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PDF zum Download: WPK-Quarterly II 2010

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<strong>II</strong> / <strong>2010</strong> <strong>WPK</strong>-<strong>Quarterly</strong><br />

Vernetzt denken zwischen allen Stühlen<br />

Die Welt der Umweltthemen wird unübersichtlicher. Längst müssen Journalisten<br />

dabei nicht mehr nur in Biologie und Chemie Bescheid wissen, sondern oft auch in<br />

Ökonomie und Medizin. Gerüstet sind die Redaktionen dafür selten. Es sei denn,<br />

man bündelt Kompetenzen<br />

Von Nicole Heißmann<br />

Die Fotos wurden zu Ikonen der<br />

Umweltbewegung: Baumgerippe und<br />

Stümpfe an den Hängen von Fichtelgebirge<br />

und Bayerischem Wald. Ein<br />

Begriff dazu ging um die Welt: „the<br />

German Waldsterben“ nannten es die<br />

Amerikaner, Franzosen sprachen von<br />

„le Waldsterben“. Ende der siebziger<br />

und Anfang der achtziger Jahre lösten<br />

Bilder von Umweltzerstörung und Naturplünderung<br />

öffentliche Empörung<br />

und tiefe Ängste aus. Immerhin waren<br />

sie für die meisten Zeitungsleser oder<br />

Fernsehzuschauer hierzulande neu.<br />

Kaum jemand hatte vor Mitte der 70er<br />

Jahre gesehen, wie in Kanada Robbenbabys<br />

erschlagen oder auf hoher See<br />

Wale geschossen wurden, bevor Prominente<br />

wie Brigitte Bardot oder Umweltorganisationen<br />

wie Greenpeace<br />

Bilder von dort mitbrachten und Journalisten<br />

sie um die Welt verbreiteten.<br />

Als Mahner und Aufklärer verstanden<br />

sich prominente Publizisten der<br />

damaligen Zeit: „So bleibt zwischen<br />

Hoffnung und Resignation letztlich die<br />

Befürchtung, dass man auch hierzulande<br />

erst ein Seveso benötigt, um die<br />

tödlichen Risiken der Chemie zu erkennen“,<br />

schrieben im Jahr 1978 Egmont<br />

R. Koch, heute Dokumentarfilmer, und<br />

Fritz Vahrenholt, inzwischen Vorsitzender<br />

der Geschäftsführung von RWE<br />

Innogy, in ihrem Buch „Seveso ist überall“.<br />

Horst Stern gründete 1980 die Zeitschrift<br />

„natur“ und ließ darin etwa über<br />

den Rückgang der Artenvielfalt, die<br />

Zubetonierung der Landschaft und die<br />

Verschmutzung von Flüssen und Seen<br />

schreiben – sowie über Initiativen, die<br />

sich all dem entgegenstellten. Stern<br />

selbst hatte Anfang der Siebziger die<br />

„Gruppe Ökologie“ mitgegründet, die es<br />

sich auch zur Aufgabe gemacht hatte,<br />

der Industriegesellschaft zu mehr ökologischem<br />

Bewusstsein zu verhelfen.<br />

Absolute Aussagen und Katastrophenszenarien<br />

belebten die Schlagzeilen<br />

der Umweltberichterstattung: „Die<br />

ersten großen Wälder werden schon<br />

in den nächsten fünf Jahren sterben.<br />

Sie sind nicht mehr zu retten“, wurde<br />

der Göttinger Bodenkundler Bernhard<br />

Ulrich 1981 im Spiegel zitiert. Im Jahrzehnt<br />

von Seveso (1976), Harrisburg<br />

(1979), Bhopal (1984), Ozonlochentdeckung<br />

(1985), Tschernobyl und Sandoz<br />

(beide 1986) schien es vielen auch<br />

nicht völlig abwegig, dass die Menschheit<br />

den Planeten irgendwann wahlweise<br />

vergiften, in die Luft sprengen<br />

und anderswie unbewohnbar machen<br />

