Auszüge aus Wilhelm Weischedel: Die philosophische Hintertreppe ...
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<strong>Auszüge</strong> <strong>aus</strong> <strong>Wilhelm</strong> <strong>Weischedel</strong>: <strong>Die</strong> <strong>philosophische</strong> <strong>Hintertreppe</strong><br />
dtv 8563 Okt.2001<br />
13.06.02<br />
Seite 13 Im übrigen ist T h a l e s allem Vermuten nach ein echter Weiser. Das wird von antiken Gewährs-<br />
männern in Anekdoten illusriert. Seine Mutter will ihn überreden zu heiraten. Er antwortet: Noch<br />
ist es nicht Zeit dazu. Als ihn später die Mutter immer eindringlicher bestürmt, erwidert er: Nun ist<br />
die Zeit dazu vorüber.<br />
Seite 14 Jetzt versteht man, weshalb Platon u.a. diesen T h a l e s von Milet als den ersten Philosophen<br />
bezeichnen. Es geht ihm nicht um Dinge, sondern um das Wesen der Dinge. Was ist der Ursprung<br />
von allem?<br />
Seite 17 <strong>Die</strong> alte und bleibende Wahrheit ist, daß alles Wirkliche nicht nur ein vordergründiges Gesicht trägt,<br />
sondern hintergründig von einem Tieferen durchwaltet ist. (625 – 547 v.Chr.)<br />
Seite 18 A n a x i m a n d e r , Schüler von Thales, für ihn ist der Ausgangspunkt seines Philosophierens das<br />
Entstehen und Vergehen. Wir selber werden und gehen unter; die ganze Welt ist ein ungeheurer<br />
Schauplatz von Geburt und Tod.<br />
Seite 20 Vielleicht muß es sogar so sein, daß, wer nach der Tiefe der Welt forscht, den Boden unter den<br />
Füßen verliert. (610 – 546 V.Chr.)<br />
Seite 23 P a r m e n i d e s fragt: Was ist <strong>philosophische</strong> Wahrheit? Was die alltägliche Meinung das<br />
Seiende nennt, ist nicht die wahre Wirklichkeit, sondern nur Schein. Der Philosoph aber muß diesen<br />
Schein durchschauen . (515 – 445 v.Chr.)<br />
Seite 26 H e r a k l i t Physis, Natur nennt er das in allem Seienden waltende Wesen. <strong>Die</strong> Physis liebt es,<br />
sich zu verbergen. Das Wirkliche ist zweideutig. Es macht das Waltende offenbar und verbirgt es<br />
zugleich. <strong>Die</strong> Welt ist zerrissen. Der Mensch ist zwiespältig. (550 – 480v.Chr.)<br />
Seite 30 S o k r a t e s gibt einem, der fragte, ob er heiraten solle oder nicht, zur Antwort: Was du auch tust,<br />
du wirst es bereuen. (470 – 399 v.Chr.)<br />
30.06.02<br />
Seite 31 Wie zahlreich sind doch die Dinge, deren ich nicht bedarf.<br />
Seite 32 Dann zeigt ihnen Sokrates mit Ironie und mit vielerlei dialektischen Künsten, daß sie im Grunde nichts<br />
von dem verstehen, wovon sie so selbstsicher daherreden, und daß sie am wenigsten s i c h s e l b e r<br />
begreifen.<br />
Seite 33 Was Sokrates sucht, ist die Wahrheit.<br />
Seite 34 Rechtes Denken soll zum rechten Handeln führen.<br />
Seite 35 In dieser wissenden Unwissenheit besteht das eigentümliche Geheimnis der Wirkung des Sokrates.<br />
Seite 46 P l a t o n <strong>Die</strong> Erkenntnis des gesamten Wirklichkeit wird allein dadurch möglich, daß der Mensch<br />
in seiner Seele Urbilder des Seienden besitzt. Es gehört zum Sein der Dinge, daß sie vergänglich<br />
sind, daß sie entstehen, sich wandeln und vergehen. Das Vergängliche strebt nach dem Ewigen: das ist<br />
für Platon das Geheimnis der Wirklichkeit. (427 –348 v.Chr.)<br />
Seite 62 E p i k u r und Z e n o n Allein das klare Denken verschafft uns ein freudevolles Leben. <strong>Die</strong><br />
schönste Frucht der Selbstgenügsamkeit ist die Freiheit. (341 – 271 bzw.335 – 262 v.Chr.)<br />
Seit 63 In seiner Betrachtung der Natur nimmt Epikur die Atomlehre des alten Demokrit auf. Was in Wahrheit<br />
