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Führung Melanchthon - Schmidt-bernd.eu

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Philipp <strong>Melanchthon</strong> in Nürnberg<br />

Es ist immer wieder interessant und aufschlussreich zu sehen, wie die allgemeine,<br />

geschichtliche Situation das individuelle Leben eines Einzelnen prägt und<br />

wie auch umgekehrt in einigen, wenigen Ausnahmefällen das Leben eines Einzelnen<br />

auf den geschichtlichen Ablauf einwirkt.<br />

Um einen Menschen recht zu verstehen, muss man ihn im Gesamtzusammenhang<br />

sehen. Ein Einzelner ist immer wie ein Schauspieler in einem Theaterstück.<br />

Zum Theaterstück gehören der Gehalt und der Inhalt, die anderen Schauspieler<br />

mit ihren Rollen, der Ort und die Zeit und dergleichen.<br />

Um z.B. Faust zu verstehen, muss man das ganze Stück verstehen. Man stelle<br />

sich vor, man hört auf der Bühne nur den Text von Faust selbst und sonst nichts.<br />

1 Das Umfeld<br />

H<strong>eu</strong>te wird es um <strong>Melanchthon</strong> gehen. Wir wollen seiner Persönlichkeit näher<br />

kommen und erfahren, wer er war. Um ihn richtig verstehen zu können, müssen<br />

wir das Umfeld sehen, in dem er gelebt und gewirkt hat. Das sind die politische<br />

Situation, die kirchliche und religiöse Situation, die gesellschaftliche und soziale<br />

Situation und zuletzt die geistig- kulturelle Situation.<br />

Wenn wir sozusagen die Bühne aufgebaut haben, können wir uns anschließend<br />

<strong>Melanchthon</strong> als einem einzelnen Mitspieler zuwenden.<br />

1.1 Die politische Situation<br />

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, von ungefähr 1500 bis 1550 sind es<br />

einige markante, herausragende Persönlichkeiten, die die politische Situation<br />

bestimmen.<br />

Da ist einmal in England Heinrich VIII. Er trennte sich<br />

von Rom und begründete eine eigene, die anglikanische<br />

Kirche. Er tat das, weil ihm der Papst die Scheidung<br />

von seiner Frau Katharina von Aragon verweigert hatte<br />

und er deswegen seine Geliebte Anne Boleyn nicht heiraten<br />

konnte.<br />

Ab 1538 ließ König Heinrich die englischen Klöster<br />

auflösen und konfiszierte deren Besitztümer. Weiterhin<br />

wurden die Transsubstantiationslehre, das Verbot der<br />

Priesterehe, die Gültigkeit des K<strong>eu</strong>schheitsgelübdes und<br />

die Ohrenbeichte unter Androhung schwerster Strafen<br />

aufgehoben. Katholiken, die an der römischen Kirche<br />

festhielten wurden verfolgt, inhaftiert und hingerichtet.<br />

1


Da ist der französische König Franz I, der sich in lang<br />

dauernden Kämpfen mit dem Kaiser Karl V aus der<br />

habsburgischen Umklammerung zu lösen versuchte. In<br />

diesen Auseinandersetzungen schloss auch der „allerchristlichste“<br />

König eine Allianz mit dem muslimischen<br />

Sultan Suleiman dem Prächtigen nicht aus.<br />

Diese Kriege banden die Kräfte Karls V. und führten dazu,<br />

dass er in der Anfangszeit der Reformation in den<br />

Jahren zwischen 1520 und 1530 nicht in D<strong>eu</strong>tschland<br />

war und die Reformation in dieser Zeit Gelegenheit hatte,<br />

sich ungehindert auszubreiten.<br />

Da ist der Kaiser Karl V, in dessen Reich die Sonne nicht<br />

unterging. Er war von der mittelalterlichen Idee beherrscht,<br />

das heilige, römische Reich d<strong>eu</strong>tscher Nation zu<br />

erhalten. Hierzu gehörte nach seiner Überz<strong>eu</strong>gung eine<br />

einheitliche Religion als Band, das alles zusammenhält<br />

und allem einen Sinn gibt. In diesem Zusammenhang hatte<br />

er einen Zweifrontenkrieg zu führen. Einmal gegen die<br />

Reformation und zum anderen gegen den Papst und die<br />

Kurie, die sich seinem Wunsch nach einem Konzil widersetzten,<br />

einem Konzil, das vielleicht die erforderlichen<br />

Reformen hätte durchsetzen können.<br />

Und dann ist da noch der muslimische Sultan Suleiman<br />

der Prächtige, der Europa zu erobern drohte und bereits<br />

zweimal bis nach Wien vorgedrungen war.<br />

Man kann sich schwer vorstellen, wie Europa und die<br />

Welt aussehen würden, wenn ihm das gelungen wäre.<br />

Das es nicht soweit kam, ist Karl V. zu verdanken. Er<br />

benötigte hierfür allerdings die Hilfe und Unterstützung<br />

der protestantischen Fürsten, denen er als Gegenleistung<br />

in Bezug auf die Religion weit reichende Zugeständnisse<br />

machen musste.<br />

1.2 Die kirchliche und religiöse Situation<br />

Die kirchliche Situation war desaströs. Die Päpste in Rom und die Bischöfe waren<br />

ausschließlich an Prachtentfaltung, an persönlicher, politischer Macht und<br />

an ausschweifendem Luxusleben interessiert. Wichtig war, der eigenen Familie,<br />

insbesondere den eigenen Kindern, auch den unehelichen, weltliche Machtpositionen<br />

zu sichern. Der Klerus war arm, ungebildet und demotiviert, die Klöster<br />

zum größte Teil verlottert und moralisch verkommen.<br />

2


Der prunksüchtige Papst Julius II wollte Rom städtebaulich<br />

umgestalten. Er begann mit dem Bau der<br />

Peterskirche, lies die Sixtinische Kapelle und die<br />

Stanzen ausmalen und gab für sich ein grandioses<br />

Grabmal in Auftrag. Er beauftragte hierzu Bramante,<br />

Michelangelo und Raffael, die bekanntesten und<br />

besten Künstler der Renaissance. Diese Unternehmungen<br />

kosteten Unsummen von Geld, die unter<br />

anderem auch durch Ablasshandel aufgebracht werden<br />

mussten.<br />

Sein unb<strong>eu</strong>gsamer Machtwille und sein grenzenloser<br />

Ehrgeiz trug ihm den Namen Il Terrible, der<br />

Schreckliche ein. Weil er keine Hemmungen hatte,<br />

seine Gegner gnadenlos umbringen zu lassen, nannte<br />

ihn Luther einen Blutsäufer.<br />

Nach Julius II wurde Leo X Papst. Nach seiner<br />

Wahl soll er gesagt haben: „Da Gott uns die Papstwürde<br />

verliehen hat, so lasst sie uns denn genießen.“<br />

Religiösen und theologischen Problemen stand er<br />

hilf- und interesselos gegenüber. Die geistigen Unruhen<br />

um Luther hat er mit der Bemerkung<br />

„Mönchsgezänk“ zur Seite geschoben. Im Jahre<br />

1521 exkommunizierte er Luther mit der Bulle Decet<br />

Romanum Pontificem.<br />

Aufgrund der hohen Schulden, die Leo X. hinterließ,<br />

konnten angeblich nicht einmal die Kerzen für seine<br />

Bestattung bezahlt werden.<br />

Ein typischer Vertreter der Kirche war der Hohenzoller<br />

Albrecht. Bereits mit 23 Jahren erhielt er den<br />

Kardinalshut. 1513 wurde er Bischof von Magdeburg<br />

und Administrator des Bistums Halberstadt,<br />

1515 sogar Erzbischof von Mainz. Abgesehen von<br />

der politischen Macht waren diese Stellen jeweils<br />

mit reichen Pfründen bedacht. Um sie zu erlangen,<br />

musste er 29.000 Gulden an die Kurie in Rom bezahlen.<br />

Um diesen Betrag aufwenden zu können,<br />

nahm er bei den Fuggern aus Augsburg einen Kredit<br />

von 72.000 Gulden auf.<br />

Da die Fugger darauf drängten, dass Albrecht seine<br />

Schulden zügig zurückzahlte, rief Albrecht in<br />

3


D<strong>eu</strong>tschland einen Ablasshandel ins Leben. Er beauftragte unter anderem den<br />

