Islamisches Gebetshaus im Mischgebiet VG Stuttgart, Beschl. v
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Gericht: <strong>VG</strong> <strong>Stuttgart</strong> 9. Kammer<br />
Entscheidungsdatum: 02.11.2007<br />
Aktenzeichen: 9 K 3830/07<br />
Dokumenttyp: <strong>Beschl</strong>uss<br />
Leitsatz<br />
- 1 -<br />
Quelle:<br />
<strong>Islamisches</strong> <strong>Gebetshaus</strong> <strong>im</strong> <strong>Mischgebiet</strong><br />
Langtext<br />
Normen: § 6 Abs 2 Nr 5 BauNVO, §<br />
15 BauNVO, § 3 BauO BW,<br />
§ 37 Abs 1 BauO BW, § 37<br />
Abs 7 S 2 BauO BW<br />
1. Ein islamisches <strong>Gebetshaus</strong> mit unter 300 m² Nutzfläche ist keine zentrale kirchliche<br />
Einrichtung, die mit der Zweckbest<strong>im</strong>mung eines <strong>Mischgebiet</strong>s nicht mehr vereinbar<br />
wäre.(Rn.6)<br />
2. Ob der Verein, der ein islamisches <strong>Gebetshaus</strong> nutzen will, Verbindung zum Dachverband<br />
„Milli Görüs“ hat, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird, ist <strong>im</strong> baurechtlichen Verfahren<br />
ohne Belang.(Rn.25)<br />
Fundstellen<br />
NVwZ-RR 2008, 522-524 (Leitsatz und Gründe)<br />
weitere Fundstellen<br />
KommJur 2009, 156 (Leitsatz)<br />
Verfahrensgang<br />
nachgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 3. Senat, 10. Januar 2008, Az: 3 S 2773/07,<br />
<strong>Beschl</strong>uss<br />
Tenor<br />
Gründe<br />
Der Antrag wird zurückgewiesen.<br />
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten<br />
der Beigeladenen.<br />
Der Streitwert wird auf € 7.500,-- festgesetzt.<br />
1 Der am 26.06.2007 gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen,<br />
die die Antragstellerin gegen die der Beigeladenen Ziffer 1 unter dem 20.04.2006 erteilte<br />
Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines - bisher als Teppichhandlung genutzten<br />
- vorhandenen Gebäudes in eine Einrichtung mit Gebetsräumen, Aufenthaltsräumen,<br />
Waschräumen, Räumen für Nachhilfeunterricht, Büros, Foyer, Küche und Ladenräumen erhoben<br />
hat, ist zulässig (§§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO), aber unbegründet.
2 Das Interesse der Antragstellerin, den Vollzug der Baugenehmigung vorläufig auszusetzen,<br />
muss gegenüber der gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung<br />
(§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO; § 212a Satz 1 BauGB) und dem Interesse der Beigeladenen<br />
(nach Mitteilung der Beigeladenen Ziffer 1 ist der Beigeladene Ziffer 2 der neue Eigentümer<br />
des Grundstückes, der Beigeladene Ziffer 3 der neue Bauherr), von der Baugenehmigung sofort<br />
Gebrauch machen zu können, zurücktreten.<br />
3 Die Klage wird voraussichtlich erfolglos bleiben. Ein Abwehrrecht des Nachbarn gegen eine<br />
dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung besteht nur, wenn ein genehmigtes Vorhaben gegen<br />
Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn<br />
zu dienen best<strong>im</strong>mt sind. Nur ein Verstoß gegen solche nachbarschützenden Vorschriften<br />
hätte zur Folge, dass die Antragstellerin in ihren subjektiven Rechten verletzt wäre und könnte<br />
deshalb <strong>im</strong> Klageverfahren die Aufhebung der angefochtenen Baugenehmigung rechtfertigen<br />
(vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach derzeitigem, <strong>im</strong> Verfahren auf Gewährung vorläufigen<br />
Rechtsschutzes nicht weiter aufzuklärenden Erkenntnisstand, dürfte kein Verstoß gegen<br />
nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts vorliegen. Bei der hier gebotenen und<br />
nur möglichen summarischen Prüfung besteht daher eine überwiegende Wahrscheinlichkeit<br />
dafür, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin erfolglos bleiben wird.<br />
4 Offen bleiben kann, ob die Antragstellerin ihre Einwendungen rechtzeitig erhoben hat. Denn das<br />
genehmigte Vorhaben verstößt aller Voraussicht nach nicht gegen von der Antragsgegnerin zu<br />
prüfende (§ 58 Abs. 1 LBO) bauordnungsrechtliche oder bauplanungsrechtliche Vorschriften, die<br />
dem Schutz der Antragstellerin als Nachbarin zu dienen best<strong>im</strong>mt sind.<br />
5 Bauplanungsrechtlich beurteilt sich das genehmigte Vorhaben nach § 30 Abs. 1 BauGB, denn<br />
das Grundstück liegt <strong>im</strong> Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „Siegesstraße<br />
ehemaliges Ziegeleigelände“ Nr. 027/01 vom 23.03.1977. Dieser weist das Gebiet als<br />
<strong>Mischgebiet</strong> <strong>im</strong> Sinne des § 6 BauNVO 1968 aus. <strong>Mischgebiet</strong>e dienen danach dem Wohnen<br />
und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.<br />
Zulässig sind Wohngebäude, Geschäfts- und Bürogebäude, Einzelhandelsbetriebe, Schankund<br />
Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes, sonstige nicht wesentlich<br />
störende Gewerbebetriebe, Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale,<br />
gesundheitliche und sportliche Zwecke, Gartenbaubetriebe und Tankstellen. Keine der beiden<br />
Hauptnutzungsarten Wohnen und Gewerbe darf ein deutliches Übergewicht über die andere<br />
haben bzw. optisch eindeutig dominieren. Die in § 6 BauNVO genannten Anlagen für kirchliche<br />
und kulturelle Zwecke und das Ladengeschäft sind dort allgemein zulässig, sie müssen nicht<br />
der Gebietsversorgung dienen, vielmehr kann sich ihr Einzugsbereich auch überwiegend<br />
oder vollständig auf andere Baugebiete erstrecken. Sie müssen aber nach Art und Umfang<br />
gebietsverträglich sein und dürfen die Zweckbest<strong>im</strong>mung des konkreten Baugebiets nicht<br />
gefährden.<br />
6 Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann nicht davon ausgegangen werden, dass<br />
das genehmigte Bauvorhaben in dem <strong>Mischgebiet</strong> mit dessen Zweckbest<strong>im</strong>mung nicht zu<br />
vereinbaren wäre und der Antragstellerin daher zum Zwecke des Erhalts des Gebietscharakters<br />
ein über das Gebot der Rücksichtnahme hinausgehender Schutz- und Abwehranspruch auf<br />
Bewahrung der Gebietsart zusteht. Dieser Abwehranspruch wird grundsätzlich bereits durch<br />
die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil<br />
hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebietes<br />
eingeleitet wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1993 - 4 C 28/91 -, BVerwGE 94, 151). Was in einem<br />
<strong>Mischgebiet</strong> zulässig ist, richtet sich neben § 6 BauNVO auch nach der Zweckbest<strong>im</strong>mung<br />
dieses Gebiets. Dabei ist zu berücksichtigen, welche Funktionen den einzelnen Baugebieten<br />
<strong>im</strong> Verhältnis zu anderen Baugebieten der Baunutzungsverordnung zukommen (vgl. BVerwG,<br />
Urt. v. 06.12.2000 - 4 B 4.00 -, NVwZ-RR 2001, 217). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung<br />
ist bei typisierender Betrachtungsweise davon auszugehen, dass das Bauvorhaben mit dem<br />
