strong>der</strong> Zwänge <strong>der</strong> Arbeitsteilung zu errichten); und zweitens dominiert<br />

in diesem Reich die Selbstverwirklichung in Gestalt <strong>der</strong> Praxis; drittens<br />

schließlich bleibt in diesem „Reich <strong>der</strong> Freiheit“ <strong>für</strong> Marx wie <strong>für</strong> Feuerbach<br />

<strong>der</strong> Mensch „das höchste Wesen <strong>für</strong> den Menschen.“<br />

Marx’ Begriff <strong>der</strong> Praxis ist doppeldeutig: immer zwar meint er die gesellschaftliche<br />

Tätigkeit, d. h. die aus dem Zusammenwirken <strong>der</strong> Menschen<br />

hervorgehende Tätigkeit; er kann aber einerseits die gesellschaftliche<br />

Produktionstätigkeit, an<strong>der</strong>erseits die gesellschaftliche revolutionäre,<br />

politische, wissenschaftliche, künstlerische, pädagogische, juristische und<br />

medizinische Tätigkeit beinhalten.<br />

Hiermit ergeben sich Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Abgrenzung <strong>der</strong> Praxis von<br />

<strong>der</strong> Theorie 677 : Marx definiert die Praxis als „sinnlich-menschliche Tätigkeit“<br />

und „gegenständliche Tätigkeit (erste Feuerbach-These); vorausgesetzt,<br />

dies meine soviel wie die die sinnliche Realität „unmittelbar verän<strong>der</strong>nde“<br />

Tätigkeit, und die Theorie sei dementsprechend bestimmt als<br />

nicht-gegenständlich und nicht unmittelbar verän<strong>der</strong>nd (son<strong>der</strong>n nur unmittelbar<br />

im Inneren vor sich gehend), so liegt nahe, unter Praxis nur die<br />

naturverän<strong>der</strong>nde Produktionstätigkeit zu verstehen, nicht die –jedenfalls<br />

zum Teil unmittelbar nur das Bewusstsein verän<strong>der</strong>nde – politische, juristische,<br />

pädagogische usw. Tätigkeit (was aber von Marx abgelehnt wird; er<br />

bezeichnet in den Feuerbach-Thesen die politische und pädagogische Tä-


216<br />

tigkeit ausdrücklich als Praxis). Sollte an<strong>der</strong>erseits „gegenständliche Tätigkeit“<br />

nicht „unmittelbar verän<strong>der</strong>nd“, son<strong>der</strong>n auch „mittelbar verän<strong>der</strong>nde<br />

bedeuten (ein Kriterium, das dann zuträfe <strong>für</strong> die politische, juristische,<br />

pädagogische usw. Tätigkeit) und <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Praxis auf diese Weise<br />

bestimmt sein, so könnten nach dieser Definition Theorie und Praxis überhaupt<br />

nicht mehr unterschieden werden, da mittelbar, wie zugestanden<br />

wird, ebenfalls die Theorie wirkliche Verän<strong>der</strong>ungen bewirkt. Als immanenter<br />

Ausweg aus dieser Schwierigkeit bleibt nur, unter Beibehaltung des<br />

Kriteriums <strong>der</strong> unmittelbaren Verän<strong>der</strong>ung diejenigen <strong>der</strong> angeführten gesellschaftlichen<br />

Tätigkeiten, die keine Produktionstätigkeiten sind, einerseits<br />

als praktische, an<strong>der</strong>erseits auch als theoretische anzusehen, je nach<br />

<strong>der</strong> direkten o<strong>der</strong> indirekten Weise <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> sinnlichen Realität.<br />

(Dabei wird mit dieser Unterscheidung nicht ignoriert, dass in je<strong>der</strong><br />

manuellen Arbeitspraxis Momente intellektueller Tätigkeiten – wie zum<br />

Beispiel die Zielsetzungen – enthalten sind.)<br />

Wenn auch Marx somit die Praxis nicht mit <strong>der</strong> Produktion materieller<br />

Güter gleichsetzt, so hat <strong>für</strong> ihn doch innerhalb <strong>der</strong> verschiedenen Formen<br />

<strong>der</strong> gegenständlichen (materiellen) unmittelbar verän<strong>der</strong>nden Tätigkeiten<br />

den Vorrang die Produktionstätigkeit als grundlegende und bestimmende<br />

Beziehung zwischen Mensch und Natur und Gradmesser <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Entwicklung.<br />

Wenn Marx die Praxis als Grundlage <strong>der</strong> Erkenntnis bestimmt (und es<br />

<strong>für</strong> ihn wie <strong>für</strong> Hegel ebensowenig eine selbständige Erkenntnistheorie gibt<br />

wie eine selbständige Ethik, getrennt von Gesellschaftslehre und Politik),<br />

so ist hiermit also in letzter Instanz die die sinnliche Wirklichkeit <strong>der</strong> Natur<br />

und Gesellschaft unmittelbar umgestaltende Produktionstätigkeit gemeint.<br />

Sie gilt ebenfalls letztlich – unter Einschluss <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Formen<br />

<strong>der</strong> Praxis – als das Ziel <strong>der</strong> theoretischen Tätigkeit, wenn Marx in <strong>der</strong> elften<br />

Feuerbach-These formuliert: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden<br />

interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verän<strong>der</strong>n.“ 678 Dem geistigen<br />

Bedürfnis und Glück des Erkennens wird dementsprechend eine nur<br />

relative Selbständigkeit und Selbstgenügsamkeit als vermittelnde Zwischenstufe<br />

<strong>der</strong> praktischen Tätigkeit zugestanden.<br />

Schließlich ist <strong>für</strong> Marx die gesellschaftliche Arbeitspraxis nicht nur<br />

Grundlage und Ziel, son<strong>der</strong>n auch das Kriterium <strong>der</strong> Theorie (das heißt


217<br />

wie<strong>der</strong>um: in letzter Instanz, wenn auch in vielfach vermittelter Weise), wie<br />

er außer in <strong>der</strong> dritten und achten in <strong>der</strong> zweiten <strong>der</strong> Feuerbach-Thesen<br />

darlegt: „Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit<br />

zukomme – ist keine Frage <strong>der</strong> Theorie, son<strong>der</strong>n eine praktische Frage.<br />

In <strong>der</strong> Praxis muss <strong>der</strong> Mensch die Wahrheit, i. e. Wirklichkeit und Macht,<br />

Diesseitigkeit seines Denkens beweisen.“ 679<br />

Verifiziert beziehungsweise falsifiziert vermittels <strong>der</strong> Praxis werden<br />

demnach das Denken und die Theorie, nicht aber die sinnliche Wahrnehmung.<br />

Das Vorkommen bestimmter Sinnestäuschungen wird nicht ausgedehnt<br />

zu einem Zweifel an <strong>der</strong> Sinneswahrnehmung überhaupt; in <strong>der</strong> Annahme<br />

<strong>der</strong> grundsätzlichen Zugänglichkeit <strong>der</strong> Dinge an sich trifft sich<br />

Marx sowohl mit Hegel als auch mit den konsequenten Empiristen, die<br />

nicht wie Locke unerfahrbare Ursachen <strong>der</strong> „Ideen“ <strong>der</strong> „sekundären Qualitäten“<br />

supponieren.<br />

Daher ist eine Argumentation wie die G. A. Wetters unzutreffend, dass<br />

bei <strong>der</strong> Auffassung <strong>der</strong> Praxis als Wahrheitskriterium das zu Beweisende<br />

vorausgesetzt werde, da die „Bewährung in <strong>der</strong> Praxis... auch die Gültigkeit<br />

unseres sinnlichen Erkennens erweisen“ solle, aber „das Ergebnis...<br />

wie<strong>der</strong>um nicht an<strong>der</strong>s... wahrzunehmen“ sei „als durch unsere sinnliche<br />

Erkenntnis.“ 680 Hiermit wird Marx’ These zurück geführt auf Feuerbach,<br />

<strong>der</strong> das Wahrheitskriterium in die Sinnlichkeit verlegt, wenn er sie auch<br />

nicht nur auf das Individuum, son<strong>der</strong>n auf die Gattung bezieht, womit er<br />

nicht anerkennt, dass durchaus unwahr sein kann, was – wie zum Beispiel<br />

das geozentrische Weltbild – zeitweilig im Gattungsbewusstsein ist.<br />

Überholbar bleibt nach Marx’ Konzeption <strong>der</strong> Praxis als Wahrheitskriterium<br />

auch noch eine bestätigte Übereinstimmung von Denken und Sein insofern,<br />

als sie – trotz ihres durch die Praxis bewiesenen objektiven Charakters<br />

– relativ, begrenzt und approximativ bleibt, d. h. abhängig vom geschichtlichen<br />

unbegrenzten Prozess.)<br />

Auch ein Hinweis auf die Logik und Mathematik kann kein Einwand<br />

gegen die These von <strong>der</strong> Praxis als Wahrheitskriterium sein, die implizit<br />

zugleich Kritik ist sowohl an Hegels Maßstab <strong>für</strong> die Übereinstimmung<br />

zwischen Begriff und Gegenstand, nämlich dem absoluten Wissen und<br />

seinem Vermittlungsweg des kreisläufigen Rückwärtsschreitens im Vorwärtsschreiten,<br />

als auch an den – von Hegel ebenfalls bemängelten – Evi-


218<br />

denztheorien, zum Beispiel an Descartes’ Kriterium <strong>der</strong> – we<strong>der</strong> absolut<br />

noch empirisch noch logisch vermittelten – Klarheit und Deutlichkeit o<strong>der</strong><br />

Spinozas Kriterium <strong>der</strong> Selbstindizierung <strong>der</strong> Wahrheit (auch Husserls Kriterium<br />

<strong>der</strong> intuitiven Selbstgegebenheit würde hierzu gehören); denn vermittels<br />

<strong>der</strong> Subjekt und Objekt verbindenden Praxis soll überprüft werden<br />

die Wahrheit als Übereinstimmung zwischen dem Denken und <strong>der</strong> Wirklichkeit,<br />

nicht die Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit und Kohärenz innerhalb des Denkens,<br />

speziell innerhalb eines Denkmodells o<strong>der</strong> eines wissenschaftlichen<br />

Systems. Marx These betrifft also nicht direkt das Problem des apriorischen<br />

o<strong>der</strong> aposteriorischen Charakters <strong>der</strong> Gesetze und Regeln <strong>der</strong> Logik<br />

und Mathematik, die in den Aussagen über Sachverhalte enthalten sind<br />

und auf dem Weg <strong>der</strong> Induktion und Deduktion abgeleitete neue von <strong>der</strong><br />

Bewahrheitung durch die Praxis relativ unabhängige Erkenntnisse ermöglichen<br />

können. Marx äußert sich nicht darüber, ob letztlich auch die mathematischen<br />

und logischen Axiome wie zum Beispiel die physikalischen<br />

Gesetze nur deshalb unbezweifelbar sind, weil sie sich ständig in <strong>der</strong> praktischen<br />

Tätigkeit bewahrheiten.<br />

Die Praxis als Wahrheitskriterium bedeutet nicht: weil sich ein Gedanke<br />

in <strong>der</strong> Praxis durchsetzt, ist er wahr, son<strong>der</strong>n umgekehrt: weil ein Gedanke<br />

wahr ist (die objektive Realität wi<strong>der</strong>spiegelt), setzt er sich in <strong>der</strong> Praxis<br />

durch. Wahrheit und Erfolg o<strong>der</strong> Nützlichkeit einer Handlung setzt Marx<br />

nicht gleich, wodurch er sich vom Pragmatismus unterscheidet, wie ihn<br />

Peirce begründet hat und James und Dewey weiterentwickelt haben. 681<br />

Dementsprechend kann <strong>für</strong> Marx nicht allein <strong>der</strong> Erfolg einer politischsozialen<br />

Aktion eine politisch-soziale Theorie rechtfertigen; die Etablierung<br />

einer politisch-sozialen Herrschaft (zum Beispiel zu Marx Lebzeiten die des<br />

zweiten französischen Kaiserreichs) kann als solche keine Bestätigung <strong>der</strong><br />

Wahrheit ihres Konzepts sein; <strong>der</strong> Sieger ist nicht als Sieger legitimiert.<br />

Wenn eine politischsoziale Theorie den Anspruch auf Wahrheit erhebt,<br />

muss sie die objektiven Bedürfnisse wi<strong>der</strong>spiegeln; und wenn eine herrschende<br />

politisch-soziale Praxis gerechtfertigt sein will, muss sie diese Bedürfnisse<br />

befriedigen.<br />

Wäre es im Marxschen Sinne, dass automatisch wahr und gerechtfertigt<br />

ist, was sich wirklich durchsetzt und praktisch herrscht, so wäre <strong>für</strong> Marx<br />

die Theorie <strong>der</strong> Gesellschaft ausschließlich mechanistisch-pragmatistische


219<br />

Wi<strong>der</strong>spiegelung, nicht aber kritische Theorie, d, h. eine Theorie, die das<br />

Bestehende abzubilden sucht unter dem Aspekt <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung, nämlich<br />

<strong>der</strong> praktischen Aufhebung <strong>der</strong> bestehenden Entfremdungen am Maßstab<br />

des Bedürfnisses ihrer Überwindung.<br />

Dies bedeutet weiter: wenn <strong>für</strong> Marx - ähnlich Wie <strong>für</strong> Hegel - das zu<br />

tun ist, was an <strong>der</strong> Zeit ist und in diesem Sinne notwendig ist, so lässt<br />

sich das nicht in linear-„chronologischer“ Weise bestimmen, son<strong>der</strong>n nur<br />

in Kenntnis <strong>der</strong> gleichsam dahinter palimpsestartig geschriebenen „geschichtlichen“<br />

Zeit (-Notwendigkeit). (Darin liegt auch, dass Theorie nicht<br />

überflüssig werden kann zugunsten eines pragmatischen Aktivismus.) Offensichtlich<br />

ausgeschlossen bleibt auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite eine rein moralische<br />

Legitimation des verantwortlichen Handelns ohne maßgebliche Orientierung<br />

an den bestehenden Verhältnissen. Als geometrische Symbole <strong>der</strong><br />

Maßstäbe <strong>der</strong> Handelnden ließen sich infolgedessen wählen: <strong>für</strong> den Hegelianer<br />

<strong>der</strong> Kreis, <strong>für</strong> den Moralisten <strong>der</strong> Punkt, <strong>für</strong> den Pragmatisten die<br />

Linie und <strong>für</strong> den Marxisten die unterbrochene Linie.<br />

Indem die Praxis als Grundlage, Kriterium und Ziel wahrer Theorie aufgefasst<br />

wird, gilt sie nicht nur als <strong>der</strong>en Anwendung o<strong>der</strong> nützliches Resultat<br />

im Sinne Bacons o<strong>der</strong> Descartes’; denn wenn die Praxis in dem antithetischen<br />

Verhältnis <strong>der</strong> Anwendung o<strong>der</strong> Technik zur Theorie stände (und<br />

in <strong>der</strong> Tat das „praktische“ Wissen verfallen wäre zum „pragmatischen“<br />

Wissen und technischen Herrschaftswissen, wie H. Arendt behauptet 682 ),<br />

müsste die Theorie selbständig <strong>für</strong> sich, autonom, sein können. Das dialektische<br />

Verhältnis von Theorie und Praxis ist aber bei Marx ebenso wie<br />

bei Hegel nicht so zu interpretieren, dass <strong>der</strong> Geist des Menschen fertig<br />

wäre, im Willen und in <strong>der</strong> praktischen Tätigkeit nur sich äußerte und erschiene<br />

und nach seinem Erscheinen <strong>der</strong> gleiche bliebe, so dass die Theorie<br />

in <strong>der</strong> Praxis nur ihre Anwendung, nicht aber ihre Aufhebung fände,<br />

und die Erkenntnis nur die Voraussetzung, nicht auch das Resultat <strong>der</strong><br />

Praxis wäre.<br />

Das Wechselwirkungsverhältnis von Theorie und Praxis wird allerdings<br />

von Hegel im Gegensatz zu Marx so konzipiert, dass die Selbsterkenntnis<br />

in teleologischer Weise die dominierende Seite bleibt und die praktische<br />

Selbstbestimmung sich primär zu dem Zwecke <strong>der</strong> Vertiefung <strong>der</strong> Selbsterkenntnis,<br />

<strong>der</strong> theoretischen Freiheit, vervollkommnet, das praktische


220<br />

„Hinausgehen“ des Bewusstseins also den Sinn des theoretischen „Hineinbildens<br />

in sich“ hat und die Ausbreitung <strong>der</strong> Vertiefung und dem Insichgehen<br />

dient. Obgleich <strong>für</strong> Hegel die Praxis auf Grund ihrer nicht nur formalen,<br />

son<strong>der</strong>n inhaltlichen Selbstbestimmung einen Vorrang vor <strong>der</strong> endlichen<br />

Theorie hat, behauptet sich nach seiner Konzeption doch in ihr – im<br />

Rücken des endlichen Subjekts – <strong>der</strong> Vorrang <strong>der</strong> absoluten Theorie, indem<br />

<strong>der</strong> Zweck nicht nur <strong>der</strong> theoretischen, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> praktischen<br />

Tätigkeit schließlich ist, dass <strong>der</strong> Mensch vermittels <strong>der</strong> Rückwirkung<br />

praktisch formierter Gegenstände auf sich im vertieften Maße ein Bewusstsein<br />

von sich erlangt, <strong>für</strong> sich wird und sich in dieser Weise verwirklicht.<br />

Da Marx die Konzeption <strong>der</strong> absoluten Subjekt-Objekt-Einheit und<br />

mit ihr den idealistischen Objektivitätsbegriff preisgibt und den absoluten<br />

Geist auf den menschlichen Geist reduziert, kann er nicht mehr wie Hegel<br />

einen Mangel <strong>der</strong> Praxis darin erblicken, dass sie nur in relativer Weise<br />

Verän<strong>der</strong>ungen bewirkt, den Wi<strong>der</strong>stand und die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Objektwelt<br />

nicht restlos überwindet, die Gegenständlichkeit als solche nicht<br />

aufhebt und als Beziehung auf das Objekt nicht das vollkommen sich<br />

selbst bestimmende Beisichsein des Subjekts ist.


221<br />

Zusammenfassung<br />

Der zentrale Aspekt in Hegels Konzeption <strong>der</strong> dialektischen, ideellen<br />

und systematischen Vereinigung von Theorie und Praxis ist <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong><br />

Freiheit, <strong>der</strong> die stufenweise Aufhebung des Subjekt-Objekt-Gegensatzes<br />

beinhaltet.<br />

Theorie und Praxis verhalten sich <strong>für</strong> Hegel grundsätzlich wie Geist und<br />

Wille und bilden wie Wesen und Erscheinung eine dialektische Einheit im<br />

subjektiven, objektiven und absoluten Sinn, so dass sich praktische Selbständigkeit<br />

und theoretische Selbsterkenntnis wechselseitig bedingen. Die<br />

Ergründung dessen, was <strong>der</strong> Mensch ist, ist nicht ausschließlich eine theoretische,<br />

son<strong>der</strong>n auch eine praktisch-geschichtliche Frage, und die philosophische<br />

Wahrheit ist nicht nur Form des erkennenden Subjekts, son<strong>der</strong>n<br />

auch Existenzweise im praktisch-geschichtlichen Prozess.<br />

Die theoretischen und die praktischen Tätigkeiten sind <strong>für</strong> Hegel im Bereich<br />

<strong>der</strong> Endlichkeit mangelhaft und einseitig; sie knüpfen zwar das Band<br />

zwischen Ich und Welt und überwinden jeweils in einan<strong>der</strong> ergänzen<strong>der</strong><br />

Weise den Gegensatz und die Entfremdung von Subjekt und Objekt –<br />

wobei ihre Struktur die gleiche ist, nämlich die Negation <strong>der</strong> Negation – ;<br />

aber indem Hegel mit dem Anspruch auftritt, wahre Freiheit erfor<strong>der</strong>e die<br />

Beziehung eines Subjekts auf einen objektiven Inhalt als Beziehung auf<br />

sich selbst, d. h. sie erfor<strong>der</strong>e die Aufhebung <strong>der</strong> Gegenständlichkeit als<br />

solcher, kann er konsequenterweise das endliche theoretische und praktische<br />

Subjekt-Objekt-Verhältnis als nur unvollkommene Einheit und Freiheit<br />

bestimmen.<br />

Die Einheit <strong>der</strong> endlichen praktischen und theoretischen Tätigkeit wird<br />

von Hegel konkretisiert in <strong>der</strong> Bestimmung des Zusammenhangs von Praxis<br />

und Teleologie sowie Teleologie und Kausalität. Hegel zeigt die Vereinbarkeit<br />

von Kausalität und Teleologie: die Zweck-Mittel-Relation basiert<br />

auf <strong>der</strong> Ursache-Wirkung-Relation. (Die praktische teleologische Tätigkeit<br />

<strong>der</strong> Naturaneignung hat die Form eines Syllogismus.) Auf Grund <strong>der</strong> Verknüpfung<br />

von Teleologie und Kausalität stehen Mensch und Natur in dem<br />

Wechselwirkungsverhältnis <strong>der</strong> Freiheit und Notwendigkeit. Aber <strong>für</strong> Hegel<br />

geht we<strong>der</strong> das Wissen in <strong>der</strong> praktikablen operativ-technischen Theorie


222<br />

<strong>der</strong> Naturaneignung auf (sie ist vielmehr ein Moment im Dienst <strong>der</strong> Freiheit<br />

des Geistes) noch erschöpft sich die Praxis in <strong>der</strong> technischinstrumental<br />

verfügenden Naturbeherrschung.<br />

In die Analyse <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Naturaneignung wird von Hegel das Moment<br />

<strong>der</strong> Wechselbeziehung <strong>der</strong> Menschen untereinandeer, d. h. die gesellschaftliche<br />

geschichtliche Seite <strong>der</strong> Tätigkeit, mit einbezogen.<br />

Das Bearbeiten <strong>der</strong> Natur, das Handeln in <strong>der</strong> Geschichte und die Entstehung<br />

des Selbstbewusstseins bedingen sich, wie Hegel im beson<strong>der</strong>en<br />

in dem Kapitel „Herrschaft und Knechtschaft“ in <strong>der</strong> „Phänomenologie des<br />

Geistes“ expliziert. Die Selbsterkenntnis wird gewonnen auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

<strong>der</strong> Umgestaltung <strong>der</strong> Natur innerhalb bestimmter geschichtlichgesellschaftlicher<br />

Beziehungen <strong>der</strong> Menschen untereinan<strong>der</strong>. Die konkretere<br />

Bestimmung des allgemeinen Verhältnisses von Theorie und Praxis,<br />

Geist und Willen, liegt darin, dass Theorie und Geschichte (und schließlich<br />

Logik und Geschichte) aufeinan<strong>der</strong> bezogen werden. Die Erkenntnis ist <strong>für</strong><br />

Hegel kein rein „erkenntnistheoretischer“ (innerer) Vorgang eines isoliert<br />

genommenen Subjekts, keine einfache Relation zwischen einem Subjekt<br />

und einem Objekt, son<strong>der</strong>n ein praktisch-geschichtlicher (äußerer) Prozess,<br />

<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Menschheit vollzogen wird. Die volle Erkenntnis <strong>der</strong><br />

Wahrheit ist bedingt durch die Verwirklichung <strong>der</strong> Wahrheit in <strong>der</strong> geschichtlich-politischen<br />

Freiheit.<br />

Charakteristisch <strong>für</strong> Hegel ist die Konzeption <strong>der</strong> Praxis als konkreter<br />

Sittlichkeit. Hegel nimmt in die Ethik den gesellschaftlich-geschichtlichen<br />

Inhalt auf, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> sich in <strong>der</strong> Geschichte entäußernden absoluten<br />

Vernunft hergeleitet wird, und überwindet den Kantischen und Fichteschen<br />

Dualismus von Form und Inhalt, Idealität und Realität. Hegel weist<br />

auf, dass aus dem reinen, formalen abstrakten Willen und dem kategorischen<br />

Pflichtgebot <strong>der</strong> praktischen Vernunft kein bestimmter Inhalt deduzierbar<br />

ist. Die Praxis des allgemeinen konkreten Willens ist <strong>für</strong> Hegel die<br />

Sphäre <strong>der</strong> Entfremdung des absoluten Geistes. Dementsprechend ist <strong>der</strong><br />

objektive Geist <strong>für</strong> Hegel noch nicht vollkommen frei (unter <strong>der</strong> grundlegenden<br />

Voraussetzung, dass die Gegenständlichkeit schlechthin in den<br />

absoluten Geist aufhebbar ist); er ist eine Stufe auf dem Weg <strong>der</strong> Entgegenständlichung,<br />

Verinnerlichung und vollkommenen geistigen Freiheit.


223<br />

Die Praxis erhält auf Grund ihrer – wenn auch nur relativen – inhaltlichen<br />

Selbstbestimmung einen Vorrang vor <strong>der</strong> endlichen Theorie. In ihrem<br />

Rücken aber behauptet sich <strong>der</strong> Vorrang <strong>der</strong> absoluten Theorie; denn <strong>der</strong><br />

Zweck nicht nur <strong>der</strong> theoretischen, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> praktischen Tätigkeit<br />

ist <strong>für</strong> Hegel schließlich, dass <strong>der</strong> Mensch im vertieften Maß ein Bewusstsein<br />

von sieh erlangt, <strong>für</strong> sich wird und sich in dieser Weise verwirklicht.<br />

Diese Auffassung Hegels ist untrennbar von <strong>der</strong> Konzeption des<br />

menschlichen Wesens als Selbstbewusstsein.<br />

Alle Formen <strong>der</strong> Praxis sowie <strong>der</strong> endlichen Theorie sind <strong>für</strong> Hegel Stufen<br />

o<strong>der</strong> Momente auf dem Weg zur vollkommenen Subjekt-Objekt-Einheit<br />

in <strong>der</strong> absoluten Theorie. Die absolute Einheit des Ideellen und des Realen,<br />

des Theoretischen und des Praktischen, ist selbst ideell und theoretisch<br />

(die Idee ist über die Objektivität „übergreifende“ Subjektivität). Aus <strong>der</strong><br />

Konzeption <strong>der</strong> absoluten Subjekt-Objekt-Einheit und aus dem entsprechenden<br />

idealistischen Objektivitätsbegriff ergeben sich die Möglichkeit<br />

und letztlich die Notwendigkeit <strong>der</strong> Rücknahme <strong>der</strong> Entäußerungen des<br />

absoluten schöpferischen Subjekts auf dem Weg <strong>der</strong> spekulativen Theorie.<br />

Die Vollendung im Wissen des absoluten Geistes setzt die Vollendung in<br />

<strong>der</strong> geschichtlichen Praxis des objektiven Geistes voraus. Die Hegelsche<br />

Erneuerung <strong>der</strong> aristotelischen Theoria umfasst die als vollendet begriffene<br />

Geschichte. Hinsichtlich <strong>der</strong> Stellung Hegels zur praktisch-theoretischen<br />

Verwirklichung <strong>der</strong> Vernunft sind zu unterscheiden: die systembedingte<br />

endgültige theoretische Verwirklichung <strong>der</strong> Vernunft in <strong>der</strong> spekulativen<br />

<strong>Philosophie</strong>; die ebenfalls systembedingte endgültige praktischgeschichtliche<br />

Verwirklichung <strong>der</strong> Vernunft (a) im unmittelbar gegenwärtigen<br />

Zustand des preußischen Staatslebens, (b) im Zustand eines weiter<br />

reformierten preußischen Staatslebens. In den in <strong>der</strong> „Rechtsphilosophie“<br />

überwiegenden „unzeitgemäßen“ Tendenzen liegt nicht nur eine Ablehnung<br />

des Sollens, insofern dieses als Grundsatz proklamiert wird, son<strong>der</strong>n auch,<br />

insofern dieses eine zeitlich begrenzte demokratisch-liberale Opposition<br />

beinhaltet. Dass Hegels eigentümlich „konservative“ Einstellung <strong>der</strong> Hinnahme<br />

<strong>der</strong> gegebenen gesellschaftlichen, geschichtlichen Praxis nicht<br />

mehr prinzipiell bedingt ist und Hegel in seiner früheren Entwicklung<br />

weitaus negativer, unversöhnlicher und kritischer zur Gegenwart stand,


224<br />

zeigt ein Überblick über die Stufen seiner Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Gegensätzen<br />

und Krisen <strong>der</strong> Zeit nach <strong>der</strong> französischen Revolution.<br />

Gerade weil Hegel Logik und Geschichte aufeinan<strong>der</strong> bezieht, kann die<br />

Geschichte auch grundsätzlich zum Kriterium <strong>für</strong> sein System werden, d.<br />

h. <strong>für</strong> die idelle Versöhnung von Theorie und Praxis. Das System hat sich<br />

an <strong>der</strong> Geschichte zu bewähren, die erstmals und grundsätzlich die Position<br />

einer systemimmanenten Kritik erhält. Das Auftreten praktischgeschichtlicher<br />

qualitativ neuer im System nicht integrierter Gegensätze<br />

innerhalb <strong>der</strong> bestehenden Welt – wie sie in <strong>der</strong> Julirevolution 1830 akut<br />

werden – wird ein Argument gegen die Hegelsche Vereinigung von Theorie<br />

und Praxis.<br />

Die Überwindung <strong>der</strong> Entzweiung von „Spiritualismus“ und „Sensualismus“,<br />

d. i. von Theorie und Praxis, ist <strong>für</strong> Heine durch Hegel nur in <strong>der</strong><br />

Theorie vollendet, kommt aber in Wirklichkeit erst durch die politische<br />

und vor allem die soziale Praxis zustande. Von dieser erwartet Heine, dass<br />

sie in Deutschland auf einem höheren Niveau stattfindet als in Frankreich,<br />

da die deutsche Revolution aus <strong>der</strong> vollendeten <strong>Philosophie</strong> hervorgehe.<br />

Während Hegel das Ausbleiben <strong>der</strong> revolutionären Praxis in Deutschland<br />

und das Stehenbleiben bei <strong>der</strong> Theorie als die vernünftige Auswirkung <strong>der</strong><br />

Reformation ansieht (und Marx dies als Schwäche des Bürgertums versteht),<br />

erblickt Heine hierin eine Verzögerung aus methodischer Gründlichkeit.<br />

Mit seiner Ansicht, dass Hegel in einer esoterischen Lehre den Atheismus<br />

und die Revolution bejahen würde, setzt er sich hinweg über Hegels<br />

systembedingte Konzeption <strong>der</strong> Vollendung <strong>der</strong> Geschichte und <strong>der</strong><br />

endgültigen Versöhnung von Theorie und Praxis und zieht Konsequenzen<br />

aus Hegels <strong>Philosophie</strong>, die sich erst ergeben könnten nach einer bewussten<br />

Destruktion des Systems, das keine Irreführung <strong>für</strong> nicht Eingeweihte,<br />

son<strong>der</strong>n ein konstitutiver Bestandteil <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> ist.<br />

In <strong>der</strong> Umbildung <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> geht Cieszkowski mit seiner<br />

Schrift „Prolegomena zur Historiosophie“ über Heine insofern hinaus,<br />

als er die Hegelsche <strong>Philosophie</strong> nicht nur in die Praxis überführt sehen<br />

will, son<strong>der</strong>n sie auch als Theorie umwandelt, nämlich zu einer <strong>Philosophie</strong><br />

<strong>der</strong> Praxis. Cieszkowski ignoriert nicht einfach wie Heine das Hegelsche<br />

System unter Berufung auf eine vorgebliche revolutionäre Esoterik,<br />

aber er verwandelt es schließlich in eine schematische aprioristische Kon-


225<br />

struktion. An die Stelle <strong>der</strong> kontemplativen Theorie Hegels tritt die „historiosophische“,<br />

nicht etwa eine „kritische“ Theorie. Cieszkowski strebt die<br />

Weiterentwicklung <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> nicht auf Grund des Vorranges<br />

<strong>der</strong> dialektischen Methode vor dem System an, son<strong>der</strong>n wegen <strong>der</strong><br />

Wi<strong>der</strong>spruchslosigkeit des Systems und somit <strong>der</strong> wahren Totalität. Der<br />

Übergang zur Praxis soll die Mängel und Einseitigkeiten des Systems beseitigen.<br />

Der entscheidende Mangel des Hegelschen Systems ist <strong>für</strong> Cieszkowski,<br />

dass es die Gegenwart verabsolutiert, die Zukunft und das Problem ihrer<br />

Erkennbarkeit nicht als wesentliches Moment integriert und deshalb die<br />

organische Totalität verfehlt. Cieszkowskis Ausrichtung auf die Zukunft<br />

unter Verweis auf die bestehenden „Wi<strong>der</strong>sprüche <strong>der</strong> Zeit“ bildet einen<br />

berechtigten Ansatzpunkt <strong>der</strong> Kritik an Hegels Versöhnung von Idee und<br />

Wirklichkeit, Theorie und Praxis, da Hegel selbst <strong>Philosophie</strong> und Zeit aufeinan<strong>der</strong><br />

bezieht und sein philosophisches System sich dementsprechend<br />

an <strong>der</strong> Geschichte zu bewähren hat. Indem Cieszkowski aber wie Hegel die<br />

Weltgeschichte als teleologischen Prozess auffasst und an <strong>der</strong> absoluten<br />

Einheit von Vernunft und Wirklichkeit, Logik und Geschichte, festhält und<br />

for<strong>der</strong>t, man müsse „das ganze System <strong>der</strong> Kategorien sich dialektisch in<br />

<strong>der</strong> Geschichte entwickeln lassen“, ist er prinzipiell gezwungen, mit dieser<br />

zukünftigen Periode die Geschichte wie<strong>der</strong>um systematisch zum Abschluss<br />

kommen und die „höchste Spitze des Weltgeistes“ erreichen zu lassen. Die<br />

letzte Stufe <strong>der</strong> Geschichte bei Hegel wird zur vorletzten bei Cieszkowski;<br />

die endgültige Synthese wird nur um eine Stufe höher verschoben. Wenn<br />

trotz <strong>der</strong> Ausrichtung auf die Zukunft <strong>für</strong> Cieszkowski die Geschichte prinzipiell<br />

abgeschlossen ist, so ist seine Konzeption insofern konsequent, als<br />

er das systematische Erfassen <strong>der</strong> Totalität nicht preisgeben und dennoch<br />

zugleich ein Überschreiten <strong>der</strong> wi<strong>der</strong>spruchsvollen krisenhaften Gegenwart<br />

ermöglichen will.<br />

Die Praxis in Cieszkowskis Weise als Anwendung <strong>der</strong> Theorie aufzufassen,<br />

ist nur möglich, indem die Theorie – unter Annahme ihrer Autonomie<br />

– <strong>für</strong> systematisch vollendet gehalten wird. Die Theorie wird aber hiermit<br />

in undialektischer Weise von <strong>der</strong> praktischen Bedingtheit getrennt und –<br />

als <strong>für</strong> sich fertig – aus <strong>der</strong> Verflechtung und Wechselwirkung mit <strong>der</strong><br />

Praxis heraus gelöst. Dies bedeutet, dass <strong>für</strong> Cieszkowski letzten Endes die


226<br />

Theorie nur die Voraussetzung o<strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Praxis ist, nicht auch<br />

das Resultat <strong>der</strong> Praxis wird. Indem das abgeschlossene System und in<br />

seinem Gefolge die Theorie „triumphieren“ und <strong>der</strong> Praxis nur das zu realisieren<br />

überlassen wird, was die Theorie als das endgültige Ziel des geistigen<br />

Prozesses <strong>der</strong> Weltgeschichte antizipiert, behält die Theorie letztlich<br />

den Vorrang und wird entgegen dem Anschein die Hegelsche Bestimmung<br />

des Verhältnisses von Theorie und Praxis nicht prinzipiell umgekehrt. Das<br />

„historiosophische“ Denken bleibt die Grundlage sowie das Kriterium <strong>der</strong><br />

Praxis und die Quelle des geschichtlichen Fortschritts.<br />

Der neue folgenreiche Gesichtspunkt, <strong>der</strong> in D. F. Strauß’ „Leben Jesu“<br />

zur Geltung kommt, ist die konsequente Anwendung <strong>der</strong> zur analytischen<br />

Kritik umgeformten dialektischen Methode. Dabei verlässt Strauß in diesem<br />

Werk den Boden <strong>der</strong> Hegelschen Religionsphilosophie nicht: einmal<br />

bleibt <strong>für</strong> ihn wie <strong>für</strong> Hegel das Wesentliche <strong>der</strong> christlichen Religion die<br />

Menschwerdung Gottes, die Vereinigung des Göttlichen und Menschlichen,<br />

zum an<strong>der</strong>en werden Religion und <strong>Philosophie</strong> inhaltlich gleichgesetzt<br />

und nur formal insofern unterschieden, als die Verwirklichung des<br />

Göttlichen von <strong>der</strong> Religion im Medium <strong>der</strong> sinnlichen Vorstellung, von <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong> aber im Medium des allgemeinen Begriffs gefasst wird; erst in<br />

seiner „Glaubenslehre“ gibt Strauß unter dem Einfluss Feuerbachs die Hegelsche<br />

inhaltliche Gleichsetzung von Religion und <strong>Philosophie</strong> auf. Im<br />

„Leben Jesu“ rückt Strauß vermittels <strong>der</strong> Kritik die <strong>Philosophie</strong> und die<br />

Evangelien auseinan<strong>der</strong>, aber er ersetzt noch nicht die Religion als solche<br />

durch die <strong>Philosophie</strong>. Die religiöse Wahrheit – in ihrem dogmatischen Gehalt<br />

– gilt <strong>für</strong> Strauß in diesem Stadium seiner Entwicklung noch unabhängig<br />

von <strong>der</strong> Historizität <strong>der</strong> Evangelien. Damit setzt Strauß die prinzipielle<br />

Zweideutigkeit noch fort, die in <strong>der</strong> Hegelschen inhaltlichen Gleichsetzung<br />

und formalen Unterscheidung insofern liegt, als diese zugleich<br />

Rechtfertigung und Kritik <strong>der</strong> Religion sind. Strauß unterscheidet sich in<br />

seinem „Leben Jesu“ grundlegend von Hegel letztlich nur darin, dass er die<br />

Beantwortung <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> geschichtlichen Person Jesu und seinem<br />

Selbstbewusstsein – und somit nach <strong>der</strong> Menschwerdung Gottes in einem<br />

einzelnen Individuum – konsequenterweise von einer historisch-kritischen<br />

Untersuchung abhängig machen will. Das durch Strauß’ Kritik hervorgerufene<br />

überwundene Dilemma <strong>der</strong> Theologie besteht darin, dass einerseits<br />

<strong>der</strong> rein historische Kern <strong>der</strong> Evangelien wegen <strong>der</strong> Verflechtung von Ge-


227<br />

schichte und Mythos bzw. Kerygma weitgehend unzugänglich bleibt, aber<br />

an<strong>der</strong>erseits <strong>der</strong> Glaube eigentlich nicht mit sich selbst anfangen kann.<br />

Dass <strong>der</strong> Glaube, <strong>der</strong> eine bestimmte Person und ihr individuelles<br />

Schicksal zum allgemein-verbindlichen, exemplarischen heilsentscheidenden<br />

Rang erhebt, grundsätzlich dem philosophisch-vernünftigen Begreifen<br />

wi<strong>der</strong>spricht, wird in Strauß’ Nachfolge zur Überzeugung sowohl aller<br />

Junghegelianer als auch – mit umgekehrtem Vorzeichen <strong>der</strong> Bewertung –<br />

Kierkegaards.<br />

Nur im Zusammenhang mit <strong>der</strong> von Hegel übernommenen Konzeption<br />

<strong>der</strong> Geschichte als stufenweiser Realisierung <strong>der</strong> Wahrheit lässt sich die<br />

Funktion <strong>der</strong> Straußschen Kritik verstehen. Strauß will die wirksame subjektive<br />

kritische Tätigkeit mit dem dialektischen objektiven Geschichtsprozess<br />

verbunden wissen. Der Kritiker hat nach Strauß selbst auf dem Boden<br />

des kritischen Prozesses zu stehen. Die Kritik ist zugleich Prinzip <strong>der</strong><br />

Wirklichkeit und <strong>der</strong> Methodologie. Die Kritik ist <strong>der</strong> Bruch mit dem Bestehenden<br />

und seine Verän<strong>der</strong>ung durch Unterscheidung des Geistes von<br />

<strong>der</strong> Realität, des Subjekts von <strong>der</strong> Substanz, d. h. durch theoretische Antizipation<br />

<strong>der</strong> wahren Wirklichkeit.<br />

Einen Grundzug <strong>der</strong> Hegelschen Dialektik bewahrt Strauß: die Destruktion<br />

<strong>der</strong> scheinbaren Selbständigkeit, Ursprünglichkeit und Fixiertheit des<br />

äußeren Objekts und unmittelbar Gegebenen – hier: <strong>der</strong> biblischen und<br />

kirchlichen Fakten – als einer Form <strong>der</strong> Entfremdung zugunsten des vermittelten<br />

Begreifens <strong>der</strong> Sache selbst. Die Straußsche Kritik ist aber rein<br />

negativ-dialektisch, nicht reproduktiv-dialektisch im Hegelschen Sinne. Sie<br />

bewahrt von <strong>der</strong> Hegelschen Dialektik nur die Entgegensetzung von These<br />

und Antithese. Ohne vermittelnden Übergang setzt die Kritik (in <strong>der</strong><br />

„Glaubenslehre“) an die Stelle <strong>der</strong> als unhaltbar aufgelösten Dogmen die<br />

ihnen nicht zugrunde liegenden und aus ihnen nicht ableitbaren philosophischen<br />

Spekulationen. Keineswegs strebt die Kritik in <strong>der</strong> „Glaubenslehre“<br />

an, die Vorstellungen <strong>der</strong> Dogmengeschichte in Begriffe zu übersetzen,<br />

da <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Religion nicht von ihrer Form trennbar sei. Glauben und<br />

Wissen werden in zwei unversöhnliche Extreme auseinan<strong>der</strong> gerissen. Nur<br />

um den Preis <strong>der</strong> Verkürzung <strong>der</strong> Hegelschen Dialektik zur kritischen antithetischen<br />

Analytik gelingt es Strauß, dem christlichen Theismus – <strong>der</strong> auf<br />

einem einmaligen (keine Idee exponierenden) Ereignis basiert – wie<strong>der</strong>um


228<br />

seinen angemessenen Ort jenseits <strong>der</strong> pantheistischen Spekulation zuzuweisen<br />

und den versöhnlichen Anschein zu zerstören, als ob Glauben und<br />

Wissen, Ausgangs- und Endpunkt <strong>der</strong> Kritik, sich zueinan<strong>der</strong> verhielten<br />

wie das Ganze in <strong>der</strong> Vorstellung und das gleiche Ganze im Begriff.<br />

Während <strong>für</strong> Strauß das mit <strong>der</strong> Vernunft nicht übereinstimmende von<br />

<strong>der</strong> Dialektik diskreditierte Faktum die biblische Geschichte und das<br />

kirchliche Dogma ist, wird dieses <strong>für</strong> Ruge primär <strong>der</strong> bestehende politisch-staatliche<br />

Zustand Preußens. Zugleich kritisiert Ruge im Unterschied<br />

zu Strauß explizit den einseitig kontemplativen Charakter <strong>der</strong> Hegelschen<br />

<strong>Philosophie</strong> als <strong>der</strong>en entscheidende Schranke. Strauß hat das Ziel <strong>der</strong><br />

Herstellung <strong>der</strong> Einheit von Theorie und Praxis deshalb nicht, weil sich<br />

seine Kritik auf die Vorstellung und nicht wie die Kritik Ruges auf den Willen<br />

richtet.<br />

Die Kritik, wie Ruge sie schließlich bis zum Jahre 1842 heraus bildet,<br />

nimmt ihren Ausgangspunkt bei <strong>der</strong> vernünftigen Theorie als „reiner Einsicht“<br />

und Metaphysik des logischen Begriffs, und sie wendet sich nach<br />

einem Vergleich des allgemeinen Wesens mit <strong>der</strong> einzelnen geschichtlichen<br />

Existenz an den Willen, den sie zu dem Entschluss mobilisiert, die einzelne<br />

geschichtliche Existenz <strong>der</strong> vernünftigen Theorie zu „unterwerfen“ und<br />

somit die Einheit des Denkens und Wollens herzustellen. Für Ruge bleibt<br />

demnach die Kritik als Vermittlung zwischen <strong>der</strong> Theorie und dem Willen<br />

eine Sache des Bewusstseins. Zwar zielt die Kritik letztlich auf wirkliche<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> bestimmten politisch-staatlichen Verhältnisse, aber<br />

ihre eigene „praktische Wendung“ besteht darin, dass sie einen Entschluss<br />

hervorbringt, was noch ein innerer, geistiger Vorgang ist.<br />

Weiter ist <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Kritik <strong>für</strong> Ruge demnach nur Anwendung <strong>der</strong><br />

fertigen Theorie und ihre einseitige Übersetzung in die Existenz; die dialektische<br />

Wechselwirkung zwischen <strong>der</strong> Theorie und <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Kritik wird<br />

aufgelöst. In dieser Hinsicht setzt Ruges Kritik die Herauslösung <strong>der</strong> Theorie<br />

aus <strong>der</strong> praktischen Bedingtheit fort, die Hegel in Erneuerung <strong>der</strong> aristotelischen<br />

Kontemplation auf <strong>der</strong> Spitze seines Systems vollzieht. Die vorausgesetzte<br />

Struktur, an die die Tätigkeit <strong>der</strong> Kritik anknüpft – die Hegelsche<br />

Zuordnung von Begriff und Existenz, Vernunft und Wirklichkeit – gibt<br />

Ruge erst später unter dem Einfluss Feuerbachs auf. Erst in diesem Stadium<br />

seiner Entwicklung verzeitlicht er den Geist radikal und erhebt er die


229<br />

Geschichte zum Maßstab des Geistes. Nach <strong>der</strong> von Feuerbach hervorgerufenen<br />

Wendung orientiert er die Kritik ausschließlich am Zeitgeist und<br />

verwirft er die Selbständigkeit <strong>der</strong> überzeitlichen Logik überhaupt, davor<br />

aber – und auch noch in seiner Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie<br />

(1842) – bemängelt er auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Unterscheidung zwischen Theorie<br />

und Kritik nur Hegels Logifizierung und Verabsolutierung bestimmter historischer<br />

Existenzen.<br />

Indem Ruge dieses Vernünftigfinden <strong>der</strong> Wirklichkeit und ihre Loslösung<br />

aus <strong>der</strong> geschichtlichen Entwicklung nicht nur in Hegels Rechtsphilosophie<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> politisch-staatlichen Verhältnisse feststellt, son<strong>der</strong>n<br />

als charakteristisch <strong>für</strong> Hegels <strong>Philosophie</strong> überhaupt ansieht, negiert<br />

er mit seiner Kritik auch Hegels spekulatives System im ganzen als<br />

einseitig theoretisch und abstrakt.<br />

Die Zurückführung des absoluten Geistes auf den menschlichen Geist<br />

nimmt Ruge (wie Strauß und Bauer) die Möglichkeit, die Praxis und die<br />

endliche Theorie mit Hegel als Moment im Prozess <strong>der</strong> Realisierung <strong>der</strong><br />

absoluten Subjekt-Objekt-Einheit zu fassen und die „List <strong>der</strong> Vernunft“ als<br />

Grund <strong>der</strong> teleologischen Notwendigkeit dieses Geschichtsprozesses anzunehmen.<br />

Die Konsequenz ist eine Aporie, über die sich Ruge nicht im Klaren<br />

ist: da <strong>für</strong> Ruge <strong>der</strong> Träger des Geschichtsprozesses ausschließlich <strong>der</strong><br />

menschliche Geist ist, diesem aber zugestandenermaßen das Ziel <strong>der</strong><br />

menschlichen Geschichte (die realisierte geistige Einheit und Freiheit)<br />

nicht stets bewusst gegenwärtig war (nämlich bis zu Hegels Erhebung <strong>der</strong><br />

dialektischen Methode zum bewussten Prinzip), dürfte Ruge in Wahrheit<br />

gar kein notwendiges von vornherein auf ein Ziel Ausgerichtetsein des Geschichtsablaufs<br />

supponieren; unvereinbar ist es, den Fortschritt <strong>der</strong> Geschichte<br />

einerseits völlig im menschlichen Geist gründen zu lassen und<br />

dennoch an<strong>der</strong>erseits eine Vorsehung anzunehmen und die Einheit <strong>der</strong><br />

theoretischen und praktischen Tätigkeit in <strong>der</strong> selbstbewussten und<br />

selbstgewollten Durchführung geschichtlicher Intentionen zu sehen. Die<br />

Verwandlung des Weltgeistes in den Menschengeist wirft ein weiteres Problem<br />

auf, das Ruge nicht löst und worüber er kaum ein Bewusstsein hat:<br />

das Problem <strong>der</strong> Einheit von menschlichem Geist und Natur; denn die<br />

Wechselwirkung von Mensch und Natur, die Hegel in <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> ge-


230<br />

schichtlichen Praxis verknüpften Teleologie <strong>der</strong> Arbeit aufdeckt, tritt <strong>für</strong><br />

Ruge in den Hintergrund.<br />

Mit <strong>der</strong> <strong>für</strong> die Junghegelianer typischen Annahme <strong>der</strong> Akkommodation<br />

Hegels verkennt Ruge die Implikationen des absoluten Idealismus, die<br />

prinzipiell einen Abschluss <strong>der</strong> Geschichte erfor<strong>der</strong>lich machen, insofern<br />

die Vollendung im Wissen des absoluten Geistes die Vollendung <strong>der</strong> geschichtlichen<br />

Praxis des objektiven Geistes voraussetzt.<br />

Ruges kontemplativer Einstellung im ersten Stadium seiner Entwicklung<br />

entspricht die Verherrlichung des preußischen Staates als Verkörperung<br />

des reformatorischen Prinzips <strong>der</strong> freiwilligen Entwicklung <strong>der</strong> Vernunft<br />

und als Erben <strong>der</strong> französischen Revolution. Von hier führt Ruges<br />

Weg in <strong>der</strong> politischen Kritik, inhaltlich gesehen, zum Liberalismus und<br />

Konstitutionalismus, wobei sich seine Einstellung zum Verhältnis von<br />

Theorie und Praxis wandelt, dann zum radikalen Demokratismus. Die Erfahrung<br />

<strong>der</strong> Unwirksamkeit und Ohnmacht seiner Kritik, d. h. die Erfahrung,<br />

dass die bestehenden politischen Verhältnisse vermittels <strong>der</strong> Kritik<br />

nicht zu än<strong>der</strong>n sind, führt Ruge nicht zu einer Neuorientierung in Gestalt<br />

einer prinzipiellen Revision des Verhältnisses von Theorie und Praxis, son<strong>der</strong>n<br />

zu einer graduellen Modifikation, nämlich zu einer jedesmal radikaleren<br />

Fassung <strong>der</strong> gedanklichen Kritik, verstanden als Fortschritt des Bewusstseins<br />

und <strong>der</strong> Selbsterkenntnis.<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Methode zur Durchsetzung des wahren Inhalts, des<br />

Humanismus und Demokratismus, geht Ruge schließlich nicht hinaus über<br />

eine Verbindung <strong>der</strong> Kritik mit <strong>der</strong> Bildung und Erziehung. Das heißt:<br />

er erwartet, dass die praktische Gesellschaftsreform auf bürgerlicher<br />

Grundlage als Verwirklichung des theoretischen Humanismus – die Beseitigung<br />

des entfremdenden inhumanen Egoismus sowie auch des Patriotismus,<br />

die Vermenschlichung <strong>der</strong> Existenz und die Emanzipation des<br />

Menschen – primär erfolgt auf dem Wege über Bildung und Erziehung des<br />

Volkes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Masse“, die Ruge zwar im Gegensatz zu Marx undifferenziert<br />

lässt, aber nicht wie Bruno Bauer als Wi<strong>der</strong>sacher des Geistes ansieht.<br />

Mit <strong>der</strong> Ausrichtung auf Bildung und Erziehung als Weg <strong>der</strong> Umgestaltung<br />

des menschlichen Lebens steht dieser politische Humanismus in<br />

<strong>der</strong> Tradition des ästhetischen Humanismus <strong>der</strong> deutschen Klassik, wobei


231<br />

zwar die Grenzen des Ästhetischen, aber nicht die <strong>der</strong> Erziehung erkannt<br />

werden.<br />

Nachdem sich im Gefolge <strong>der</strong> Unterdrückung <strong>der</strong> „Deutschen Jahrbücher“<br />

und <strong>der</strong> „Rheinischen Zeitung“ am Anfang des Jahres 1843 die<br />

Junghegelianer endgültig gespaltet haben, sieht Bruno Bauer den entscheidenden<br />

Gegensatz zu Ruge in <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Negativität o<strong>der</strong> <strong>der</strong> dialektischen<br />

Radikalität, Rücksichtslosigkeit und Unversöhnlichkeit, d. h.<br />

<strong>der</strong> Voraussetzungslosigkeit und Reinheit <strong>der</strong> Kritik: Ruge verharre mit<br />

seiner For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> zukünftigen praktischen Entwicklung im Sinne des<br />

Liberalismus o<strong>der</strong> des Humanismus und Demokratismus noch konzessionsbereit<br />

– nur von den schon vorhandenen positiven Ansätzen aus ins<br />

Unbeschränkte gehend – auf dem Boden <strong>der</strong> bekämpften Macht (vor allem<br />

des Staates), anstatt mit ihr zu brechen und sich über ihre Voraussetzungen<br />

zu erheben. Bauers radikale Abwendung von dem Bestehenden und<br />

seine Bestimmung des Verhältnisses <strong>der</strong> Kritik zu den Mächten <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

und Gegenwart nicht als aufhebende und bewahrende Erbschaft,<br />

son<strong>der</strong>n als abgründige Bindungslosigkeit, entspringt seiner Enttäuschung<br />

darüber, dass das Volk und die Liberalen gegen die unterdrückenden<br />

Regierungsmaßnahmen nicht aufbegehrten. Im Scheitern <strong>der</strong> Bestrebungen<br />

<strong>der</strong> „Deutschen Jahrbücher“ kann Bauer eine Selbstbestätigung<br />

seines kritischen Standpunktes sehen, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> wie<strong>der</strong> erstarkenden<br />

Reaktion praktisch unangetastet (und nicht korrumpiert) bleibt, wenn<br />

auch nur insofern, als er Opposition ohne bestimmte Position ist, d. h. als<br />

seine Kritik – ohne Zugeständnisse an das Bestehende und Gegebene zu<br />

machen und infolgedessen ohne zu partizipieren und parteilich einzugreifen<br />

– sich von vornherein über die politische und soziale Wirklichkeit hinweg<br />

setzt und in ihrer Isolierung gar nicht verwirklicht werden kann.<br />

Die durch die unversöhnliche Ablösung von den Voraussetzungen,<br />

durch den absoluten Hiat zu dem Gegebenen, gekennzeichnete Kritik Bauers<br />

stellt damit zugleich – noch eindeutiger als bei Strauß und Ruge – eine<br />

Umformung <strong>der</strong> Hegelschen spekulativen affirmativen Dialektik zu einer<br />

analytischen negativen Dialektik dar: das Resultat <strong>der</strong> Kritik ist jeweils die<br />

bloße, abstrakte Negation, die Vernichtung des Positiven, d. h. die Negation<br />

enthält das Positive, von dem sie ausgeht, nicht aufgehoben in sich, so<br />

dass es als überwundenes noch wahr bliebe; daher ist die Kritik nicht wie


232<br />

die Spekulation die affirmative Synthese, die konkrete Vermittlung <strong>der</strong><br />

entgegengesetzten Momente zur Totalität. Hegel anerkennt diese negative<br />

Dialektik als eine berechtigte, wenn auch einseitige Form seiner Versöhnungsphilosophie<br />

und kennzeichnet sie als Skeptizismus. Bauer verselbständigt<br />

also die skeptische Seite <strong>der</strong> Hegelschen Dialektik. Dabei ist <strong>für</strong><br />

Bauer die skeptizistische negative Dialektik die Form nicht nur <strong>der</strong> subjektiven<br />

Kritik, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> objektiv-kritischen Geschichtsentwicklung.<br />

Diese negative Dialektik kann aber nicht die weltgeschichtliche Kontinuität<br />

erklären.<br />

Die Hauptabsicht Bauers – beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> „Posaune“ – ist, die Transzendenz<br />

zu zerstören, d. h. <strong>der</strong> Religion den Objektivitätscharakter zu<br />

nehmen, indem sie als Schöpfung des menschlichen Selbstbewusstseins<br />

behandelt wird. Um die transzendenten Objekte <strong>der</strong> Religion zu zerstören,<br />

zerstört Bauer die Objektivität überhaupt.<br />

Dass bei Hegel <strong>der</strong> subjektive Geist vom objektiven Geist abhängig ist<br />

und <strong>der</strong> objektive Geist die jeweils bestehende substantielle – beschränkte<br />

und damit wi<strong>der</strong>sprüchliche – Gestalt aufhebt zugunsten einer neuen höheren<br />

Gestalt und die <strong>Philosophie</strong> jeweils <strong>der</strong>en adäquater Ausdruck ist,<br />

verwandelt Bauer mit dem Fallenlassen <strong>der</strong> Objektivität und ihrem<br />

Verschwindenlassen in die Identität des Selbstbewusstseins dahin, dass<br />

<strong>der</strong> subjektive Geist und die <strong>Philosophie</strong> selbst die bestimmten Gestalten –<br />

mittels <strong>der</strong> Kritik – angreifen und negieren und so den Fortschritt bewerkstelligen.<br />

Indem Bauer den Prozess <strong>der</strong> Geschichte von <strong>der</strong> dialektischen Entwicklung<br />

des Selbstbewusstseins und diese wie<strong>der</strong>um von <strong>der</strong> philosophischen<br />

Theorie – etwa <strong>der</strong> aufklärerischen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hegelschen und <strong>der</strong> kritischen<br />

– bestimmt sein lässt, spricht er <strong>der</strong> hervorragenden Persönlichkeit<br />

in <strong>der</strong> weltgeschichtlichen Praxis die entscheidende emanzipierende Holle<br />

zu. Hegel dagegen trennt das denkende und handelnde Individuum nicht<br />

in dieser Weise von den – aus dem absoluten Geist stammenden – substantiellen,<br />

objektiven Verhältnissen.<br />

Mit <strong>der</strong> Abwendung von <strong>der</strong> Masse vollzieht Bauer die Absage an die<br />

sich auf die Masse stützenden und sich damit in seinen Augen diskreditierenden<br />

Lehren und Parteiungen des Liberalismus, radikalen Demokratismus,<br />

Sozialismus und Kommunismus, in Vergleich zu denen Bauers kriti-


233<br />

sche prinzipienlose Position als anarchistisch erscheinen muss sowie als<br />

prototypisch <strong>für</strong> die geistesaristokratischen sich bescheidenden, zugleich<br />

vor je<strong>der</strong> Verdinglichung sichernden Rückzugsbewegungen in die Innerlichkeit,<br />

aber auch zugleich als Repristination des antiken skeptischen<br />

Bewusstseins, wie es Hegel analysiert: „... negatives Verhalten, ja tätige<br />

Negation gegen alles Prinzip“, das im Unglück <strong>der</strong> bestehenden Herrschaft<br />

„in seinem Innern auf abstrakte Weise die Befriedigung (hat) suchen müssen,<br />

die die Wirklichkeit ihm nicht gab“.<br />

Dass die Kritik nicht mehr mit dem Bestehenden verwickelt werden will,<br />

ist nicht gleichbedeutend mit ihrem gänzlichen Verzicht auf praktische<br />

Verän<strong>der</strong>ung und mit ihrer Erhebung zum Selbstzweck, son<strong>der</strong>n sie überlässt<br />

die von <strong>der</strong> Kritik vorzubereitende praktische Verän<strong>der</strong>ung „<strong>der</strong> Geschichte“<br />

und ihrer Krisis. Der Geschichte die praktischen Konsequenzen<br />

<strong>der</strong> Kritik zu überlassen und die kritische Position <strong>der</strong> Überparteilichkeit,<br />

Neutralität und Objektivität einzunehmen, ist gleichbedeutend mit praktischer<br />

Hinnahme des Bestehenden. Die äußerste theoretische Opposition<br />

wird zur äußersten praktischen Position; die Resistenz gegen die Realität<br />

wird zur Kapitulation.<br />

Die positive Kehrseite <strong>der</strong> äußersten abstrakten theoretischen Opposition<br />

und des absoluten Sichverweigerns <strong>der</strong> Kritik ist, dass das einheitliche<br />

Ziel <strong>der</strong> Kritik –sowohl <strong>der</strong> theologischen als auch <strong>der</strong> politischen – in allen<br />

