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Max Liebermann - press1

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<strong>Max</strong> <strong>Liebermann</strong><br />

(1847 Berlin - 1935 Berlin)<br />

»Allee im Tiergarten mit Spaziergängern und Kutsche«<br />

Öl auf Malkarton<br />

1922<br />

25,8 x 32,5 cm<br />

Signiert<br />

Provenienz:<br />

Martin Cassirer, Berlin; Galerie Abels, Köln; Privatsammlung Rheinland<br />

Literatur:<br />

Werkverzeichnis Eberle Bd. II, Nr. 1922/40, Abb. . 1071; Holly Prentiss Richardson,<br />

„Landscape in the work of <strong>Max</strong> <strong>Liebermann</strong>“, Bd. II, Ann Arbor 1991, S. 242, Nr. 689


Aus dem ehemaligen Jagdrevier des Kurfürsten Friedrich III. entsteht im 18. Jahrhundert ein<br />

öffentlicher Park mitten im Herzen Berlins. Im Laufe der Zeit erfährt der Park einige<br />

Umgestaltungen. So verwandelt der berühmte Landschaftsgestalter Peter Joseph Lenné den<br />

Tiergarten zwischen 1833 und 1838 in einen englischen Volkspark. In unmittelbarer Nähe,<br />

direkt am Pariser Platz neben dem Brandenburger Tor, residiert die Familie <strong>Max</strong><br />

<strong>Liebermann</strong>s, wie Hans Oswald in seinem <strong>Liebermann</strong>-Buch schildert: „Der Vater hatte<br />

inzwischen den damals beginnenden Zug nach Westen mitgemacht und das Haus am Pariser<br />

Platz nördlich vom Brandenburger Tor gekauft. Die Familie bewohnte aber nur das erste<br />

Stockwerk. […] Die drei Brüder – <strong>Max</strong> war gerade zwölf Jahre alt – mussten gemeinsam mit<br />

einem Zimmerchen vorlieb nehmen, das nach dem Tiergarten hinaus lag. […] So sicher war<br />

sein Glück für ihn, dass sein Vaterhaus zwei Fronten hatte: eine zum Pariser Platz, der noch<br />

nicht gärtnerisch verschmückt war, und auf ein buntes Leben durcheinanderquirlte – eine<br />

zweite zum Tiergarten. Dieser war der eigentliche Garten des Hauses. <strong>Max</strong> ging, sowie er<br />

seine vom Vater durch ein kleines Türfenster beobachtete Schularbeiten beendet hatte,<br />

hinaus in den damals noch waldartigen grünen Park, ruderte auf der Spree, machte größere<br />

Ritte – und lief Schlittschuh bei der Rousseauinsel. Diese körperlichen Übungen waren seine<br />

Leidenschaft.“ 1 Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kann <strong>Liebermann</strong> nicht mehr in<br />

den Sommerurlaub an die Küste Hollands fahren und konzentriert sich so zunehmend auf<br />

Landschaftsmotive in seiner unmittelbaren Umgebung. So entsteht von 1915 bis in die<br />

1920er Jahre eine Vielzahl von Ansichten des Tiergartens und seiner Besucher.<br />

Unser vorliegendes, besonders stimmungsvolles Gemälde zeigt die Allee im Tiergarten an<br />

einem fröhlichen, sonnendurchfluteten Herbstnachmittag. Unter dem bereits leicht<br />

verfärbten Laubdach einer Allee wandeln wohl gekleidete Spaziergänger die frisch geharkten<br />

Wege entlang. Im Zentrum des Gemäldes bewegt sich eine elegant gekleidete Dame in<br />

einigem Abstand direkt auf den Betrachter zu. In der rechten Hand trägt die Dame einen<br />

Schirm, mit dem sie sich vor der Herbstsonne zu schützen versucht. An der Linken führt sie<br />

vorsichtig ein kleines Mädchen, das artig ihr weißes Sommerkleidchen noch einmal zur<br />

Schau trägt. Bei den im Zentrum Dargestellten mag es sich um die Enkelin <strong>Liebermann</strong>s<br />

handeln, die 1917 geboren wurde und seither häufig alleine und auch mit ihrer Kinderfrau<br />

gemalt wurde.<br />

In unmittelbarer Nähe des Betrachters befindet sich in der unteren rechten Bildecke ein<br />

Paar, das sich auf einer Parkbank niedergelassen hat und nahe aneinandergerückt angeregt<br />

zu unterhalten scheint. Auf dem Fahrweg zur Linken des Gehwegs trabt ein Einspänner mit<br />

Kutscher und Gästen in rasantem Tempo die Allee herunter.<br />

Gekonnt fängt <strong>Liebermann</strong> mit flinkem Pinselstrich das Geschehen auf Allee, Gehweg und<br />

Parkbank ein. Die Sonnenstrahlen fallen durch das sich bewegende Laub auf den Boden und<br />

hinterlassen dort schnell changierende Lichtreflexe. Die Faszination <strong>Liebermann</strong>s für<br />

derartige Lichtspiele beschreibt ein Zeitgenosse <strong>Liebermann</strong>s wie folgt: „Wenn wir durch den<br />

Tiergarten zu seiner Wohnung gingen, er nahm den Weg stets durch eine schmale Allee von<br />

Kastanien, die er für seine Lieblingsbäume erklärte, ward er nicht müde, die verschiedenen<br />

Färbungen an den Übergängen von Licht und Schatten zu studieren.“ 2<br />

Die von <strong>Liebermann</strong> geschilderte Tiergartenszene gibt die ausgelassene Stimmung an einem<br />

warmen Tag im frühen Herbst wieder, an dem die Bürger Berlins in Scharen zu einem<br />

vielleicht letzten großen Spaziergang in den Tiergarten aufbrechen. Es ist jedoch nicht allein<br />

das fröhliche Treiben und die beschriebene Faszination für das Lichtspiel des Tiergartens.<br />

Unser Gemälde spricht vor allem von der großen Freude, die <strong>Max</strong> <strong>Liebermann</strong> für seine<br />

Familie und vor allem für seine Enkelin empfunden hat.<br />

1 Hans Oswald (Hg.), „Das <strong>Liebermann</strong>-Buch“, Berlin 1930, S. 45.<br />

2 Hancke zit. in: Bernd Küster, „<strong>Max</strong> <strong>Liebermann</strong> – Ein Malerleben“, Hamburg 1988, S. 108.

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