Charakter eines <strong>Mischgebiet</strong>s zu vereinbaren ist. Bei dem Vorhaben handelt es sich um eine<br />
Anlage für kirchliche und kulturelle Zwecke, die in den bereits vorhandenen Gebäuden des<br />
bisher dort eingerichteten Teppichhandels betrieben werden soll. Vorgesehen ist in dem<br />
eingeschossigen Gebäude ein Gebetsraum für Männer von 180 m² und für Frauen von 110<br />
m², daneben Aufenthaltsräume, Büros, Abstellräume, ein Laden und Unterrichtsräume. Diese<br />
- 2 -
Größend<strong>im</strong>ension überschreitet voraussichtlich nicht das <strong>im</strong> <strong>Mischgebiet</strong> zulässige und von den<br />
Nachbarn hinzunehmende Maß. Denn bei diesem Umfang handelt es sich voraussichtlich nicht<br />
um eine zentrale Einrichtung, wie dies etwa bei einer durch das Verwaltungsgericht München<br />
- auf dessen Entscheidung (Urt. v. 12.02.2007 - M 8 K 06.3625 -) die Antragstellerin Bezug<br />
n<strong>im</strong>mt - zu beurteilenden Moschee mit einem Flächenangebot von 5.191 m² und Gebetsräumen<br />
von 850 m² und 760 m², der Fall war. Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob das<br />
Vorhaben <strong>im</strong> Schwerpunkt als Anlage für kulturelle Zwecke oder als Anlage für kirchliche<br />
Zwecke einzustufen ist, denn beide Nutzungsarten sind <strong>im</strong> <strong>Mischgebiet</strong> zulässig. Auch ein<br />
islamisches <strong>Gebetshaus</strong> ist <strong>im</strong> Hinblick auf den weltanschaulich neutral auszulegenden Begriff<br />
unter die Best<strong>im</strong>mung des § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO zu subsumieren.<br />
7 Das Bauvorhaben verstößt voraussichtlich auch nicht gegen das § 15 BauNVO zu entnehmende<br />
Gebot der Rücksichtnahme. Die an das Gebot zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich<br />
von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Danach sind Bauvorhaben unzulässig,<br />
wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart<br />
des Baugebiets <strong>im</strong> Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind oder wenn<br />
sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO).<br />
Dabei sind die Auswirkungen der erstrebten Nutzung, das Interesse des Nachbarn an einer<br />
Verhinderung der Beeinträchtigungen und Nachteile, die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die<br />
Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar<br />
ist, gegeneinander abzuwägen. Es kann grundsätzlich umso mehr an Rücksichtnahme<br />
verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die<br />
Rücksichtnahme <strong>im</strong> gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige,<br />
der das Vorhaben verwirklichen will, umso weniger Rücksicht nehmen, je verständlicher und<br />
unabweisbarer die von ihm mit seinem Vorhaben verfolgten Interessen sind. Die hierbei<br />
vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran auszurichten, was einerseits dem<br />
Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage<br />
der Dinge zuzumuten ist. Dabei muss allerdings demjenigen, der sein eigenes Grundstück in<br />
einer sonst zulässigen Weise baulich nutzen will, insofern ein Vorrang zugestanden werden,<br />
als er berechtigte Interessen nicht deshalb zurückzustellen braucht, um gleichwertige fremde<br />
Interessen zu schonen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122). In<br />