Phasen ihrer Entwicklung bleibt, die Universalität <strong>der</strong> menschlichen Vernunft<br />

gegenüber je<strong>der</strong> Partikularität und Fixiertheit zu erreichen, in dieser<br />

Weise die menschliche Vernunft von <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit zu befreien<br />

und schließlich die Vereinzelung <strong>der</strong> Menschen aufzuheben. Von hier aus<br />

– eine Konsequenz <strong>der</strong> Hegelschen Erkenntnis, dass die Wahrheit das<br />

Ganze ist – ist auch zu verstehen, weshalb Bauer sich unter zunehmenden<br />

politischen Druck immer weiter von dem Engagement <strong>der</strong> eingreifenden<br />

Praxis entfernt: die kritische Theorie gewährt eher den Anschein dieser negativen<br />

Freiheit von Beschränkungen und Voraussetzungen; Gegensätze,<br />

die sich praktisch ausschließen, lassen sich theoretisch ausgleichen.<br />

Indem Bauer mit Hilfe seiner Kritik die Destruktion je<strong>der</strong> fixen Partikularität<br />

<strong>der</strong> geschichtlichen Entwicklung des Selbstbewusstseins anstrebt,<br />

geht es ihm zugleich um die fortschreitende Entfaltung <strong>der</strong> menschlichen<br />

Möglichkeiten in ihrer Totalität. In Übereinstimmung mit <strong>der</strong> Hegelschen –


234<br />

von Her<strong>der</strong> ausgehenden – Erkenntnis betont Bauer: „Der Mensch ist als<br />

Mensch kein Naturprodukt, son<strong>der</strong>n das Werk seiner eigenen Freiheit.<br />

Menschen werden nicht geboren, son<strong>der</strong>n gebildet.“ Kritik und Selbstverwirklichung<br />

des Menschen gehören also zusammen. Dies ist in formaler<br />

Hinsicht die gemeinsame Auffassung aller Junghegelianer. Insofern weiter<br />

die durch Kritik voran getriebene Selbstverwirklichung als Entwicklung<br />

des Ganzen die Wahrheit ist, lassen sich Kritik, Selbstverwirklichung und<br />

Wahrheit zusammenfassen und kann Bauer sagen: „... die Wahrheit ist<br />

nicht, sie wird nur, sie ist also nur in <strong>der</strong> Geschichte und durch die Geschichte,<br />

in <strong>der</strong> Kritik und durch die Kritik.“<br />

Der extremen Abstraktion des Allgemeinen in <strong>der</strong> kritischen Theorie<br />

Bauers setzt Max Stirner die extreme Abstraktion des Einzelnen entgegen.<br />

Um die wirkliche Vereinzelung und den Egoismus zu überwinden, verzichtet<br />

Bauer asketisch auf die individuelle Freiheit und das Glück des einzelnen<br />

zugunsten des Allgemein-Vernünftigen; um die individuelle Freiheit<br />

und das Glück des einzelnen zu erreichen, verwirft Stirner hedonistisch<br />

das Allgemein-Vernünftige zugunsten <strong>der</strong> wirklichen Vereinzelung und des<br />

Egoismus. We<strong>der</strong> Bauer noch Stirner gewinnt eine Konzeption eines allgemein<br />

vernünftigen objektiven Glücks und einer verbindlichen Freiheit.<br />

Während Bauer die Partikularität mittels <strong>der</strong> permanenten „reinen Kritik“<br />

in die Universalität des Humanismus aufheben will, spitzt Stirner – in<br />

dem Bestreben radikaler Destruktion <strong>der</strong> Substantialität o<strong>der</strong> Objektivität<br />

– die Partikularität zur Singularität des Ichs zu. Gemessen am einzelnen<br />

leibhaftigen vergänglichen Individuum gelten Stirner die menschliche Gesellschaft<br />

und das allgemeine Selbstbewusstsein in Bauers Kritik sowie<br />

<strong>der</strong> Staat und das Recht in <strong>der</strong> Lehre des politischen Liberalismus und die<br />

sozialistische Gesellschaft in <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> utopischen Kommunisten –<br />

ebenso wie Hegels Weltgeist und Feuerbachs Gattungswesen – als Scheinexistenz,<br />

als illusionärer „Geist“ und fiktive „Idee“, als „Fremdes“, „Heiliges“,<br />

„Gespenst“ und Residuum des religiösen Glaubens an das Jenseits.<br />

Während Bauers Kritik auf <strong>der</strong> Ebene des Gedankens bleibt, ist das „Ich“<br />

nach Stirners Anspruch kein Gedanke. Das „Ich“ ist als das Einmalige,<br />

Einzige, „solus ipse“, das Unausdrückbare, „ineffabile“ (und im Verhältnis<br />

zum allgemeinen Wesen des Menschen <strong>der</strong> „Unmensch“), das sich in<br />

Wahrheit nicht durch philosophische Theorie näher entwickeln und<br />

bestimmen lässt, son<strong>der</strong>n nur tautologische Urteile zulässt. Das Indivi-


235<br />

duum ist gegenüber je<strong>der</strong> Prädizierung inkommensurabel und liegt je<strong>der</strong><br />

gedanklichen Konstruktion voraus; es ist in diesem Sinne alogisch, irrational.<br />

In dem Bestreben, das überpersönliche Denken, das Denken als „eigene<br />

handelnde Persönlichkeit“ – beson<strong>der</strong>s die Selbstbewegung des absoluten<br />

Geistes in <strong>der</strong> Hegelschen Spekulation – zu negieren, macht Stirner das<br />

einzelne unvermittelte scheinbar autarke Ich – abgetrennt von Geschichte<br />

und Gesellschaft – zum Herren, Schöpfer und „Eigentümer“ des Denkens,<br />

so dass dieses im Ich seine einzige Voraussetzung hat, nur dessen selbst<br />

gestellte „private“ Aufgaben betrifft und zu dessen „Selbstgenuss“ und<br />

Machtausübung dient. Das Denken wird bei Stirner zu einer Funktion und<br />

einem Instrument <strong>der</strong> Willkür des individuellen Willens. Mit diesem Voluntarismus<br />

wird Hegels dialektische Verknüpfung von Geist und Willen – die<br />

Bestimmung des Willen als die Entäußerung des Geistes – aufgelöst, d. h.<br />

die Grundlage <strong>der</strong> Hegelschen Konzeption <strong>der</strong> Einheit von Theorie und<br />

Praxis, von Innen und Außen, zerstört, und damit zugleich <strong>der</strong> Geschichte<br />

die Vernünftigkeit aberkannt. Infolgedessen können die individuellen Willenshandlungen<br />

nicht mehr so verstanden werden, dass sie die Freiheit<br />

des subjektiven, objektiven und absoluten Geistes verwirklichen.<br />

Dieser irrationale Voluntarismus scheidet also das Dass vom Was, negiert<br />

jede allgemeine objektive Vernünftigkeit und Gesetzlichkeit, verabsolutiert<br />

das Individuelle, Faktische und muss somit zur Konsequenz haben,<br />

dass <strong>der</strong> einzelne Mensch – theoretisch desorientiert – auf Grund einer „absoluten“<br />

unbegründbaren bodenlosen Entscheidung handelt. Dagegen wies<br />

Hegel gerade auf, dass kein Individuum isoliert <strong>für</strong> sich existiert, das nicht<br />

vom Allgemeinen durchdrungen wäre. Damit kehrt sich Stirner – im Gegensatz<br />

zu den an<strong>der</strong>en Junghegelianern – gänzlich von Hegels Erkenntnis<br />

ab, dass das Individuum sich nicht verwirklichen kann, wenn es die objektive<br />

Stufe <strong>der</strong> geschichtlichen und gesellschaftlichen Notwendigkeiten zu<br />

überspringen sucht, dass die Willkür, die auf einen zufälligen Inhalt gerichtet<br />

ist, nur die abstrakte, inhaltslose Freiheit ist und dass die konkrete<br />

Freiheit in einem praktischen und theoretischen Vermittlungs- und Bildungsprozess<br />

errungen werden muss.<br />

In Stirners Gleichsetzung von Dasein und Wesen dokumentiert sich am<br />

deutlichsten die Auflösung des Hegelianismus und <strong>der</strong> aus seinem Geiste


236<br />

geborenen Kritik; denn alle Dialektik und subjektive sowie objektive Kritik<br />

(ebenso wie alle Hoffnung und bestimmte For<strong>der</strong>ung) basiert auf <strong>der</strong> Entzweiung,<br />

d. h. auf <strong>der</strong> Differenz zwischen Rationalem und Realem, zwischen<br />

Wesen und Erscheinung, Begriff und Existenz, Möglichem und<br />

Wirklichem. Ausdrücklich verwirft Stirner den Begriff <strong>der</strong> realen Möglichkeit.<br />

Für ihn ist also Möglichkeit nur im Kantischen Sinne das wi<strong>der</strong>spruchsfreie<br />

Denkbare; und er würde in <strong>der</strong> Kontroverse des Aristoteles<br />

mit den Megarikern in dieser Frage <strong>der</strong> realen o<strong>der</strong> formalen Möglichkeit<br />

auf <strong>der</strong>en Seite stehen.<br />

In Stirners Konzeption ist die Revolte des neinsagenden unbotmäßigen<br />

Individuums keine politische o<strong>der</strong> soziale Insurrektion, son<strong>der</strong>n ein antikonventioneller<br />

Protest als eine Aktion <strong>der</strong> Selbstbefreiung, die we<strong>der</strong> göttliche<br />

Gnade noch menschliche Teilnahme erhofft. Ausdrücklich unterscheidet<br />

sie Stirner von <strong>der</strong> Revolution unter dem Aspekt, dass die Revolution<br />

nur den Bürger, nicht aber das Individuum befreie und dass die Revolte<br />

keine neuen Einrichtungen an Stelle <strong>der</strong> bekämpften bestehenden<br />

setzen wolle. Stirner will sich überhaupt keiner politisch-sozialen Organisation<br />

anschließen und an keine vorliegende Voraussetzungen anknüpfen,<br />

also keine auch nur partielle Identifikation mit den bestehenden Verhältnissen<br />

eingehen, d. h. keine vermittelnden Kompromisse schließen, son<strong>der</strong>n<br />

alternativ „alles o<strong>der</strong> nichts“. Dieser unpolitische antiinstitutionelle<br />

kompromisslos destruktive Anarchismus Stirners ist somit zu unterscheiden<br />

vom Typ des kollektiv-sozietären Anarchismus vor allem Proudhons,<br />

Bakunins, Kropotkins und an<strong>der</strong>er, <strong>der</strong>en Anhänger als libertäre Sozialisten<br />

auftreten gegen die autoritären und doktrinären Staatssozialisten.<br />

Während <strong>für</strong> Hegel <strong>der</strong> Egoismus <strong>der</strong> konkurrierenden Privatinteressen<br />

nur die bürgerliche Gesellschaft, das „System <strong>der</strong> Bedürfnisse“ bestimmt,<br />

im Staat aber mit den Allgemeininteressen versöhnt wird, gewinnt <strong>für</strong><br />

Stirner <strong>der</strong> Egoismus – in Gestalt <strong>der</strong> individuellen Revolte – als scheinbar<br />

natürliche Konstante des Menschen universale Bedeutung. Stirner selbst<br />

will nicht wahrhaben, dass er nur die von Hegel analysierten geschichtlich<br />

gewordenen schon vorhandenen Triebfe<strong>der</strong>n <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft<br />

verabsolutiert. Vergleichbar mit de Sade entwürdigt Stirner das<br />

Subjekt zum Objekt, das Fürsichsein zum Ansichsein, zum Abhängigen<br />

und Vorhandenen, das verfügbar ist, und sanktioniert dieses Verhältnis,


237<br />

soweit es als solches schon besteht. Er betrachtet das passive behandelte<br />

Du nicht auch als zugleich aktives handelndes Ich, das unantastbares<br />

Zentrum <strong>der</strong> Selbsttätigkeit und Selbständigkeit bleibt, womit er die Ausgangssituation<br />

<strong>der</strong> Hegelschen Herr-Knecht-Analyse wie<strong>der</strong>holt, fixiert und<br />

unentfaltet lässt, d. h. ignoriert, dass <strong>der</strong> Herrschende selbst unfrei ist<br />

und erst frei wird in <strong>der</strong> Solidarität <strong>der</strong> Freien. Das als sachfrei und unvermittelt<br />

konzipierte Verhältnis von Ich zu Ich enthüllt sich als verdinglicht:<br />

alle Tätigkeiten des Ich sind <strong>für</strong> Stirner verobjektivierende Akte. In<br />

Stirners Konzeption triumphiert die Kategorie des Habens über die Kategorie<br />

des Seins, die Habsucht über die „Seinssucht“, die Sachenwelt über die<br />

Menschenwelt. Gerade <strong>der</strong> radikale Subjektivismus, <strong>der</strong> die objektiven Inhalte<br />

zu überspringen und die Subjekt-Objekt-Spannung sowie die Differenz<br />

von Begriff und Realität zu negieren sucht, mündet in eine Verobjektivierung<br />

<strong>der</strong> Subjekte. Mit <strong>der</strong> bewusst angestrebten Verdinglichung<br />

menschlicher Beziehungen verkehrt Stirner die Intentionen des Idealismus<br />

und will ihre „kopernikanische Wendet“ in ethischer Hinsicht, nämlich<br />

dass <strong>der</strong> Mensch kein Objekt <strong>der</strong> Willkür werden darf, rückgängig machen.<br />

Das führt dazu, dass Stirner, um die idealistische als theologisch fundiert<br />

gedeutete Ethik überwinden zu können, im Grunde die Ethik überhaupt<br />

preisgibt: er findet keinen Ausweg aus den beiden Extremen <strong>der</strong> unterwürfigen<br />

Anpassung einerseits und des nihilistischen „Alles ist erlaubt“ an<strong>der</strong>erseits.<br />

Die Hauptsache <strong>der</strong> Emanzipation ist <strong>für</strong> Stirner eine Bewusstseinsleistung.<br />

Daraus ist ersichtlich, weshalb Marx und Engels ihn in <strong>der</strong> „Deutschen<br />

Ideologie“ vor allem unter dem Gesichtspunkt angreifen können, er<br />

halte wirkliche – z. B. staatliche und soziale – entfremdete Verhältnisse<br />

dadurch <strong>für</strong> auflösbar, dass man sie sich aus dem Kopf schlage, eine Illusion,<br />

<strong>der</strong> vorausgehe die Verwandlung <strong>der</strong> wirklichen Verhältnisse in gedankliche<br />

Verhältnisse, d. h. die Idealisierung <strong>der</strong> realen Verhältnisse und<br />

ihre Verflüchtigung zu Scheinexistenzen. Auch Heß wirft Stirner die Verwechslung<br />

wirklicher Verhältnisse mit Abstraktionen vor, als <strong>der</strong>en Konsequenz<br />

Stirner schließlich „mit <strong>der</strong> transzendenten Humanität auch alle<br />

wirkliche Humanität“ zugunsten des praktischen Egoismus verwerfe.<br />

Während Feuerbach in den praktischen Beziehungen <strong>der</strong> Menschen<br />

untereinan<strong>der</strong> dem Egoismus eine partielle Berechtigung zuerkennt, näm-


238<br />

lich in Gestalt vernünftiger Selbstbehauptung, diskreditiert er ihn gänzlich<br />

in dem praktischen Verhalten zur Natur: die praktische Aneignung <strong>der</strong> Natur<br />

gilt Feuerbach als eigennützig und utilitaristisch und deshalb – im Gegensatz<br />

zum theoretischen Verhalten – nicht als wahre Beziehung zur Natur.<br />

So ist <strong>für</strong> Feuerbach die praktische Naturaneignung die Position <strong>der</strong><br />

Entfremdung, dagegen <strong>der</strong> Standpunkt <strong>der</strong> Theorie „<strong>der</strong> Standpunkt <strong>der</strong><br />

Harmonie mit <strong>der</strong> Welt.“ Mit seiner Abwertung <strong>der</strong> praktischen relativen<br />

Negation <strong>der</strong> äußeren Natur gibt Feuerbach die Hegelsche Erkenntnis<br />

preis, dass die rein theoretische Einstellung (im Bereich <strong>der</strong> Endlichkeit)<br />

ebenso mangelhaft, einseitig und unfrei ist wie die ausschließlich praktische<br />

Einstellung. Feuerbach verkennt die Schwäche <strong>der</strong> Theorie, die darin<br />

besteht, dass sich in ihr das Subjekt passiv verhält, sich – unter Ausschaltung<br />

subjektiver Vorurteile – nach den objektiven Gegenständen richtet<br />

und diese als selbständig gewähren lässt, sich somit aber dem Vorhandenen<br />

unterwirft, das seinerseits vom Subjekt nicht bestimmt wird, sich<br />

selbständig erhält und <strong>der</strong> Selbstbestimmung des Subjekts entgegensteht.<br />

Wenn er es auch nicht selbst ausspricht, so lässt sich doch sagen: Feuerbach<br />

zielt mit seiner Theorie-Praxis-Konzeption auf eine (undialektische)<br />

Synthese von Griechentum und Christentum ab. Die wahre Theorie sieht<br />

Feuerbach repräsentiert in <strong>der</strong> Naturanschauung <strong>der</strong> griechischen <strong>Philosophie</strong><br />

und die wahre Praxis – allerdings in entfremdeter Gestalt – in <strong>der</strong><br />

Liebe <strong>der</strong> christlichen Religion. Weiter erblickt er in <strong>der</strong> griechischen Theorie<br />

und in <strong>der</strong> christlichen auf ihre anthropologische Grundlage zurück<br />

geführten Liebe die Verwirklichung <strong>der</strong> Freiheit. In dieser Weise werden<br />

<strong>der</strong> Anthropologismus und Humanismus das Vereinigende von wahrer<br />

Theorie und Praxis: nicht die absolute Subjekt-Objekt-Identität, son<strong>der</strong>n<br />

die „Einheit des Menschen mit dem Menschen“ ist <strong>für</strong> Feuerbach als<br />

Selbstzweck „das höchste und letzte Prinzip <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“, worin Theorie<br />

und Praxis, „ratio“ und „emotio“, Kopf und Herz, wurzeln. In Feuerbachs<br />

Gründung <strong>der</strong> Theorie und Praxis auf die menschliche Gattung wird<br />

noch eine Seite <strong>der</strong> Hegelschen Einsicht bewahrt, dass Erkennen und<br />

Handeln nicht nur Tätigkeiten eines einzelnen isoliert genommenen Subjekts<br />

sind.<br />

Das Bestreben, die Selbstbegründung und Selbstgenügsamkeit des in<br />

sich kreisenden monologisierenden – das Sein nur als Gedanke des Seins


239<br />

in sich selbst als das an<strong>der</strong>e seiner selbst entgegensetzenden sich selbst<br />

überbietenden – Denkens <strong>der</strong> Identitätsphilosophie zu unterbrechen und<br />

das Denken an das sinnliche selbständige Sein als Maßstab zu binden,<br />

führt Feuerbach in die Nähe eines Nominalismus und zu dem extremen<br />

Sensualismus, die Diskontinuität, die qualitative Differenz, von sinnlicher<br />

Wahrnehmung und übersinnlichem Denken zugunsten ihrer Kontinuität<br />

undialektisch zu verwerfen. In Folge <strong>der</strong> Identifizierung von Wesen und<br />

Erscheinung kommt Feuerbach mit Stirner darin überein, dass er keinen<br />

Kritik-Begriff <strong>der</strong> Gesellschaft, <strong>der</strong> Politik und <strong>der</strong> Geschichte aus <strong>der</strong> Hegelschen<br />

<strong>Philosophie</strong> gewinnen kann, da die Kritik auf <strong>der</strong> Entzweiung von<br />

Wesen und Erscheinung, <strong>der</strong> Differenz zwischen Möglichem und Wirklichem,<br />

Rationalem und Realem basieren müsste. Zusammen gehören somit<br />

bei Feuerbach das Fehlen dieses Begriffes <strong>der</strong> Kritik und die Ungeschichtlichkeit<br />

<strong>der</strong> sensualistischen Anthropologie, <strong>der</strong>gemäß das Wesen des<br />

Menschen – im Gegensatz zur geschichtlich orientierten Anthropologie sowohl<br />

Her<strong>der</strong>s als auch Hegels – einfach vorgegeben, unmittelbar fertig und<br />

festgestellt ist. Feuerbach löst wie<strong>der</strong> die Hegelsche Verknüpfung <strong>der</strong> Erkenntnis<br />

<strong>der</strong> Wahrheit mit <strong>der</strong> praktischen Verwirklichung <strong>der</strong> Wahrheit in<br />

<strong>der</strong> geschichtlich-politischen Freiheit.<br />

Die Entfremdung ist zwar <strong>für</strong> Feuerbach als wesentlich religiöse primär<br />

eine theoretische, d. h. ein inneres Verhältnis, und kann infolgedessen<br />

durch bewusstseinsmäßige Kritik zurück genommen werden, aber nach<br />

<strong>der</strong> Marxschen Kritik hieran in <strong>der</strong> „Deutschen Ideologie“ bleibt allzu oft<br />

unberücksichtigt, dass <strong>für</strong> Feuerbach die Entfremdung vollständig erst<br />

insofern überwunden ist, als zur geistig-kritischen aufklärerischen Reduktion<br />

die Praxis <strong>der</strong> Liebe hinzu kommt, und zwar sowohl als Empfindung<br />

wie auch als verän<strong>der</strong>tes Verhalten <strong>der</strong> Menschen zueinan<strong>der</strong>. Die Religionskritik<br />

ist also <strong>für</strong> Feuerbach zwar <strong>der</strong> entscheidende Hebel, aber sie<br />

soll nicht nur dazu führen, dass eine Bewusstseinseinstellung durch eine<br />

an<strong>der</strong>e Bewusstseinseinstellung ersetzt wird, son<strong>der</strong>n dass eine praktische<br />

Versöhnung <strong>der</strong> Gegensätze erreicht wird, wie sie ebenfalls <strong>der</strong> junge Hegel<br />

in seiner Frankfurter Periode (an den Feuerbach nicht anknüpfen konnte)<br />

von <strong>der</strong> Liebe erwartet als lebendiger Subjektivität und Selbstbestimmung,<br />

die gegen die Hinnahme <strong>der</strong> toten Positivität des etablierten Faktums und<br />

des affirmierten Fatums opponiert. Insofern Hegels Begriff <strong>der</strong> Liebe und<br />

des „Lebens“ als „Vereinheitlichung“ <strong>der</strong> Entgegensetzung von Subjekt und


240<br />

Objekt, Einzelnem und Allgemeinem, die Keimform seiner reifen Konzeption<br />

<strong>der</strong> konkreten Sittlichkeit ist und mit Feuerbachs Entwurf <strong>der</strong> Liebe<br />

vergleichbar ist, bestätigt sich noch einmal, dass Feuerbach eine Seite <strong>der</strong><br />

Hegelschen Einsicht von dem Charakter <strong>der</strong> Gemeinschaftlichkeit <strong>der</strong><br />

praktischen (und theoretischen) Tätigkeit bewahrt.<br />

Zur Frage, ob Feuerbachs Kritik vom Standpunkt seines Anthropologismus<br />

dialektischen o<strong>der</strong> undialektischen Charakter hat, d. h. ob Feuerbachs<br />

Kritik in einem dialektischen o<strong>der</strong> antithetischen o<strong>der</strong> noch an<strong>der</strong>s<br />

gearteten Verhältnis zur Religion, Theologie und spekulativen <strong>Philosophie</strong><br />

steht, ergibt sich, dass Feuerbachs Kritik in keinem Fall als dialektische<br />

Aufhebung zu interpretieren ist. Allerdings ist zu unterscheiden zwischen<br />

Feuerbachs „Negation“ <strong>der</strong> Religion auf <strong>der</strong> einen Seite und <strong>der</strong> „Negation“<br />

<strong>der</strong> Theologie auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Dass Feuerbach die religiöse Entfremdung<br />

im Gegensatz zur theologischen Entfremdung nicht im Sinne<br />

einer Destruktion zurück genommen wissen will, son<strong>der</strong>n ihre Grundlage<br />

bewahren möchte, heißt nicht, dass er eine dialektische Beziehung zur Religion<br />

im Sinn hat. Feuerbachs we<strong>der</strong> dialektisch aufhebendes noch antithetisch<br />

verneinendes Verhalten zur Religion kann man – mit ihm selbst –<br />

als „kritische“ Einstellung zur Religion abgrenzen. Feuerbach steht aber<br />

als Kritiker nicht mehr selbst auf dem Boden eines kritischen Prozesses, d.<br />

h. Feuerbachs Kritik ist kein Prinzip <strong>der</strong> Wirklichkeit mehr, son<strong>der</strong>n hat<br />

nur noch eine methodologische Funktion; denn die Basis <strong>der</strong> Feuerbachschen<br />

Kritik, die menschliche Gattung, erfährt – im Gegensatz zu Strauß’<br />

Konzeption – keine stufenweise Entwicklung in <strong>der</strong> Geschichte.<br />

Das Fehlen eines exakten Begriffes <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> Politik und Gesellschaft<br />

kann Feuerbach nicht adäquat ersetzen durch seine Vorstellung<br />

eines in <strong>der</strong> Religion antizipierten auf <strong>der</strong> Gleichheit aller Menschen gegründeten<br />

Gemeinwesens. Was die Junghegelianer (im engeren Sinne) von<br />

<strong>der</strong> Kritik annehmen, denkt aber auch Feuerbach von <strong>der</strong> politischen Theorie,<br />

nämlich dass die praktische Neugestaltung zwangsläufig auf die wahre<br />

Einsicht folgen müsse und die Tatlosigkeit wesentlich in <strong>der</strong> Ratlosigkeit<br />

wurzele.<br />

Marx ist von Anfang an bestrebt, Hegels unter an<strong>der</strong>em in <strong>der</strong> Vorrede<br />

zur „Rechtsphilosophie“ ausgesprochene Ablehnung des leeren Sollens<br />

und des utopischen „Aufstellens eines Jenseitigen“ beizubehalten und eine


241<br />

dualistisch-abstrakte Entgegensetzung von Theorie und Praxis zu vermeiden.<br />

Das Sollen ist <strong>für</strong> Marx wie <strong>für</strong> Hegel ein Resultat <strong>der</strong> Entwicklung<br />

des Wirklichen. Mit <strong>der</strong> Abkehr von <strong>der</strong> Hegelschen Konzeption <strong>der</strong> absoluten<br />

Subjekt-Objekt-Einheit verliert Marx aber die Möglichkeit <strong>der</strong> Rücknahme<br />

<strong>der</strong> Entäußerungen des absoluten schöpferischen Subjekts auf<br />

dem Wege <strong>der</strong> spekulativen Theorie.<br />

Die in Marx’ Dissertation mit dem Geschichtsprozess verbundene subjektive<br />

Kritik, die als solche Sache des Bewusstseins bleibt, kann als wirksam<br />

nur insofern gedacht werden, als <strong>der</strong> Geschichtsprozess in objektiv<br />

idealistischer Weise als wesentlich geistiger Prozess gefasst wird. Marx’ in<br />

<strong>der</strong> Dissertation entwickelte Auffassung von <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> theoretischen<br />

Kritik stimmt mit <strong>der</strong> kritischen <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Junghegelianer unter an<strong>der</strong>em<br />

auch in <strong>der</strong> Strukturierung <strong>der</strong> Kritik überein, nämlich in <strong>der</strong> vermittelnden<br />

Zuordnung <strong>der</strong> spannungsvollen Zweiheit von Vernunft und<br />

Realität, Begriff und Existenz, Möglichkeit und Wirklichkeit, sowie in <strong>der</strong><br />

hiermit implizierten Ablehnung, Theorie und Praxis wie Aristoteles als ein<br />

Verhältnis zweier wesentlich verschiedener Prinzipien zu fassen. Marx unterscheidet<br />

sich aber von <strong>der</strong> kritischen <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Junghegelianer<br />

schon in seiner Dissertation dadurch, dass er – als Resultat <strong>der</strong> Kritik –<br />

die Verwirklichung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und ihre Versöhnung mit den Erscheinungen<br />

<strong>der</strong> Welt in <strong>der</strong> Weise <strong>der</strong> Aufhebung <strong>der</strong> <strong>für</strong> sich bestehenden <strong>Philosophie</strong><br />

erwartet.<br />

Mit seinem Begriff <strong>der</strong> Kritik sucht Marx zu bewahren, was Hegel mit<br />

philosophischer Kritik verbindet, nämlich die Notwendigkeit des Eingehens<br />

auf die Sache selbst, auf den inneren Gehalt und die Bewegung des Gegenstands.<br />

Im Gegensatz zu Hegel aber verbindet Marx mit seiner Kritik<br />

zugleich Polemik und Parteilichkeit, was eine Konsequenz davon ist, dass<br />

<strong>der</strong> Anspruch auf das spekulative Erfassen des versöhnenden Ganzen fallen<br />

gelassen und nur die objektive Vernunft <strong>der</strong> Entwicklung in Gegensätzen<br />

fest gehalten worden ist. Das kritische Aufeinan<strong>der</strong>beziehen von Vernunft<br />

und Wirklichkeit ist <strong>der</strong> „Puls“ in Marx’ ersten Untersuchungen.<br />

(Unkritisch und positivistisch, d. h. stecken geblieben in gegebenen Tatsachen<br />

als maßgeben<strong>der</strong> Instanz, muss nach Marx’ Urteil unter an<strong>der</strong>em das<br />

Verfahren <strong>der</strong> historischen Rechtsschule sein.) In <strong>der</strong> Konsequenz seines<br />

Ausspielens des Phänomenologischen gegen das Logische for<strong>der</strong>t Marx


242<br />

und ist er bestrebt, das Denken aus dem Gegenstand zu entwickeln, in<br />

dieser Weise kritisch bestehende Wi<strong>der</strong>sprüche in Gesellschaft und Staat<br />

aufzudecken und ihre eigentümliche Genesis zu erklären. In dem Maße<br />

aber, in dem Marx seine charakteristische dialektische und materialistische<br />

Konzeption entwickelt, wird <strong>für</strong> ihn nicht das kritische Aufdecken <strong>der</strong><br />

Perspektiven – das Erheben <strong>der</strong> objektiven Möglichkeiten ins Bewusstsein<br />

– <strong>der</strong> Angelpunkt, son<strong>der</strong>n ihre praktisch-sinnliche Realisierung.<br />

Als vermittelndes Band zwischen <strong>Philosophie</strong> und Welt, Vernunft und<br />

Realität, fungieren in Marx’ Konzeption <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> Theorie<br />

durch ihre Aufhebung die Bedürfnisse und Interessen. Durch den Rekurs<br />

auf diese sucht Marx die Loslösung des kritischen Gedankens von <strong>der</strong> gesellschaftlich-geschichtlichen<br />

Wirklichkeit zu vermeiden und sowohl dem<br />

Voluntarismus als auch dem Determinismus in <strong>der</strong> Geschichtsauffassung<br />

zu entgehen. Praxis und Theorie sind <strong>für</strong> Marx durch die Bedürfnisse und<br />

Interessen dadurch vermittelt, dass die Theorie an sie anknüpft und <strong>der</strong>en<br />

immanente Dialektik bewusst macht. Insofern Marx die Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> Gedanken von <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> Bedürfnisse abhängig macht,<br />

steht er ebenso in Gegensatz zu Aristoteles, <strong>für</strong> den die Ziele <strong>der</strong> Praxis<br />

primär Bewusstseinsziele sind, wie zu Hegel, <strong>für</strong> den die natürlichen Bedürfnisse<br />

auch nicht ursprünglich sind, son<strong>der</strong>n Entäußerungen <strong>der</strong> Vernunft,<br />

„Beispiele vom Zweck“.<br />

Marx’ Umwandlung <strong>der</strong> scheinbaren Selbständigkeit in die wirkliche betrifft<br />

nicht nur die Bedürfnisse, son<strong>der</strong>n auch ihre Gegenstände: <strong>der</strong> Gegenstand<br />

wird zum unabhängigen selbständigen Gegenstand sinnlicher<br />

Bedürfnisse, <strong>der</strong> nicht durch geistige Tätigkeit zurück genommen, son<strong>der</strong>n<br />

nur durch praktische Tätigkeit gesellschaftlich angeeignet werden kann.<br />

Die Theorie ist <strong>für</strong> Marx durch Praxis, die <strong>Philosophie</strong> durch Nichtphilosophie<br />

vermittelt: die Theorie hat ihre Voraussetzungen o<strong>der</strong> ihr maßgebendes<br />

Substrat in <strong>der</strong> gesellschaftlich-geschichtlichen Wirklichkeit, nicht<br />

in philosophischen Prinzipien im traditionellen Sinn.<br />

Marx ist aber bestrebt, nicht nur die traditionelle philosophische<br />

Selbstbegründung hinter sich zu lassen, son<strong>der</strong>n sich an<strong>der</strong>erseits auch<br />

nicht auf die erfor<strong>der</strong>liche empirisch-wissenschaftliche Feststellung und<br />

Abspiegelung des Gegebenen zu beschränken. Kritische Theorie heißt<br />

vielmehr <strong>für</strong> Marx: eingehendes Analysieren <strong>der</strong> bestehenden sozial-


243<br />

ökonomischen Voraussetzungen unter dem Aspekt ihrer immanent möglichen<br />

praktisch-emanzipatorischen Verän<strong>der</strong>ung.<br />

Die Bestimmung <strong>der</strong> Entfremdung und die For<strong>der</strong>ung nach ihrer Aufhebung<br />

setzt <strong>für</strong> Marx keinen nicht-empirischen Maßstab voraus, son<strong>der</strong>n<br />

erfolgt auf Grund <strong>der</strong> Erfahrung des Zustandes <strong>der</strong> Entfremdung sowie<br />

des Bedürfnisses seiner Überwindung.<br />

Das Nichtanerkennen des Marxschen Bruches mit <strong>der</strong> philosophischen<br />

Tradition hat unmittelbar zur Folge, dass Marx’ Begriff <strong>der</strong> Entfremdung<br />

gedeutet wird als die Objektivierung und Verdinglichung <strong>der</strong> menschlichen<br />

Tätigkeit im Arbeitsprodukt überhaupt, nicht aber primär als die Herrschaft<br />

bestimmter Arbeitsprodukte über bestimmte Produzenten in spezifischen<br />

Arbeitsverhältnissen.<br />

Indem <strong>der</strong> Mensch die Natur bearbeitet und umformt und sich in <strong>der</strong><br />

Form des Gegenstandes objektiviert, d. h. den zunächst fremden Gegenstand<br />

<strong>der</strong> Natur subjektiviert, verwandelt er sich nach Marx’ Konzeption<br />

selbst und bringt nicht nur nützliche Waren, son<strong>der</strong>n sich selbst im Laufe<br />

<strong>der</strong> Geschichte hervor. Die Tätigkeit <strong>der</strong> Naturaneignung ist somit eine Negation<br />

<strong>der</strong> Unmittelbarkeit sowohl des Objekts wie des Subjekts.<br />

Marx verabsolutiert – nach <strong>der</strong> Preisgabe <strong>der</strong> absoluten Subjekt-Objekt-<br />

Einheit – die geschichtliche Entwicklung nicht nur <strong>der</strong> Erscheinungen,<br />

son<strong>der</strong>n auch des Wesens selbst, die zwar schon Hegel im Gegensatz zur<br />

traditionellen Wesensmetaphysik innerhalb des Kreises des Objektivierungsprozesses<br />

des absoluten Geistes konzipiert, aber gleichsam auf <strong>der</strong><br />

Spitze des Systems noch abbricht.<br />

Das menschliche Eingreifen in die Natur, durch das Mensch und Natur<br />

primär vereint sind, ist <strong>für</strong> Marx die vermittelnde Voraussetzung ihres Begreifens;<br />

alles Wissen von <strong>der</strong> Natur kann wesentlich erst durch die naturverän<strong>der</strong>nde<br />

Tätigkeit vermittelt werden.<br />

Eine gesellschaftlich-geschichtliche Seite <strong>der</strong> praktischen Naturaneignung,<br />

die Arbeitsteilung, betrachtet Marx als die Quelle <strong>der</strong> Trennung materieller<br />

und geistiger Arbeit und <strong>der</strong> Loslösung <strong>der</strong> Theorie von <strong>der</strong> Praxis.<br />

Auf Grund <strong>der</strong> Arbeitsteilung könne <strong>der</strong> Schein <strong>der</strong> Selbständigkeit <strong>der</strong><br />

Gedanken gegenüber dem empirischen Lebensprozess entstehen. Aristoteles<br />

und Hegel wissen die Theorie zwar auch <strong>der</strong> Trennung des Notwendi-


244<br />

gen und des Zweckfreien – dem „Bedürfnis <strong>der</strong> Bedürfnislosigkeit“ – entsprungen,<br />

leiten daraus aber nicht ihre Scheinhaftigkeit, son<strong>der</strong>n gerade<br />

ihre Dignität ab. Dem geistigen Bedürfnis und Glück des Erkennens wird<br />

von Marx eine nur relative Selbständigkeit und Selbstgenügsamkeit als<br />

vermittelnde Zwischenstufe <strong>der</strong> praktischen Tätigkeit zugestanden, die als<br />

Grundlage und Ziel <strong>der</strong> Erkenntnis bestimmt wird, und zwar in letzter Instanz<br />

in Gestalt <strong>der</strong> die sinnliche Wirklichkeit <strong>der</strong> Natur und Gesellschaft<br />

unmittelbar umgestaltenden Produktionstätigkeit.<br />

Wenn <strong>für</strong> Marx die Praxis weiter das Kriterium <strong>der</strong> Theorie ist, so bedeutet<br />

das nicht im Sinne des Pragmatismus, dass automatisch wahr und<br />

gerechtfertigt ist, was sich wirklich durchsetzt und praktisch herrscht; an<strong>der</strong>enfalls<br />

wäre <strong>für</strong> Marx die Theorie <strong>der</strong> Gesellschaft ausschließlich mechanistische<br />

Wi<strong>der</strong>spiegelung, nicht aber kritische Theorie, d. h. eine Theorie,<br />

die das Bestehende abzubilden sucht unter dem Aspekt <strong>der</strong> praktischen<br />

Verän<strong>der</strong>ung am Maßstab des Bedürfnisses <strong>der</strong> Aufhebung bestehen<strong>der</strong><br />

Entfremdungen.<br />

Indem Marx Hegels Konzeption <strong>der</strong> absoluten Subjekt-Objekt-Einheit<br />

und den idealistischen Objektivitätsbegriff preisgibt, anerkennt er an <strong>der</strong><br />

Praxis (die vor <strong>der</strong> endlichen Theorie den Vorrang <strong>der</strong> inhaltlichen Selbstbestimmung<br />

hat) nicht mehr wie Hegel als Mangel, dass sie die Unabhängigkeit<br />

<strong>der</strong> Objektivität nicht restlos überwindet und dass das Subjekt <strong>der</strong><br />

Praxis in <strong>der</strong> Beziehung auf das Objekt nicht in vollkommen freier Selbstbestimmung<br />

bei sich bleibt.


245<br />

A n m e r k u n g e n<br />

Die Schriften Hegels werden nach folgenden Ausgaben zitiert:<br />

Sämtliche Werke. Jubiläumsausgabe in zwanzig Bänden. Neu herausgegeben<br />

von H. Glockner, Stuttgart l927 ff. (abgekürzt als: Werke)<br />

Hegels theologische Jugendschriften. Herausgegeben von H. Nohl, Tübingen<br />

l907 (abgekürzt als: Nohl)<br />

Schriften zur Politik und Rechtsphilosophie. Herausgegeben von G. Lasson,<br />

2. Auflage, Leipzig l923 (abgekürzt als: Schriften zur Politik und<br />

Rechtsphilosophie)<br />

Politische Schriften. Nachwort von J. Habermas. Frankfurt am Main 1966<br />

(abgekürzt als: Politische Schriften)<br />

Jenenser Logik, Metaphysik und Naturphilosophie Hegels. Herausgegeben<br />

von G. Lasson, Leipzig 1923 (abgekürzt als: Jenenser Logik)<br />

Jenenser Realphilosophie. Band I und II. Herausgegeben von J. Hofmeister,<br />

Leipzig 1931/32 (abgekürzt als: Realphilosophie)<br />

Dokumente zu Hegels Entwicklung. Herausgegeben von J. Hoffmeister,<br />

Stuttgart 1936 (abgekürzt als: Dokumente)<br />

Phänomenologie des Geistes. Herausgegeben von J. Hoffmeister, Hamburg<br />

1952 (abgekürzt als: Phänomenologie)<br />

Enzyklopädie <strong>der</strong> philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Neu herausgegeben<br />

von F. Nicolin und O. Pöggeler, Hamburg 1958 (abgekürzt als:<br />

Enzyklopädie)<br />

Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte. Herausgegeben von J. Hoffmeister, Hamburg<br />

l955 (abgekürzt als: Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte)<br />

Wissenschaft <strong>der</strong> Logik. Herausgegeben von G. Lasson. Erster und zweiter<br />

Teil. Hamburg 1963 (abgekürzt als: Logik)<br />

Ästhetik. 2 Bände, Frankfurt am Main, o. J. (Lizensausgabe des Aufbauverlags<br />

Berlin und Weimar <strong>für</strong> die Europäische Verlagsanstalt). Nach <strong>der</strong><br />

zweiten Ausgabe von H. G. Hotho (1842), redigiert von F. Bassenge (abgekürzt<br />

als: Ästhetik)


246<br />

Briefe von und an Hegel. Herausgegeben von J. Hoffmeister und R. Flechzig,<br />

Band l-4, Hamburg 1952/l960 (abgekürzt als: Briefe)<br />

1a In <strong>der</strong> Monographie von M. Riedel: Theorie und Praxis im Denken Hegels,<br />

Stuttgart 1965, wird die Hegelsche Konzeption <strong>der</strong> Praxis im wesentlichen<br />

auf die Konzeption <strong>der</strong> Praxis als Begierde, d. h. als Naturaneignung,<br />

reduziert. Die Praxis wird dann ausgelegt als „Herstellung“ eines<br />

Werkes und als „Herrschaft“. Nicht heraus gearbeitet wird die charakteristische<br />

Hegelsche Auffassung von <strong>der</strong> Praxis als konkreter Sittlichkeit in<br />

<strong>der</strong> Sphäre des objektiven Geistes (und damit als politischem Handeln im<br />

durchaus nicht technisch-instrumental verfügenden Sinne). Deshalb bleibt<br />

auch <strong>der</strong> spezifische Zusammenhang unberücksichtigt, den Hegel zwischen<br />

<strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Naturaneignung und <strong>der</strong> gesellschaftlich-politischen<br />

Praxis aufdeckt. Indem Hegels Konzeption zu sehr <strong>der</strong> traditionellen <strong>Philosophie</strong><br />

angenähert und als ihre Vollendung aufgefasst wird, wird die eigentümlich<br />

dialektische Verknüpfung von Theorie und Praxis, ihre wechselseitige<br />

Durchdringung, nicht akzentuiert (sie werden weitgehend als parallel<br />

und „gleichursprünglich“ behandelt; vgl. auch Anmerkung 3); dementsprechend<br />

wird das Wesen von Theorie und Praxis zwar als Subjektivität, aber<br />

kaum als Negativität gekennzeichnet. – Der Komplexität des Theorie-<br />

Praxis-Verhältnisses nicht gerecht werden die Aufsätze von W. R. Beyer:<br />

Hegels Begriff <strong>der</strong> Praxis, in: Deutsche Zeitschrift <strong>für</strong> <strong>Philosophie</strong>, 6. Jahrgang<br />

(1958), Heft 5, und von R. Heiss: Das Verhältnis von Theorie und<br />

Praxis bei Hegel, in: Blätter <strong>für</strong> deutsche <strong>Philosophie</strong>, Bd. 9, Heft 1, Berlin<br />

1935, worin hauptsächlich nur die Vorrede zur Rechtsphilosophie mit einigen<br />

Stellen aus frühen Briefen Hegels konfrontiert wird, darunter diese<br />

Äußerung Hegels an Schelling im Jahre 1795, die auch von den Junghegelianern<br />

stammen könnte: „Mit <strong>der</strong> Verbreitung <strong>der</strong> Ideen, wie alles sein<br />

soll, wird die Indolenz <strong>der</strong> gesetzten Leute, ewig alles zu nehmen, wie es<br />

ist, verschwinden“.<br />

1 Vgl. Grundlinien <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> des Rechts, Werke, Bd. 7 (unten abgekürzt<br />

als: Rechtsphilosophie), § 4. Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 19, S. 528, 533. Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte,<br />

S. 55, 62, 83. Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Religion, Werke, Bd.<br />

15, S. 148.<br />

2 Philosophische Propädeutik, Werke, Bd. 3, I, Einleitung, 1 (unten abgekürzt<br />

als: Philosophische Propädeutik). Rechtsphilosophie, § 4, Zusatz.<br />

Enzyklopädie § 469. Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte, S. 83, 110 f.


247<br />

3 Vgl. Rechtsphilosophie, § 4, Zusatz: „Der Unterschied zwischen Denken<br />

und Willen ist nur <strong>der</strong> zwischen dem theoretischen und praktischen Verhalten,<br />

aber es sind nicht etwa zwei Vermögen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Wille ist eine<br />

beson<strong>der</strong>e Weise des Denkens: das Denken als sich übersetzend ins Dasein,<br />

als Trieb, sich Dasein zu geben.“ – Damit versucht Hegel, einerseits<br />

den rationalistischen Dualismus <strong>der</strong> Aufklärung und an<strong>der</strong>erseits die Subjekt-Objekt-Entzweiung<br />

im subjektiven Idealismus zu überwinden. – Man<br />

kann Hegels Konzeption <strong>der</strong> Subjekt-Objekt-Totalität „organisch“ nennen,<br />

wenn man sie abgrenzt von den spezifisch romantischen Organismusvorstellungen<br />

Karl Ludwig von Hallers, Adam Müllers, Friedrich Karl von Savignys<br />

und an<strong>der</strong>er. – Wie wenig M. Riedel Hegels neuartige eigentümlich<br />

dialektische Verbindung von Geist und Wille beachtet, zeigt sich daran,<br />

dass er die zitierte Äußerung <strong>der</strong> Rechtsphilosophie in eine kontinuierliche<br />

Linie bringt mit Leibnizens Bestimmung <strong>der</strong> „perceptio“ und des „appetitus“<br />

<strong>der</strong> Monade (a. a. 0., S. 142 f., 164 f.), während Hegel dagegen selbst<br />

bemängelt, dass Leibniz <strong>der</strong>en Einheit nur von außen vermittels <strong>der</strong> göttlichen<br />

prästabilierten Harmonie fasst; Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 19, S. 471 f.<br />

4 Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte, S. 81<br />

5 Rechtsphilosophie, § 4, Zusatz<br />

6 Ebenda. – Dementsprechend ist Praxis keine einfache Anwendung <strong>der</strong><br />

Theorie; vgl. auch Heidegger, Sein und Zeit, 8. Aufl., Tübingen 1957, S. 69:<br />

„Das ,praktische’ Verhalten ist nicht ,atheoretisch’ im Sinne <strong>der</strong> Sichtlosigkeit,<br />

und sein Unterschied gegen das theoretische Verhalten liegt nicht<br />

nur darin, dass hier betrachtet und dort gehandelt wird, und dass das<br />

Handeln, um nicht blind zu bleiben, theoretisches Erkennen anwendet,<br />

son<strong>der</strong>n das Betrachten ist so ursprünglich ein Besorgen, wie das Handeln<br />

seine Sicht hat.“ (Hierbei geht Heideggers Begriff <strong>der</strong> Sorge in <strong>der</strong> Doppelbedeutung<br />

des Etwas-besorgens und des Sich-sorgens über Augustins Begriff<br />

<strong>der</strong> „cura“ auf Platons Begriff <strong>der</strong> „epimeleia“ zurück.)<br />

7 Philosophische Propädeutik I, Einleitung, § 5; Erläuterungen zur Einleitung,<br />

§ 11. Vgl. dazu Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen,<br />

25. Brief: „Die Betrachtung (Reflektion) ist das erste liberale Verhältnis<br />

des Menschen zu dem Weltall, das ihn umgibt. Wenn die Begierde<br />

ihren Gegenstand unmittelbar ergreift, so rückt die Betrachtung den ihrigen<br />

in die Ferne, und macht ihn eben dadurch zu ihrem wahren und unverlierbaren<br />

Eigentum, dass sie ihn vor <strong>der</strong> Leidenschaft flüchtet“ (Schillers<br />

Werke, Bd. 20, Weimar 1962, S. 394).


248<br />

8 Phänomenologie, S. 87. Dies nennt Hegel das „praktische Verhalten“ <strong>der</strong><br />

Tiere. Dass die Tiere aber – im Gegensatz zu den tiefer naturintegrierten<br />

Pflanzen – sich auf Grund <strong>der</strong> höheren Weise ihrer Lebendigkeit und organischen<br />

Sensibilität auch theoretisch zur Umwelt verhalten, d. h. dass sie<br />

„begierdeloses Verhalten“ zeigen, dazu vgl.: Naturphilosophie, Werke, Bd.<br />

9, S. 579, 662.<br />

9 Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte, S. 57 f. Vgl. Rechtsphilosophie, § 4, Zusatz:<br />

„Das Tier handelt nach Instinkt, wird durch ein Inneres getrieben,<br />

und ist so auch praktisch, aber es hat keinen Willen, weil es sich das nicht<br />

vorstellt, was es begehrt:“ – Zur Einschränkung des Tieres auf eine artspezifische<br />

Umwelt vgl.: Naturphilosophie, Werke, Bd. 9, S. 628 ff. – Als im<br />

Prozess zu erringende kann Freiheit also auch nicht dekretiert werden.<br />

10 Rechtsphilosophie, § 190. Realphilosophie, Bd. I, S. 237ff.; Bd. II, S. 215<br />

11 Rechtsphilosophie, § 190-195, 200, 243-248, 253 ff. Realphilosophie,<br />

Bd. II, S. 232. Schriften zur Politik und Rechtsphilosophie, S. 495 f. Politische<br />

Schriften, S. 17. – Es wäre ein Missverständnis anzunehmen, Hegel<br />

verstehe den von ihm konstatierten Gegensatz von Armut und Reichtum<br />

als Klassengegensatz von Proletariat und Bourgeoisie. Den Begriff <strong>der</strong><br />

Klasse, <strong>der</strong> zu definieren ist mit Bezug auf die Produktionsmittel, kennt<br />

Hegel nicht. Dementsprechend ist auch Hegels Bestimmung des „Pöbels“<br />

in <strong>der</strong> Rechtsphilosophie (§ 244) nicht gleichzusetzen mit dem Begriff des<br />

Proletariats.<br />

12 Johann Gottfried Her<strong>der</strong>: Ideen zur <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong><br />

Menschheit. Sämtliche Werke, hrsg. von B. Suphan, Bd. 13, Berlin 1887,<br />

S. 145-147. Abhandlung über den Ursprung <strong>der</strong> Sprache, Bd. 5, Berlin<br />

1891, S. 22 ff. – Dass Hegel in dieser Frage nicht explizit an Her<strong>der</strong> anknüpft,<br />

ist unerheblich angesichts <strong>der</strong> vielfältigen Wirkung Her<strong>der</strong>s. – Vgl.<br />

Schiller: Über Anmut und Würde: „Bei dem Tiere und <strong>der</strong> Pflanze gibt die<br />

Natur nicht bloß die Bestimmung an, son<strong>der</strong>n führt sie auch allein aus.<br />

Dem Menschen aber gibt sie bloß die Bestimmung, und überlässt ihm<br />

selbst die Erfüllung <strong>der</strong>selben. Dies allein macht ihn zum Menschen. Der<br />

Mensch allein hat als Person unter allen bekannten Wesen das Vorrecht,<br />

in den Ring <strong>der</strong> Notwendigkeit, <strong>der</strong> <strong>für</strong> bloße Naturwesen unzerreißbar ist,<br />

durch seinen Willen zu greifen, und eine ganz frische Reihe von Erscheinungen<br />

in sich selbst anzufangen. Der Akt, durch den er dieses wirkt,<br />

heißt vorzugsweise eine Handlung, und diejenigen seiner Verrichtungen,<br />

die aus einer solchen Handlung herfließen, ausschließungsweise, seine<br />

Taten. Er kann also, dass er Person ist, bloß durch seine Taten beweisen.“<br />

(Schillers Werke, Bd. 20, Weimar 1962, S. 272.) – Vgl. auch Kant: Idee zu


249<br />

einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht: da die Natur<br />

„dem Menschen Vernunft und darauf sich gründende Freiheit des Willens<br />

gab, so war das schon eine klare Anzeige ihrer Absicht in Ansehung seiner<br />

Ausstattung. Er sollte nämlich nun nicht durch Instinkt geleitet... sein; er<br />

sollte vielmehr alles aus sich selbst herausbringen. Die Erfindung seiner<br />

Nahrungsmittel, seiner Bedeckung, seiner äußeren Sicherheit und Verteidigung...<br />

sollten gänzlich sein eigen Werk sein.“ (Kants gesammelte Schriften,<br />

Bd. VIII, Berlin 1912, S.19.) – Bei Goethe ist <strong>der</strong> Gedanke <strong>der</strong> Selbstverwirklichung<br />

des Menschen vom „Prometheus“-Fragment bis zum<br />

„Faust“ zentral. – Fachwissenschaftlich hat die geschichtslose Umweltgebundenheit<br />

<strong>der</strong> Tiere, ihre Abhängigkeit von bestimmten Instinktauslösern<br />

und Signalen, vor allem J. v. Uexküll erforscht. Direkt o<strong>der</strong> indirekt von<br />

Her<strong>der</strong> geht auch die Anthropologie Schelers, Plessners, Portmanns, Litts,<br />

Gehlens und Rothackers aus; vgl. dazu A. Gehlen, <strong>der</strong> selbst allerdings die<br />

Anthropologie schließlich dehistorisiert, in: Der Mensch, Frankfurt 1962,<br />

S. 84; „Die philosophische Anthropologie hat seit Her<strong>der</strong> keinen Schritt<br />

vorwärts getan..“ – „Anthropologisch“ im entschieden ungeschichtlichen<br />

Sinne verfährt im übrigen die Psychoanalyse. Zu dem Versuch, sie unter<br />

geschichtlich-marxistischem Aspekt zu betrachten, vgl. H. Marcuse: Triebstruktur<br />

und Gesellschaft, Frankfurt am Main 1965; und: P. A. Baran:<br />

Marxismus und Psychoanalyse, in: Unterdrückung und Fortschritt, Frankfurt<br />

am Main 1966.<br />

13 Phänomenologie, S. 35-39<br />

14 Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte, S. 57<br />

15 Phänomenologie, S. 72<br />

16 Ebenda, S. 27. Vgl.: Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte, S. 67<br />

17 Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte, S. 95; vgl. S. 93<br />

18 Ebenda, S. 105. – Unverkennbar ist in dieser Hinsicht Hegels Anknüpfung<br />

an Thomas Hobbes, Bernard de Mandeville, Claude Adrian Helvetius<br />

und vor allem Adam Smith, die erwarteten, das Betreiben <strong>der</strong> Privatinteressen<br />

bewirke die allgemeine gesellschaftliche Harmonie. (Hegel kannte<br />

Vico nicht – im Unterschied zu Goethe –; dementsprechend beeinflusste<br />

ihn auch nicht direkt dessen Begriff <strong>der</strong> Vorsehung.) Auch Schelling<br />

spricht von einem Verhältnis „<strong>der</strong> Freiheit zu einer verborgenen Notwendigkeit...,<br />

kraft dessen Menschen durch ihr freies Handeln selbst, und<br />

doch wi<strong>der</strong> ihren Willen Ursache von etwas werden müssen, was sie nie<br />

gewollt, o<strong>der</strong> kraft dessen umgekehrt etwas misslingen und zuschanden


250<br />

werden muss, was sie durch Freiheit und mit Anstrengung aller ihrer Kräfte<br />

gewollt haben.“ (System des transzendentalen Idealismus, Hamburg<br />

1957, S. 263) Hierher gehört auch Kants Begriff <strong>der</strong> „ungeselligen Geselligkeit“<br />

in <strong>der</strong> Schrift „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher<br />

Absicht“ (1784), mit dessen Hilfe <strong>der</strong> „Antagonismus... in <strong>der</strong> Gesellschaft“<br />

und die Entwicklung <strong>der</strong> menschlichen Anlagen erklärt werden.<br />

(Kants gesammelte Schriften, Bd. VIII, Berlin 1812, S. 20 ff.) – Wie aber<br />

schon angedeutet wurde und später zu wie<strong>der</strong>holen ist, steht Hegel in seiner<br />

politischen Theorie nicht auf dem Standpunkt des Liberalismus, dem<br />

„Prinzip <strong>der</strong> Atome“.<br />

19 Rechtsphilosophie, § 119-126, 20. Enzyklopädie 505, 479. –<br />

Beachtenswert ist: indem die Glückseligkeit in diesem Hegelschen Sinne<br />

sich nicht aus <strong>der</strong> Verwirklichung des Substantiellen ergibt, son<strong>der</strong>n formell,<br />

d. h. dem Inhalt nach zufällig ist, kommt sie nicht dem nahe, was<br />

Aristoteles unter Eudaimonia versteht, son<strong>der</strong>n eher dem, was Aristoteles<br />

mit Lust, Hedone, meint: sie ist ein Akzidenz <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> Vernunft.<br />

(Vgl. Nikomachische Ethik, X, 4.) - Hinsichtlich <strong>der</strong> „welthistorischen<br />

Individuen“ – wie zum Beispiel Alexan<strong>der</strong>, Cäsar, Richelieu, Napoleon<br />

– muss berücksichtigt werden, dass ihre Bestimmung als „Geschäftsträger“<br />

eines objektiven vernünftigen Prozesses ausschließt, sie undialektisch<br />

als auf sich gestellte Heroen im Sinne Carlyles, Nietzsches o<strong>der</strong><br />

Treitschkes zu verstehen.<br />

20 Phänomenologie, S. 9 ff. Vgl. hierzu auch Goethe: „Der Schein, was ist<br />

er, dem das Wesen fehlt? Das Wesen, wär’ es, wenn es nicht erschiene?“<br />

21 Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte, S. 114; vgl. S. 66; Rechtsphilosophie, §<br />

124. Ferner Ästhetik, Bd. I, S. 216: „Die Handlung ist die klarste Enthüllung<br />

des Individuums, seiner Gesinnung sowohl als auch seiner Zwecke;<br />

was <strong>der</strong> Mensch im innersten Grunde ist, bringt sich erst durch sein Handeln<br />

zur Wirklichkeit...“ – Dies involviert die Einheit von Leib und Seele,<br />

gegen <strong>der</strong>en Trennung – auch in Luthers die Freiheit einseitig ins Innere<br />

verlegenden Schrift „Von <strong>der</strong> Freiheit eines Christenmenschen“ (Kritische<br />

Gesamtausgabe, Bd. 7, Weimar 1897, S. 21 ff.; vgl.: Wi<strong>der</strong> die räuberischen<br />

und mör<strong>der</strong>ischen Rotten <strong>der</strong> Bauern, ebenda, Bd. 18, Weimar<br />

1908, S. 359, wo Luther da<strong>für</strong>, dass die aufständischen Bauern sich nicht<br />

auf das Neue Testament und ursprüngliche Christentum berufen könnten,<br />

anführt: „Denn die tauffe macht nicht leyb und gut frey, son<strong>der</strong>n die seelen“)<br />

– Hegel sagt: „Es ist daher nur ideeloser, sophistischer Verstand, welcher<br />

die Unterscheidung machen kann, dass das Ding an sich die Seele,<br />

nicht berührt o<strong>der</strong> angegriffen werde, wenn <strong>der</strong> Körper misshandelt und<br />

die Existenz <strong>der</strong> Person <strong>der</strong> Gewalt eines an<strong>der</strong>en unterworfen wird.“


251<br />

(Rechtsphilosophie, § 48) – Ähnlich wie Luther setzt auch Sebastian<br />

Franck, dessen Mystik den häretischen Wie<strong>der</strong>täufern nahekommt und<br />

über Valentin Weigel auf Jakob Böhme einwirkt, das Äußere einseitig herab<br />

zugunsten des „inneren Wortes“ und „inneren Menschen“; siehe: Paradoxa,<br />

15-17, 124, 125; hrsg. v. H. Ziegler, Jena 1909, S. 34 ff., 161 f.<br />

22 Rechtsphilosophie, § 115-118<br />

23 Vgl. Ästhetik, Bd. I, S. 187 f., 211 f. Rechtsphilosophie, § 18. Philosophische<br />

Propädeutik I, Einleitung, § 9; Erläuterungen zur Einleitung, § 17.<br />

Enzyklopädie, § 504<br />

24 Phänomenologie, S. 249<br />

25 Ebenda, S. 231<br />

26 Ebenda, S. 229<br />

27 Ebenda, S. 231<br />

28 Ebenda, S. 447 f.<br />

29 Ebenda, S. 233<br />

30 Ebenda, S. 236<br />

31 Ebenda, S. 236<br />

32 Ebenda, S. 253. – Einseitig muss <strong>für</strong> Hegel deshalb auch Augustins gewisse<br />

Vorwegnahme <strong>der</strong> cartesianischen Trennung von Selbsterkenntnis<br />

und Welterkenntnis sein, die auch Husserl am Schluss seiner „Cartesianischen<br />