geschäftstüchtigen und marktschreierischen Tetzel mit dieser Aufgabe, der daraus<br />

ein blühendes Geschäft machte. Damit kam der Stein der Reformation ins<br />

Rollen.<br />

Man kann es nur als perfide H<strong>eu</strong>chelei empfinden, wenn sich Albrecht in seiner<br />

prachtvoll roten Robe als demütig Glaubender vor dem gekr<strong>eu</strong>zigten Jesus abbilden<br />

lässt.<br />

1.3 Die gesellschaftliche und soziale Situation<br />

Auch in gesellschaftlicher und sozialer Beziehung war die erste Hälfte des 16.<br />

Jahrhunderts eine Krisen- und Übergangszeit. Die f<strong>eu</strong>dale Ordnung zerbröckelte<br />

langsam. An ihre Stelle trat das frühkapitalistische Wirtschaftssystem, das in den<br />

Handelshäusern der aufblühenden Städte zu Hause war. Die Fugger in Augsburg<br />

und die Tucher oder Imhoff in Nürnberg sind Beispiele.<br />

Eine Folge war der Abstieg und die Verarmung des Ritterstandes. Diese Entwicklung<br />

wurde noch verstärkt durch die n<strong>eu</strong>e Kriegsführung der mit F<strong>eu</strong>erwaffen<br />

versehenen Landsknechte, die die Ritter ohne Aufgabe ließ. Um ihren aufwändigen<br />

Lebensstil weiterhin aufrecht erhalten zu können, versuchten die Ritter<br />

aus den Bauern immer höhere Leistungen zu erpressen, indem sie ihnen zum<br />

Teil alte Rechte entzogen. Folge waren die schrecklichen Baueraufstände, die<br />

von den Fürsten mit Gewalt niedergeschlagen wurden, wobei in mehreren<br />

Kämpfen insgesamt über 70.000 Bauern niedergemetzelt wurden.<br />

1.4 Die geistig-kulturelle Situation<br />

Die Renaissance brachte im Vergleich zum Mittelalter eine ganz n<strong>eu</strong>e Weltsicht,<br />

in deren Rahmen auch die Stellung des Menschen in einem geänderten Licht<br />

erschien. Die Welt gewann einen eigenen Wert; sie war nicht nur Durchgangsstation<br />

auf dem Weg zu einem Jenseits. Man entdeckte und erforschte ihre<br />

Schönheit und ihre Bed<strong>eu</strong>tung.<br />

Auch der Mensch gewinnt an Eigenwert. Sobald es im gelingt, sich aus Irrtum<br />

und Aberglauben zu befreien, kann er sich zum wahren Ideal hinentwickeln.<br />

Sehr schön drückt das Pico della Mirandola (1463-1494) aus. Er lässt Gott zu<br />

Adam sagen:<br />

Ich schuf dich als ein Wesen, weder sterblich noch unsterblich,<br />

allein damit du dein eigener freier Bildner und Gestalter seiest.<br />

Du kannst zum Tier entarten und zum gottähnlichen Wesen dich wiedergebären.<br />

Du allein hast eine Entwicklung, ein Wachsen nach freiem Willen,<br />

du hast Keime eines allartigen Lebens in dir.<br />

Es sind die antiken Autoren, die für dieses Ziel Begleiter und Wegweiser sind.<br />

Die Vertreter der n<strong>eu</strong>en Geistesrichtung des Humanismus übersetzen und studieren<br />

sie eifrig. Zurück zu den Quellen, ad fontes, zurück zu den ursprünglichen<br />

4


Texten ist der Wahlspruch. Auf diese Weise hat jeder selbst Zugang zur unverstellten<br />

Wahrheit.<br />

2 Philipp <strong>Melanchthon</strong><br />

Der Lebenslauf<br />

In dem soeben beschriebenen Umfeld lebt und agiert Philipp <strong>Melanchthon</strong>. Er<br />

begegnet Kaiser Karl V und hat engen Kontakt zu den Reichsfürsten. Er ringt<br />

mit der Kurie und ihren Vertretern. Er nimmt zu den sozialen Umwälzungen,<br />

z.B. den Bauernkriegen Stellung, und er wirkt als Humanist mit am Traum einer<br />

Veredelung des Menschen durch Schulung und Bildung.<br />

Seine ganz besondere Bed<strong>eu</strong>tung liegt in seinem Einsatz für die Reformation als<br />

Weg- und Kampfgefährt Luthers.<br />

Philipp <strong>Melanchthon</strong> wurde am 16. Februar 1497 im kurpfälzischen Bretten<br />

(h<strong>eu</strong>te Baden Württemberg) geboren.<br />

Philipp <strong>Melanchthon</strong> durchläuft zunächst die übliche Ausbildung. Seine hervorragende<br />

Begabung fällt auf und verhilft ihm zu vielseitiger Förderung, insbesondere<br />

durch den Humanisten R<strong>eu</strong>chlin, einen entfernten Verwandten.<br />

1509 Studium in Heidelberg<br />

Trivium (Grammatik, Rhetorik, Dialektik)<br />

1511 Abschluss Baccalar<strong>eu</strong>s Artium (mit 14 Jahren)<br />

1512 Studium in Tübingen<br />

Quadrivium (Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie)<br />

1514 Abschluss Magister Artium (mit 17 Jahren)<br />

Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise hatte in Wittenberg eine Reformuniversität<br />

ins Leben gerufen, die einen ausgezeichneten Ruf genoss.<br />

1518 Professur für Gräzistik in Wittenberg auf Empfehlung von R<strong>eu</strong>chlin (mit<br />

21 Jahren)<br />

Bekanntschaft mit Luther<br />

Anhänger und Mitstreiter der Reformation<br />

Da wir uns für <strong>Melanchthon</strong> und seine Beziehung zu Nürnberg besonders interessieren,<br />

müssen an dieser Stelle drei Daten besonders hervorgehoben werden.<br />

Wir werden noch ausführlich darauf eingehen:<br />

1525 Aufenthalt in Nürnberg: Diskussion mit Caritas Pirckheimer<br />

1526 Aufenthalt in Nürnberg: Einweihung der Oberen Schule<br />

1555 Aufenthalt in Nürnberg zur Klärung theologischer Streitigkeiten mit Osiander,<br />

dem Prediger in St. Lorenz.<br />

1530 Augsburger Reichstag: Confessio Augustana<br />

Ein wichtiger Markstein in der Reformation insgesamt und im Leben von Philipp<br />