diesem Sinne dürfte hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung - ungeachtet der generellen<br />
Zulässigkeit von Anlagen für kirchliche und kulturelle Zwecke in einem <strong>Mischgebiet</strong> - auch<br />
<strong>im</strong> konkreten Einzelfall kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vorliegen. Bei der<br />
Prüfung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ist von ihrem jetzigen Inhalt auszugehen.<br />
Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung dürfte zu Lasten der Antragstellerin u.a. die<br />
Vorbelastung durch den bisher betriebenen Teppichhandel zu berücksichtigen sein.<br />
8 Soweit die Antragstellerin befürchtet, dass durch die genehmigte Nutzungsänderung die<br />
Lärmbeeinträchtigungen zunehmen werden, wurde hiergegen in der Baugenehmigung<br />
Vorsorge getroffen. Eventuelle Änderungsvorschläge oder -anträge, über die nicht<br />
entschieden ist, sind nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Auch der inzwischen wegen<br />
abweichender Ausführung verhängte Baustopp ist vorliegend nicht zum Verfahrensgegenstand<br />
geworden, sondern stellt eine Maßnahme gerade zur Überwachung der Einhaltung der in der<br />
Baugenehmigung getroffenen Regelungen dar.<br />
9 In der Baugenehmigung sind u.a. folgende Nebenbest<strong>im</strong>mungen enthalten:<br />
10 „37. (992) Dieser Baugenehmigung ist die Stellungnahme des Landratsamtes vom<br />
09.03.2006/13.04.2006/18.04.2006 als Beilage angefügt.<br />
a) Die Stellungnahmen folgender Fachbereiche sind zu beachten und einzuhalten:<br />
-Baurechtliche Auflagen, gewerberechtliche und arbeitsschutztechnische Forderungen und<br />
Hinweise des Landratsamtes Fachbereich Gewerbeaufsicht.“<br />
11 Das Landratsamt L. führte in der Stellungnahme vom 13.04.2006 aus, bei einem Betrieb der<br />
Einrichtung nach 22.00 Uhr könnten insbesondere die sozialen Geräusche (Rufen, Schreien<br />
etc. ) dazu beitragen, dass die Spitzenpegel in der Wohnnachbarschaft, entsprechend der TA<br />
- 3 -
Lärm für ein <strong>Mischgebiet</strong> überschritten sein könnten. Deshalb seien die Öffnungszeiten, wie<br />
in der Schalltechnischen Stellungnahme des Ingenieurbüros M. vom 21.03.2005 ausgeführt,<br />
auf den Zeitraum von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr zu beschränken; dies gelte auch für die<br />
Sommermonate und die Fastenzeiten.<br />
12 Unter Nr. 1 der in der Stellungnahme des Landratsamtes L. genannten Auflagen ist ausgeführt:<br />
13 „In den nach dem Bebauungsplan ausgewiesenen Gebieten dürfen folgende<br />
Immissionsrichtwerte, einschließlich des Fahrzeugverkehrs auf dem Grundstück (z. B. Stellplätze)<br />
sowie die Durchführung von Veranstaltungen, Treffen, Freizeitaktivitäten und Fortbildungen etc.,<br />
Warenanlieferungen mit Ladearbeiten, Zu- und Abluftführungen, der Betrieb und die Einrichtung<br />
von technischen Maschinen und Apparaten, wie z. B. Be- und Entlüftungsanlagen, usw., nicht<br />
überschritten werden: allgemeines Wohngebiet (WA) tags 55 dB(A), nachts 40 dB(A), gemischte<br />
Bauflächen (MI, MK) tags 60 dB(A), nachts 45 dB(A). Soweit örtlich durch eine Polizeiverordnung<br />
nichts anderes best<strong>im</strong>mt ist, beginnt die Nachtzeit um 22:00 Uhr und endet um 6:00 Uhr."<br />
14 Nach Nr. 5 der Stellungnahme des Landratsamtes darf die Parkierungsfläche (Stellplätze) nur in<br />
der Zeit von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr genutzt werden.<br />
