Porträt – Wolfgang Böhme > PERSÖNLICH Name Wolfgang Böhme Funktion Sportlehrer Wohnort Reinach BL Geburtsdatum 17.12.1949 Grösse 187 Gewicht 90 Position Halbrechts, Rechtsaussen Laufbahn Empor Rostock Erfolge 192 Länderspiele für DDR, Olympiateilnahme 1972, Vizeweltmeister 1974, 3. Rang WM 1978 Stationen Trainer GW Dankersen-Minden, diverse Engagements als Trainer in Regionalliga und Oberliga, heute Nachwuchstrainer RTV 1879 Basel Hobbies Familie, Handball Familie verheiratet, Tochter Paulin (11), zwei erwachsene Söhne. Zwillingsbruder Matthias (10 Min. älter) trainiert in St. Gallen die U21-Elite Lieblingsgetränk gerne ab und zu mal ein Bier Lieblingsessen Eis (bin süchtig), Lieblingsmusik 70er- und 80er-Jahre, Udo Lindenberg Lieblingsfilm Einer flog übers Kuckucksnest Shakehands zwischen Wolfgang Böhme (links) und Kurt Klühspiess vor dem Europapokal-Finalhinspiel 1979 in der Münchner Olympiahalle. Bild: Privatarchiv Wolfgang Böhme 42 www.handballworld.com In seiner Blütezeit dirigierte Wolfang Böhme, der heute den Nachwuchs des RTV Basel trainiert, die DDR-Nationalmannschaft als Kapitän. Eigentlich hätte er zum Team des Olympiasiegers 1980 gehört – doch das Schicksal und der DDR-Geheimdienst hatten etwas dagegen. Erik Eggers www.handballworld.com Der verhinderte Olympiasieger > Als Torhüter Wieland Schmidt in der Verlängerung den letzten Ball pariert hat, als feststeht, dass die DDR tatsächlich Olympiasieger im Handball ist, fallen sich die Menschen im überfüllten «Szczecin», einer Kneipe im Rostocker Stadtteil Lütten Klein, in die Arme. Viel Bier wird bestellt, um dieses historische 23:22 über den ungeliebten sozialistischen Bruder aus der Sowjetunion zu begiessen. Nur einer feiert nicht an diesem 30. Juli 1980. Einer weint. Wolfgang Böhme kauert auf seinem Barhocker, sein Kinn berührt den Tresen, und während er wortlos die bewegenden Bilder aus Moskau verfolgt, tropfen dicke Tränen aus seinen Augen. Der 30-Jährige kann diesen Triumph nicht geniessen. Der Schmerz, nicht in Moskau zu sein, ist grösser. Der Kapitän wird zur Unperson Zehn Jahre lang hat er diesem Team angehört, vier Jahre davon als Kapitän. Wie besessen hatten sie vor Moskau trainiert. Waren einkaserniert worden über Wochen und Monate. Hatten Spielsysteme eingeübt, Kondition gebolzt, bis ihnen schwarz wurde vor Augen. Und dann dieser Tiefschlag. Gut vier Monate vor den Spielen in Moskau, kurz vor dem Karrierehöhepunkt, hatten ihn die Funktionäre einfach «ausdelegiert», wie das im DDR-Jargon genannt wurde. Als «Reisekader» gesperrt. Seitdem darf Wolfgang Böhme keinen Handball mehr spielen, er, der Kapitän und 192-malige Nationalspieler. Über ein Jahrzehnt lang ist er gefeiert worden als sozialistischer Vorzeigesportler, in seiner idyllischen Heimat Heringsdorf auf Usedom, bei seinem Klub SC Empor Rostock, als Kapitän in der ganzen DDR. Nun ist eine Unperson aus ihm geworden. Wird er totgeschwiegen von der Öffentlichkeit. Er hat allen Grund zu weinen. Warum Wolfgang Böhme in Ungnade gefallen ist, darum ranken sich schon in jenem Sommer 1980 viele Legenden. Die Zeitungen in der DDR, die über Böhme doch so lange berichtet haben, dürfen nun nicht mehr über ihn schreiben. Eine letzte schmale Meldung nur ist erlaubt. Aus «disziplinarischen Gründen» spiele er nicht mehr in der Verbandsauswahl und beim SC Empor Rostock, heisst es, woraufhin die Gerüchte um seine Absetzung noch stärker wuchern. «Den Böhme > BUCH-TIPP Böhme – eine deutschdeutscheHandballgeschichte Mit seinem Buch «Böhme – eine deutschdeutsche Handballgeschichte» hat Erik Eggers das Leben Böhmes – den Weg vom privilegierten Spitzensportler zum gehetzten Underdog – aufgezeichnet. Er stützt sich dabei auf etliche Gespräche mit Wolfgang Böhme, reichert die Biografie aber auch mit Interviews mit Böhmes Weggefährten aus Ost und West, seinem ausführlichen Tagebuch und sogar seiner Stasi-Akte an. So ist ein lebendiges Bild sowohl über Wolfgang Böhme selbst, als auch über den «deutsch-deutschen Klassenkampf» auf sportlicher Ebene entstanden. Erik Eggers Verlag Die Werkstatt 256 Seiten, Hardcover, mit vielen Fotos ISBN: 978-3-89533-604-1 HAndBall 1-09 43