Meditationen“ zitiert: „Noli foras ire, in te ipsum redi; in interiore<br />

homine habitat veritas“ (De vera religione, 39, 72).<br />

33 Ästhetik, Bd. I, S. 104<br />

34 Ebenda, S. 105<br />

35 Philosophische Propädeutik I, Einleitung, § 2; Erläuterungen z. Einleitung,<br />

§ 2, 3<br />

36 Ebenda, § 8. Vgl. Rechtsphilosophie, § 4, Zusatz: im theoretischen Verhalten<br />

ist das „bunte Gemälde <strong>der</strong> Welt... vor mir: ich stehe ihm gegenüber


252<br />

und hebe bei diesem Verhalten den Gegensatz auf, mache diesen Inhalt zu<br />

dem meinigen.. Das praktische Verhalten fängt dagegen beim Denken,<br />

beim Ich selbst an...“ Vgl. Die <strong>Philosophie</strong> des Geistes, Werke, Bd.10, §<br />

443, Zusatz, S. 303. – Über das theoretische und praktische Verhältnis<br />

von Subjekt und Objekt als das Verhältnis von Ich und Nicht-Ich bei Fichte<br />

siehe: Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 19,<br />

S. 624 ff.<br />

37 Enzyklopädie, § 225. Vgl. Logik, drittes Buch, zweiter Abschnitt, erstes<br />

Kapitel: Teleologie. Dritter Abschnitt, zweites Kapitel: Die Idee des Erkennens.<br />

Ästhetik, erster Teil, erstes Kapitel, 3. Die Idee des Schönen. Philosophische<br />

Propädeutik 1, Einleitung, § 3; Erläuterungen zur Einleitung, §<br />

4. Rechtsphilosophie, § 44 mit Zusatz, § 52 mit Zusatz. Naturphilosophie,<br />

Werke, Bd. 9, Einleitung, S. 34-49.<br />

38 Insbeson<strong>der</strong>e gehört das „uneigennützige Interesse“ <strong>für</strong> die „Objekte in<br />

ihrer freien Selbständigkeit“ zur theoretischen Bildung; vgl. Philosophische<br />

Propädeutik I, § 42. – Eine Einseitigkeit des (verstandesmäßigen) theoretischen<br />

Verhaltens liegt auch darin, dass es – sofessofern es das (abstrakt)<br />

Allgemeine hervorhebt – das wahrnehmbare Einzelne und Unmittelbare<br />

(auf das einseitig die Praxis <strong>der</strong> Begierde zielt) undialektisch vom Allgemeinen<br />

abtrennt und verschwinden lässt; vgl. Naturphilosophie, Werke, Bd.<br />

IX, S. 38 f.: „... durch den sich eindrängenden Gedanken verarmt <strong>der</strong><br />

Reichtum <strong>der</strong> unendlich vielgestalteten Natur, ihre Frühlinge ersterben,<br />

ihre Farbenspiele erblassen. Was in <strong>der</strong> Natur von Leben rauscht, verstummt<br />

in <strong>der</strong> Stille des Gedankens; ihre warme Fülle, die in tausendfaltig<br />

anziehenden Wun<strong>der</strong>n sich gestaltet, verdorrt in trockne Formen und zu<br />

gestaltlosen Allgemeinheiten, die einem trüben nördlichen Nebel gleichen.“<br />

39 Philosophische Propädeutik I, Erläuterungen zur Einleitung, § 4: „Es<br />

kann etwas Gegenstand <strong>für</strong> unsere Wahrnehmung sein, ohne dass wir<br />

deswegen ein Bewusstsein davon haben, wenn wir unsere Tätigkeit nicht<br />

darauf richten. Diese Tätigkeit im Empfangen ist die Aufmerksamkeit“.<br />

Vgl. Enzyklopädie, § 445, 448<br />

40 Vgl. Philosophische Propädeutik I, Erläuterungen zur Einleitung, § 7.<br />

Die <strong>Philosophie</strong> des Geistes, Werke, Bd. 10, § 444; Zusatz, S. 305: „In<br />

Wahrheit ist... <strong>der</strong> theoretische Geist nicht ein bloß passives Aufnehmen<br />

eines An<strong>der</strong>en, eines gegebenen Objekts, son<strong>der</strong>n zeigt sich als aktiv dadurch,<br />

dass er den an sich vernünftigen Inhalt des Gegenstandes aus <strong>der</strong><br />

Form <strong>der</strong> Äußerlichkeit und Einzelheit in die Form <strong>der</strong> Vernunft erhebt.“


253<br />

41 Enzyklopädie § 163-193, 223-232, 445-468. Philosophische Propädeutik<br />

I, Erläuterungen zur Einleitung, § 1-6<br />

42 Philosophische Propädeutik I, Erläuterungen zur Einleitung, § 5. Vgl.<br />

Enzyklopädie, § 459<br />

43 Vgl. zum Beispiel: Enzyklopädie, § 38<br />

44 Phänomenologie, S. 191 ff.<br />

45 Vgl. dazu außer Enzyklopädie, § 227-231 und 115 auch: Vorlesungen<br />

über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Einleitung, Werke, Bd. 17, S. 52-56<br />

und S. 70: „Das sinnliche Bewusstsein ist freilich überhaupt konkreter,<br />

und wenn auch das ärmste an Gedanken, doch das reichste an Inhalt. Wir<br />

müssen also das natürliche Konkrete vom Konkreten des Gedankens unterscheiden,<br />

welches seinerseits wie<strong>der</strong> arm an Sinnlichkeit ist.“ Dass „alles<br />

Wahrhaftige des Geistes sowohl als <strong>der</strong> Natur... in sich konkret“ ist (Ästhetik,<br />

Bd. I, S. 78), ist die Erkenntnis auf dem Standpunkt des absoluten<br />

spekulativen Denkens. – Zum Gegensatz des Abstrakten und Konkretes<br />

vgl. Marx: Zur Kritik <strong>der</strong> politischen Ökonomie, Einleitung (1857); Karl<br />

Marx, Friedrich Engels, Werke, Bd. 13, Berlin 1861, S. 631-639.<br />

46 Enzyklopädie, § 167; vgl. § 214<br />

47 Ästhetik, Bd. I, S. 141: „Den rein theoretischen Prozess verrichten die<br />

Sinnesorgane des Gesichts und Gehörs; was wir sehen, was wir hören,<br />

lassen wir, wie es ist. Die Organe des Geruchs und Geschmacks dagegen<br />

gehören schon dem Beginne des praktischen Verhältnisses an. Denn zu<br />

riechen ist nur dasjenige, was schon im Sichverzehren begriffen ist, und<br />

schmecken können wir nur, indem wir zerstören.“ Vgl. auch Bd. II, S. 112;<br />

und: Naturphilosophie, Werke, Bd. 9, S. 300 f. (Zum Zusammenhang zwischen<br />

praktischer Naturaneignung und Organausstattung vgl. Ästhetik,<br />

Bd. II, S. 111 ff.) – Nur die beiden theoretischen Sinne des Gesichts und<br />

Gehörs beziehen sich auf die Kunstgegenstände als Einheit des – schon<br />

ideellen – Sinnlichen und Geistigen; vgl. Ästhetik, Bd. I; S. 48; und Schiller:<br />

Über die ästhetische Erziehung des Menschen, 26. Brief. – Bemerkenswert<br />

ist Hegels Charakterisierung <strong>der</strong> drei Zustände <strong>der</strong> Kunst – <strong>der</strong><br />

idyllischen, <strong>der</strong> heroischen und <strong>der</strong> bürgerlichen – in Hinblick auf die Art<br />

<strong>der</strong> Aneignung <strong>der</strong> Dinge durch die menschliche Tätigkeit und den Grad<br />

<strong>der</strong> Beseitigung <strong>der</strong> Bedürftigkeit, <strong>der</strong> „Abhängigkeit von <strong>der</strong> Prosa des Lebens“;<br />

vgl. Ästhetik, Bd. I, S. 251-258. – Zu Hegels Bestimmung <strong>der</strong> praktischen<br />

Aneignung im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Ableitung des Privateigentums<br />

– dessen Verteilung im übrigen als zufällig und vernunftlos angese-


254<br />

hen wird – aus dem Wesen <strong>der</strong> Persönlichkeit (nicht aus den Bedürfnissen),<br />

und zwar als das „Dasein <strong>der</strong> Persönlichkeit“ und das erste Dasein<br />

<strong>der</strong> Freiheit“, vgl.: Rechtsphilosophie, § 44 ff.<br />

48 Enzyklopädie, § 471 f.<br />

49 Phänomenologie, S. 224. Vgl. Enzyklopädie,471, 445, 387. Vorlesungen<br />

über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Religion, Werke, Bd. 15, S. 144<br />

50 Enzyklopädie, § 225<br />

51 Ebenda, § 204<br />

52 Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte, S. 56<br />

53 Ästhetik, Bd. I, S. 106 f.<br />

54 Ebenda, S. 117-121, 48. Vgl. Naturphilosophie, Werke, Bd. IX, S. 45 f.:<br />

„Der unbefangene Geist, wenn er lebendig die Natur anschaut, wie wir dies<br />

häufig bei Goethe auf eine sinnige Weise geltend gemacht finden, so fühlt<br />

er das Leben und den allgemeinen Zusammenhang in <strong>der</strong>selben; er ahnt<br />

das Universum als ein organisches Ganzes und eine vernünftige Totalität,<br />

ebenso als er im einzelnen Lebendigen eine innige Einheit in ihm selbst<br />

empfindet.“<br />

55 Ästhetik, Bd. I, S. 117. Vgl. Realphilosophie, Bd. II, S. 265: „Die Schönheit<br />

ist viel mehr <strong>der</strong> Schleier, <strong>der</strong> die Wahrheit bedeckt, als die Darstellung<br />

<strong>der</strong>selben.“<br />

56 Logik, Bd. II, S. 391: „Die mechanische o<strong>der</strong> chemische Technik bietet<br />

sich also durch ihren Charakter, äußerlich bestimmt zu sein, von selbst<br />

<strong>der</strong> Zwecksetzung dar...“<br />

57 Ebenda, S. 390: „Der Zweck hat sich als das Dritte zum Mechanismus<br />

und Chemismus ergeben; er ist ihre Wahrheit.“<br />

58 Vgl. zum Beispiel: Holbach: System <strong>der</strong> Natur o<strong>der</strong> Von den Gesetzen<br />

<strong>der</strong> physischen und <strong>der</strong> moralischen Welt, Berlin 1960, S. 145 f.: „Wenn<br />

wir die Erfahrung zu Rate ziehen, werden wir finden, dass unsere Seelen<br />

denselben physischen Gesetzen unterworfen sind wie die materiellen Körper.“


255<br />

59 Vgl. Rechtsphilosophie, § 15, Zusatz: „In <strong>der</strong> Willkür ist das Enthalten,<br />

dass <strong>der</strong> Inhalt nicht durch die Natur meines Willens bestimmt ist <strong>der</strong><br />

Meinige zu sein, son<strong>der</strong>n durch Zufälligkeit:: ich bin also ebenso abhängig<br />

von diesem Inhalt, und dies ist <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruch, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Willkür liegt.<br />

Der gewöhnliche Mensch glaubt frei zu sein, wenn ihm willkürlich zu handeln<br />

erlaubt ist, aber gerade in <strong>der</strong> Willkür liegt, dass er nicht frei ist.“<br />

60 Logik, Bd. II, S. 393.<br />

61 Ästhetik, Bd. I, S. 105. Diese gewisse Vergeblichkeit betrifft auch die Sexualität.<br />

– Vgl. in diesem Zusammenhang Hegels mit Platon übereinstimmende<br />

Deutung des Prometheus nicht als sittlich politische Macht, son<strong>der</strong>n<br />

als „Naturmacht“ und „Wohltäter <strong>der</strong> Menschen, indem er sie die ersten<br />

Künste gelehrt hat“, das heißt „Geschicklichkeiten, welche die Befriedigung<br />

natürlicher Bedürfnisse angehen. In <strong>der</strong> bloßen Befriedigung dieser<br />

Bedürfnisse ist nie eine Sättigung, son<strong>der</strong>n das Bedürfnis wächst immer<br />

fort und die Sorge ist immer neu – das ist durch jenen Mythus angedeutet“<br />

(Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Religion, Werke, Bd. 16, S. 107; vgl.<br />

Ästhetik, Bd. I, S. 444 ff., 450).<br />

62 Logik, Bd. II, S. 398. Schon in den Jenenser Vorlesungen heißt es: „Das<br />

Wekzeug ist die existierende vernünftige Mitte, existierende Allgemeinheit<br />

des praktischen Prozesses; es erscheint auf <strong>der</strong> Seite des Tätigen gegen<br />

das Passive, ist selbst passiv nach <strong>der</strong> Seite des Arbeitenden und tätig gegen<br />

das Bearbeitete. Es ist das, worin das Arbeiten sein Bleiben hat... es<br />

pflanzt sich in Traditionen fort...“ (Realphilosophie, Bd. I, S. 221; vgl. Bd.<br />

II, S. 198. Schriften zur Politik und Rechtsphilosophie, S. 422). – Hegels<br />

erste feststellbare Beschäftigung mit ökonomischen Problemen <strong>der</strong> Arbeit<br />

datiert aus seiner Frankfurter Periode (1797-1800) und besteht unter an<strong>der</strong>em<br />

in <strong>der</strong> Kommentierung von James Denham Steuarts „Inquiry into<br />

the principles of political economy“, <strong>der</strong>en Manuskripte verloren gegangen<br />

sind; vgl. darüber: K. Rosenkranz: Hegels Leben, Berlin 184, S. 86; G. Lukács,<br />

Der junge Hegel, Berlin 1954, S. 211 ff.; P. Chamley, Économie politique<br />

et philosophique chez Steuart et Hegel, Paris 1963.<br />

63 Logik, Bd. II, S. 398. Vgl. Enzyklopädie, § 209. Naturphilosophie, Werke,<br />

Bd. IX, S. 35 f. Realphilosophie, Bd. II, S. 198 f.: „Ich habe die List zwischen<br />

mich und die äußere Dingheit hineingestellt, mich zu schonen, und<br />

meine Bestimmtheit damit zu bedecken und es sich abnutzen zu lassen...<br />

Es ist in das Werkzeug auch eigne Tätigkeit zu legen, es zu einem selbsttätigen<br />

zu machen. Dies geschieht so, ...dass die eigne Tätigkeit <strong>der</strong> Natur,<br />

Elastizität <strong>der</strong> Uhrfe<strong>der</strong>, Wasser, Wind angewendet wird, um in ihrem<br />

sinnlichen Dasein etwas ganz an<strong>der</strong>es zu tun, als sie tun wollten, dass ihr


256<br />

blindes Tun zu einem zweckmäßigen gemacht wird... Es ist die Ehre <strong>der</strong><br />

List gegen die Macht, die blinde Macht an einer Seite anzufassen, dass sie<br />

sich gegen sich selbst richtet... Wind, mächtiger Strom, mächtiges Weltmeer,<br />

bezwungen, geackert. Keine Komplimente mit ihm zu machen – elende<br />

Empfindsamkeit, die sich an Einzelnes hält.“ Marx bezieht sich explizit<br />

auf diese Erkenntnis Hegels im „Kapital“, Bd. I, Karl Marx/Friedrich<br />

Engels, Werke, Bd. 23, S. 194<br />

64 Logik, Bd. II, S. 394: „Der Zweck schließt sich durch ein Mittel mit <strong>der</strong><br />

Objektivität und in dieser mit sich selbst zusammen. Das Mittel ist die<br />

Mitte des Schlusses.“ - Vgl. auch mit Bezug auf das handelnde Individuum<br />

im Drama: „In dieser Weise tritt die Handlung als Handlung auf, als wirkliches<br />

Ausführen innerer Absichten und Zwecke, mit <strong>der</strong>en Realität sich das<br />

Subjekt als mit sich selbst zusammenschließt und darin sich selber will<br />

und genießt und nun auch mit seinem ganzen Selbst <strong>für</strong> das, was aus<br />

demselben ins äußere Dasein übergeht, einstehen muss.“ (Ästhetik, Bd. II,<br />

S. 516)<br />

65 Vgl. Lenins materialistische Umdeutung in seinen Kommentaren zu den<br />

entsprechenden Abschnitten <strong>der</strong> Hegelschen Logik in: Philosophische Hefte,<br />

Werke, Bd. 38, Berlin 1964, S. 177-181, 202-211; S. 207 f.: „Für Hegel<br />

ist das Handeln, die Praxis, ein logischer ,Schluss‘, eine Figur <strong>der</strong> Logik.<br />

Und das ist wahr! Natürlich nicht in dem Sinne, dass die Figur <strong>der</strong> Logik<br />

ihr An<strong>der</strong>ssein in <strong>der</strong> Praxis des Menschen hätte (=absoluter Idealismus),<br />

son<strong>der</strong>n vice versa: die Praxis des Menschen, milliardenmal wie<strong>der</strong>holt,<br />

prägt sich dem Bewusstsein des Menschen als Figuren <strong>der</strong> Logik ein. Diese<br />

Figuren haben die Festigkeit eines Vorurteils, ihren axiomatischen Charakter<br />

gerade (und nur) kraft dieser milliardenfachen Wie<strong>der</strong>holung.“<br />

66 Vgl. Descartes: Abhandlung über die Methode, Hamburg 1957, S. 51.<br />

Bacon: Novum Organon; The Works of Francis Bacon, London 1825, Bd.<br />

XIV, S. 31. Vico: Die neue Wissenschaft, München 1924, S. 125. – In <strong>der</strong><br />

chinesischen <strong>Philosophie</strong> wird <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen Wissen und<br />

praktischer Anwendung hervor gehoben von Mo Di, dem radikalen Sozialreformer<br />

und Gegner des Konfuzius, sowie in <strong>der</strong> Neuzeit von Wee Jüän<br />

und Dshang Ssüä-tschöng.<br />

67 Vgl. vor allem: Nikomachische Ethik, VI, 3-5; 8. Zu dem Übergang vom<br />

praktisch-klugen Wissen zum Herrschaftswissen und zur Machttechnik<br />

bei Macchiavelli, Morus und Hobbes siehe: H. Arendt: Vita activa, Stuttgart<br />

1960; und J. Habermas: Theorie und Praxis, Neuwied am Rhein und<br />

Berlin 1963, S. 13 ff.


257<br />

68 Vgl. dazu H. Kuhn: Wissenschaft <strong>der</strong> Praxis und praktische Wissenschaft,<br />

in: Festschrift <strong>für</strong> Freiherr von Gebsattel, Stuttgart 1963. Derselbe:<br />

„Prohairesis“ in <strong>der</strong> Nikomachischen Ethik, in: Das Sein und das Gute,<br />

München 1962.<br />

69 Phänomenologie, S. 257. Vgl. Realphilosophie, Bd. I, S. 238: „Es tritt<br />

zwischen den Umfang <strong>der</strong> Bedürfnisse des Einzelnen und seine Tätigkeit<br />

da<strong>für</strong> die Arbeit des ganzen Volkes ein, und die Arbeit eines Jeden ist in<br />

Ansehung ihres Inhalts eine allgemeine <strong>für</strong> die Bedürfnisse aller, sowie <strong>für</strong><br />

die Angemessenheit zur Befriedigung aller seiner Bedürfnisse, d. h. sie hat<br />

einen Wert...“ Rechtsphilosophie, § 184: „Meinen Zweck beför<strong>der</strong>nd, beför<strong>der</strong>e<br />

ich das Allgemeine, und dieses beför<strong>der</strong>t wie<strong>der</strong>um meinen Zweck.“<br />

Vgl. Rechtsphilosophie, § 199.<br />

70 Phänomenologie, S. 139 (im Original gesperrt). Dass zu einem „bestimmten<br />

Selbstgefühl“ auch die Tiere kommen, dazu vgl.: Naturphilosophie,<br />

Werke, Bd. IX, S. 664 f. - Zu beachten ist, dass innerhalb <strong>der</strong> Religion <strong>für</strong><br />

Hegel die Herr-Knecht-Dialektik in <strong>der</strong> jüdischen „Religion <strong>der</strong> Erhabenheit“<br />

zu finden ist; vgl. Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Religion,<br />

Werke, Bd. 16, S. 79 ff. – Ein Versuch, in Anlehnung an Hegels Herr-<br />

Knecht-Analyse die Odyssee zu interpretieren, findet sich bei Horkheimer<br />

und Adorno, in: Dialektik <strong>der</strong> Aufklärung, Amsterdam 1947.<br />

71 Enzyklopädie, § 431 f.<br />

72 Enzyklopädie, § 433. Vgl. Rechtsphilosophie, § 93, Zusatz: „Im Staat<br />

kann es keine Heroen mehr geben...“ und damit auch keinen „Zwang <strong>der</strong><br />

Heroen“ und kein „Herrenrecht“; es kann nur noch geben die Herrschaft<br />

des Rechts und des Gesetzes, das „Schiboleth“, an dem sich die Geister<br />

scheiden; Rechtsphilosophie, Vorrede, S. 29; § 258, Anmerkung. (Vgl. auch<br />

Fichtes Ablehnung des „bellum omnium contra omnes“ z. B. in: Der geschlossene<br />

Handelsstaat, Sämtliche Werke, Bd. 3, Berlin 1845, S. 447.) An<br />

dieser Stelle greift Hegel schonungslos die Auffassung K. L. von Hallers in<br />

dessen „Restauration <strong>der</strong> Staatswissenschaft“ (1816) an, dass im Staat<br />

nicht Gesetz und Vernunft, son<strong>der</strong>n die Naturgewalt und „die Herrschaft<br />

des Mächtigern ewige Ordnung Gottes sei, die Ordnung, nach welcher <strong>der</strong><br />

Geier das unschuldige Lamm zerfleischt.“ Damit nimmt Hegel indirekt<br />

auch Stellung gegen die späteren Vorstellungen <strong>der</strong> Sozialdarwinisten wie<br />

Gumplowicz, Ratzenhofer, Woltmann, Ammon u. a., die die biologischen<br />

Gesetze <strong>der</strong> natürlichen Auslese, des „struggle for life“ und des „survival of<br />

the fittest“, per analogiam auf die menschlichen Handlungen in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

übertragen, und die sich in ihrem Biologismus kreuzen mit den<br />

Rassentheorien Gobineaus und H. St. Chamberlains, aber auch mit


258<br />

Spenglers – die Einheitlichkeit und (diskontinuierliche) Kontinuität <strong>der</strong><br />

Weltgeschichte verleugnen<strong>der</strong> – Zyklentheorie, <strong>der</strong>en Praxisauffassung gekennzeichnet<br />

ist durch Fatalismus o<strong>der</strong> militant-aggressiven Aktivismus.<br />

Dementsprechend ist zum Beispiel <strong>für</strong> Chamberlain ähnlich wie <strong>für</strong> die<br />

Pragmatisten <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> wissenschaftlichen und philosophischen Theorie<br />

„nicht ihr Wahrheitsgehalt – ist dieser doch lediglich symbolisch – son<strong>der</strong>n<br />

ihre methodische Brauchbarkeit in <strong>der</strong> Praxis und ihre bildende Bedeutung<br />

<strong>für</strong> die Phantasie und den Charakter“; H. St. Chamberlain, Kant,<br />

München 1909, S. 751. Vgl. auch in diesem Zusammenhang die Konstruktion<br />

des Kampfes zwischen „Freund und Feind“ bei C. Schmitt in: Der Begriff<br />

des Politischen, München-Leipzig 1932.<br />

73 Vgl. Aristoteles, Politik, I, 2, 7. – Auffällig ist, dass Hegel in <strong>der</strong> Herr-<br />

Knecht-Analyse nach <strong>der</strong> Unterwerfung die Kollaboration zugrunde legt<br />

und Akte <strong>der</strong> Revolte des Knechts gegen seine Kondition <strong>der</strong> totalen Entselbstung<br />

und Selbstverleugnung übergeht. Das erscheint aber insofern<br />

konsequent, als das Resultat einer erfolgreichen Auflehnung in diesem von<br />

Hegel analysiertem Stadium nur die Umkehrung des Herrschaftsverhältnisses<br />

sein konnte. Aber in <strong>der</strong> Gegenwart <strong>der</strong> Überwindung des Naturzustandes<br />

bedeutet <strong>für</strong> Hegel das Nichtaufbegehren gegen die Sklaverei den<br />

Verlust <strong>der</strong> Menschlichkeit: „Aber dass jemand Sklave ist, liegt in seinem<br />

eigenen Willen, so wie es im Willen eines Volkes liegt, wenn es unterjocht<br />

wird. Es ist somit nicht bloß ein Unrecht <strong>der</strong>er, welche Sklaven machen,<br />

o<strong>der</strong> welche unterjochen, son<strong>der</strong>n. <strong>der</strong> Sklaven und Unterjochten selbst.“<br />

(Rechtsphilosophie, § 57, Zusatz)<br />

74 Ästhetik, Bd. II, S. 423: „... in Europa ist jetzt jedes Volk von dem an<strong>der</strong>en<br />

beschränkt und darf von sich aus keinen Krieg mit einer an<strong>der</strong>en europäischen<br />

Nation anfangen; will man jetzt über Europa hinausschicken,<br />

so kann es nur nach Amerika sein.“<br />

75 Rechtsphilosophie, § 324, 330-340, 33 mit Zusatz. Realphilosophie, Bd.<br />

II, S. 266. Philosophische Propädeutik I, § 31. – Zu berücksichtigen ist <strong>der</strong><br />

Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Darlegung Hegels über den Krieg und <strong>der</strong><br />

tatsächlichen Funktion des Krieges in <strong>der</strong> Ära nach <strong>der</strong> französischen Revolution.<br />

76 Phänomenologie, S. 146 f. – Der Unterschied in <strong>der</strong> Verdinglichung o<strong>der</strong><br />

Entäußerung zwischen einem Sklaven in <strong>der</strong> Antike und „dem heutigen<br />

Gesinde, o<strong>der</strong> einem Tagelöhner“ liegt, wie Hegel in <strong>der</strong> Rechtsphilosophie,<br />

§ 67 mit Zusatz, ausführt, nur in dem Umfang <strong>der</strong> Tätigkeit und in <strong>der</strong><br />

Menge <strong>der</strong> Zeit, worin <strong>der</strong> Herr über den Beherrschten verfügt.


77 Phänomenologie, S. 147<br />

259<br />

78 Vgl. zu dem Verhältnis von Erarbeitung des Notwendigen, Muße (Scholé),<br />

Wissenschaft, Kunst und <strong>Philosophie</strong>, auch Krieg und Frieden: Politik,<br />

VIII, 15; Metaphysik I, 1; Nikomachische Ethik, X, 7. – Auch <strong>für</strong> das Entstehen<br />

<strong>der</strong> Kunst muss, wie Hegel sagt, „die Not des Lebens beseitigt sein“;<br />

Ästhetik, Bd. I, S. 252. Allgemein heißt es in den Vorlesungen über die<br />

<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Geschichte: die Sklaverei „war notwendige Bedingung einer<br />

schönen Demokratie... Die Gleichheit <strong>der</strong> Bürger brachte das Ausgeschlossensein<br />

<strong>der</strong> Sklaven mit sich“; Werke, Bd. 11, S. 332; vgl. Die Vernunft in<br />

<strong>der</strong> Geschichte, S. 62. Das „Bedürfnis <strong>der</strong> Bedürfnislosigkeit“ bezeichnet<br />

Hegel mit direktem Bezug auf Aristoteles als Voraussetzung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

in <strong>der</strong> Vorrede zur zweiten Ausgabe <strong>der</strong> Logik, Bd. I, S. 12. Hervorzuheben<br />

ist: Hegel hält nicht wie Nietzsche auf Grund eines Analogieschlusses<br />

Sklaverei <strong>für</strong> die notwendige Bedingung auch <strong>der</strong> gegenwärtigen Kultur.<br />

– Erst keimhaft ist die Scheidung von Theorie und Praxis in Griechenland<br />

bei den Sieben Weisen; wie denn auch das Wort „sophós“ ursprünglich<br />

noch das praktische Können mitumfasst, so dass man sowohl von einem<br />

„weisen“ Dichter, <strong>der</strong> die Taten <strong>der</strong> Helden besingt, als auch von einem<br />

„weisen“ Wagenlenker sprechen kann, bevor die theoretische und<br />

praktische Lebensweise gegeneinan<strong>der</strong> ausgespielt werden, zum Beispiel in<br />

Euripides’ Tragödie „Antiope“ in Gestalt <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong> Amphion und Zethos,<br />

worauf sich Platon im „Gorgias“ stützt; siehe dazu Bruno Snell: Theorie<br />

und Praxis im Denken des Abendlandes, Hamburg 1951, S. 11 ff.<br />

79 Phänomenologie, S. 148. Vgl. Philosophische Propädeutik I, Erläuterungen<br />

zur Einleitung, § 23: „Ursprünglich folgt <strong>der</strong> Mensch seinen natürlichen<br />

Neigungen ohne Überlegung... In diesem Zustand muss er gehorchen<br />

lernen, weil sein Wille noch nicht <strong>der</strong> vernünftige ist. Durch dies Gehorchen<br />

kommt das Negative zu Stande, dass er auf die sinnliche Begierde<br />

Verzicht tun lernt und nur durch diesen Gehorsam gelangt <strong>der</strong> Mensch<br />

zur Selbständigkeit.“ (Vgl. Philosophische Propädeutik II, § 36) - Vgl. auch<br />

über die „existentielle Klemme“ des Herrn: A. Kojève, Introduction à la lecture<br />

de Hegel, Paris 1947, S. 55. Für Kojève ist aber im übrigen die Hegelsche<br />

Dialektik, die Negativität, nur <strong>der</strong> subjektiven menschlichen Existenz,<br />

nicht auch <strong>der</strong> objektiven Welt immanent (S. 487). – Auch Di<strong>der</strong>ot stellt in<br />

seinem vielschichtigen Roman „Jacque le fataliste“ den Diener so dar, dass<br />

er ohne den Herrn auskommen könnte. Offensichtlich, wenn auch verschiedenartig,<br />

ist die Überlegenheit des Sancho Pansa über Don Quichotte<br />

sowie des Knechts in Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti“; hoffnungslos<br />

scheint dagegen in Becketts „Endspiel“ nicht nur die Lage des<br />

Herrn „Hamm“, son<strong>der</strong>n auch des Knechts „Clov“.


80 Phänomenologie, S. 355 ff.<br />

260<br />

81 Vgl. Phänomenologie, Vorrede, S. 29: „Aber nicht das Leben, das sich<br />

vor dem Tode scheut und vor <strong>der</strong> Verwüstung rein bewahrt, son<strong>der</strong>n das<br />

ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes.“ (Vgl. dazu R.<br />

Garaudy: Gott ist tot, Frankfurt a. M. 1965, S. 111 ff.)<br />

82 Phänomenologie, S. 149. – Dass <strong>der</strong> Arbeitende durch seine Tätigkeit die<br />

natürlichen Dinge und seine Umgebung „vermenschlicht“, dazu vergleiche:<br />

Ästhetik, Bd. I, S. 252.<br />

83 Phänomenologie, S. 149<br />

84 Rechtsphilosophie, § 189-198<br />

85 Phänomenologie, S. 140<br />

86 Philosophische Propädeutik II, § 35: „Der Herr hingegen schaut im Dienenden<br />

das an<strong>der</strong>e Ich als ein aufgehobenes und seinen einzelnen Willen<br />

als erhalten an. (Geschichte Robinsons und Freitags.)“<br />

87 Goethe: Briefwechsel mit Schiller, Leipzig 1955, S. 62. – Diese Stelle<br />

wird von Feuerbach angeführt gegen die Möglichkeit <strong>der</strong> Inkarnation <strong>der</strong><br />

menschlichen Gattung in einem einzigen Individuum, in: Zur Kritik <strong>der</strong><br />

Hegelschen <strong>Philosophie</strong>, Hallische Jahrbücher, 1839, S. 1660.<br />

88 Rechtsphilosophie, § 5, Zusatz.<br />

89 Rechtsphilosophie, § 5. Vgl. Philosophische Propädeutik I, § 6, 7, 11;<br />

Erläuterungen zur Einleitung, § 12, 13, 19. Vorlesungen über die Geschichte<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 19, S. 552 f. Phänomenologie, Die<br />

absolute Freiheit und <strong>der</strong> Schrecken, S. 418: „Kein positives Werk noch<br />

Tat kann also die allgemeine Freiheit hervorbringen; es bleibt ihr nur das<br />

negative Tun ; sie ist nur die Furie des Verschwindens.“ Vgl. Hegels Brief<br />

an Schelling schon 1794, in: K. Rosenkranz, Hegels Leben, Berlin 1844, S.<br />

66. – Dass die Motivationen des Willens <strong>der</strong> Jakobiner aber in <strong>der</strong> Tat<br />

nicht rein, allgemein und interesselos waren, dass die Jakobiner keine Revolution<br />

ohne bestimmte Ziele und keine Protestbewegung ohne bestimmten<br />

Fortschritt machten, braucht nicht näher ausgeführt zu werden. –<br />

Später wird die negative individualistische Freiheit von Marx in sozialer<br />

Hinsicht als kleinbürgerlich gekennzeichnet. – Mit <strong>der</strong> Kritik an <strong>der</strong> rein<br />

negativen Freiheit, die die Objektivität ignoriert – so als könnte eine Handlung<br />

je<strong>der</strong>zeit einen absoluten Anfang machen –, ist indirekt auch kritisiert


261<br />

Kierkegaards Auffassung <strong>der</strong> Praxis als absolute Interessiertheit und Leidenschaftlichkeit<br />

<strong>der</strong> Existenz (die von <strong>der</strong> – nur relativen – Theorie durch<br />

einen Abgrund geschieden ist) sowie <strong>der</strong> Existentialismus des jüngeren J.<br />

P. Sartre – etwa bis zum Bruch mit Camus 1952 –, demgemäß <strong>für</strong> die<br />

Handlung nur erfor<strong>der</strong>lich ist die „Entschlossenheit“ des einzelnen Menschen<br />

bei dem „projet“ und <strong>der</strong> „Erfindung <strong>der</strong> eigenen Person“. Dass die<br />

(gnostische) abstrakt-totale Negation <strong>der</strong> Objektivität, des Ansichseienden,<br />

<strong>der</strong> „Mauern“, einen Verzicht auf jede bestimmte Verän<strong>der</strong>ungen anzielende<br />

Praxis beinhaltet, darüber vgl.: W. F. Haug, Jean-Paul Sartre und die<br />

Konstruktion des Absurden, Frankfurt a. M. 1966. – Vgl. zur Problematik<br />

<strong>der</strong> französischen Revolution auch den Text des achten Abschnittes.<br />

90 Rechtsphilosophie, § 11<br />

91 Ebenda, § 6. Vgl. auch z.B. Ästhetik, Bd. I, S. 72 f. In <strong>der</strong> gleichen Weise<br />

– nur umgekehrt – tritt in <strong>der</strong> Jacobischen <strong>Philosophie</strong> das eine zum an<strong>der</strong>en<br />

hinzu: „Ob nach dem Jakobinischen Dogmatismus das Objektive, das<br />

Gegebene als das Erste genannt wird, zu welchem <strong>der</strong> Begriff später hinzukommt:<br />

o<strong>der</strong> ob Fichte das leere Wissen, Ich, zum Ersten macht, dessen<br />

Wesen dasselbe mit dem leeren Verstand des analysierenden Wissens,<br />

nämlich eine Identität ist, <strong>für</strong> welche bei Fichte die ihm fremde, aus ihm<br />

nicht zu begreifende Bestimmtheit als das Spätere erscheint, – macht in<br />

<strong>der</strong> Sache nicht den mindesten Unterschied.“ (Glauben und Wissen, Werke,<br />

Bd. I, S. 396.)<br />

92 Glauben und Wissen, Werke, Bd. I, S. 426. (Als literarisches Beispiel<br />

könnte die Gestalt des Pastors Man<strong>der</strong>s in Ibsens „Gespenster“ dienen.)<br />

Vgl. Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, Werke,<br />

Bd. I, S. 465: „Aber das Wesen des reinen Willens und <strong>der</strong> reinen praktischen<br />

Vernunft ist, dass von allem Inhalt abstrahiert sei; und also ist es<br />

an sich wi<strong>der</strong>sprechend, eine Sittengesetzgebung (da sie einen Inhalt haben<br />

müsste) bei dieser absoluten praktischen Vernunft zu suchen, da ihr<br />

Wesen darin besteht, keinen Inhalt zu haben.“ – Da das universelle Gute<br />

und Wahre undifferenziert und unwirklich sind – auch in sozialer Hinsicht<br />

muss ein Appell an sie einen utopischen Charakter haben. Damit sei ein<br />

gewisser Zusammenhang angedeutet zwischen den utopischen Sozialisten<br />

wie Saint-Simon und Fourier einerseits und <strong>der</strong> Kantischen und Fichteschen<br />

Ethik an<strong>der</strong>erseits.<br />

93 Enzyklopädie, § 60<br />

94 Phänomenologie, S. 428. Vgl. Glauben und Wissen, Werke, Bd. I, S. 416:<br />

„Die übersinnliche Welt ist nur die Flucht aus <strong>der</strong> sinnlichen. Ist nichts


262<br />

mehr, vor welchem geflohen wird, so ist die Flucht und Freiheit und übersinnliche<br />

Welt nicht mehr gesetzt, und diese empirische Realität ist so sehr<br />

an sich als Ich.“<br />

95 Vgl. die Äußerung Rosenkranz’, des Anhängers des liberalen Zentrums<br />

des Hegelianismus, über Hegels jetzt nicht mehr erhaltene Manuskripte<br />

aus <strong>der</strong> Frankfurter Zeit: „Er protestierte gegen die Unterdrückung <strong>der</strong> Natur<br />

bei Kant und gegen die Zerstückelung des Menschen in die durch den<br />

Absolutismus des Pflichtbegriffs entstehende Kasuistik.“ (Hegels Leben,<br />

Berlin 1844, S. 87.) – Vgl. das Konzept zum „Geist des Christentums und<br />

sein Schicksal“: „Durch die Gesinnung ist nur das objektive Gesetz aufgehoben,<br />

aber nicht die objektive Welt; <strong>der</strong> Mensch steht einzeln und die<br />

Welt.“ (Nohl, S. 390)<br />

96 Phänomenologie, S. 276 f.<br />

97 Nohl, S. 396<br />

98 Phänomenologie, S. 278-282<br />

99 Ebenda, S. 281. Vgl. Ästhetik, Bd. I, S. 180: „Die wahre Selbständigkeit<br />

besteht allein in <strong>der</strong> Einheit und Durchdringung <strong>der</strong> Individualität und<br />

Allgemeinheit...“<br />

100 Leonardo da Vinci: Tagebücher und Aufzeichnungen, Leipzig, 1952, S.<br />

709. Vgl. Philosophische Tagebücher, Hamburg 1958, S. 40 f.; ebenda: „La<br />

scienzia è il capitano e la pratica sono i soldati.“ („Die Wissenschaft ist <strong>der</strong><br />

Kapitän und die Praxis, das sind die Soldaten.“) – Für die Reihe <strong>der</strong> irrationalistischen<br />

Repräsentanten <strong>der</strong> deutschen „verspäteten Nation“, die<br />

nach langer Hin<strong>der</strong>ung am gesellschaftlichen Aufstieg sich nicht mehr mit<br />

den Reservaten „machtgeschützter Innerlichkeit“ (Thomas Mann: Adel des<br />

Geistes, Stockholm 1945, S. 463) begnügen, son<strong>der</strong>n durch tatkräftigen<br />

Schwung und „idealistischen“ Aktivismus ihren politisch-gesellschaftlichen<br />

Führungsanspruch durchsetzen wollten – etwa durch eine „konservative<br />

Revolution“ o<strong>der</strong> eine „Revolution von rechts“ (Freyer) – und die auftraten<br />

gegen Vermassung, Technik, Zivilisation, Industrialisierung, Verstädterung,<br />

„Plutokratie“, „Mammonismus“, Seelenlosigkeit und westliche Demokratie,<br />

und zwar im Namen <strong>der</strong> Kultur, <strong>der</strong> organischen Gemeinschaft,<br />

des Bündischen, Stammlichen, Völkischen o<strong>der</strong> Rassischen, <strong>der</strong> persönlichen<br />

Bindungen, <strong>der</strong> Gefolgschaftstreue, <strong>der</strong> Wehrhaftigkeit, des Gemüts<br />

und des Handwerklichen usw., seien hier stellvertretend zitiert A. Baeumler:<br />

Männerbund und Wissenschaft, Berlin 1934, S. 91: „Der wahrhaft<br />

Handelnde steht immer im Ungewissen, er ist ‚wissenlos‘, wie Nietzsche


263<br />

sagt. Das macht gerade das Handeln zum Handeln, dass es nicht gedeckt<br />

ist durch einen Wert. Der Handelnde exponiert sich, sein Teil ist niemals<br />

die securitas, son<strong>der</strong>n certitudo“; und H. Freyer hinsichtlich <strong>der</strong> politischen<br />

Ethik: „Echtes Gebot ist auch hier nur sich richtig zu entscheiden,<br />

nicht aber zu wissen, dass o<strong>der</strong> warum es richtig sei“; Herrschaft und Planung,<br />

Hamburg 1933, S. 39. (Siehe hierzu auch Stefan Georges Gedicht<br />

„Der Täter“ aus dem „Teppich des Lebens“.) Preisgegeben wird die Tradition<br />

des Rationalismus, wie sie ihr zum Beispiel Cicero Ausdruck gibt in „De<br />

officiis“, I, 101: „Omnis autem actio vacare debet temeritate et neglegentia<br />

nec agere quicquam, cuius non possit causam probabilem red<strong>der</strong>e; haec<br />

est enim fere descriptio officii.“ – Vgl. dazu, dass <strong>der</strong> von Cicero mit „officium“<br />

wie<strong>der</strong>gegebene stoische Ausdruck „kathékon“ ebenfalls die vertretbare<br />

Rechtfertigung impliziert: Diogenes Laertius, VII, 101.<br />

101 Rechtsphilosophie, § 135. Vgl. Glauben und Wissen, Werke, Bd. I, S.<br />

415 f. Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 19, S.<br />

591 f. – Vgl. hierzu Hegels Kritik an Kants Beispiel des Depositums in § 4<br />

<strong>der</strong> „Kritik <strong>der</strong> praktischen Vernunft“ in: Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten<br />

des Naturrechts, Werke, Bd. I, S. 466 f. Phänomenologie,<br />

S. 311 f. Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte, S. 95: „... ich bin jemandem Geld<br />

schuldig: dem Rechte nach muss ich nach <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Sache handeln<br />

und das Geld zurückerstatten. Hier ist nichts Schweres. Den Boden <strong>der</strong><br />

Pflicht bildet das bürgerliche Leben.“<br />

101a Kant: Über den Gemeinspruch: Das mag in <strong>der</strong> Theorie richtig sein,<br />

taugt aber nicht <strong>für</strong> die Praxis, in: Kant, Gentz, Rehberg: Über Theorie und<br />

Praxis, Frankfurt a. M. 1967, S. 41, 44. (Zu Kants Verweigerung des<br />

Rechts auf praktischen Wi<strong>der</strong>stand und Revolutionierung und zu seiner<br />

Konzession <strong>der</strong> „Freiheit <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>“ siehe S. 68 ff.) – Vgl. zu Kants „Abweg“<br />

von <strong>der</strong> aristotelischen Theoria durch seine „Rechtfertigung <strong>der</strong> Theorie <strong>für</strong><br />

die Praxis“ und seiner Preisgabe des theoretischen Ethos „als philosophische<br />

Lebenshaltung“ : K. Löwith: Gesammelte Abhandlungen, Stuttgart<br />

1960, S. 250.<br />

102 Rechtsphilosophie, § 144. Vgl. auch die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte,<br />

S.94: „Wenn man handeln will, muss man nicht nur das Gute wollen, son<strong>der</strong>n<br />

man muss wissen, ob dieses o<strong>der</strong> jenes das Gute ist. Welcher Inhalt<br />

aber gut o<strong>der</strong> nicht gut, recht o<strong>der</strong> unrecht sei, dies ist <strong>für</strong> die gewöhnlichen<br />

Fälle des Privatlebens in den Gesetzen und Sitten eines Staates gegeben.<br />

Es hat keine große Schwierigkeit, das zu wissen.“ Zu Hegels schroffer<br />

Ablehnung <strong>der</strong> rein moralischen Disqualifizierung eines Menschen vgl.<br />

Phänomenologie, S. 479: „Die Bezeichnung eines Individuums als eines<br />

Unmoralischen fällt, indem die Moralität überhaupt unvollendet ist, an


264<br />

sich hinweg, hat also nur einen willkürlichen Grund. Der Sinn und Inhalt<br />

des Urteils <strong>der</strong> Erfahrung ist dadurch allein dieser, dass einigen die<br />

Glückseligkeit an und <strong>für</strong> sich nicht zukommen sollte, d. h. er ist Neid, <strong>der</strong><br />

sich zum Deckmantel die Moralität nimmt. Der Grund aber, warum an<strong>der</strong>n<br />

das so genannte Glück zu Teil werden sollte, ist die gute Freundschaft,<br />

die ihnen und sich selbst diese Gnade, d. h. diesen Zufall gönnt<br />

und wünscht.“ – Für Hegel gibt es also keine selbständige Ethik, getrennt<br />

von Gesellschaftslehre und Politik. – Dass nicht Gesinnung und Tugend,<br />

son<strong>der</strong>n die Anerkennung des Gesetzes die konstitutionelle Monarchie<br />

charakterisiert, betont Hegel mit Bezug auf Montesquieu in <strong>der</strong> Rechtsphilosophie,<br />

§ 273. – Da die Moralität – wie es schon Kant bestimmte – im Gegensatz<br />

zur Legalität nicht äußerlich erzwingbar ist, ergibt sich <strong>für</strong> Hegel<br />

die Folgerung: „Die Staatsgesetze können sich also auf die Gesinnung<br />

nicht erstrecken wollen, denn im Moralischen bin ich <strong>für</strong> mich selbst, und<br />

die Gewalt hat hier keinen Sinn.“ (Rechtsphilosophie, § 94, Zusatz; vgl. §<br />

106, Zusatz)<br />

103 Rechtsphilosophie, § 137. Vgl. § 132 und Vorrede, S.36: „Es ist ein großer<br />

Eigensinn, <strong>der</strong> Eigensinn, <strong>der</strong> dem Menschen Ehre macht, nichts in<br />

<strong>der</strong> Gesinnung anerkennen zu wollen, was nicht durch den Gedanken gerechtfertigt<br />

ist...“<br />

104 Rechtsphilosophie, § 131<br />

105 Ebenda, § 138. – Vgl. Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Geschichte,<br />

Werke, Bd. 11, S. 330: „Von den Griechen in <strong>der</strong> ersten und wahrhaften<br />

Gestalt ihrer Freiheit können wir behaupten, dass sie kein Gewissen hatten:<br />

bei ihnen herrschte die Gewohnheit <strong>für</strong> das Vaterland zu leben, ohne<br />

weitere Reflexion.“ In entscheidenden Lebenslagen befragten sie noch Orakel.<br />

106 Enzyklopädie, § 6. Vgl. den Text des achten Abschnittes<br />

107 Rechtsphilosophie, § 132. In diesem Sinne heißt es § 137: „... Der Staat<br />

kann deswegen das Gewissen in seiner eigentümlichen Form, d. i. als subjektives<br />

Wissen nicht anerkennen, so wenig als in <strong>der</strong> Wissenschaft die<br />

subjektive Meinung, die Versicherung und Berufung auf eine subjektive<br />

Meinung, eine Gültigkeit hat.“ Zu beachten ist, dass Hegel im selben Paragraphen<br />

sagt: „Das religiöse Gewissen gehört aber überhaupt nicht in diesen<br />

Kreis.“ Vgl. dazu aber: Die <strong>Philosophie</strong> des Geistes, Werke, Bd. X, S.<br />

435: „... es kann nicht zweierlei Gewissen, – ein religiöses und ein dem<br />

Gehalte und Inhalte nach davon verschiedenes sittliches, – geben.“ - Mit<br />

seiner Bestimmung <strong>der</strong> Handlung <strong>der</strong> Strafe als Negation <strong>der</strong> Verletzung


265<br />

(Negation) des Rechts und damit als ausgleichende Wie<strong>der</strong>herstellung des<br />

Rechts (Rechtsphilosophie, § 100 f.) steht Hegel – wie Kant, nach dessen<br />

Ansicht ein Mör<strong>der</strong> auf einer Insel auch dann zuvor hinzurichten wäre,<br />

wenn diese alle an<strong>der</strong>en Menschen verließen – auf dem Boden des Vergeltungs-<br />

o<strong>der</strong> Sühnestrafrechts, das sich scharf abgrenzt von <strong>der</strong> Auffassung<br />

<strong>der</strong> Strafe als einer kriminalpolitischen Maßregel <strong>der</strong> Sicherung und Besserung<br />

mit dem Zweck <strong>der</strong> sozialen Anpassung, die Hegel ebenso ablehnt<br />

wie die liberalistische Auffassung, <strong>der</strong> Staat habe die wesentliche Aufgabe,<br />

die Sicherheit und Entfaltung <strong>der</strong> Persönlichkeit und die Befriedigung <strong>der</strong><br />

Bedürfnisse zu garantieren. (Vgl. auch: A. A. Piontowski: Hegels Lehre über<br />

Staat und Recht und seine Strafrechtstheorie, Berlin 1960.) Festzuhalten<br />

ist aber, dass <strong>für</strong> Hegel das Verhältnis von Schuld und Strafe nur eine<br />

abstrakte Seite <strong>der</strong> Totalität des Lebenszusammenhangs ist und schon in<br />

den frühen Manuskripten untergeordnet wird dem Verhältnis von Schuld,<br />

Schicksal und Liebe (wobei Hegel diesen „echt philosophischen Standpunkt...,<br />

die Gesetzgebung überhaupt und ihre beson<strong>der</strong>n Bestimmungen<br />

nicht isoliert und abstrakt zu betrachten, son<strong>der</strong>n vielmehr als abhängiges<br />

Moment Einer Totalität...“ bei Montesquieu findet; Rechtsphilosophie, Einleitung,<br />

§ 3).<br />

108 Vgl. Rechtsphilosophie, § 150. Enzyklopädie, § 508. Phänomenologie, S.<br />

331, 429. Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte, S. 97. Der Geist des Christentums<br />

und sein Schicksal, Nohl, S. 294. Ästhetik, Bd. II, S. 549: „Das ursprünglich<br />

Tragische besteht nun darin, dass innerhalb solcher Kollision<br />

beide Seiten des Gegensatzes <strong>für</strong> sich genommen Berechtigung haben...“ –<br />

Zur Auffassung des Tragischen als totale Zerstörung <strong>der</strong> „Fugen des Sinnzusammenhanges,<br />

<strong>der</strong> Welt“ siehe: E. Staiger: Grundbegriffe <strong>der</strong> Poetik,<br />

Zürich 1959, S. 185<br />

109 Vgl. H. Glockner: Hegel, Bd. I, Stuttgart 1929, S. XII. – Auch N. Hartmann<br />

muss die Dialektik ablehnen, indem er die Konzeption <strong>der</strong> „realen<br />

Möglichkeit“ verwirft, die Möglichkeit nur im Kantischen Sinne als das wi<strong>der</strong>spruchsfrei<br />

Denkbare fasst und in <strong>der</strong> Kontroverse des Aristoteles mit<br />

den Megarikern über diese Frage auf <strong>der</strong>en Seite steht (vgl. Möglichkeit<br />

und Wirklichkeit, Meisenheim am Glan 1949, S. 181 ff.) und indem er die<br />

Stufenordnung des Seienden statisch versteht, während Hegel dagegen<br />

zwar nicht die natürliche Entwicklung <strong>der</strong> Stufen, aber doch ihr inneres,<br />

idelles Hervorgehen auseinan<strong>der</strong> anerkannte; vgl. Enzyklopädie, § 194. –<br />

Dass Hegel das Tragische als Moment <strong>der</strong> dialektischen Entwicklung anerkennt,<br />

heißt: er steht nicht auf dem aufklärerischen Standpunkt des geradlinigen<br />

Fortschritts und <strong>der</strong> ungebrochenen Vervollkommnung, wie ihn<br />

zum Beispiel – im Gegensatz zu Lessing (Die Erziehung, des Menschengeschlechts,<br />

§ 91, Sämtliche Schriften, Leipzig 1897, Bd. 13, S. 434: „Es ist


266<br />

nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist“) und zu Kant (<strong>der</strong><br />

gegen Lessings skeptischen Freund Mendelssohn voraussetzt ein Fortschreiten<br />

des menschlichen Geschlechts „zum Besseren in Ansehung des<br />

moralischen Zwecks seines Daseins“, das „zwar bisweilen unterbrochen,<br />

aber nie abgebrochen“ sein werde; Über den Gemeinspruch: Das mag in<br />

<strong>der</strong> Theorie richtig sein, taugt aber nicht <strong>für</strong> die Praxis, in: Kant, Gentz,<br />

Rehberg: Über Theorie und Praxis, Frankfurt a. M. 1967, S. 81) – Antoine<br />

de Condorcet (1793), <strong>der</strong> Gegner Robespierres und Anhänger <strong>der</strong> Girondisten,<br />

vertrat; über ihn vergleiche K. Löwith: Weltgeschichte und Heilsgeschehen,<br />

Stuttgart 1953, S. 87 ff. – Mit <strong>der</strong> Anerkennung <strong>der</strong> relativen<br />

Tragik entgeht Hegel im übrigen <strong>der</strong> Gefahr <strong>der</strong> (seit Theognis immer wie<strong>der</strong><br />

geübten) desperaten Aufbauschung und Fixierung des Zerfalls, <strong>der</strong><br />

„Dekadenz“ o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung einer bestimmten Entwicklungsstufe<br />

zum totalen Untergang. – Tragik liegt in gewisser Weise in je<strong>der</strong> endlichen<br />

Tätigkeit des Individuums, nämlich insofern, als das Individuum in<br />

seiner Tätigkeit zum Objektiven und zum Totalen im Gegensatz bleibt.<br />

110 Vgl. z. B. Enzyklopädie, § 254-261. Vorlesungen über die Geschichte<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 17, S. 329 ff. Phänomenologie, S. 81 f. – Es ist<br />

unbestreitbar: die Zeitbewegung zum Beispiel ist „Identität <strong>der</strong> Identität<br />

und Nichtidentität“: die auf eine bestimmte Sekunde folgende an<strong>der</strong>e Sekunde<br />

ist identisch mit <strong>der</strong> ersten – worin sollte nämlich ihre Differenz bestehen?<br />

–; und sie ist doch nicht identisch mit <strong>der</strong> ersten, denn die erste<br />

ist „vergangen“. Vgl. Logik, Bd II, S. 58: „... <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruch... ist die Wurzel<br />

aller Bewegung und Lebendigkeit; nur insofern etwas in sich selbst einen<br />

Wi<strong>der</strong>spruch hat, bewegt es sich, hat Trieb und Tätigkeit.“<br />

111 Rechtsphilosophie, § 139, 18, Zusatz. Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong><br />

<strong>der</strong> Religion, Werke, Bd. 16, S. 258 ff. Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte, S.<br />

48, 107, 116 f., 158 ff., 218 f. Philosophische Propädeutik I, § 78. Phänomenologie,<br />

S. 537 ff.<br />

112 Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Geschichte, Werke, Bd. ll, S. 413<br />

113 Phänomenologie, S. 536<br />

114 Ebenda, S. 539: „Die an<strong>der</strong>e Seite, das Böse, nimmt das Vorstellen als<br />

ein dem göttlichen Wesen fremdes Geschehen; es in demselben selbst, als<br />

seinen Zorn zu fassen, ist die höchste, härteste Anstrengung des mit sich<br />

selbst ringenden Vorstellens, die, da sie des Begriffs entbehrt, fruchtlos<br />

bleibt.“


267<br />

115 Rechtsphilosophie, § 29, 258. Enzyklopädie, § 98. Vorlesungen über die<br />

Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 19, S. 527 f., 552; S. 639: in <strong>der</strong><br />

mechanisch-abstrakten Bestimmung <strong>der</strong> Freiheit des Einzelnen und des<br />

Allgemeinen sieht Hegel eine Linie von Rousseau über Kant zu Fichte und<br />

dessen Naturrechtslehre, die Fichte unter dem Einfluss jakobinischer Anschauungen<br />

zusammenfasst in <strong>der</strong> „Grundlage des Naturrechts“ (1796) –<br />

in <strong>der</strong> die Institution des Ephorats eingeführt und das von Hegel abgelehnte<br />

Recht des Volkes auf Wi<strong>der</strong>stand begründet wird – und in <strong>der</strong> Utopie<br />

„Der geschlossene Handelsstaat“ (1800). – In diesem Zusammenhang ist<br />

zu berücksichtigen, dass Hegel die bürgerliche Gesellschaft – den „Not-<br />

und Verstandes-Staat“ (Rechtsphilosophie, § 183), <strong>der</strong> seinen Zweck in <strong>der</strong><br />

Sicherheit und dem Schutz „des Eigentums und <strong>der</strong> persönlichen Freiheit“<br />

hat (Rechtsphilosophie, § 258) – als „System <strong>der</strong> Atomistik“ charakterisiert<br />

(Enzyklopädie, § 523), d. h. als „Kampfplatz des individuellen Privatinteresses<br />

Aller gegen Alle“ im Sinne Hobbes’ (Rechtsphilosophie, § 289), über<br />

dem <strong>der</strong> Staat als die allgemeine wahre Vereinigung <strong>der</strong> Individuen zu stehen<br />

hat (Rechtsphilosophie, § 258). Zu Hegels Ablehnung <strong>der</strong> Konzeption<br />

des Gesellschaftsvertrags als „Einmischung... <strong>der</strong> Verhältnisse des Privateigentums...<br />

in das Staatsverhältnis“ (Rechtsphilosophie, § 75) vgl. schon<br />

den Naturrechtaaufsatz, Werke, Bd. 1, S. 525<br />

116 In diesem Sinne wurde Hegels Staatslehre vereinseitigt, verzerrt o<strong>der</strong><br />

umgefälscht von den faschistischen „Hegelianern“ S. Panunzio und G.<br />

Gentile, während sie dagegen von den nationalistischen Wortführern wie<br />

A. Rosenberg, E. Krieck, F. Böhm, C. Schmitt und A. Baeumler verworfen<br />

wurde, gerade weil sie mit dem Totalitarismus, <strong>der</strong> Glorifizierung des Völkischen<br />

und dem Führerkult unvereinbar ist; vgl. darüber H. Marcuse:<br />

Vernunft und Revolution, Neuwied am Rhein 1962, S. 354-368. Einen<br />

aussichtslosen Versuch, Hegel <strong>für</strong> den Nationalsozialismus aufzuwerten,<br />

unternehmen die Rechtstheoretiker J. Bin<strong>der</strong>, M. Busse, K. Larenz: Einführung<br />

in Hegels Rechtsphilosophie, Berlin 1931. Als Vermittlung zwischen<br />

einem antik platonischen und dem mo<strong>der</strong>nen Faschismus wird Hegels<br />

Staatslehre diffamiert von R. Popper: The open Society und its Enemies,<br />

Bd. 2, London 1945. Vgl. E. Topitsch: Hegel und das Dritte Reich; in:<br />

Der Monat, Juni 1966. – Auch auf eine an<strong>der</strong>e Seite des Problems sei hier<br />

nur hingewiesen: auf die fragwürdige Angleichung <strong>der</strong> Hegelschen Staatstheorie<br />

an den Bismarckschen Machtstaat sowie an seine theoretischen<br />

Repräsentanten – den späten Ranke und Treitschke –, und zwar durch H.<br />

Heller: Hegel und <strong>der</strong> rationale Machstaatgedanke in Deutschland, Berlin<br />

1921; F. Meinecke: Die Idee <strong>der</strong> Staatsraison in <strong>der</strong> neueren Geschichte,<br />

München 1924; F. Rosenzweig: Hegel und <strong>der</strong> Staat, 2 Bände, München,<br />