15 Nach Nr. 6 dürfen keine lärmintensiven Aktivitäten, z. B. Musik, Tanz, sowohl <strong>im</strong> Gebäude S.<br />
Allee 56 als auch <strong>im</strong> Außenbereich (Parkierungsfläche, Stellplätze) stattfinden. Diese Regelung<br />
gilt auch für die Sommermonate und die Fastenzeiten.<br />
16 Im Bauvorbescheid vom14.06.2005 ist hierzu ausgeführt, die Öffnungszeiten (6:00 Uhr<br />
bis 21:00 Uhr) seien zu beachten und einzuhalten. Dies wurde inzwischen durch eine<br />
Ergänzungsentscheidung vom 04.09.2007 so nochmals gegenüber dem jetzigen Bauherrn, dem<br />
Beigeladenen Ziffer 3, konkretisiert. Danach darf die Nutzung (einschließlich der Gebetsräume)<br />
nur von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr erfolgen. Der Parkplatz ist bis 21.00 Uhr zu räumen. Die<br />
Anlieferung zum Laden darf nur während der Tageszeit vom 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr erfolgen.<br />
17 Unter Nr. 38 der angefochtenen Baugenehmigung wird die Nutzfläche auf max<strong>im</strong>al 300 m²<br />
beschränkt.<br />
18 Nr. 39 begrenzt die Gesamtzahl der sich gleichzeitig versammelnden Personen auf max<strong>im</strong>al<br />
300 Personen. Ausnahmsweise darf an max<strong>im</strong>al vier Tagen <strong>im</strong> Jahr (z.B. an hohen Feiertagen)<br />
die Personenzahl bis zu 350 Personen betragen. Auf den Bauvorbescheid vom 14.06.2005 wird<br />
darin außerdem hingewiesen.<br />
19 Die Immissionsrichtwerte für das <strong>Mischgebiet</strong> - tags 60 dB(A), nachts 45 dB(A) - können<br />
sowohl nach dem von der I. G. L. bei der Antragsgegnerin vorgelegten Gutachten des<br />
Ingenieurbüros M. + Partner GbR als auch nach dem von der Antragstellerin vorgelegten<br />
Gutachten der W. Bauphysik GbR vom 21.05.2007 tagsüber (zwischen 6.00 Uhr und 22.00<br />
Uhr) eingehalten werden. Hinsichtlich des Grundstücks der Antragstellerin, S, -Allee, werden<br />
nach den Berechnungen der W. Bauphysik GbR während der oben aufgezeigten - nach der<br />
Baugenehmigung zulässigen - Nutzungszeiten diese Immissionsrichtwerte nicht überschritten.<br />
In dem Gutachten werden verschiedene Situationen dargelegt und die Auswirkungen auf die<br />
Umgebung errechnet. Wegen der Einzelheiten wird auf das den Beteiligten bekannte Gutachten<br />
Bezug genommen. Das Grundstück der Antragstellerin in der S.-Allee ist darin als IO 1 und IO<br />
2 bezeichnet. Für die Situation 0 (Zeitraum 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr mit 180 PKW-Bewegungen),<br />
die Situation A (weitere Aktivitäten auf dem Parkplatz aufgrund des Ladens), Situation B<br />
(zahlreiche Teilnahme der Vereinsmitglieder an den Gebeten; alle 5 Gebete innerhalb des<br />
Zeitraumes von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr), Situation C (max<strong>im</strong>ale Teilnahme der Vereinsmitglieder<br />
an den Gebeten, durchgängige Nutzung und Auslastung der Unterrichtsräume zwischen<br />
7.00 Uhr und 21.00 Uhr) sind die Immissionsrichtwerte hinsichtlich des Grundstücks der<br />
Antragstellerin nicht überschritten. Soweit weitere Konstellationen errechnet werden<br />
- 4 -
(Situation D -Nachtstunde 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr- Situation E und Situation F - Nachtstunde<br />
vor Sonnenaufgang -), betreffen diese nicht die beabsichtigte und genehmigte Nutzung.<br />
Soweit die Werte nachts überschritten würden, kommt es darauf nicht an, weil nach der hier<br />
zu überprüfenden Baugenehmigung und der zu deren Gegenstand gemachten Stellungnahme<br />
