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Dr. Wolfgang Schwager - Blickwechsel Demenz. Regional

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Milieutherapie und<br />

Tagesstrukturierung<br />

Fachtagung 22.11.2011 Düsseldorf<br />

Menschen mit <strong>Demenz</strong> im Krankenhaus -<br />

Neue Wege in der Versorgung<br />

<strong>Wolfgang</strong> D. <strong>Schwager</strong><br />

Ev. Krankenhaus Johannisstift Münster


Definition der <strong>Demenz</strong><br />

International Classification of Diseases (ICD10)<br />

5 Kriterien:<br />

• Verlust von Gedächtnisleistungen<br />

• Abnahme anderer kognitiver Fähigkeiten<br />

(z.B. Urteilsfähigkeit, Denkvermögen)<br />

• Störung von Affektkontrolle, Antrieb oder<br />

Sozialverhalten<br />

• Dauer mindestens 6 Monate<br />

• Kein Hinweis auf vorübergehenden<br />

Verwirrtheitszustand<br />

(nach: Förstl H: <strong>Demenz</strong>en in Theorie und Praxis. Springer 2008)


Probleme bei<br />

<strong>Demenz</strong>kranken (1)<br />

• Gedächtnisprobleme<br />

Vereinbarungen, Termine und<br />

Gespräche werden vergessen<br />

• Sprachprobleme<br />

Wörter werden vergessen,<br />

die Wortlücken durch<br />

unpassende Wörter ersetzt,<br />

die Sätze oft unverständlich<br />

• Stimmungsschwankungen<br />

<strong>Demenz</strong>kranke sind oft fröhlich, traurig oder wütend<br />

ohne ersichtlichen Grund<br />

• Persönlichkeitsveränderungen<br />

Misstrauen, Verwirrtheit oder Angst treten plötzlich auf


Probleme bei<br />

<strong>Demenz</strong>kranken (2)<br />

• Mangelnde Aktivität<br />

Antriebsminderung und Passivität,<br />

gestörte Handlungsplanung<br />

• Falsche Orientierung in Zeit und Raum<br />

<strong>Demenz</strong>kranke verirren sich bereits in gewohnter<br />

Umgebung, im Krankenhaus ist dies verstärkt,<br />

Zimmer und Toiletten werden nicht gefunden,<br />

Betten verwechselt<br />

• Verlegen von Gegenständen<br />

Dinge werden an verkehrte Orte gelegt z.B. Brillen in<br />

Papierkörbe, Gebisse auf das Essenstablett


Milieutherapie<br />

Definition nach Wojnar<br />

„Unter Milieutherapie wird ein therapeutisches Handeln<br />

zur Anpassung der materiellen und sozialen Umwelt<br />

an die krankheitsbedingten Veränderungen der<br />

Wahrnehmung, des Empfindens, des Erlebens und<br />

der Kompetenzen (der Verluste und der Reserven)<br />

der <strong>Demenz</strong>kranken verstanden."<br />

(Wojnar 2001)


Milieutherapie<br />

Kernelemente<br />

1. Soziale Umgebung<br />

Gemeinsam entwickeltes Konzept,<br />

Beziehungskonstanz (Bezugspflegesystem),<br />

Kommunikation, Schulung der Mitarbeiter…<br />

2. Tagesstrukturierung<br />

Tagesprogramm mit Wechsel von Aktivitäten und<br />

Ruhephasen, gemeinsame Mahlzeiten…<br />

3. Räumliche Gestaltung<br />

Schutzfunktion, „Ablesbarkeit“ der Umgebung,<br />

Orientierung geben, Anregung, Wohlbefinden…<br />

(vgl. Heim E, 1985 / Lind S, 1991 / Staack S, 2004)


