Herunterladen - Mehr Demokratie in NRW - Mehr Demokratie eV
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Ilona Kogl<strong>in</strong> beschreibt es als ihre Leidenschaft, die Welt zu erkunden und darüber zu berichten. Vor über<br />
zehn Jahren hat sie daraus ihre Berufung gemacht: Sie ist Journalist<strong>in</strong>, Autor<strong>in</strong>, Filmemacher<strong>in</strong> und<br />
Blogger<strong>in</strong>. Geme<strong>in</strong>sam mit Marek Rohde und Michael St<strong>in</strong>nes betreibt sie das Blog fuere<strong>in</strong>ebesserewelt.<strong>in</strong>fo.<br />
Der feste Glaube daran, dass Menschen die Welt mit vielen kle<strong>in</strong>en Schritten zum besseren h<strong>in</strong> verändern<br />
können, treibt sie an. Die Occupy-Bewegung ist vielleicht e<strong>in</strong> Beispiel dafür, wie sich viele kle<strong>in</strong>e Schritte zu<br />
e<strong>in</strong>er Umwälzung addieren können. Alles beg<strong>in</strong>nt mit e<strong>in</strong>er gewissen Unzufriedenheit, e<strong>in</strong>er Idee, e<strong>in</strong>er<br />
Geisteshandlung, greift über auf die Handlungen der Menschen und manifestiert sich idealerweise<br />
schließlich <strong>in</strong> der Veränderung von Politik und Gesetzgebung.<br />
Seit dem Arabischen Frühl<strong>in</strong>g, den Demonstrationen <strong>in</strong> Spanien, Griechenland, Großbritannien, Italien und<br />
dem Entstehen der „Occupy“-Bewegung <strong>in</strong> den USA regt sich nun auch <strong>in</strong> Deutschland etwas. Die Betreiber<br />
von „Für e<strong>in</strong>e bessere Welt“ haben sich auf die Reise nach Hamburg, Berl<strong>in</strong>, Leipzig, Stuttgart und<br />
Frankfurt gemacht um zu erfahren: Was kann, was will, was soll die Occupy-Bewegung?<br />
BUNDESWEITE VOLKSENTSCHEIDE<br />
SCHRITT FüR SCHRITT<br />
E<strong>in</strong> Interview mit Ilona Kog l<strong>in</strong> und Marek Rohde von fuere<strong>in</strong>ebesserewelt.<strong>in</strong>fo<br />
Was für Menschen habt Ihr <strong>in</strong> den Camps angetroffen?<br />
Ganz unterschiedliche: Junge und Alte, Reiche und Arme, Deutsche<br />
und auch sehr viele Menschen aus anderen europäischen<br />
Ländern. Zum Teil s<strong>in</strong>d die Menschen über die amerikanische<br />
Occupy-Bewegung dazu gekommen. Zum Teil beziehen sie sich<br />
mehr auf die spanische <strong>Demokratie</strong>-Bewegung »Democracia<br />
Real Ya!«, die ja schon Mitte Mai los g<strong>in</strong>g. Unserem E<strong>in</strong>druck<br />
nach kommt die Occupy-Bewegung nicht aus e<strong>in</strong>er speziellen politischen<br />
Szene oder Altersgruppe. Die viel zitierte Aussage, dass<br />
jeder für sich spreche und man sich ke<strong>in</strong>er Organisation oder Partei<br />
zugehörig fühle, stimmt nach unseren Erfahrungen tatsächlich.<br />
Wie war die Stimmung vor Ort?<br />
Die Stimmung war überall sehr gut. Wir haben die Camps und<br />
Versammlungen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Zeulenroda, Leipzig, Stuttgart,<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, Düsseldorf und Hamburg besucht – und<br />
überall haben wir Menschen getroffen, denen der Aufbruch<br />
und die Hoffnung <strong>in</strong>s Gesicht geschrieben stand. Sie alle haben<br />
von e<strong>in</strong>em ungewöhnlichen Geme<strong>in</strong>schaftsgefühl gesprochen,<br />
das ihnen viel Kraft und Mut gibt.<br />
Wenn ich über die Proteste lese, frage ich mich immer<br />
wieder: Worum geht es eigentlich? Was s<strong>in</strong>d die zentralen<br />
Themen? Kann bei den Protesten jeder mitmachen?<br />
Die Offenheit ist gewollt, denn – ja! – jeder soll mitmachen können.<br />
Die Bewegung will tatsächlich die gesamten 99 Prozent<br />
erreichen. Deshalb vermeidet sie es auch, über allzu konkrete<br />
Forderungen die ewig gleichen Fe<strong>in</strong>dbilder zu schaffen. Aus<br />
diesem Grund hört man auch auf die Frage, wer denn nun die<br />
Occupy-Bewegung ist, die Antwort: »Ich!«.<br />
Doch damit s<strong>in</strong>d wir eigentlich auch schon bei dem, was die E<strong>in</strong>zelnen<br />
<strong>in</strong> der Bewegung e<strong>in</strong>t: Die Forderung nach <strong>Demokratie</strong>!<br />
Alle, mit denen wir gesprochen haben, fühlen sich von unseren<br />
Politikern nicht mehr repräsentiert. Sie f<strong>in</strong>den, dass diese Entscheidungen<br />
gegen den Willen der <strong>Mehr</strong>heit treffen. Egal, ob es<br />