des Landratsamtes Ludwigsburg vom 13.04.2006 sowie der inzwischen ergangenen<br />
Ergänzungsentscheidung vom 04.09.2007 die Öffnungszeiten von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr<br />
begrenzt sind und auch die Parkierungsfläche außerhalb dieser Zeiten nicht genutzt werden<br />
darf. Damit werden die durch die geänderte Nutzung zugelassenen Lärm<strong>im</strong>missionen für die<br />
Antragstellerin auf ein zumutbares Maß reduziert. Jedenfalls bei der hier vorzunehmenden<br />
summarischen Prüfung ergibt sich nichts anderes.<br />
20 Auf die Einhaltung dieser Vorgaben haben die zuständigen Behörden gegebenenfalls<br />
auch hinzuwirken. Dass es zwangsweise zu einer nicht nur seltenen Überschreitung der<br />
Richtwerte kommen wird, kann bei summarischer Prüfung nicht festgestellt werden.<br />
Die Antragstellerin muss Überschreitungen des festgelegten Beurteilungspegels nur bei<br />
sogenannten Notsituationen oder seltenen Ereignissen hinnehmen (vgl. Nr. 7.1 und Nr. 7.2 TA<br />
Lärm). Im vorliegenden Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist eine weitere<br />
Prüfung der Gutachten oder eine Beweisaufnahme nicht veranlasst.<br />
21 Soweit die Antragstellerin Wertminderung befürchtet, ist in der Rechtsprechung des<br />
Bundesverwaltungsgerichts klargestellt, dass Wertminderungen als Folge der Ausnutzung<br />
der einem Dritten erteilten Baugenehmigung nicht für sich genommen einen Maßstab dafür<br />
bilden, ob Beeinträchtigungen i.S. des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht.<br />
Entscheidend ist danach vielmehr, wie schutzwürdig die baurechtliche Stellung des Betroffenen<br />
ist. Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ist vorliegend keine Verletzung des<br />
Rücksichtnahmegebots festzustellen.<br />
22 Die Antragstellerin befürchtet eine Beeinträchtigung <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Zahl der<br />
Stellplätze. Die Antragsgegnerin hat unter Nr. 22 der besonderen Nebenbest<strong>im</strong>mungen in<br />
der angefochtenen Baugenehmigung die Zahl der baurechtlich notwendigen Stellplätze auf<br />
32 festgesetzt. § 37 Abs.1 LBO, der die Anzahl der notwendigen Stellplätze regelt, entfaltet<br />
keinen Nachbarschutz. Es liegt auch kein Verstoß gegen die nachbarschützende Vorschrift<br />
des § 37 Abs. 7 Satz 2 LBO vor. Danach darf die Nutzung der Stellplätze die Gesundheit<br />
nicht schädigen, das Wohnen und Arbeiten, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung<br />
nicht erheblich stören. Als erheblich werden nach der Rechtsprechung des <strong>VG</strong>H Baden-<br />
Württemberg (vgl. z.B. <strong>Beschl</strong>üsse vom 09.03.1989 - 3 S 412/89; vom 19.06.1990 - 3 S<br />
324/90 - und vom 15.09.1994 - 3 S 1866/94) nur solche Störungen betrachtet, die das Maß<br />
des für die Umgebung billigerweise Zumutbaren überschreiten. Bei der Best<strong>im</strong>mung des<br />
Maßes dessen, wann eine Störung "erheblich" bzw. was an Störungen billigerweise noch<br />
zumutbar und hinzunehmen ist, kommt es auf das Ergebnis einer situationsbezogenen<br />
Abwägung und einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen an (vgl. zu der Situation<br />
bei <strong>im</strong>missionsschutzrechtlichen Abwehransprüchen, BVerwGE 79, 254 (260); BVerwG, NJW<br />
1989, 1291). Die Frage, ob eine Störung den Grad der Erheblichkeit erreicht, hängt deshalb<br />