wirklich ist, sind allein unsichtbare Urteilchen, Atome, die sich miteinander verbinden und wieder<br />
voneinander trennen. Sie schwirren in ewiger Bewegung im unendlichen leeren Raum umher und<br />
schaffen in ihrem zufälligen Zusammentreten die Dinge. Selbst die Seele besteht <strong>aus</strong> besonders feinen<br />
Atomen.<br />
Seite 64 <strong>Die</strong> Erkenntnis, daß der Tod ein Nichts ist, macht uns das vergängliche Leben erst köstlich.<br />
Seite 65 Während Epikur, der Apostel der Lust, in einem Garten Hof hielt, begab sich Zenon, der Feind der<br />
Lust und der Mann der Pflicht, in die Obhut strenger und ernster Architektur.<br />
Seite 68 Das Lebensideal des Stoikers ist daher die Leidenschaftslosigkeit. <strong>Die</strong> Pflicht erfüllen heißt, der<br />
göttlichen Stimme im Innern gehorchen.<br />
Seite 114 D e s c a r t e s - der Philosoph hinter der Maske (1596 – 1650)<br />
Wie die Sch<strong>aus</strong>pieler eine Maske aufsetzen, so betrete ich das Theater der Welt - maskiert.<br />
Seite 119 Vielleicht ist der Gedanke wahr, daß das ganze Leben ein beständiger Traum ist.<br />
Seite 121 Ich denke, also bin ich; ich zweifle, also bin ich; ich werde getäuscht, also bin ich.<br />
Seite 127 P a s c a l Der Mensch ist ein Nichts im Hinblick auf das Unendliche. (1623 – 1662)<br />
Seite 130 Wenn ich die Verblendung und das Elend des Menschen sehe, dann gerate ich in Entsetzen. So<br />
taucht vor Pascal die Möglichkeit der Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins auf.<br />
Seite 131 Auch die christliche Botschaft ist für das Erkennen dunkel und voller Rätsel. Der Glaube hat keine<br />
objektive Gewißheit, die Religion ist nicht sicher.
- 2 -<br />
1.07.02<br />
Seite 134 S p i n o z a hat den Kampf nicht gesucht; Polemik liegt ihm fern. Ich lasse einen jeden nach<br />
seiner Natur leben und, wer will, mag für sein Heil sterben: wenn nur ich für die Wahrheit leben<br />
darf. Aber das ist es, was die Empörung hervorruft: daß einer seiner eigenen Wahrheit leben will,<br />
daß einem die gängige Meinung gleichgültig ist, daß er sich nicht an das kehren will, das seit alters<br />
für wahr gegolten hat. (1632 – 1677)<br />
Seite 136 Es würde notwendig folgen, daß die Menschen tagtäglich anders sprächen als sie denken; damit<br />
würden Treu und Glauben verderben, und es würde verächtliche Heuchelei herangezüchtet.<br />
Seite 142 Immer ist L e i b n i z auf die Sache gerichtet, von ihr ist er besessen, er ist ganz und gar ein<br />
Mensch des Geistes. (1646 –1716)<br />
Seite 146 Hinter der sichtbaren Wirklichkeit tut sich so eine eigentliche, wahre Wirklichkeit auf: die Welt der<br />
unsichtbaren Kräfte.<br />
Seite 148 Das eigentlich Wirkliche im scheinhaft Wirklichen ist die Monade als ein lebendiger Kraftpunkt,<br />
der durch Vorstellung und Streben <strong>aus</strong>gezeichnet ist.<br />
2.07.02<br />
Seite 152 V o l t a i r e Man nennt seine Werke tollkühn, a-religiös, skandalös. (1694 – 1778)<br />
Seite 153 Im Bereich des Geistigen ist Voltaires Leben ein einziger Kampf. Wofür er streitet, ist die Freiheit<br />
des Denkens, ist Toleranz, ist Vernunft, ist Frieden, ist das Glück der Menschen, ist die<br />
Abschaffung der Ungerechtigkeit und Unterdrückung.<br />
Seite 154 Sein Hauptgegner ist die Kirche. <strong>Die</strong>se zeigt anstelle eines vernünftigen Gottes ein Monstrum. Gott<br />
erschuf die Welt und ertränkte sie dann. Wie kann Gott fast das gesamte Menschengeschlecht, für<br />