Berlin 1920 (S. XII: „Der harte und beschränkte Hegelsche Staatsgedanke...<br />

aus dem am 18. Januar 71 ,wie <strong>der</strong> Blitz aus dem Gewölke‘ die welt-


268<br />

geschichtliche Tat sprang...“). Als Macchiavellismus und Grundlegung des<br />

Imperialismus betrachtet Hegels Staatslehre – ähnlich wie Dewey und Santayana<br />

– F. Schnabel: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>t,<br />

Bd. 3, Freiburg 1950, S. 12 ff., ohne Beachtung dessen, dass <strong>der</strong> imperialistische<br />

Staat – im Gegensatz zu Hegels Auffassung vom Staat – sich typischerweise<br />

gerade zum Diener <strong>der</strong> Gesellschaftsinteressen macht (und<br />

zwar des Kampfes um den „Platz an <strong>der</strong> Sonne“ bei <strong>der</strong> Aufteilung <strong>der</strong><br />

Weltmärkte), was erst zum Beispiel Josiah Royce in seinem System des<br />

absoluten Idealismus gutheißt.<br />

117a Vgl. Kritik <strong>der</strong> praktischen Vernunft, Erstes Buch, Drittes Hauptstück,<br />

Gesammelte Schriften, Bd. V, Berlin 1908, S. 87. – Die auch als „Mittel“<br />

<strong>der</strong> Weltgeschichte bezeichneten Individuen sind <strong>für</strong> Hegel Selbstzweck<br />

„durch das Göttliche“, das in ihnen ist; Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte, S.<br />

76, 106<br />

117 Rechtsphilosophie, § 7, Zusatz<br />

118 Nohl, S. 26 f. – Dass Hegel die Praxis von vornherein unter gesellschaftlichem<br />

Aspekt sieht, heißt also: seine Fragestellung ist von vornherein<br />

nicht rein erkenntnistheoretisch orientiert.<br />

119 Ebenda, S. 223. Vgl. beson<strong>der</strong>s S. 227: „So hatte <strong>der</strong> Despotismus <strong>der</strong><br />

römischen Fürsten den Geist des Menschen von dem Erdboden verjagt,<br />

<strong>der</strong> Raub <strong>der</strong> Freiheit hatte ihn gezwungen, sein Ewiges, sein Absolutes in<br />

die Gottheit zu flüchten – das Elend, das er verbreitete, Glückseligkeit im<br />

Himmel zu suchen und zu erwarten. Die Objektivität <strong>der</strong> Gottheit ist mit<br />

<strong>der</strong> Verdorbenheit und Sklaverei <strong>der</strong> Menschen im gleichen Schritte gegangen...“<br />

– Beson<strong>der</strong>s sein Jugendfreund Höl<strong>der</strong>lin teilt mit Hegel den Enthusiasmus<br />

<strong>für</strong> die französische Revolution und die Hoffnung auf die Herstellung<br />

<strong>der</strong> Harmonie zwischen Individuum und Gesellschaft am Maßstab<br />

hellenischer Freiheit, und zwar nicht nur im „Hyperion“ („Ich kann kein<br />

Volk mir denken, das zerrissner wäre wie die Deutschen“, zitiert von Ruge<br />

im Brief an Marx in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“; Paris<br />

1844, S. 18), son<strong>der</strong>n darüberhinaus. Erinnert sei in diesem Zusammenhang<br />

an das Gedicht „An die Deutschen“: „... auch wir sind/ Tatenarm<br />

und gedankenvoll!/ Aber kommt, wie <strong>der</strong> Strahl aus dem Gewölke<br />

kommt,/ Aus Gedanken vielleicht, geistig und reif die Tat?“ (Sämtliche<br />

Werke, Bd. 2, Stuttgart 1951, S. 9).<br />

120 Vgl. z. B. Nohl, S. 211 f.; und S. 374 f., aus einem Entwurf, <strong>der</strong> schon<br />

aus <strong>der</strong> Frankfurter Zeit Hegels datiert: „Positiv wird ein Glauben genannt,<br />

in dem das Praktische theoretisch vorhanden ist – das ursprünglich Sub-


269<br />

jektive nur als ein Objektives, eine Religion, die Vorstellungen von etwas<br />

Objektivem, das nicht subjektiv werden kann, als Prinzip des Lebens und<br />

<strong>der</strong> Handlungen aufstellt... Der positive moralische Begriff ist fähig, den<br />

Charakter <strong>der</strong> Positivität zu verlieren, wenn die Tätigkeit, die er ausdrückt,<br />

selbst entwickelt wird und Kraft bekommt.“ Somit ist die Positivität zugleich<br />

ein Sediment <strong>der</strong> Zeit, eine Versteinerung <strong>der</strong> Vergangenheit, die mit<br />

<strong>der</strong> Hartnäckigkeit des Objektzwangs <strong>der</strong> lebendigen emanzipierenden<br />

Spontaneität wi<strong>der</strong>steht (und diese womöglich – so lässt sich extrapolieren<br />

– zur Funktion einer Konstellation degradiert). Auch <strong>der</strong> psychologischpädagogische<br />

Aspekt, dass autoritäre Erziehung die praktische Selbsttätigkeit<br />

zugunsten eines reaktiven sich einpassenden und „rollenkonformen“<br />

Verhaltens hemmt, ließe sich bruchlos in die Konzeption <strong>der</strong> Positivität<br />

hineinarbeiten. – In diesem Stadium seiner Entwicklung gesteht Hegel<br />

<strong>der</strong> Positivität noch nicht relative Notwendigkeit zu wie später <strong>der</strong> Entäußerung<br />

o<strong>der</strong> Entfremdung in ihrem voll ausgebildeten Begriff, d. h., um es<br />

paradox zu sagen; Hegel betrachtet noch nicht das Positive an dem Positiven.<br />

121 Nohl, S. 388 f. Über die Versöhnung des Schicksals durch die Liebe vgl.<br />

S. 283: „... Dies Gefühl des Lebens, das sich selbst wie<strong>der</strong>findet, ist die<br />

Liebe, und in ihr versöhnt sich das Schicksal...“ S. 293: „Die Liebe versöhnt<br />

aber nicht nur den Verbrecher mit dem Schicksal, sie versöhnt auch<br />

den Menschen mit <strong>der</strong> Tugend, d. h. wenn sie nicht das einzige Prinzip <strong>der</strong><br />

Tugend wäre, so wäre jede Tugend zugleich eine Untugend...“ Zuvor wird<br />

das Beispiel <strong>der</strong> Maria Magdalena angeführt, die kein „Automat ihrer Zeit“<br />

war und „durch Liebe zum schönsten Bewusstsein zurückkehren konnte.“<br />

– Vgl. W. Dilthey: Die Jugendgeschichte Hegels, in: Gesammelte Schriften,<br />

Bd. IV, Leipzig und Berlin 1921, S. 15: „Ähnlich hatte schon Schiller in<br />

seiner Rhapsodie die Liebe zum Mittelpunkt <strong>der</strong> moralischen Welt gemacht,<br />

und Höl<strong>der</strong>lin war ihm hierin gefolgt. Und in <strong>der</strong> Liebe hatte Lessing<br />

das Prinzip <strong>der</strong> Religion Christi erkannt.“ Dazu, dass Hegel in seinem<br />

Entwurf „Das Leben Jesu“ (1795) die Liebe noch dem moralischen Imperativ<br />

unterordnet (und nur diesen <strong>der</strong> äußeren positiven Autorität entgegen<br />

setzt, an <strong>der</strong> teilweise auch Jesus selbst noch im Unterschied zu Sokrates<br />

gehangen habe), vgl. a. a. 0., S. 21 ff. – Über den Zusammenhang von<br />

Handlung, Schuld und Schicksal siehe auch Phänomenologie, S. 330 ff.<br />

122 Nohl, S. 265 f.<br />

123 Ebenda, S. 387<br />

124 Ästhetik, Bd. I, S. 127: „Die Lebendigkeit muss erstens als Totalität eines<br />

leiblichen Organismus real sein, <strong>der</strong> aber zweitens nicht als ein Be-


270<br />

harrendes erscheint, son<strong>der</strong>n als in sich fortdauern<strong>der</strong> Prozess des Idealisierens,<br />

in welchem sich eben die lebendige Seele kundtut. Drittens ist diese<br />

Totalität nicht von außen her bestimmt und verän<strong>der</strong>lich, son<strong>der</strong>n aus<br />

sich heraus sich gestaltend und prozessierend und darin stets als subjektive<br />

Einheit und als Selbstzweck bezogen.“ Vgl. Enzyklopädie, § 216-222.<br />

Naturphilosophie, Werke, Bd. 9, S. 4.92 ff.<br />

125 Nohl, S. 346. Vgl. S. 383 f.<br />

126 Ebenda, S. 348. Vgl. Logik, Bd. I, S. 59<br />

127 Phänomenologie, S. 153<br />

128 „Phänomenologie, S. 157. Vgl. den Aufsatz über G. E. Schulze aus dem<br />

„Kritischen Journal <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>“: Verhältnis des Skeptizismus zur <strong>Philosophie</strong>,<br />

Werke, Bd. 1, S. 215 ff.<br />

129 Phänomenologie, S. 160. – Dass Jean Wahl in seiner Schrift „Le malheur<br />

de la conscience dans la <strong>Philosophie</strong> de Hegel“, Paris 1929, Hegel zu<br />

sehr von Kierkegaards Position her interpretierte, räumt er inzwischen<br />

selbst ein in: Quel avenir attend l’ homme?, Paris 1961, S. 313. In existentialistische<br />

Richtung geht generell auch die Interpretation von J. Hyppolite<br />

in: Genese et structure de la phénoménologie de l’ esprit de Hegel, Paris<br />

1956<br />

130 Ästhetik, Bd. I, S. 170; vgl. Bd. II, S. 256. – In <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft<br />

ist es das allgemeine Prinzip, dass die Individuen ihre Selbständigkeit<br />

durch eigene Arbeit erwerben (Rechtsphilosophie, § 244 f.). Dieses<br />

Prinzip tritt hervor mit <strong>der</strong> Auflösung des Mittelalters und dem Beginn de<br />

neuen Zeit, in <strong>der</strong> sich in den Städten Industrie, Gewerbe und Handel beleben<br />

und Vorrang vor dem Ackerbau gewinnen, und in <strong>der</strong> Buchdruckerkunst<br />

und Schießpulver – aber auch, so lässt sich hinzu fügen, die Mühlentriebwerke,<br />

die Destillationsapparate, das Achterru<strong>der</strong>, die Uhr und das<br />

Kummet – erfunden werden, Amerika entdeckt wird, das Studium des Altertums<br />

aufgenommen wird, <strong>der</strong> Tag <strong>der</strong> schönen Künste herein bricht<br />

und die Naturwissenschaften entstehen; vgl. Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong><br />

<strong>der</strong> Geschichte, Werke, Bd. 11, S. 487 ff. Ausgesprochen nützlichen<br />

Projekten widmeten sich im übrigen auch die Akademien, darunter die im<br />

17. Jahrhun<strong>der</strong>t gegründeten Royal Society und Académie Royal des<br />

Sciences; die deutschen Akademien machten sich beson<strong>der</strong>s die Untersuchung<br />

des Bergbaus und <strong>der</strong> Landwirtschaft zur Aufgabe.<br />

131 Phänomenologie, S. 266


132 Ebenda, S. 270<br />

271<br />

133 Ästhetik, Bd. II, S. 574; Bd. I, S. 194<br />

134 Phänomenologie, S. 298<br />

135 Ebenda, S. 462 f. – Dass hiermit vor allem Novalis gemeint ist, <strong>der</strong><br />

Schüler Fichtes in Jena, <strong>der</strong> in seiner Schrift „Die Christenheit o<strong>der</strong> Europa“<br />

(1799) in geradezu unüberbietbarer Weise die Abkehr vom unschönen<br />

als gottlos diskreditierten Leben <strong>der</strong> Revolutionszeit proklamiert, geht hervor<br />

aus den Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd.<br />

19, S. 644. Aber den Typus <strong>der</strong> wirklichkeitsfremden romantischen Subjektivität<br />

und des verstiegenen Rückzugs aus <strong>der</strong> gegenwärtigen Welt<br />

(wenn nicht <strong>der</strong> Natur, so doch <strong>der</strong> Geschichte) – <strong>der</strong> als Rückzug aus <strong>der</strong><br />

Welt gerade die Bindung an sie ist – repräsentiert <strong>für</strong> Hegel auch beson<strong>der</strong>s<br />

Friedrich Schlegel, dessen „Lucinde“ (1799) von Hegels Antipoden<br />

Schleiermacher in einer anonymen Schrift verteidigt wird und <strong>für</strong> den sich<br />

später nach seiner Konversion Hegels <strong>Philosophie</strong> als „Verneinungsphilosophie“<br />

und atheistischer „philosophischer Satanismus“ darstellt (Philosophische<br />

Vorlesungen, Bonn 1837, Bd. II, S. 497). – In <strong>der</strong> Ablehnung <strong>der</strong><br />

romantischen welt- und substanzlosen und darum bildungswidrigen Innerlichkeit<br />

ist mit Hegel Goethe einig; er bezieht sich auf den enzyklopädischen<br />

Inhaltsreichtum <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong>: „Wo Objekt und Subjekt<br />

sich berühren, da ist Leben; wenn Hegel mit seiner Identitätsphilosophie<br />

sich mitten zwischen Objekt und Subjekt hineinstellt und diesen<br />

Platz behauptet, so wollen wir ihn loben.“ (Goethes Gespräche, Bd. III,<br />

Leipzig 1909, S. 428. Vgl. K. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart<br />

1964, S. 20)<br />

136 Phänomenologie, S. 455<br />

137 Enzyklopädie, § 469; vgl. § 481, 485. Philosophische Propädeutik III, §<br />

180. Rechtsphilosophie, § 258, 21, 13<br />

138 Rechtsphilosophie, § 187<br />

139 Enzyklopädie, § 481: „Der wirkliche freie Wille ist die Einheit des theoretischen<br />

und praktischen Geistes...“ Vgl. § 485. Die <strong>Philosophie</strong> des Geistes,<br />

Werke, Bd. 10, § 481, S. 379; § 443, Zusatz, S. 303 f.<br />

140 Enzyklopädie, § 482<br />

141 Vgl. Enzyklopädie, § 386 483


272<br />

142 Ästhetik, Bd. I, S. 106 f. Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>,<br />

Einleitung, Werke, Bd. 17, S. 52: „. . . frei ist, was nicht auf ein An<strong>der</strong>es<br />

sich bezieht, nicht von ihm abhängig ist... Im Willen hat man bestimmte<br />

Zwecke, bestimmtes Interesse... Nur im Denken ist alle Fremdheit<br />

durchsichtig, verschwanden; <strong>der</strong> Geist ist hier auf absolute Weise frei.<br />

Damit ist das Interesse <strong>der</strong> Idee, <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> zugleich ausgesprochen.“<br />

Vgl. Logik, Vorrede, Bd. I, S. 14<br />

142a Rechtsphilosophie, § 22<br />

143 Philosophische Propädeutik I, Erläuterungen zur Einleitung, § 7. Vgl.<br />

Enzyklopädie, § 469: „Der Geist als Wille weiß sich als sich in sich beschließend<br />

und sich aus sich erfüllend... Als sich selbst den Inhalt gebend,<br />

ist <strong>der</strong> Wille bei sich, frei überhaupt; dies ist sein bestimmter Begriff...“<br />

144 Philosophische Propädeutik I, Erläuterungen zur Einleitung, § 15; vgl. §<br />

7<br />

145 Ebenda; § 9<br />

146 Logik, Bd. II, S. 477 f.<br />

147 Ebenda, S. 479 f. Enzyklopädie, § 234: „Die Endlichkeit dieser Tätigkeit<br />

ist daher <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruch, dass in den selbst wi<strong>der</strong>sprechenden Bestimmungen<br />

<strong>der</strong> objektiven Welt <strong>der</strong> Zweck des Guten ebenso ausgeführt wird<br />

als auch nicht... Dieser Wi<strong>der</strong>spruch stellt sich als <strong>der</strong> unendliche Progress<br />

<strong>der</strong> Verwirklichung des Guten vor, das darin nur als ein Sollen fixiert ist...“<br />

Vgl. zur Stufe des subjektiven Geistes: Enzyklopädie, § 470<br />

148 Vgl. Logik, Bd. II, S. 481: „Der praktischen Idee dagegen gilt diese Wirklichkeit,<br />

die ihr zugleich als unüberwindliche Schranke gegenübersteht,<br />

als das an und <strong>für</strong> sich Nichtige, das erst seine wahrhafte Bestimmung<br />

und einzigen Wert durch die Zwecke des Guten erhalten solle. Der Wille<br />

steht daher <strong>der</strong> Erreichung seines Ziels nur selbst im Wege dadurch, dass<br />

er sich von dem Erkennen trennt und die äußerliche Wirklichkeit <strong>für</strong> ihn<br />

nicht die Form des wahrhaft Seienden erhält; die Idee des Guten kann daher<br />

ihre Ergänzung allein in <strong>der</strong> Idee des Wahren finden.“<br />

149 Vgl. K. Löwith: Gesammelte Abhandlungen, Stuttgart 1960, S. 243 ff.<br />

150 Ästhetik, Bd. I, S. 41. Die hier zum Ausdruck kommende spezifisch teleologisch-idealistische<br />

Konzeption übergeht Ernst Fischer: Kunst und Koexistenz,<br />

Hamburg 1966, S. 38 f. – Vgl. Rechtsphilosophie, § 197: durch


273<br />

die Arbeit entwickelt sich „die Bildung des Verstandes überhaupt, damit<br />

auch <strong>der</strong> Sprache.“ Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>,<br />

Werke, Bd. 17, S. 50: „Alles Erkennen, Lernen, Wissenschaft, selbst Handeln<br />

beabsichtigt weiter nichts, als das was innerlich, an sich ist, aus sich<br />

heraus zu ziehen, und sich gegenständlich zu werden.“<br />

151 Vgl. z.B. Enzyklopädie, § 425. Philosophische Propädeutik II, § 23. Die<br />

<strong>Philosophie</strong> des Geistes, Werke, Bd. 10, § 443, Zusatz, S. 302<br />

152 Vgl. Phänomenologie, S. 558, 19. – Dass <strong>für</strong> Heidegger gerade in dieser<br />

„Herrschaft des Geistes“, in <strong>der</strong> das „Sein zur Gegenständlichkeit des Gegenstandes“<br />

und das „Wesen zur Wesentlichkeit <strong>für</strong> den Geist o<strong>der</strong> den<br />

Willen“ wird, <strong>der</strong> „Verfall“ des Denkens liegt, dazu siehe: M. Müller, Existenzphilosophie<br />

im geistigen Leben <strong>der</strong> Gegenwart, 2. Aufl., Heildelberg<br />

1958, S. 92 f.<br />

153 Phänomenologie, S. 32<br />

154 Ebenda, S. 290, 284. – Bedeutende För<strong>der</strong>nis durch ein einziges geistreiches<br />

Wort, Cotta-Ausgabe, Bd. 40, 1840, S. 444 f.<br />

154a Vgl. Nikomachische Ethik, III, 7. Durch das Handeln wird also aus <strong>der</strong><br />

unbestimmten Fähigkeit eine bestimmte konstitutionelle Fähigkeit, und<br />

zwar im Guten o<strong>der</strong> im Schlechten.<br />

155 Phänomenologie, S. 559, 20. Logik, Bd. I, S. 56. – Dazu, dass das „Vorwärtsgehen<br />

ein Rückgang in den Grund“ ist, vgl. auch: Logik, Bd. I, S. 55<br />

156 Vgl. dazu E. Bloch: Subjekt-Objekt, Berlin 1951, S. 467 ff.<br />

157 Vgl. Aristoteles, Physik, II, 8. – Nicolai Cusae Cardinalis Opera, Parisiis<br />

1514, I. Unverän<strong>der</strong>ter Nachdruck, Frankfurt a. M. 1962. Idiotae de mente<br />

liber tertius, cap. II. Dazu die Übersetzung: Der Laie über den Geist, Hamburg<br />

1949, S. 13: „Der Laie nahm einen Löffel in die in Hand und sagte:<br />

Der Löffel hat außer <strong>der</strong> Idee in unserem Geiste kein weiteres Urbild. Und<br />

wenn auch <strong>der</strong> Bildhauer o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Maler seine Vorbil<strong>der</strong> den Dingen entnimmt,<br />

die er nachzugestalten sich müht, so tue ich das doch nicht, ich,<br />

<strong>der</strong> ich aus Holzstücken Löffel, sowie Schalen und Töpfe aus Ton hervorbringe.<br />

Dabei ahme ich nämlich nicht die Gestalt irgendeines Naturdinges<br />

nach...“ Siehe auch: De Beryllo, a. a. 0., cap. VI. – Vgl. dazu: H. Blumenberg:<br />

Nachahmung <strong>der</strong> Natur, Zur Vorgeschichte <strong>der</strong> Idee des schöpferischen<br />

Menschen, in: Studium Generale 1957, Heft 2. Was die politischkirchliche<br />

Praxis des lebenslang tätigen Cusanus betrifft, so habe er sie


274<br />

immer weniger aus <strong>der</strong> umfassenden Theorie begründet, behauptet K.<br />

Jaspers: Nikolaus Cusanus, München 1968, S. 199 f., 227 f. Siehe dazu<br />

auch Gerhard Kallen: Die politische Theorie im philosophischen System<br />

des Nikolaus von Kues, Historische Zeitschrift, München 1942, Bd. 165, S.<br />

246 ff. – Man wird sagen können, dass Hegel letztlich die Vernunft wie ein<br />

Naturgesetz ansieht und die Geschichte noch in Analogie setzt mit <strong>der</strong> Natur<br />

– was Äußerungen zeigen wie diese: „... und wie <strong>der</strong> Keim die ganze Natur<br />

des Baumes... in sich trägt, so enthalten auch schon die ersten Spuren<br />

des Geistes virtualiter die ganze Geschichte“ (Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong><br />

<strong>der</strong> Geschichte, Einleitung, Werke, Bd. 11, S. 45) –, wenn Hegel<br />

auch immer wie<strong>der</strong> hervorhebt, dass nur <strong>der</strong> Mensch in seiner Verwirklichung<br />

das Subjekt ist, das seine Entwicklung begreift.<br />

158 Phänomenologie, S. 287. – Zur Problematik des Anfangs <strong>der</strong> künstlerisch<br />

darzustellenden Handlung vgl.: Ästhetik, Bd. I, S. 215 f.<br />

159 Phänomenologie, S. 288<br />

160 Logik, Bd. I, S. 52<br />

161 Ästhetik, Bd. I, S. 67. Vgl. Naturphilosophie, Einleitung, Werke, Bd. 9,<br />

S. 36 f.<br />

162 Vgl. Logik, Bd. II, S. 390. Enzyklopädie, § 212<br />

163 Glauben und Wissen, Werke, Bd. 1, S. 419 f. Vgl. auch Schiller: Über<br />

die ästhetische Erziehung des Menschen, 13. Brief<br />

164 Vgl. Enzyklopädie, § 55-60, 204. Logik, Bd. II, S. 387 ff. Phänomenologie,<br />

S. 22. Ästhetik, Bd. I, S. 65 ff. Glauben und Wissen, Werke, Bd. 1, S.<br />

315 ff.; ebenda, S. 419, zu Fichtes Teleologie: sie ist <strong>der</strong> Form nach <strong>der</strong><br />

älteren Teleologie <strong>der</strong> Endlichkeit verhaftet, insofern sie den Gegensatz von<br />

Zweckbestimmtheit und Naturkausalität nicht wahrhaft überwindet, son<strong>der</strong>n<br />

die Subjekt-Objekt-Einheit nur als die schlechte Unendlichkeit des<br />

Sollens bestehen lässt. (Vgl. zur endlichen Teleologie auch: Vorlesungen<br />

über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 19, S. 638.) – Mit großer<br />

Berechtigung kann Hegel hinsichtlich seiner Konzeption <strong>der</strong> inneren<br />

Zweckmäßigkeit bis zu Aristoteles zurück gehen: <strong>der</strong> unbewegte Beweger,<br />

<strong>der</strong> „in <strong>der</strong> Weise eines Geliebten“ alles in Bewegung hält, und die inneren<br />

Formen <strong>der</strong> Natur sind das „zweckmäßige Tun“. „... <strong>der</strong> Zweck ist das Unmittelbare,<br />

Ruhende, das Unbewegte, welches selbst bewegend ist; so ist<br />

es Subjekt“ (Phänomenologie, Vorrede, S. 22). Vgl. Aristoteles: Metaphysik,<br />

XI, 7


275<br />

165 Kritik <strong>der</strong> Urteilskraft, § 76. Zu Hegels Beurteilung vgl.: Differenz des<br />

Fichteschen und Schellingschen Systems <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 1, S.<br />

132: „... Die Betrachtungsart bleibt also ein durchaus Subjektives und die<br />

Natur ein rein Objektives, ein bloß Gedachtes. Die Synthese <strong>der</strong> durch den<br />

Verstand bestimmten und zugleich unbestimmten Natur in einem sinnlichen<br />

Verstand soll zwar eine bloße Idee bleiben...“ – Dass <strong>für</strong> Hegel auch<br />

in Kants transzendentalem Prinzip <strong>der</strong> Deduktion <strong>der</strong> Kategorien <strong>der</strong> Geist<br />

<strong>der</strong> Spekulation zum Ausdruck kommt, dazu vgl.: ebenda, S. 33 f.<br />

166 Schelling: System des transzendentalen Idealismus, Hamburg 1957, S.<br />

36<br />

167 Ebenda, S. 297<br />

168 Ebenda, S. 36<br />

169 Phänomenologie, S. 16. Naturphilosophie, Einleitung, Werke, Bd. 9, S.<br />

41 f. – Vgl. Schelling: Vorlesungen über die Methode des akademischen<br />

Studiums (1802), 6. Vorlesung, Schellings Werke, Bd. 3, München 1927,<br />

S. 288 f. – An Schelling nähert die Hegelsche Dialektik N. Hartmann an,<br />

<strong>für</strong> den sich aus ihr „nicht eine allgemein zugängliche Methode <strong>der</strong> philosophischen<br />

Forschung machen lässt.“ (Die <strong>Philosophie</strong> des deutschen Idealismus,<br />

Berlin 1960, S. 380)<br />

170 Phänomenologie, S. 25<br />

171 Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>,<br />

Werke, Bd. 1, S. 35, 76. Zu Fichtes Versuch <strong>der</strong> Ableitung <strong>der</strong> Kategorien<br />

vgl.: Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 19, S.<br />

615 ff.<br />

172 Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>,<br />

Werke, Bd. 1, S. 93 f.<br />

173 Glauben und Wissen, Werke, Bd. 1, S. 419. Vgl. Vorlesungen über die<br />

Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 19, S. 637 f.<br />

174 Ebenda, S. 624 ff.<br />

175 Ebenda, S. 634<br />

176 Ästhetik, Bd. I, S. 69. Vgl. Enzyklopädie, § 55. Die Einseitigkeit <strong>der</strong><br />

Wendung ausschließlich nach innen o<strong>der</strong> nach außen wird im ästheti-


276<br />

schen Humanismus allgemein anerkannt und z. B. in den Gestalten von<br />

Tasso und Antonio in Goethes Drama beson<strong>der</strong>s manifest.<br />

177 Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, Schillers Werke,<br />

Bd. 20, Weimar 1962, 14. und 15. Brief, S. 352-360. (Vgl. Ästhetik, Bd.<br />

1, S. 70)<br />

178 Ebenda, 6. Brief, S. 323. Vgl. S. 322: „... wir sehen nicht bloß einzelne<br />

Subjekte, son<strong>der</strong>n ganze Klassen von Menschen nur einen Teil ihrer Anlagen<br />

entfalten, während dass die übrigen, wie bei verkrüppelten Gewächsen,<br />

kaum mit matter Spur angedeutet sind.“<br />

179 Ebenda, 6. Brief, S. 332 ff.<br />

180 Vgl. Logik, Bd. II, S. 483 f., Enzyklopädie, § 235 f.<br />

181 Siehe Hegels Polemik gegen Schelling in <strong>der</strong> Vorrede <strong>der</strong> Phänomenologie,<br />

S. 19: das Absolute „<strong>für</strong> die Nacht auszugeben, worin, wie man zu sagen<br />

pflegt, alle Kühe schwarz sind, ist die Naivität <strong>der</strong> Leere an Erkenntnis.“<br />

Vgl. zu Schellings „Entfernung aller Gegensätze“ aus dem Absoluten:<br />

Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums (1802), 6. Vorlesung,<br />

Schellings Werke, Bd. 3, München 1927, S. 297; und: Bruno<br />

(1802), ebenda, S. 132 ff. – Zur Vorgeschichte des Koinzidenzprinzips siehe<br />

E. Hoffmann: Nikolaus von Cues, Über den Beryll, Einführung, Leipzig<br />

1938<br />

182 Enzyklopädie, § 215. Vgl. dazu die Stufe des subjektiven Geistes:,...Ich<br />

ist es selbst und greift über das Objekt als ein a n s i c h aufgehobenes<br />

über, ist E i n e Seite des Verhältnisses und das g a n z e Verhältnis...“<br />

(Ebenda, § 413)<br />

183 Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Einleitung, Werke,<br />

Bd. 17, S. 83<br />

184 Phänomenologie, Vorrede, S. 49 ff. Vgl. Enzyklopädie, § 215<br />

185 Phänomenologie, Vorrede, S. 50. – Da das Wesentliche im Prädikat erhalten<br />

ist, kann in <strong>der</strong> Logik auf die Form des Urteils verzichtet werden;<br />

wir finden dort dementsprechend Kategorien; vgl. Enzyklopädie, § 85, 31,<br />

169<br />

186 Phänomenologie, S. 69


187 Ebenda, S. 32<br />

188 Ebenda, S. 71 f.<br />

277<br />

189 Rechtsphilosophie, Vorrede, S. 35. Vgl. zur Verbindung von Kreuz und<br />

Rose bei Hegel und Goethe sowie bei Luther und den Rosenkreuzern: K.<br />

Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 28 ff. – Zu Hegels<br />

Bestreitung <strong>der</strong> „Wirklichkeit <strong>der</strong> praktischen <strong>Philosophie</strong>“ siehe auch: K.<br />

H. Scheidler: Hegelsche <strong>Philosophie</strong> und Schule, in: Staatslexikon o<strong>der</strong><br />

Enzyklopädie <strong>der</strong> Staatswissenschaften, hrsg. v. Carl v. Rotteck und Carl<br />

Welcker, Bd. 7, Altona 1839, S. 634<br />

190 Rechtsphilosophie, Vorrede, S. 36 f. – Zur Entstehung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

aus dem Bedürfnis, eine wirkliche Entzweiung und Krise zu überwinden,<br />

vgl.: Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>,<br />

Werke, Bd. 1, S. 46: „Wenn die Macht <strong>der</strong> Vereinigung aus dem Leben<br />

<strong>der</strong> Menschen verschwindet und die Gegensätze ihre lebendige Beziehung<br />

und Wechselwirkung verloren haben und Selbständigkeit gewinnen,<br />

entsteht das Bedürfnis <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>.“ Vorlesungen über die Geschichte<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 17, S. 32 f.: „Die <strong>Philosophie</strong> fängt an mit dem<br />

Untergange einer reellen Welt; wenn sie auftritt mit ihren Abstraktionen,<br />

Grau in Grau malend, so ist die Frische <strong>der</strong> Jugend, <strong>der</strong> Lebendigkeit<br />

schon fort; und es ist ihre Versöhnung eine Versöhnung nicht in <strong>der</strong> Wirklichkeit,<br />

son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> ideellen Welt.“ Vgl. Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong><br />

<strong>der</strong> Religion, Werke, Bd. 16, S. 355<br />

191 Rechtsphilosophie, Vorrede, S. 33<br />

192 Vgl. E. Weil: Hegel et l’ Etat, Paris 1950, S. 17 ff.<br />

193 R. Haym: Hegel und seine Zeit, Berlin 1857, S. 366. Vgl. dazu: J. Ritter:<br />

Hegel und die französische Revolution, Frankfurt 1965, S. 7 ff.<br />

194 Enzyklopädie, § 6. Rechtsphilosophie, § 270, Zusatz: „... was wirklich<br />

ist, ist in sich notwendig.“ Rechtsphilosophie, Vorrede, S. 34: „Die unendlich<br />

mannigfaltigen Verhältnisse aber, die sich in dieser Äußerlichkeit,<br />

durch das Scheinen des Wesens in sie, bilden, dieses unendliche Material<br />

und seine Regulierung, ist nicht Gegenstand <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>.“<br />

195 Rechtsphilosophie, § 258<br />

196 Rechtsphilosophie, § 209


197 Briefe, Bd. I, 3. 24<br />

278<br />

198 Aus den vertraulichen Briefen über das vormalige staatsrechtliche Verhältnis<br />

des Wadtlandes (Pays de Vaud) zur Stadt Bern. Politische Schriften,<br />

S. 8<br />

199 Vgl. J. Habermas: Nachwort, Politische Schriften, S. 353 ff. – Siehe aber<br />

dazu Hegels Brief vom 9. II. 1797 an Nanette Endel: „... und da ich finde,<br />

dass es eine völlig undankbare Arbeit sein würde, den Menschen hier ein<br />

Beispiel <strong>der</strong> Art zu geben, und dass <strong>der</strong> heilige Antonius von Padua sicherlich<br />

mehr ausgerichtet hat, da er den Fischen predigte, als ich hier durch<br />

ein solches Leben je ausrichten würde, so habe ich mich nach reiflicher<br />

Überlegung entschlossen, an diesen Menschen nicht bessern zu wollen, im<br />

Gegenteil mit den Wölfen zu heulen...“ (Briefe, Bd. I, S. 49)<br />

200 Politische Schriften, S. 12<br />

201 Vgl. dazu G. Lukács: Der junge Hegel, Berlin 1954, S. 169 f.<br />

202 Politische Schriften, S. 17. Die Kritik und die Belehrung knüpfen also –<br />

unter Ausschaltung subjektiver Willkür – an die beson<strong>der</strong>en Gegensätze<br />

an, die sich allmählich innerhalb des Bestehenden selbst entwickeln und<br />

die die Allgemeinheit des Bestehenden zur Beson<strong>der</strong>heit herab setzen (vor<br />

allem das Staatsrecht zum Privatrecht). Dies wird mit Recht betont von H.<br />

Popitz (Der entfremdete Mensch, Basel 1953, S. 37 ff.), <strong>der</strong> aber inhaltlich<br />

nicht differenziert, indem er behauptet – entsprechend seiner allgemeinen<br />

Tendenz, Marx auf Hegel zurück zu führen –, dass Marx „dieselben Fragen<br />

wie<strong>der</strong> aufnimmt und in ähnlicher Weise beantwortet“ (S. 37).<br />

203 Politische Schriften, S. 193. Vgl. auch Hegels Einschätzung Macchiavellis<br />

in Hinblick auf den geschichtlichen Zustand Italiens, nämlich die staatliche<br />

Zersplitterung und die Aufgabe <strong>der</strong> Herstellung <strong>der</strong> italienischen<br />

Einheit: „Schon <strong>der</strong> Zweck, den Macchiavell voransetzt, Italien zu einem<br />

Staat zu erheben, wird von <strong>der</strong> Blindheit verkannt, die nichts als eine<br />

Gründung von Tyrannei, einen goldnen Spiegel <strong>für</strong> einen ehrgeizigen Unterdrücker<br />

in Macchiavells Werk erkennt... Hier kann aber von keiner<br />

Wahl <strong>der</strong> Mittel die Rede sein, brandige Glie<strong>der</strong> können nicht mit Lavendelwasser<br />

geheilt werden.“ (Ebenda, S. 114)<br />

204 Ebenda, S. 25<br />

205 Briefe, Bd. I, S. 120 und S. 185. (Briefe an Niethammer vom 13. X.<br />

1806 und 29. VIII. 1807)


206 Phänomenologie, S. 15<br />

207 Dokumente, S. 352<br />

208 Phänomenologie, S. 422<br />

279<br />

209 Vgl. Vorrede, Werke, Bd. 17, S. 20 f.: „...die Not <strong>der</strong> Zeit und das Interesse<br />

<strong>der</strong> großen Weltbegenbenheiten... hat auch unter uns eine gründliche<br />

und ernste Beschäftigung mit <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> zurückbedrängt... Lassen<br />

Sie uns gemeinschaftlich die Morgenröte einer schöneren Zeit begrüßen,<br />

worin <strong>der</strong> bisher nach außen gerissene Geist in sich zurückkehren<br />

und zu sich selbst zu kommen vermag...“ Rede zum Antritt des philosophischen<br />

Lehramtes an <strong>der</strong> Universität Berlin, 22. Oktober 1818; Berliner<br />

Schriften, herausgegeben von J. Hoffmeister, Hamburg 1956, S. 4: „Nun,<br />

nachdem dieser Strom <strong>der</strong> Wirklichkeit gebrochen und die deutsche Nation<br />

überhaupt ihre Nationalität, den Grund alles lebendigen Lebens, gerettet<br />

hat, so ist dann die Zeit eingetreten, dass in dem Staate neben dem Regiment<br />

<strong>der</strong> wirklichen Welt auch das freie Reich des Gedankens selbständig<br />

emporblühe.“ (Im Original teilweise gesperrt.) – Vorrede zur zweiten<br />

Auflage <strong>der</strong> Logik (1831), Bd. I, S. 22: „So aber musste <strong>der</strong> Verfasser... sich<br />

mit dem begnügen, was es hat werden mögen... sogar unter dem Zweifel,<br />

ob <strong>der</strong> laute Lärm des Tages und die betäubende Geschwätzigkeit <strong>der</strong> Einbildung,<br />

die auf denselben sich zu beschränken eitel ist, noch Raum <strong>für</strong><br />

die Teilnahme an <strong>der</strong> leidenschaftslosen Stille <strong>der</strong> nur denkenden Erkenntnis<br />

offen lasse.“ – Vgl. auch Hegels Brief an Göschel vom 13. XII.<br />

1830 (Briefe, Bd. III, S. 323 f.) und den Brief-Entwurf an Rakow vom 30.<br />

III. 1831 (Briefe, Bd. III, S. 337) sowie die Charakterisierung des Jünglings<br />

und des Mannesalters in <strong>der</strong> Enzyklopädie, § 396 (mit Zusatz), und den<br />

Schluss <strong>der</strong> Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Religion: „Aber diese<br />

Versöhnung ist selbst nur eine partielle ohne äußere Allgemeinheit, die<br />

<strong>Philosophie</strong> ist in dieser Beziehung ein abgeson<strong>der</strong>tes Heiligtum und ihre<br />

Diener bilden einen isolierten Priesterstand, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Welt nicht zusammengehen<br />

darf und das Besitztum <strong>der</strong> Wahrheit zu hüten hat. Wie<br />

sich die zeitliche, empirische Gegenwart aus ihrem Zwiespalt herausfinde,<br />

wie sie sich gestalte, ist ihr zu überlassen und ist nicht die unmittelbar<br />

praktische Sache und Angelegenheit <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>.“ (Werke, Bd. 16, S.<br />

356). – Vom Standpunkt <strong>der</strong> konstitutionellen Monarchie wirft Hegel in <strong>der</strong><br />

Schrift „Verhandlungen in <strong>der</strong> Versammlung <strong>der</strong> Landstände des Königreichs<br />

Württemberg im Jahre 1815 und 1816“ (1817) den Landständen<br />

vor, die Jahre seit <strong>der</strong> französischen Revolution „verschlafen“ zu haben<br />

und nichts gelernt zu haben aus <strong>der</strong> Erfahrung, „dass das Extrem des steifen<br />

Beharrens auf dem positiven Staatsrechte eines verschwundenen Zu-


280<br />

standes, und das entgegengesetzte Extrem einer abstrakten Theorie und<br />

eines seichten Geschwätzes, gleichmäßig die Verschanzungen <strong>der</strong> Eigensucht<br />

und die Quellen des Unglücks in jenem Lande und außer demselben<br />

gewesen sind.“ (Politische Schriften, S. 184 f.) – In Hegels letzter Schrift<br />

„Über die englische Reformbill“ (1831) werden die Reformen zwar als berechtigt<br />

allgemein anerkannt, obgleich ihr Prinzip „in seiner Konsequenz<br />

durchgeführt... mehr eine Revolution als eine bloße Reform“ sein würde<br />

(Politische Schriften, S. 302); zugleich aber werden sie angesehen als Ausdruck<br />

<strong>der</strong> Zurückgebliebenheit <strong>der</strong> englischen Verhältnisse im Vergleich<br />

zu den wirklichen Zuständen <strong>der</strong> kontinentalen Staaten, beson<strong>der</strong>s Preußens<br />

(ebenda, S. 283).<br />

210 Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Geschichte, Werke, Bd. 11, S.<br />

556<br />

211 Ebenda, S. 554 f.<br />

212 Ebenda, S. 562 f.: „Es ist so wie<strong>der</strong> ein Bruch geschehen, und die Regierung<br />

ist gestürzt worden... Der Wille <strong>der</strong> vielen stürzt das Minesterium<br />

und die bisherige Opposition tritt nunmehr ein; aber diese, insofern sie<br />

jetzt Regierung ist, hat wie<strong>der</strong> die vielen gegen sich. So geht die Bewegung<br />

und Unruhe fort. Diese Kollision, dieser Knoten, dieses Problem ist es, an<br />

dem die Geschichte steht, und den sie in künftigen Zeiten zu lösen hat.“ –<br />

Zu Hegels Kontroverse mit seinem liberalen Schüler Eduard Gans, dem<br />

Lehrer Marxens und Gegner Hugos und Savignys (vgl. Gans: Das Erbrecht<br />

in weltgeschichtlicher Entwicklung, Bd. I, Berlin 1824, S. XII f.), <strong>der</strong> sich<br />

dem Saint-Simonismus näherte (vgl. Gans: Rückblicke auf Personen und<br />

Zustände, Berlin 1836, S. 99 ff.), siehe F. Rosenzweig: Hegel und <strong>der</strong><br />

Staat, München/Berlin 1920, Bd. 11, S. 218 ff.<br />

213 Heines Schriften werden zitiert nach folgen<strong>der</strong> Ausgabe: Heinrich Heine:<br />

Werke und Briefe in zehn Bänden. Herausgegeben von H. Kaufmann,<br />

Berlin 1961-1964. (Später abgekürzt als: Werke) Zur Geschichte <strong>der</strong> Religion<br />

und <strong>Philosophie</strong> in Deutschland, Werke, Bd. 5, S. 303<br />

214 Vgl. die Rezension: „Die deutsche Literatur“. Von Wolfgang Menzel,<br />

Werke, Bd. 4, S: 236 ff.<br />

215 Zur Geschichte <strong>der</strong> Religion und <strong>Philosophie</strong> in Deutschland, Werke,<br />

Bd. 5, S. 200-202. – Offensichtlich gründet Heines Entwurf des Spiritualismus<br />

in Hegels Unterscheidung zwischen <strong>der</strong> sinnlichen „Naturreligion“<br />

sowie <strong>der</strong> „Religion <strong>der</strong> Schönheit“ einerseits und <strong>der</strong> unsinnlichen jüdisch-christlichen<br />

Religion an<strong>der</strong>erseits.


281<br />

216 Ebenda, S. 193. Vgl. Die romantische Schule, Werke, Bd. 5, S. 16 ff.;<br />

Ludwig Börne, Werke, Bd. 6, S. 119 f.; Reisebil<strong>der</strong>, Die Stadt Lucca, Werke,<br />

Bd. 3, S. 376; Elementargeister, Werke, Bd. 5, S. 346, 353 f. Die Götter<br />

im Exil, Werke, Bd. 7, S. 57 ff. Siehe dazu auch: P. Meinhold, Heinrich<br />

Heine als Kritiker seiner Zeit, in: Zeitschrift <strong>für</strong> Religions- und Geistesgeschichte,<br />

VIII. Jahrg., 1956, S. 324 ff.; E. Benz: Hegels Religionsphilosophie<br />

und die Linkshegelianer, ebenda, VII. Jahrg., 1955, S. 247 ff.<br />

217 Vgl. Ludwig Börne (1839), Werke, Bd. 6, S.94 ff.<br />

218 Zur Geschichte <strong>der</strong> Religion und <strong>Philosophie</strong> in Deutschland, Werke,<br />

Bd. 5, S. 230 f. – Dass Heines Sensualismus einen religiösen Kern behält,<br />

<strong>der</strong> ihm später seine „Bekehrung“ erleichtert, darüber vgl. G. Lukács:<br />

Heinrich Heine als nationaler Dichter, in: Deutsche Realisten des 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts, Berlin 1952, S. 116 ff.<br />

219 Ebenda, S. 231<br />

220 Ebenda, S. 215<br />

221 Vgl. hiermit auch Heines Bestimmung <strong>der</strong> Aufgabe des Dichters, nämlich<br />

in die Zukunft hinaus zu blicken, in <strong>der</strong> Vorrede zu: William Ratcliff<br />

(1851), Werke, Bd. 2, S. 556<br />

222 Zur Geschichte <strong>der</strong> Religion und <strong>Philosophie</strong> in Deutschland, Werke,<br />

Bd. 5, S. 307. – Dieser berühmte Schlussabschnitt wurde von <strong>der</strong> Zensur<br />

im Erstdruck gestrichen; vgl. Ludwig Marcuse: Heinrich Heine, Hamburg<br />

1951, S. 9<br />

223 Ebenda, S. 305. – Insofern die <strong>Philosophie</strong> nicht im Bereich <strong>der</strong> Kontemplation<br />

verharrt, son<strong>der</strong>n ins praktische Leben übergeht, muss sie ihre<br />

„Unschuld“ verlieren und ihre Verantwortlichkeit gesteigert finden. Aber<br />

die Problematik dieser Konsequenz expliziert Heine nicht.<br />

224 Werke, Bd. 1, S. 57. – Von dieser Auffassung Heines führt eine Linie zu<br />

den Folgerungen, die Marx aus dem Zwiespalt von Theorie und Praxis in<br />

Deutschland in <strong>der</strong> Einleitung „Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie“<br />

(1843) zieht: „Das gründliche Deutschland kann nicht revolutionieren,<br />

ohne von Grund aus zu revolutionieren. Die Emanzipation des Deutschen<br />

ist die Emanzipation des Menschen.“ (Karl Marx/Friedrich Engels,<br />

Werke, Bd. 1, Berlin 1961, S. 391)


282<br />

225 Zur Geschichte <strong>der</strong> Religion und <strong>Philosophie</strong> in Deutschland, Werke,<br />

Bd. 5, S. 234. Vgl. Heines Brief vom 10. VII. 1833 an Laube, Werke, Bd. 8,<br />

S. 418 f.: „Sie stehen höher als alle die an<strong>der</strong>en, die nur das Äußerliche<br />

<strong>der</strong> Revolution und nicht die tieferen Fragen <strong>der</strong>selben verstehen. Diese<br />

Fragen betreffen we<strong>der</strong> Formen noch Personen, we<strong>der</strong> die Einführung einer<br />

Republik noch die Beschränkung einer Monarchie, son<strong>der</strong>n sie betreffen<br />

das materielle Wohlsein des Volkes. Die bisherige spiritualistische Religion<br />

war heilsam und notwendig, solange <strong>der</strong> größte Teil <strong>der</strong> Menschen<br />

im Elend lebten und sich mit <strong>der</strong> himmlischen Seligkeit vertrösten mussten.<br />

Seit aber, durch die Fortschritte <strong>der</strong> Industrie und <strong>der</strong> Ökonomie, es<br />

möglich geworden, die Menschen aus ihrem materiellen Elende herauszuziehen<br />

und auf Erden zu beseligen, seitdem – Sie verstehen mich. Und die<br />

heute werden uns schon verstehen, wenn wir ihnen sagen, dass sie in <strong>der</strong><br />

Folge alle Tage Rindfleisch statt Kartoffeln essen sollen und weniger arbeiten<br />

und mehr tanzen werden. – Verlassen Sie sich darauf, die Menschen<br />

sind keine Esel.“ – Vgl. auch das Gedicht „Die Wan<strong>der</strong>ratten“, Werke, Bd.<br />

2, S. 392, und die Kritik an den utopischen Kommunisten P. Leroux in <strong>der</strong><br />

„Lutetia“, Werke, Bd. 6, S. 530 f. sowie an Börnes „Durst nach Märtyrertum“,<br />

Werke, Bd. 6, S. 95. Allerdings ist auch das Interesse Ludwig Börnes,<br />

<strong>der</strong> den jungen Engels stark beeinflusst und dessen jakobinischen<br />

Radikalismus und „Nazarenertum“ – zum Beispiel die Antipathie gegen<br />

Goethe – Heine als zu beschränkt verurteilt, im großen Maße gerade auf<br />

die sozialen Verhältnisse gerichtet, wie seine „Briefe aus Paris“ zeigen (vgl.<br />

z. B. den 14. Brief vom 17. November 1830 und den 60. Brief über den Lyoner<br />

Seidenweberaufstand). – Börnes Bestreben, Theorie und Praxis zu<br />

verbinden, bekundet sich programmatisch in <strong>der</strong> „Ankündigung <strong>der</strong><br />

,Waage‘“ (1818): „Die Zeitschriften sind es, welche diese Münzen bilden;<br />

von <strong>der</strong> Ausbeute <strong>der</strong> Erkenntnis geprägt, unterhalten sie den Wechselverkehr<br />

zwischen Lehre und Ausübung. Nur sie führen die Wissenschaft ins<br />

Leben ein und das Leben zur Wissenschaft zurück.... ,Die Waage‘ ... wird<br />

besprechen: das bürgerliche Leben, die Wissenschaft und die Kunst, vorzüglich<br />

aber die heilige Einheit jener drei.“ Und in <strong>der</strong> „Ankündigung <strong>der</strong><br />

,Zeitschwingen‘“(1819) sagt Börne: „Das deutsche Volk hat noch zuwenig<br />

politische Aufklärung. Es kennt den Zusammenhang nicht zwischen einer<br />

repräsentativem Verfassung und seinem Magen... Und da auch ich... noch<br />

in <strong>der</strong> Zwitterzeit erzogen bin, wo die Wissenschaft sich vom Leben schied<br />

und man eine doppelte Sprache <strong>für</strong> beide Welten erlernte und gebrauchte;<br />

da man in Büchern an<strong>der</strong>s redete als mit dem Munde, so werde ich mich<br />

jener soviel als ausführbar enthalten.“ (Börnes Werke in zwei Bänden. Berlin<br />

und Weimar 1964. Erster Band, S. 78-80; S. 96)


283<br />

226 F. Engels: Ludwig Feuerbach und <strong>der</strong> Ausgang <strong>der</strong> klassischen deutschen<br />

<strong>Philosophie</strong> (1888). Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 21, Berlin<br />

1962, S. 265<br />

227 Zur Geschichte <strong>der</strong> Religion und <strong>Philosophie</strong> in Deutschland, Werke,<br />

Bd. 5, S. 307<br />

228 Ebenda, S. 256<br />

229 Ebenda, S. 260 f., 276, 302. Vgl. die Einleitung zu „Kahldorf über den<br />

Adel“, Werke, Bd. 4, S. 276, wo Hegel selbst in Parallele gesetzt wird mit<br />

Louis Philippe, insofern mit Recht, als auch dieser die Gegensätze noch<br />

zusammenhält und „die Flamme dämpft“. – Über die Julirevolution und<br />

das „juste Milieu“ ist Heine bald ernüchtert: „Nicht <strong>für</strong> sich... hat das Volk<br />

geblutet und gelitten, son<strong>der</strong>n <strong>für</strong> an<strong>der</strong>e. Im Juli 1830 erfocht es den Sieg<br />

<strong>für</strong> jene Bourgoisie, die ebensowenig taugt wie jene Noblesse, an <strong>der</strong>en<br />

Stelle sie trat, mit demselben Egoismus...“ Werke, Bd. 6, S. 140<br />

230 Vgl. Deutsche Ideologie, Karl Marx und Friedrich Engels, Werke, Bd. 4,<br />

Berlin 1962, S. 176 ff. – Dass Hegel die deutsche philosophische Theorie<br />

über die französische politische Praxis stellt, hin<strong>der</strong>t ihn nicht, bei einem<br />

Vergleich <strong>der</strong> Auffassung des Freiheitsprinzips in Frankreich und Deutschland<br />

mit Heineschem Witz zu sagen: „Wir haben allerhand Rumor im Kopfe<br />

und auf dem Kopfe; dabei lässt <strong>der</strong> deutsche Kopf eher seine Schlafmütze<br />

ganz ruhig sitzen, und operiert innerhalb seiner.“ (Vorlesungen über die<br />

Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Bd. 19, S. 553)<br />

231 Zur Geschichte <strong>der</strong> Religion und <strong>Philosophie</strong> in Deutschland, Werke,<br />

Bd. 5, S. 300<br />

232 Werke, Bd. 4, S. 374 f. – Vgl. dazu Heines Umwertung <strong>der</strong> Hegelschen<br />

Charakterisierung des Jünglings und Mannesalters in: Reisebil<strong>der</strong>, Die<br />

Stadt Lucca, Werke, Bd. 3, S. 410<br />

233 Werke, Bd. 5, S. 94 f.<br />

234 Werke, Bd. 7, S. 125 f.; ebenda, S. 306 f. Offensichtlich unter Marx’<br />

Einfluss steht Heine, wenn er in den „Briefen über Deutschland“ den Zusammenhang<br />

zwischen politisch-sozialer Praxis und idealistischer <strong>Philosophie</strong><br />

nunmehr bestimmter beschreibt als das Bündnis von proletarischer<br />

Bewegung und philosophisch-sozialer Theorie: „Es ist eine ebenso natürliche<br />

Erscheinung, dass die Proletarier in ihrem Ankampf gegen das Bestehende<br />

die fortgeschrittensten Geister, die Philosophen <strong>der</strong> großen Schule,


284<br />

als Führer besitzen; diese gehen über von <strong>der</strong> Doktrin zur Tat, dem letzten<br />

Zweck alles Denkens, und formulieren das Programm“ (S. 307). Vgl. dazu<br />

auch W. Harich: Heinrich Heine und die deutsche <strong>Philosophie</strong>, in: Sinn<br />

und Form, 8. Jahrg., 1956, 1. Heft, S. 46<br />

235 Werke, Bd. 7, S. 106. – Vgl. das erstmals 1844 im „Vorwärts“ in Paris<br />

veröffentlichte Gedicht „Doktrin“ aus <strong>der</strong> Sammlung „Neue Gedichte“<br />

(Werke, Bd. I, S. 319): „Trommle die Leute aus dem Schlaf,/ Trommle Reveille<br />

mit Jugendkraft,/ Marschiere trommelnd immer voran,/ Das ist die<br />

ganze Wissenschaft./ Das ist dien Hegelsche <strong>Philosophie</strong>...“ – Die Annahme<br />

einer esoterischen Lehre Hegels findet sich.wie<strong>der</strong> in Bruno Bauers<br />

„Posaune des jüngsten Gerichts“.<br />

236 Zur Geschichte <strong>der</strong> Religion und <strong>Philosophie</strong> in Deutschland, Werke,<br />

Bd. 5, S. 233. – Heines und Marx’ unterschiedliche Stellung zur Dialektik<br />

Hegels übergeht W. Wieland, wenn er sagt: „Nicht übersehen sollte man<br />

bei alledem jedoch, dass Heine hier eine Konsequenz aus <strong>der</strong> idealistischen<br />

<strong>Philosophie</strong> zieht, wie sie später ganz ähnlich – nur viel radikaler,<br />

aber auch wirkungsvoller – von Karl Marx gezogen wurde.“ (W. Wieland:<br />

Heinrich Heine und die <strong>Philosophie</strong>. In: Deutsche Vierteljahresschrift <strong>für</strong><br />

Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 37. Band, 1963, S. 241.) –<br />

Offensichtlich schließt Heines Konzeption, die letztlich letztlich den Einfluss<br />

und die Wirksamkeit <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> in <strong>der</strong> gesellschaftlichgeschichtlichen<br />

Entwicklung überschätzt, einen vermittelnden Popularisierungsprozess<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> ein, zu dem seine eigenen Schriften beitragen<br />

sollen und <strong>der</strong> tatsächlich auf dem Wege über Broschüren, Zeitschriften<br />

und Zeitungen mit <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong> Junghegelianer, die alle keine Professoren<br />

sind, im großen Stil einsetzt. – Zu Heines „Über-den-Parteien-<br />

Stehen“ und Einsamkeit vgl. G. Lukács: Heinrich Heine als nationaler<br />

Dichter, a. a. 0., S. 96 f.; H. Lichtenberger: Heinrich Heine als Denker,<br />

Dresden 1921, S. 294: „... er stritt <strong>für</strong> die Freiheit, aber nur als Freischärler...“<br />

237 Geständnisse, Werke, Bd. 7, S. 127 ff., wo Heine seine frühere Darstellung<br />

<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> lieber ungedruckt wissen würde und – nach Bekundung<br />

seines Schau<strong>der</strong>s vor dem philosophierenden Handwerkerkommunisten<br />

Weitling – die Geschichte vom Sturz des vermessenen Königs Nebukadnezar<br />

im Buch Daniel des Alten Testaments „dem guten Ruge“ und<br />

dem „noch viel verstocktern Freunde Marx, ja auch den Herren Feuerbach,<br />

Daumer, Bruno Bauer, Hengstenberg, und wie sie sonst heißen mögen,<br />

diese gottlosen Selbstgötter, zur erbaulichen Beherzigung“ empfiehlt. Siehe<br />

auch Vorwort zur französischen Ausgabe <strong>der</strong> „Lutetia“, Werke, Bd. 6, S.