<strong>Melanchthon</strong> war der Augsburger Reichstag 1530. Nach 9jähriger Abwe-<br />

5


senheit kam Kaiser Karl V erstmals wieder nach D<strong>eu</strong>tschland. Er wollte mit Güte<br />

oder Gewalt die Protestanten zum alten Glauben zurückführen.<br />

Die katholische Seite war durch den Theologen Johannes Eck vertreten. Er hatte<br />

die sogenannten Irrlehren Luthers in 404 Sätzen zusammengestellt.<br />

Als Entgegnung hatte Philipp <strong>Melanchthon</strong> eine Bekenntnisschrift erstellt, die<br />

die evangelische Position beschreibt. Sie hat weltgeschichtliche Bed<strong>eu</strong>tung erlangt.<br />

Philipp <strong>Melanchthon</strong> hatte sich hierbei große Zurückhaltung auferlegt.<br />

Ihm lag sehr an einer versöhnlichen Ergebnis. Er war davon überz<strong>eu</strong>gt, nicht<br />

außerhalb der katholischen Kirche zu stehen. Ihm ging es um Reform der bestehenden<br />

Kirche und nicht um Kirchenspaltung und Reformation.<br />

An dieser Stelle wird ein herausragender Charakterzug von Philipp <strong>Melanchthon</strong><br />

d<strong>eu</strong>tlich. Mit außerordentlicher Kompromissbereitschaft war er immer bemüht,<br />

Konflikte zu vermeiden. Mit diese versöhnlichen Haltung stand er ganz im Gegensatz<br />

zu Luther, der sehr viel energischer und kämpferischer war und der das<br />

Vorgehen von Philipp <strong>Melanchthon</strong> in Augsburg als Leisetreterei bezeichnete.<br />

Es ist ein Unglück, dass der Reichstag in Augsburg erfolglos verlief. Die Bekenntnisschrift<br />

Philipp <strong>Melanchthon</strong>s wurde in D<strong>eu</strong>tsch verlesen. Da Karl V<br />

kein D<strong>eu</strong>tsch verstand, schlief er während der Verlesung an. Er hielt die Confessio<br />

für widerlegt und erwartete die Unterwerfung der Protestanten. Diese fühlten<br />

sich jedoch im Recht und gaben nicht nach. Damit war der Versuch, die Glaubensfrage<br />

mit Hilfe des kaiserlichen Schiedsspruchs zu lösen, gescheitert.<br />

Für Philipp <strong>Melanchthon</strong> war das der erste von vielen Misserfolgen, die noch<br />

folgen sollten.<br />

1555 Aufenthalt in Nürnberg zur Klärung theologischer Streitigkeiten mit Osiander,<br />

dem Prediger in St. Lorenz.<br />

1560 Tod in Wittenberg<br />

Nach kurzer, schwerer Krankheit stirbt Philipp <strong>Melanchthon</strong> mit 63 Jahren,<br />

müde, resigniert und den Tod herbeisehnend. Sterbend schrieb er auf einen Zettel:<br />

Du entkommst den Sünden, du wirst befreit von aller Mühsal und von der wütenden<br />

Streitlust der Theologen.<br />

Philipp <strong>Melanchthon</strong> liegt in der Schlosskirche in Wittenberg neben Luther begraben.<br />

3 Philipp <strong>Melanchthon</strong><br />

Der Humanist<br />

<strong>Melanchthon</strong> teilte mit anderen Humanisten die nachfolgenden Grundsätze:<br />

* Eine umfassende Bildung ist die Voraussetzung für ein erfülltes Leben<br />

6


* Das vorurteilsfreie Studium der Literatur ist die Bedingung für eigenständiges<br />

Denken<br />

* Glauben hat Wissen als Grundlage<br />

* Toleranz und undogmatische Gesprächbereitschaft anderen Meinungen gegenüber<br />

werden erstrebt<br />

Das Denkmal für Philipp <strong>Melanchthon</strong>, das Daniel Burgschmiet 1826 geschaffen<br />

hat, charakterisiert in eindrucksvoller Weise diese Denkweise. Anlass war<br />

der 300. Jahrestag de Gründung der Oberen Schule im Jahre 1526 durch Philipp<br />

<strong>Melanchthon</strong>.<br />

Philipp <strong>Melanchthon</strong> wird in der typischen Pose eines Gelehrten mit Barett und<br />

Gelehrtenmantel dargestellt.<br />

Mit seiner rechten Hand stützt er sich auf einen Bücherstapel, Schriften von A-<br />

ristoteles, Plato und Cicero. Darauf steht senkrecht die Lutherbibel mit dem Zi-<br />

tat aus 1. Korinther 13.<br />

Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und hätte<br />

alle Erkenntnis und allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte<br />

der Liebe nicht, so wäre ich nichts.<br />

7


So aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, aber die Liebe ist das größte unter<br />

ihnen.<br />

Sehr schön wird hier zum Ausdruck gebracht, dass sich in der Vorstellung von<br />

<strong>Melanchthon</strong> der religiöse Glaube auf die Erkenntnis der Philosophie stützen<br />

muss, jedoch darüber hinausragt und das Wesentliche darstellt.<br />

Die Tafel auf dem Sockel trägt die folgende Inschrift:<br />

Dem Philipp <strong>Melanchthon</strong> dem Einrichter der freien Künste zwischen den d<strong>eu</strong>tschen<br />

Dem weisesten, humanistischen, beredtesten,<br />

um die fromme Erinnerung zu pflegen<br />

an den Tag vor 300 Jahren<br />

als er das Gymnasium Egidien eingeweiht hat.<br />

Dieses Denkmal ist auf amtliche Anweisung errichtet.<br />

Dank der Nürnberger Bürgerschaft 1826<br />

4 Die Obere Schule in Nürnberg<br />

Als Humanist war Philipp <strong>Melanchthon</strong> der Überz<strong>eu</strong>gung, dass der Mensch die<br />

wahre Menschlichkeit durch Studium und Bildung erreichen könne.<br />

Philipp <strong>Melanchthon</strong> hat sich damit d<strong>eu</strong>tlich von Luther absetzt, für den wahre<br />

Menschlichkeit nur durch die Gnade Gottes erreichbar ist. Für Luther ist es vorrangige<br />

Aufgabe der Bildung und Ausbildung, den Menschen in den Stand zu<br />

setzen, selbständig die Bibel zu lesen.<br />

Die damals übliche Ausbildung war für die Vorstellungen von Philipp <strong>Melanchthon</strong><br />

nicht ausreichend. Sie umfasste im Wesentlichen die 7 Artes liberales, die<br />

sich in das Trivium und das Quadrivium gliedern. Sie wurden in der so genannten<br />