das er gestorben ist, dem Schrecken ewiger Qualen preisgeben? Voltaire versucht, die christliche<br />
Lehre als Aberglauben zu entlarven. Noch verderblicher erscheint Voltaire der Fanatismus. Er<br />
führt zu blutdürstiger Leidenschaft. <strong>Die</strong> christliche Religion hat die Menschheit mehr als siebzehn<br />
Millionen Menschenleben gekostet.<br />
Seite 157 Das Volk braucht eine Religion. Wenn Gott nicht existierte, müßte man ihn erfinden.<br />
Seite 159 So triumphiert am Ende der Skeptizismus über das Wissen der Vernunft. Alles um euch, alles in<br />
euch ist ein Rätsel, dessen Lösung zu erraten dem Menschen nicht gegeben ist. Es bleibt die<br />
Resignation. Nachdem ich recht nachgedacht habe über die sechzig Jahre voll Torheiten, die ich<br />
erlebt und gemacht habe, kommt es mir vor, als sei die Welt ein Haufen von Eitelkeiten, der einem<br />
übel macht. Langeweile und Schaumschlägerei, das ist das Leben. Alt und jung, wir machen nichts<br />
als Seifenblasen. Wir sind Luftbälle, die die Hand des Geschicks aufs Geratewohl fortstößt, wir<br />
hüpfen ein paarmal auf, die einen auf Marmor, die andern auf Mist, dann ist es <strong>aus</strong> für immer.<br />
Gelegentlich wandelt sich die Verzweiflung Voltaires in milde Resignation. Nun habe ich erreicht,<br />
was ich mein Leben lang wollte: Unabhängigkeit und Ruhe.<br />
Seite 160 R o u s s e a u schreibt, er habe alle Kenntnis vom Menschen <strong>aus</strong> der Beobachtung seiner selbst ge-<br />
wonnen. (1712 – 1778)<br />
Seite 164 Rousse<strong>aus</strong> Bedeutung liegt darin, daß er die Grundlagen erschüttert, auf denen das Denken der Auf-<br />
klärung beruht.<br />
Seite 165 Rousse<strong>aus</strong> kritische These lautet, in solcher Nivellierung und Verkünstelung des Miteinander gehe<br />
alles Ursprüngliche und Natürliche unter. Das Ursprüngliche im Menschen ist das Gefühl.<br />
Seite 166 Alles ist gut. Aber: Alles verkommt unter den Händen des Menschen. - Für Rousseau ist der<br />
Mensch ein zwiepältiges Wesen.<br />
15.07.02<br />
Seite 167 Eigenliebe ist die Wurzel alles Bösen<br />
Seite 168 Der Mensch wird frei geboren. Überall liegt er in Ketten. <strong>Die</strong>se Knechtschaft beginnt mit der<br />
Schaffung des Eigentums.<br />
H u m e (1711 – 1776)<br />
Seite 171 Wenn ich mein Auge nach innen richte, finde ich nichts als Zweifel und Unwissenheit.<br />
Seite 176 So ist die Einsicht in menschliche Blindheit und Schwäche das Resultat aller Philosophie. Das<br />
Ganze der Welt ist ein Rätsel.<br />
K a n t (1724 –1804)<br />
Seite 183 In der langen Geschichte der Metaphysik läuft alles auf ein bloßes Herumtappen hin<strong>aus</strong>.<br />
H e g e l (1770 – 1831)<br />
Seite 215 Das Leben ist ein dialektischer Vorgang, ein ständiges Geschehen von Trennung und Verbindung,<br />
von Selbstentfremdung und Versöhnung
- 3 -<br />
Seite 220 Wenn alle Versuche, in das göttliche Dunkel erkennend einzudringen, zerbrechen, bleibt die<br />
Resignation, die Goethe als die höchste Aufgabe des Menschen bezeichnet: das Unerforschliche<br />
ruhig zu verehren..<br />
S c h o p e n h a u e r (1788 – 1860)<br />
Seite 223 Schopenhauers Pessimismus erstreckt sich insbesondere auf das menschliche Dasein. <strong>Die</strong>s ist von<br />
Bedürfnissen belastet; stets treiben sie neue Begehrungen hervor. Das Leben stellt sich als<br />
fortgesetzter Betrug dar. Jede Lebensgeschichte ist eine Leidensgeschichte. Der Lebenslauf des<br />
Menschen besteht darin, daß er, von der Hoffnung genarrt, dem Tode in die Arme tanzt. Das Leben ist<br />
