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Die Zivilrechtsstation im Referendariat Teil 2 ... - Matthias-buhk.de

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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

<strong>Die</strong> <strong>Zivilrechtsstation</strong> <strong>im</strong> <strong>Referendariat</strong><br />

<strong>Teil</strong> 2:<br />

Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Inhaltsverzeichnis <strong>Teil</strong> 2:<br />

1. Anspruchshäufung 3<br />

2. Objektive Klageän<strong>de</strong>rung 5<br />

3. Subjektive Klageän<strong>de</strong>rung (Parteiän<strong>de</strong>rung) 11<br />

4. Anerkenntnis und Klagerücknahme; Verzicht 15<br />

5. Erledigung <strong>de</strong>s Rechtsstreits 18<br />

6. Verspätetes Vorbringen, § 296 f. ZPO 25<br />

7. Das Versäumnisverfahren 28<br />

8. Aufrechnung und Wi<strong>de</strong>rklage 39<br />

9. Streitgenossenschaft 53<br />

10. Streithilfe und Streitverkündung 66<br />

11. Das Mahnverfahren 69<br />

12. Prozesskostenhilfe und vorprozessuale Beratungshilfe 73<br />

13. Einstweiliger Rechtsschutz 78<br />

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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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1. Anspruchshäufung<br />

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In <strong>de</strong>r Regel verlangt <strong>de</strong>r Kläger vom Beklagten Zahlung aufgrund eines best<strong>im</strong>mten<br />

Sachverhalts. Zulässig aber ist auch, dass Kläger in <strong>de</strong>mselben Prozess mehrere<br />

Ansprüche verfolgt. Das ist ein Fall <strong>de</strong>r objektiven Klagehäufung, § 260 ZPO. Entwe<strong>de</strong>r<br />

stellt er in diesem Fall mehrere Klageanträge o<strong>de</strong>r er stellt einen Antrag, begrün<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n<br />

aber aus mehreren Lebenssachverhalten. Stützt <strong>de</strong>r Kläger sein Begehren hingegen auf<br />

mehrere Anspruchsgrundlagen ist dieses keine Klagehäufung. Denn aufgrund eines gleich<br />

bleiben<strong>de</strong>n Sachverhalts soll eine best<strong>im</strong>mte Rechtsfolge ausgesprochen wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> objektive Klagehäufung ist – und das ist für Prüfungsaufbau und Begründung wichtig –<br />

in verschie<strong>de</strong>nen Varianten möglich:<br />

Unbedingt nebeneinan<strong>de</strong>r (kumulative Anspruchshäufung):<br />

Der Kläger verlangt mehrere Leistungen, Feststellungen o<strong>de</strong>r Gestaltungen bedingungslos<br />

nebeneinan<strong>de</strong>r. Das Gericht hat dann über je<strong>de</strong>n Sachverhalt und je<strong>de</strong> begehrte Rechtsfolge<br />

zu entschei<strong>de</strong>n und bei <strong>de</strong>r Kostenentscheidung eine Gesamtschau vorzunehmen in<br />

welchem Verhältnis <strong>de</strong>r Kläger zu seinem Begehren obsiegt hat. Der typische Antrag hier<br />

lautet:<br />

„<strong>de</strong>n Beklagten zu verurteilen,<br />

1) an ihn EUR 4.500,00 zu zahlen sowie<br />

2) die von <strong>de</strong>m Beklagten genutzte 3-Z<strong>im</strong>mer Wohnung belegen <strong>im</strong><br />

Hause Bahrenfel<strong>de</strong>r Straße 120, 22765 Hamburg geräumt an ihn<br />

herauszugeben“<br />

<strong>Die</strong> Anspruchshäufung kann entstehen durch einen ursprünglichen entsprechen<strong>de</strong>n Antrag<br />

<strong>de</strong>s Klägers, durch eine nachträgliche Klagerhöhung o<strong>de</strong>r durch einen Verbindungsbeschluss<br />

<strong>de</strong>s Gerichts, § 147 ZPO. Sie en<strong>de</strong>t durch Rücknahme (§ 269 ZPO) aller Ansprüche<br />

bis auf einen, durch <strong>Teil</strong>vergleich o<strong>de</strong>r <strong>Teil</strong>urteil o<strong>de</strong>r durch Prozesstrennung.<br />

Beson<strong>de</strong>re Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen insoweit als das Prozessgericht für<br />

alle einzelnen Ansprüche zuständig sein muss und <strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>n Streitwert auch für<br />

alle kumulierten Ansprüche zuständig bleibt. <strong>Die</strong> gewählte Prozessart muss für alle<br />

Ansprüche zulässig sein. Nicht erfor<strong>de</strong>rlich ist hingegen, dass die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Ansprüche in irgen<strong>de</strong>inem rechtlichen o<strong>de</strong>r tatsächlichen Zusammenhang zueinan<strong>de</strong>r<br />

stehen. <strong>Die</strong> allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen wer<strong>de</strong>n für je<strong>de</strong>n Anspruch<br />

getrennt geprüft. Ist also eine best<strong>im</strong>mte Prozessart (z.B.: Urkundsverfahren) für einen <strong>de</strong>r<br />

Ansprüche nicht statthaft, wird dieser und nur dieser als unstatthaft zurückgewiesen, <strong>im</strong><br />