Artistenfakultät gelehrt.<br />

Zum Trivium gehörten:<br />

Grammatik: Lateinische Sprachlehre<br />

Rhetorik: Stillehre<br />

Dialektik bzw. Logik: Schlüsse und Beweise<br />

Zum Quadrivium gehörten:<br />

Arithmetik: Zahlentheorie (Zahlenbegriff, Zahlenarten, Zahlenverhältnisse) und<br />

z. T. auch praktisches Rechnen<br />

Geometrie: <strong>eu</strong>klidische Geometrie, Geografie, Agrimensur<br />

Musik: Musiktheorie und Tonarten u. a. als Grundlage der Kirchenmusik<br />

Astronomie: Lehre von den Sphären, den Himmelskörpern und ihren Bewegungen,<br />

unter Einschluss der Astrologie und der Auswirkungen auf die sublunare<br />

Sphäre und den Menschen<br />

8


Die Artistenfakultät war auf der mittelalterlichen Universität die Vorstufe zu den<br />

drei oberen Fakultäten Theologie, Medizin und Jura.<br />

Der Schöne Brunnen in Nürnberg zeigt sehr schön diese alten Vorstellungen. Er<br />

entstand in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts im Rahmen der N<strong>eu</strong>gestaltung des<br />

Marktes.<br />

Die bildnerische Gestaltung zeigt noch die ganz und gar den weltanschaulichen<br />

Überz<strong>eu</strong>gungen des Mittelalters verhaftete Einstellung, die noch weit von den<br />

Vorstellungen der Humanisten und <strong>Melanchthon</strong>s entfernt ist.<br />

Im unteren Kreis finden sich die 7 Artes liberales in einer Weise, wie sie zur üblichen<br />

Ausbildung der späten Mittelalters gehörten. Jeder Disziplin wurde als<br />

Symbol ihr markantester Vertreter zugeordnet. So kann man als Vertreter der<br />

Astronomie den griechischen Wissenschaftler Ptolemäus und als Vertreter der<br />

Geometrie Euklid sehen.<br />

Nun ist es interessant und aufschlussreich zu sehen, dass sich hinter jedem der<br />

heidnischen Vertreter der Artes liberales je einer der 4 Evangelisten oder je einer<br />

der 4 Kirchenväter befinden.<br />

Sie sind es, die sozusagen die heidnische Wissenschaft überwachen und weiterführen<br />

und das, was bei ihnen nur bruchstückhaft zu sehen ist, zur Vollendung<br />

führen. So sitzt z.B. hinter Pythagoras der Evangelist Matthäus.<br />

Es sind drei große Veränderung der Schule, die <strong>Melanchthon</strong> vorschweben. Er<br />

beschreibt sie in seiner Schrift ,,Einrichtung allgemein bildender Schulen mit<br />

christlicher Unterweisung"<br />

9


* Erweiterung des Curriculums<br />

* Schulordnung<br />

* Verbesserung der Didaktik und der Pädagogik<br />

In diesem Sinne war er während seines ganzen Lebens als Lehrer, als Lehrbuchschreiber<br />

und als Organisator des Schulwesens tätig. Diese Aktivitäten haben<br />

ihm den Ehrentitel Präceptor Germaniae, Schulmeister D<strong>eu</strong>tschlands eingetragen.<br />

Dieser eingeschränkte Fächerkanon wurde von Philipp <strong>Melanchthon</strong> um die Fächer<br />

Geschichte, Moralphilosophie, Poetik, Naturwissenschaft und Geografie<br />

erweitert. Dazu kam noch die griechische Sprache. Sein Ziel war eine Bürgerschule,<br />

die im Wesentlichen Allgemeinbildung vermitteln sollte. Allerdings<br />

wurde auch immer großer Wert auf das eigenständige Studium von Gottes Wort<br />

gelegt, ohne das wahre Bildung nicht möglich schien.<br />

Da durch die Reformation die kirchlich geleiteten Schulen wegfielen, entstand<br />

zunächst ein großes Defizit. Erasmus von Rotterdam fällt 1528 in einem Brief<br />

angesichts der betrüblichen Lage ein hartes Urteil:<br />

Wo der Lutheranismus herrscht, da ist der Untergang der Wissenschaften.<br />

Es musste also ein n<strong>eu</strong>es Schulsystem geschaffen werden, das an die Stelle der<br />

bisherigen Kloster- und Kirchenschulen trat. Es wurde von Philipp <strong>Melanchthon</strong><br />

beispielgebend in den Schulen in Eisenach und Nürnberg erprobt.<br />

Philipp <strong>Melanchthon</strong> schwebte ein dreigliedriges Schulsystem vor.<br />

* Grundschule: Lesen und Schreiben, Einführung in das Lateinische, Glaubensbekenntnis.<br />

* Weiterführende Schule: Als weitere Fächer Dialektik und Rhetorik.<br />

* Obere Schule: Umgangssprache Latein, Griechisch.<br />

In Bezug auf die Pädagogik verfolgte Philipp <strong>Melanchthon</strong> etwas, was man h<strong>eu</strong>te<br />

mit Reformpädagogik bezeichnen würde. An die Stelle des Drills und des<br />

Rohrstocks sollte die Fr<strong>eu</strong>de am Lernen und an der Schule treten. Eigenes Fragen<br />

und eigener Wissensdrang sollten vorrangig sein. Hierzu dienten Philipp<br />

<strong>Melanchthon</strong> Erzählungen aus dem Alltagsleben, Fabeln oder Geschichten aus<br />

der Weltgeschichte, die alle den Unterricht lebendig und abwechslungsreich gestalten<br />

sollten.<br />

Allerdings musste er feststellen, dass sich <strong>Melanchthon</strong>s idealistischen Vorstellungen<br />

in Bezug auf die Schule oft nicht mit der Realität deckten. So bemerkt er:<br />

10


Gibt es einen Esel, der je in der Mühle so viel Übles zu erdulden hätte, wie der<br />

Durchschnitt der Lehrer im Unterricht an Mühe und Beschwerden aushalten<br />

muss?<br />

Die Kinder, verdorben durch häusliche Schwäche, bringen statt Liebe zum Studium<br />

grimmigen Hass, Missachtung der Lehrer und die schlimmsten Gewohnheiten<br />

mit in die Schule. Und mit einem solchen Ungeh<strong>eu</strong>er soll sich der Lehrer<br />

herumplagen…<br />

Der Lehrer trägt etwas vor, da beschleicht den Weichling der Schlaf, während<br />

der Lehrer sich müde spricht. Fragst du daher am nächsten Tag nach dem, was<br />

durchgenommen wurde, so ist es zu einem Ohr rein- und zum anderen hinausgegangen.<br />

Die Arbeit beginnt von vorne… Nie nimmt der Knabe ein Buch zur<br />

Hand, es sei denn, dass der Lehrer ihn nötigt.<br />

Wir Lehrer sind von allen Sterblichen am übelsten dran, denn wir haben die<br />

härteste Arbeit, leben in kümmerlichen Verhältnissen und müssen uns noch mit<br />

Verachtung behandeln lassen, nicht nur von unseren Schülern sondern auch von<br />

ihren Eltern.<br />

Bereits im Jahre 1524 beschloss der Rat der Stadt Nürnberg die Gründung einer<br />

weiterführenden Schule. Sie sollte dem Typ der Oberen Schule, also dem dritten<br />

Abschnitt in <strong>Melanchthon</strong>s Schulordnung entsprechen. Auf diese Weise sollten<br />

die Söhne der Nürnberger Patrizier eine solide Grundausbildung erhalten, bevor<br />

sie auf die Universitäten in anderen Städten wechselten.<br />

<strong>Melanchthon</strong> wurde der gut dotierte Posten eines Schulleiters angeboten. Er<br />

lehnte ab. Allerdings empfahl er seinen Fr<strong>eu</strong>nd Camerarius als Schulleiter.<br />