Behandlungskonzepte<br />

bei <strong>Demenz</strong>kranken<br />

• Validation (N. Feil)<br />

• Integrative Validation (N. Richards)<br />

• Person-zentrierter Ansatz (T. Kitwood)<br />

• Realitäts-Orientierungs-Training (ROT)<br />

• Selbst-Erhaltungs-Therapie<br />

(SET nach Romero und Eder)<br />

• Biographiearbeit<br />

• Milieutherapie<br />

• Basale Stimulation


Aufnahme ins Krankenhaus:<br />

Problem der Instabilität Instabilit<br />

• Körperliche, psychosoziale Belastungen<br />

und medizinische Maßnahmen<br />

bringen das grenzwertig kompensierte<br />

Gleichgewicht zum Zusammenbruch<br />

• Bei Krankheit und Milieuwechsel<br />

sind im Alter daher häufig:<br />

- Akute Verwirrtheitszustände<br />

- Stürze<br />

- funktionelle Unselbständigkeit


Demente im Krankenhaus<br />

Empfehlungen zur Behandlung<br />

• Schulung und Fortbildung der Mitarbeiter<br />

• Prozessanalyse, v.a. Pflegeanamnese, Bezugspflege<br />

(primary nursing), Entlassungsmanagement<br />

• Prävention, Erkennung und Behandlung eines Delirs<br />

• Räumliche Milieugestaltung und Normalisierung des<br />

Tagesablaufes<br />

• Umgang mit herausforderndem Verhalten<br />

• Einrichtung eines gerontopsychiatrischen<br />

Konsiliar- oder Liasiondienstes<br />

(Praxishandbuch <strong>Demenz</strong>kranke Patienten im Krankenhaus, 2010)


Risikogruppe<br />

zur Entwicklung eines Delirs<br />

• Hohes Lebensalter (> 65 J.)<br />

• Multimorbidität<br />

• Polypharmakotherapie<br />

• <strong>Demenz</strong> / kognitive Defizite<br />

• Stürze in der Anamnese<br />

• Mangelernährung<br />

• Schwerhörigkeit und Sehstörungen<br />

(nach: Inouye SK, NEJM 2006)


Multifaktiorielles Modell des Delirs<br />

nach Inouye und Charpentier<br />

Prädisonierende Faktoren/<br />

Vulnerabilität<br />

Schwere <strong>Demenz</strong><br />

Schwere Erkrankung<br />

Multisensorische<br />

Beeinträchtigung<br />

Gesunder älterer Mensch<br />

ohne chronische Zustände<br />

Hohe Anfälligkeit<br />

Geringe Anfälligkeit<br />

(Inouye SK/Charpentier PA, JAMA 1996)<br />

Auslösende Faktoren/<br />

Traumen<br />

Gesundheitsschädliches Trauma<br />

Schwerer chirurgischer Eingriff<br />

Aufenthalt auf Intensivstation<br />

Multiple<br />

psychoaktive Medikamente<br />

Schlafentzug<br />

Eine einzelne Schlaftablette<br />

Nicht gesundheitsschädl. Trauma


Behandlung des Delirs<br />

• Gewährleistung einer überschaubaren Umgebung<br />

(Orientierungshilfen, Beleuchtungsverhältnisse)<br />

• Versuch der Reorientierung, klare und eindeutige<br />

Kommunikation (verbal/nonverbal)<br />

• Beheben sensorischer Beeinträchtigungen<br />

(Seh-, Hörhilfen etc.)<br />

• Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus<br />

• Vermeiden von Reizüberflutung (Lärm)<br />

aber auch Reizdeprivation<br />

• Ermöglichen von Beschäftigung /Mobilität<br />

• Konstanz der Bezugsperson<br />

• Enger Kontakt zu den Angehörigen<br />

(nach: Meagher DJ, BMJ 2001 / Hewer W, Dt Ärztebl 2003)


Komponenten<br />

funktioneller Stabilität: Stabilit t:<br />

• Muskuloskeletale Funktion<br />

• Ausdauer und Belastbarkeit<br />

• Kognitive Funktion<br />

• Ernährungszustand


Geriatrische<br />

(Komplex-) (Komplex ) Behandlung<br />

• Multiprofessionelle Behandlung:<br />

Aktivierende Pflege, Physio- und<br />

Ergotherapie, ärztliche Behandlung;<br />

b. Bed. Logopädie, Sozialdienst,<br />

Seelsorge, Musiktherapie…<br />

• Wöchentliche Teamsitzung:<br />

Überprüfung der Therapieziele und<br />

-fortschritte, frühzeitige und<br />

umfassende Entlassungsplanung<br />

• Wenn möglich gemeinsame<br />

Mahlzeiten im Tagesraum und<br />

Teilnahme an Gruppentherapie


Patienten mit kognitiven<br />

Defiziten in der Geriatrie<br />

Im Jahr 2009 fanden sich bei insges. 1209 in der<br />

Geriatrie des evk Münster behandelten Patienten<br />

psychiatrische Diagnosen bei 827 Pat.<br />

• Delir 210 (17%)<br />

• <strong>Demenz</strong> 310 (26%)<br />

• Depression 307 (25%)


