Zugleich Anmerkung zu OLG Frankfurt, Beschluss vom ... - WilmerHale
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Wirtschaftsrecht<br />
Steinmeyer/Santelmann · Zur Widerleglichkeit der Angemessenheitsvermutung beim übernahmerechtlichen Squeeze out<br />
anderen betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden <strong>zu</strong>r Ermittlung<br />
der vollen Entschädigung 9 . Dadurch seien die Minderheitsaktionäre<br />
auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG verletzt: Entsprechend<br />
den Vorgaben des BVerfG seien lediglich ein Schutz gegen<br />
den Missbrauch wirtschaftlicher Macht und eine volle Entschädigung<br />
für den Verlust der Rechtsposition gefordert 10 . Indem die Angemessenheitsvermutung<br />
auf dem nach § 31 WpÜG, §§ 4ff. WpÜG-AngVO<br />
angemessen festgesetzten Angebotspreis und auf der bei Erreichen der<br />
90%igen Erfolgsschwelle unter Beweis gestellten Marktakzeptanz des<br />
Angebots beruhe, würde diesen Vorgaben aber genügt.<br />
Schließlich spricht das <strong>OLG</strong> <strong>Frankfurt</strong> beiläufig drei weitere Problemkreise<br />
des übernahmerechtlichen Squeeze out an, die es aber wiederum<br />
mangels Entscheidungserheblichkeit offen lässt. Es handelt sich<br />
hierbei um die Fragen der Berücksichtigung paralleler Paketerwerbe<br />
für die Ermittlung der Annahmequote, des an<strong>zu</strong>wendenden Verfahrens<br />
bei Nichteingreifen der Angemessenheitsvermutung 11 und der<br />
Besicherung des Abfindungsanspruchs der ausscheidenden Aktionäre.<br />
III. Würdigung des <strong>Beschluss</strong>es<br />
1. Rechtsnatur der Angemessenheitsvermutung<br />
Die Frage der Widerleglichkeit der Angemessenheitsvermutung ist<br />
bisher die umstrittenste Frage des übernahmerechtlichen Squeeze out.<br />
Während einer Ansicht 12 <strong>zu</strong>folge § 39a Abs. 3 S. 3 WpÜG auf dem<br />
Wege richtlinien- bzw. verfassungskonformer Auslegung als widerleglich<br />
<strong>zu</strong> interpretieren sei, geht eine wohl überwiegende Ansicht im<br />
Schrifttum 13 davon aus, dass die Vermutung im Einklang mit dem gesetzgeberischen<br />
Willen 14 unwiderleglich sei. Der Meinungsstreit soll<br />
hier nicht noch einmal im Einzelnen nachgezeichnet werden 15 .<br />
a) Widerlegung des Markttests<br />
Es wäre <strong>zu</strong> begrüßen gewesen, wenn das <strong>OLG</strong> <strong>Frankfurt</strong> abschließend<br />
<strong>zu</strong>r Rechtsnatur der Angemessenheitsvermutung Stellung bezogen<br />
hätte. Auch wenn dem <strong>Beschluss</strong> an einigen Stellen <strong>zu</strong> entnehmen ist,<br />
dass es die Annahme einer unwiderleglichen Angemessenheitsvermutung<br />
favorisiert, verbleiben Unsicherheiten, wie das Gericht <strong>zu</strong>künftige<br />
Fälle entscheiden wird.<br />
Trotz seines – <strong>zu</strong> begrüßenden – Plädoyers für den Markttest hat das<br />
Gericht der Praxis keine klaren Maßstäbe an die Hand gegeben, wann<br />
dieser Markttest versagen könnte. Allein der Verweis 16 auf die Beiträge<br />
von Paefgen und Rühland könnte Aufschluss darüber geben, wann das<br />
<strong>OLG</strong> <strong>Frankfurt</strong> unter Umständen bereit sein könnte, ein Marktversagen<br />