285<br />

238 f. Ebenda, S. 432, 530. Vorrede <strong>der</strong> zweiten Auflage „Zur Geschichte<br />

<strong>der</strong> Religion und <strong>Philosophie</strong> in Deutschland“, Werke, Bd. 5, S. 168 ff.<br />

Brief an Laube vom 25. I. 1850, Werke, Bd. 9, S. 337 f.<br />

238 Cieszkowski: Prolegomena. zur Historiosophie, Berlin 1838, S. 101;<br />

vgl. S. 124, 129 f. (später abgekürzt als: Prolegomena).<br />

239 Brief an C. L. Michelet vom 10. X. 1836. Abgedruckt bei: W. Kühne:<br />

Graf August Cieszkowski, Leipzig 1938, S. 361<br />

240 Prolegomena, S. 8 f.: „Er hat nämlich in seinem Werke mit keiner Silbe<br />

<strong>der</strong> Zukunft erwähnt... Wir unsererseits müssen jedoch von vornherein<br />

behaupten, dass ohne die Erkennbarkeit <strong>der</strong> Zukunft als einen integrierenden<br />

Teil <strong>der</strong> Geschichte, welche die Realisation <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong><br />

Menschheit darstellt, unmöglich zum Erkennen <strong>der</strong> organischen und ideellen<br />

Totalität, so wie des apodiktischen Prozesses <strong>der</strong> Weltgeschichte zu gelangen<br />

ist.“<br />

241 Vgl. ebenda, S. 12 f., 21<br />

242 Vgl. G. Lukács: Moses Heß und die Probleme <strong>der</strong> idealistischen Dialektik,<br />

Leipzig 1926, S. 6 ff.<br />

243 J. G. Fichtes Sämtliche Werke, Bd. 7, Berlin 1846, S. 7 ff.<br />

244 Prolegomena, S. 146 ff.<br />

245 Ch. Fourier : Oeuvres complètes, Bd. II, Paris 1843, S. 197<br />

246 Vgl. H. Stuke: <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Tat, Stuttgart 1963, S. 90 f.<br />

247 C.-H. de Saint-Simon : Oeuvres choisies, Brüssel 1859, Bd. II, S. 13. –<br />

Auf Saint-Simon verweist Cieszkowskis For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> „Rehabilitation <strong>der</strong><br />

Materie“; Prolegomena, S. 127.<br />

248 Prolegomena, S. 58, 146, 149<br />

249 Ebenda, S. 100<br />

250 Ebenda, S. 34 ff.<br />

251 Ebenda, S. 51


252 Ebenda, S. 22<br />

286<br />

253 Ebenda, S. 24, 130 f. – Cieszkowskis konstruierendes Vorgehen zeigt<br />

sich auch in seiner Dissertation bei <strong>der</strong> Einteilung <strong>der</strong> ionischen <strong>Philosophie</strong><br />

in drei Stadien; vgl. W. Kühne: a. a. 0., S. 73 f.<br />

254 Vgl. Prolegomena, S. 124, 128<br />

255 Ebenda, S. 36. Vgl. Ojcze-Nasz, Bd. I, Paris 1848, S. 117. Aus dem polnischen<br />

„Ojcze-Nasz“ wird zitiert nach <strong>der</strong> Dissertation von A. Žółtowski:<br />

Graf August Cieszkowskis „<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Tat“, Posen 1904<br />

256 Prolegomena, S. 149<br />

257 Ebenda, S. 55 ff. Vgl. dazu: M. G. Lange: Der Junghegelianismus und<br />

die Anfänge des Marxismus, Jena 1946, S. 41 ff. – Cieszkowskis Vorgehen<br />

kritisiert schon J. Frauenstädt in <strong>der</strong> Rezension <strong>der</strong> „Prolegomena“ in den<br />

„Hallischen Jahrbüchern“, 1839, S. 480: solche Analogien „können recht<br />

geistreich sein, aber <strong>für</strong> die Erkenntnis <strong>der</strong> Sache ist durch sie nichts gewonnen...“<br />

Auch Michelet bemängelt in seiner Rezension den „schematisierenden<br />

Formalismus“; Jahrbücher <strong>für</strong> wissenschaftliche Kritik, 1838, S.<br />

790. – Cieszkowski steht hierin u. a. unter dem Einfluss des Schellingianers<br />

G. H. v. Schubert (vgl. Prolegomena, S. 54), dem er ein Exemplar <strong>der</strong><br />

„Prolegomena“ handschriftlich widmet, das sich jetzt in <strong>der</strong> Bayerischen<br />

Staatsbibliothek in München befindet.<br />

258 Prolegomena, S. 33<br />

259 Ebenda, S. 129-132<br />

260 Ebenda, S. 114: „Es soll jetzt <strong>der</strong> absolute Wille zu einer solchen Höhe<br />

<strong>der</strong> Spekulation emporgehoben werden, wie es bereits mit <strong>der</strong> Vernunft<br />

geschah, wozu sich schon sehr tiefe Andeutungen bei Fichte dem Ältern<br />

finden...“ (Im Original teilweise gesperrt)<br />

261 Ebenda, S. 145. Vgl. auch Cieszkowskis Beitrag zur Diskussion in <strong>der</strong><br />

Philosophischen Gesellschaft, die auf seine Anregung hin 1843 in Berlin<br />

gegründet wurde, über Gablers Thesen zu dem Thema „Über das Verhältnis<br />

<strong>der</strong> geschichtlichen Entwicklung zum Absoluten“: Jahrbücher <strong>für</strong> spekulative<br />

<strong>Philosophie</strong> und die philosophische Bearbeitung <strong>der</strong> empirischen<br />

Wissenschaften, hrsg. v. L. Noack, II. Jahrg., Darmstadt 1847, S. 230-233.<br />

– Dagegen wird Cieszkowski auf Fichte zurückgeführt von A. Cornu (Karl<br />

Marx und Friedrich Engels, Bd. I, Berlin 1854, S. 132): „Im Gegensatz zu


287<br />

Hegel, <strong>der</strong> Dogmatismus und Utopie aufs schärfste verurteilt hatte und<br />

stets bestrebt gewesen war, Denken und Sein aufs engste zu verbinden,<br />

löste Cieszkowski nach Fichteschem Vorbild diese Vereinigung auf, indem<br />

er das Denken als Wille in seinem steten Gegensatz zur bestehenden Wirklichkeit<br />

betrachtete.“ Ähnlich, aber differenzierter: H. Stuke, a. a. 0., S.<br />

121<br />

262 Prolegomena, S. 120<br />

263 Ebenda, S. 120. Vgl. Ojcze-Nasz, Bd. I, S. 234. In diesem Sinne heißt es<br />

in den Nachlassnotizen zu Cieszkowskis Sendschreiben an Michelet „Gott<br />

und Palingenesie“ (1842) : „Die Theorie ist das Vortrefflichste! sagen noch<br />

viele Blödsinnige, die nicht einsehen, dass die Theorie, insofern sie nur<br />

Theorie ist, nimmermehr das Vortrefflichste sein kann, denn jedes Nur<br />

deutet auf ein Noch. Das Vortrefflichste kann nicht eine Einseitigkeit, eine<br />

Abstraktion sein. Das Vortrefflichste... ist <strong>der</strong> Geist...“ Abgedruckt bei: W.<br />

Kühne, a. a. 0., S. 441<br />

264 Prolegomena, S. 115<br />

265 Ebenda, S. 103<br />

266 Ebenda, S. 100<br />

267 Vgl. Gott und Palingenesie, Berlin 1842, S. 41 f., 54 f. Ojcze-Nasz, Bd.<br />

III, S. 63 ff.<br />

268 Vgl. A. Žółtowski, a. a. 0., S. 167<br />

269 Vgl. Gott und Palingenesie, Berlin 1842, S. 54 f., 111, 113 f. Kühne, a.<br />

a. 0., S. 102, 117 ff., 263 ff.<br />

270 Prolegomena, S. 17 ff.<br />

271 Ebenda, S. 20<br />

272 Ebenda, S. 70. – Vgl. Constantin Frantz: Grundzüge des wahren und<br />

wirklichen absoluten Idealismus, Berlin 1843, S. 210 f. Siehe zur For<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> praktischen Realisierung <strong>der</strong> philosophischen Prinzipien von<br />

nicht-junghegelianischer Seite auch E. Quinet: Allemagne et Italie, Bruxelles<br />

1839, Bd. 1, S. 44 ff.; K. Th. Bayrhoffer: Die Idee und Geschichte <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong>, Leipzig 1838, S. 425 ff.


273 Prolegomena, S. 122<br />

288<br />

274 Dagegen behauptet Cornu, a. a. 0., Bd. I, S. 133: „Wie alle Idealisten<br />

betrachtete Cieszkowski die Praxis nicht als revolutionäre Tätigkeit, die<br />

sich zum unmittelbaren Ziel die tatsächliche Umwälzung <strong>der</strong> bestehenden<br />

Gesellschaftsordnung setzt, son<strong>der</strong>n als Kritik, die die herrschenden Zustände<br />

dadurch verän<strong>der</strong>n soll, dass sie diese prinzipiell und theoretisch<br />

negiert.“<br />

275 Prolegomena, S. 19<br />

276 Ebenda, S. 143: „Man hat also ganz richtig gesagt, dass die revolutionären<br />

Bewegungen unserer Zeit aus <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> hervorgegangen sind;<br />

aber man hätte hinzufügen sollen, dass, nachdem die <strong>Philosophie</strong> ihre<br />

Klassizität erreicht haben werde, umgekehrt aus ihr eine Evolution zu erwarten<br />

wäre...“<br />

277 Vgl. Ojcze-Nasz, Bd. I, S. 229; Bd. II, S. 233. (A. Žółtowski, a. a. 0., S.<br />

110, 124.) De la pairie et de l’aristocratie mo<strong>der</strong>ne, Paris 1844, S. 161: „Es<br />

wäre wohl Zeit, das kritische Zeitalter <strong>der</strong> Revolutionen zu schließen, um<br />

in das <strong>der</strong> organischen Evolutionen einzutreten.“ (W. Kühne, a. a. 0., S.<br />

130 ff.) – Cieszkowskis Konservatismus macht H. Stuke, a. a. 0., S. 35 f.,<br />

mit Recht geltend gegenüber R. Lauth: Einflüsse slawischer Denker auf die<br />

Genesis <strong>der</strong> Marxschen Weltanschauung, in: Orientalia Christiana Periodica,<br />

XXI, Rom 1955, und in: Die „verwirtschaftete“ Humanität. Grundvoraussetzungen<br />

<strong>der</strong> philosophischen Weltanschauung von Karl Marx, in:<br />

Neue Deutsche Hefte, Jahrg. 2,1955/56<br />

278 Prolegomena, S. 148<br />

279 Ebenda, S. 147<br />

280 Ebenda, S. 29 f., 110, 112, 152 f.<br />

281 Vgl. A. Žółtowski: a. a. 0., S. 115 f. W. Kühne: a. a. p., 3. 77 ff., 179 ff.,<br />

326 ff. Zur Schrift über den Kredit vgl. Marx’ Brief an Engels vom 12. I.<br />

1882<br />

282 Prolegomena, S. 153: „Der Staat verlässt gleichfalls seine abstrakte Abgeson<strong>der</strong>theit<br />

und wird selbst zum Gliede <strong>der</strong> Menschheit und <strong>der</strong> konkreten<br />

Völkerfamilie... Die Menschheit wird zur organischen Menschheit, welche<br />

wohl in ihrer höchsten Bedeutung Kirche genannt werden könnte.“ –<br />

Vgl. über Cieszkowskis Beitrag zur Debatte über einen Vortrag Marheine-


289<br />

kes in <strong>der</strong> Philosophischen Gesellschaft im Februar 1843 W. Kühne: a. a.<br />

0., S. 159 ff.<br />

283 Mickiewicz’ Stellung zu Hegel und seine Kenntnis <strong>der</strong> Althegelianer erhellt<br />

aus seiner Auffassung, dass die „deutschen Philosophen“ „nur danach<br />

streben, das Bestehende zu erklären und zu rechtfertigen. Hegels<br />

Axiom: was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist<br />

vernünftig – stellt die Begründung aller ihrer Systeme dar“; Ausgewählte<br />

Werke fortschrittlicher polnischer Denker, Moskau 1956, Bd. II, S. 328<br />

(russisch)<br />

284 Vgl. Ojcze-Nasz, Bd. I, S. 224 (A. Žółtowski, a. a. 0., S. 57 f.). W. Kühne,<br />

a.a.O., S. 258 f.9 267<br />

285 Vgl. Gott und Palingenesie, Berlin 1842, S. 94 f.<br />

286 Strauß’ Brief an Vischer vom 15. III. 1838. Ausgewählte Briefe von David<br />

Friedrich Strauß. Herausgegeben und erläutert von Eduard Zeller,<br />

Bonn 1885, S. 55 f. Vgl. die Briefe an Vischer vom 24. X. 1844, S. 163, an<br />

Kaufmann vom 7. XII. 1851, S. 299 (später abgekürzt als: Briefe); Streitschriften<br />

zur Verteidigung meiner Schrift über das Leben Jesu und zur<br />

Charakteristik <strong>der</strong> gegenwärtigen Theologie, zweites Heft, Tübingen 1837,<br />

S. 199 (später abgekürzt als: Streitschriften); Zwei friedliche Blätter, Altona<br />

1839, S. 100<br />

287 F. Engels: Ludwig Feuerbach und <strong>der</strong> Ausgang <strong>der</strong> klassischen deutschen<br />

<strong>Philosophie</strong>. Karl Marx/ Friedrich Engels. Werke. Bd. 21. Berlin1962,<br />

S. 271<br />

288 Streitschriften, III, S. 95<br />

289 Streitschriften, III, S. 62<br />

290 Streitschriften, II, S. 205 f. – Strauß’ Bewusstsein über einen Zusammenhang<br />

von Politik und Religion bekundet sich auch in seiner Schrift<br />

„Der Romantiker auf dem Throne <strong>der</strong> Cäsaren, o<strong>der</strong> Julian <strong>der</strong> Abtrünnige“<br />

(1847), in <strong>der</strong> er die Auseinan<strong>der</strong>setzungen zwischen Heidentum und<br />

Christentum zur Zeit Julians und zwischen Christentum und „freiem Humanismus“<br />

zur Zeit Wilhelm IV. parallelisiert; Gesammelte Schriften, herausgegeben<br />

von E. Zeller, Bd. I, Bonn 1876, S. 177 ff. (später abgekürzt<br />

als: Gesammelte Schriften). In <strong>der</strong> Vorrede zu „Das Leben Jesu <strong>für</strong> das<br />

deutsche Volk bearbeitet“ (1864) versteht Strauß die Religionskritik in ide-


290<br />

alistischer Weise ausdrücklich als Grundlegung zur Lösung politischer<br />

Aufgaben: „... wir Deutsche können politisch nur in dem Maße frei werden,<br />

als wir uns geistig, religiös und sittlich frei gemacht haben“; achte Auflage,<br />

Bonn 1895, S. XXIX. Vgl. dagegen den Brief an Vischer vom 1. I. 1850,<br />

Briefe, S. 253: „Ohne Revolution bekommen wir keinen neuen Boden in<br />

<strong>der</strong> Religion...“<br />

291 Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und<br />

im Kampfe mit <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Wissenschaft, zweiter Band, Tübingen/Stuttgart<br />

1841, S. 616 ff. (später abgekürzt als; Glaubenslehre).<br />

292 Brief an Rapp vom 3. IV. 1848, Briefe, S. 206. Vgl. Brief an Vischer vom<br />

13. IV. 1848, Briefe, S. 207 f.; Brief an Rapp vom 23. VII. 1843, Briefe, S.<br />

153<br />

293 Vgl. Literarische Denkwürdigkeiten, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 18<br />

ff.; Sechs theologisch-politische Volksreden, ebenda, S. 237 ff.; Zwei Briefe<br />

an Ernest Renan nebst dessen Antwort auf den ersten, ebenda, S. 297 ff.<br />

(Vergleichbar ist <strong>der</strong> öffentliche Briefwechsel zwischen Romain Rolland<br />

und Gerhart Hauptmann im Jahre 1914.) – Dass Strauß „keine Kampfnatur“<br />

ist, betont F. Mehring, Philosophische Aufsätze, Gesammelte Schriften,<br />

Bd. 13, Berlin 1961, S. 120<br />

294 Streitschriften, III S. 75<br />

295 Vgl. Streitschriften, III, S. 57<br />

296 Vgl. z. B. H. Steussloff: Die Junghegelianer, Ausgewählte Texte, Berlin<br />

1963, David Friedrich Strauß, Einleitung, S. 19<br />

297 Das Leben Jesu kritisch bearbeitet, 2. Auflage, Bd. I, Tübingen 1837,<br />

Vorrede, S. XII; vgl. Bd. II, S. 691 ff. später abgekürzt als: Leben Jesu);<br />

Briefe an Märklin vom 6. II. 1832, Briefe, S. 12, und an Käferle vom 27. I.<br />

1836, Briefe, S. 16 ff.<br />

298 Vgl. K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 356<br />

299 Phänomenologie des Geistes, Werke, Bd. 2, S. 426; vgl. S. 582 f.; Vorlesungen<br />

über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Religion, Werke, Bd. 16, S. 200 f. Siehe<br />

dazu: Strauß: Streitschriften, III, S. 76-94<br />

300 Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Religion, Werke, Bd. 16, S. 297


291<br />

301 Ebenda, S. 282 ff.; Phänomenologie des Geistes, Werke, Bd. 2, S. 582<br />

302 Streitschriften, III, S. 120<br />

303 Vgl. K. Barth: Kirchliche Dogmatik, Zürich 1935, I, 1, S. 345; <strong>der</strong>s.:<br />

David Friedrich Strauß als Theologe, Theologische Studien, Heft 6, Zollikon<br />

1939 S. 31. R. Buhmann: Der Begriff <strong>der</strong> Offenbarung im Neuen Testament,<br />

Tübingen 1829, S. 30; <strong>der</strong>s.: Geschichte <strong>der</strong> synoptischen Tradition,<br />

Göttingen 1931, S. 396. Siehe auch: G. Backhaus: Kerygma und Mythos<br />

bei David Friedrich Strauß und Rudolf Bultmann, Theologische Forschung,<br />

12, Hamburg-Bergstedt 1956. H. Steussloff: Die Religionskritik<br />

von D. F. Strauß, in: Deutsche Zeitschrift <strong>für</strong> <strong>Philosophie</strong>, Heft 6, 1962<br />

304 G. Bornkamm: Jesus von Nazareth, Stuttgart 1963, S. 20<br />

305 S. Kierkegaard: Einübung ins Christentum, Jena 1924, S. 28. Siehe<br />

dazu: G. Lukács: Die Zerstörung <strong>der</strong> Vernunft, Berlin 1955, S. 214<br />

306 Vgl. z. B. B. Bauer: Das entdeckte Christentum, Jena 1927, S. 120. L.<br />

Feuerbach: Das Wesen des Christentums, Bd. I, Berlin 1956, S. 246 f.; Bd.<br />

II, S. 325. K. Marx: Bemerkungen über die preußische Zensurinstruktion,<br />

Werke, Bd. I, S. 16: „Die eigentliche Unbescheidenheit besteht darin, die<br />

Vollendung <strong>der</strong> Gattung beson<strong>der</strong>n Individuen zuzuschreiben“ (gesagt gegen<br />

die Anmaßung <strong>der</strong> Regierung, <strong>der</strong> Zensur Gattungsvollkommenheit<br />

zuzuerkennen). Vgl. dazu auch Marx’ Kritik an Hegels Verkörperung <strong>der</strong><br />

Staatssouveränität in <strong>der</strong> einen Person des Monarchen, in: Zur Kritik <strong>der</strong><br />

Hegelschen Rechtsphilosophie, ebenda, S. 228<br />

307 Leben Jesu, Bd. II, S. 739 f. Vgl. Streitschriften, III, S. 71 ff. Zwei friedliche<br />

Blätter, Altona 1839, Vorwort, S. XX, XXXII; darin: Vergängliches<br />

und Bleibendes im Christentum, S. 98, 109 ff. Das Leben Jesu <strong>für</strong> das<br />

deutsche Volk bearbeitet, Bonn 1895, S. XXVIII, S. 388<br />

308 Streitschriften, III, S. 116<br />

309 Vgl. Leben Jesu, S. 736<br />

310 Glaubenslehre, Bd. 1, S. 53<br />

311 Streitschriften, III, S. 150 f., 70 f. – Zu dem Verhältnis <strong>der</strong> welthistorischen<br />

Individuen und <strong>der</strong> ihnen immermehr zuteil werdenden „geschichtlichen<br />

Unterstützung“ vgl.: Zwei friedliche Blätter, Altona 1838, S. 123 ff.<br />

Zu Strauß’ pseudoaristokratischer antisozialdemokratischer Umdeutung


292<br />

<strong>der</strong> Hegelschen Lehre vom welthistorischen Individuum und ihrer Anwendung<br />

auf Bismarck und Moltke siehe seine letzte Schrift: Der alte und <strong>der</strong><br />

neue Glaube, Leipzig 1872, S. 280 f.<br />

312 Die heilige Familie, Karl Marx/ Friedrich Engels, Werke, Bd. 2, Berlin<br />

1959, S. 147. – Zu Bruno Bauers entgegengesetzter (von Marx ebenfalls als<br />

einseitig gekennzeichneten) Betrachtung <strong>der</strong> Evangelien als absichtlich-schriftstellerische<br />

„Schöpfung des Selbstbewusstseins“ und zu seiner<br />

entsprechenden Kritik an Strauß’ Mythentheorie und Traditionshypothese<br />

siehe vor allem: Kritik <strong>der</strong> evangelischen Geschichte <strong>der</strong> Synoptiker, Bd. I,<br />

Leipzig 1841, Vorrede, S. VII ff.<br />

313 Vgl. Streitschriften, II, S. 222 f.<br />

314 F. Nietzsche: Unzeitgemäße Betrachtungen. Erstes Stück. David Friedrich<br />

Strauß, <strong>der</strong> Bekenner und Schriftsteller (1873). Friedrich Nietzsche,<br />

Gesammelte Werke, sechster Band, München 1922, S. 169 f. (Ebenda, S.<br />

173 f., verkennt Nietzsche die von Hegel in <strong>der</strong> Vorrede zur „Phänomenologie<br />

des Geistes“ entwickelte Dialektik des Wahren und Falschen, auf die<br />

Strauß in seiner Schrift anspielt.) Zu Strauß’ Reaktion auf Nietzsches Polemik<br />

vgl. den Brief an Rapp vom 19. XII. 1873, Briefe, S. 570: „... das eigentliche<br />

Motiv seines leidenschaftlichen Hasses begreife ich nicht.“<br />

315 Glaubenslehre, Bd. I, Vorrede, S. X<br />

316 Ebenda, Einleitung, S. 71<br />

317 Streitschriften, III, S. 65: „Zwischen das Dogma in seiner kirchlichen<br />

Fassung, die heilige Geschichte in ihrer biblischen Erscheinung einerseits,<br />

und den an und <strong>für</strong> sich wahren Begriff an<strong>der</strong>erseits, fällt eine ganze theologische<br />

Phänomenologie hinein, in welcher es jenen Anfängen des religiösen<br />

Bewusstseins nicht besser ergehen kann, als <strong>der</strong> sinnlichen Gewissheit<br />

in <strong>der</strong> philosophischen Phänomenologie“.<br />

318 Glaubenslehre, Bd. I, S. 71<br />

319 Zur Grundproblematik <strong>der</strong> dialektischen Unterscheidung zwischen<br />

Vorstellung und Begriff, Schein und Wesen, vgl. K. Kosík, Die Dialektik des<br />

Konkreten, Frankfurt 1967, S. 7 ff.<br />

320 Streitschriften, II, S. 58


293<br />

321 Vgl. Glaubenslehre, Bd. I, S. 4. Die Halben und die Ganzen, Gesammelte<br />

Schriften, Bd. 5, S. 181 f.: „Feuerbach... hat das Doppeljoch, worin bei<br />

Hegel <strong>Philosophie</strong> und Theologie noch gingen, zerbrochen. Er hat gezeigt,<br />

dass Religion und <strong>Philosophie</strong> mitnichten denselben Inhalt, nur unter verschiedenen<br />

Formen, haben. Er hat... je<strong>der</strong> <strong>der</strong> beiden Sphären ihren beson<strong>der</strong>en<br />

Schwerpunkt zurückgegeben. Er hat das Bestreben, in den einzelnen<br />

christlichen Dogmen entsprechende philosophische Wahrheiten<br />

verkörpert finden zu wollen, als ein verkehrtes nachgewiesen... und auf<br />

diesem Standpunkte, nun auch mit dem an<strong>der</strong>en Fuß aus <strong>der</strong> Hegelschen<br />

Schule herausgeschritten, habe ich meine Glaubenslehre geschrieben.“<br />

Vgl. auch den Brief an Märklin vom 22. VII. 1846, Briefe, S. 184: „...seine<br />

Theorie ist die Wahrheit <strong>für</strong> diese Zeit.“ Feuerbach habe ihn, so gesteht<br />

Strauß, überholt. Siehe dazu: S. Eck (Anhänger <strong>der</strong> liberalen – von <strong>der</strong> Religion<br />

die Grundlegung <strong>der</strong> „sittlichen Organisation des Menschen“ erwartenden<br />

– Theologie A. Ritschls): David Friedrich Strauß, Stuttgart 1899, S.<br />

105 f.<br />

322 Vgl. Glaubenslehre, Bd. I, S. 13: „Wenn daher Hegel die Form <strong>der</strong> Vorstellung,<br />

in welcher ihm zufolge die Religion den absoluten Inhalt hat, ungescheut<br />

als eine untergeordnete, inandäquate bezeichnet: so fragt sich,<br />

ob in einer endlichen Form <strong>der</strong> Inhalt als absoluter vorhanden sein kann,<br />

und nicht vielmehr mit dieser Form selbst ein endlicher, <strong>der</strong> Idee unangemessener,<br />

wird?“<br />

323 So missverstanden im „Lexikon <strong>für</strong> Theologie und Kirche“, Bd. 9, Freiburg<br />

1964, S. 1109<br />

324 Vgl. Glaubenslehre, Bd. I, S. 70: „... Aber vermitteln ist ein schweres<br />

Amt: und doch nehmen es die meisten damit so erstaunlich leicht. Nicht<br />

je<strong>der</strong>mann besitzt den Apparat und die Ausdauer, womit Schleiermacher<br />

Christentum und Spinozismus zum Behuf <strong>der</strong> Mischung so fein pulverisierte,<br />

dass ein scharfes Auge dazu gehört, die vermischten Bestandteile zu<br />

unterscheieden...“ – Im übrigen streitet Strauß erfolgreich gegen die Bevorzugung<br />

des Johannes-Evangeliums durch Schleiermacher (<strong>der</strong> ihn von <strong>der</strong><br />

Theosophia Jakob Böhmes und dem Somnambulismus Justinus Kerners<br />

befreit; vgl. E. Zeller: David Friedrich Strauß in seinem Leben und seinen<br />

Schriften, Bonn 1874, S. 16 ff.), wobei er <strong>der</strong> Authentizität dieses Evangeliums<br />

nur in <strong>der</strong> dritten Auflage seines „Leben Jesu“ (1838; cfr. Vorrede, S.<br />

IV f.) – kurz darauf wi<strong>der</strong>rufene – Zugeständnisse macht, ohne dass<br />

Strauß allerdings erkennt, was Her<strong>der</strong> einsah: dass Markus das älteste<br />

Evangelium ist und Matthäus und Lukas von ihm abhängig sind, wie denn<br />

Strauß überhaupt auf die Quellenkritik erst im „Leben Jesu“ <strong>für</strong> das deutsche<br />

Volk bearbeitet“ (1864) näher eingeht; siehe dazu K. Fischer: Ge-


294<br />

sammelte Aufsätze, Über David Friedrich Strauß, Heidelberg 1908, S. 103<br />

ff. Aber auch <strong>der</strong> johanneische Jesus ist <strong>für</strong> Schleiermacher wie <strong>für</strong> Strauß<br />

ein Mensch, ausgezeichnet durch die „Kräftigkeit seines Gottesbewusstseins“,<br />

nicht „schlechthin übernatürlich o<strong>der</strong> übervernünftig“ (D. F.<br />

Schleiermacher: Der christliche Glaube nach den Grundsätzen <strong>der</strong> evangelischen<br />

Kirche, 1821, § 13 f.)<br />

325 Glaubenslehre, Bd. I, S. 659 f. Vgl. S. 617-660<br />

326 Vgl. Glaubenslehre, Bd. I, Einleitung, S. 66, Anmerkung 9<br />

327 A. Schweitzer: Geschichte <strong>der</strong> Leben-Jesu-Forschung, Tübingen 1913,<br />

S. 82. – Den (von Treitschke monierten) zerstörerischen Charakter <strong>der</strong> Kritik<br />

betont dagegen Th. Ziegler: D. F. Strauß, Bd. I, Straßburg 1908, S. 170<br />

328 M. Bakunin: Die Reaktion in Deutschland, in: Deutsche Jahrbücher <strong>für</strong><br />

Wissenschaft und Kunst, 1842, S.993 (unter dem Pseudonym Jules Elysard).<br />

Zu Bruno Bauers entsprechen<strong>der</strong> Umwandlung <strong>der</strong> Dialektik siehe<br />

H. Stuke: <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Tat, Stuttgart 1963, S. 139 ff. – Zu Bakunins<br />

Konzeption <strong>der</strong> Einheit <strong>der</strong> theoretischen <strong>Philosophie</strong> und des praktischen<br />

Kommunismus als „das eigentliche Wesen des Christentums“ siehe: Der<br />

Kommunismus, in: Schweizerischer Republikaner, 6. VI. 1843<br />

329 Glaubenslehre, Bd. I, Einleitung, S. 23<br />

330 Ebenda, S. 17 ff. Vgl. Literarische Denkwürdigkeiten, Gesammelte<br />

Schriften, Bd. I, S. 14<br />

331 Über Ruges anfängliche Stellung zu Strauß siehe: Leo und die Evangelische<br />

Kirchenzeitung gegen die <strong>Philosophie</strong>, Hallische Jahrbücher <strong>für</strong><br />

deutsche Wissenschaft und Kunst (später abgekürzt als: Hallische Jahrbücher),<br />

1838, S. 1888: „Die <strong>Philosophie</strong> bestreitet we<strong>der</strong> die biblische<br />

noch die dogmatische Wahrheit, im Gegenteil sie rehabilitiert dieselbe in<br />

dem gegenwärtigen Bewusstsein und in <strong>der</strong> Form dieses Bewusstseins.“<br />

Vgl. Hallische Jahrbücher, 1839, S. 985 ff. (David Friedrich Strauß: Zwei<br />

friedliche Blätter), wo Ruge den Schweizern hinsichtlich <strong>der</strong> Züricher Affäre<br />

vorwirft, sich politisch praktisch statt rein wissenschaftlich-theoretisch<br />

gegenüber Strauß verhalten zu haben. (Siehe auch: Der Freihafen, ebenda,<br />

S. 96 ff.) Hallische Jahrbücher, 1840, S. 2489 ff., hebt Ruge an Strauß’<br />

„Glaubenslehre“ die geschichtliche Behandlung <strong>der</strong> Dogmen hervor; dazu:<br />

W. Neher: Arnold Ruge als Politiker und politischer Schriftsteller, Heidelberger<br />

Abhandlungen, Heft 64, Heidelberg 1933, S. 57 f. Vgl. auch: Deutsche<br />

Jahrbücher <strong>für</strong> Wissenschaft und Kunst (später abgekürzt als: Deut-


295<br />

sche Jahrbücher), Leipzig 1842, S. 762 (Die Hegelsche Rechtsphilosophie<br />

und die Politik unsrer Zeit). Schließlich die Beurteilung Strauß’ vom Feuerbachschen<br />

Standpunkt her: Neue Wendung <strong>der</strong> deutschen <strong>Philosophie</strong>.<br />

Kritik des Buches: Das Wesen des Christentums, in: Anekdota zur neuesten<br />

<strong>Philosophie</strong> und Publizistik, Zürich und Winterthur 1843. Zwei Jahre<br />

in Paris, Studien und Erinnerungen, zweiter Teil, Leipzig 1846 (später abgekürzt<br />

als: Zwei Jahre in Paris) S. 42-50<br />

331a Aus früherer Zeit, Berlin 1887, Bd. IV, S. 496 (später abgekürzt als:<br />

Aus früherer Zeit)<br />

331b Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris 1844, S. 5 f.: „Wir werden<br />

damit anfangen, eine kritische Zeitschrift zu schreiben, und wir denken,<br />

ihr diesen Namen dadurch zu verdienen, dass wir in ihr eine philosophische<br />

und publizistische Darstellung <strong>der</strong> Krisen unserer Zeit geben.“<br />

331c Vgl. z. B. Deutsche Jahrbücher, 1843, Vorwort, S. 2, wo Ruge fragt, ob<br />

die Kritik dem Volk dazu verhelfen könne, „alle Herrlichkeiten des befreiten<br />

Innern... zur Gemüts- und Willenssache... zu verdichten... ist es nicht<br />

vielmehr ihr Begriff, dass sie nur scheidet, nicht verbindet, nur auflöst,<br />

nicht verdichtet? Das ist er...“ Vgl. Zwei Jahre in Paris, S. 17 nnd 33, wo<br />

die Kritik als „Auflösung“ allen Systemen entgegen gestellt wird. Allerdings<br />

sei die Auflösung „nur eine Metamorphose, nicht eine Vernichtung“ (ebenda,<br />

S.123)<br />

332 Die Hegelsche Rechtsphilosophie und die Politik unsrer Zeit, Deutsche<br />

Jahrbücher, 1842, S. 763, 765<br />

333 Ebenda, S. 763. Vgl. Brief an Rosenkranz vom 17. XI. 1839, Briefwechsel,<br />

Bd. I, S. 185 f.<br />

334 Ebenda, S.761 (Im Original gesperrt außerhalb <strong>der</strong> Klammer)<br />

335 Brief an Marx vom 28. 3. 1841, in: Karl Marx und Friedrich Engels,<br />

Historisch-kritische Gesamtausgabe (später abgekürzt als: MEGA), Frankfurt<br />

a. M. und Berlin 1927, I, 1; 2, S. 247. (Siehe auch Ruge, Deutsche<br />

Jahrbücher, 1843, Vorwort, S. 1:,... man darf das Vertrauen zu dem Terrorismus<br />

<strong>der</strong> Vernunft nie verlieren, wenn man nicht den Boden unter seinen<br />

Füßen verlieren will.“) Vgl. dazu H. Stuke: <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Tat, Stuttgart<br />

1963, S. 162<br />

336 B. Bauer: Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten<br />

und Antichristen (1841), wie<strong>der</strong> abgedruckt in: Die Hegelsche Linke, Texte,


296<br />

ausgewählt und eingeleitet von K. Löwith, Stuttgart-Bad Cannstadt 1962,<br />

S. 172<br />

336a Aus früherer Zeit, S. 511 ff., 527. Siehe auch: W. Piechocki: Die kommunalpolitische<br />

Wirksamkeit A. Ruges in Halle während <strong>der</strong> Jahre<br />

1831-1841. Festschrift <strong>der</strong> M. Luther Universität Halle-Wittenberg, Halle<br />

1967<br />

337 Vgl. Ruges Brief an Fleischer vom 12. 12. 1842: „Die ,Freien‘ sind eine<br />

frivole und blasierte Clique... B. Bauer... heftete mir die lächerlichsten<br />

Dinge auf die Nase, z. B. <strong>der</strong> Staat und die Religion müssten im Begriff<br />

aufgelöst werden, das Eigentum und die Familie dazu...“ Arnold Ruges<br />

Briefwechsel und Tagebuchblätter aus den Jahren 1825-1880, herausg. v.<br />

P. Nerrlich, Berlin 1886 (später abgekürzt als: Briefwechsel), Bd. 1, S. 290.<br />

Auch Marx bricht mit den „Freien“ kurz nach Übernahme <strong>der</strong> Redaktion<br />

<strong>der</strong> „Rheinischen Zeitung“ im Oktober 1842 und tritt auf die Seite Ruges<br />

und Herweghs.<br />

337a Vgl. z. B. Ruges Begründung da<strong>für</strong>, dass seine reaktionären Gegner<br />

scheitern müssten: „Dies praktische Resultat führt sich allerdings von<br />

selbst aus. Der praktische Prozess ist aber hier zu langwierig. Ihr müsst<br />

gleich von vornherein erkannt werden, das volle Bewusstsein über euch ist<br />

aufzuwecken, d. h. ihr seid literarisch zu vernichten ... Wir sind <strong>der</strong> Blitz <strong>der</strong><br />

Wahrheit, <strong>der</strong> euch vernichtet, indem er euch beleuchtet.“ (Die Denunziation<br />

<strong>der</strong> Hallischen Jahrbücher, Hallische Jahrbücher 1838, S. 1427)<br />

338 Die Hegelsche <strong>Philosophie</strong> und <strong>der</strong>... Philosoph in <strong>der</strong> Augsburger Allgem.<br />

Zeitung, Deutsche Jahrbücher, 1841, S. 130. Vgl. Brief an Stahr vom<br />

23. 2. 1843, Briefwechsel, Bd. 1, S. 299: „Die durchgeführte Erklärung des<br />

Bestehenden ist ein dankbares Werk und die Notwendigkeit <strong>der</strong> radikalen<br />

Reform erfolgt dann von selbst.“<br />

338a Aus früherer Zeit, S. 599<br />

339 Siehe dazu M. Lange: Der Junghegelianismus und die Anfänge des<br />

Marxismus, Jena 1946, S. 61. – Deshalb ist es nicht haltbar, in Bezug auf<br />

Ruge von einer „voluntaristischen“ <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Tat zu sprechen, wie P.<br />

Wende: Arnold Ruge: Der Patriotismus, Frankfurt a.M. 1968, S. 118<br />

340 Aus früherer Zeit, S. 472. Siehe dazu: H. Rosenberg: Arnold Ruge und<br />

die Hallischen Jahrbücher, Archiv <strong>für</strong> Kulturgeschichte, Bd. 20, S. 285 ff.<br />

– Zu Ruges Einschätzung <strong>der</strong> zum Vorbild genommenen französischen<br />

Aufklärer vgl. den Brief an Stahr vom 7. XI. 1841, Briefwechsel, Bd. 1, S.


297<br />

247: „Die Kerle schreiben Schwerter und Dolche, sie sind mächtiger als<br />

Kanonen und Bajonette.“<br />

341 Grundsätze <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Zukunft (1843), § 24, Ludwig Feuerbach,<br />

Kleine Schriften, Frankfurt a. M. 1966, S. 182<br />

342 MEGA I, 1; 1, S. 64<br />

343 Deutsche Jahrbücher, 1841, S. 594 (Rezension über Bauers „Posaune“)<br />

344 Hallische Jahrbücher, 1841, Vorwort, S. 2. Vgl. Brief an Prutz vom 8. 1.<br />

1842, Briefwechsel, Bd. 1, S. 259; Zur Kritik des gegenwärtigen Staats-<br />

und Völkerrechts, Hallische Jahrbücher, 1840, S. 1202: „Die Theorie<br />

bleibt immer <strong>der</strong> oberste bewegende Gott und sitzt im Rate aller Entschlüsse,<br />

denen ein mehr als zufälliger Charakter beiwohnt...“ – In Halle<br />

arbeitet Ruge einen Plan aus „Zur Gründung einer rein wissenschaftlichen<br />

Universität in Dresden im Gegensatz zu den Seminarien <strong>für</strong> die Praxis,<br />

welche die alten Universitäten darstellen.“ (Aus früherer Zeit, S. 525.) Dabei<br />

lehnt sich Ruge nicht nur auf gegen die Dienstbarkeit <strong>der</strong> Theorie gegenüber<br />

einer pragmatistisch verstandenen Alltagspraxis.<br />

345 Vgl. Deutsche Jahrbücher, 1842, Vorwort, S. 1: „Der Wi<strong>der</strong>stand wie<br />

<strong>der</strong> Sieg, den die Wissenschaft will, ist zunächst ein rein geistiger, sie will<br />

durch ihre Wahrheit gelten und nur durch ihre Unwahrheit wi<strong>der</strong>legt<br />

sein.“<br />

346 Zwei Jahre in Paris, S. 28. Siehe auch: Deutsch-Französische Jahrbücher,<br />

Paris 1844, S. 8. Vgl. Feuerbach: Vorläufige Thesen zur Reform <strong>der</strong><br />

<strong>Philosophie</strong>, Ludwig Feuerbach, Kleine Schriften, Frankfurt a. M. 1966, S.<br />

226: „Alles was auf Erden, findet sich wie<strong>der</strong> im Himmel <strong>der</strong> Theologie – so<br />

auch Alles, was in <strong>der</strong> Natur, im Himmel <strong>der</strong> göttlichen Logik...“ Zwar stellt<br />

auch Schelling die Priorität des Seins fest – „In dieser Einheit aber ist die<br />

Priorität nicht auf seiten des Denkens, das Sein ist das erste, das Denken<br />

erst das zweite o<strong>der</strong> folgende“ (Sämtliche Werke, Stuttgart 1856 ff., II. Abt.,<br />

Bd. I, S. 587) – aber er verbindet sie in schroffem Gegensatz zu den Junghegelianern<br />

mit dem Theismus seiner „positiven <strong>Philosophie</strong>“. – Im Gegensatz<br />

zu Feuerbach hält Ruge an <strong>der</strong> Dialektik als dem Prinzip <strong>der</strong> revolutionären<br />

Entwicklung fest; vgl. Zwei Jahre in Paris, S. 31 f.; Aus früherer<br />

Zeit, S. 598 ff.<br />

347 Siehe K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 96 ff., 224


298<br />

348 Die Hegelsche Rechtsphilosophie und die Politik unserer Zeit, Deutsche<br />

Jahrbücher, 1842, S. 763: „Die Theorie hat aber die Aufgabe, streng zu<br />

unterscheiden, wo sie sich als Metaphysik und wo sie sich als Kritik verhält,<br />

wo sie eine logische und wo eine historische Kategorie vor sich hat.<br />

Die Hegelsche Rechtsphilosophie, um sich als ,Spekulation‘ o<strong>der</strong> als absolute<br />

Theorie zu verhalten, also die,Kritik‘ nicht hervortreten zu lassen, erhebt<br />

die Existenzen o<strong>der</strong> die historischen Bestimmtheiten zu logischen Bestimmtheiten...“<br />

349 Vgl. den Brief an Stahr vom 23. II. 1843, Briefwechsel, Bd. I, S. 299<br />

350 Ebenda, S. 762. Vgl. Der Protestantismus und die Romantik, Hallische<br />

Jahrbücher, 1840, S. 417 f. Zur Kritik des gegenwärtigen Staats und Völkerrechts<br />

ebenda, S. 1211. Politik und <strong>Philosophie</strong>, ebenda, S. 2331. Vorwort<br />

zum 1. Jahrg. <strong>der</strong> Deutschen Jahrbücher, 1841, S. 2. Vorwort zum<br />

letzten Jahrg. <strong>der</strong> Deutschen Jahrbücher, 1843, S. 6<br />

351 Die Hegelsche Rechtsphilosophie und die Politik unserer Zeit, Deutsche<br />

Jahrbücher, 1842 S. 764<br />

352 Zur Kritik des gegenwärtigen Staats- und Völkerrechts, Hallische Jahrbücher,<br />

1840, S. 1211 f.<br />

353 Die Allgemeine Literaturzeitung über Strauß, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> alte und <strong>der</strong><br />

neue Rationalismus, Hallische Jahrbücher, 1841, S. 271: „Die Hegelsche<br />

<strong>Philosophie</strong> hört bei sich, bei <strong>der</strong> theoretischen Systematisierung von Geist<br />

und Natur, von Geschichte und Dasein auf, sie besinnt sich über alles,<br />

nur nicht über sich selbst, denn es entgeht ihr, dass sie mit diesem ihrem<br />

System <strong>der</strong> bisherigen Vernunft nun die For<strong>der</strong>ung des zukünftigen vernünftigen<br />

Werdens ist. “ Vgl.: Der Protestantismus und die Romantik, Hallische<br />

Jahrbücher, 1840, S. 417. f. : „... die absolute Tatenlust des befreiten<br />

Geistes, <strong>der</strong> reformatorische Enthusiasmus, <strong>der</strong> unsere Mitwelt überall<br />

ergreift, begnügt sich nicht mit <strong>der</strong> Hegelschen Beschaulichkeit, welche in<br />

theoretischer Selbstzufriedenheit dem Prozesse bloß zusieht und jede Absurdität<br />

konstruiert, son<strong>der</strong>n handelt, for<strong>der</strong>t, gestaltet...“<br />

354 Vorwort zum letzten Jahrgang <strong>der</strong> Deutschen Jahrbücher, 1843, S. 6<br />

355 Der Protestantismus und die Romantik, Hallische Jahrbücher, 1840, S.<br />

417; vgl. Zur Kritik des gegenwärtigen Staats- und Völkerrechts, ebenda,<br />

S. 2111<br />

356 Zwei Jahre in Paris, S. 31


299<br />

357 Die Hegelsche Rechtsphilosophie und die Politik unserer Zeit, Deutsche<br />

Jahrbücher, 1842, S. 760<br />

358 David Friedrich Strauß, „Zwei friedliche Blätter“, Hallische Jahrbücher,<br />

1839, S. 993 f.<br />

359 Julius Schaller, Die <strong>Philosophie</strong> unserer Zeit, Hallische Jahrbücher,<br />

1838, S. 769 ff., 780<br />

360 Die Denunziation <strong>der</strong> Hallischen Jahrbücher, 1838, S. 1433. (Der letzte<br />

Satzteil des Zitats ist im Original gesperrt.) Vgl. dazu; A. Rosenberg, a. a.<br />

0., S. 291. Siehe auch Ruge: Deutscher Musenalmanach <strong>für</strong> das Jahr<br />

1839, Hallische Jahrbücher, 1839, S. 661 f.; Nachträgliches zur Reformationsfeier,<br />

Hallische Jahrbücher, 1839, S. 1336; Gedichte von J. P. Eckermann,<br />

Hallische Jahrbücher, 1838, S. 869 f.; Literarische Zustände<br />

und Zeitgenossen, Hallische Jahrbücher, 1838, S. 2,98 ff.; Das Wesen und<br />

Treiben <strong>der</strong> Berliner Evangelischen Kirchenzeitung, Hallische Jahrbücher,<br />

1839, S. 1409; K. Gutzkow, Blasedow und seine Freunde, Hallische Jahrbücher,<br />

1839, S. 1047 ff., S. 1054: „Die Erkenntnis hat sich das untergeordnete<br />

Gebiet des Lebens nicht zum Zweck zu setzen, son<strong>der</strong>n nur sich<br />

selbst. Die Jahrbücher lehnen daher die Zumutung ab, sich mit Parteiinteresse<br />

ins praktische Gebiet einzulassen...“<br />

361 Sendschreiben an Görres von Heinrich Leo, Hallische Jahrbücher,<br />

1838, S. 1183; zu Ruges Bezug auf Hegels Auffassung <strong>der</strong> Reformation<br />

siehe S. 1195 f. Gegen Görres’ „Mystik“ und „Romantik“ ist auch die Rezension<br />

von dessen Schrift „Die Triarier“ gerichtet: ebenda, S. 1913 ff.<br />

362 Siehe H. Leo: Die Hallischen Jahrbücher <strong>für</strong> deutsche Wissenschaft<br />

und Kunst, in: Berliner politisches Wochenblatt, Juli 1838; <strong>der</strong>s.: Die Hegelingen,<br />

Halle 1838, Vorwort, S. 4 f. Vgl. auch E. W. Hengstenberg: Wi<strong>der</strong><br />

die Hallischen Jahrbücher, in: Die evangelische Kirchenzeitung, 1838, Nr.<br />

69<br />

363 Die Denunziation <strong>der</strong> Hallischen Jahrbücher, Hallische Jahrbücher,<br />

1838, S. 1425-1440; S.1437: „Wird nun aber die Entwicklung nicht aufgehalten<br />

und gehemmt, im Gegenteile, hat <strong>der</strong> Staat das reformierende<br />

Prinzip wie Preußen, so gibt es keine Notwendigkeit, ja nicht einmal eine<br />

Möglichkeit <strong>der</strong> Revolution.“ Dem Vorwurf, die Revolution werde in Preußen<br />

durch die Junghegelianer verursacht so wie die französische Revolution<br />

durch die französischen Aufklärer hervorgerufen sei, hält Ruge hier<br />

noch entgegen, dass die revolutionären Bewegungen kein primäres Resul-


300<br />

tat <strong>der</strong> Literatur sind (S. 135 f.). Vgl. auch: Leo und die Evangelische Kirchenzeitung<br />

gegen die <strong>Philosophie</strong>, Hallische Jahrbücher, 1838, S. 1881-<br />

1896; Aufgabe <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> ist <strong>für</strong> Ruge hier die Vermittlung des gegebenen<br />

Inhalts <strong>der</strong> Religion in neuer begrifflicher Form ganz im Sinne von<br />

Strauß’ „Leben Jesu“ (S. 1888). – Siehe auch E. Meyen: Heinrich Leo. Der<br />

verhallerte Pietist, Leipzig 1838; K. F. Köppen: Noch ein Wort über Leos<br />

Geschichte <strong>der</strong> französischen Revolution, Deutsche Jahrbücher, 1842, S.<br />

513 ff.<br />

364 Heinrich Heine, charakterisiert nach seinen Schriften, Hallische Jahrbücher,<br />

1838, S. 193-227; S. 219: „So ist die ganze Poesie <strong>der</strong> Koketterie,<br />

die sich immer nur scheinbar auf die Substanz einlässt, nur mit ihr buhlt<br />

um des Scheins willen, ihrem innersten Begriff nach eine Poesie <strong>der</strong> Lüge.“<br />

Vgl. Ruges Briefe an seinen Bru<strong>der</strong> Ludwig vom 28. VIII. 1843, an seine<br />

Gattin vom 11. VII. 1843 und an Stahr vom 11. VII. 1844, Briefwechsel,<br />

Bd. I, S. 331, 334 ff., 363 f. – Gegen die pietistische Innerlichkeit als Weltfremdheit<br />

ist <strong>der</strong> Artikel gerichtet: Der Pietismus und die Jesuiten, Hallische<br />

Jahrbücher, 1839, S. 241 ff.<br />

365 Aus früherer Zeit, a. a. p., S. 487. – Das Manifest, Hallische Jahrbücher,<br />

1839, S. 1953 ff., schreibt Ruge zusammen mit Echtermeyer, mit<br />

dem er sich aus Streit über das „Ideeneigentum“ entzweit; vgl. dazu: Aus<br />

früherer Zeit, a. a. 0., S. 541 ff. Im Manifest wird Schiller als Praktiker und<br />

Goethe als Theoretiker bezeichnet, insofern <strong>der</strong> eine „sein Denken realisiert,<br />

hinausbildet“, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e „die Welt auf sich eindringen lässt“. „Das<br />

einseitige theoretische Verhalten führt zur Ironie, zur zwecklosen Absorption<br />

<strong>der</strong> Welt in den Abgrund. des wi<strong>der</strong>standslosen Ich, das sich damit<br />

zur affektlosen Camera obscura <strong>der</strong> Objektivität herabsetzt. Goethe erkannte<br />

daher Schiller als seine an<strong>der</strong>e Seite vollkommen an.“ (S. 422)<br />

366 Karl Streckfuß und das Preußentum, Hallische Jahrbücher, 1839, S.<br />

2100, Anmerkung: „Der gegenwärtige Zustand o<strong>der</strong> die Existenz unseres<br />

Staates ist allerdings gegen seine Entwicklung das Unhaltbare und gegen<br />

seine Idee und sein Wesen das Mangelhafte und Unwahre...“ - Vgl. G.<br />

Mayer: Die Junghegelianer und <strong>der</strong> preußische Staat, in: Historische Zeitschrift,<br />

1920, Heft 3, S. 423 ff.<br />

367 Sämtliche Werke, Berlin 1867, Bd. V, S. 78 f.: „Die Kritik in den Jahrbüchern<br />

zeigte sich damals aber noch zu sehr in <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong><br />

befangen. Indessen war es gerade die philosophische Umhüllung,<br />

welche die Veröffentlichung <strong>der</strong> Kritik möglich machte. Direkt politische<br />

Kritik war noch verfänglicher als direkt religiöse, musste daher anfangs<br />

vermieden werden... Indessen gelang es in einem Aufsatz über das


301<br />

,Preußentum‘, das Prinzip <strong>der</strong> Regierung, wenn auch wie<strong>der</strong> nur verhüllt,<br />

auszusprechen. Wir nannten Preußen ,katholisch‘, das freie Prinzip dagegen,<br />

von dem es abfiele, den Protestantismus.“<br />

368 Karl Streckfuß und das Preußentum, a. a. 0.<br />

368a Vgl. dazu M. Lange: Arnold Ruge und die Entwicklung des Parteilebens<br />

im Vormärz, in: Einheit, 1848, Heft 7, S. 637<br />

369 Siehe A. Cornu: Karl Marx und Friedrich Engels, Berlin 1954, S. 141<br />

370 Hallische Jahrbücher, 1840, S. 673 ff., 2241 ff. Vgl. auch die Kritik an<br />

dem „System <strong>der</strong> Nichtbeteiligung des Volks“ in: Die Leipziger Zeitung und<br />

die öffentliche Meinung, Hallische Jahrbücher, 1841, S. 150 ff.<br />

371 Deutsche Jahrbücher, 1842, S. 673<br />

372 Ebenda, S. 682. Vgl. zu Ruges Negation des Christentums und des Absolutismus<br />

den Brief an Prutz vom 8. I. 1842, Briefwechsel, Bd. I, S. 259.<br />

Siehe auch: Zwei Jahre in Paris, S. 291, wo die Religion als „ein Produkt<br />

<strong>der</strong> Not“ bezeichnet wird.<br />

373 Brief an Stahr vom 7. XI. 1841, Briefwechsel, Bd. I, S. 246. – Zu Ruges<br />

Abrücken vom Protestantismus und Konstitutionalismus trägt auch die<br />

Aufhebung <strong>der</strong> Venia legendi Bruno Bauers bei; siehe Ruges Artikel in den<br />

„Anekdota“: Bruno Bauer und die Lehrfreiheit<br />

374 Deutsche Jahrbücher, 1843, S. 12<br />

375 Ebenda, S. 5. Vgl. Zwei Jahre in Paris, S. 12: „Mit dem Scheitern <strong>der</strong><br />

Bauernkriege verlor <strong>der</strong> deutsche Protestantismus seinen demokratischen<br />

und tatkräftigen Herzschlag; er machte seitdem alle Menschen zu Mönchen<br />

,in <strong>der</strong> Gemeinde <strong>der</strong> Heiligen‘, zu Spießbürgern im Leben und zu<br />

Theologen in <strong>der</strong> Wissenschaft.“<br />

376 Ebenda, S. 11. – Ruges Rede in <strong>der</strong> 45. Sitzung <strong>der</strong> Deutschen Nationalversammlung<br />

in <strong>der</strong> Frankfurter Paulskirche mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung, das<br />

<strong>für</strong> das Militär ausgegebene Geld „zu Zwecken <strong>der</strong> Industrie und <strong>der</strong> Bildung<br />

des Volkes anzuwenden“, ist abgedruckt in Arnold Ruge: Der Patriotismus,<br />

Frankfurt a. M. 1968, S.99 ff.<br />

377 Zwei Jahre in Paris, Leipzig 1846, Bd. I, S. 76. Darüber, dass nach Ruges<br />

an Kant erinnernden Ansicht <strong>der</strong> Mensch stets Zweck, nie Mittel sein


302<br />

darf, vgl.: Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben, Hannover 1868, Bd. IV,<br />

S. 59 ff.<br />

378 Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris 1844, S. 6 ff.<br />

379 Vgl. Aus früherer Zeit, S. 360; Zwei Jahre in Paris, S. 304 f. Siehe dazu:<br />

K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 335<br />

380 Aus früherer Zeit, S. 360, 365 f., 72, 84; Ruges Brief an seine Mutter<br />

vom 28. III. 1844, Brief an Fleischer vom 9. VII. 1844, Briefwechsel, Bd. I,<br />

S. 342, 359; Brief an Feuerbach vom 15. V. 1844, Briefwechsel, Bd. I, S.<br />

352: „We<strong>der</strong> die komplizierten Vorschläge <strong>der</strong> Fourieristen noch die Eigentumsaufhebung<br />

<strong>der</strong> Kommunisten sind klar zu formulieren. Beides läuft<br />

immer auf einen förmlichen Polizei- und Sklavenstaat hinaus. Um das Proletariat<br />

von <strong>der</strong> Not und von dem Druck <strong>der</strong> Not geistig und körperlich zu<br />

befreien, denkt man an eine Organisation, die alle Menschen an dieser Not<br />

und diesem Druck teilnehmen lässt.“<br />

381 Zwei Jahre in Paris, Leipzig 1846, Bd. I, S. 60 ff.; Studien und Erinnerungen,<br />

Mannheim 1847, S. 39. Zu Heß’ Kritik an Ruge, die ursprünglich<br />

in <strong>der</strong> „Deutschen Ideologie“ erscheinen sollte, siehe Moses Heß: Philosophische<br />

und sozialistische Schriften 1837-1850, herausg. u. eingel. v. A.<br />

Cornu u. W. Mönke, Berlin 1961, S. 403 ff., 479 f.<br />

381a Zwei Jahre in Paris, Der Egoismus und die Praxis: Ich und die Welt, S.<br />

125 ff. Vgl. den Brief an seine Mutter vom 17. XII. 1844, Briefwechsel, Bd.<br />

I, S. 386. Auf Stirner beruft sich Ruge auch in seiner Polemik gegen den<br />

Kommunismus: „Er kritisiert den Kommunismus sehr gut und entwickelt,<br />

dass erst <strong>der</strong> erwachte Egoismus <strong>der</strong> Unterdrückten die wahre Quelle <strong>der</strong><br />

Bewegung ist.“ (Brief an Fröbel vom 6. XII. 1844, Briefwechsel, Bd. I, S.<br />

382)<br />

382 Vgl. Ruges Briefe über Marx an seine Mutter vom 6. X. und 23. X.<br />

1844, an Fröbel vom November 1844 und vom 6. XXI. 1844, Briefwechsel,<br />

Bd. I, S. 367 ff., 371, 380 ff.; über Bakunin siehe die Briefe an Fröbel vom<br />

16. X. 1844, an Fleischer vom 23. XI. 1844, an seine Mutter vom 17. XII.<br />

1844, Briefwechsel, Bd. I, S. 369, 374 ff., 385<br />

383 „Vorwärts“, 27. Juli 1844. Vgl. Ruges Brief an Fleischer vom 9. Juli<br />

1844, Briefwechsel, Bd. I, S. 359. Siehe auch J. Fröbel: Das Verbrechen<br />

<strong>der</strong> Religionsstörung nach den Gesetzen des Kantons Zürich, Zürich und<br />

Winterthur 1844, S. 119. Vgl. E. Feuz: Julius Fröbel, Bern 1932


303<br />

384 Offener Brief an Herrn Börnstein, „Vorwärts“, 3. VII. 1844. Vgl. auch<br />

Ruges Entgegnung auf Marx’ Polemik im „Vorwärts“ vom 17. VIII. 1844.<br />

Siehe dazu: D. J. Rosenberg: Die Entwicklung <strong>der</strong> ökonomischen Lehre<br />

von Marx und Engels in den vierziger Jahren des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts, Berlin<br />

1958, S. 207 ff. – Nach dem Erscheinen <strong>der</strong> „Heiligen Familie“ von Marx<br />

und Engels schreibt Ruge (auch mit Bezug auf Moses Heß) im Brief an<br />

Fleischer vom 27. V. 1845, Briefwechsel, Bd. I, S. 396: „Übrigens ist es ein<br />

großer Irrtum, dass die materiellen, reellen Interessen <strong>für</strong> sich ein Agens<br />

abgeben und Geschichte machen könnten.“<br />

385 Vgl. Polemische Briefe, Mannheim 1847, S. 252 ff. Zwei Jahre in Paris,<br />

S. 294: „Die Aufhebung des Patriotismus in Humanismus ist eine Form<br />

des gegenwärtigen Freiheitsproblems...“<br />

386 Vgl. Zwei Jahre in Paris, Bd. II., S. 133 f.: „Die theoretische Befreiung<br />

ist nirgends in <strong>der</strong> Welt so gründlich vorhanden und fortdauernd im Werke<br />

als in Deutschland Die Geburt <strong>der</strong> wirklichen, <strong>der</strong> praktischen Freiheit ist<br />

<strong>der</strong> Übergang ihrer For<strong>der</strong>ung an die Masse. Diese For<strong>der</strong>ung ist das Symptom<br />

<strong>der</strong> verdauten Theorie und ihres Durchbruchs in die Existenz... Das<br />

Ende <strong>der</strong> theoretischen Befreiung ist die praktische. Die Praxis ist aber<br />

nichts an<strong>der</strong>s, als die Bewegung <strong>der</strong> Massen im Sinne <strong>der</strong> Theorie, <strong>der</strong><br />

Herzschlag <strong>der</strong> ewig jungen Welt.“ – Gegen das Zitat Goethes, die Masse sei<br />

nur im Zuschlagen respektabel (in Hegels Rechtsphilosophie, § 317, Anmerkung),<br />

siehe: Zur Kritik des gegenwärtigen Staats- und Völkerrechts,<br />

Hallische Jahrbücher, 1840, S. 1235 f. Dagegen hatte Ruge in dem Aufsatz<br />

„Unsere gelehrte kritische Journalistik“ (1837) behauptet, die <strong>Philosophie</strong><br />

sei „ihrem Begriff nach unpopulär“: Aus früherer Zeit, S. 461<br />

387 Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris 1844, S. 4. Vgl. Ruges Brief<br />

an Feuerbach vom 15. V. 1844, Briefwechsel, Bd. I, S. 346 f.: „... es wäre<br />

wohl möglich..., dass eine wirkliche, wenn auch nur teilweise, sporadische,<br />

städtische Bildung <strong>der</strong> Ouvriers (das sind alle Arbeiter) eine wirkliche Reform<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft herbeiführte. Aber die Frage ist dann immer noch die<br />

alte: Wie ist die Bildung allgemein zu machen, wie die Befreiung jedes<br />

Menschen zu realisieren? Es ist nach meiner Meinung das ewige Problem<br />

<strong>der</strong> Geschichte, es ist etwas Großes, dass man jetzt so direkt darauf losgeht...<br />

Die Gesellschaftsreform ist <strong>der</strong> praktische Pendant zum theoretischen<br />

Humanismus in <strong>der</strong> Religionskritik.“ Sämtliche Schriften, 2. Auflage,<br />

V. Band, Studien und Erinnerungen, Mannheim 1847, S. 60: „Sobald<br />

die Prinzipien in Frankreich die Höhe <strong>der</strong> deutschen <strong>Philosophie</strong> erreicht<br />

haben, wird die ganze Religionsfrage eine Erziehungsfrage, nur durch Bildung<br />

befreit man die Menschen.“


304<br />

388 Vgl.: Der Protestantismus und die Romantik, Hallische Jahrbücher,<br />

1840, S. 2113 ff.<br />

389 Bruno Bauer: Vollständige Geschichte <strong>der</strong> Parteikämpfe in Deutschland<br />

während <strong>der</strong> Jahre 1842-1846, 3 Bde. Charlottenburg 1847 (später abgekürzt<br />

als: Parteikämpfe), Bd. I, S. 155. Vgl. Die Deutschen Jahrbücher und<br />

Dr. Ruges Beschwerde, in: Allgemeine Literatur-Zeitung, Charlottenburg<br />

1844 (später abgekürzt als: Literatur-Zeitung), Heft 2, S. 29: „Herr Ruge<br />

also unterwirft nicht den Begriff des Bestehenden einer Untersuchung,<br />

nein, er stellt nur sein Bestehendes, sein Heiligstes dem Bestehendem und<br />

Heiligsten des sächsischen Ministeriums gegenüber...“ Siehe auch L. Buhl,<br />

Berliner Monatsschrift, Mannheim 1844, S. 2 ff.<br />

390 Vgl. Ruge: Zwei Jahre in Paris, Leipzig 1846, S. 59 f.<br />

391 B. Bauer: Parteikämpfe, Bd. I, S. 155<br />

392 Ebenda, Bd. III, S. 170 f. ; Literatur-Zeitung, Heft 89 S. 6<br />

393 Parteikämpfe, Bd. III, S. 173; vgl. S. 28 mit Bezug auf Moses Heß<br />

394 Literatur-Zeitung, Heft 6, S. 34: „Die Kritik hat, wie gesagt, aufgehört,<br />

politisch zu sein. Früher Ansichten durch Ansichten, Systeme durch Systeme,<br />