Übrigen materiell über die Klage entschie<strong>de</strong>n.<br />

Im weiteren Verfahren ist über die verbun<strong>de</strong>nen Anträge einheitlich zu verhan<strong>de</strong>ln, Beweis<br />

zu erheben und zu entschei<strong>de</strong>n. Auch die Kostenentscheidung ergeht einheitlich. Der<br />

Streitwert errechnet sich grundsätzlich aus <strong>de</strong>r Summe <strong>de</strong>r Einzelwerte (§§ 5 ZPO, 39<br />

Abs. 1 GKG).<br />

In <strong>de</strong>r Klausur sollte auf die Zulässigkeit <strong>de</strong>r kumulativen Anspruchshäufung in <strong>de</strong>r Regel<br />

nicht eingegangen wer<strong>de</strong>n. Nur wenn eine <strong>de</strong>r oben genannten beson<strong>de</strong>ren Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

fraglich ist, bedarf es <strong>de</strong>r Entscheidung über die (<strong>Teil</strong>-) Zulässigkeit dieses<br />

Anspruchs. Gesetzlicher Aufhänger für die Prüfung ist dann § 260 ZPO.<br />

Hilfsweise hintereinan<strong>de</strong>r (Eventuelle Klagenhäufung)


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Der Kläger stellt neben einem unbedingten Hauptantrag hilfsweise für <strong>de</strong>n Fall, dass er mit<br />

diesem nicht durchdringt, einen o<strong>de</strong>r mehrere Hilfsanträge. Um eine solche eventuelle Anspruchshäufung<br />

han<strong>de</strong>lt es sich übrigens auch in <strong>de</strong>n nicht seltenen Fällen in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r<br />

Kläger einen best<strong>im</strong>mten Sachverhalt behauptet, hilfsweise aber vorträgt selbst wenn es<br />

an<strong>de</strong>rs gewesen sein sollte, wür<strong>de</strong> sich <strong>de</strong>r Anspruch aus folgen<strong>de</strong>m begrün<strong>de</strong>n.<br />

Das Gericht hat in diesen Fällen in einer Art Stufenprüfung zunächst über <strong>de</strong>n Hauptantrag<br />

und nur wenn dieser nicht voll durchgreift auch über etwaig gestellte Hilfsanträge<br />

zu entschei<strong>de</strong>n. Der Vorteil für <strong>de</strong>n Kläger bei einem solchen Vorgehen liegt in <strong>de</strong>r Kostenfolge.<br />

<strong>Die</strong> Hilfsanträge wirken sich kostenmäßig nur aus, wenn über sie auch entschei<strong>de</strong>n<br />

wird. Ein Hilfsantrag ist prozessual zulässig, wenn er unter <strong>de</strong>r Bedingung gestellt wird,<br />

dass <strong>de</strong>r Hauptantrag zumin<strong>de</strong>st zum <strong>Teil</strong> scheitert. Zu<strong>de</strong>m muss das Gericht für Haupt-<br />

und Hilfsantrag zuständig sein, die gewählte Prozessart muss für alle erhobenen Ansprüche<br />

statthaft sein. Schon in <strong>de</strong>r Klagschrift kann <strong>de</strong>r Kläger Hilfsanträge ankündigen, er<br />

kann diese aber auch <strong>im</strong> Laufe <strong>de</strong>s Rechtsstreits bis zum Schluss <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung<br />

stellen.<br />

Ganz wichtig für die Klausur und das Urteil ist die mit <strong>de</strong>m Hilfsantrag verbun<strong>de</strong>ne Wirkung.<br />

Im Sinne <strong>de</strong>s § 308 Abs. 1 ZPO nämlich schreibt Kläger durch Haupt- und Hilfsantrag<br />

<strong>de</strong>m Gericht zwingend die Prüfungsreihenfolge vor. Während <strong>im</strong> normalen Verfahre<br />

das Gericht entschei<strong>de</strong>n kann, aus welchem von mehreren in Betracht kommen<strong>de</strong>n Anspruchsgrundlagen<br />

<strong>de</strong>r Anspruch zuerkannt wird, darf das Gericht über <strong>de</strong>n Hilfsantrag<br />

nur entschei<strong>de</strong>n, wenn es <strong>de</strong>n Hauptantrag als unzulässig o<strong>de</strong>r unbegrün<strong>de</strong>t abweist.<br />

Auch bei Haupt- und Hilfsanträgen ergeht eine einheitliche Kostenentscheidung. Bei <strong>de</strong>r<br />

ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s Streitwertes, also auch <strong>de</strong>r<br />

Quote <strong>de</strong>s jeweiligen Obsiegens die Einzelwerte von Haupt- und Hilfsantrag nur dann addiert<br />

wer<strong>de</strong>n, wenn das Gericht über bei<strong>de</strong> entschei<strong>de</strong>t und die jeweiligen Streitgegenstän<strong>de</strong><br />

nicht i<strong>de</strong>ntisch sind, § 45 Abs. 1 S. 2, 3 GKG.<br />

Alternative Klagenhäufung<br />

Um eine solche han<strong>de</strong>lt es sich, wenn <strong>de</strong>r Kläger eine von mehreren in Betracht kommen<strong>de</strong>n<br />