an<strong>zu</strong>erkennen. Nach Paefgen 17 soll der Markttest dann widerlegt<br />
sein, wenn der Angebotspreis beeinflusst ist durch: (a) die Verlet<strong>zu</strong>ng<br />
von Insiderregeln (§§ 13f. WpHG), (b) Verstöße gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht<br />
(§ 15 WpHG), (c) Marktmanipulation (§ 20a WpHG)<br />
und (d) sonstige Verstöße gegen das Wertpapierhandelsrecht sowie bei<br />
(e) Verstößen gegen § 11 WpÜG, § 2 WpÜG-AngVO oder (f) bei irreführenden<br />
Stellungsnahmen der Verwaltung der Zielgesellschaft.<br />
b) Vor<strong>zu</strong>gswürdige Lösung: Unwiderleglichkeit des<br />
§ 39a Abs. 3 S. 3 WpÜG – Verhinderung des Squeeze<br />
out in Missbrauchsfällen über § 242 BGB<br />
Um Einzelfallgerechtigkeit her<strong>zu</strong>stellen, wäre aber eine andere Lösung<br />
vor<strong>zu</strong>gswürdig gewesen: Das <strong>OLG</strong> <strong>Frankfurt</strong> hätte § 39a Abs. 3 S. 3<br />
WpÜG als unwiderleglich ansehen und klarstellen sollen, dass allenfalls<br />
unter den Vorausset<strong>zu</strong>ngen des § 242 BGB ein Ausschluss der Minder-<br />
heitsaktionäre aus<strong>zu</strong>scheiden hat 18 . Damit wäre nicht nur der eindeutige<br />
gesetzgeberische Wille (Unwiderleglichkeit) <strong>zu</strong>r Geltung gekommen,<br />
sondern die Entscheidung hätte auch für erheblich mehr Rechtssicherheit<br />
bei der Strukturierung von Übernahme- oder Pflichtangeboten gesorgt.<br />
Daneben hätte sich die Rechtsprechung die Möglichkeit offen gehalten,<br />
in Missbrauchsfällen den Squeeze out verhindern <strong>zu</strong> können.<br />
Damit wäre verfassungsrechtlichen Bedenken ausreichend begegnet<br />
worden.<br />
In Betracht käme § 242 BGB in Form des Rechtsmissbrauchs bzw. des<br />
Verbots der un<strong>zu</strong>lässigen Rechtsausübung. § 242 BGB enthält eine allen<br />
Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegren<strong>zu</strong>ng,<br />
wonach eine gegen Treu und Glauben verstoßende Rechtsausübung<br />
oder Ausnut<strong>zu</strong>ng einer Rechtslage als Rechtsüberschreitung<br />
rechtsmissbräuchlich ist 19 . Als in diesem Sinne un<strong>zu</strong>lässig kann die<br />
Ausübung eines Rechts insbesondere dann angesehen werden, wenn<br />
überwiegende schutzwürdige Interessen der Gegenpartei entgegenstehen<br />
und die Rechtsausübung im Einzelfall <strong>zu</strong> einem grob unbilligen,<br />
mit der Gerechtigkeit nicht mehr <strong>zu</strong> vereinbarenden Ergebnis führen<br />
würde 20 .<br />
Überträgt man diese Grundsätze auf die von Paefgen diskutierten<br />
Fallgruppen, so ergibt sich folgendes Bild:<br />
– Marktmanipulation/Verstöße gegen das Verbot von Insidergeschäften:<br />
Macht sich der Bieter <strong>zu</strong>r Vorbereitung seines öffentlichen Angebotes<br />
strafbar oder handelt er ordnungswidrig, so kann er sich im<br />
Anschluss an das Angebot der Rechtsordnung nicht in der Weise<br />
bedienen, dass ihm diejenigen Aktien, die ihm nicht angedient wurden,<br />
nunmehr zwangsweise übertragen werden. Dies sollte auch bei<br />
arglistigem Verhalten bis hin <strong>zu</strong>m Betrug gelten (z.B. bei Verschweigen<br />
eines preisrelevanten Vorerwerbs). Derjenige, der die Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />
einer gesetzlichen Rechtsgrundlage in missbilligenswerter<br />
Weise selbst geschaffen hat, kann aus ihr wegen § 242 BGB<br />
keine Rechte herleiten 21 .<br />
– Verstöße gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht: Hier wird man nicht<br />
ohne weiteres von einer un<strong>zu</strong>lässigen Rechtsausübung sprechen<br />
können, da die Ad-hoc-Publizitätspflicht die Zielgesellschaft und<br />
nicht den Bieter trifft. Die gem. § 242 BGB erforderliche Interessenabwägung<br />
wird hier regelmäßig <strong>zu</strong>gunsten des Bieters ausschlagen.<br />
Zudem sind die Aktionäre vor Verstößen gem. §§ 37b, 37c WpHG<br />
durch Schadensersatzansprüche gegen die Zielgesellschaft geschützt.<br />
9 <strong>OLG</strong> <strong>Frankfurt</strong>, BB 2009, 122, 125.<br />
10 <strong>OLG</strong> <strong>Frankfurt</strong>, BB 2009, 122, 126 unter Verweis auf BVerfG, ZIP 2000, 1670 = NJW 2001, 279.<br />
11 Die Passage des <strong>Beschluss</strong>es, in der das <strong>OLG</strong> die Verfahrensweise bei Nichteingreifen der Angemessenheitsvermutung<br />
ausdrücklich offen lässt, findet sich ausschließlich in der bei Beck-Online veröffentlichten<br />
Version (BeckRS 2008, 25398).<br />
12 LG <strong>Frankfurt</strong> a. M., BB 2008, 2035, 2036 f. Ausführlich Heidel/Lochner, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und<br />
Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2007, § 39a Rn. 56 ff.; Schüppen/Tretter (Fn. 1), § 39a Rn. 26 f.; Paefgen, WM<br />
2007, 765, 767 ff.; ders. (Fn. 1), S. 1221, 1237 ff.; <strong>zu</strong>m damaligen Gesetzentwurf bereits Rühland, NZG<br />
2006, 401, 405 f.<br />
13 Santelmann (Fn. 1), § 39a Rn. 11, 31 f.; Süßmann (Fn. 1), § 39a Rn. 15 f.; Hörmann/Feldhaus, BB 2008,<br />
2134, 2136 ff.; Falkner, ZIP 2008, 1775, 1776; Schlitt/Ries/Becker, NZG 2008, 700 f.; Wilsing/Ogorek, BB<br />
2008, 2038; dies., EWiR 2007, 763, 764; Johannsen-Roth/Illert, ZIP 2006, 2157, 2159. Zu weiteren Nachweisen<br />
vgl. LG <strong>Frankfurt</strong> a. M., BB 2008, 2035, 2036.<br />
14 BT-Drucks. 16/1003, S. 22.<br />
15 Vgl. hier<strong>zu</strong> die in Fn. 12 und 13 genannten Autoren.<br />
16 Vgl. <strong>OLG</strong> <strong>Frankfurt</strong>, ZIP 2009, 74, 79.<br />
17 Paefgen, WM 2007, 765, 768. Vgl. auch ders. (Fn. 1), S. 1221, 1245.<br />
18 § 242 BGB als Korrektiv <strong>zu</strong>r unwiderleglichen Angemessenheitsvermutung befürworten auch Hörmann/<br />
Feldhaus, BB 2008, 2134, 2139.<br />
19 Heinrichs, in: Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 242 Rn. 38. Ausführlich Grüneberg/Sutschet, in: Bamberger/<br />
Roth (Hrsg.), Kommentar <strong>zu</strong>m Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl. 2007, Bd. 1 (§§ 1–610), § 242 Rn. 47 ff.;<br />
Roth, in: Münchener Kommentar <strong>zu</strong>m BGB, 5. Aufl. 2007, Bd. 2 (§§ 241–432), § 242 Rn. 176 ff.; Looschelders/Olzen,<br />
in: Staudinger, Kommentar <strong>zu</strong>m Bürgerlichen Recht, 2005, Buch II (§§ 241–243), § 242<br />
Rn. 214 ff.<br />
20 Mansel, in: Jauernig, BGB-Kommentar, 12. Aufl. 2007, § 242 Rn. 37, 41. Vgl. ausführlich Roth (Fn. 19),<br />
§ 242 Rn. 371 ff.<br />
21 Vgl. Mansel (Fn. 20), § 242 Rn. 45; Looschelders/Olzen (Fn. 19), § 242 Rn. 238 ff.<br />
Betriebs-Berater // BB 14.2009 // 30.3.2009 675