Die Bezahlung der Lehrer war fürstlich. So erhielt z.B. Camerarius 150 Gulden<br />

im Jahr. Im Vergleich: Ganz ungefähr kann man davon ausgehen, dass der<br />

Kaufkraft entsprechend ein Gulden 7.500 Euro wert war. Das Jahresgehalt betrug<br />

demnach 112.500 Euro. Davon lässt sich wohl leben!<br />

Im Jahre 1526 konnte die Obere Schule unter Anwesenheit von Philipp <strong>Melanchthon</strong><br />

eröffnet werden. In seiner Festrede sagte er:<br />

Die Spartaner sagen, die Mauern einer Stadt müssen aus Eisen nicht aus Stein<br />

sein. Ich aber bin der Meinung, dass eine Stadt nicht so sehr durch Waffen als<br />

vielmehr durch Klugheit, Besonnenheit und Frömmigkeit verteidigt werden sollte.<br />

Leider war der Schule kein Erfolg beschieden. Die Schülerzahl blieb gering. Das<br />

lag wohl einmal an der Tatsache, dass die Schule keinen akademischen Grad<br />

und keinen akademischen Titel vergeben konnte. Zum anderen scheinen die<br />

pragmatisch gesinnten Nürnberger Kaufl<strong>eu</strong>te eine humanistische Bildung als<br />

nicht unbedingt erforderlich angesehen zu haben.<br />

11


So soll der Mathematiklehrer Schöner nur zwei Schüler gehabt haben. Erasmus<br />

von Rotterdam spottete, dass in der Oberen Schule in Nürnberg die Schüler kein<br />

Schulgeld zu bezahlen brauchten. Vielmehr müsse man sie bezahlen, damit sie<br />

kämen.<br />

Im Jahre 1575 wird die Obere Schule in Nürnberg geschlossen und aufs Land<br />

nach Altdorf verlegt.<br />

1633 wurde die Obere Schule wegen organisatorischer und pädagogischer Mängel<br />

wieder zurück nach Nürnberg geholt. 1669 bezog die Schule einen N<strong>eu</strong>bau<br />

auf dem Egidienplatz.<br />

Als die Reichsstadt Nürnberg im Jahre 1808 in das Königreich Bayern integriert<br />

wurde, wurde die Schule verstaatlicht und Georg Friedrich Hegel zum Direktor<br />

ernannt.<br />

1911 erhielt die Schule ein n<strong>eu</strong>es Gebäude in der Sulzbacher Straße.<br />

1925 besuchte das erste Mädchen die Schule.<br />

1933 wurde die Schule in <strong>Melanchthon</strong> Gymnasium umbenannt.<br />

5 Das Nürnberger Religionsgespräch<br />

Die freie Reichsstadt Nürnberg schließt sich relativ früh der Reformation an.<br />

Hierfür gibt es gewichtige Gründe.<br />

Der Nürnberger Rat war vorwiegend humanistisch gesinnt. Er stand damit den<br />

Anliegen der Reformation offen und unterstützend gegenüber. Dazu kam, dass<br />

viele Söhne von Patrizierfamilien in Wittenberg studiert hatten und dort mit dem<br />

Geist der Reformation vertraut worden waren. Nach ihrer Rückkehr nach Nürnberg<br />

wurden sie zu Befürwortern der Reformation.<br />

Die Humanisten trafen sich in einem Kreis von Gleichgesinnten, der so genannten<br />

Sodalitas Staupiziana.<br />

Johann von Staupitz war Generalvikar der d<strong>eu</strong>tschen Augustiner-Eremiten, zu<br />

denen auch Luther gehörte. Er war Professor in Wittenberg. Staupitz selbst war<br />

mehrere Male in Nürnberg, 1512, 1516 und 1517. Seine Predigen hatten ungeh<strong>eu</strong>ren<br />

Zulauf.<br />

Der Sodalitas Staupiziana gehörten z.B. Willibald Pirckheimer, aber auch Albrecht<br />

Dürer an. Man tagte regelmäßig im Augustinerkloster und diskutierte dort<br />

humanistische und theologische Themen, besonders die Barmherzigkeitslehre<br />

des Heiligen Augustin, die von Staupitz vertreten wurde. Auf diese Weise wurde<br />

bereits sehr früh humanistisches und reformatorisches Gedankengut in Nürnberg<br />

lebendig.<br />

Es gab im Nürnberger Rat Persönlichkeiten, die bewusst und intensiv die Reformation<br />

förderten. Hierzu gehörte z.B. der Vorderste Ratschreiber Lazarus<br />

Spengler, von dem bereits 1519 eine Schrift bekannt wurde, in der er die Lehre<br />

Luthers verteidigte.<br />

12


Außerdem war es den Nürnbergern schon lange vor der Reformation in schwierigen<br />

Auseinandersetzungen mit dem Bischof in Bamberg und der Kurie in Rom<br />

gelungen, das Recht zur Besetzung der Pfarrstellen zu erkämpfen. Das hatte zur<br />

Folge, dass nun die Hauptkirchen St. Sebald, St. Lorenz. St. Jakob und St. Egidien<br />

mit Predigern besetzt werden konnten, die alle reformatorisch gesinnt waren.<br />

Besonders aktiv war hier der Prediger in St. Lorenz, Andreas Osiander.<br />

Im Bereich der Klöster war der Prior des Augustinerklosters Wolfgang Volprecht<br />

führend. Bereits 1523 reichte er das Abendmahl in beiderlei Gestalt. 1524<br />

hielt er eine Messe in d<strong>eu</strong>tscher Sprache.<br />

Gleichzeitig gab es jedoch in einigen Kirchen und Klöstern, wie z.B. bei den<br />

Barfüßern, den Karmelitern, Dominikanern und den Klarissen noch Anhänger<br />

des alten römisch-katholischen Glaubens.<br />

Beide Seiten haben sich gegenseitig heftig beschimpft und verunglimpft.<br />

Um diese unglückliche Situation zu beenden und eine gleichartige Gottesdienstordnung<br />

in allen Nürnberger Kirchen sicherzustellen, wurden beide Parteien<br />

1525 zu einem Religionsgespräch eingeladen.<br />

Dieses Religionsgespräch fand im Nürnberger Rathaus statt. Geladen waren<br />

alle Mitglieder des Rates, Vertreter der altgläubigen und der reformatorisch gesinnten<br />

Kirchen und Klöster und zahlreiche angesehene Bürger, sodass etwa 500<br />

Personen anwesend waren. Vor dem Rathaus hatte sich eine große Menschenmenge<br />

versammelt, die durch die geöffneten Fenster zum Teil mithören konnte<br />

und mit Erregung den Ausgang der Verhandlungen erwartete.<br />

Die Atmosphäre war spannungsgeladen und explosiv.<br />

Beide Parteien sollten den Glauben betreffend auf 12 Grundfragen Antwort geben.<br />

Hierzu gehörten z.B. die Priesterehe, die Eucharistie und die Rechtfertigungslehre.<br />