Leistungen for<strong>de</strong>rt und die Auswahl <strong>de</strong>m Gericht o<strong>de</strong>r Beklagten überlässt. Eine solche<br />

alternative Klagehäufung aber ist unzulässig. Doch kommen entsprechen<strong>de</strong> Anträge<br />

in <strong>de</strong>r Praxis (wenn auch versteckt) häufiger vor:<br />

Der Kläger verlangt von <strong>de</strong>m Beklagten Rückzahlung von Kaution in<br />

Höhe von EUR 1.500,00. Der Beklagte behauptet Ansprüche<br />

gegenüber <strong>de</strong>m Kläger aufgrund nicht ausgeführter<br />

Schönheitsreparaturen in Höhe von insgesamt EUR 4.500,00 zu<br />

haben. Er legt entsprechen<strong>de</strong> Rechnungen eines Malers vor. Der<br />

Sachverhalt wird vom Kläger nicht bestritten. Der Beklagte erklärt in<br />

Höhe <strong>de</strong>r Klagefor<strong>de</strong>rung Aufrechnung mit <strong>de</strong>m ihm zur Seite<br />

stehen<strong>de</strong>n Ansprüchen auf Scha<strong>de</strong>nsersatz.<br />

<strong>Die</strong> von <strong>de</strong>m Beklagten erklärte Aufrechnung ist unwirksam. Der Beklagte nämlich überlässt<br />

unzulässig <strong>de</strong>m Gericht bzw. <strong>de</strong>m Kläger, mit welchem konkreten Anspruch er <strong>de</strong>r<br />

Klagfor<strong>de</strong>rung gegenüber aufrechnet. Ein auch praktisches Problem entstün<strong>de</strong> spätestens<br />

dann, wenn <strong>de</strong>r Beklagte in einem weiteren Prozess - dann als Kläger - von <strong>de</strong>m jetzigem<br />

Kläger weiteren Scha<strong>de</strong>nsersatz wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen verlangen<br />

wür<strong>de</strong>. Es wäre nämlich nicht zu klären, ob <strong>de</strong>r nun eingefor<strong>de</strong>rte Anspruch nicht bereits<br />

durch Aufrechnung <strong>im</strong> Vorprozess untergegangen ist.


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2. Objektive Klageän<strong>de</strong>rung<br />

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Des Kläger best<strong>im</strong>mt, über welchen Antrag und über welchen Lebenssachverhalt<br />

gestritten wird. Grundsätzlich kann er seine ursprüngliche Klage während <strong>de</strong>s Prozesses<br />

än<strong>de</strong>rn. Dem steht allerdings oft das Interesse <strong>de</strong>s Beklagten gegenüber, <strong>de</strong>r sich auf die<br />

zunächst erhobene Klage eingelassen hat, weil er - vermeintlich o<strong>de</strong>r tatsächlich - die<br />

besseren Argumente hatte. Än<strong>de</strong>rt sich die Begründung kann sein Interesse zum einen<br />

darauf gerichtet sein, dass über die alte Klagebegründung noch entschie<strong>de</strong>n wird, zum<br />

an<strong>de</strong>ren, dass er sich gegen die neue (ihn womöglich überzeugen<strong>de</strong> Begründung) nicht<br />

verteidigen will.<br />

Dem Ausgleich dieser Interessen dienen die in §§ 263 bis 268 ZPO vorgesehenen Regelungen.<br />

<strong>Die</strong> zentrale Vorschrift bil<strong>de</strong>t § 263 ZPO. Eine Klageän<strong>de</strong>rung ist <strong>de</strong>mnach zulässig,<br />

wenn sie sachdienlich ist.<br />

<strong>Die</strong> Frage nach einer Einwilligung <strong>de</strong>s Beklagten bzw. <strong>de</strong>r Sachdienlichkeit aus Sicht <strong>de</strong>s<br />

Gerichts stellt sich allerdings nur, wenn überhaupt eine Klageän<strong>de</strong>rung i.S.d. § 263 ZPO<br />

vorliegt. Erster Prüfungsschritt ist also die Frage, ob tatsächlich eine Klageän<strong>de</strong>rung vorliegt.<br />

Eine solche Klageän<strong>de</strong>rung ist gegeben, wenn sich <strong>de</strong>r Streitgegenstand <strong>de</strong>r Klage<br />

nach Eintritt <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit än<strong>de</strong>rt. Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung gilt dabei in Anlehnung<br />

an § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO ein zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff: Danach wird<br />

<strong>de</strong>r Streitgegenstand in erster Linie vom Antrag <strong>de</strong>s Klägers best<strong>im</strong>mt. In zweiter Linie ist<br />

<strong>de</strong>r Klagegrund, also <strong>de</strong>r zur Begründung <strong>de</strong>s Antrags vorgetragene Lebenssachverhalt,<br />

heranzuziehen. Eine Klageän<strong>de</strong>rung ist <strong>de</strong>mnach anzunehmen, wenn<br />

• ein neuer Antrag gestellt wird o<strong>de</strong>r/und<br />

• <strong>de</strong>r Antrag mit einem neuen Lebenssachverhalt begrün<strong>de</strong>t wird.<br />

