23.10.2012 Aufrufe

auf gute nachbarschaft - famos - Das Nürnberger Familienmagazin

auf gute nachbarschaft - famos - Das Nürnberger Familienmagazin

auf gute nachbarschaft - famos - Das Nürnberger Familienmagazin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

2012 | Ausgabe 2<br />

Herr Popp, haben Sie so oft mit interkulturellen Konflikten<br />

zu tun?<br />

POPP: Ich glaube, es kracht überall, das hat nichts mit<br />

der Nationalität zu tun. Konflikte sind alltäglich, die<br />

Frage ist nur, wie man damit umgeht. Allerdings kamen<br />

Ende der neunziger Jahre tatsächlich immer häufiger<br />

Menschen zu uns, also zum damaligen Ausländerbeirat,<br />

die über Probleme mit ihren Nachbarn klagten. Und wir<br />

haben uns gefragt: Was machen wir jetzt damit? Da es<br />

eher ums Private ging, waren wir eigentlich nicht zuständig,<br />

aber kümmern wollten wir uns trotzdem. So<br />

entstand die Idee, Mediation anzubieten.<br />

Wussten Sie damals denn schon, wie das geht?<br />

POPP: Nein, wir mussten erst die entsprechende Ausbildung<br />

absolvieren, die immerhin zwei Jahre dauerte.<br />

Daran teilgenommen haben vor allem Mitarbeiter des<br />

Sozialreferates wie der Migrationsozialdienste, die<br />

Hälfte davon hatte selbst Migrationshintergrund. Die<br />

Idee war, dass wir immer zu zweit vermitteln.<br />

Funktioniert denn Mediation auch bei Nachbarschaftskonflikten?<br />

Da sind die Fronten doch<br />

oft sehr verhärtet.<br />

POPP: <strong>Das</strong> stimmt, die Mediation hat ihren<br />

Schwerpunkt tatsächlich zunächst woanders<br />

gefunden. Sie wird vor allem bei familiären<br />

Problemen wie Trennung und Scheidung eingesetzt.<br />

Und das hat einen einfachen Grund: Konflikte innerhalb<br />

der Familie muss ich regeln, Nachbarschaftskonflikten<br />

kann ich auch aus dem Weg gehen. Wir haben zwar viele<br />

Anfragen von Nachbarn, doch oft kommt die Mediation<br />

nicht zustande, weil die zweite Partei nicht mitmachen<br />

will.<br />

Vielleicht sind die Probleme ja auch doch nicht so belastend?<br />

POPP: Die Zahlen sagen etwas anderes. Eine Studie aus<br />

den Niederlanden hat 2008 ergeben, dass drei Viertel<br />

der Menschen, die umziehen, dies aus Ärger über ihre<br />

Nachbarn tun. <strong>Das</strong> ist eine Zahl, die mich selbst erschreckt.<br />