maßgebend von den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der konkreten Situation<br />
ab. So spielen bei der Beurteilung insbesondere die Gebietsart, der konkrete Standort,<br />
die Zahl und die Benutzungsart der Stellplätze, die Art und Weise der Verbindung zum<br />
öffentlichen Verkehrsraum sowie die Funktion der Stellplätze als "notwendige" oder zusätzliche<br />
Stellplätze eine Rolle. Daneben sind ebenso von Bedeutung die Lage und Beschaffenheit<br />
des Nachbargrundstücks, wie überhaupt die durch die tatsächlichen Verhältnisse best<strong>im</strong>mte<br />
Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Nachbargrundstücks (vgl. zu "erheblichen"<br />
Belästigungen, BVerwG, Buchholz 406.25, § 22 BImSchG Nr. 10, S. 37 m.w.N.). Der Grad<br />
der erheblichen, d.h. billigerweise nicht mehr zumutbaren Störung ist in diesem Fall auch<br />
unter Berücksichtigung der vom Vertreter der Antragstellerin per E-mail übermittelten<br />
Lichtbilder nicht überschritten. Dies gilt sowohl für die Zahl der Stellplätze als auch für die<br />
Zufahrt. In der angefochtenen Baugenehmigung ist sowohl der Zeitraum der Benutzung der<br />
Parkierungsflächen als auch die Personenzahl begrenzt. Die Einhaltung der vorgegebenen<br />
Zeiten und der Personenzahl ist eine Frage des Ordnungsrechts und nicht des Baurechts und<br />
wird gegebenenfalls ebenfalls von den zuständigen Behörden zu kontrollieren sein. Dies gilt<br />
auch für das Verkehrsaufkommen durch die Besucher. Die Nachbarn einer in einem Baugebiet<br />
- 5 -
allgemein zulässigen (kirchlichen und kulturellen) Anlage haben die mit deren Benutzung<br />
üblicherweise verbundenen Beeinträchtigungen grundsätzlich hinzunehmen. Hierzu gehört<br />
auch der An- und Abfahrtsverkehr. Ein nicht mehr zumutbarer Parkplatzsuchverkehr ist unter<br />
Berücksichtigung der Anzahl der geforderten Stellplätze nicht zu erwarten.<br />
23 Auch das übrige Vorbringen der Antragstellerin vermag nicht zur Feststellung der Verletzung<br />
nachbarschützender Vorschriften zu führen.<br />
24 Befürchtungen der Antragstellerin, dass eine anderweitige Nutzung (etwa Einbau von<br />
Wohnungen) beabsichtigt sein könnte, spielt für die Frage der Rechtmäßigkeit der<br />
Baugenehmigung keine Rolle. Diese ist mit ihrem jetzigen Inhalt zu überprüfen.<br />
25 Eine Verbindung des Nutzers der Anlage, der I. G. L. (IGL), eines <strong>im</strong> Vereinsregister<br />
be<strong>im</strong> Amtsgericht L. eingetragenen Vereins, zu dem Dachverband Milli Görüs, der vom<br />
Verfassungsschutz beobachtet wird, spielt <strong>im</strong> baurechtlichen Verfahren keine Rolle. Soweit<br />
die Antragstellerin meint, es liege eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung<br />
i.S.d. § 3 LBO vor, sind hierfür keine konkreten Anhaltspunkte vorhanden. Die Prüfung von<br />
Vereinsverboten und entsprechende Ermittlungen sind anderen Behörden übertragen.<br />
26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Antragstellerin hat gemäß § 162 Abs.<br />
3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen, weil diese als nach der<br />
Baugenehmigung Berechtigte notwendig beizuladen waren. Dies gilt unabhängig davon, ob sie<br />
selbst einen Antrag gestellt haben und damit ein Kostenrisiko eingegangen sind (<strong>VG</strong>H Baden-<br />
Württ., Urteil vom 18.7.1996 - 3 S 2895/95 -).<br />
27 Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 52 Abs. 1, 2 GKG.<br />
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