Nichts an<strong>de</strong>res besagt übrigens auch die in § 264 Ziff. 1 ZPO enthaltene Regelung. <strong>Die</strong>se<br />

benennt Konstellationen, bei <strong>de</strong>nen es sich gemäß <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> genannten Positiv<strong>de</strong>finition<br />

gera<strong>de</strong> um keine Klageän<strong>de</strong>rung han<strong>de</strong>lt. Bei diesen Fallgruppen nämlich wer<strong>de</strong>n ohne<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Klagegrun<strong>de</strong>s die tatsächlichen o<strong>de</strong>r rechtlichen Ausführungen ergänzt o<strong>de</strong>r<br />

berichtigt. Keine Klageän<strong>de</strong>rung liegt daher vor,<br />

• wenn <strong>de</strong>r Kläger einen in <strong>de</strong>r Klage enthaltenen Schreibfehler korrigiert;<br />

• wenn <strong>de</strong>r Kläger sein Tatsachenvorbringen mit Substanz anreichert, z.B. bei einer Klage<br />

aus § 985 BGB anstelle <strong>de</strong>r bloßen Behauptung, Eigentümer zu sein, nähere Einzelheiten<br />

zum Eigentumserwerb vorträgt.<br />

Das Gesetz best<strong>im</strong>mt sodann in § 264 Ziff. 2 und 3 ZPO Fallgruppen, bei <strong>de</strong>nen es sich<br />

tatsächlich (entgegen <strong>de</strong>r Überschrift) um eine Klageän<strong>de</strong>rung han<strong>de</strong>lt, die aber ohne<br />

Rücksicht auf die in § 263 ZPO vorgesehenen Einschränkungen zulässig sein sollen, weil<br />

sie <strong>de</strong>n Beklagten nicht zur vollständigen Umstellung seiner Verteidigung veranlassen und<br />

ihm daher zugemutet wer<strong>de</strong>n können. Es han<strong>de</strong>lt sich um folgen<strong>de</strong> bei<strong>de</strong>n Fallgruppen:<br />

• Der Klageantrag wird ohne Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Klagegrun<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>r Hauptsache o<strong>de</strong>r in Bezug<br />

auf Nebenfor<strong>de</strong>rungen erweitert o<strong>de</strong>r beschränkt (§ 264 Ziff. 2 ZPO).<br />

Hierher gehören vor allem quantitative Erhöhungen o<strong>de</strong>r Ermäßigungen <strong>de</strong>r Klagesumme<br />

bei gleich bleiben<strong>de</strong>m Lebenssachverhalt, z.B.:<br />

Der Kläger hat seine Scha<strong>de</strong>nsersatzklage aus Kostengrün<strong>de</strong>n auf einen <strong>Teil</strong>betrag<br />

seines angeblichen Scha<strong>de</strong>ns beschränkt. Nach aus seiner Sicht erfolgreicher Durchführung<br />

einer Beweisaufnahme macht er nunmehr <strong>de</strong>n gesamten von ihm angenom-


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menen Scha<strong>de</strong>n zum Gegenstand <strong>de</strong>s Rechtsstreits.<br />

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Der Kläger lässt seinen auf Ersatz eines Zinsscha<strong>de</strong>ns von 12 % p.a. gerichteten<br />

Zinsantrag fallen, nach<strong>de</strong>m es ihm nicht gelungen ist, eine entsprechen<strong>de</strong> Bankbescheinigung<br />

zu beschaffen, und verlangt jetzt nur noch Zinsen in gesetzlicher Höhe.<br />

Unter § 264 Ziff. 2 ZPO fallen aber auch qualitative Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Antrags bei gleich<br />

bleiben<strong>de</strong>m Lebenssachverhalt, z.B.:<br />

Der Kläger beantragt anstelle <strong>de</strong>r Zahlung eines Geldbetrags die Feststellung, dass<br />

sich <strong>de</strong>r Rechtsstreit nach Erfüllung durch <strong>de</strong>n Beklagten in <strong>de</strong>r Hauptsache erledigt<br />

habe (einseitige Erledigungserklärung).<br />

Der Kläger geht vom Feststellungs- zum Zahlungsantrag über, nach<strong>de</strong>m ihn das Gericht<br />

auf <strong>de</strong>n Vorrang <strong>de</strong>r Leistungsklage vor <strong>de</strong>r Klage auf Feststellung einer Leistungspflicht<br />

hingewiesen hat (BGH NJW 1992, 2296 f.).<br />

Der Kläger geht von <strong>de</strong>r Auskunftsklage zur Zahlungsklage über (BGH NJW 1979,<br />

926).<br />

Keine Klageän<strong>de</strong>rung liegt weiterhin vor, wenn statt <strong>de</strong>s ursprünglich gefor<strong>de</strong>rten Klagegegenstan<strong>de</strong>s<br />

wegen einer später eingetretenen Verän<strong>de</strong>rung ein an<strong>de</strong>rer Gegenstand<br />

o<strong>de</strong>r das Interesse gefor<strong>de</strong>rt (§ 264 Ziff. 3 ZPO), z.B.:<br />

Der Kläger hat gemäß § 985 BGB Herausgabe eines von ihm verliehenen Pkw verlangt.<br />

Im Laufe <strong>de</strong>s Rechtsstreits wird <strong>de</strong>r Pkw zu Schrott gefahren. Der Kläger kann<br />

jetzt seinen Antrag auf Scha<strong>de</strong>nsersatz gemäß §§ 989, 990 BGB umstellen.<br />

Dem Beklagten steht bei einer Klageän<strong>de</strong>rung, die § 263 ZPO unterfällt, frei, in die Klageän<strong>de</strong>rung<br />

einzuwilligen (§ 263 ZPO) und damit auf eine Entscheidung über <strong>de</strong>n ursprünglichen<br />