Für die Protestanten sprach der Prediger von St. Lorenz Osiander,<br />

für die Altgläubigen der Franziskaner Michael Fries aus dem Barfüßerkloster.<br />

Der mehr oder weniger vorhersehbare Ausgang führte dazu, dass Nürnberg eine<br />

evangelische Stadt wurde. Es ergaben sich damit unter anderem die folgenden<br />

Konsequenzen:<br />

Klöster wurden geschlossen oder freiwillig an die Stadt übergeben.<br />

Prozessionen und Messen wurden abgeschafft.<br />

Die Anzahl der Feiertage wurde eingeschränkt.<br />

Der Übergang war nicht reibungslos und konfliktfrei.<br />

Altgläubige Prediger, wie z.B. Andreas Stoß, der Sohn des Bildhauers Veit Stoß,<br />

mussten die Stadt verlassen.<br />

Von besonderer Bed<strong>eu</strong>tung waren die Beschlüsse für das Klarissenkloster unter<br />

Leitung der Äbtissin Caritas Pirckheimer. So weigerten sich z.B. die Klarissen,<br />

ihr Kloster freiwillig zu verlassen. Es kam zu Tumulten.<br />

13


6 Philipp <strong>Melanchthon</strong> und Caritas Pirckheimer<br />

Caritas Pirckheimer hieß vor ihrem Eintritt in das Klarissenkloster Barbara.<br />

Sie wurde 1467 als Tochter von Johannes Pirckheimer und seiner Ehefrau Barbara,<br />

geb. Löffelholz geboren. Sie entstammt damit zwei der vornehmsten<br />

Nürnberger Patrizierfamilien. Zur Ausbildung kam sie in die Klosterschule der<br />

Klarissen. Dies war kein ungewöhnlicher Schritt, da die 4 Nürnberger Lateinschulen<br />

nur Jungen aufnahmen. Sehr früh schon zeigte sich ihre außerordentliche<br />

Begabung.<br />

Mit 16 Jahren wurde sie als Novizin in das Klarissenkloster<br />

aufgenommen. Sie erhielt den<br />

Namen Caritas. Im Kloster übernahm sie eine<br />

Reihe von Aufgaben. So unterrichtete sie z.B.<br />

die Klosterschülerinnen, war für die Bibliothek<br />

verantwortlich und war Novizenmeisterin. Im<br />

Jahre 1503 wurde sie zur Äbtissin gewählt.<br />

Die Aufgabe der Äbtissin umfasst einerseits die<br />

Sorge um das geistlichen Leben im Konvent<br />

und andererseits auch die um das leibliche<br />

Wohl der Mitschwestern. Zu Caritas' Zeiten<br />

waren es fünfzig bis sechzig Nonnen. Caritas<br />

legte großen Wert auf eine geistig-religiöse<br />

Ausbildung der Nonnen. Alle Schwestern erhielten<br />

Lateinunterricht. Sie sollten die Sprache,<br />

in der sie beteten, verstehen und darüber<br />

hinaus die Fähigkeit besitzen, Bibelstellen in<br />

Latein und D<strong>eu</strong>tsch zu studieren. Nach Meinung<br />

der Äbtissin kann nur mit Hilfe einer guten Bildung eine tiefgehende<br />

Frömmigkeit entstehen. Durch eine umfassende, humanistisch geprägte Bildung<br />

sollte den Schwestern eine Auseinandersetzung mit ihrem Glauben ermöglicht<br />

werden.<br />

Das Kloster geriet während der Reformation in eine schwere Krise. Nach den<br />

Nürnberger Religionsgesprächen wurde im März verfügt, dass den Franziskanern,<br />

die Beichtväter und Prediger für die Nonnen waren, verboten wurde, ihr<br />

Amt weiterhin auszuüben. Die Nonnen mussten außerdem auf die Messe, das<br />

Bußsakrament und das Sterbesakrament verzichten. Caritas Pirckheimer schreibt<br />

darüber:<br />

Es wäre uns lieber und nützlicher, Ihr schicket einen Henker in unser Kloster,<br />

der uns allen die Köpfe abschlüge, als dass Ihr uns einen vollen, trunkenen, unk<strong>eu</strong>schen<br />

Pfaffen zuschickt. Man nötigt keinen Dienstboten, noch einen Bettler,<br />

dass er beichten muss, wo seine Herrschaft will. Wir wären ärmer als arm, sollten<br />

wir denen beichten, die selber keinen Glauben an die Beichte haben, sollten<br />

wir das hochwürdige Sakrament von denen empfangen, die so absch<strong>eu</strong>lichen<br />

14


Missbrauch damit treiben, dass es eine Schande ist davon zu hören, sollten wir<br />

denen gehorsam sein, die weder dem Papst, dem Bischof, dem Kaiser, noch der<br />

ganzen heiligen, christlichen Kirche gehorsam sind. Sollten sie auch den schönen<br />

göttlichen Dienst abschaffen und nach ihren Köpfen ändern, so wollte ich<br />

lieber tot als lebendig sein.<br />

In der Pfingstwoche des Jahres 1525 erging ern<strong>eu</strong>t ein Beschluss des Rates an<br />

die Nürnberger Klöster, der folgende fünf Forderungen beinhaltete:<br />

* Alle Mitschwestern sollten durch die Äbtissin von ihren Ordensgelübden entbunden<br />

werden.<br />

* Keine Nonne sollte gegen ihren eigenen oder den Willen ihrer Eltern gezwungen<br />

werden, im Kloster zu bleiben. Das Kloster wurde darüber hinaus dazu<br />

verpflichtet, heiratswilligen Schwestern ihre Mitgift auszuzahlen.<br />

* Statt des Habits sollte bürgerliche Kleidung getragen werden.<br />

* Der Rat sollte eine Aufstellung über alle Einkünfte, Besitztümer und sonstiger<br />

Wertgegenstände des Konvents erhalten.<br />

* Schließlich sollten die bisherigen, mit schwarzem Stoff abgedeckten Redefenster<br />

am Klausurgitter entfernt werden, damit der Besucher sicher sein konnte,<br />

dass das Gespräch von keiner anderen Person belauscht würde.<br />

Die Situation eskalierte am Tag vor Fronleichnam 1525, als drei Nonnen gewaltsam<br />

von ihren Müttern aus dem Konvent verschleppt wurden, nachdem die<br />

Töchter in vorangegangenen Versuchen nicht zu einem freiwilligen Verlassen<br />

des Klaraklosters zu bewegen gewesen waren.<br />

Nur eine der Schwestern, Anna Schwarz, verließ den Konvent freiwillig. Sie<br />

sympathisierte mit den reformatorischen Gedanken. Es existiert eine Quittung,<br />

auf der sie am 10. März 1528 bescheinigte, dass sie ihre Mitgift zurückerhalten<br />

hatte. Bis zum Aussterben des Konvents blieb sie die einzige Nonne, die diesen<br />

Schritt tat.<br />

Auf den Straßen vor dem Kloster spielten sich tumultartige Szenen ab. Der aufgebrachte<br />

oder auf aufgehetzte Pöbel störte den Gottesdienst, verwüstete den<br />

Friedhof und warf mit Steinen Fensterscheiben ein.<br />

In dieser Situation wandte sich Caritas Pirckheimer an ihren Bruder Willibald<br />