Gesinnung durch Gesinnung bekämpfend, ist sie jetzt ansicht-, system-,<br />

gesinnungslos geworden.“ Vgl. dagegen Ruge: Wer ist und wer ist<br />

nicht Partei, Deutsche Jahrbücher 1842, S. 190 ff., sowie Herweghs Gedicht<br />

„Die Partei“<br />

395 Vgl. Th. W. Adorno: Negative Dialektik, Frankfurt 1966. – Zu Bauers<br />

„revolutionärer Antithetik“ siehe auch: H. Stuke: <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Tat,<br />

Stuttgart 1963, S. 139 ff.<br />

396 Enzyklopädie, § 81, Zusatz 2, Werke, Bd. 8, S. 194<br />

397 Edgar Bauer: Bruno Bauer und seine Gegner, Berlin 1842, S. 89. Vgl.<br />

dagegen Marx: Das Elend <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> (1847), Werke, Bd. 4, S. 133:<br />

„Sowie man sich nur das Problem stellt, die schlechte Seite auszumerzen,<br />

schneidet man die dialektische Bewegung entzwei.“<br />

398 Das entdeckte Christentum. Eine Erinnerung an das achtzehnte Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

und ein Beitrag zur Krisis des neunzehnten, Zürich und Winterthur<br />

1843, herausg. von E. Barnikol, Jena 1927, S. 160 f. (später abgekürzt<br />

als: Das entdeckte Christentum)


305<br />

399 Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten und Antichristen.<br />

Ein Ultimatum. Leipzig 1841, in: Die Hegelsche Linke, Texte,<br />

ausgewählt und eingeleitet von K. Löwith, Stuttgart-Bad Cannstatt 1962,<br />

S. 164 (später abgekürzt als: Die Posaune). Vgl. Das entdeckte Christentum,<br />

S. 155: „In dem echten Hegelschen System wenigstens hat <strong>der</strong> Begriff<br />

noch zum Teil den Anschein einer hypostatischen Macht, die abgeson<strong>der</strong>t<br />

vom Selbstbewusstsein ihr Leben zu führen imstande ist...“ Siehe dazu<br />

Marx’ Kritik an <strong>der</strong> Begriffsverselbständigung – aber nicht gegenüber dem<br />

Selbstbewusstsein, son<strong>der</strong>n gegenüber <strong>der</strong> sinnlichen geschichtlichen und<br />

natürlichen Welt – in <strong>der</strong> „Heiligen Familie“ unter <strong>der</strong> Überschrift „Das Geheimnis<br />

<strong>der</strong> spekulativen Konstruktion“<br />

400 Ebenda, S. 168 f.<br />

401 Ebenda, S. 151. Vgl. Bauers Rezension: Einleitung in die Dogmengeschichte<br />

von Th. Klieforth, in: Anekdota zur neuesten <strong>Philosophie</strong> und Publizistik,<br />

Zürich und Winterthur 1843, Bd. II, S. 158<br />

402 Literatur-Zeitung, Heft 4, S. 14 f.<br />

403 Werke, Bd. 17, S. 82<br />

404 Die Posaune, S. 171<br />

405 Werke, Bd. 17, S. 86<br />

406 K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 56: „Das Wissen<br />

revolutioniert durch seine freie Form auch den substantiellen Gehalt.“ Allerdings<br />

ist nicht anzunehmen, dass Hegel mit „wirklicher Gestaltung“ die<br />

„Gestaltung einer neuen <strong>Philosophie</strong>“ meinen kann, wie Stuke behauptet<br />

(a. a. 0., S. 65, Anm. 52)<br />

407 Werke, Bd. 17, S. 85<br />

408 Die Posaune, S. 170<br />

409 Ebenda, S. 171<br />

410 Brief an Marx vom 31. III. 1841, MEGA I, I, 2, S. 250<br />

411 Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 19, S.<br />

510


306<br />

412 Die Posaune, S. 174. Vgl. Bauers Berufung auf die Aufklärung, beson<strong>der</strong>s<br />

auf Joh. Christ. Edelmann, in: Das entdeckte Christentum, S. 89 ff.,<br />

sowie in: Hegels Lehre von <strong>der</strong> Religion und Kunst von dem Standpunkte<br />

des Glaubens aus beurteilt, Leipzig 1842, S. 44, 70 ff., wo eine Linie Voltaire,<br />

Hegel, Bauer konstruiert wird; ferner: Geschichte <strong>der</strong> Politik, Kultur<br />

und Aufklärung des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts, 2 Bde., Charlottenburg 1843/45;<br />

über Edelmann siehe Bd. I, S. 204 ff. In <strong>der</strong> „Allgemeinen Literatur-<br />

Zeitung“ wird Bauers Einstellung zur Aufklärung ablehnen<strong>der</strong>.<br />

413 Die Posaune, S. 194. Vgl. Der christliche Staat und unsere Zeit, in:<br />

Deutsche Jahrbücher, 1841, S. 537 ff.<br />

414 Rechtsphilosophie, § 270, Werke, Bd 7, S. 353; vgl. S. 358: „Es ist philosophische<br />

Einsicht, welche erkennt, dass Kirche und Staat nicht im Gegensatze<br />

des Inhalts <strong>der</strong> Wahrheit und Vernünftigkeit, aber im Unterschied<br />

<strong>der</strong> Form stehen.“<br />

415 Rechtsphilosophie, § 348, Werke, Bd. 7, S. 450<br />

416 Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 19, S. 96.<br />

Vgl. Die Posaune, S. 170. Siehe auch: D. Koigen: Zur Vorgeschichte des<br />

mo<strong>der</strong>nem philosophischen Sozialismus in Deutschland, Bern 1901 S. 59<br />

ff.<br />

417 Literatur-Zeitung, Heft 8, S. 20<br />

418 Siehe dazu: Rechtsphilosophie, § 302, § 316-318, Werke, Bd. 7, S. 411,<br />

424 ff.<br />

419 Literatur-Zeitung, Heft 8, S. 25; Heft 1, S. 3. Vgl. dagegen Marx: „Die<br />

,Idee‘ blamierte sich immer, soweit sie von dem ,Interesse‘ unterschieden<br />

war.“ (Die Heilige Familie. Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 2, S. 85)<br />

420 Vgl. auch: Denkwürdigkeiten zur Geschichte <strong>der</strong> neueren Zeit seit <strong>der</strong><br />

Revolution, 7 Bde., Charlottenburg 1843/44. Die Kritik an <strong>der</strong> Masse verbindet<br />

Bauer auch mit <strong>der</strong> Kritik an Feuerbachs Begriff <strong>der</strong> Gattung als<br />

einer Macht, die <strong>der</strong> Mensch „<strong>der</strong> Kritik nicht unterwerfen darf“ und die<br />

„seinem Einfluss und seiner Tätigkeit schlechthin entzogen ist“; Literatur-Zeitung,<br />

Heft 7, S. 45; Vgl. Charakteristik Ludwig Feuerbachs, in: Wigands<br />

Vierteljahresschrift, Leipzig 1845 Bd. 3, S. 95: „Bei Feuerbach hat<br />

die Hegelsche Substanz das Selbstbewusstsein besiegt.“


307<br />

421 Vorlesungen über die Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Werk Bd. 18, S. 428<br />

f.<br />

422 Vgl. Aristoteles’ Politik, 1333 a 30 ff. Siehe dazu H. Marcuse: Über den<br />

affirmativen Charakter <strong>der</strong> Kultur, in: Kultur und Gesellschaft I, Frankfurt<br />

1965, S. 56 ff. Erneuert findet sich die asketische Trennung von Bewusstseinserhellung<br />

und Praxis u. a. in Aldous Huxleys „Brave New World“ und<br />

erst recht in seiner späteren „buddhistischen“ „Philosophia perennis“; dazu<br />

siehe: Th. W. Adorno, Aldous Huxley und die Utopie, in: Prismen, München<br />

1963, S. 105<br />

423 Kritik <strong>der</strong> evangelischen Geschichte <strong>der</strong> Synoptiker, Bd. I, Leipzig 1841,<br />

S. XV; Hegels Lehre von <strong>der</strong> Religion und Kunst, Leipzig 1842, S. 59. (Dazu<br />

siehe: Vorläufiges über Bruno Bauer, in: Deutsche Jahrbücher, 1841, S.<br />

418.) Vgl. Bauers Rezension über Strauß’ „Christliche Glaubenslehre“,<br />

Deutsche Jahrbücher, 1843, S. 81-95; S. 84 in Anlehnung an Feuerbach:<br />

„Sobald es entschieden ausgesprochen ist, dass <strong>der</strong> Standpunkt <strong>der</strong> Religion<br />

<strong>der</strong> praktische, <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> theoretische ist, dass es sich<br />

in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> um die Natur <strong>der</strong> Sache, in <strong>der</strong> Religion um die Bedürfnisse<br />

des Subjekts handele, so ist damit die letzte Entscheidung über das<br />

Verhältnis <strong>der</strong> Religion und <strong>Philosophie</strong> gegeben.“ – Zu Bauers Religionskritik<br />

siehe: G. Runze: Bruno Bauer redivivus, Berlin 1934, S. XIII f.; S.<br />

Hook: From Hegel to Marx, London 1936, S. 90 ff.; H. Steußloff: Bruno<br />

Bauer als Junghegelianer und Kritiker <strong>der</strong> christlichen Religion, in: Deutsche<br />

Zeitschrift <strong>für</strong> <strong>Philosophie</strong>, Heft 9/ 1963; M. Kegel: Bruno Bauer und<br />

seine Theorien über die Entstehung des Christentums, Leipzig 1908; D.<br />

Hertz-Eichenrode: Der Junghegelianer Bruno Bauer im Vormärz, Berlin<br />

1959, S. 13 ff.; A. Schweitzer: Geschichte <strong>der</strong> Leben-Jesu-Forschung, Tübingen<br />

1913, S. 141 ff.<br />

424 Die Posaune, S. 170<br />

425 Die Posaune, S. 172<br />

426 Die Judenfrage, Braunschweig 1843, S. 115. Vgl. Die gute Sache <strong>der</strong><br />

Freiheit und meine eigene Angelegenheit, Zürich und Winterthur 1842, S.<br />

209: „Die Theorie, die uns so weit geholfen hat, bleibt auch jetzt noch unsere<br />

einzige Hilfe, um uns und an<strong>der</strong>e frei zu machen. Die Geschichte, über<br />

die wir nicht gebieten und <strong>der</strong>en entscheidende Wendungen über die<br />

absichtliche Berechnung hinausliegen, wird den Schein stürzen und die<br />

Freiheit, die uns die Theorie gegeben hat, zur Macht erheben, die <strong>der</strong> Welt<br />

eine neue Gestalt gibt.“


308<br />

427 Kritik <strong>der</strong> evangelischen Geschichte <strong>der</strong> Synoptiker, Bd. I, Leipzig 1841,<br />

S. XXIV<br />

428 Literatur-Zeitung, Heft 11/12, S. 45<br />

429 Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. Karl<br />

Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 1, Berlin 1964, S. 385<br />

430 Deutsche Jahrbücher, 1843, S. 85; hinsichtlich <strong>der</strong> Religion sagt Bauer:<br />

„Gegen ein Wesen, welches mir durchaus fremd bleiben soll, kann ich<br />

mich nicht theoretisch verhalten, d. h. ich kann mich mit ihm nicht verständigen...“<br />

431 Bekenntnisse einer schwachen Seele, Deutsche Jahrbücher, 1842, S.<br />

594<br />

432 Vgl. Das entdeckte Christentum, S. 92: „Um theoretische Ausgleichung<br />

<strong>der</strong> Gegensätze, d. h. um Fortschritt des allgemeinen Bewusstseins, wie in<br />

den wissenschaftlichen Kämpfen, ist es den religiösen Sekten nicht zu tun,<br />

son<strong>der</strong>n um die praktische Frage <strong>der</strong> völligen Ausschließung handelt es<br />

sich...“<br />

433 Ebenda, S. 94<br />

434 Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Religion, Werke, Bd. 15, S. 108<br />

435 Siehe: Jahrbücher <strong>für</strong> wissenschaftliche Kritik, Kritik von D. F. Strauß,<br />

Berlin 1835, Nr. 109-113; 1836, Nr. 86-88. Zeitschrift <strong>für</strong> spekulative<br />

Theologie, Berlin 1836; Der mosaische Ursprung <strong>der</strong> Gesetzgebung des<br />

Pentateuch, 1837; Die neueren Kommentare zu den Psalmen, 1838; Apologetisches<br />

und Kritisches zum biblischen Bericht von <strong>der</strong> Urgeschichte<br />

<strong>der</strong> Menschheit<br />

436 Kritik <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Offenbarung, Bd. I, Berlin 1838, Einleitung,<br />

S. XXIII; S. LI: „An seinem Nichtsein hat das Selbstbewusstsein des absoluten<br />

Geistes, so lange es im Werden begriffen ist, die Schranke, welche<br />

seine Allgemeinheit begrenzt und zu endlichen Gestalten herabzieht.“<br />

437 Herr Dr. Hengstenberg. Kritische Briefe über den Gegensatz des Gesetzes<br />

und des Evangeliums, Berlin 1839, S. 70: „Das gesetzliche Bewusstsein<br />

ist an dieses bestimmte Volk geknüpft... ist also gegen die an<strong>der</strong>n<br />

Völker ausschließend.“


309<br />

438 Kritik <strong>der</strong> evangelischen Geschichte <strong>der</strong> Synoptiker und des Johannes,<br />

Bd. III, Braunschweig 1842, S. 315; Bd. II, S. 157. Vgl. Die Judenfrage,<br />

Deutsche Jahrbücher, 1842, S. 1100, 1113 ff.<br />

439 Das entdeckte Christentum, S. 109, 92, 149. Vgl. Hegels Lehre von <strong>der</strong><br />

Religion und Kunst von dem Standpunkt des Glaubens aus beurteilt, Leipzig<br />

1842, S. 48; Theologische Schamlosigkeiten, Deutsche Jahrbücher<br />

1841, S. 465<br />

440 Kritik <strong>der</strong> evangelischen Geschichte <strong>der</strong> Synoptiker, Bd. III, S. 309 f.<br />

441 Die Judenfrage, Deutsche Jahrbücher, 1842, S. 1101. – Dazu, dass die<br />

Christen eher als die Juden emanzipiert werden könnten, siehe: Die Fähigkeit<br />

<strong>der</strong> heutigen Juden und Christen, frei zu werden, in: Einundzwanzig<br />

Bogen aus <strong>der</strong> Schweiz, Zürich und Winterthur 1843, S. 69. Vgl. auch:<br />

G. Julius: Bruno Bauer und die Judenfrage, in: Wigands Vierteljahresschrift,<br />

Bd. I, Leipzig 1844, S. 282 ff.<br />

442 Deutsche Jahrbücher, 1842, S. 1125 f.<br />

443 Siehe auch: Das entdeckte Christentum, S. III: „... soll o<strong>der</strong> kann <strong>der</strong><br />

Leisten o<strong>der</strong> die Stecknadel die ganze Seele des Menschen ausfüllen? Soll<br />

<strong>der</strong> Mensch darin seine Religion finden, dass er zeitlebens nichts an<strong>der</strong>es<br />

tut, als diese bestimmte Maschine <strong>für</strong> die Zubereitung einer bestimmten<br />

Schraube zu beaufsichtigen? Soll den Menschen noch etwas Ausschließliches<br />

beherrschen? Soll er nicht dazu gebildet werden, das er von keiner<br />

allgemeinen Angelegenheit <strong>der</strong> Menschheit und Geschichte mehr ausgeschlossen<br />

ist?“ Vgl. S. 132 die „Prophezeiung von <strong>der</strong> totalen Umwandlung<br />

aller Lebensverhältnisse“ und Edgar Bauers Ausführungen über die „Revolution<br />

<strong>der</strong> Menschheit“ in: Bruno Bauer und seine Gegner, Berlin 1842, S.<br />

89 ff.<br />

444 Zur Judenfrage. Karl Marx/ Friedrich Engels, Werke, Bd. I, Berlin<br />

1964, S. 350 f.<br />

445 Die Judenfrage, Deutsche Jahrbücher 1842, S. 1096<br />

446 Der christliche Staat und unsere Zeit, Deutsche Jahrbücher, 1841, S.<br />

553<br />

447 Vgl. Kritik <strong>der</strong> evangelischen Geschichte <strong>der</strong> Synoptiker, Bd. III, S. 309;<br />

Marx’ Brief an Ruge vom Mai 1843 in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“,<br />

Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. I, Berlin 1961, S. 342


310<br />

448 Kritik <strong>der</strong> Evangelien und Geschichte ihres Ursprungs, Bd. I, Berlin<br />

1850, S. V<br />

449 Vgl. Die Judenfrage, Braunschweig 1843, S. 88: „... selbst diejenigen,<br />

denen Staatsbürgerrechte durch die Geburt o<strong>der</strong> durch beson<strong>der</strong>e Gnade<br />

verliehen zu sein scheinen, sind dem allgemeinen Elend nicht entnommen.<br />

Ihr Elend ist nur ein glänzendes, also um so miserabler.“<br />

450 Ebenda, S. 96<br />

451 Das entdeckte Christentum, S. 138<br />

452 Die Judenfrage, Braunschweig 1843, S. 81<br />

453 Zu Stirner siehe John Henry Mackay: Max Stirner. Sein Leben und<br />

sein Werk, Berlin 1898, S. 67 ff. Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig.<br />

Gesammelte Werke, Bd. 2, Berlin 1920, S. 45 ff.<br />

454 Rezensenten Stirners. Entgegnung an Feuerbach, Szeliga und Heß, in:<br />

Max Stirners kleinere Schriften und seine Entgegnungen auf die Kritik<br />

seines Werkes „Der Einzige und sein Eigentum“. Aus den Jahren 1842-<br />

1847. Herausg. v. J. H. Mackay, Berlin 1898 (später abgekürzt als: Kleinere<br />

Schriften), S. 147. Diese Entgegnung erschien zuerst in: Wigands Vierteljahresschrift,<br />

Bd. 3, 1845, S. 147-194<br />

455 Der Einzige und sein Eigentum, Leipzig 1892 (später abgekürzt als: Der<br />

Einzige), S. 164<br />

456 Ebenda, S. 174<br />

457 Charakteristik Ludwig Feuerbachs, in: Wigands Vierteljahresschrift,<br />

Bd. 3, S. 124; S. 138 ff. behauptet Bauer, auch Marx und Engels hätten in<br />

<strong>der</strong> „Heiligen Familie“ nur Feuerbachs Dogmatismus weiterentwickelt.<br />

458 Rezension <strong>der</strong> „Posaune“ im „Telegraph <strong>für</strong> Deutschland“, Januar 1842<br />

(wie<strong>der</strong> abgedruckt im „Literaturmagazin“, 17. Febr. 1900)<br />

459 Gegenwort eines Mitgliedes <strong>der</strong> Berliner Gemeinde wi<strong>der</strong> die Schrift <strong>der</strong><br />

siebenundfünfzig Berliner Geistlichen: Die christliche Sonntagsfeier, ein<br />

Wort <strong>der</strong> Liebe an unsere Gemeinden (Leipzig 1842), in: G. Mayer: Die Anfänge<br />

des politischen Radikalismus im vormärzlichen Preußen, Zeitschrift<br />

<strong>für</strong> Politik, Bd. 6, 1913, Anhang, S. 98, 105


460 Der Einzige, S. 175<br />

311<br />

461 Vgl. Kurt Adolf Mauzt: Die <strong>Philosophie</strong> Max Stirners im Gegensatz zum<br />

Hegelschen Idealismus, Berlin 1936, S. 57. – Diese Abhandlung dringt am<br />

tiefsten in Stirners Theorie ein; unkritisch sind dagegen die älteren Schriften<br />

von R. Schellwein, A. Ruest, M. Messer, B. Lachmann, H. Schultheiß,<br />

A. v. Winterfeld, H. Engert, M. J. P. Lucchesi, G. Lehmann (siehe Literaturverzeichnis)<br />

462 Szeliga: Der Einzige und sein Eigentum, in: Norddeutsche Blätter <strong>für</strong><br />

Kritik, Literatur und Unterhaltung, März 1845; M. Heß: Die letzten Philosophen,<br />

Darmstadt 1845; K. Fischer: Mo<strong>der</strong>ne Sophisten, in: Die Epigonen,<br />

Bd. V, 1848, S. 277 ff.; K. Schmidt: Das Verstandestum und das Individuum,<br />

Wigands Vierteljahresschrift 1845<br />

463 Kleine Schriften, S, 113; vgl. S. 118, 180<br />

464 Der Einzige, S. 177, 397 f. Siehe auch Willy Moog: Hegel und die Hegelsche<br />

Schule, München 1930, S. 467<br />

465 Der Einzige, S. 405; vgl. S. 176, 198, 389 f., 408, 410 f., 415; Kleine<br />

Schriften, S. 134, 172<br />

466 Kleine Schriften, S. 30; vgl. S. 19 f. – Dieser Artikel erschien in Beiblättern<br />

zu vier Nummern <strong>der</strong> „Rheinischen Zeitung“ im April 1842, als Marx<br />

zwar schon ihr Mitarbeiter, aber noch nicht ihr leiten<strong>der</strong> Redakteur war,<br />

was übersehen wird von George Woodcock (dem Verfasser von „Anarchism“,<br />

London 1962) in „The Encyclopedia of Philosophy“, Bd. 8, New York/London<br />

1967, S. 17<br />

467 Dieser Terminus wird zur Bezeichnung des Individuums in <strong>der</strong> Hauptschrift<br />

wie<strong>der</strong>holt gebraucht.<br />

468 Kleine Schriften, S. 21, 24, 25 f.; Der Einzige, S. 429<br />

469 John Locke: An essay concercing human un<strong>der</strong>standig, III, 3, § 11, The<br />

Works of John Locke, Vol. II, London 1823, S. 172<br />

470 Jenseits von Gut und Böse, Nietzsches Gesammelte Werke, Bd. 15,<br />

München 1925, S. 29; Aus dem Nachlaß, Bd. 16, S. 99. (Zu Nietzsches von<br />

Overbeck bezeugter Kenntnis Stirners siehe: K. Löwith: Von Hegel zu<br />

Nietzsche, a. a. 0., S. 204. An<strong>der</strong>s Egon Friedell, <strong>der</strong> Stirner missversteht


312<br />

und sogar in die Nähe von Novalis rückt, und zwar in seiner „Kulturgeschichte<br />

<strong>der</strong> Neuzeit“, München 1960, S. 1073 f.) Zu Nietzsches Zurückführung<br />

des Erkenntnistriebs auf „Instinkte“ und einen „Aneignungs- und<br />

Uberwältigungstrieb“ siehe auch zum Beispiel: Der Wille zur Macht, ebenda,<br />

Bd. 18, München 1926, S. 295<br />

471 Der Einzige, S. 159, 410<br />

472 Kleine Schriften, S. 77 f.<br />

473 Ebenda, S. 102; vgl. Der Einzige, S. 273<br />

474 Der Einzige, S. 22<br />

475 Ebenda, S. 420; vgl. S. 150: „Ich brauche den Menschen nicht erst in<br />

Mir herzustellen, denn er gehört mir schon, wie alle meine Eigenschaften“;<br />

siehe auch: Kleine Schriften, S. 138, 154<br />

476 Der Einzige, S. 385. Siehe auch Anmerkung 109<br />

477 Der Einzige, S. 382 f.<br />

478 Vgl. K. Marx/F. Engels: Die deutsche Ideologie, Karl Marx, Friedrich<br />

Engels, Werke, Bd. 3, Berlin 1962 (später abgekürzt als: Die deutsche Ideologie),<br />

S. 415<br />

479 Der Einzige, S. 132, S. 370. Vgl. auch Stirner: Geschichte <strong>der</strong> Reaktion,<br />

2 Bde., Berlin 1852. Trotz mancher Übereinstimmung mit Stirner bewertet<br />

Camus Revolte und Revolution gerade umgekehrt: „Die Revolte geht vom<br />

Nein aus, das sich auf ein Ja stützt, die Revolution geht von <strong>der</strong> absoluten<br />

Verneinung aus... Die eine ist schöpferisch, die an<strong>der</strong>e nihilistisch.“ (A.<br />

Camus: Der Mensch in <strong>der</strong> Revolte, Hamburg 1953, S. 256; vgl. S. 67 ff.)<br />

480 Siehe dazu Daniel Guérin: Anarchismus, Frankfurt am Main 1967, S. 8<br />

ff.; Max Nettlau: Der Vorfrühling <strong>der</strong> Anarchie, Berlin 1925, S. 169 ff.; Victor<br />

Basch: L’ individualisme anarchiste, Paris 1904, S. 225 ff.; Julius<br />

Braunthal: Geschichte <strong>der</strong> Internationale, Bd. 1, Hannover 1961, S. 184<br />

ff.; Werner Hofmann: Ideengeschichte <strong>der</strong> sozialen Bewegung des 19. und<br />

20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, Berlin 1962, S. 16 ff., 197 ff. Vgl. auch Stirners Kritik<br />

an Proudhon: Der Einzige, S. 290 ff.<br />

481 W. I. Lenin, Werke, Bd. 31, Berlin 1959, S. 5 ff.


482 Der Einzige, S. 301<br />

483 Ebenda, S. 303<br />

313<br />

484 Ebenda, S. 299. Vgl. K. A. Mautz: Die <strong>Philosophie</strong> Max Stirners, a. a. 0.,<br />

S. 128 f.<br />

485 Der Einzige, S. 358 ff.<br />

486 Siehe dazu: Die deutsche Ideologie, S. 425<br />

487 Der Einzige, S. 317 ff.<br />

488 Ebenda, S. 370<br />

489 Ebenda, S. 372 ff.<br />

490 Ebenda, S. 164 f. Vgl. Die deutsche Ideologie, S. 393 ff., 277<br />

491 Der Einzige, S. 175; vgl. S. 177: „Der theoretische Kampf kann nicht<br />

den Sieg vollenden... Nur <strong>der</strong> egoistische Kampf... bringt alles ins Klare.“<br />

492 Ebenda, S. 302<br />

493 Ebenda, S. 138<br />

494 Die deutsche Ideologie, S. 263; vgl. S. 346: „Sankt Sancho kennt nur<br />

,Dinge‘ und ,Iche‘, und von allem, was nicht unter diese Rubriken passt,<br />

von allen Verhältnissen kennt er nur die abstrakten Begriffe, die sich ihm<br />

daher auch in ,Gespenster‘ verwandeln.“ Siehe im beson<strong>der</strong>en zu Stirners<br />

abstrakter Bestimmung <strong>der</strong> Freiheit als Lossein und Machthaben (Der Einzige,<br />

S. 185 f.), S. 282 ff. und S. 420: „Nähme Sancho indes das<br />

,Freiwerden‘ einmal so, dass er nicht bloß von den Kategorien, son<strong>der</strong>n<br />

von den wirklichen Fesseln frei werden wollte, so setzt diese Befreiung<br />

wie<strong>der</strong> eine ihm mit einer großen Masse an<strong>der</strong>er gemeinsame Verän<strong>der</strong>ung<br />

voraus...“ – Zu Marx’ und Engels’ Kritik speziell an Stirners – von Girardin<br />

wie<strong>der</strong> aufgenommenen – Projekt <strong>der</strong> Abschaffung des Staats ohne Abschaffung<br />

<strong>der</strong> Klassen siehe auch: MEW, Bd. 7, S. 288 f., 417 ff. – Marx’<br />

Kritik an Stirner ist <strong>für</strong> Mackay das „Äußerste an alberner und leerer<br />

Wortspielerei“ (Max Stirner, Berlin 1910, 2. Auflage, S. 251). Ähnlich urteilen<br />

Rudolf Hirsch in <strong>der</strong> „Zeitschrift <strong>für</strong> Religions- und Geistesgeschichte“,<br />

Jahrg. 9, 1957, S. 246 ff., und Paul Kägi: Genesis des historischen Materialismus,<br />

Wien 1965, S. 338


314<br />

495 Vgl. Der Einzige, S. 205, Anmerkung; Kleine Schriften, S. 158: „... Dies<br />

lässt Heß aus, weil er von den mit sich einigen Egoisten nichts weiter versteht,<br />

als was Marx über den Krämer und die allgemeinen Menschenrechte<br />

(z. B. in den deutsch-französischen Jahrbüchern) früher ausgesprochen<br />

hat; er wie<strong>der</strong>holt das, ohne jedoch im mindesten die scharfsinnige Gewandtheit<br />

seines Vorgängers zu erreichen.“<br />

496 Moses Heß: Philosophische und sozialistische Schriften 1837-1850, herausgegegeben<br />

und eingeleitet von Auguste Cornu und Wolfgang Mönke,<br />

Berlin 1961, S. 1961, S. 385 f. Vgl. Sozialistische Aufsätze 1841-1847, herausg.<br />

v. Theodor Zlocisti, Berlin 1921, S. 194 f.<br />

497 Ebenda, S. 386: „Stirner hätte nichts an <strong>der</strong> bestehenden Ausbeutung<br />

des einen durch den an<strong>der</strong>n zu tadeln, wenn diese gegenseitige Ausbeutung<br />

eine unmittelbare, persönliche wäre... Stirner hat nichts gegen den<br />

bestehenden praktischen Egoismus einzuwenden, als dass ihm das<br />

,Bewusstsein‘ des Egoismus fehle.“ Vgl. Über das Geldwesen (1845), ebenda,<br />

S. 335: „Das Geld ist das Produkt <strong>der</strong> gegenseitig entfremdeten Menschen,<br />

<strong>der</strong> entäußerte Mensch“; Kommunistisches Bekenntnis in Fragen<br />

und Antworten (1846), ebenda, S. 361 f. – Zu Heß’ Kritik <strong>der</strong> Bauerschen<br />

abstrakten Entgegensetzung von Selbstbewusstsein und Masse am Maßstab<br />

des einheitlichen „selbsttätigen Zeitgeistes“ und <strong>der</strong> Negation des Gegensatzes<br />

von Gebildeten und Ungebildeten siehe den posthum veröffentlichten<br />

Artikel „Was wir wollen“ (1843), ebenda, S. 240 ff. – Dass Heß „vor<br />

allem nicht Stirners ideologische Funktion enthüllen“ könne, behauptet<br />

dagegen Guntolf Herzberg: Die Bedeutung <strong>der</strong> Kritik von Marx und Engels<br />

an Max Stirner, in: Deutsche Zeitschrift <strong>für</strong> <strong>Philosophie</strong>, 16. Jahrg., 1968,<br />

S. 1465<br />

498 Ebenda, S. 384. Vgl. Über die sozialistische Bewegung in Deutschland,<br />

veröffentlicht 1845 in Karl Grüns „Neue Anekdota“, ebenda, S. 295: „Das<br />

philosophische Verhältnis... das Verhältnis <strong>der</strong> vollendeten deutschen <strong>Philosophie</strong>,<br />

d. h. Feuerbachs, zum Sozialismus ist das Verhältnis des theoretischen<br />

Humanismus zum praktischen.“<br />

499 Die heilige Geschichte <strong>der</strong> Menschheit; von einem Jünger Spinozas, ebenda,<br />

S.72. Auf die messianischen Vorstellungen dieser Schrift kommt<br />

Heß später wie<strong>der</strong> in seinem Buch „Rom und Jerusalem“ (1862) zurück,<br />

mit dem er lange vor Theodor Herzl den Zionismus begründet. – Zu Heß’<br />

Interpretation <strong>der</strong> Weltgeschichte als Heilsgeschichte siehe H. Stuke: <strong>Philosophie</strong><br />

<strong>der</strong> Tat, Stuttgart 1963, S. 196 ff.


315<br />

500 Die europäische Triarchie, Vorwort, ebenda, S. 77<br />

501 Ebenda, S. 120<br />

502 <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Tat, ebenda, S. 211: „Leben ist Tätigkeit. Tätigkeit aber<br />

ist Herstellung einer Identität durch Setzen und Aufheben seines Gegenteils,<br />

Erzeugung seines Gleichen... mit einem Worte ,Selbsterzeugung‘“.<br />

503 Ebenda, S. 222; vgl. S. 225: „Das materielle Eigentum ist das zur fixen<br />

Idee gewordene Fürsichsein des Geistes.“ Dazu, dass <strong>für</strong> Heß zwischen<br />

geistiger und sozialer Freiheit ein Wechselwirkungsverhältnis besteht, siehe:<br />

Die eine und die ganze Freiheit, ebenda, S. 227<br />

504 Vgl. <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Tat, ebenda, S. 220. – Auf die Kategorie des Habens<br />

bei Heß verweist Marx in den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“.<br />

505 Die letzten Philosophen, ebenda, S. 386<br />

506 Kleine Schriften, S. 159<br />

507 Vgl. Die deutsche Ideologie, S. 362, 454<br />

508 Vgl. Kleine Schriften, S. 156-158<br />

509 Ebenda, S. 160<br />

510 Feuerbach: Das Wesen des Christentums in Beziehung auf den „Einzigen<br />

und sein Eigentum“, Ludwig Feuerbachs Sämtliche Werke, neu herausgegeben<br />

von Wilhelm Bolin und Friedrich Jodl, 10 Bände, Stuttgart<br />

1903-1911 (später abgekürzt als: Werke), Bd. 7, S. 301, 308, 310. Vgl.<br />

auch K. Löwith: Das Individuum in <strong>der</strong> Rolle des Mitmenschen, München<br />

1928, S. 13 ff. – Zu Marx’ und Engels’ Zurückweisung <strong>der</strong> Selbstbezeichnung<br />

Feuerbachs als Kommunist (wegen <strong>der</strong> ungeschichtlichen Abstraktheit<br />

<strong>der</strong> Verwendung dieses Wortes) siehe: Die deutsche Ideologie, Werke,<br />

Bd. 3, Berlin 1959, S. 41<br />

510a Zu Feuerbachs Eudämonismus siehe auch die Spätschrift „Über Spiritualismus<br />

und Materialismus“, Werke, Bd. 10, S. 91 ff. Vgl. F. Jodl: Geschichte<br />

<strong>der</strong> Ethik, Bd. 2, Stuttgart und Berlin 1923, S. 246 f.<br />

511 Vgl. Ergänzungen und Erläuterungen zum „Wesen <strong>der</strong> Religion“ (1845),<br />

Werke, Bd. 7, S. 392: „Leben ist Egoismus. Wer keinen Egoismus will, <strong>der</strong>


316<br />

will, dass kein Leben sei.“ (Teilweise gesperrt im Original.) Vorlesungen<br />

über das Wesen <strong>der</strong> Religion (1848/49), Werke, Bd., 8, S. 63: „Ich verstehe<br />

unter Egoismus das seiner Natur und folglich... seiner Vernunft gemäße<br />

sich selbst Geltendmachen, sich selbst Behaupten...“<br />

512 Das Wesen des Christentums, Ausgabe in zwei Bänden, herausgegeben<br />

von Werner Schuffenhauer Berlin 1956 (später abgekürzt als: Wesen des<br />

Christentums), Bd. I, S. 188, 190 f.<br />

513 Wesen des Christentums, Bd. II, S. 305 f., Bd. I, S. 188<br />

514 Ebenda, Bd. I, S. 188<br />

515 Ebenda, Bd. I, S. 192 f. Vgl. Grundsätze <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Zukunft<br />

(1843; später abgekürzt als: Grundsätze), § 29, Werke, Bd. 2, S. 289: „Die<br />

Vernunft hatte an <strong>der</strong> Materie ihre Grenze.“<br />

516 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 194. Vgl. zu <strong>der</strong> von Leibniz zuerst<br />

aufgeworfenen auch von Schelling, Marx und Heidegger behandelten Frage,<br />

warum überhaupt etwas ist und nicht nichts, S. 94 Anmerkung, und:<br />

Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong> (1839), Werke, Bd. 2, S. 196: „Das<br />

Denken des Nichts ist ein sich selbst wi<strong>der</strong>legendes Denken.“<br />

517 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 186, 194, 172 ff. ; Bd. II, S. 304. Das<br />

Wesen <strong>der</strong> Religion (1845; Werke, Bd. 7, S. 476 ff. – Wegen <strong>der</strong> Auffassung<br />

des Wun<strong>der</strong>s tritt Marx auf Feuerbachs Seite in dem Artikel „Luther als<br />

Schiedsrichter zwischen Strauß und Feuerbach“, Werke, Bd. 1, Berlin<br />

1961, S. 26 f.<br />

518 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 216, 221, 238 ff.<br />

519 Vorlesungen über die <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Religion, Werke, Bd. 16, S. 62<br />

520 Vorläufige Thesen zur Reform <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> (1842; später abgekürzt<br />

als: Thesen), Werke, Bd. 2, S. 231 (Im Original gesperrt)<br />

521 Vgl. Wesen des Christentums, Bd. I, S. 36 f.<br />

522 Ebenda, S. 56 (Im Original teilweise gesperrt)<br />

523 Ebenda, S. 202<br />

524 Ebenda, S. 215 f., 227


317<br />

525 Ebenda, S. 216; Bd. II, S. 293, Anmerkung. (Im Original teilweise ge-<br />

sperrt)<br />

526 Ebenda, Bd. II, S. 334 (Im Original gesperrt)<br />

527 Vorläufige Thesen zur Reform <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> (1842; später abgekürzt<br />

als: Thesen), Werke, Bd. 2, S. 222. – Zu Feuerbachs früher, aber dilettantisch<br />

bleiben<strong>der</strong> Beschäftigung mit den Naturwissenschaften siehe beson<strong>der</strong>s<br />

den Brief an Johann Adam Karl Roux vom Mai 1837, in: Ludwig Feuerbach,<br />

Briefwechsel, Leipzig 1962 (später abgekürzt als: Briefwechsel), S.<br />

107 f.<br />

528 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 183<br />

529 Vgl. ebenda, S. 268 f.<br />

530 Ebenda, Bd. II, S. 335, 339<br />

531 Ebenda, Bd. I, S. 258<br />

532 Grundsätze, § 53, Werke, Bd. 2, S. 315; vgl. Wesen des Christentums,<br />

Bd. II, S. 390 f., 403 f.<br />

533 Wesen des Christentums, Bd. II, S. 407<br />

534 Grundsätze, § 63, 57, Werke, Bd. 2, S. 319, 317 f.<br />

535 Grundsätze, § 25, Werke, Bd. 2, S. 283<br />

536 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 16. – Dazu, dass Feuerbach Kants<br />

moralische Interpretation <strong>der</strong> Religion als partiell zutreffend akzeptiert,<br />

und zur Betrachtung des Willens unter moralischem Aspekt siehe: Bd. I,<br />

S. 99 ff.<br />

537 Vgl. Kritik des Antihegel (1835), Werke, Bd. 2, S. 77 ff. Wesen des Christentums,<br />

Bd. I, S. 43; S. 148: „Beschränkt ist das Wissen des einzelnen,<br />

aber unbeschränkt die Vernunft, unbeschränkt die Wissenschaft...“<br />

538 Kritische Bemerkungen zu den Grundsätzen <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> (aus dem<br />

Nachlass), Werke, Bd. 2, S. 324. Vgl. Grundsätze, § 42, ebenda, S. 305. –<br />

Dagegen wird in dem Lehrbuch Marxistische <strong>Philosophie</strong>, Berlin 1967, S.<br />

497 f. behauptet: hinsichtlich des Erfassens <strong>der</strong> qualitativen Eigenart <strong>der</strong>


318<br />

rationalen Erkenntnis, des Denkens, „ging nur die Erkenntnistheorie Feuerbachs<br />

über die Anschauungen des englischen und französischen Materialismus<br />

hinaus.“<br />

539 Siehe Thesen, Werke, Bd. 2, S. 238<br />

540 Grundsätze, § 43, Werke, Bd. 2, S. 305 f. Vgl. dazu: Die deutsche Ideologie,<br />

Werke, Bd. 3, Berlin 1962, S. 45<br />

541 Kritik des Idealismus. Von F. Dorguth (1838), Werke, Bd. 2, S. 135 f.<br />

(Im Original gesperrt). Hier führt Feuerbach berechtigte antizipierende<br />

Einwände an gegen die Auffassungen <strong>der</strong> späteren Vulgärmaterialisten<br />

vom Denken als bloßem materiellen, physikalisch-chemischen Prozess,<br />

darunter diesen: „Wäre das Denken selbst ein physiologischer Akt, so wären<br />

auch die Gedanken physiologische Objekte, die sich ebenso gut <strong>der</strong><br />

Experimentalphysik o<strong>der</strong> Chemie unterwerfen ließen wie <strong>der</strong> Magensaft...“<br />

(So in <strong>der</strong> Erstveröffentlichung in den Hallischen Jahrbüchern, 1838, S.<br />

599.) Zu Feuerbachs späterer Stellung zu Moleschott siehe die Schrift „Die<br />

Naturwissenschaft und die Revolution“ (1850)“, in <strong>der</strong> er – nicht in vollem<br />

Ernst – das Scheitern <strong>der</strong> Revolution auf die falsche Diät des Volkes zurückführt<br />

und im Geiste Brillat-Savarins sagt: „Der Mensch ist, was er<br />

isst.“ (Bd. 10, S. 22 ff.; vgl. Das Geheimnis des Opfers o<strong>der</strong> Der Mensch<br />

ist, was er isst, ebenda, S. 41ff.)<br />

542 Grundsätze, § 27, Werke, Bd. 2, S. 287 f. – In <strong>der</strong> „Deutschen Ideologie“<br />

wird diese Stelle als „Beispiel von <strong>der</strong> Anerkennung und zugleich Verkennung<br />

des Bestehenden“ angeführt (Werke, Bd. 3, Berlin 1959, S. 42)<br />

543 Feuerbachs Einstellung wird prinzipiell auch nicht dadurch geän<strong>der</strong>t,<br />

dass er gelegentlich in den nachgelassenen Aphorismen äußert: „Die Freiheit<br />

ist allerdings das Höchste; aber sie ist ebenso wenig wie die Idee Anfang,<br />

son<strong>der</strong>n Ziel; kein physisches, angeborenes Vermögen - <strong>der</strong> Mensch<br />

ist nicht freigeboren – sie ist Resultat <strong>der</strong> Bildung, freilich auch auf Grund<br />

angeborener, entsprechen<strong>der</strong> Anlagen.“ (Werke, Bd. 10, S. 314)<br />

544 Grundsätze, § 32, Werke, Bd. 2, S. 296. – Vgl. auch Feuerbachs Kritik<br />

an <strong>der</strong> spekulativen Auffassung <strong>der</strong> Natur als des an<strong>der</strong>en des Geistes in:<br />

Das Wesen <strong>der</strong> Religion, Werke, Bd. 7, S. 457. - Von den durch Feuerbach<br />

beeinflussten, aber die Dialektik nicht preisgebenden russischen Materialisten<br />

hält A. I. Herzen die Vernunft <strong>für</strong> das Kriterium <strong>der</strong> Wahrheit (siehe<br />

seine „Briefe über das Studium <strong>der</strong> Natur“), Tschernyschewski aber – ähnlich<br />

wie Marx – die Praxis (vgl. Ausgewählte philosophische Schriften,<br />

Moskau 1953, S. 689).


319<br />

545 Grundsätze, § 25, Werke, Bd. 2, S. 283 (Im Original teilweise gesperrt)<br />

546 Ebenda, § 33, S. 297<br />

547 Ebenda, § 28, S. 287. Vgl. Darstellung, Entwicklung und Kritik <strong>der</strong><br />

Leibnizschen <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 4, S. 256 f.: „Auf diese Gewissheit,<br />

auf die Wahrheit des alter ego, des Menschen außer mir, auf die Wahrheit<br />

<strong>der</strong> Liebe, des Lebens, <strong>der</strong> Praxis, nicht auf die theoretische Bedeutung <strong>der</strong><br />

Sinne,... nicht auf Locke und Condillac gründet sich auch bei mir... die<br />

Wahrheit <strong>der</strong> Sinne.“ Vgl. den Brief an Ruge vom Juni 1843, Briefwechsel,<br />

S. 177: „Was ist Theorie, was Praxis? Worin besteht ihr Unterschied? Theoretisch<br />

ist, was nur in meinem Kopfe steckt, praktisch, was in vielen Köpfen<br />

spukt. Was viele Köpfe eint, macht Masse, macht sich breit und damit<br />

Platz in <strong>der</strong> Welt.“<br />

548 Das Wesen des Christentums, Bd. I, S. 122; vgl. S. 117 ff., 226 f.; Bd.<br />

II, S. 408, Fußnote. Siehe auch Thesen, Werke, Bd. 2, S. 233 ff. Zur Unterscheidung<br />

zwischen „Herz“ und „Gemüt“ siehe: Simon Rawidowicz,<br />

Ludwig Feuerbachs <strong>Philosophie</strong>, Ursprung und Schicksal, Berlin 1931<br />

(später abgekürzt als: Rawidowicz), S. 91, Anm. 4: „Während das Herz beson<strong>der</strong>s<br />

aktiv auf das Wirkliche. gerichtet ist, ist das Gemüt ganz und gar<br />

passiver Natur.“<br />

549 Das Wesen des Christentums, Bd. I, S. 251 f.; siehe zur Vermittlung<br />

<strong>der</strong> Erkenntnis natürlicher Gegenstände durch das Dasein und das übereinstimmende<br />

Urteil an<strong>der</strong>er Menschen auch S. 148. Vgl. weiter Grundsätze,<br />

§ 41, Werke, Bd. 2, S. 304: „Die Gewissheit selbst von dem Dasein an<strong>der</strong>er<br />

Dinge außer mir ist <strong>für</strong> mich vermittelt durch die Gewissheit von<br />

dem Dasein eines an<strong>der</strong>en Menschen außer mir. Was ich allein sehe, daran<br />

zweifle ich; was <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e sieht, das erst ist gewiss. Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen<br />

<strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 2, S. 171: „Was wahr, ist we<strong>der</strong> mein,<br />

noch dein ausschließlich, son<strong>der</strong>n allgemein. Der Gedanke, in dem sich Ich<br />

und Du vereinigen, ist ein wahrer.“<br />

550 Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 2, S. 165 ff.<br />

551 Ebenda, S. 175 (vgl. über den „unkritischen Objektivismus“ Hegels S.<br />

202); Ruge: Aus früherer Zeit, S. 602; Marx: Nationalökonomie und <strong>Philosophie</strong>,<br />

in Karl Marx: Die Frühschriften, herausg. v. Siegfried Landshut,<br />

Stuttgart 1964, S. 278<br />

552 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 53 (Im Original teilweise gesperrt)


320<br />

553 Ebenda, Bd. II, S. 409. – Vgl. dagegen Rawidowicz, S. 312<br />

554 Ruges Briefwechsel und Tagebuchblätter, Bd. I, S. 224, 258 ff., 275<br />

(vgl. Albert Lévy: La <strong>Philosophie</strong> de Feuerbach et son influence sur la littérature<br />

allemande, Paris 1904, S. 215 ff.); F. Engels: Schelling und die Offenbarung<br />

(1842), MEGA, Bd. 2, S. 225: „Und so ist Feuerbachs Kritik des<br />

Christentums eine notwendige Ergänzung zu <strong>der</strong> von Hegel begründeten<br />

spekulativen Religionslehre.“<br />

555 Zur Beurteilung <strong>der</strong> Schrift: „Das Wesen des Christentums“, Werke, Bd.<br />

7, S. 265 f. Zu Feuerbachs Abgrenzung von Bauers <strong>Philosophie</strong> des<br />

Selbstbewusstseins vgl.: Thesen, Werke, Bd. 2, S. 242. – Zu Feuerbachs<br />

früher antitheologischer Tendenz und zu seiner im Gegensatz zu Hegel<br />

auch inhaltlichen Trennung von <strong>Philosophie</strong> und Religion vor dem Erscheinen<br />

des „Wesen. des Christentums“ siehe beson<strong>der</strong>s: Satirisch theologische<br />

Distichen (1830), Werke, Bd. 1, S. 367 ff.; Kritik <strong>der</strong> christlichen<br />

o<strong>der</strong> „positiven“ <strong>Philosophie</strong> (1838), Werke, Bd. 7, S. 128 ff.; Über <strong>Philosophie</strong><br />

und Christentum... (1839), Werke, Bd. 7, S. 47: „Ungeachtet aller<br />

Vermittlungsversuche ist die Differenz zwischen (positiver) Religion und<br />

<strong>Philosophie</strong> eine unaustilgbare... Die Basis <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> ist das Denken,<br />

die Basis <strong>der</strong> Religion das Gemüt und die Phantasie.“<br />

556 Vgl. Auguste Cornu: Karl Marx und Friedrich Engel Bd. 2, Berlin 1962,<br />

S. 198; Max Gustav Lange in: Ludwig Feuerbach, Kleine philosophische<br />

Schriften, Leipzig 1950, Einleitung, S. 20; Werner Schuffenhauer in: Briefwechsel,<br />

Einleitung, S. XXXIV<br />

557 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 101. Vgl. auch K. Löwith: Von Hegel<br />

zu Nietzsche, Stuttgart, S. 189<br />

558 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 37<br />

559 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 46 f. Vgl. Zur Beurteilung <strong>der</strong><br />

Schrift: Das Wesen des Christentums, Werke, Bd. 7, S. 266: „Ich tadle<br />

Schleiermacher nicht deswegen, wie Hegel, dass er die Religion zu einer<br />

Gefühlssache machte, son<strong>der</strong>n nur deswegen, dass er aus theologischer<br />

Befangenheit nicht dazu kam und kommen konnte, die notwendigen Konsequenzen<br />

seines Standpunktes zu ziehen, dass er nicht den Mut hatte,<br />

einzusehen und einzugestehen, dass objektiv Gott selbst nichts an<strong>der</strong>es ist<br />

als das Wesen des Gefühls, wenn subjektiv das Gefühl die Hauptsache <strong>der</strong><br />

Religion ist.“ – Zu Feuerbachs Stellung zu Schleiermacher, Lavater und<br />

Jacobi siehe auch: Rawidowicz, S. 263


321<br />

560 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 49; vgl. S. 91<br />

561 Ebenda, S. 92; vgl. S. 50: „Im Verhältnis zu den sinnlichen Gegenständen<br />

ist das Bewusstsein des Gegenstandes wohl unterscheidbar vom<br />

Selbstbewusstsein, aber bei dem religiösen Gegenstand fällt das Bewusstsein<br />

mit dem Selbstbewusstsein unmittelbar zusammen.“ Vgl. auch folgende<br />

wi<strong>der</strong>sprüchliche Äußerungen: „Wirkliches, sinnliches Sein ist solches,<br />

welches nicht abhängt... von meiner Tätigkeit, son<strong>der</strong>n... welches ist,<br />

wenn ich auch gar nicht bin, es gar nicht denke, fühle.“ (Bd. II, S. 312.) „...<br />

wenn keine Vernunft, kein Bewusstsein wäre, Alles Nichts, das Sein gleich<br />

Nichtsein wäre.“ (Bd. I, S. 93)<br />

562 Ebenda, Bd. I, S. 40<br />

563 Vgl. Rawidowicz, S. 104, 108 f.<br />

564 Vgl. Thesen, Werke, Bd. 2, S. 239: „Das wahre Verhältnis vom Denken<br />

zum Sein ist nur dieses: das Sein ist Subjekt, das Denken Prädikat. Das<br />

Denken ist aus dem Sein, aber das Sein nicht aus dem Denken. Sein ist<br />

aus sich und durch sich – Sein wird nur durch Sein gegeben...“ – Diese<br />

Auffassung übernimmt Marx und macht sie zum Angelpunkt seiner anfänglichen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Hegel, vor allem mit dessen Rechtsphilosophie<br />

in <strong>der</strong> „Kritik des Hegelschen Staatsrechts“ (1843), indem er das<br />

Individuum als wirkliches Subjekt <strong>der</strong> Familie, die Individuen und die Familie<br />

als wirkliches Subjekt <strong>der</strong> Gesellschaft und die Gesellschaft als wirkliches<br />

Subjekt des Staats bestimmt und nicht vice versa wie Hegel; siehe<br />

Kritik des Hegelschen Staatsrechts, Werke, Bd. 1, Berlin 1964 S. 203 ff.<br />

565 Vgl. Grundsätze, § 7, Werke, Bd. 2, S. 249 ff. Siehe auch: Werner Schilling:<br />

Feuerbach und die Religion, München 1957, S. 16 f.<br />

566 Pierre Bayle, ein Beitrag zur Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> und Menschheit,<br />

Werke, Bd. 5, S. 214<br />

567 Ebenda, S. 192<br />

568 Vgl. Werke, Bd. 2, S. 363: „Gäbe es keine Natur, nimmermehr brächte<br />

die unbefleckte Jungfer Logik eine aus sich hervor.“<br />

569 Siehe Rawidowicz, S. 72<br />

570 Brief an Hegel vom 22. XI. 1828, Werke, Bd.4, S. 358


322<br />

571 Über meine „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit“, Werke, Bd. 1, S.<br />

192. – Wenn J. E. Erdmann und im Anschluss H. Glockner bemängeln,<br />

dass Feuerbachs „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit“ „ganz auf dem<br />

Gegensatz des Unendlichen und des Endlichen, des Wesens und <strong>der</strong> Erscheinung<br />

usw. beruhte, über den nach Hegel nur <strong>der</strong> abstrakte Verstand<br />

nicht hinauskommt“ (J. E. Erdmann, Grundriss <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>,<br />

2. Aufl. 1870, § 366; vgl. Wesen des Christentums, Bd. II, S. 661),<br />

so ist <strong>für</strong> Feuerbach charakteristisch, dass er diese Gegensätze tatsächlich<br />

unversöhnt nebeneinan<strong>der</strong> bestehen lässt, nämlich unversöhnt in <strong>der</strong><br />

Theorie, um sie später praktisch – mittels <strong>der</strong> Liebe – zur Vereinigung<br />

bringen zu wollen.<br />

572 Fragmente zur Charakteristik meines philosophische Entwicklungsganges<br />

(1827-28), Werke, Bd. 2, S. 364<br />

573 Vgl. Wesen des Christentums, Bd. II, S. 376<br />

574 Ebenda, Bd. I, S. 19<br />

575 Ebenda, Bd. II, S. 409<br />

576 Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 2, S. 194; vgl. Brief<br />

an Otto Wigand vom 5. 1. 1841, Briefwechsel, S. 142. Siehe dazu auch:<br />

Hermann Henne: Die religionsphilosophische Methode Feuerbachs, Borna-<br />

Leipzig 1918, S. 40 ff.<br />

577 Vgl. zu Feuerbachs Stellung zu Strauß und Bauer beson<strong>der</strong>s die Vorrede<br />

zum Wesen des Christentums, Bd. I, S. 26 f. Siehe auch Rawidowicz, S.<br />

97 ff.<br />

578 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 75 Anm.<br />

579 Siehe Grundsätze, § 47, Werke, Bd. 2, S. 309 f.<br />

580 Grundsätze, § 1, Werke, Bd. 2, S. 245<br />

581 Grundsätze, § 15, Werke, Bd. 2, S. 266<br />

582 F. Engels: Ludwig Feuerbach und <strong>der</strong> Ausgang <strong>der</strong> klassischen deutschen<br />

<strong>Philosophie</strong>, Werke, Bd. 21, Berlin 1962, S. 286<br />

583 Thesen, Werke, Bd. 2, S. 225 (Im Original teilweise gesperrt)


323<br />

584 Vgl. Wi<strong>der</strong> den Dualismus von Leib und Seele, Werke, Bd. 2, S. 336,<br />

339 ff.<br />

585 Wesen des Christentums, Bd. I, S. 17<br />

586 Grundsätze, § 64, Werke, Bd. 2, S. 319<br />

587 Thesen, Werke, Bd. 2, S. 235. Vgl. Über den „Anfang <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>r<br />

(1841), Werke, Bd. 2, 5.208. – Den Glauben meint dagegen mit dem Ausdruck<br />

„Nicht philosophie“ <strong>der</strong> Schellinganhänger K. A. Eschenmayer in<br />

seiner Schrift „Die <strong>Philosophie</strong> in ihrem Übergang zur Nichtphilosophie.“<br />

588 Grundsätze, § 51, Werke, Bd. 2, S. 314<br />

589 Vgl. Zur Beurteilung <strong>der</strong> Schrift: „Das Wesen des Christentums“, Werke,<br />

Bd. 7, S. 273. – Vgl. Karl Rosenkranz: Hegel, Der <strong>Fakultät</strong>sphilosoph,<br />

und L. Feuerbach, Der Menschheitsphilosoph, in: Studien, V, Leipzig<br />

1848, S. 325 ff.<br />

590 Siehe auch: Wesen des Christentums, Bd. I, S. 7; Brief an Otto Wigand<br />

vom 5. I. 1841: „So theoretisch o<strong>der</strong> spekulativ aber <strong>der</strong> Gegenstand ist, so<br />

liegt doch zugleich <strong>der</strong> Schrift ein tief praktisches Interesse zugrunde:<br />

das... sowohl im Leben <strong>der</strong> Individuen als im Leben <strong>der</strong> Völker so unheilvolle<br />

theologische – ja, nennen wir es offen – religiöse Prinzip, das die Köpfe<br />

unserer Regenten und selbst unserer großen Philosophen betört hat,<br />

sollte hier... verfolgt und beleuchtet werden...“<br />

591 Vorlesungen über das Wesen <strong>der</strong> Religion, Werke, Bd. 8, S. 29; vgl. S.<br />

358: „Allein die Verneinung des Jenseits hat die Bejahung des Diesseits<br />

zur Folge; die Aufhebung eines besseren Lebens im Himmel schließt die<br />

For<strong>der</strong>ung in sich: es soll, es muss besser werden auf <strong>der</strong> Erde; sie verwandelt<br />

die bessere Zukunft aus dem Gegenstand eines müßigen, tatlosen<br />

Glaubens in einen Gegenstand <strong>der</strong> Pflicht, <strong>der</strong> menschlichen Selbsttätigkeit.<br />

Allerdings ist es eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass, während<br />

die einen Menschen alles haben, die an<strong>der</strong>en nichts haben... Die<br />

notwendige Folgerung aus den bestehenden Ungerechtigkeiten und Übeln<br />

des menschlichen Lebens ist einzig <strong>der</strong> Wille, das Bestreben, sie abzuän<strong>der</strong>n,<br />

aber nicht <strong>der</strong> Glaube an ein Jenseits, <strong>der</strong> vielmehr die Hände in den<br />

Schoß legt und die Übel bestehen lässt.“ Vgl. S. 1: „Die Religion, <strong>der</strong> Gegenstand<br />

dieser Vorlesungen, hängt nun allerdings mit <strong>der</strong> Politik aufs Innigste<br />

zusammen...“


324<br />

592 Notwendigkeit einer Verän<strong>der</strong>ung (1842/43), in: Ludwig Feuerbach,<br />

Kleine Schriften, Frankfurt 1966, S. 231 f. (Unvollständig ediert von Karl<br />

Grün: Ludwig Feuerbach in seinem Briefwechsel und Nachlass sowie in<br />

seiner philosophischen Charakterentwicklung, Bd. 1, Leipzig und Heidelberg<br />

1874, S. 406 ff.)<br />

593 Ebenda, S. 221, 223, 233 f. – Vgl. Feuerbachs zweiseitige Antwort auf<br />

die selbst gestellte Frage: „Wie hängt die Religion mit <strong>der</strong> Politik zusammen?<br />

Ist sie <strong>der</strong> Freiheit o<strong>der</strong> dem Despotismus günstig?“ Ergänzungen<br />

und Erläuterungen zu „Das Wesen <strong>der</strong> Religion“, Werke, Bd. 7, S. 427. –<br />

Die negative Seite wird beson<strong>der</strong>s hervorgehoben in dem Brief an Christian<br />

Kapp vom 2. VIII. 1842: „Der Protestantismus hat, ohne Basis, ohne Leben<br />

in sich, die Rolle übernommen, die einst <strong>der</strong> Katholizismus hatte, nur dass<br />

er seinem Prinzip... nach keine kirchliche, son<strong>der</strong>n weltliche Macht zur<br />

Stütze seiner inneren Abgelebtheit, Hohlheit und Machtlosigkeit macht.“<br />

Ausgewählte Briefe von und an Ludwig Feuerbach, herausgegeben und<br />

biographisch eingeleitet von Wilhelm Bolin, Bd. 2, Leipzig 1904, S.105<br />

594 Nachgelassene Aphorismen, Werke, Bd. 10, S. 314. Vgl. das Brieffragment<br />

vom Jahre 1844, Briefwechsel, S. 382: „Übrigens gehört zu den Aufgaben,<br />

die mir im Kopf noch spuken und keine Ruhe lassen auch die, die<br />

praktischen Grundsätze <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Zukunft zu geben... Aber<br />

gleichwohl dürfen wir nur auf die Reformation zurückgehen, sie nur auflösen<br />

in ihr Prinzip – so haben wir, was wir wollen: Keine Götzen mehr im<br />

Himmel und keine mehr auf Erden.“ – Zu Feuerbachs zurückhalten<strong>der</strong> politischer<br />

Tätigkeit im Frankfurter Parlament vgl. beson<strong>der</strong>s die Briefe vom<br />

3. III. 48 und 16. VIII. 48 an Otto Wigand sowie vom 30. VI. 48 und 14.<br />

VII. 48 an seine Frau, Briefwechsel, S. 210, 226 ff., 219 ff.; siehe auch Rawidowicz,<br />

S. 314 f.<br />

595 Thesen, Werke, Bd. 2, S. 244. Siehe auch: Klaus Bockmühl: Leiblichkeit<br />

und Gesellschaft, Göttingen 1961, S. 38 f. Zu Feuerbachs Stellungnahme<br />

gegen die einseitige Unterordnung <strong>der</strong> Freiheit des Individuums<br />

unter den als Selbstzweck gefassten Staat siehe: Nachgelassene Aphorismen,<br />

Werke, Bd. 10, S. 312<br />

596 Thesen, Werke, Bd. 2, S. 236. Siehe auch S. 233 Feuerbachs Verknüpfung<br />

des von ihm abgelehnten „antigeschichtlichen Stabilitätsprinzips“ in<br />

<strong>der</strong> politischen Praxis mit <strong>der</strong> Annahme außergeschichtlicher Existenz. –<br />

Zu Feuerbachs Auffassung von Zeit und Raum als Wesensbestimmungen<br />

von Sein und Denken siehe beson<strong>der</strong>s: Grundsätze, § 44, Werke, Bd. 2, S.<br />

306 ff. Gegen das Entstehenlassen <strong>der</strong> Dinge aus Raum und Zeit vgl.: Vorlesungen<br />

über das Wesen <strong>der</strong> Religion, Werke, Bd. 8, S. 148 f. Wenn Feu-


325<br />

erbach außerdem dem Sein wesentlich die Bewegung zuschreibt, so nicht<br />

als mechanische, son<strong>der</strong>n durchaus als dynamische, als „Qual“ im Sinne<br />

Jakob Böhmes.<br />

597 Brief von Marx an Ruge vom 13. III. 1843, Werke, Bd. 27, Berlin 1963,<br />

S. 417; Brief von Ruge an Marx vom 19. III. 1843, A. Ruge: Briefwechsel<br />

und Tagebuchblätter, Bd. 1, Berlin 1886, S. 309<br />

598 Brief an Arnold Rage vom 10. III. 1843, Briefwechsel, S. 172<br />

599 Brief an A. Ruge vom 20. VI. 1843, Briefwechsel, S.175. Zu Feuerbachs<br />

Stellung zu Marx und Ruge, ihrer Auseinan<strong>der</strong>setzung und zu den Kommunisten<br />

siehe: Briefwechsel, S.371 ff.; Rawidowicz, S. 448 f.<br />

600 Brieffragment vom Jahre 1844, Briefwechsel S. 383; vgl. Brief an Ruge<br />

vom Juni 1843 (veröffentlicht in den Deutsch-Französischen Jahrbüchern<br />

Paris 1844, S. 35), Briefwechsel, S. 177: „Neue Liebe, neues Leben, sagt<br />

Goethe; neue Lehre, neues Leben heißt es bei uns.“<br />

601 Karl Marx: Brief an den Vater vom 10. Nov. 1837, in: Karl<br />

Marx/Friedrich Engels, Werke, Berlin 1964-68 (später abgekürzt als:<br />

MEW), Ergänzungsband, Erster Teil, S. 4 ff. – Von Marx’ dichterischen<br />

Versuchen ist beson<strong>der</strong>s diese Strophe beachtenswert: „Nur nicht brütend<br />

hingegangen/Ängstlich in dem nie<strong>der</strong>n Joch,/Denn das Sehnen und Verlangen/Und<br />

die Tat, sie blieb uns doch“. (F. Mehring: Aus dem literarischen<br />

Nachlass von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle,<br />

Bd. I, Berlin 1923, S. 28)<br />

602 MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 326. – Zu Marx’ späterer grundsätzlich<br />

positiver Einstellung zu seiner Dissertation vgl. die Briefe an Lassalle<br />

vom 22. II. 1858 und 3. IV. 1858, MEW, Bd. 29, S. 549, 561<br />

603 MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 214<br />

604 Ebenda, S. 327 f.<br />

605 MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 294, 283 f.<br />

606 Siehe hierzu auch Dieter Henrich: Kant, Gentz, Rehberg, Über Theorie<br />

und Praxis, Frankfurt a. M. 1967, Einleitung, S. 15. – Theorie und Praxis<br />

bleiben bei Aristoteles getrennt, <strong>für</strong> sich gleichsam wie die beiden symbolischen<br />

Skulpturen Michelangelos in <strong>der</strong> Grabkapelle <strong>der</strong> Mediceer.