Streitgegenstand zu verzichten. <strong>Die</strong> Einwilligung kann in <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung<br />

über <strong>de</strong>n geän<strong>de</strong>rten Antrag erklärt wer<strong>de</strong>n. Sie ist aber auch schon wirksam, wenn<br />

sie in einem vorbereiten<strong>de</strong>n Schriftsatz enthalten ist, sobald dieser <strong>de</strong>m Gegner zugeht.<br />

Das Gericht kann nicht verhin<strong>de</strong>rn, dass auf diese Weise die Streitgegenstän<strong>de</strong> ausgewechselt<br />

wer<strong>de</strong>n. Es muss die Klageän<strong>de</strong>rung als zulässig behan<strong>de</strong>ln. Es kann die Klageän<strong>de</strong>rung<br />

auch nicht gemäß § 296 ZPO als verspätet zurückweisen. Nach <strong>de</strong>m Wortlaut<br />

jener Vorschrift nämlich können nur Angriffs- o<strong>de</strong>r Verteidigungsmittel (also insbeson<strong>de</strong>re<br />

Tatsachenbehauptungen und Beweisantritte) verspätet sein. Bei <strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rten Klage<br />

aber han<strong>de</strong>lt es sich um <strong>de</strong>n Angriff selbst.<br />

Eine Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Beklagten zur Klageän<strong>de</strong>rung wird zu<strong>de</strong>m unwi<strong>de</strong>rleglich vermutet,<br />

wenn er sich rügelos auf die geän<strong>de</strong>rte Klage eingelassen hat, § 267 ZPO. Eine rügelose<br />

Einlassung liegt vor, wenn <strong>de</strong>r Beklagte, ohne <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung zu wi<strong>de</strong>rsprechen (ausdrücklich<br />

o<strong>de</strong>r konklu<strong>de</strong>nt durch Bezugnahme auf einen die Klageän<strong>de</strong>rung als unzulässig rügen<strong>de</strong>n<br />

Schriftsatz), über die geän<strong>de</strong>rte Klage mündlich verhan<strong>de</strong>lt, d.h. einen Antrag<br />

(meist: auf Abweisung <strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rten Klage) stellt. Ein Bestreiten etwaiger neuer Klagebehauptungen<br />

ist nicht als Wi<strong>de</strong>rspruch gegen die Klageän<strong>de</strong>rung anzusehen, son<strong>de</strong>rn<br />

besagt <strong>im</strong> Gegenteil, dass sich <strong>de</strong>r Beklagte auf die geän<strong>de</strong>rte Klage eingelassen hat. <strong>Die</strong><br />

Wirkung <strong>de</strong>s § 267 ZPO tritt nach allgemeiner Ansicht übrigens selbst dann ein, wenn <strong>de</strong>r<br />

Beklagte mit seinem Verhalten keine Zust<strong>im</strong>mung signalisieren wollte, weil er von <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung<br />

einer rügelosen Einlassung nichts wusste.<br />

Ist die Klageän<strong>de</strong>rung nicht schon aus <strong>de</strong>n eben ausgeführten Grün<strong>de</strong>n zulässig, so muss<br />

geprüft wer<strong>de</strong>n, ob sie sachdienlich ist. <strong>Die</strong> Sachdienlichkeit ist unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r<br />

objektiven Prozesslage und <strong>de</strong>r Prozesswirtschaftlichkeit zu beurteilen. Häufig liest man,<br />

dass sie gegeben sei, wenn durch die Zulassung <strong>de</strong>r Klageän<strong>de</strong>rung ein neuer Rechts-


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streit vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n könne. <strong>Die</strong>ser Gesichtspunkt trifft praktisch in je<strong>de</strong>m Fall zu und<br />

hilft daher nicht viel weiter. Hinzukommen muss vielmehr, dass <strong>im</strong> bisherigen Verfahren<br />

gewonnene Prozessergebnisse für <strong>de</strong>n neuen Streitgegenstand auch nutzbar gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n können. Für eine Sachdienlichkeit <strong>de</strong>r Klageän<strong>de</strong>rung spricht es also, wenn wenigstens<br />

<strong>Teil</strong>e <strong>de</strong>s bisherigen Parteivortrags o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Beweisergebnisses weiterhin verwen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n können. Dagegen fehlt eine Sachdienlichkeit in <strong>de</strong>r Regel, wenn mit <strong>de</strong>m<br />

neuen Anspruch ein völlig neuer Streitstoff eingeführt wird. Kein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Hin<strong>de</strong>rungsgrund<br />

für die Zulassung <strong>de</strong>r Klageän<strong>de</strong>rung soll es sein, wenn sich das Verfahren<br />

hierdurch verzögert, weil neue Parteierklärungen o<strong>de</strong>r Beweiserhebungen erfor<strong>de</strong>rlich<br />

wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Beklagte eine Tatsacheninstanz verliert (BGH NJW-RR 1990, 505 f.).<br />

Allerdings können diese Gesichtspunkte <strong>im</strong> Rahmen einer Abwägung mit <strong>de</strong>m Gedanken<br />

<strong>de</strong>r Prozesswirtschaftlichkeit eine Rolle spielen.<br />

<strong>Die</strong> (zulässige) Klageän<strong>de</strong>rung erfolgt<br />

• durch Zustellung eines Schriftsatzes (§ 261 Abs. 2 ZPO) o<strong>de</strong>r<br />