Ich bin sicher, dass die Situation in Deutschland<br />

ähnlich ist.<br />

Warum ist es denn so schwer, es mit dem anderen auszuhalten?<br />

POPP: Dort, wo Menschen <strong>auf</strong> engem Raum zusammen<br />

leben, stellen sich leicht Konflikte ein. Seine Nachbarn<br />

kann man sich ja nicht aussuchen. Wenn man eine<br />

neue Wohnung haben will, guckt man nach der Lage,<br />

nach dem Preis und der Ausstattung; wer die Nachbarn<br />

sind, weiß man in der Regel vorher nicht.<br />

Und deshalb kracht es dann?<br />

POPP: Oft kommt es zu Konflikten,<br />

weil die Leute sich<br />

nicht kennen und gar nicht<br />

miteinander reden. Ein Beispiel<br />

dazu: Zu mir kam eine ältere<br />

Dame, die sogar extra im<br />

Land ihrer Nachbarn Urlaub<br />

gemacht hatte, um deren Mentalität<br />

besser zu verstehen.<br />

<strong>Das</strong> direkte Gespräch hatte sie<br />

jedoch nicht gesucht. Es kam<br />

zu der kürzesten Mediation,<br />

die ich je hatte, denn sämtliche<br />

Probleme waren schnell gelöst.<br />

Ob quietschende Eingangstür<br />

oder Standort der Mülltonnen,<br />

die Nachbarn fanden sofort<br />

eine <strong>gute</strong> Lösung. Im Gegenzug<br />

wollten sie aber, dass die<br />

Seniorin sich zu bestimmten<br />

Tageszeiten mit dem Lärm der spielenden Kinder arrangiert.<br />

Viele Probleme entstehen tatsächlich, weil die<br />

Menschen nicht miteinander sprechen.<br />

So einfach lösen sich die Konflikte aber vermutlich nicht<br />

immer?<br />

POPP: Die Mediation stößt natürlich manchmal an ihre<br />

Grenzen, und dann landet der Streit vor Gericht. Die<br />

Probleme kann man schließlich nicht wegdiskutieren,<br />

um sie zu lösen, müssen sich beide Parteien <strong>auf</strong>einander<br />

zu bewegen. Den Kinderlärm kann man nicht einfach<br />

abstellen, aber man kann ihn zum Beispiel durch einen<br />

Teppich dämpfen.<br />

Dreht sich Nachbarschaftsstreit tatsächlich meistens<br />

um so alltägliche Dinge?<br />

POPP: In der Regel schon. Es geht um die Hausordnung,<br />

um Dinge, die im Treppenhaus stehen, um die<br />

Höhe der Hecke oder darum, ob das Auto vor der Haustür<br />

des Nachbarn stehen darf. Manchmal entsteht aber<br />

auch eine Art Feindschaft ohne erkennbaren Grund.<br />

Man grüßt sich nicht mehr und macht ein finsteres Gesicht.<br />

Wie kann man vorbeugen, damit das Miteinander gelingt?<br />

POPP: Sehr wichtig ist oft die erste Begegnung. Früher<br />

bekamen die neuen Nachbarn ja Brot und Salz zur Begrüßung,<br />

doch leider sind solche Gesten selten geworden.<br />

Man begegnet sich eher mit Misstrauen, für eine<br />

nähere Beziehung gibt es ja auch keine soziale Notwendigkeit.<br />

Doch es hilft sicher weiter, wenn man sich den<br />

Nachbarn vorstellt und sie im Treppenhaus oder über<br />

den Gartenzaun hinweg grüßt. Eine <strong>gute</strong> Nachbarschaft<br />

muss in die Wege geleitet und gepflegt werden, dann<br />

»Auf <strong>gute</strong> Nachbarschaft«<br />

»Sehr wichtig ist die erste Begegnung«<br />

Mediator Friedrich Popp über die Kunst, Konflikte zu lösen und zu vermeiden<br />

■ Wenn sie nett sind, vertrauen wir ihnen<br />

im Urlaub sogar unsere Wohnungsschlüssel<br />

an. Doch oft genug liegen wir mit unseren<br />

Nachbarn auch im Clinch, streiten über<br />

Kinderlärm oder die Höhe des Gartenzauns.<br />

Als ausgebildeter Mediator versucht Friedrich<br />

Popp in solchen Fällen zu helfen. Der Leiter der<br />

Geschäftsstelle des Integrationsrates kennt sich<br />

aus mit Konflikten in der Großstadt.<br />

kann sie wachsen. Ich muss meine Nachbarn nicht so<br />

gerne mögen wie Freunde, aber ich kann ihnen mit Respekt<br />

begegnen. Dazu gehört es auch, kleine Dienste zu<br />

übernehmen und zum Beispiel älteren Nachbarn mal die<br />

Einkäufe die Treppe hoch zu tragen.<br />

Und wie löse ich Konflikte?<br />

POPP: Wichtig ist es vor allem, sich nicht im Ton zu<br />

vergreifen und lieber noch mal eine Nacht darüber zu<br />

schlafen, wenn man sehr <strong>auf</strong>gewühlt ist. Wenn<br />

ich ein Gespräch in einem wertschätzenden Ton<br />

führe, dann ist die Voraussetzung gut, dass<br />

sich eine Lösung finden lässt. Als Mediatoren<br />

tragen wir lediglich dazu bei, dass die Parteien<br />

ihre Konflikte selbst regeln. Nur so hält eine<br />

Vereinbarung dauerhaft.<br />

Lassen sich Konflikte in einer Großstadt nicht<br />

auch durch die passende Stadtplanung vermeiden, etwa,<br />

indem man für genügend Freiflächen sorgt?<br />

POPP: Städtische Dienststellen sollten transparent<br />

planen und die Bürger rechtzeitig mit einbeziehen. <strong>Das</strong><br />

haben wir bei der Planung des interkulturellen Gartens<br />

in Langwasser leider falsch gemacht. Wir hätten vorher<br />

mit den Nachbarn reden sollen, dann hätte es die Proteste<br />

vielleicht gar nicht gegeben. Allerdings hat das<br />

Verwaltungsgericht Ansbach die Anwohnerklage abgewiesen<br />

und der Klägerin sogar empfohlen, dem Garten-<br />

Verein beizutreten, denn – so der Richter – es sei immer<br />

besser miteinander zu reden, als mit einer Klage die<br />

Fronten zu verhärten.<br />

Interview: Silke Roennefahrt, Foto: Peter Roggenthin<br />

■ <strong>Das</strong> „Netzwerk interkulturelle Mediation“<br />

hilft kostenlos bei Nachbarschaftskonflikten<br />

und Problemen im Stadtteil. Kontakt über das<br />

städtische Menschenrechtsbüro,<br />

Telefon (0911) 231 103 12.<br />

9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!