Behandlungskonzept für f r<br />

eine Schwerpunktstation<br />

Beratung durch die Alzheimer-Gesellschaft und die<br />

Gerontopsychiatrie der LWL-Klinik Münster<br />

• Entscheidung für eine segregative Behandlungseinheit<br />

• Ziel: Ruhige Atmosphäre, Reduktion äußerer Reize<br />

• Schaffung individueller Angebote und ausreichender<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

• angemessener Umgang mit den Patienten durch Schulung<br />

der Mitarbeiter<br />

• wenn möglich Reduktion von herausforderndem Verhalten<br />

und Senkung der Delir-Rate<br />

Die Patienten sollen ihre Lebensqualität selbst bestimmen


7:00<br />

Uhr<br />

• Stationsalltag und Abläufe (Diagnostik / Therapie)<br />

werden an die Bedürfnisse der Patienten angepasst<br />

Pflegebeginn<br />

Milieu und Tagesstruktur<br />

• Begleitung der Pat. durch Betreuungsassistenten<br />

• Einsatz examinierter Pflegekräfte<br />

• Einbindung der Therapeuten<br />

• Kontinuität beim Betreuungspersonal<br />

(Personalwechsel möglichst selten)<br />

• Schulung der Mitarbeiter im Vorfeld<br />

7:30<br />

Uhr<br />

WaschundAnziehtraining<br />

8:00<br />

Uhr<br />

Frühstück<br />

9:00<br />

Uhr<br />

Zeitungsrunde<br />

10:00<br />

Uhr<br />

Therapiezeit<br />

/ Untersuchungen<br />

12:00<br />

Uhr<br />

Mittagessen<br />

13:00<br />

Uhr<br />

Ruhezeit<br />

15:00<br />

Uhr<br />

Kaffee<br />

16:00<br />

Uhr<br />

Spaziergänge<br />

17:00<br />

Uhr<br />

Singkreis<br />

Andacht


Räumliche umliche Gestaltung (1)<br />

• 4 Patientenzimmer (3 Zweibett- und<br />

1 Einbettzimmer) mit jeweils eigenem<br />

Bad, insges. 7 Patienten<br />

• Flur als weitere Aufenthalts- und<br />

Bewegungsmöglichkeit, Fenster und<br />

Glastür zum Aufenthaltsraum für<br />

natürliche Lichtverhältnisse<br />

• leistungsstarke Leuchtelemente<br />

• Kontraste durch kräftige Farben<br />

und deutliche Farbunterschiede<br />

• Große Beschriftung


Räumliche umliche Gestaltung (2)<br />

• Großer zentraler Aufenthaltsraum mit<br />

Küchenzeile für gemeinsame Mahlzeiten<br />

und Gruppenangebote<br />

• wohnliche Einrichtung<br />

und Gegenstände mit<br />

Erinnerungswert<br />

• Dienstzimmer mit Fenster<br />

zum Aufenthaltsraum<br />

• Therapieraum für Einzeltherapie<br />

(und nachts als<br />

Ausweichmöglichkeit<br />

für unruhige Patienten)


Station 2D:<br />

Fazit nach 1 ½ Jahren<br />

• Patienten fühlen sich in der Gemeinschaft sehr wohl<br />

• nur selten herausforderndes Verhalten<br />

• Patienten wirken gut in den Rhythmus eingebunden<br />

• Entlastung der anderen Patienten<br />

• Teilnahmemöglichkeit auch für Patienten anderer Stationen<br />

an den Gruppenaktivitäten<br />

(Spaziergänge, Singkreis)<br />

• Hohe Zufriedenheit<br />

der Angehörigen<br />

Betreuungskonzept scheint entscheidender als<br />

die baulichen Maßnahmen

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