• durch Verlesung bzw. durch Bezugnahme auf einen zu Protokoll zu reichen<strong>de</strong>n Schriftsatz<br />

in <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung (§§ 261 Abs. 2, 297 ZPO).<br />

Der Schriftsatz muss die gleichen Anfor<strong>de</strong>rungen erfüllen wie sie an eine ordnungsgemäße<br />

Klagschrift gestellt wer<strong>de</strong>n (§ 253 Abs. 2 ZPO). Ist <strong>de</strong>r Streitwert <strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rten Klage<br />

höher als <strong>de</strong>rjenige <strong>de</strong>r ursprünglichen Klage, so soll das Gericht (was aber in <strong>de</strong>r Praxis<br />

oft übersehen wird) bis zur Einzahlung eines die höhere Verfahrensgebühr ab<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n<br />

Vorschusses keine <strong>de</strong>n geän<strong>de</strong>rten Antrag betreffen<strong>de</strong>n Verfahrenshandlungen (insbeson<strong>de</strong>re:<br />

Zustellung <strong>de</strong>s klageän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Schriftsatzes) vornehmen (§ 12 Abs. 1 Satz 2<br />

GKG).<br />

Zu beachten ist <strong>im</strong> Übrigen, dass sich bei <strong>de</strong>r Klageerweiterung (§§ 504, 506 ZPO), nicht<br />

aber bei <strong>de</strong>r Klagereduzierung (§ 261 Abs. 3 Ziff. 2 ZPO) die sachliche Zuständigkeit än<strong>de</strong>rn<br />

kann. Wird also nun statt Feststellung, dass ein Scha<strong>de</strong>n von EUR 5.000,00 entstan<strong>de</strong>n<br />

sei Scha<strong>de</strong>nsersatz in Höhe von EUR 6.000,00 gefor<strong>de</strong>rt, hat das Amtsgericht auf<br />

seine sachliche Unzuständigkeit hinzuweisen und gegebenenfalls zu verweisen. <strong>Die</strong> Entscheidung<br />

über die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klageän<strong>de</strong>rung kann durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO<br />

– in <strong>de</strong>r Praxis sehr selten) erfolgen. An<strong>de</strong>renfalls wird darüber <strong>im</strong> Endurteil befun<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>r Klausur wird – wenn es darauf ankommen sollte – <strong>im</strong> Endurteil <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Zulässigkeit<br />

über die Frage <strong>de</strong>r Klageän<strong>de</strong>rung zu entschei<strong>de</strong>n sein. <strong>Die</strong> Entscheidung <strong>de</strong>s<br />

Gerichts, dass eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Klage nicht vorliegt o<strong>de</strong>r dass die Än<strong>de</strong>rung zuzulassen<br />

ist, ist allerdings unanfechtbar, § 268 ZPO. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung<br />

also zwingend <strong>de</strong>n beurteilten geän<strong>de</strong>rten Klageantrag zugrun<strong>de</strong> zu legen, auch wenn es<br />

die angenommene Klageän<strong>de</strong>rung für unzulässig hält. <strong>Die</strong> Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klageän<strong>de</strong>rung<br />

ist dabei eine beson<strong>de</strong>re Sachurteilsvoraussetzung für die neue Klage (BGH LM Nr. 1 zu §<br />

268 ZPO a.F.).<br />

Erweist sich die Klage mit <strong>de</strong>m geän<strong>de</strong>rten Streitgegenstand als unzulässig, so ist sie insoweit<br />

durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Im Übrigen stellt sich dann noch<br />

die Frage, ob über <strong>de</strong>n ursprünglichen Streitgegenstand zu entschei<strong>de</strong>n ist. <strong>Die</strong> Beantwortung<br />

hängt in erster Linie vom Willen <strong>de</strong>s Klägers ab, <strong>de</strong>r durch Auslegung zu ermitteln ist.<br />

Er kann die alte Klage (gegebenenfalls mit Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Beklagten) zurücknehmen,<br />

durch Verzicht aufgeben, für erledigt erklären o<strong>de</strong>r hilfsweise aufrecht erhalten. Nur <strong>im</strong><br />

letztgenannten Fall ergeht zusätzlich zum Prozessurteil über <strong>de</strong>n unzulässigerweise geän<strong>de</strong>rten<br />

Streitgegenstand ein Sachurteil über <strong>de</strong>n ursprünglichen Streitgegenstand.<br />

Wenn <strong>de</strong>r Kläger bei unzulässiger Klageän<strong>de</strong>rung mit einer hilfsweise aufrechterhaltenen


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alten Klage Erfolg hat, so darf man nicht vergessen, die Klage <strong>im</strong> Übrigen, nämlich wegen<br />

<strong>de</strong>s geän<strong>de</strong>rten Streitgegenstands, abzuweisen.<br />

<strong>Die</strong> Kostenentscheidung <strong>im</strong> Falle <strong>de</strong>r erfolgten unzulässigen Klageän<strong>de</strong>rung richtet sich<br />

nach <strong>de</strong>m endgültigen Ausgang <strong>de</strong>s Rechtsstreits. Bleibt die Rechtsverfolgung <strong>de</strong>s Klägers<br />