326<br />

607 Eduard Zeller: Die <strong>Philosophie</strong> und die Praxis, in: Jahrbücher <strong>der</strong> Gegenwart,<br />

1843, S. 321 ff., 328. – Ähnlich will Michelet die Wissenschaft ins<br />

„Leben“, die gedankliche Einheit von Wirklichkeit und Vernunft in die<br />

Wirklichkeit einführen; vgl. Entwicklungsgeschichte <strong>der</strong> neuesten deutschen<br />

<strong>Philosophie</strong>, Berlin 1843, S. 315 ff., 397 ff. (K. Löwith: Von Hegel zu<br />

Nietzsche, a, a. 0., S. 77)<br />

608 MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 328. - Zu Marx’ Unterscheidung<br />

von den Junghegelianern siehe auch A. Cornu: Karl Marx und Friedrich<br />

Engels, Bd. I, Berlin 1954, S. 159 ff.<br />

609 F. Engels: Ernst Moritz Arndt (1841), MEW, Ergänzungsband, Zweiter<br />

Teil, S. 125; vgl. Immermanns „Memorabilien“ (1841), ebenda, S. 148 f.;<br />

Alexan<strong>der</strong> Jung, Vorlesungen über die mo<strong>der</strong>ne Literatur <strong>der</strong> Deutschen<br />

(1842), MEW, Bd 1, S. 436 f.<br />

610 Hegel: Über das Wesen <strong>der</strong> philosophischen Kritik überhaupt und ihr<br />

Verhältnis zum gegenwärtigen Zustand <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> insbeson<strong>der</strong>e,<br />

Werke, Bd. 1, S. 188 f.<br />

611 Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags. Debatten über Preßfreiheit<br />

und Publikation <strong>der</strong> Landständischen Verhandlungen, MEW, (Mai<br />

1842) Bd. 1, S. 50. – Zu Marx’ For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> Theorie<br />

siehe auch S. 68: „Die Deutschen sind von Natur devotest, alleruntertänigst,<br />

ehrfurchtsvollst. Aus lauter Respekt vor den Ideen verwirklichen sie<br />

dieselben nicht. Sie weihen ihnen einen Kultus <strong>der</strong> Anbetung, aber sie kultivieren<br />

dieselben nicht. – Zu Marx’ Stellungnahme gegen die Zensur siehe<br />

auch: Das Verbot <strong>der</strong> „Leipziger Allgemeinen Zeitung“, ebenda, S. 153-171.<br />

– Von bleiben<strong>der</strong> Relevanz ist Marx’ Feststellung in den „Bemerkungen über<br />

die neueste preußische Zensurinstruktion“, dass „Gesetze, die nicht<br />

die Handlung als solche, son<strong>der</strong>n die Gesinnung des Handelnden zu ihren<br />

Hauptkriterien machen,... nichts als positive Sanktionen <strong>der</strong> Gesetzlosigkeit“<br />

sind; ebenda, S. 14<br />

612 Debatten über die Pressfreiheit, MEW, Bd. 1, S. 47 f.<br />

613 Ebenda, S. 75. – Zu Marx’ Einleitung <strong>der</strong> Sinnesorgane in praktische<br />

(Nase, Mund) und theoretische (Auge, Ohr), die er aus Hegels Ästhetik und<br />

Naturphilosophie übernommen hat (vgl. oben Anm. 47), siehe ebenda, S.<br />

31, 69<br />

614 Vgl. Das philosophische Manifest <strong>der</strong> historischen Rechtsschule (August<br />

1842), MEW, Bd. 1, S. 79: „Wie das Prinzip, so ist die Argumentation


327<br />

Hugos positiv, d. h. unkritisch. Er kennt keine Unterschiede. Jede Existenz<br />

gilt ihm <strong>für</strong> eine Autorität, jede Autorität gilt ihm <strong>für</strong> einen Grund.“<br />

(Im Original teilweise gesperrt.) Zu Marx’ Einstellung zur historischen<br />

Rechtsschule siehe auch: Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie.<br />

Einleitung, ebenda, S. 380. Zu Engels’ Kritik an <strong>der</strong> historischen Rechtsschule<br />

und ihrer Auffassung von „historischer, organischer, naturgemäßer<br />

Entwicklung“ siehe: Tagebuch eines Hospitanten (1842), MEW, Ergänzungsband,<br />

Zweiter Teil, S. 253, wo er Preußens Heil noch „allein in <strong>der</strong><br />

Theorie, <strong>der</strong> Wissenschaft, <strong>der</strong> Entwickelung aus dem Geiste“ liegen sieht<br />

und damit die anfängliche Überzeugung aller Junghegelianer teilt, <strong>der</strong><br />

preußische Staat sei die Verkörperung des reformatorischen Prinzips <strong>der</strong><br />

freiwilligen Entwicklung <strong>der</strong> Vernunft.<br />

615 Der leitende Artikel in Nr. 179 <strong>der</strong> „Kölnischen Zeitung“ (Juli 1842),<br />

MEW, Bd. 1, S. 97 f.<br />

616 Ebenda, S. 17. – Vergleiche hiermit „Phänomenologie des Geistes“,<br />

Werke, Bd. 2, S. 531: „Der Geist erscheint also hier als <strong>der</strong> Werkmeister,<br />

und sein Tun, wodurch er sich selbst als Gegenstand hervorbringt, aber<br />

den Gedanken seiner noch nicht erfasst hat, ist ein instinktartiges Arbeiten,<br />

wie die Bienen ihre Zellen bauen... Die Kristalle <strong>der</strong> Pyramiden und<br />

Obelisken... sind die Arbeiten dieses Werkmeisters <strong>der</strong> strengen Form.“ –<br />

Siehe auch S. 101 ff., wo Marx einen Wi<strong>der</strong>streit zwischen dem theoretischen<br />

Anspruch und dem praktischen Leben <strong>der</strong> Christen sieht und in<br />

diesem Wi<strong>der</strong>streit von Theorie und Praxis einen Beweis <strong>der</strong> Unwahrheit<br />

erblickt.<br />

617 Brief an Dagobert Oppenheim vom 25. VIII. 1842, MEW, Bd. 27, S. 409<br />

618 Siehe dazu Werner Hofmann: Stalinismus und Antikommunismus,<br />

Frankfurt a. M. 1968, S. 65; Henri Lefèbvre: Probleme des Marxismus,<br />

heute, Frankfurt a. M. 1965, S. 128. – Aus diesem Grunde müssen die<br />

frühen Versuche H. Marcuses, Sartres und Merleau-Pontys scheitern, geschichtliche<br />

Dialektik und phänomenologische Ontologie zu einer Synthese<br />

zu bringen; vgl. dazu Alfred Schmidt: Existential-Ontologie und historischer<br />

Materialismus bei Herbert Marcuse, in: Antworten auf Herbert Marcuse,<br />

Frankfurt a. M. 1968, S. 48 f.<br />

619 Der Kommunismus und die Augsburger „Allgemeine Zeitung“ (Oktober<br />

1842), MEW, Bd. 1, S. 108<br />

620 Siehe Einleitung zur Kritik <strong>der</strong> politischen Ökonomie, MEW, Bd. 13, S.<br />

631 f.


328<br />

621 Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz (Oktober/November 1842),<br />

MEW, Bd. 1, S. 147. – Siehe dazu K. Löwith: Gesammelte Abhandlungen,<br />

Stuttgart 1960, S. 47<br />

622 Vgl. Das Kapital, MEW, Bd. 23, S. 87 ff., S. 99 f.<br />

623 Rechtfertigung des ++ -Korrespondenten von <strong>der</strong> Mosel, MEW, Bd. 1, S.<br />

177; vgl. S. 189, 195; Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 33<br />

624 Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie. Kritik des Hegelschen<br />

Staatsrechts (1843), MEW, Bd. 1, S. 283 f., S. 232. – Während <strong>für</strong> Marx<br />

die nachrevolutionären Zustände durch nur formale Gleichheit und formale<br />

Freiheit gekennzeichnet sind, findet dagegen Alexis de Tocqueville in ihnen<br />

wirkliche Gleichheit und vermisst allein wirkliche Freiheit, obschon er<br />

selbst die wirkliche Ungleichheit im zweiten Band <strong>der</strong> „Demokratie in Amerika“<br />

in dem Kapitel „Die Aristokratie des Geldes“ beschreibt.<br />

625 Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW, Bd. 1, 5. 265. – Dazu, dass<br />

Marx im Gegensatz zu Hegel die Gesellschaft als „Schlüssel zum Verständnis<br />

des geschichtlichen Entwicklungsprozesses <strong>der</strong> Menschheit“ dem Staat<br />

überordnet, siehe auch F. Engels: Karl Marx, MEW, Bd. 16, S. 361 ff. Ähnlich<br />

spricht Lorenz von Stein in seiner Schrift „Der Sozialismus und Kommunismus<br />

des heutigen Frankreichs“, Leipzig 1842, S. 446 f., von dem<br />

„Versuch, jetzt den Staat durch den Begriff und das wirkliche Leben <strong>der</strong><br />

Gesellschaft gestalten und bedingen zu lassen.“<br />

626 Vgl. auch Th. W. Adorno: Zur Metakritik <strong>der</strong> Erkenntnistheorie, Stuttgart<br />

1956, S. 27<br />

627 Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW, Bd. 1, S. 216 f., 241<br />

628 Ebenda, S. 296, 213<br />

629 Marx an Ruge im Mai 1843, MEW, Bd. 1, S. 342<br />

630 Marx an Ruge im September 1843, ebenda, S. 344<br />

631 Ebenda, S. 345 f.<br />

632 Ebenda, S. 346<br />

633 Zur Judenfrage, MEW, Bd. 1, S. 354 f.


329<br />

634 Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW, Bd. 1,<br />

S. 382 f.<br />

635 Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW, Bd. 1,<br />

S. 384. Vgl. Engels: Die Lage Englands (1844), MEW, Bd. 1, S. 548 f.: „Die<br />

englischen Sozialisten sind rein praktisch... sie verzweifeln an <strong>der</strong> Theorie<br />

und halten sich <strong>für</strong> die Praxis an den Materialismus... Die Sozialisten sind<br />

eben noch Englän<strong>der</strong>, wo sie bloß Menschen sein sollten, sie kennen...<br />

nicht auch die deutsche <strong>Philosophie</strong>, das ist all ihr Mangel...“ Den Praktizismus,<br />

die „reine Praxis“, betrachtet Engels als eine <strong>der</strong> Folgen <strong>der</strong> „Verzweiflung<br />

an <strong>der</strong> Vernunft“ und <strong>der</strong> „Unfähigkeit, die Wi<strong>der</strong>sprüche, auf<br />

die man in letzter Instanz geraten ist, zu lösen.“ (ebenda, S. 542, 553)<br />

636 Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW, Bd. 1,<br />

S. 386<br />

637 Die heilige Familie o<strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> kritischen Kritik, MEW, Bd. 2, S. 85<br />

f.<br />

638 Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW, Bd. 1,<br />

S. 381<br />

639 Hegel: Enzyklopädie, Die Wissenschaft <strong>der</strong> Logik, § 204 (Hamburg<br />

1959, S. 178)<br />

640 Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844, MEW,<br />

Ergänzungsband, Erster Teil, S. 584. – Es ließe sich nicht sagen, dass in<br />

Marx’ Materialismus dadurch wie<strong>der</strong> – trotz <strong>der</strong> Umkehrung – eine Identität<br />

konzipiert würde, dass die Materie im menschlichen Geist zu sich<br />

selbst käme, sich selbst anschaute und wie <strong>der</strong> Hegelsche absolute Geist<br />

wie<strong>der</strong>um bei sich und somit frei wäre; denn geistlose Materie kann nicht<br />

zur Selbstanschauung gelangen, d. h. <strong>der</strong> Kreis kann sich nicht schließen,<br />

wenn <strong>der</strong> Ausgangspunkt selbst, das An sich, nicht geistig ist, abgesehen<br />

davon, dass es „die“ Materie <strong>für</strong> Marx ebensowenig gibt wie „den“ Menschen.<br />

641 Ebenda, S. 570<br />

642 Ebenda, S. 573<br />

643 Zur Kritik <strong>der</strong> Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW, Bd. 1,<br />

S. 391


330<br />

644 Johannes Hirschberger (Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, II. Teil, Freiburg/Basel/Wien<br />

1965, S. 436) erklärt kurzweg alle Junghegelianer zu<br />

Materialisten auf folgende Weise: „Und weil Geist und Natur auch identisch<br />

sind, die ,Natur‘ aber vielen Menschen näher zu liegen scheint, bestimmt<br />

die Hegelsche Linke den Inhalt des Identischen von dieser Seite her<br />

und entwickelt jetzt einen pointierten Materialismus.“<br />

645 Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 18 f., 20; vgl. S. 27 f.; Ökonomisch-philosophische<br />

Manuskripte, MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S.<br />

468, 568 f.; Engels: Die Kommunisten und Herr Heinzen (1847), MEW, Bd.<br />

4, S. 321 f.: „Herr Heinzen bildet sich ein, <strong>der</strong> Kommunismus sei eine gewisse<br />

Doktrin, die von einem bestimmten theoretischen Prinzip als Kern<br />

ausgehe und daraus weitere Konsequenzen ziehe. Herr Heinzen irrt sich<br />

sehr. Der Kommunismus ist keine Doktrin, son<strong>der</strong>n eine Bewegung; er<br />

geht nicht von Prinzipien, son<strong>der</strong>n von Tatsachen aus. Die Kommunisten<br />

haben nicht diese o<strong>der</strong> jene <strong>Philosophie</strong>, son<strong>der</strong>n die ganze bisherige Geschichte<br />

und speziell ihre gegenwärtigen tatsächlichen Resultate in den<br />

zivilisierten Län<strong>der</strong>n zur Voraussetzung... Der Kommunismus, soweit er<br />

theoretisch ist, ist <strong>der</strong> theoretische Ausdruck <strong>der</strong> Stellung des Proletariats...“<br />

– Löwith, <strong>der</strong> Marx, die Junghegelianer und auch Kierkegaard nebeneinan<strong>der</strong><br />

stellt, verfehlt also das Spezifische <strong>der</strong> Marxschen Praxiskonzeption,<br />

indem er es darin erblickt, dass Marx „die Welt auf Grund einer<br />

umfassenden geschichtsphilosophischen Interpretation und theoretischen<br />

Kritik verän<strong>der</strong>n wollte.“ (Die Hegelsche Linke, Stuttgart-Bad Cannstatt<br />

1962, S. 36)<br />

646 K. Löwith: Von Hegel zu Nietzsche, Stuttgart 1964, S. 111. – Dass Marx<br />

wie die Aufklärer die Religion als solche kritisiert, nicht nur wie die Frühsozialisten<br />

das Christentum o<strong>der</strong> die Kirche, dass aber an<strong>der</strong>erseits <strong>für</strong> ihn<br />

die Religionskritik nicht im Zentrum steht, dazu vgl. H. Gollwitzer: Marxistische<br />

Religionskritik und marxistischer Glaube, in: Marxismusstudien,<br />

Tübingen 1962, S. 23 f.<br />

647 Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 35; vgl. Ökonomischphilosophische<br />

Manuskripte, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 546: „Der<br />

Kommunismus ist die notwendige Gestalt und das energische Prinzip <strong>der</strong><br />

nächsten Zukunft, aber <strong>der</strong> Kommunismus ist nicht als solcher das Ziel<br />

<strong>der</strong> menschlichen Entwicklung – die Gestalt <strong>der</strong> menschlichen Gesellschaft.“<br />

648 Heinrich Popitz: Der entfremdete Mensch, Basel 1953, S. 129


331<br />

649 Jürgen Habermas: Zur philosophischen Diskussion um Marx und den<br />

Marxismus, in: Theorie und Praxis, Neuwied am Rhein und Berlin 1967, S.<br />

285 f., 279. Vgl. auch Karl Korsch: Karl Marx, Frankfurt a. M. 1967, S. 3<br />

ff., 204<br />

650 Vgl. Werner Sombart: Der proletarische Sozialismus, 1924, Bd. I,<br />

S.121; Johannes Plenge: Marx und Hegel, 1911, S. 15 ff.; Jakob Hommes:<br />

Der technische Eros, Freiburg 1955,5.23 ff.; Pierre Bigo: Marxisme et humanisme,<br />

Paris 1953,5.34; Erich Thier: Das Menschenbild des jungen<br />

Marx, Göttingen 1957, S. 29 ff.; Jean-Yves Calvez: Karl Marx, Olten/Freiburg<br />

1964, S. 111 ff.; Jean Hyppolite: Études sur Marx et Hegel,<br />

Paris 1955, S. 147<br />

651 Ludwig Landgrebe: Das Problem <strong>der</strong> Dialektik, in: Marxismusstudien,<br />

Tübingen 1960, Bd. 3, S. 8<br />

652 Siegfried Landshut: Karl Marx, Frühschriften, Stuttgart 1964, Einleitung,<br />

S. XXXVI; Max Gustav Lange: Der Junghegelianismus und die Anfänge<br />

des Marxismus, Jena 1946, S. 183: „Die Herrschaft <strong>der</strong> verdinglichten<br />

,Verhältnisse‘ über den Menschen kann nur von dem als Wi<strong>der</strong>spruch<br />

empfunden werden, <strong>der</strong> eine bestimmte Auffassung von dem Wesen des<br />

Menschen voraussetzt.“<br />

653 Leszek Kolakowski: Aktuelle und nichtaktuelle Begriffe des Marxismus,<br />

in: Der Mensch in <strong>der</strong> Alternative, München 1961, S. 25<br />

654 F. Engels: Fortschritte <strong>der</strong> Sozialreform auf dem Kontinent (1843),<br />

MEW, Bd. 1, S. 480 f., 494 f.; vgl. Die Lage Englands. Das 18. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

(1844), ebenda, 5.552. – Zu Engels’ Bestimmung <strong>der</strong> Theorie als „Anleitung<br />

zum Handeln“ siehe: Brief an F. A. Sorge vom 29. XI. 1886, MEW Bd. 36,<br />

S. 578<br />

655 Vgl. Werner Hofmann: Ideengeschichte <strong>der</strong> sozialen Bewegung des 19.<br />

und 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, Berlin 1962, S. 11<br />

656 Vgl. Jakob Hommes: Der technische Eros, Freiburg 1955, S. 267. Siehe<br />

auch: Jean Hyppolite : Études sur Marx et Hegel, Paris 1955, S. 147. Auf<br />

dieser Linie liegt auch die Reduktion <strong>der</strong> Entfremdung auf die (klassenindifferente)<br />

Technik und das Außerachtlassen <strong>der</strong> Produktionsverhältnisse<br />

(oft – wie bei H. Freyer – unter Anknüpfung an die Tradition <strong>der</strong> lebensphilosophischen<br />

Technophobie).


332<br />

657 Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW, Ergänzungsband, Erster<br />

Teil, S. 572; 574, 584. Siehe dazu Georg Lukács: Der junge Hegel, Zürich/Wien<br />

1948, S. 699<br />

658 Die heilige Familie, MEW, Bd. 28. 60 ff.; vgl. S. 144 ff.<br />

659 Brief von Marx an Feuerbach vom 3. X. 1843, MEW, Bd. 27, S. 420<br />

660 F. Engels: Schelling und die Offenbarung (1842), MEW, Ergänzungsband,<br />

Zweiter Teil, S. 176<br />

661 Thesen über Feuerbach, MEW, Bd. 3, S. 6<br />

662 Ebenda, S. 5<br />

663 Ebenda, S. 6. – Siehe hierzu auch: Ernst Bloch: Keim und Grundlinie.<br />

Zu Marx’ Feuerbach-Thesen, in: Deutsche Zeitschrift <strong>für</strong> <strong>Philosophie</strong>,<br />

1953, 2<br />

664 Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 45<br />

665 Ebenda, S. 44<br />

666 Ebenda, S. 43<br />

667 Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW, Ergänzungsband, Erster<br />

Teil, S. 540 ff.<br />

668 Ebenda, S. 579<br />

669 K. Löwith: Gesammelte Abhandlungen, Stuttgart 1960, S. 233<br />

670 Mao Tse-tung: Über die Praxis (1937), in: Ausgewählte Schriften,<br />

Frankfurt a. M. 1963, S. 35<br />

671 Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 44. – Dementsprechend ist es<br />

nicht im Sinne Marxens, wenn zwar eine naiv-realistische gesellschaftlich<br />

unvermittelte Kosmologie vermieden wird, aber <strong>der</strong> außermenschlichen an<br />

sich seienden Natur die Dialektik völlig abgesprochen und nur <strong>für</strong> die geschichtliche<br />

<strong>für</strong> uns seiende Wirklichkeit reserviert wird, wie dies in Nachfolge<br />

von Lukács’ Schrift „Geschichte und Klassenbewusstsein“ (Berlin-<br />

Halensee 1923, S. 240) <strong>für</strong> Sartre, Hyppolite und A. Schmidt typisch ist;<br />

vgl. Existentialismus und Marxismus. Eine Kontroverse zwischen Sartre,


333<br />

Garaudy, Hyppolite, Vigier und Orcel, Frankfurt a. M. 1965 (beson<strong>der</strong>s S.<br />

105 ff.). – Nur eine Paraphrase Hegels ist insbeson<strong>der</strong>e Marx’ Satz: „Aber<br />

auch die Natur, abstrakt genommen, <strong>für</strong> sich, in <strong>der</strong> Trennung vom Menschen<br />

fixiert, ist <strong>für</strong> den Menschen nichts.“ (Ökonomisch-philosophische<br />

Manuskripte, MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 587)<br />

672 Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW, Ergänzungsband, Erster<br />

Teil, S. 543; vgl. Die heilige Familie, MEW, Bd. 2, S. 159; Die deutsche<br />

Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 30, 43. Siehe auch: MEW, Bd. 19, S. 362 f.<br />

673 Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 378<br />

674 Ebenda, S. 31 f., 46 ff.<br />

675 Siehe dazu Joachim Ritter: Die Lehre vom Ursprung und Sinn <strong>der</strong> Theorie<br />

bei Aristoteles, in: Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Forschung des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen, 1953; Karl Löwith: Die Hegelsche Linke, Stuttgart-<br />

Bad Cannstatt 1962, S. 36 ff.<br />

676 Das Kapital, Dritter Band, MEW, Bd. 25, S. 828<br />

677 Diese Schwierigkeit wird erörtert in: Deutsche Zeitschrift <strong>für</strong> <strong>Philosophie</strong>,<br />

Heft 11/1961 bis Heft 9/1963; M. N. Rutkewitsch: Die Praxis als<br />

Grundlage <strong>der</strong> Erkenntnis und als Kriterium <strong>der</strong> Wahrheit, Berlin 1957, S.<br />

226 ff. – Die Schwierigkeit wird we<strong>der</strong> behoben, wenn die Theorie einfach<br />

in die als gesellschaftliche Gesamttätigkeit definierte Praxis einbezogen<br />

wird (so von Branko Bosnjak, <strong>der</strong> in seinem Artikel „Betrachtungen über<br />

die Praxis“ behauptet, im marxistischen Sinne wären „das Kriterium <strong>der</strong><br />

Praxis... die positiven Ideale“; in: Praxis, Philosophische Zeitschrift, Nr. 1,<br />

Zagreb 1965, S. 24), noch wenn das „Gegenständlich-sein“ als „Gegenbegriff<br />

zum Selbst-sein“ gefasst wird wie von H. Marcuse: Über die philosophischen<br />

Grundlagen des wirtschaftswissenschaftlichen Arbeitsbegriffs, in:<br />

Kultur und Gesellschaft 2, Frankfurt a. M. 1965, S. 28<br />

678 Thesen über Feuerbach, MEW, Bd. 3, S. 7<br />

679 Ebenda, S. 5<br />

680 G. A. Wetter: Der dialektische Materialismus, Freiburg 1960, S. 590. –<br />

Von einer „petitio principii“ in diesem Sinne spricht auch Josef de Vries:<br />

Die Erkenntnistheorie des dialektischen Materialismus, München/ Salzburg/Köln<br />

1958, S. 104 f. Die entscheidende Schwäche dieses Arguments


334<br />

wird nicht durchschaut in dem Lehrbuch „Marxistische <strong>Philosophie</strong>“, Berlin<br />

1967, S. 597 f.<br />

681 Vgl. zum pragmatistischen Wahrheitsbegriff beson<strong>der</strong>s Ch. S. Peirce:<br />

Collected Papers of Ch. S. Peirce, Harvard 1931-1935, Bd. 5, S. 247; <strong>der</strong>s.:<br />

Chance, Love and Logic, New York 1949, S. 16 ff. – Zu Mussolinis Berufung<br />

auf den Pragmatismus von James siehe die Schrift des Marxisten<br />

Harry K. Wells: Der Pragmatismus, Berlin 1957, S. 170 – Marx’ Praxisauffassung<br />

wird pragmatisch gedeutet von Bertrand Russel Freedom versus<br />

Organization, New York 1934, S. 194, und von Alfred G. Meyer: Marxism,<br />

The Unity of Theory and Practice, Cambridge 1954, S. 105<br />

682 Hannah Arendt: Vita activa o<strong>der</strong> vom tätigen Leben, München 1967, S.<br />

287 ff.


A. Que11en<br />

335<br />

Literaturverzeichnis<br />

Allgemeine Literaturzeitung. Monatsschrift, hrsg. v. Bruno Bauer, 2 Bde.,<br />

Charlottenburg 1844<br />

Anekdota zur neuesten deutschen <strong>Philosophie</strong> und Publizistik, hrsg. v. Arnold<br />

Ruge, 2 Bde., Zürich und Winterthur 1843<br />

Aristoteles: Opera, ed. I. Bekker, vol. 1 und 2, Berlin 1831<br />

Athenäum. Zeitschrift <strong>für</strong> das gebildete Deutschland. Redigiert von Karl<br />

Riedel, 1. Jahrgang, Berlin 1841<br />

Bacon, Francis: Novum Organon. The Works of Francis Bacon, Bd. XIV,<br />

London 1825<br />

Bakunin, Michail: Die Reaktion in Deutschland, in: Deutsche Jahrbücher<br />

<strong>für</strong> Wissenschaft und Kunst, Nr. 247-251, 17.-21. 10. 1842<br />

Bayrhoffer, Karl Theodor: Die Idee und Geschichte <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Leipzig<br />

1838<br />

Bauer, Bruno:<br />

– Herr Dr. Hengstenberg. Kritische Briefe über den Gegensatz des Gesetzes<br />

und des Evangeliums, Berlin 1839<br />

– Die evangelische Landeskirche Preußens und die Wissenschaft, Leipzig<br />

1840<br />

– Kritik <strong>der</strong> evangelischen Geschichte des Johannes, Bremen 1840<br />

– Kritik <strong>der</strong> evangelischen Geschichte <strong>der</strong> Synoptiker, 3 Bde., Leipzig<br />

1841/42<br />

– Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel den Atheisten und Antichristen.<br />

Ein Ultimatum, Leipzig 1841<br />

– Hegels Lehre von <strong>der</strong> Religion und Kunst. Von dem Standpunkte des<br />

Glaubens aus beurteilt, Leipzig 1842


336<br />

– Die gute Sache <strong>der</strong> Freiheit und meine eigene Angelegenheit, Zürich<br />

und Winterthur 1842<br />

– Die Judenfrage, Braunschweig 1843 (Deutsche Jahrbücher, November<br />

1842)<br />

– Das entdeckte Christentum. Eine Erinnerung an das achtzehnte Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

und ein Beitrag zur Krisis des neunzehnten, Zürich und Winterthur<br />

1843. Neudruck hrsg. v. Ernst Barnikol, Jena 1927<br />

– Geschichte <strong>der</strong> Politik, Kultur und Aufklärung des 18. Jahr hun<strong>der</strong>ts; 2<br />

Bde., Charlottenburg 1843/45<br />

– Vollständige Geschichte <strong>der</strong> Parteikämpfe in Deutschland während <strong>der</strong><br />

Jahre 1842-46, 3 Bde., Charlottenburg 1847<br />

– Die bürgerliche Revolution in Deutschland seit dem Anfang <strong>der</strong><br />

deutsch-katholischen Bewegung bis zur Gegenwart, Berlin 1849<br />

– Rußland und das Germanentum, 2. Abt., Charlottenburg 1853<br />

– Christus und die Caesaren. Der Ursprung des Christentums aus dem<br />

römischen Griechentum (1874/76), 2. Aufl., Berlin 1879<br />

– Zur Orientierung über die Bismarcksche Ära, Chemnitz 1880<br />

– Der christliche Staat und unsere Zeit, in: Hallische Jahr bücher, 7.-12.<br />

6. 1841, Nr. 135 bis 140<br />

– Theologische Schamlosigkeiten, in: Deutsche Jahrbücher, 15.-18. 11.<br />

1841, Nr. 117 bis 120<br />

– Bekenntnisse einer schwachen Seele, in: Deutsche Jahrbücher, 23. u.<br />

24. 6. 1842, Nr. 148 u. 149<br />

– Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Ent wicklung<br />

und im Kampf mit <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Wissenschaft. Darge stellt von D. F.<br />

Strauß, in: Deutsche Jahrbücher, 25.-28. 1. 1843, Nr. 21-24<br />

– Leiden und Freuden des theologischen Bewußtseins, in: Anekdota zur<br />

neuesten deutschen <strong>Philosophie</strong> und Publizistik, Bd. 2<br />

– Rezension zu „Bremisches Magazin“, ebenda


337<br />

– Was ist jetzt <strong>der</strong> Gegenstand <strong>der</strong> Kritik, in: Allgemeine Literaturzeitung,<br />

Bd. II, H. 8, Juli 1844<br />

– Die Gattung und die Masse, in: Allgemeine Literaturzeitung, Bd. II, Heft<br />

7, September 1844<br />

– Ludwig Feuerbach, in: Beiträge zum Feldzug <strong>der</strong> Kritik, ebenda, Heft 4<br />

– Charakteristik Ludwig Feuerbachs, in: Wigands Vierteljahresschrift,<br />

Leipzig 1845, 3. Band<br />

– Briefwechsel zwischen Bruno Bauer und Edgar Bauer während <strong>der</strong><br />

Jahre 1839 bis 1842 aus Bonn und Berlin, Charlottenburg 1844<br />

– Der Aufstand und Fall des deutschen Radikalismus vom Jahre 1842, 3<br />

Bde., 2. Aufl., Berlin 1850<br />

– Die theologische Erklärung <strong>der</strong> Evangelien, Berlin 1852<br />

– Denkwürdigkeiten zur Geschichte <strong>der</strong> neueren Zeit seit <strong>der</strong> Revolution,<br />

7 Bände, Charlottenburg 1843/44<br />

– Kritik <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Offenbarung I: Die Religion des alten Testaments<br />

in <strong>der</strong> geschichtlichen Entwicklung ihrer Prinzipien dargestellt,<br />

Berlin 1838<br />

– „Jahrbücher <strong>für</strong> wissenschaftliche Kritik“. Hrsg. v. d. Sozietät <strong>für</strong> wiss.<br />

Kritik zu Berlin. Kritik von D. F. Strauß Dezember 1835, Nr. 109-113,<br />

8. Mai 1836, Nr. 86-88<br />

– „Zeitschrift <strong>für</strong> spekulative Theologie“. In Gemeinschaft mit einem Verein<br />

von Gelehrten,hrg. v. B. Bauer: 1836: Der mosaische Ursprung <strong>der</strong><br />

Gesetzgegung des Pentateuch; Der alttestamentliche Hintergrund im<br />

Evangelium des Johannes. 1837: Die neueren Kommentare zu den<br />

Psalmen, Die Prinzipien <strong>der</strong> mosaischen Rechts- und Religionsverfassung,<br />

Der Begriff <strong>der</strong> göttlichen Gerechtigkeit im II. Teil des Jesaias.1838:<br />

Apologetisches und Kritisches zum biblischen Berichte von<br />

<strong>der</strong> Urgeschichte <strong>der</strong> Menschheit<br />

– Rezension: Einleitung in die Dogmengeschichte v. Th. Klieforth, in: Anekdota<br />

zur neuesten <strong>Philosophie</strong> und Publizistik, Zürich und Winterthur<br />

1843, Bd. II<br />

– Kritik <strong>der</strong> Evangelien und Geschichte ihres Ursprungs, Berlin 1850


Bauer, Edgar<br />

338<br />

– Bruno Bauer und seine Gegner, Berlin 1842<br />

– Der Streit <strong>der</strong> Kritik mit Kirche und Staat (1843), Bern 1844<br />

– Das Juste-Milieu. Erster Artikel, in: Rheinische Zeitung, Beiblatt zu Nr.<br />

156 vom 5. 6. 1842. Das Juste-Milieu. Zweiter Artikel, in: Rheinische<br />

Zeitung, Beiblatt zu Nr. 228, 230, 233, 235 v. 16., 18., 21.,23. 8. 1842<br />

– Geschichte Europas seit <strong>der</strong> ersten französischen Revolution, v. Archibald<br />

Alison (Rezension), in: Deutsche Jahrbücher, Nr. 297-299, vom 14.<br />

12. - 16. 12. 1842<br />

– Proudhon, in: Allgemeine Literaturzeitung, Bd. I, H. 5, April 1844<br />

– „1842“, in: Allg. Literaturzeitung, Bd. II, H. 8, Juli 1844<br />

– Die Reise auf öffentliche Kosten, in: Die Epigonen, Bd. 5, Leipzig 1848<br />

– Die liberalen Bestrebungen in Deutschland. I.: Die Ostpreußische Opposition.<br />

II.: Die Badische Opposition. Zürich und Winterthur 1843<br />

– Beiträge zum Feldzug <strong>der</strong> Kritik. Norddeutsche Blätter <strong>für</strong> 1844 und<br />

1845, 2 Bde., Berlin 1846<br />

Börne, Ludwig: Werke in zwei Bänden, Berlin und Weimar 1964<br />

Buhl, Ludwig: Hegels Lehre vom Staat und seine <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Geschichte<br />

in ihren Hauptresultaten, Berlin 1837<br />

– Der Beruf <strong>der</strong> preußischen Presse, Berlin 1842. Berliner Monatsschrift,<br />

Mannheim 1844<br />

– Der Patriot. Inländische Fragen. Hrsg. v. L. Buhl. Hefte i, II, III, IV, Berlin<br />

1841<br />

Cieszkowski, August von<br />

– Prolegomena zur Historiosophie, Berlin 1838<br />

– Du Crédit et de la Circulation, Paris 1839<br />

– Gott und Palingenesie, Berlin 1842<br />

– De la Pairie et de l’Aristocratie mo<strong>der</strong>ne, Paris 1844


339<br />

– Zur Verbesserung <strong>der</strong> Lage <strong>der</strong> Arbeiter auf dem Lande. Ein Vortrag gehalten...<br />

am 17. 5. 1845, Berlin 1846<br />

– The Desire of all Nations. Being an English edition abridged of A. C.’s<br />

„Our father“ (Ojcze Nasz); Prep. by W. J. Rose, London 1919<br />

Carové, Friedrich Wilhelm: Neorama, 3 Bde, Leipzig 1838<br />

Cues, Nikolaus von: Opera, Paris 1514. Unverän<strong>der</strong>ter Nachdruck, Frankfurt<br />

a. M. 1962<br />

Deutsche Jahrbücher <strong>für</strong> Wissenschaft und Kunst, hrsg. v. Arnold Ruge<br />

und Theodor Echtermeyer, 3 Bde, Leipzig 184I-1843<br />

Die Triarier, D. F. Strauß, L. Feuerbach und A. Ruge und ihr Kampf <strong>für</strong> die<br />

mo<strong>der</strong>ne Geistesfreiheit. Ein Beitrag zur letztvergangenen deutschen Geistesbewegung.<br />

Von einem Epigonen. Kassel 1852<br />

Einundzwanzig Bogen aus <strong>der</strong> Schweiz, hrsg. v. Georg Herwegh, Zürich<br />

und Winterthur 1843<br />

Feuerbach, Ludwig<br />

– Sämtliche Werke, neu hrsg. v. Wilhelm Bolin und Friedrich Jodl, 10<br />

Bde., Stuttgart 1903/1911<br />

– Das Wesen des Christentums, Ausgabe in zwei Bänden, hrsg. v. Werner<br />

Schuffenhauer, Berlin 1956<br />

– Feuerbach, Ludwig: Ausgewählte Briefe von und an Ludwig Feuerbach,<br />

hrsg. und biographisch eingel. v. Wilhelm Bolin, 2 Bde., Leipzig 1904<br />

– Kleine philosophische Schriften (1842-1845). Hrsg. v. M. G. Lange,<br />

Leipzig 1950<br />

– Briefwechsel zwischen L. Feuerbach und Chr. Kapp. Hrsg. v. A. Kapp,<br />

Leipzig 1876. Ludwig Feuerbach. Briefwechsel. Hrsg. v. W. Schuffenhauer,<br />

Leipzig 1962<br />

– Kleine Schriften, Frankfurt a. M. 1966<br />

Fichte, Johann Gottlieb: Sämtliche Werke, 8 Bde., Berlin 1845/46<br />

Fischer, Kuno: Arnold Ruge und <strong>der</strong> Humanismus, in: Wigands Epigonen,<br />

IV,1847


340<br />

Fourier, Charles : Oeuvres complètes, Bd. II, Paris 1843<br />

Frantz, Constantin: Grundzüge des wahren und wirklichen absoluten Idealismus,<br />

Berlin 1843<br />

Fröbel, Julius: Das Verbrechen <strong>der</strong> Religionsstörung nach den Gesetzen<br />

des Kantons Zürich, Zürich und Winterthur 1844<br />

Gans, Eduard<br />

– Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung, 2 Bde., Berlin<br />

1824/25<br />

– Rückblicke auf Personen und Zustände, Berlin 1836. Vermischte<br />

Schriften, Berlin 1834<br />

Görres, Joseph:<br />

– Athanasius, Regensburg 1838<br />

– Die Triarier, Regensburg 1838<br />

Grün, Karl<br />

– Feuerbach und die Sozialisten, in: Deutsches Bürgerbuch <strong>für</strong> 1845<br />

– Politik und Sozialismus, in: Rheinische Jahrbücher zur gesellschaftlichen<br />

Reform, hrsg. v. Hermann Püttmann, 1. Band, Darmstadt 1845<br />

Gutachten <strong>der</strong> Ev.-theolog. <strong>Fakultät</strong>en <strong>der</strong> Kgl. Preuß. Universitäten über<br />

den Lic. Bruno Bauer in Beziehung auf dessen Kritik <strong>der</strong> ev. Geschichte<br />

<strong>der</strong> Synoptiker. Im Auftrage des vorgesetzten hohen Ministeriums hrsg. v.<br />

<strong>der</strong> ev.-theolog. <strong>Fakultät</strong> <strong>der</strong> Rhein.-Friedrich-Wilhelms-Universität, Berlin<br />

1842<br />

Hallische Jahrbücher <strong>für</strong> deutsche Wissenschaft und Kunst, hrsg. v. Arnold<br />

Ruge und Theodor Echtermeyer, 3 Bde., Leipzig 1838-41<br />

Haym, Rudolf: Hegel und seine Zeit, Berlin 1857<br />

Hegel, Friedrich Georg Wilhelm<br />

– Sämtliche Werke (Jubiläums-Ausgabe), 20 Bde., hrsg. v. Hermann<br />

Glockner, Stuttgart 1927-1940


341<br />

– Briefe von und an Hegel, hrsg. v. J. Hoffmeister und R. Flechzig, Bd.<br />

1-4, Hamburg 1952 bis 1960<br />

– Ästhetik, hrsg. v. Friedrich Bassenge, 2 Bde., Berlin 1955<br />

– Berliner Schriften 1818-1831, hrsg. v. Johannes Hoffmeister, Hamburg<br />

1956<br />

– Hegels theologische Jugendschriften. Hrsg. v. H. Nohl, Tübingen 1907<br />

– Schriften zur Politik und Rechtsphilosophie. Hrsg. v. G. Lasson, 2.<br />

Aufl., Leipzig 1923<br />

– Politische Schriften. Nachwort von J. Habermas, Frankfurt a. M. 1966<br />

– Jenenser Logik, Metaphysik und Naturphilosophie Hegels. Hrsg. v. G.<br />

Lasson, Leipzig 1923<br />

– Dokumente zu Hegels Entwicklung. Hrsg. v. J. Hoffmeister, Stuttgart<br />

1936<br />

– Phänomenologie des Geistes. Hrsg. v. J. Hoffmeister, Hamburg 1952<br />

– Enzyklopädie <strong>der</strong> philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Neu<br />

hrsg. v. F. Nicolin und 0. Pöggeler, Hamburg 1958<br />

– Die Vernunft in <strong>der</strong> Geschichte. Hrsg. v. J. Hoffmeister, Hamburg 1955<br />

– Wissenschaft <strong>der</strong>. Logik. Hrsg. v. G. Lasson. Erster und zweiter Teil,<br />

Hamburg 1963<br />

Heine, Heinrich: Werke und Briefe in zehn Bänden. Hrsg. v. H. Kaufmann,<br />

Berlin 1961-1964<br />

Hengstenberg, Ernst Wilhelm: Wi<strong>der</strong> die Hallischen Jahrbücher, in: Evangelische<br />

Kirchenzeitung, 1838, Nr. 69<br />

Her<strong>der</strong>, Johann Gottfried: Sämtliche Werke, hrsg. v. B. Suphan, Bde.<br />

1-33a, Berlin 1877-1913<br />

Herwegh, Georg: Gedichte eines Lebendigen, Zürich und Winterthur 1841


Heß, Moses<br />

342<br />

– Philosophische und sozialistische Schriften 1837-1850. Eine Auswahl.<br />

Hrsg. v. A. Cornu und W. Mönke, Berlin 1961<br />

– Rom und Jerusalem. Die letzte Nationalitätenfrage (1862), Wien und Jerusalem<br />

1935. Briefwechsel, hrsg. v. Edmund Silberner, ’s Gravenhage<br />

1959<br />

– La correspondance Moses Heß - Louis Krolikowski 1850-1853, hrsg. v.<br />

Edmund Silberner, in: Annali, III (1960)<br />

Holbach, Paul Heinrich Dietrich: System <strong>der</strong> Natur o<strong>der</strong> Von den Gesetzen<br />

<strong>der</strong> physischen und <strong>der</strong> moralischen Welt, Berlin 1960<br />

Jahrbücher <strong>für</strong> wissenschaftliche Kritik. Hrsg. v. <strong>der</strong> Sozietät <strong>für</strong> wissenschaftliche<br />

Kritik zu Berlin, Jahrgang 1834-1842<br />

Julius, Gustav<br />

– Der Streit <strong>der</strong> sichtbaren mit <strong>der</strong> unsichtbaren Menschenkirche o<strong>der</strong><br />

Kritik <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> kritischen Kritik, in: Wigands Vierteljahresschrift,<br />

1845, 2. Band<br />

– Bruno Bauer und die Entwicklung des theologischen Humanismus unserer<br />

Tage. Eine Kritik und Charakteristik. „Wigands Vierteljahresschrift“,<br />

Leipzig 1845, Bd. III S. 52-85<br />

Kant, Immanuel: Gesammelte Schriften, hrsg. v. d. Königlischen Preußischen<br />

Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften, Berlin 1902 ff.<br />

Kant, Gentz, Rehberg: Über Theorie und Praxis, Frankfurt a. M. 1967<br />

Köppen, Karl Friedrich<br />

– Friedrich <strong>der</strong> Große und seine Wi<strong>der</strong>sacher, Leipzig 1840<br />

– Fichte und die Revolution, in: Anekdota zur neuesten deutschen <strong>Philosophie</strong><br />

und Publizistik, Bd. 1<br />

– Über Schubarths Unvereinbarkeit <strong>der</strong> Hegelschen Lehre mit dem preußischen<br />

Staat. Telegraph <strong>für</strong> Deutschland, 1839, S. 441-444, 457 bis<br />

463<br />

– Die Berliner Historiker. „Hallische Jahrbücher“, 1841, S. 421-439


343<br />

– Geschichte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts und des 19. bis zum Sturz des französischen<br />

Kaisertums, v. Schlosser. Deutsche Jahrbücher, 4. Januar<br />

1842<br />

Leo, Heinrich<br />

– Die Hegelingen. 2. Auflage, Halle 1839<br />

– Sendschreiben an Görres, Halle 1838<br />

– Die Hallischen Jahrbücher <strong>für</strong> deutsche Wissenschaft und Kunst, in:<br />

Berliner politisches Wochenblatt, Juli 1838<br />

Lessing, Gotthold Ephraim: Die Erziehung des Menschengeschlechts,<br />

Sämtliche Schriften, Bd. 13, Leipzig 1897<br />

Karl Marx, Friedrich Engels<br />

Historisch-kritische Gesamtausgabe. Werke/Schriften/Briefe (MEGA). Erste<br />

Abteilung<br />

– Bd. I. Karl Marx: Werke und Schriften bis Anfang 1844. Erster Halbband,<br />

Frankfurt a. M., Marx-Engels-Archiv 1927. Zweiter Halbband,<br />

Berlin 1929<br />

– Bd. II. Friedrich Engels: Werke und Schriften bis Anfang 1844, Berlin<br />

1930<br />

– Bd. III. Die heilige Familie und Schriften von Marx von Anfang 1844 bis<br />

Anfang 1845, Berlin 1932<br />

– Bd. IV. Friedrich Engels: Die Lage <strong>der</strong> arbeitenden Klasse in England<br />

und an<strong>der</strong>e Schriften von August 1844 bis Juni 1846, Berlin 1932<br />

– Bd. V. Karl Marx, Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie, Berlin 1932.<br />

Werke, Berlin 1964/68<br />

Mehring, Franz: Aus dem literarischen Nachlass von Karl Marx, Friedrich<br />

Engels und Ferdinand Lassalle, 4. Aufl., Berlin 1923. Bd. I, von März 1841<br />

bis März 1844<br />

Meyen, Eduard: Heinrich Leo. Der verhallerte Pietist, Leipzig 1839


Michelet, Carl Ludwig<br />

344<br />

– Geschichte <strong>der</strong> letzten Systeme <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> in Deutschland von Kant<br />

bis Hegel, 2 Bde., Berlin 1837-38<br />

– Entwicklungsgeschichte <strong>der</strong> neuesten deutschen <strong>Philosophie</strong> mit beson<strong>der</strong>er<br />

Rücksicht auf den gegenwärtigen Kampf Schellings mit <strong>der</strong> Hegelschen<br />

Schule, Berlin 1843<br />

Neue Anekdota, hrsg. v. Karl Grün, Darmstadt 1845<br />

Nietzsche, Friedrich: David Friedrich Strauß, <strong>der</strong> Bekenner und Schriftsteller.<br />

Unzeitgemäße Betrachtungen. Erstes Stück. Gesammelte Werke,<br />

Bd. 6, München 1922<br />

Rheinische Zeitung <strong>für</strong> Politik, Handel und Gewerbe. Köln (vom 1. Januar<br />

1842 bis Ende März 1843)<br />

Rosenkranz, Karl<br />

– Georg Wilhelm Friedrich Hegels Leben, Berlin 1844<br />

– Hegel, Der <strong>Fakultät</strong>sphilosoph, und L. Feuerbach, Der Menschheitsphilosoph,<br />

in: Königsberger Literaturblatt, 1841, Nr. 24 (Rosenkranz: Studien,<br />

V, Leipzig 1848)<br />

Ruge, Arnold<br />

– Sämtliche Werke, 10 Bde., 2. Aufl., Mannheim 1847-48<br />

– Der Patriotismus. Hrsg. v. Peter Wende, Frankfurt a. M. 1968<br />

– Politische Bil<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Zeit. 2 Bde., Mannheim 1847/48<br />

– Akademie, Philosophisches Tagebuch, Leipzig 1848<br />

– Polemische Briefe, Mannheim 1847. Unser System. Bd. I-III, Leipzig<br />

1850<br />

– Die Loge des Humanismus, Leipzig 1851<br />

– Manifest „An die deutsche Nation“, Hamburg 1866<br />

– Geschichte unserer Zeit, Leipzig 1881


345<br />

– Briefwechsel und Tagebuchblätter aus den Jahren 1825-1880, 2 Bde.,<br />

hrsg. v. Paul Nerrlich Berlin 1886.<br />

– Aus früherer Zeit, 4 Bde., Berlin 1863-67. Erinnerungen an Michail<br />

Bakunin. Neue Freie Presse, Wien, 28. und 29. September 1876<br />

– Zwei Jahre in Paris, Studien und Erinnerungen, zweiter Teil<br />

– Unsere letzten zehn Jahre, Leipzig 1846<br />

Schaller, Julius: Die <strong>Philosophie</strong> unserer Zeit, in: Hallische Jahrbücher,<br />

1838<br />

Schmidt, Karl: Das Verstandestum und das Individuum. „Wigands Vierteljahresschrift“,<br />

Leipzig 1845<br />

Schmidt, Franz: Die deutsche <strong>Philosophie</strong> in ihrer Entwicklung zum Sozialismus.<br />

Streit zwischen Feuerbach und B. Bauer. „Deutsches Bürgerbuch“,<br />

hrsg. v. H. Püttmann, Darmstadt 1846<br />

Stein, Lorenz von<br />

– Der Sozialismus und Kommunismus des heutigen Frankreichs, Leipzig<br />

1842<br />

– Blicke auf den Sozialismus und Kommunismus in Deutschland und<br />

ihre Zukunft, in: Deutsche Vierteljahresschrift, Stuttgart und Tübingen<br />

1844, 2. H.<br />

Stirner, Max (Johann Caspar Schmidt)<br />

– Der Einzige und sein Eigentum (1844), Leipzig 1892<br />

– Rezension <strong>der</strong> „Posaune“ im „Telegraph <strong>für</strong> Deutschland“, Januar 1842<br />

– Geschichte <strong>der</strong> Reaktion, 2 Bde., Berlin 1852<br />

– Max Stirners kleinere Schriften und seine Entgegnung auf die Kritik<br />

seines Werkes: „Der Einzige und sein Eigentum“. Aus den Jahren 1842<br />

bis 1847. Hrsg. v. J. H. Mackay, Berlin 1898<br />

– Die Nationalökonomen <strong>der</strong> Franzosen und Englän<strong>der</strong>, Leipzig 1845/47


346<br />

– Gegenwort eines Mitglieds <strong>der</strong> Berliner Gemeinde wi<strong>der</strong> die Schrift <strong>der</strong><br />

siebenundfünfzig Berliner Geistlichen. Die christliche Sonntagsfeier.<br />

Ein Wort <strong>der</strong> Liebe an unsere Gemeinden, Leipzig 1842<br />

– Der Einzige und sein Eigentum und an<strong>der</strong>e Schriften, hrsg. v. Hans G.<br />

Helms, München 1968<br />

Strauß, David Friedrich<br />

– Das Leben Jesu. Kritisch bearbeitet. 2 Bde., Tübingen 1835/36<br />

– Streitschriften zur Verteidigung meiner Schrift über das Leben Jesu<br />

und zur Charakteristik <strong>der</strong> gegenwärtigen Theologie, Tübingen 1837/38<br />

– Zwei friedliche Blätter, Altona 1839<br />

– Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und<br />

im Kampfe mit <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Wissenschaft, 2 Bde., Tübingen/Stuttgart<br />

1840/41<br />

– Gesammelte Schriften, hrsg. v. E. Zeller, 12 Bde., Bonn 1876-1881<br />

– Ausgewählte Briefe, hrsg. v. E. Zeller, Bonn 1895<br />

Szeliga (Franz Zychlin v. Zychlinski)<br />

– Der Einzige und sein Eigentum, in: Norddeutsche Blätter <strong>für</strong> Kritik, Literatur<br />

und Unterhaltung, März 1845<br />

– Die Kritik, in: Allgemeine Literaturzeitung, Bd. II, H. 11/12, Oktober<br />

1844<br />

Wigands Vierteljahresschrift, Leipzig 1844-1845<br />

Zeitschrift <strong>für</strong> spekulative Theologie. In Gemeinschaft mit einem Verein<br />

von Gelehrten, hrsg. v. Bruno Bauer, Bd. 1-3, Berlin 1836-1838<br />

Zeller, Eduard: Die <strong>Philosophie</strong> und die Praxis, in: Jahrbücher <strong>der</strong> Gegenwart,<br />

hrsg. v. A. Schwegler, Jahrg. I, Stuttgart 1843, Nr. 81-84


B. Sekundärliteratur<br />

347<br />

Adams, Henry Packwood: Karl Marx in his earlier writings, London 1940<br />

Adler, Max: Wegweiser. Studien zur Geistesgeschichte des Sozialismus,<br />

Stuttgart 1914<br />

Adorno, Theodor W.<br />

– Aspekte <strong>der</strong> Hegelschen <strong>Philosophie</strong>, Frankfurt a. M. 1957<br />

– Drei Studien zu Hegel, Frankfurt 1963<br />

– Negative Dialektik, Frankfurt a. M. 1966<br />

Arendt, Hannah: Vita activa o<strong>der</strong> vom tätigen Leben, Stuttgart 1960<br />

Arvon, Henri : La pensée de Max Stirner, Paris 1951<br />

Backhaus, Gunther: Kerygma und Mythos bei David Fr. Strauß, Theologische<br />

Forschung, 12, Hamburg-Bergstedt 1956<br />

Baran, Paul Alexan<strong>der</strong>: Marxismus und Psychoanalyse, in: Unterdrückung<br />

und Fortschritt, Frankfurt a. M. 1966<br />

Barion, Jakob<br />

– Die philosophischen Grundlagen des Marxismus im System Hegels, in:<br />

Historischer Materialismus und europäisches Geschichtsdenken, Düsseldorf<br />

1954<br />

– Hegel und die marxistische Staatslehre, Bonn 1963<br />

Barnikol, Ernst<br />

– Bruno Bauers Kampf gegen Religion und Christentum und die Spaltung<br />

<strong>der</strong> vormärzlichen preußischen Opposition, in: Zeitschrift <strong>für</strong> Kirchengeschichte,<br />

XLVI, N. F. IX, Gotha 1928<br />

– Das Leben Jesu <strong>der</strong> Heilsgeschichte, Halle (Saale) 1958<br />

– Art. Bruno Bauer, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart,<br />

Handwörterbuch <strong>für</strong> Theologie und Religionswissenschaft, Bd. 1, 3.<br />

Aufl., Tübingen 1957


Barth, Karl<br />

348<br />

– Die protestantische Theologie im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t, 2. Aufl., Zürich 1952<br />

– Kirchliche Dogmatik, Zürich 1935 ff.<br />

– David Friedrich Strauß als Theologe, in: Theolog. Studien, Heft 6, Zollikon<br />

1939<br />

Basch, Victor : L’ individualisme anarchiste, Paris 1904<br />

Beyer, Wilhelm Raimund:<br />

– Zwischen Phänomenologie und Logik, Frankfurt a. M. 1955<br />

– Hegels Begriff <strong>der</strong> Praxis, in: Zeitschrift <strong>für</strong> deutsche <strong>Philosophie</strong>, 6.<br />