Pirckheimer und dieser an <strong>Melanchthon</strong>. Als <strong>Melanchthon</strong> im November 1525<br />

in Nürnberg war, kam ein Gespräch zwischen <strong>Melanchthon</strong> und Caritas Pirckheimer<br />

zustande. Dieses Gespräch muss sehr erfolgreich verlaufen sein. Sowohl<br />

Caritas Pirckheimer wie auch <strong>Melanchthon</strong> äußerten sich sehr positiv. Caritas<br />

Pirckheimer schrieb über das Gespräch:<br />

Als er hörte, dass wir unsere Hoffnung auf die Gnade Gottes und nicht auf die<br />

eigenen Werke setzten, sagte er, wir könnten ebenso wohl im Kloster selig werden<br />

wie in der Welt, wenn wir nur nicht allein auf unsere Gelübde vertrauten. Er<br />

schied in guter Fr<strong>eu</strong>ndschaft von uns.<br />

15


<strong>Melanchthon</strong> seinerseits machte dem Rat der Stadt Nürnberg wegen seines rigorosen<br />

Vorgehens Vorhaltungen. Er wandte sich gegen die Amtsenthebung der<br />

Franziskaner und gegen die gewaltsame Entführung der Nonnen durch ihre Eltern.<br />

Auf Grund seiner d<strong>eu</strong>tlichen Worte änderte der Rat sein Verhalten. Der<br />

Fortbestand des Klosters wurde zugesichert. Einschränkende, insbesondere gewaltsame<br />

Maßnahmen unterblieben. Die Nonnen durften unbehelligt ihr bisheriges<br />

Leben fortsetzen. Allerdings durften keine Novizinnen mehr aufgenommen<br />

werden. Damit war das Kloster zum Aussterben verurteilt. 1591 erfolgte nach<br />

dem Tod der letzten Nonne die Auflösung.<br />

Das Verhalten von Caritas Pirckheimer und ihrer Nonnen zeigt, dass nicht in<br />

allen Klöstern in gleicher Weise unzumutbare Zustände herrschten. Allerdings<br />

stellte das Klarissenkloster in Nürnberg wohl eine Ausnahme dar. Verantwortlich<br />

hierfür war sicherlich die hochgebildete und gleichzeitig menschlich überz<strong>eu</strong>gende<br />

Äbtissin Caritas Pirckheimer. Einen Eindruck von der Art und Weise,<br />

wie Caritas Pirckheimer ihr Kloster leitete, mag man erhalten, wenn man sieht,<br />

wie Caritas Pirckheimer im Jahre 1529 den 50. Jahrestag ihres Klostereintritts<br />

feierte. Es muss sehr lebensfroh zugegangen sein. Caritas Pirckheimer schlug<br />

das Hackbrett und die Nonnen tanzten. Ihr Bruder Willibald Pirckheimer ließ zu<br />

diesem Anlass ein Fass Wein und Silbergeschirr ins Kloster bringen.<br />

7 Willibald Pirckheimer<br />

Die Familie Pirckheimer war eine in<br />

Nürnberg einflussreiche Patrizierfamilie<br />

mit eigenen Handelsniederlassungen in<br />

Venedig und Lübeck. Die bekanntesten<br />

Vertreter dieser Familie sind Willibald<br />

Pirckheimer und seine Schwester Caritas.<br />

Willibald Pirckheimer hatte in Pavia und<br />

Padua die Artes liberales und anschließend<br />

Jura studiert. Er war für die Stadt<br />

Nürnberg als juristischer Berater, Gesandter<br />

und Feldhauptmann tätig. Neben<br />

dieser Tätigkeit war er Prosaschriftsteller,<br />

sowie Übersetzer und Bearbeiter der<br />

Werke klassischer Autoren und der<br />

Schriften von Kirchenvätern. Er war<br />

entweder persönlich oder über Briefkontakte<br />

mit zahlreichen bed<strong>eu</strong>tenden Humanisten<br />

seiner Zeit verbunden, z.B. mit<br />

Erasmus von Rotterdam und Thomas<br />

Morus in England. Sein Interesse für<br />

16


Kunst führte zur Fr<strong>eu</strong>ndschaft mit Albrecht Dürer.<br />

Willibald Pirckheimer war auch mit <strong>Melanchthon</strong> bekannt. So schickte <strong>Melanchthon</strong><br />

ihm z.B. im Jahre 1517 einen Brief mit einem griechisches Gedicht.<br />

Es folgt ein langer Briefwechsel in lateinischer Sprache.<br />

Die Bekanntschaft mit <strong>Melanchthon</strong> führte dazu, dass sich Willibald Pirckheimer<br />

auf Bitten seiner Schwerster dafür einsetzte, dass <strong>Melanchthon</strong> nach Nürnberg<br />

kam und im Streit um die Auflösung des Klarissenklosters vermittelnd wirken<br />

konnte.<br />

Willibald Pirckheimer ist so ähnlich wie Erasmus von Rotterdam ein gutes Beispiel,<br />

das zeigt, dass sich viele Humanisten, die anfangs der Reformation wohlgesonnen<br />

gegenüberstanden, sich später von ihr abwandten, als d<strong>eu</strong>tlich wurde,<br />

welch verheerende Folgen die Auflösung der bestehenden Ordnung hatte.<br />

8 Das Religionsgespräch mit Osiander<br />

Der Sebalder Pfarrhof in Nürnberg ist ein Ort, der einen direkten Bezug zu <strong>Melanchthon</strong><br />

hat. Hier in diesem Hof fanden im Jahre 1555 drei Religionsgespräche<br />

mit dem Prediger von St. Lorenz Osiander statt. Anwesend waren drei Ratsmitglieder<br />

und alle Nürnberger Prediger und Pfarrer.<br />

Die katholische Kirche wirft Luther vor, von vornherein eine Kirchenspaltung<br />

angestrebt und damit eine schrittweise Reform unmöglich gemacht zu haben.<br />

Statt zu einer Reform hätte sein Verhalten zur Reformation und damit zu einer<br />

alles Bestehende umstürzenden Revolution geführt.<br />

Nun ist eine Reform allemal besser als eine Revolution. Eine Revolution bed<strong>eu</strong>tet<br />

immer Chaos, bevor sich eine n<strong>eu</strong>e Ordnung etablieren kann. Das war so<br />

nach der Revolution in Frankreich und Russland, und das war auch so nach der<br />

Reformation in D<strong>eu</strong>tschland. Es scheint nur so zu sein, dass es Situationen gibt,<br />

in denen eine Reform nicht mehr möglich ist und nur eine Revolution die Verhältnisse<br />

ändern kann. Das könnte auch bei der Reformation der Fall gewesen<br />

sein. Man kann sich schwerlich vorstellen, dass die römisch-katholische Kirche<br />

des 16. Jahrhunderts in der Lage gewesen wäre, von sich aus und ohne gewaltsamen<br />

Anstoß von außen die erforderlichen und dringend nötigen Reformen in<br />

Angriff zu nehmen.<br />

Die Reformation hat in der Tat eine Auflösung der bestehenden Ordnung bed<strong>eu</strong>tet<br />

und das sowohl auf weltlichem wie auch auf geistlichem Gebiet.<br />

Der römisch-katholischen Kirche ist es im Laufe der Jahrhunderte immer wieder<br />

gelungen, abweichende Lehrmeinungen zu integrieren. Das geschah zum<br />

Teil durch geschickte und verständnisvolle Menschenführung, zum Teil mit<br />

Gewalt. Inquisition und Scheiterhaufen waren die ultima ratio. Diese einheitliche<br />