<strong>im</strong> Ergebnis erfolglos, weil hinsichtlich <strong>de</strong>r unzulässigerweise geän<strong>de</strong>rten Klage ein<br />

Prozessurteil ergeht und hinsichtlich <strong>de</strong>r ursprünglichen Klage eine wirksame Klagerücknahme<br />

o<strong>de</strong>r ein Verzicht erklärt wird, <strong>im</strong> Falle einer Erledigungserklärung eine Kostenentscheidung<br />

zum Nachteil <strong>de</strong>s Klägers erfolgt, ein Versäumnisurteil zu Lasten <strong>de</strong>s Klägers<br />

o<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Falle einer hilfsweisen Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r ursprünglichen Klage ein klagabweisen<strong>de</strong>s<br />

Sachurteil ergeht, so trägt <strong>de</strong>r Kläger die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits. Nur wenn <strong>de</strong>r<br />

Kläger bei unzulässiger Klageän<strong>de</strong>rung mit einer hilfsweise aufrechterhaltenen alten Klage<br />

Erfolg hat, muss eine Kostenquote gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, wie dies auch sonst bei Haupt- und<br />

Hilfsanträgen <strong>de</strong>r Fall ist.<br />

Im Falle einer zulässigen Klageän<strong>de</strong>rung ist über <strong>de</strong>n geän<strong>de</strong>rten Streitgegenstand in <strong>de</strong>r<br />

Sache zu entschei<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Zulässigkeit ist knapp auf die Grün<strong>de</strong> für die Zulässigkeit <strong>de</strong>r<br />

Klageän<strong>de</strong>rung einzugehen. <strong>Die</strong> Rechtshängigkeit <strong>de</strong>s ursprünglichen Streitgegenstands<br />

en<strong>de</strong>t mit Klageän<strong>de</strong>rung. Bei vollständiger Auswechselung <strong>de</strong>s Streitgegenstands liegt<br />

eine Klagrücknahme nicht vor; <strong>de</strong>nn die Klageän<strong>de</strong>rung ist in diesem Fall nicht auf unmittelbare<br />

Beendigung <strong>de</strong>s Rechtsstreits gerichtet. Insofern bedarf es daher keiner Einwilligung<br />

<strong>de</strong>s Beklagten gemäß § 269 Abs. 1 ZPO (Thomas/Putzo, a.a.O., § 263 Rdn. 14). Es<br />

ergeht dann auch keine Klagabweisung <strong>im</strong> Übrigen bzgl. <strong>de</strong>s fallengelassenen Anspruchs!<br />

Beson<strong>de</strong>re Probleme stellen sich allerdings, wenn - wie insbeson<strong>de</strong>re <strong>im</strong> Fall <strong>de</strong>s § 264<br />

Ziff. 2 ZPO - mit <strong>de</strong>r Klageän<strong>de</strong>rung eine Ermäßigung <strong>de</strong>s Klageantrags verbun<strong>de</strong>n ist.<br />

Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung muss <strong>de</strong>r nicht mehr verfolgte <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>s Anspruchs nach <strong>de</strong>n<br />

sonst gelten<strong>de</strong>n Verfahrensvorschriften <strong>de</strong>m Streit <strong>de</strong>r Parteien entzogen wer<strong>de</strong>n. Hierfür<br />

kommen wie<strong>de</strong>rum, je nach <strong>de</strong>r Willensrichtung <strong>de</strong>s Klägers, die Klagerücknahme, <strong>de</strong>r<br />

Klageverzicht o<strong>de</strong>r die Erledigung <strong>de</strong>r Hauptsache in Betracht. Es ist dann zu prüfen, ob<br />

zusätzlich zu <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 263 f. ZPO diejenigen <strong>de</strong>r Klagerücknahme,<br />

<strong>de</strong>s Klageverzichts o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Erledigung <strong>de</strong>r Hauptsache vorliegen.<br />

Erfolgt eine Klageän<strong>de</strong>rung nach Beginn <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung, also nach<strong>de</strong>m<br />

streitige Anträge gestellt wor<strong>de</strong>n sind, so ist sie auch bei Sachdienlichkeit i.S.d. § 263 ZPO<br />

nur wirksam, wenn <strong>de</strong>r Beklagte gemäß § 269 Abs. 1 ZPO bzw. § 269 Abs. 2 S. 4 ZPO<br />

eingewilligt hat. Fehlt eine solche Einwilligung so bleibt <strong>de</strong>r ursprüngliche Streitgegenstand<br />

rechtshängig. Stellt <strong>de</strong>r Kläger keinen entsprechen<strong>de</strong>n Antrag mehr, so ist er säumig. Das<br />

Gericht weist dann die alte Klage auf Antrag <strong>de</strong>s Beklagten durch Versäumnisurteil ab (§§<br />

330, 333 ZPO). In <strong>de</strong>r Praxis aber wird dies dadurch vermie<strong>de</strong>n, dass das Gericht nach §<br />

139 ZPO <strong>de</strong>n Kläger anhalten wird, seinen überschießen<strong>de</strong>n ursprünglichen Klageantrag<br />

zurückzunehmen<br />

Auch bei <strong>de</strong>r zulässigen Klageän<strong>de</strong>rung richtet sich die Kostenentscheidung grundsätzlich<br />

nach <strong>de</strong>m endgültigen Ausgang <strong>de</strong>s Rechtsstreits. Es gelten allerdings folgen<strong>de</strong> Beson<strong>de</strong>rheiten:<br />