würde. Zudem befand man sich mitten<br />

im Kalten Krieg, und seit 1983 wurde<br />

atomar nachgerüstet.<br />

Ohne Frage verdanken wir der damaligen<br />

Umweltbewegung eine Menge,<br />

ebenso dem Umweltjournalismus,<br />

der ihre Themen in die Öffentlichkeit<br />

und damit in die Politik brachte: Das<br />

Protokoll von Montreal <strong>zum</strong> Beispiel,<br />

das seit 1987 den Einsatz von FCKW<br />

beschränkt und inzwischen weitgehend<br />

verbietet, oder die Rauchgasentschwefelung,<br />

die seit 1983 für alle<br />

Kohlekraftwerke Pflicht ist.<br />

Dennoch würde der engagierte und<br />

in Teilen plakative Umweltjournalismus<br />

der damaligen Zeit den Themen von<br />

heute wohl kaum noch gerecht. Dass<br />

Umweltprobleme heute nicht mehr so<br />

sichtbar sind, weil hierzulande nur noch<br />

selten Fische kieloben in Flüssen treiben<br />

und man <strong>zum</strong> Beispiel Gentechnik<br />

im Mais nicht wirklich gut fotografieren<br />

kann, ist dabei noch die geringste Herausforderung.<br />

In mindestens drei weiteren Punkten<br />

muss Umweltjournalismus heutige die<br />

Themen komplexer behandeln als vor<br />

drei Jahrzehnten:<br />

Gut und Böse −<br />

ein Auslaufmodell<br />

Früher waren die Schuldigen schnell<br />

benannt: Schwefeldioxid trieb das Wald-<br />

4<br />

sterben voran, Blei im Benzin hemmte<br />

Kinder in ihrer geistigen Entwicklung<br />

und Müllberge begruben Natur unter<br />

sich. Ihre Urheber: Die Kraftwerke, die<br />

Industrie, vorzugsweise die chemische<br />

oder petrochemische, die Autofahrer,<br />

die Konsumenten. Auswege schienen<br />

klar vorgezeichnet: Erneuerbare Energien,<br />

Vermeidung von Emissionen,<br />

autofreie Verkehrskonzepte, Recycling<br />

von Rohstoffen.<br />

Im Grundsatz mag sich daran nichts<br />

geändert haben, in den Details aber<br />

sehr wohl. Auch bei vermeintlich grünen<br />

Alternativen gehört es heute zur guten<br />

journalistischen Praxis, sie auf den Prüfstand<br />

zu stellen: Die Diskussion darüber,<br />

wie man dem Klimawandel mit nachwachsenden<br />

Energieträgern entgegen<br />

treten kann, hat durch Palmölplantagen<br />

auf Kosten von indonesischem Regenwald<br />

und die härter werdende Konkurrenz<br />

um Anbauflächen für Nahrungsmittel<br />

neue Facetten bekommen.<br />

Mehr Wissen,<br />

mehr Verwirrung<br />

Ohne Frage ist durch das Internet,<br />

wissenschaftliche Datenbanken und<br />

die Erfindung des pdf-Formats der<br />

Zugriff auf wissenschaftliche Erkenntnis<br />

einfacher geworden. Gleichzeitig<br />

vervielfältigt sich der Output der Wissenschaft<br />

ständig. Beides zusammen<br />

kann Wissenschafts- wie Umweltjournalisten<br />

zwischen Begeisterung und<br />

Verzweiflung schwanken lassen.<br />

„Manche Zusammenhänge haben<br />

sich im Nachhinein als nicht so eindeutig<br />

herausgestellt wie gedacht. Je mehr<br />

Studien zu einem Thema erscheinen,<br />

desto eher sind Journalisten auch mit<br />

widersprüchlichen Ergebnisse konfrontiert“,<br />

sagt Beatrice Dernbach, Professorin<br />

für Journalistik an der Hochschule<br />

Bremen.

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