um Rettungsschirme, Privatisierungen – zum Beispiel im Gesundheitsbereich<br />
– oder die Energiepolitik geht. Aber sie bleiben<br />
ihrer Forderung nach <strong>Demokratie</strong> eben treu, <strong>in</strong> dem sie sagen:<br />
Wir haben ke<strong>in</strong>e fertigen Lösungen. Wir wollen der <strong>Mehr</strong>heit<br />
nicht sagen, wo es lang gehen soll. Wir wollen diesen Weg geme<strong>in</strong>sam<br />
– <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er direktdemokratischen Form – f<strong>in</strong>den. Das<br />
dauert natürlich länger, ist aber konsequent.<br />
Wie konkret s<strong>in</strong>d die Rufe nach „mehr <strong>Demokratie</strong>“?<br />
Die Rufe s<strong>in</strong>d sehr konkret. In den meisten Gespräche g<strong>in</strong>g es<br />
INTERNATIONAL<br />
auch um die Bürgerbeteiligung <strong>in</strong> Form von verb<strong>in</strong>dlichen Volks-<br />
entscheiden etc. Und natürlich geht es <strong>in</strong> den Camps und Asamb-<br />
leas – also den Versammlungen – um Formen der direkten De-<br />
mokratie, um offene Diskussionen und den Versuch, e<strong>in</strong>en<br />
Konsens zu f<strong>in</strong>den. Dazu nutzen die Menschen der Occupy-Bewegung<br />
bestimmte Organisationsstrukturen und Kommunikationsregeln<br />
– etwa die berühmten Handzeichen –, die sich bei der<br />
<strong>Demokratie</strong>-Bewegung <strong>in</strong> Spanien bereits bewährt haben.<br />
Diese Strukturen s<strong>in</strong>d zwar noch weit von gesetzgebenden Verfahren<br />
entfernt. Aber sie zeigen den Menschen auf ganz praktischer<br />
Ebene, wie e<strong>in</strong> respektvolles Mite<strong>in</strong>ander funktionieren<br />
kann – auch wenn jemand anderer Me<strong>in</strong>ung ist. Es ist sozusagen<br />
gelebte <strong>Demokratie</strong> und alle, die daran teilnehmen, haben<br />
berichtet, dass sie durch diese Erfahrung viel gelernt und sich<br />
weiter entwickelt haben. Uns ersche<strong>in</strong>t das wie e<strong>in</strong>e Zurückeroberung<br />
der <strong>Demokratie</strong> durch die Bürger. Sie wollen die Gestaltung<br />
unserer Gesellschaft und unserer Welt eben nicht mehr<br />
»denen da Oben« überlassen. Und sie merken gerade, wie viele<br />
sie s<strong>in</strong>d, die sich da e<strong>in</strong>e andere Welt wünschen.<br />
<strong>Mehr</strong> <strong>Demokratie</strong> sieht <strong>in</strong> Volksentscheiden <strong>in</strong>sbesondere<br />
auch den Vorteil, dass sich die Menschen Zeit nehmen,<br />
e<strong>in</strong>en offenen und vielschichtigen Dialog zu e<strong>in</strong>em<br />
bestimmten Thema zu führen. Wären bundesweite Volksentscheide<br />
das richtige Instrument, um die während der<br />
Proteste angesprochenen Themen anzugehen?<br />
Bundesweite Volksentscheide wären e<strong>in</strong> Bestandteil. Aber es<br />
geht – so unser Gefühl – um viel mehr. Denn was nutzt e<strong>in</strong><br />
Volksentscheid, wenn man nur die Wahl zwischen Pech und<br />
Schwefel hat? Was nutzt e<strong>in</strong> Volksentscheid, wenn die <strong>Mehr</strong>heit<br />
der Bevölkerung nicht die Zeit und Möglichkeit hat, sich umfassend<br />
zu <strong>in</strong>formieren? Dann bleibt die Gefahr, dass e<strong>in</strong>e konzentrierte<br />
Medienbranche die öffentliche Me<strong>in</strong>ung im Interesse e<strong>in</strong>er<br />
Elite bee<strong>in</strong>flusst. Ne<strong>in</strong>, bei der Occupy-Bewegung geht es<br />
auch darum, die alten Grabenkäpfe von L<strong>in</strong>ks, Recht, Oben,<br />
Unten endlich zu beenden und sich konstruktiv an Löungen zu<br />
machen. Löungen, die für Gerechtigkeit sorgen und dafür, dass<br />
sie der <strong>Mehr</strong>heit der Menschen nutzt. Und zwar auf der ganzen<br />
Welt! Deshalb s<strong>in</strong>d zum Beispiel e<strong>in</strong>e produktive Diskussionskultur<br />
und die Möglichkeit, sich umfassend zu <strong>in</strong>formieren, wenigstens<br />
genauso wichtig. Wir erleben vielleicht die Geburt e<strong>in</strong>er<br />
ganz neuen <strong>Demokratie</strong>, bei der die Macht tatsächlich vom Volk<br />
ausgehen könnte.<br />
Das Interview führte L<strong>in</strong>a Br<strong>in</strong>k von <strong>Mehr</strong> <strong>Demokratie</strong>.<br />
32 md magaz<strong>in</strong> | Nr. 91 | 4/2011 md magaz<strong>in</strong> | Nr. 91 | 4/2011<br />
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Foto Ilona Kogl<strong>in</strong>, www.fuere<strong>in</strong>ebesserewelt.<strong>in</strong>fo