Lehrmeinung wurde durch die Reformation zerstört. An ihre Stelle trat eine<br />

Vielzahl gegensätzlicher und sich um Teil erbittert bekämpfender Religionsformen.<br />

Die wichtigsten waren die Lutheraner, die Anhänger Zwinglis und die<br />

17


Anhänger Calvins. Dazu kam eine ganze Reihe extremer, schwärmerischer<br />

Gruppen wie z.B. die Wiedertäufer oder die so genannten Böhmischen Brüder.<br />

Aber selbst innerhalb der Lutheraner gab es Streitigkeiten und Kontroversen. Sie<br />

wurden besonders d<strong>eu</strong>tlich nach dem Tod Luthers im Jahre 1546, als die Autorität<br />

und die Überz<strong>eu</strong>gungskraft Luthers wegfielen.<br />

Ein derartiger Streit war auch die Auseinandersetzung zwischen Osiander und<br />

<strong>Melanchthon</strong>, der im Jahre 1555 hier im Sebalder Pfarrhof stattfand. Es ging um<br />

die Rechtfertigungslehre.<br />

Für uns H<strong>eu</strong>tige sind diese theologischen Auseinandersetzungen kaum noch<br />

nachvollziehbar. Wir haben h<strong>eu</strong>tzutage ganz andere Probleme. Damals war die<br />

Rechtfertigung des Menschen vor Gott ein ganz zentrales Thema, das die Gemüter<br />

heftig bewegte. Ist der Mensch von Natur aus mit der Erbsünde behaftet und<br />

kann nur durch Gottes Gnade gerettet<br />

werden? Oder kann der Mensch durch eigenes<br />

Bemühen, z.B. durch gute Werke an<br />

seiner Erlösung mitwirken?<br />

Die Position <strong>Melanchthon</strong>s war klar: Als<br />

Anhänger Luthers vertrat er die Meinung,<br />

dass der Mensch nichts, aber auch gar<br />

nichts zu seiner Rettung beitragen kann.<br />

Er ist ausschließlich auf die Gnade Gottes<br />

9 <strong>Melanchthon</strong> und Luther<br />

angewiesen.<br />

18<br />

Osiander vertrat im Gegensatz dazu die<br />

Meinung, dass sich der Mensch im Glauben<br />

durch die Gnade Gottes verändert, ein<br />

anderer wird und dadurch zu guten Werken<br />

befähigt wird.<br />

<strong>Melanchthon</strong> konnte sich durchsetzen.<br />

Seine Meinung wurde innerhalb der lutherischen<br />

Kirche verbindlich.<br />

Die nachfolgende Darstellung von Lukas Cranach zeigt <strong>Melanchthon</strong> und Luther<br />

gemeinsam auf einem Bild.<br />

Die beiden Figuren lassen die langwährende und doch schwierige Fr<strong>eu</strong>ndschaft<br />

zwischen diesen beiden bed<strong>eu</strong>tenden Männern d<strong>eu</strong>tlich werden. Es ist verwunderlich,<br />

wenn nicht sogar unbegreiflich, wie zwei Männer, die doch so grundverschieden<br />

in ihrer Persönlichkeit und ihrem Charakter waren, so lange und so<br />

gut zusammenarbeiten konnten. Beide verdanken sich gegenseitig sehr viel.


Allein vom äußeren Erscheinungsbild hätten die beiden nicht verschiedener sein<br />

können. Luther war von eher kräftiger, fast massiger Gestalt. <strong>Melanchthon</strong> eher<br />

klein, zartgliedrig, zierlich und fast schmächtig. Er war nur anderthalb Meter<br />

groß! Außerdem hatte er einen kleinen Sprachfehler.<br />

Hier Luther, der Geniale, der Rabiate, Lebensfrohe, der manchmal zu Grobe und<br />

Polternde, der keinem theologischen Streit aus dem Weg geht; dort <strong>Melanchthon</strong>,<br />

der überaus Gebildete, der Abwägende, sehr Ernste, der, wenn es unter<br />

Wahrung der gemeinsamen theologischen Hauptsache irgend geht, einen Kompromiss<br />

sucht und den offenen Konflikt vermeiden möchte.<br />

Hier die bildreiche Sprache Luthers voller Kraft, dort die gemessene, exakte,<br />

wissenschaftliche Sprache <strong>Melanchthon</strong>s.<br />

Luther charakterisiert dieses Verhältnis mit eigenen Worten so:<br />

Ich muss die Klötze und Stämme ausrotten, Dornen und Hecken weghauen, die<br />

Pfützen ausfüllen, und bin der grobe Waldrechter, der die Bahn brechen und<br />

zurichten muss. Aber Magister Philipps fähret säuberlich und stille daher, bauet<br />

und pflanzet, säet und beg<strong>eu</strong>ßt mit Lust, nachdem Gott ihm hat gegeben seine<br />

Gaben reichlich.<br />

<strong>Melanchthon</strong> sieht sein Verhältnis zu Luther so:<br />

Ich ertrug auch vordem eine fast entehrende Knechtschaft, da Luther oft<br />

19


mehr seinem Temperament folgte, in welchem eine nicht geringe philoneikia lag,<br />

als auf sein Ansehen und auf das Gemeinwohl achtete.<br />

Immer wenn <strong>Melanchthon</strong> etwas Heikles, gar Verfängliches ausdrücken wollte,<br />

wechselte er ins Griechische. Philoneikia steht für Streitsucht.<br />

10 Was bleibt?<br />

Philipp <strong>Melanchthon</strong> ist 1560, also vor 450 Jahren gestorben. Was bed<strong>eu</strong>tet er<br />

für uns h<strong>eu</strong>te? Warum ist es sinnvoll, sich mit ihm zu beschäftigen? Was bleibt?<br />

<strong>Melanchthon</strong> lebte in einer unruhigen, konfliktreichen Zeit. Er zeichnete sich<br />

aus durch tolerantes und offenes Denken, das sich bemühte, auch den Standpunkt<br />

der Andersdenkenden zu verstehen und zu berücksichtigen. Man hat ihn<br />

einen Ireniker, einen Friedensstifter genannt. In unserer Zeit, die auf der einen<br />

Seite auf dem Weg zur Ökumene ist, auf der anderen Seite gegen Fundamentalismus<br />

und religiösen Terror zu kämpfen hat, kann er Vorbild sein.<br />

Er war als Humanist überz<strong>eu</strong>gt, dass Bildung die Voraussetzung für ein sinnvolles<br />

und erfülltes Leben ist. Das eigenständige Denken, das nicht vorgefertigten<br />

Meinungen nachläuft, war ihm wichtig. In unserer Zeit, die immer stärker Wert<br />

auf eine brauchbare Ausbildung legt und für Bildung immer weniger Verständnis<br />

aufbringt, kann er dazu beitragen, die Gewichte wieder zurechtzurücken.<br />

Vielleicht kann man sein Lebenswerk einem Satz von ihm zusammenfassen:<br />

Nati sumus ad mutuam sermonis communicationem<br />

( Wir sind zum Gespräch miteinander geboren)<br />

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