Lustspiel und Trauerspiel in einem. Hinzu tritt, daß die Menschen sich gegenseitig das Leben zum<br />
Leiden machen. Das Leben ist jammervoll und keineswegs wünschenswert.<br />
Seite 229 Er sehnt sich nach dem Nirwana, der Auslöschung alles dessen, was ist. Das wahre Ziel der Welt und<br />
des Menschen ist das Nichts.<br />
K i e r k e g a a r d (1813 – 1855)<br />
Seite 231 Der grundlegende Wesenszug in seinem Charakter ist die Schwermut. Es ist mir alles unerklärlich,<br />
am meisten ich selbst. Er überspielt die Schwermut, indem er nach außen hin den leichtsinnigen<br />
Dandy spielt. <strong>Die</strong> Witze strömten <strong>aus</strong> meinem Munde, alle lachten und bewunderten mich, aber ich<br />
ging fort und wollte mich erschießen.<br />
Seite 234 Das Ungeheure, das einem Menschen eingeräumt ist, ist die Wahl, die Freiheit. Wer unablässig<br />
dem Rätsel des Lebens nachsinnt, muß einsehen: Das Sein des Menschen ist in sich selber nichtig.<br />
F e u e r b a c h Der Mensch als Schöpfer Gottes (1804 – 1872)<br />
Seite 238 Der theologische Mischmasch von Freiheit und Abhängigkeit, Vernunft und Glaube war meiner nach<br />
Wahrheit verlangenden Seele bis in den Tod zuwider.<br />
Seite 244 Feuerbach behauptet, daß es kein selbständig existierendes Wesen Gott gibt; Gott ist vielmehr nur<br />
etwas in der Vorstellung, in der Einbildung.<br />
Seite 246 Was der Mensch nicht wirklich ist, aber zu sein wünscht, das macht er zu seinem Gott oder das ist<br />
sein Gott. Ein Gott ist der in der Phantasie befriedigte Glückseligkeitstrieb des Menschen. Feuerbach<br />
behauptet, seine Lehre sei der Wendepunkt der Weltgeschichte.<br />
M a r x (1818 – 1883)<br />
Seite 252 Es ist die Aufgabe der Geschichte, nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit<br />
des <strong>Die</strong>sseits zu etablieren. <strong>Die</strong> konkrete Wirklichkeit ist für Marx die Wirklichkeit des Menschen.<br />
Seite 254 <strong>Die</strong> zwischenmenschlichen Beziehungen verlieren immer mehr ihre Unmittelbarkeit Sie werden<br />
durch die Ware und das Geld vermittelt. Der Proletarier ist der sich abhanden gekommene Mensch.<br />
N i e t z s c h e Macht und Ohnmacht des Nihilismus (1844 – 1900)<br />
Seite 260 <strong>Die</strong> Zeit, in die wir geworfen sind, ist die Zeit eines großen inneren Verfalles.<br />
Seite 262 Im Zusammenbruch der Religion enthüllt sich, was diese schon immer war: ein Gemächte des<br />
Menschen, Menschenwerk und -wahnsinn. Daher drückt sich die tiefste Tiefe des Nihilismus in dem<br />
Satz <strong>aus</strong>: Gott ist tot. Nietzsche kommt es darauf an, allem weiter wirkenden Nihilismus zum Trotz<br />
das Leben zu bejahen.<br />
J a s p e r s (1883 – 1969)<br />
Seite 268 Der Mensch ist sich ungewisser als je; er ist die größte Möglichkeit und die größte Gefahr in der Welt.<br />
Er findet in sich, was er nirgends in der Welt findet, etwas Unerkennbares, Unbeweisbares, niemals<br />
Gegenständliches, etwas, was sich aller forschenden Wissenschaft entzieht: die Freiheit. <strong>Die</strong> Idee der<br />
Freiheit ist der Grundgedanke von Jaspers.<br />
H e i d e g g e r (1889 – 1976)<br />
Seite 279 Alles kommt auf das Sein an.<br />
R u s s e l (1872 – 1970)<br />
Seite 290 Das Notwendigste, was die Welt braucht, um glücklich zu werden, ist Einsicht.<br />
W i t t g e n s t e i n (1889 – 1951)<br />
Seite 299 <strong>Die</strong> Aufgabe der Philosophie ist dafür zu sorgen, daß das Denken den Fallen entgeht, die ihm die<br />
Sprache stellt. (7.08.02 beendet)