Jahrgang (1958), Heft 5<br />

Bekker, Konrad: Marx’ philosophische Entwicklung, sein Verhältnis zu<br />

Hegel, Zürich und New York 1940<br />

Benz, Ernst: Hegels Religionsphilosophie und die Linkshegelianer, in:<br />

Zeitschr. f. Religions- u. Geistesgesch., VII (1955)<br />

Bergh van Eysinga, Gustav Adolf van den:<br />

– Godsdienst-Wetenschappelijke Studien, II, VII, VIII, IX, XII, XIV, XVII,<br />

Haarlem 1947, 1950-53, 1955; darin Bruno Bauers Afscheid van de<br />

Theologie (II); Hoe Bruno Bauer van Rechts-Hegeliaan tot Radicaal is<br />

geworden (XVII); Bettina von Arnim en Bruno Bauer (IX); De jonge Hegel<br />

en de „Junghegelianer“ (VII); Het Jodenvraagstuk (XII); Heeft Marx meegewerkt<br />

aan de Posaune en aan het vervolg daarop (XIV); De Vrijen bij<br />

Nippel (VIII)<br />

Bigo, Pierre : Marxisme et humanisme, Paris 1953.<br />

Blaschke, Friedrich: Das Verhältnis Arnold Ruges zu Hegel, Leipzig 1919<br />

Bloch, Ernst<br />

– Subjekt-Objekt. Erläuterungen zu Hegel, Berlin 1952<br />

– Keim und Grundlinie. Zu den elf Thesen von Marx über Feuerbach, in:<br />

Deutsche Zeitschrift <strong>für</strong> <strong>Philosophie</strong>, 1. Jahrg., Berlin 1953


349<br />

Blumenberg, Hans: Nachahmung <strong>der</strong> Natur. Zur Vorgeschichte <strong>der</strong> Idee<br />

des schöpferischen Menschen, in: Studium Generale 1957, Heft 2<br />

Bockmühl, Klaus Erich: Leiblichkeit und Gesellschaft. Studien zur Religionskritik<br />

und Anthropologie im Frühwerk von Ludwig Feuerbach und Karl<br />

Marx, Göttingen 1961<br />

Bolin, Wilhelm: L. Feuerbach. Sein Wirken und seine Zeitgenossen, Stuttgart<br />

1891<br />

Bornkamm, Günther: Jesus von Nazareth, Stuttgart 1963<br />

Brenner, Dietrich: Theorie und Praxis. Systemtheoretische Betrachtungen<br />

zu Hegel und Marx, Wien und München 1966<br />

Breuer, Karl Heinz: Der junge Marx. Sein Weg zum Kommunismus, Köln<br />

1954<br />

Bultmann, Rudolf<br />

– Geschichte und Eschatologie, Tübingen 1958.<br />

– Der Begriff <strong>der</strong> Offenbarung im Neuen Testament, Tübingen 1929<br />

– Geschichte <strong>der</strong> synoptischen Tradition, Göttingen 1931<br />

Calvez, Jean-Yves : La pensée de Karl Marx, Paris 1956<br />

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– Moses Heß et la Gauche Hégélienne, Paris 1934<br />

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350<br />

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Croce, Benedetto: Cio che e vivo e cio che e morto nella filosofia di Hegel,<br />

Bari 1907<br />

Dempf, Alois: Sacrum Imperium. Geschichts- und Staatsphilosophie des<br />

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1954<br />

Dicke, Gerd: Identitätsgedanke bei Feuerbach und Marx, Köln/Opladen<br />

1960<br />

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– Gesammelte Aufsätze, Über David Friedrich Strauß, Heidelberg 1903<br />

– Mo<strong>der</strong>ne Sophisten, in: Die Epigonen, Bd. V, 1848<br />

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Berlin 1920<br />

Freyer, Hans: Herrschaft und Planung, Hamburg 1933<br />

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351<br />

Gehlen, Arnold: Der Mensch, Frankfurt 1962<br />

Glockner, Hermann: Hegel. 2 Bde., Stuttgart 1929/40<br />

Goitein, Irma: Probleme <strong>der</strong> Gesellschaft und des Staates bei Moses Heß,<br />

Leipzig 1931<br />

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de L’ Etranger) 48 me année, 95, Paris 1923<br />

Grün, Karl Ludwig: Feuerbach in seinem Briefwechsel und Nachlass sowie<br />

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Guérin, Daniel: Anarchismus, Frankfurt a. M. 1967<br />

Habermas, Jürgen<br />

– Theorie und Praxis, Neuwied am Rhein und Berlin 1963<br />

– Erkenntnis und Interesse, Frankfurt a. M. 1965<br />

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1911<br />

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Hartmann, Nicolai<br />

– Die <strong>Philosophie</strong> des deutschen Idealismus, II. Teil: Hegel, Berlin und<br />

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– Möglichkeit und Wirklichkeit, Meisenheim am Glan 1949<br />

Haym, Rudolf: Hegel und seine Zeit, Berlin 1857<br />

Hecker, Konrad: Mensch und Masse. Situation und Handeln <strong>der</strong> Epigonen,<br />

gezeigt an Immermann und den Jungdeutschen, Berlin 1933<br />

Heidegger, Martin<br />

– Sein und Zeit, 8. Auflage, Tübingen 1957<br />

– Holzwege, Frankfurt a. M. 1950


352<br />

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Helan<strong>der</strong>, Sven: Marx und Hegel, Jena 1922<br />

Helfinger, Jakob: Bruno Sauer und Rußland, Heidelberg 1954<br />

Heller, Hermann: Hegel und <strong>der</strong> nationale Machtstaatgedanke in Deutschland,<br />

Berlin 1921<br />

Henne, Hermann: Die religionsphilosophische Methode Feuerbachs, Borna/Leipzig<br />

1918<br />

Hennis, Wilhelm: Politik und praktische <strong>Philosophie</strong>, Neuwied 1963<br />

Hertz-Eichenrode, Dieter<br />

– Der Junghegelianer Bruno Bauer im Vormärz, Berlin 1959<br />

– „Massenpsychologie“ bei den Junghegelianern, in: International Review<br />

of Social History, VII, 1962<br />

Herzberg, Guntolf: Die Bedeutung <strong>der</strong> Kritik von Marx und Engels an Max<br />

Stirner, in: Deutsche Leitschrift <strong>für</strong> <strong>Philosophie</strong>, 16. Jahrg., 1968<br />

Hillmann, Günther: Marx und Hegel, Frankfurt a. M. 1966<br />

Hirsch, Rudolf: Karl Marx und Max Stirner, München 1956<br />

Hommes, Jakob: Der technische Eros. Das Wesen <strong>der</strong> materialistischen<br />

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Hommes, Ulrich: Hegel und Feuerbach, Freiburg 1957<br />

Hook, Sidney: From Hegel to Marx. Studies in the Intellektual Development<br />

of Karl Marx (London 1936), Neudruck: New York 1953<br />

Horkheimer, Max<br />

– Anfänge <strong>der</strong> bürgerlichen Geschichtsphilosophie, Stuttgart 1930<br />

– <strong>Philosophie</strong> und kritische Theorie, in: Zeitschrift <strong>für</strong> Sozialforschung,<br />

Jahrg. VI, Paris 1937<br />

– Traditionelle und kritische Theorie, in: Zeitschrift <strong>für</strong> Sozialforschung,<br />

Jahrg. VI, Paris 1937


353<br />

Horkheimer, Max und Adorno, Theodor W.: Dialektik <strong>der</strong> Aufklärung, Amsterdam<br />

1947<br />

Hyppolite, Jean<br />

– Études sur Marx et Hegel, Paris 1955<br />

– Genèse et structure de la phénoménologie de l’ esprit de Hegel, Paris<br />

1956<br />

Jodl, Friedrich Ludwig: Feuerbach, Stuttgart 1904<br />

Kegel, Martin: Bruno Bauer und seine Theorien über die Entstehung des<br />

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Kohut, Adolf Ludwig: Feuerbach. Sein Leben und seine Werke, Leipzig<br />

1909<br />

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Korsch, Karl: Marxismus und <strong>Philosophie</strong>, in: Arch. <strong>für</strong> die Geschichte des<br />

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Koselleck, Reinhart: Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese <strong>der</strong><br />

bürgerlichen Welt, Freiburg und München 1959<br />

Kosík, Karel: Die Dialektik des Konkreten, Frankfurt a. M. 1967<br />

Kroner, Richard: Von Kant zu Hegel, 2 Bde., Tübingen 1921/24


Kuhn, Helmut<br />

354<br />

– Das Sein und das Gute, München 1962<br />

– Wissenschaft <strong>der</strong> Praxis und praktische Wissenschaft, in: Festschrift<br />

<strong>für</strong> Freiherr von Gebsattel, Stuttgart 1963<br />

– Der Staat, München 1967<br />

Kühne, Walter<br />

– Die Polen und die <strong>Philosophie</strong> Hegels, in: Hegel bei den Slaven, hrsg. v.<br />

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– Graf August Cieszkowski, ein Schüler Hegels und des deutschen Geistes,<br />

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Lademacher, Horst: Die politische und soziale Theorie bei Moses Heß, in:<br />

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Landgrebe, Ludwig<br />

– Hegel und Marx, in: Marxismusstudien, Erste Folge, Tübingen 1954<br />

– Das Problem <strong>der</strong> Didaktik, in: Marxismusstudien, Dritte Folge, hrsg. v.<br />

Iring Fetscher, Tübingen 1960.<br />

Landshut, Siegfried: Einleitung zu: Karl Marx, Die Frühschriften, hrsg. v.<br />

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Lange, Max Gustav<br />

– Der Junghegelismus und die Anfänge des Marxismus, Jena 1946<br />

– Arnold Ruge und die Entwicklung des Parteilebens im Vormärz, in:<br />

Einheit, 3. Jg., 1948<br />

– Ludwig Feuerbach und <strong>der</strong> junge Marx. Einleitung zu Ludwig Feuerbach,<br />

Kleine philosophische Schriften (1842-45), hrsg. v. M. G. Lange,<br />

Leipzig 1950


Lauth, Reinhard<br />

355<br />

– Einflüsse slavischer Denker auf die Genesis <strong>der</strong> Marxschen Weltanschauung,<br />

in: Orientalia Christiana Periodica, XXI, Rom 1955<br />

– Die „verwirtschaftete“ Humanität. Grundvoraussetzungen <strong>der</strong> philosophischen<br />

Weltanschauung von Karl Marx, in: Neue Deutsche Hefte,<br />

Beiträge zur europäischen Gegenwart, Jg. 2, 1955/56<br />

Lehmann, Gerhard: Über Einzigkeit und Individualität, Leipzig 1926<br />

Lenin, Wladimir Iljitsch<br />

– Der „linke Radikalismus“, die Kin<strong>der</strong>krankheit im Kommunismus, in:<br />

Werke, Bd. 31, Berlin 1959<br />

– Philosophische Hefte, Werke, Bd. 38, Berlin 1964<br />

Lévy, Albert : La philosophie de Feuerbach et son influence sur la littérature<br />

allemande, Paris 1904<br />

Lewalter, Ernst: Zur Systematik <strong>der</strong> Marxschen Staats- u. Gesellschaftslehre,<br />

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In: Kölner Zeitschrift <strong>für</strong> Soziologie und Sozialpsychologie, 10. Jahrg., Nr.<br />

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Litt, Theodor: Ludwig Feuerbach und Karl Marx, in: Handbuch <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>,<br />

Abt. III, München 1931<br />

Löwenstein, Julius: Hegels Staatsidee. Ihr Doppelgesicht und ihr Einfluss<br />

im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t, Berlin 1927<br />

Löwith, Karl<br />

– Weltgeschichte und Heilsgeschehen, Stuttgart 1953<br />

– Gesammelte Abhandlungen. Zur Kritik <strong>der</strong> geschichtlichen Existenz,<br />

Stuttgart 1960<br />

– Die Hegelache Linke, Stuttgart-Bad Cannstadt 1962


356<br />

– Das Individuum in <strong>der</strong> Rolle des Mitmenschen, München 1928<br />

Lübbe, Hermann: Die politische Theorie <strong>der</strong> Hegelschen Rechten, in: Archiv<br />

<strong>für</strong> <strong>Philosophie</strong>, Bd. 10 (1960)<br />

Lukács, Georg<br />

– Geschichte und Klassenbewusstsein, Berlin 1923<br />

– Moses Heß und die Probleme <strong>der</strong> idealistischen Dialektik, in: Arch. <strong>für</strong><br />

die Geschichte des Sozialismus und <strong>der</strong> Arbeiterbewegung, 12. Jg.,<br />

Leipzig 1926<br />

– Der junge Hegel, Zürich-Wien 1948<br />

– Zur philosophischen Entwicklung des jungen Marx (1840/44), in:<br />

Deutsche Zeitschrift <strong>für</strong> <strong>Philosophie</strong>, 2. Jahrg., Berlin 1954<br />

– Die Zerstörung <strong>der</strong> Vernunft, Berlin 1955<br />

Lucchesi, Matteo Joh. Paul: Die Individualitätsphilosophie Max Stirners,<br />

Leipzig 1897<br />

Mackay, John Henry: Max Stirner. Sein Leben und sein Werk, Berlin 1898<br />

Maier, Heinrich: An <strong>der</strong> Grenze <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong>, Tübingen 1909<br />

Marck, Siegfried: Hegelianismus und Marxismus, Berlin 1922<br />

Marcuse, Herbert<br />

– <strong>Philosophie</strong> und kritische Theorie, in: Zeitschrift <strong>für</strong> Sozialforschung,<br />

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– Reason and Revolution. Hegel and the Rise of Social Theory, 2nd Edition,<br />

London 1954<br />

– Triebstruktur und Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1965<br />

– Über den affirmativen Charakter <strong>der</strong> Kultur, in: Kultur und Gesellschaft<br />

I, Frankfurt 1965<br />

Marcuse, Ludwig: Heinrich Heine, Hamburg 1951<br />

Marković, Mihailo: Dialektik <strong>der</strong> Praxis, Frankfurt a. M. 1968.


357<br />

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Mautz, Kurt: Adolf Die <strong>Philosophie</strong> Max Stirners im Gegensatz zu Hegels<br />

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Mayer, Gustav<br />

– Die Anfänge des politischen Radikalismus im vormärzlichen Preußen,<br />

in: Zeitschrift <strong>für</strong> Politik, 6. Band, 1913.<br />

– Karl Marx und <strong>der</strong> zweite Teil <strong>der</strong> „Posaune“, in: Arch. <strong>für</strong> die Geschichte<br />

des Sozialismus und <strong>der</strong> Arbeiterbewegung, 7. Jg., 1916<br />

– Die Junghegelianer und <strong>der</strong> preußische Staat, in: Historische Zeitschrift,<br />

Bd. 121, 1920<br />

Mehring, Franz: Karl Marx, Geschichte seines Lebens, 3. Aufl., Leipzig<br />

1920<br />

Meinecke, Friedrich: Die Idee <strong>der</strong> Staatsraison in <strong>der</strong> neueren Geschichte,<br />

München 1924<br />

Meinhold, Peter: Heinrich Heine als Kritiker seiner Zeit, in: Zeitschrift <strong>für</strong><br />

Religions- und Geistesgeschichte, VIII. Jahrg., 1956<br />

Mende, Georg: Karl Marx’ Entwicklung vom revolutionären Demokraten<br />

zum Kommunisten. 2. Aufl., Berlin 1955<br />

Messer, Max: Max Stirner, Berlin 1907<br />

Metzke, Erwin<br />

– Hegels Vorreden. Mit Kommentar zur Einführung in seine <strong>Philosophie</strong>,<br />

Heidelberg 1949<br />

– Mensch und Geschichte im ursprünglichen Ansatz des Marxschen<br />

Denkens, in: Marxismusstudien, Zweite Folge, hrsg. v. Iring Fetscher,<br />

Tübingen 1957<br />

Meyer, Alfred George: Marxism. The Unity of Theory and Practice, Cambridge<br />

(Ma.) 1954


358<br />

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den Schriften von Wilhelm Weitling und Moses Heß, Stuttgart und Berlin<br />

1931<br />

Moog, Willy: Hegel und die Hegelsche Schule, München 1930<br />

Neher, Walter: Arnold Ruge als Politiker und politischer Schriftsteller (Heidelberger<br />

Abhandlungen zur mittl. und neueren Geschichte, Heft 64), Heidelberg<br />

1933<br />

Nettlau, Max: Der Vorfrühling <strong>der</strong> Anarchie. Ihre historische Entwicklung<br />

von den Anfängen bis zum Jahre 1864, Berlin 1925<br />

Nietzsche, Friedrich: Unzeitgemäße Betrachtungen. Erstes Stück. David<br />

Strauß, <strong>der</strong> Bekenner und Schriftsteller. Gesammelte Werke, Bd. 6, München<br />

1922<br />

Nitzschke, Heinz: Die Geschichtsphilosophie Lorenz v. Steins (Beiheft 26<br />

<strong>der</strong> histor. Leitschrift), München und Berlin 1932.<br />

Nolte, Ernst: Selbstentfremdung und Dialektik im Deutschen Idealismus<br />

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Oiserman, Theodor Iljitsch<br />

– Die Entfremdung als historische Kategorie, Berlin 1965<br />

– Die Entstehung <strong>der</strong> marxistischen <strong>Philosophie</strong>, Berlin 1965<br />

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Petras, Otto: Post Christum. Streifzüge durch die geistige Wirklichkeit,<br />

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Piechocki, Werner: Die kommunalpolitische Wirksamkeit A. Ruges in Halle<br />

während <strong>der</strong> Jahre 1831-1841. Festschrift <strong>der</strong> M. Luther Universität Halle-Wittenberg,<br />

Halle 1967


359<br />

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Plenge, Johann: Marx und Hegel, Tübingen 1911<br />

Plessner, Helmuth: Die verspätete Nation. Über die politische Verführbarkeit<br />

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Popitz, Heinrich: Der entfremdete Mensch. Zeitkritik und Geschichtsphilosophie<br />

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Pöggeler, Otto: Hegels Kritik <strong>der</strong> Romantik, Bonn 1956<br />

Praxis, Philosophische Zeitschrift, Zagreb 1965 ff.<br />

Ramm, Thilo: Die großen Sozialisten als Rechts- u. Sozialphilosophen, 1.<br />

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Rau, Albrecht: Ludwig Feuerbach und Max Stirner. „Magazin <strong>für</strong> die Literatur<br />

des In- und Auslandes“. Nr. 41, Jg. 1888<br />

Rawidowicz, Simon: Ludwig Feuerbachs <strong>Philosophie</strong>, Berlin 1931<br />

Reding, Marcel: Der politische Atheismus, 2. Aufl., Graz, Wien und Köln<br />

1958<br />

Riedel, Manfred: Theorie und Praxis im Denken Hegels, Stuttgart 1965<br />

Ritter, Joachim<br />

– Die Lehre vom Ursprung und Sinn <strong>der</strong> Theorie bei Aristoteles, in: Arbeitsgemeinschaft<br />

<strong>für</strong> Forschung des Landes NordrheinWestfalen, 1953<br />

– Das bürgerliche Leben. Zur aristotelischen Theorie des Glücks, in: Ehrengabe<br />

an Alfred Petzelt, Vierteljahresschrift <strong>für</strong> wissenschaftliche Pädagogik,<br />

32. Jg., Bochum 1956<br />

– Hegel und die französische Revolution, Köln und Opladen 1957<br />

– Art. Hegel, I u. II, in: Staatslexikon, hrsg. v. d. Görres-Gesellschaft, 6.<br />

Aufl., Bd. 4, Freiburg 1959


360<br />

– Zur Grundlegung <strong>der</strong> praktischen <strong>Philosophie</strong> bei Aristoteles, in: Archiv<br />

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Rosenberg, David Jocheleviċ: Die Entwicklung <strong>der</strong> ökonomischen Lehre<br />

von Marx und Engels in den vierziger Jahren des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts, Berlin<br />

1958<br />

Rosenberg, Hans: Arnold Ruge und die Hallischen Jahrbücher, in: Archiv<br />

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Rosenzweig, Franz: Hegel und <strong>der</strong> Staat, 2 Bde., München/Berlin 1920<br />

Rotenstreich, Nathan: Marx’ Thesen über Feuerbach, in: Archiv <strong>für</strong><br />

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Ruest, Anselm: Max Stirner, Berlin und Leipzig 1906<br />

Runze, Georg<br />

– Bruno Bauer, <strong>der</strong> Meister <strong>der</strong> theologischen Kritik, Neu-Finkenburg bei<br />

Berlin 1931<br />

– Bruno Bauer redivivus. Ausschnitte aus den Schriften des „Meisters <strong>der</strong><br />

theologischen Kritik“ (1840-1880), ausgewählt von Georg Runze, Berlin<br />

1934<br />

Rutkewitsch, M. N.: Die Praxis als Grundlage <strong>der</strong> Erkenntnis und als Kriterium<br />

<strong>der</strong> Wahrheit, Berlin 1957<br />

Scheler, Max: Erkenntnis und Arbeit, in: Die Wissensformen und die Gesellschaft,<br />

Gesammelte Werke, Bd. 8, Bern und München 1962<br />

Schellwein, Robert: Max Stirner und Friedrich Nietzsche, Leipzig 1892<br />

Schilling, Werner: Feuerbach und die Religion, München 1957<br />

Schlawe, Fritz: Die junghegelische Publizistik, in: Die Welt als Geschichte,<br />

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Schnabel, Franz: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>t, 4<br />

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Schultheiß, Hermann: Stirner, Leipzig 1922<br />

Schweitzer, Albert: Geschichte <strong>der</strong> Leben-Jesu-Forschung, Tübingen 1913


361<br />

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1951<br />

Staatslexikon, hrsg. von <strong>der</strong> Görres-Gesellschaft, Artikel „Hegel“, Bd. 4,<br />

Freiburg 1959, S. 24 ff.<br />

Steussloff, Hans<br />

– Die Junghegelianer. Ausgewählte Texte, Berlin 1963<br />

– Die Religionskritik von D. F. Strauß, in: Deutsche Leitschrift <strong>für</strong> <strong>Philosophie</strong>,<br />

Heft 6, 1962<br />

– Bruno Bauer als Junghegelianer und Kritiker <strong>der</strong> christlichen Religion,<br />

in: Deutsche Zeitschrift <strong>für</strong> <strong>Philosophie</strong>, H. 9 (1963)<br />

Strauß, Herbert: Zur sozial- u. ideengeschichtlichen Einordnung Arnold<br />

Ruges, in: Schweizer Beiträge zur Allgemeinen Geschichte, Bd. 12, 1954<br />

Stuke, Horst: <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Tat, Stuttgart 1963<br />

Taubes, Jakob: Abendländische Eschatologie, Bern 1947<br />

Thier, Erich<br />

– Die Anthropologie des jungen Marx nach den Pariser ökonomischphilosophischen<br />

Manuskripten. Einleitung zu: Karl Marx, Nationalökonomie<br />

und <strong>Philosophie</strong>, Köln und Berlin 1950<br />

– Das Menschenbild des jungen Marx, Göttingen 1957<br />

Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t, 5<br />

Bde., Leipzig 1917-20<br />

Tschižewskij, Dmitrij: Hegel bei den slavischen Völkern, in: Verhandlungen<br />

des I. Hegelkongresses, hrsg. v. B. Wigersma, Tübingen-Haarlem 1931<br />

Tse-tung, Mao: Über die Praxis, in: Ausgewählte Schriften, Frankfurt a. M.<br />

1963<br />

Vinci Leonardo da<br />

– Tagebücher und Aufzeichnungen, Leipzig 1952<br />

– Philosophische Tagebücher, Hamburg 1958


362<br />

Vogel, Paul: Hegels Gesellschaftsbegriff und seine geschichtliche Fortbildung<br />

durch L. Stein, Marx, Engels und Lassalle. In: Kant-Studien, Berlin<br />

1925, Ergänzungsheft 59<br />

Wahl, Jean : Le malheur de la conscience dans la philosophie de Hegel,<br />

Paris 1929<br />

Weil, Eric: Hegel et l’ Etat, Paris 1950<br />

Wieland, Wolfgang: Heinrich Heine und die <strong>Philosophie</strong>. In: Deutsche Vierteljahresschrift<br />

<strong>für</strong> Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 37. Band,<br />

(1963)<br />

Winterfeld, Achim von: Stirner, Gautzsch 1911<br />

Wojtczak, Albert: <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Freiheit bei Graf August Cieszkowski,<br />

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Woodcock, George: Anarchism, London 1962, in: The Encyclopedia of Philosophy,<br />

Bd. 8, New York/London 1967.<br />

Zaleski, Zygmunt L. : Edgar Quinet et Auguste Cieszkowski, in: Mélanges<br />

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Zeller, Eduard: David Friedrich Strauß in seinem Leben und seinen Schriften,<br />

Bonn 1874<br />

Ziegler, Theodor: D. F. Strauß, Straßburg 1908<br />

Zlocisti, Theodor: Moses Heß. Der Vorkämpfer des Sozialismus und Zionismus<br />

(1812-75), 2. Aufl., Berlin 1921<br />

Zółtowski, Adam: Graf August Cieszkowskis „<strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Tat“, Posen<br />

1904


Text (Seitenzahlen)<br />

A<br />

Adorno, Theodor W. 129<br />

Alexan<strong>der</strong> <strong>der</strong> Große 137<br />

Arendt, Hannah 219<br />

Aristoteles 17, 32, 33, 40, 49, 61,<br />

62, 63, 65, 89, 139, 152, 189, 196,<br />

201, 202, 214, 236, 241, 242, 243<br />

Aristotelisch 30, 42, 58, 62, 74,<br />

116, 223, 228, 187<br />

B<br />

Baa<strong>der</strong>, Franz Xaver von 96<br />

Bachmann, Karl Friedrich 119<br />

Bacon, Francis 30, 176, 219<br />

Bakunin, Michail 111, 124, 153,<br />

236<br />

Barth, Karl 103, 105<br />

Bauer, Bruno 6, 105, 114, 117, 122,<br />

125, 127, 128, 129, 130, 131, 132,<br />

133, 134, 135, 136, 137, 138, 139,<br />

140, 141, 142, 143, 145, 146, 147,<br />

150, 151, 158, 174, 178, 187, 190,<br />

192, 193, 200, 201, 229, 230, 231,<br />

232, 233, 234<br />

Bauersche 130, 146, 155, 156<br />

Bauer, Edgar 129<br />

Baur, Ferdinand Christian 104<br />

Beaumarchais, Pierre Augustin<br />

Caron 115<br />

Beer, Heinrich 87<br />

Bentham, Jeremy 155<br />

Berdjajew, Nikolai Alexandrowitsch<br />

205<br />

Bernstein, Eduard 195<br />

Beyer, Wilhelm R. 250<br />

Bigo, Pierre 206<br />

Bismarckschen 120<br />

Blanc, Louis 85<br />

363<br />

Personenverzeichnis<br />

Blanqui, Louis-Auguste 199<br />

Blum, Robert 102<br />

Börne, Ludwig 84, 85, 191<br />

Braniß, Julius 119<br />

Bruno, Giordano 70<br />

Buchez, Philippe Joseph Benjamin<br />

84, 91<br />

Büchner, Georg 135<br />

Bultmann, Rudolf 105, 106, 136<br />

Burke, Edmund 193<br />

C<br />

Cabet, Etienne 124, 199<br />

Calvez, Jean-Yves 206<br />

Carlyle, Thomas 135<br />

Cieszkowski, August von 6, 89, 90,<br />

91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99,<br />

100, 101, 113, 116, 158, 159, 177,<br />

183, 187, 199, 224, 225<br />

Comte, Auguste 205<br />

Condorcet, Antoine de 91<br />

Considérant, Victor 124<br />

Cousin, Victor 83<br />

Croce, Benedetto 42<br />

D<br />

Dembowski, Edward 95<br />

Descartes, René 29, 62, 64, 171,<br />

218, 219<br />

Dewey, John 218<br />

Dézamy, Theodor 199<br />

Dibelius, Martin 136<br />

Dilthey, Wilhelm 42<br />

E<br />

Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich<br />

104<br />

Enfantin, Prosper 85


Engels, Friedrich 86, 87, 101, 127, 151,<br />

157, 172, 181, 191, 193, 208, 210, 237<br />

F<br />

Feuerbach, Ludwig 6, 103, 109, 112,<br />

113, 115, 117, 122, 123, 131, 146,<br />

161, 162, 163, 164, 165, 166, 167,<br />

168, 169, 170, 171, 172, 173, 174,<br />

175, 176, 177, 178, 179, 180, 181,<br />

182, 183, 184, 186, 187, 190, 191,<br />

198, 199, 200, 203, 204, 206, 207,<br />

210, 211, 215, 216, 217, 229, 226,<br />

228, 234, 237, 238, 239, 240<br />

Feuerbachsche 158, 176, 179,<br />

181, 183, 204, 240<br />

Fichte, Immanuel Hermann 119<br />

Fichte, Johann Gottlieb 16, 37, 42,<br />

66, 67, 68, 69, 83, 86, 90, 94, 96,<br />

119, 131, 159, 176<br />

Fichtesche 38, 50, 67, 68, 131,<br />

167, 186, 222<br />

Fiore, Joachim von 100<br />

Fischer, Karl Philipp 119<br />

Fischer, Kuno 147<br />

Fourier, Charles 85, 90, 98, 99<br />

Fourieristen 99<br />

Franklin, Benjamin 31<br />

Frantz, Constantin 97<br />

Fries, Jakob Friedrich 75<br />

Fröbel, Julius 125<br />

G<br />

Gabler, Georg Andreas 104<br />

Gall, Franz Joseph 17<br />

Gans, Eduard 98<br />

Gesenius, Wilhelm 104<br />

Glockner, Hermann 42<br />

Godwin, William 153<br />

Goethe 22, 28, 35, 42, 50, 61, 102,<br />

107, 121<br />

Goethezeit 83<br />

Görres, Joseph 120<br />

Göschel, Karl Friedrich 109<br />

Gutzkow, Karl 85<br />

364<br />

H<br />

Habermas, Jürgen 206<br />

Haym, Rudolf 42, 75<br />

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 1, 2,<br />

6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15,<br />

16, 17, 18, 20, 21, 22, 23, 24, 25,<br />

26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34,<br />

35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43,<br />

44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 54,<br />

55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 63, 64,<br />

65, 66, 67, 68, 69, 70, 72, 73, 74,<br />

75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83,<br />

84, 86, 87, 89, 91, 95, 96, 98, 99,<br />

101, 102, 103, 104, 105, 106, 107,<br />

108, 113, 114, 115, 116, 117, 118,<br />

119, 120, 128, 129, 130, 131, 132,<br />

133, 134, 135, 136, 137, 139, 140,<br />

142, 146, 148, 149, 150, 151, 152,<br />

154, 163, 164, 167, 168, 169, 171,<br />

172, 173, 176, 177, 179, 180, 181,<br />

182, 183, 186, 187, 189, 191, 193,<br />

196, 197, 198, 202, 203, 204, 206,<br />

207, 208, 209, 210, 211, 212, 213,<br />

214, 215, 216, 217, 219, 221, 222,<br />

223, 224, 225, 226, 227, 228, 229,<br />

230, 232, 233, 234, 235, 236, 239,<br />

240, 241, 242, 243, 244<br />

Hegelsche 7, 16, 30, 41, 45, 51,<br />

64, 73, 83, 87, 88, 89, 90, 91, 92,<br />

93, 94, 99, 101, 103, 104, 108,<br />

109, 110, 111, 113, 115, 118, 119,<br />

121, 122, 124, 125, 129, 130, 131,<br />

132, 133, 134, 140, 143, 148, 155,<br />

159, 160, 167, 168, 169, 170, 172,<br />

173, 177, 178, 181, 182, 186, 187,<br />

189, 191, 192, 200, 204, 205, 209,<br />

224, 225, 226, 227, 228, 229, 231,<br />

232, 233, 235, 237, 238, 239, 240,<br />

241<br />

Heidegger, Martin 213<br />

Heine, Heinrich 6, 65, 83, 84, 85,<br />

86, 87, 88, 89, 97, 98, 101, 120,<br />

121, 145, 158, 182, 183, 187, 195,<br />

224<br />

Hengstenberg, Ernst Wilhelm 104,<br />

112, 141<br />

Heraklit 36


Her<strong>der</strong>, Johann Gottfried 11, 12,<br />

110, 169, 239, 143, 152, 234<br />

Hermes, Karl Heinrich 194<br />

Herwegh, Georg 125<br />

Herzen, Alexan<strong>der</strong> Iwanowitsch 50,<br />

84, 87, 160, 173, 183<br />

Heß, Moses 85, 124, 127, 147, 156,<br />

157, 158, 159, 160, 183, 208, 237<br />

Hinrichs, Hermann Friedrich<br />

Wilhelm 120<br />

Hobbes, Thomas 171<br />

Holz, Arno 153<br />

Hommes, Jakob 206<br />

Hugo, Gustav 193<br />

Humboldt, Wilhelm von 76, 121<br />

Husserl, Edmund 213, 218<br />

Hyppolite, Jean 206<br />

J<br />

James, William 218<br />

Jacobi, Friedrich Heinrich 49<br />

K<br />

Kant, Immanuel 12, 16, 33, 37, 39,<br />

40, 42, 45, 47, 65, 69, 72, 83, 86,<br />

89, 119, 155, 167, 176, 207, 209,<br />

213<br />

Kantisch 38, 45, 46, 47, 50, 67,<br />

68, 69, 90, 106, 152, 164, 167,<br />

173, 186, 208, 213, 222, 236<br />

Keller, Gottfried 182<br />

Kierkegaard, Sören 42, 43, 106, 115,<br />

227<br />

Kierkegaardsche 207<br />

Kolakowski, Leszek 207<br />

Kopernikus, Nikolaus<br />

Kopernikanisch 45, 156, 237<br />

Köppen, Karl Friedrich 121, 122<br />

Kroner, Richard 42<br />

Kropotkin, Peter 153, 236<br />

Krug, Wilhelm Traugott 119<br />

Lamartine, Alphonse de 124<br />

Lamennais, Félicité-Robert de 84,<br />

124<br />

L<br />

365<br />

Landgrebe, Ludwig 206<br />

Landshut, Siegfried 206<br />

Lange, Max Gustav 206<br />

Laube, Heinrich 85<br />

Lavater, Johann Kaspar 17<br />

Le Bon, Gustave 135<br />

Ledru-Rollin, Alexandre-Auguste<br />

120<br />

Leibniz, Gottfried Wilhelm von 176<br />

Leibnizsche 43, 145<br />

Lenin, Wladimir Iljitsch 153, 202<br />

Leo, Heinrich 120, 121<br />

Lessing, Gotthold Ephraim 100, 121<br />

Lichtenberg, Georg Christoph 18<br />

Locke, John 21, 48, 62, 77, 148,<br />

149, 217<br />

Löwith, Karl 117, 133, 212, 213<br />

Luther, Martin 83<br />

M<br />

Malebranche, Nicolas<br />

Malebranche 174<br />

Malthus, Thomas Robert<br />

Malthussche 107<br />

Mann, Thomas 47, 83, 137, 151<br />

Mao Tse-tung 213<br />

Marcuse, Herbert 199<br />

Marheineke, Philipp Konrad 109<br />

Marx, Karl 6, 54, 74, 85, 86, 87,<br />

107, 114, 115, 121, 124, 125, 127,<br />

130, 134, 138, 142, 143, 151, 153,<br />

157, 158, 159, 170, 171, 177, 179,<br />

181, 183, 184, 186, 187, 188, 189,<br />

190, 191, 192, 193, 194, 195, 196,<br />

197, 198, 200, 201, 202, 203, 204,<br />

205, 206, 207, 208, 209, 210, 211,<br />

212, 213, 214, 215, 216, 217, 218,<br />

219, 224, 230, 237, 240, 241, 242,<br />

243, 244<br />

Marxismus 206<br />

Marxsche 172, 191, 192, 195,<br />

204, 206, 208, 212, 218, 239, 243<br />

Mazzini, Giuseppe 120<br />

Menzel, Wolfgang 107, 122<br />

Metternich, Clemens Wenzel Lothar,<br />

Fürst von 193<br />

Metzke, Erwin 206


Meyen, Eduard 122<br />

Michelet, Carl Ludwig 90<br />

Mickiewicz, Adam 100<br />

Mignet, François 85<br />

Mill, James 155<br />

Mörser, Justus 193<br />

Mundt, Theodor 85<br />

N<br />

Napoleon I. Bonaparte 79, 80, 83,<br />

86, 90, 115<br />

Nean<strong>der</strong>, Johann August Wilhelm<br />

112<br />

Niebuhr, Barthold Georg 104<br />

Nietzsche, Friedrich 107, 149, 198<br />

Nohl, Hermann 95, 97, 108, 118-123,<br />

125, 126<br />

O<br />

Olshausen, Justus 104<br />

Ortega y Gasset, José 135<br />

Pareto, Vilfredo 135<br />

Parmenides 36<br />

Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob<br />

104<br />

Peirce, Charles 218<br />

Platon 62, 209<br />

Plenge, Johannes 206<br />

Popitz, Heinrich 205, 206<br />

Proudhon, Pierre Joseph 153, 236<br />

Pythagoras 137<br />

P<br />

R<br />

Raffaelo Santi 214<br />

Rawidowicz, Simon 177<br />

Renan, Ernest 102<br />

Riedel, Manfred 1a, 3<br />

Robespierre, Maximilien de 86<br />

Rousseau, Jean-Jacques 43, 44, 45,<br />

86<br />

Ruge, Arnold 6, 85, 113, 114, 115,<br />

116, 117, 118, 119, 120, 121, 122,<br />

123, 124, 125, 127, 128, 129, 171,<br />

366<br />

172, 183, 184, 187, 198, 228, 229,<br />

230, 231<br />

S<br />

Sade, Donatien-Alphonse-François<br />

de 155, 236<br />

Saint-Simon, Claude Henri de 91<br />

Savigny, Karl von 193<br />

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph<br />

49, 66, 67, 69, 70, 78, 83, 86, 96,<br />

109, 122, 209, 210<br />

Schiller, Friedrich 35, 50, 65, 69, 70<br />

Schillersche 99, 151<br />

Schleiermacher, Friedrich Ernst<br />

Daniel 174<br />

Schmidt, Karl 147<br />

Schopenhauer, Arthur 155<br />

Schweitzer, Albert 111<br />

Scotus, Duns 149<br />

Sokrates 41, 43<br />

Solon 18<br />

Sombart, Werner 206<br />

Sorel, George 205<br />

Spengler, Oswald 93, 121<br />

Spinoza, Benedictus de 12, 62, 83,<br />

158, 171, 176, 180, 210, 218<br />

Stahl, Friedrich Julius 119<br />

Stein, Karl, Freiherr vom und zum<br />

75, 121<br />

Stirner, Max (Johann Caspar<br />

Schmidt) 6, 124, 145, 146, 147,<br />

148, 149, 150, 151, 152, 153, 154,<br />

155, 156, 157, 158, 160, 161, 169,<br />

197, 214, 234, 235, 236, 237, 239<br />

Strauß, David Friedrich 6, 101, 102,<br />

103, 104, 105, 106, 107, 108, 109,<br />

110, 111, 112, 113, 117, 119, 121,<br />

129, 136, 138, 140, 178, 193, 198,<br />

226, 227, 228, 229, 231, 240<br />

Straußsche 108, 110, 227<br />

Streckfuß, Karl 121<br />

Sue, Eugène 151<br />

Szeliga (Franz Zychlin v. Zychlinski)<br />

137, 147, 151


Thales 149<br />

Thier, Erich 206<br />

Tholuck, August 112<br />

Thomas von Aquin 209<br />

Tillich, Paul 205<br />

Topitsch, Ernst 205<br />

Treitschke, Heinrich von 135<br />

Trendelenburg, Friedrich Adolf 42<br />

Vico, Giovanni Battista 30<br />

Vinci, Leonardo da 39<br />

Vischer, Friedrich Theodor 120<br />

Voegelin, Eric 205<br />

Voltaire, François Marie Arouet 65<br />

T<br />

V<br />

367<br />

W<br />

Wegschei<strong>der</strong>, Julius August Ludwig<br />

104<br />

Weierstraß, Karl 62<br />

Weiße, Christian Hermann 96, 119<br />

Weitling, Christian Wilhelm 199<br />

Wette, Wilhelm Martin Leberecht de<br />

104<br />

Wetter, Gustav A. 217<br />

Wienbarg, Ludolf 85<br />

Wilhelm IV., König von Preußen 127<br />

Windelband, Wilhelm 42<br />

Wolff, Christian<br />

Wolffsche 65<br />

Wöllner, Johann Christoph<br />

Wöllnersche 119<br />

Z<br />

Zeller, Eduard 190


Anmerkungen (Endnotenzahlen)<br />

Adorno, Theodor W. 70, 395, 422,<br />

626<br />

Ammon, Otto 72<br />

Antonius von Padua 199<br />

Arendt, Hannah 57, 682<br />

Aristoteles 19, 73, 78, 109, 157,<br />

164, 422,606, 675<br />

Aristotelische 101a<br />

Arndt, Ernst Moritz 509<br />

A<br />

B<br />

Backhaus, Gunther 303<br />

Bacon, Francis 56<br />

Baeumler, Alfred 100, 116<br />

Bakunin, Michail 328, 382<br />

Barnikol, Ernst 398<br />

Barth, Karl 303<br />

Basch, Victor 480<br />

Bauer, Bruno 235, 237, 306, 312,<br />

328, 336, 337, 343, 373, 389,<br />

391, 395, 397, 401, 412, 420,<br />

423, 430, 441, 457, 555, 577<br />

Bauer, Edgar 397, 443<br />

Bauersche 497<br />

Bayrhoffer, Karl Theodor 272<br />

Beckett, Samuel 79<br />

Benz, Ernst 216<br />

Beyer, Wilhelm R. 1a<br />

Bigo, Pierre 650<br />

Bin<strong>der</strong>, Julius 116<br />

Bismarck, Otto von 311<br />

Bismarcksche 116<br />

Bloch, Ernst 156, 663<br />

Blumenberg, Hans 157<br />

Bockmühl, Klaus Erich 595<br />

Böhm, Franz 116<br />

Böhme, Jakob 21, 324, 596<br />

Bolin, Wilhelm 510, 593<br />

Börne, Ludwig 284, 285<br />

Bornkamm, Günther 304<br />

Börnstein, Heinrich 384<br />

368<br />

Personenverzeichnis<br />

Bosnjak, Branko 677<br />

Braunthal, Julius 480<br />

Brecht, Bertold 79<br />

Brillat-Savarin, Anthelme 541<br />

Buhl, Ludwig 389<br />

Bultmann, Rudolf 303<br />

Busse, Martin 116<br />

C<br />

Calvez, Jean-Yves 650<br />

Camus, Albert 89, 479<br />

Carlyle, Thomas 19<br />

Cäsar 19<br />

Chamberlain, Houston Stewart 72<br />

Chamley, Paul 62<br />

Cicero Marcus Tullius 100<br />

Cieszkowski, August von 238, 247,<br />

253, 255, 257, 261, 263, 274,<br />

277, 282<br />

Condillac, Etienne Bonnot de 547<br />

Condorcet, Antoine de 109<br />

Cornu, Auguste 261, 274, 369,<br />

381, 496, 556, 608<br />

Cues, Nikolaus von 181<br />

D<br />

Daumer, Georg Friedrich 237<br />

Descartes, René 66<br />

Dewey, John 116<br />

Di<strong>der</strong>ot, Denis 79<br />

Dilthey, Wilhelm 221<br />

Diogenes Laertius 100<br />

Dorguth, Friedrich 541<br />

Dshang Ssüä-tschöng 261<br />

E<br />

Echtermeyer, Ernst Theodor 365<br />

Eck, Siegfried 321<br />

Eckermann, Johann Peter 361<br />

Edelmann, Johann Christian 412<br />

Endel, Nanette 199<br />

Engels, Friedrich 45, 63, 224, 225,<br />

226, 230, 261, 281, 287, 312,


335, 369, 384, 419, 429, 444,<br />

447, 457, 478, 494, 497, 510,<br />

554, 582, 601, 608, 609, 614,<br />

625, 635, 645, 654, 660<br />

Erdmann, Johann Eduard 571<br />

Eschenmayer, Karl Adolf 587<br />

Euripides 78<br />

F<br />

Feuerbach, Ludwig 87, 226, 237,<br />

287, 306, 321, 341, 346, 380,<br />

387, 420, 423, 454, 457, 498,<br />

510, 510a, 517, 527, 536, 538,<br />

541, 543, 544, 548, 554, 555,<br />

556, 559, 565, 571, 576, 577,<br />

582, 589, 592, 593, 594, 595,<br />

596, 599, 659, 661, 663, 678<br />

Feuerbachsche 331<br />

Feuz, Ernst 383<br />

Fichte, Johann Gottlieb 36, 72, 91,<br />

115, 135, 164, 171, 243, 260,<br />

261<br />

Fichtesche 91, 165, 171, 172,<br />

190, 261<br />

Fischer, Ernst 150<br />

Fischer, Kuno 324,462<br />

Fleischer, Karl Moritz 337, 380,<br />

382, 383, 384<br />

Fourier, Charles 92, 245<br />

Fourieristen 380<br />

Franck, Sebastian 21<br />

Frantz, Constantin 272<br />

Frauenstädt, Julius 257<br />

Freyer, Hans 100, 656<br />

Friedell, Egon 470<br />

Fröbel, Julius 381a<br />

G<br />

Gabler, Georg Andreas 261<br />

Gans, Eduard 212<br />

Garaudy, Roger 81, 671<br />

Gehlen, Arnold 12<br />

Gentile, Giovanni 116<br />

George, Stefan 100<br />

Girardin, Émile de 494<br />

Glockner, Hermann 109, 571<br />

Gobineau, Joseph Arthur 72<br />

Goethe, Johann Wolfgang von 12,<br />

18, 20, 54, 87, 135, 176, 189,<br />

225, 365, 386, 600<br />

369<br />

Gollwitzer, Helmut 646<br />

Görres, Joseph 361<br />

Göschel, Karl Friedrich 209<br />

Grün, Karl 498, 592<br />

Guérin, Daniel 480<br />

Gumplowicz, Ludwig 72<br />

Gutzkow, Karl 360<br />

H<br />

Habermas, Jürgen 67, 199, 649<br />

Haller, Karl Ludwig von 3, 72<br />

Harich, Wolfgang 234<br />

Hartmann, Nicolai 109, 169<br />

Haug, Wolfgang Fritz 89<br />

Hauptmann, Gerhart 293<br />

Haym, Rudolf 193<br />

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 1a,<br />

3, 8, 11, 12, 18, 21, 32, 47, 61,<br />

62, 63, 65, 70, 72, 73, 75, 76,<br />

78, 79, 89, 95, 101, 102, 107,<br />

109, 115, 116, 117a, 118, 119,<br />

120, 121, 129, 135, 157,164,<br />

165, 181, 189, 192, 193, 199,<br />

201, 202, 203, 209, 212, 215,<br />

216, 229, 230, 235, 236, 261,<br />

283, 298, 306, 314, 321, 322,<br />

336, 347, 361, 379, 386, 399,<br />

406, 412, 423, 439, 464, 470,<br />

551, 554, 555, 557, 559, 564,<br />

570, 571, 589, 607, 610, 613,<br />

624, 639, 646, 650, 656, 657,<br />

671<br />

Hegelianer 116<br />

Hegelianismus 95<br />

Hegelsche 1a, 19, 65, 79, 116,<br />

135, 169, 189, 224, 232, 235,<br />

306, 311, 321, 331, 332, 336,<br />

338, 348, 351, 353, 357, 367,<br />

339, 420, 429, 461, 464, 516,<br />

549, 550, 564, 576, 614, 624,<br />

627, 634, 635, 636, 638, 640,<br />

643, 644, 645, 675<br />

Heidegger, Martin 6, 152, 516<br />

Heine, Heinrich 213, 215, 216,<br />

218, 221, 222, 223, 224, 225,<br />

229, 232, 234, 236, 237, 365,<br />

Heinesche 230<br />

Heinzen, Karl 645<br />

Heiss, Robert 1a<br />

Helvetius, Claude Adrien 18


Hengstenberg, Ernst Wilhelm 237,<br />

362, 437<br />

Henne, Hermann 322<br />

Henrich, Dieter 606<br />

Her<strong>der</strong>, Johann Gottfried 12, 324<br />

Hertz-Eichenrode, Dieter 423<br />

Herwegh, Georg 337, 394<br />

Herzen, Alexan<strong>der</strong> Iwanowitsch<br />

544<br />

Herzl, Theodor 315<br />

Heß, Moses 242, 381, 384, 393,<br />

454, 462, 495, 496, 497, 499,<br />

503, 504<br />

Hirschberger, Johannes 644<br />

Hobbes, Thomas 18, 67, 515<br />

Hoffmann, Ernst 181<br />

Hoffmann, August Heinrich (Hoffmann<br />

v. Fallersleben) 377<br />

Hoffmeister, Johannes 209<br />

Hofmann, Werner 480, 618, 655<br />

Holbach, Paul Heinrich Dietrich 58<br />

Höl<strong>der</strong>lin, Friedrich 119, 121<br />

Hommes, Jakob 650, 656<br />

Hook, Sidney 423<br />

Horkheimer, Max 70,<br />

Hugo, Gustav 212, 614<br />

Husserl 32<br />

Huxley, Aldous 422<br />

Hyppolite, Jean 129, 650, 656, 671<br />

Ibsen, Henrik 92<br />

Immermann, Karl 325<br />

Jacobi, Friedrich Heinrich 559<br />

Jacobisch 91<br />

Jaspers, Karl 157<br />

Jodl, Friedrich 510<br />

Jung, Alexan<strong>der</strong> 609<br />

I<br />

J<br />

K<br />

Käferle, Christian 297<br />

Kallen, Gerhard 157<br />

Kant, Immanuel 12, 18, 72, 95,<br />

101, 101a, 102, 107, 109, 115,<br />

165<br />

Kantisch 92, 109<br />

Kapp, Christian 593<br />

Kaufmann, Hans 213, 286<br />

370<br />

Kegel, Martin 423<br />

Kerner, Justinus 324<br />

Kierkegaard, Sören 89, 129, 305,<br />

645<br />

Koigen, David 416,<br />

Kojève, Alexandre 79<br />

Kolakowski, Leszek 653<br />

Konfuzius 66<br />

Köppen, Karl Friedrich 363<br />

Korsch, Karl 649<br />

Kosík, Karel 319<br />

Krieck, Ernst 116<br />

Kuhn, Helmut 68<br />

Kühne, Walter 239, 253, 263, 269,<br />

277, 281, 282, 284<br />

L<br />

Lachmann, Benedict 461<br />

Landgrebe, Ludwig 651<br />

Landshut, Siegfried 551, 652<br />

Lange, Max Gustav 257, 339,<br />

368a, 556, 652<br />

Larenz, Karl 116<br />

Lassalle, Ferdinand 601<br />

Laube, Heinrich 225, 237<br />

Lauth, Reinhard 277<br />

Lavater, Johann Kaspar 559<br />

Lefèbvre, Henri 618<br />

Lehmann, Gerhard 461<br />

Leibniz, Gottfried Wilhelm von 3,<br />

516<br />

Leibnizsche 547<br />

Lenin, Wladimir Iljitsch 65, 481<br />

Leo, Heinrich 331, 361, 362, 363<br />

Leonardo da Vinci 100<br />

Leroux, Pierre 225<br />

Lessing, Gotthold Ephraim 109,<br />

121<br />

Lévy, Albert 554<br />

Lichtenberger, Henri 236<br />

Litt, Theodor 12<br />

Locke, John 469, 547<br />

Löwith, Karl 101a, 109, 135, 149,<br />

189, 298, 336, 347, 379, 399,<br />

406, 470, 510, 557, 607, 621,<br />

645, 646, 669, 675<br />

Lukács, Georg 62, 201, 218, 236,<br />

242, 305, 657, 671<br />

Luther, Martin 21, 189, 336a, 517


M<br />

Macchiavelli, Niccolò 67, 203<br />

Macchiavellismus 116<br />

Mackay, John Henry 453, 454, 494<br />

Mandeville, Bernard de 18<br />

Mann, Thomas 100<br />

Mao Tse-tung 670<br />

Marcuse, Herbert 12, 116, 422,<br />

618, 677<br />

Marcuse, Ludwig 222<br />

Marheineke, Philipp Konrad 282<br />

Märklin, Christian 297, 321<br />

Marx, Karl 45, 63, 89, 119, 202,<br />

212, 224, 226, 230, 234, 236,<br />

237, 257, 261, 277, 281, 287,<br />

306, 312, 335, 337, 369, 382,<br />

384, 397, 399, 410, 419, 423,<br />

429, 444, 447, 457, 466, 478,<br />

494, 495, 497, 504, 510, 516,<br />

517, 544, 551, 556, 564, 597,<br />

599, 601, 602, 608, 611, 613,<br />

614, 616, 624, 625, 629, 630,<br />

640, 645, 646, 649, 650, 652,<br />

656, 659, 663, 671, 681<br />

Marxismus 12, 257, 339, 618,<br />

646, 649, 650, 651, 652, 653,<br />

671<br />

Marxist 681<br />

Marxistische 12, 538, 646, 677,<br />

680<br />

Marxsche 277, 645<br />

Mautz, Kurt Adolf 484<br />

Mayer, Gustav 366, 459<br />

Mehring, Franz 293, 601<br />

Meinecke, Friedrich 116<br />

Meinhold, Peter 216<br />

Mendelssohn 109<br />

Menzel, Moses 214<br />

Merleau-Ponty, Maurice 618<br />

Messer, Max 461<br />

Meyen, Eduard 363<br />

Michelangelo di Buonarotti 606<br />

Michelet, Carl Ludwig 239, 257,<br />

263<br />

Mickiewicz, Adam 283<br />

Mo Di 66<br />

Moleschott, Jakob 541<br />

Moltke, Helmuth von 311<br />

Mönke 381, 496<br />

Montesquieu, Charles de 102, 107<br />

371<br />

Moog, Willy 464<br />

Morus, Thomas 67<br />

Müller, Adam 3, 152<br />

Mussolini, Benito 681<br />

N<br />

Napoleon 19<br />

Neher, Walter 331<br />

Nerrlich, Paul 337<br />

Nettlau, Max 480<br />

Niethammer, Friedrich Immanuel<br />

205<br />

Nietzsche, Friedrich 19, 78, 100,<br />

135, 189, 298, 314, 347, 379,<br />

406, 470, 557, 607, 646<br />

Noack, Ludwig 261<br />

Nohl, Hermann 95, 97, 108, 118,<br />

120, 121, 122, 125<br />

Novalis (Friedrich von Hardenberg)<br />

135, 170<br />

O<br />

Oppenheim, Dagobert 617<br />

Overbeck, Franz 470<br />

Panunzio, Sergio 116<br />

Peirce, Charles 681<br />

Philippe, Louis 229<br />

Piechocki, Werner 336a<br />

Piontowski, A. A. 107<br />

Platon 6, 61, 78<br />

Platonisch 116<br />

Plenge, Johannes 650<br />

Plessner, Helmut 12<br />

Popitz, Heinrich 202, 648<br />

Popper, Karl Raimund 616<br />

Portmann, Adolf 12<br />

Proudhon, Pierre Joseph 480<br />

Prutz, Robert Eduard 344, 372<br />

P<br />

Q<br />

Quinet, Edgar 272


R<br />

Ranke, Leopold von 116<br />

Rapp, Ernst 292, 314<br />

Ratcliff, William 221<br />

Ratzenhofer, Gustav 72<br />

Rawidowicz, Sinion 548, 553, 559,<br />

563, 569<br />

Renan, Ernest 293<br />

Richelieu, Armand-Jean du Plessis<br />

19<br />

Riedel, Manfred 1a, 3<br />

Ritschl, Albrecht 321<br />

Ritter, Joachim 193, 675<br />

Robespierre, Maximilien de 109<br />

Rolland, Romain 293<br />

Rosenberg, Alfred 116, 360<br />

Rosenberg, David Jochelevic 384<br />

Rosenberg, Hans 340<br />

Rosenkranz, Karl 62, 89, 95, 333,<br />

589<br />

Rosenzweig, Franz 116, 212<br />

Rothacker, Erich 12<br />

Rousseau, Jean-Jaque 115<br />

Roux, Johann Adam 527<br />

Royce, Josiah 116<br />

Ruest, Anselm 461<br />

Ruge, Ludwig 119, 237, 331, 331c,<br />

335, 336a, 337, 337a, 339, 340,<br />

344, 346, 360, 361, 363, 364,<br />

365, 368a, 372, 373, 376, 377,<br />

380, 381, 381a, 382, 383, 384,<br />

386, 387, 389, 390, 394, 447,<br />

547, 551, 554, 597, 599, 600,<br />

629, 630<br />

Runze, Georg 423<br />

Russel, Bertrand 681<br />

Rutkewitsch, M. N. 677<br />

S<br />

Saint-Simon, Claude Henri de 92,<br />

247<br />

Saint-Simonismus 212<br />

Santayana, George 116<br />

Sartre, Jean-Paul 89, 618, 671<br />

Savigny, Friedrich Karl von 3, 212<br />

Schaller, Julius 359<br />

Scheidler, Karl Hermann 289<br />

Scheler, Max 12<br />

372<br />

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph<br />

1a, 18, 89, 166, 169, 181, 346,<br />

516, 554, 660<br />

Schellinganhänger 587<br />

Schellingianer 257<br />

Schellingsche 165, 171, 172 190<br />

Schellwein, Robert 461<br />

Schiller, Friedrich 7, 12, 47, 87,<br />

121, 163, 177, 365<br />

Schilling, Werner 565<br />

Schlegel, Friedrich 135<br />

Schleiermacher, Friedrich Ernst<br />

Daniel 135, 324, 559<br />

Schmidt, Alfred 618, 671<br />

Schmidt, Karl 462<br />

Schmitt, Carl 72, 116<br />

Schnabel, Franz 116<br />

Schubert, Gotthilf Heinrich 257<br />

Schuffenhauer, Werner 512, 556<br />

Schultheiß, Hermann 461<br />

Schulze, Gottlob Ernst 128<br />

Schweitzer, Albert 327, 423<br />

Smith, Adam 18<br />

Snell, Bruno 78<br />

Sokrates 121<br />

Sombart, Werner 650<br />

Spengler, Oswald 72<br />

Spinoza, Benedictus de 499<br />

Stahr, Adolf 338, 340, 349, 364,<br />

373<br />

Staiger, Emil 108<br />

Stein, Lorenz von 625<br />

Steuart, James Denham 62<br />

Steussloff, Hans 296, 303<br />

Stirner, Max (Johann Caspar<br />

Schmidt) 381a, 453, 454, 461,<br />

470, 479, 480, 484, 494, 497<br />

Strauß, David Friedrich 286, 290,<br />

293, 296, 299, 303, 311, 312,<br />

314, 321, 324, 327, 331, 353,<br />

358, 363, 423, 435, 517, 577<br />

Streckfuß, Karl 366<br />

Stuke, Horst 246, 261, 277, 328,<br />

335, 395, 406, 499<br />

Szeliga (Franz Zychlin von Zychlinski)<br />

454, 462<br />

Theognis 109<br />

Thier, Erich 650<br />

T


Tocqueville, Alexis de 624<br />

Topitsch, Ernst 116<br />

Treitschke, Heinrich von 19, 116,<br />

326, 327<br />

Tschernyschewski, Nikolai Gawrilowitsch<br />

544<br />

U<br />

Uexküll, Jakob von 12<br />

V<br />

Vico, Giovanni Battista 18, 66<br />

Vinci, Leonardo da 100<br />

Vischer, Friedrich Theodor 266,<br />

290, 292<br />

Voltaire, François Marie Arouet<br />

412<br />

Vries, Josef de 680<br />

373<br />

W<br />

Wahl, Jean 129, 203<br />

Wee Jüän 66<br />

Weil, Eric 192<br />

Weitling, Christian Wilhelm 237<br />

Wende, Peter 339<br />

Wetter, Gustav A. 680<br />

Wieland, Wolfgang 236<br />

Wigand, Otto 420, 441, 454, 457,<br />

462, 576, 590, 594<br />

Wilhelm IV., König von Preußen<br />

290<br />

Winterfeld, Achim von 461<br />

Woodcock, George 466<br />

Zeller, Eduard 286, 290, 324, 607<br />

Ziegler, Theodor 21, 327<br />

Zlocisti, Theodor 496<br />

Žółtowski, Adam 255, 268, 277,<br />

281, 284<br />

Z


Danksagung<br />

Mein herzlicher Dank gilt Frau Dr. Yara Lizárraga-Mehringer. Sie erstellte<br />

die Personenverzeichnisse und sorgte da<strong>für</strong>, dass die mit <strong>der</strong> mechanischen<br />

Maschine geschriebene Arbeit überhaupt ins Internet gestellt werden konnte.

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