Ist wegen <strong>de</strong>r ursprünglichen Klage eine Beweisaufnahme durchgeführt wor<strong>de</strong>n, welche<br />

durch die Klageän<strong>de</strong>rung überflüssig gewor<strong>de</strong>n ist, so können die damit verbun<strong>de</strong>nen<br />

Kosten entsprechend § 96 ZPO <strong>de</strong>m Kläger auferlegt wer<strong>de</strong>n, und zwar auch wenn er in<br />

<strong>de</strong>r Hauptsache obsiegt. Es han<strong>de</strong>lt sich um einen <strong>de</strong>r wenigen Fälle, bei <strong>de</strong>nen Kostentrennung<br />

zulässig und notwendig ist. <strong>de</strong>r Tenor lautet dann<br />

<strong>Die</strong> durch die Beweisaufnahme vom ... veranlassten Kosten trägt <strong>de</strong>r Kläger. Im


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Übrigen trägt <strong>de</strong>r Beklagte die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits.<br />

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Liegt eine Ermäßigung <strong>de</strong>s Klageanspruchs vor, die als teilweise Klagrücknahme zu werten<br />

ist, so gehen die damit verbun<strong>de</strong>nen Mehrkosten zu Lasten <strong>de</strong>s Klägers, auch wenn er<br />

mit <strong>de</strong>m ermäßigten Antrag voll obsiegt. Insofern ist eine Kostentrennung nicht vorgesehen.<br />

Es muss also eine Kostenquote errechnet wer<strong>de</strong>n, in die die Gesichtspunkte <strong>de</strong>r teilweisen<br />

Klagrücknahme und <strong>de</strong>s Obsiegens mit <strong>de</strong>r ermäßigten Klage eingehen. <strong>Die</strong> Kostenentscheidung<br />

ist dabei mit folgen<strong>de</strong>n Schritten zu ermitteln:<br />

• Welche Kosten sind tatsächlich angefallen? (Kosten hinsichtlich Streitwert bis Klageän<strong>de</strong>rung<br />

und dann weiter angefallene Gebühren nach Klageän<strong>de</strong>rung)<br />

• Welche Kosten wären angefallen, wenn von vornherein nur <strong>de</strong>r ermäßigte Betrag eingeklagt<br />

wor<strong>de</strong>n wäre?<br />

• In welchem Verhältnis steht die Differenz von 1. und 2. (also die auf <strong>de</strong>n zurückgenommenen<br />

Betrag entfallen<strong>de</strong>n Mehrkosten) zu 1. (also <strong>de</strong>n tatsächlich angefallenen<br />

Kosten)?<br />

• Das Ergebnis entspricht <strong>de</strong>r vom Kläger aufgrund <strong>de</strong>r teilweisen Klagrücknahme zu<br />

tragen<strong>de</strong>n Quote.<br />

Zusammengefasst hat die Klageän<strong>de</strong>rung in Urteil und damit in <strong>de</strong>r Klausur folgen<strong>de</strong><br />

Relevanz: Bei <strong>de</strong>r gedanklichen Prüfung in <strong>de</strong>r Praxis und in <strong>de</strong>r Klausur ist stets davon<br />

auszugehen, was <strong>de</strong>r Kläger zuletzt beantragt und vorgetragen hat. Vorrangig stellen sich<br />

die Fragen, ob die Klage mit <strong>de</strong>m geän<strong>de</strong>rten Streitgegenstand ordnungsgemäß erhoben<br />

und die Klageän<strong>de</strong>rung zulässig ist. Der schriftlichen Erörterung in <strong>de</strong>n<br />

Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n eines Urteils bedürfen diese Fragen nur dann, wenn<br />

durchgreifen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st ernsthafte Be<strong>de</strong>nken bestehen o<strong>de</strong>r die Parteien darüber<br />

streiten. Hat <strong>de</strong>r Beklagte ausdrücklich in die Klageän<strong>de</strong>rung eingewilligt o<strong>de</strong>r sich rügelos<br />

auf die geän<strong>de</strong>rte Klage eingelassen, so sind Ausführungen in aller Regel entbehrlich. Es<br />

kann dann ohne weiteren Kommentar sogleich darauf eingegangen wer<strong>de</strong>n, ob die Klage<br />

in <strong>de</strong>r zuletzt zur Entscheidung gestellten Fassung zulässig (nur <strong>im</strong> Falle erwähnenswerter<br />

sonstiger Sachurteilsvoraussetzungen) und begrün<strong>de</strong>t ist.<br />

Hat <strong>de</strong>r Beklagte <strong>de</strong>r Klageän<strong>de</strong>rung dagegen wi<strong>de</strong>rsprochen, so ist in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n<br />

an erster Stelle die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klageän<strong>de</strong>rung zu behan<strong>de</strong>ln. Ist die<br />

Klageän<strong>de</strong>rung unzulässig und <strong>de</strong>r vorherige Antrag nicht hilfsweise aufrechterhalten<br />

geblieben, so ist die geän<strong>de</strong>rte Klage schon <strong>de</strong>shalb abzuweisen; die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen<br />

können, die Fragen zur Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Klage müssen logischerweise<br />

dahinstehen. Anschließend ist – je nach Einlassung <strong>de</strong>r Parteien (Klagrücknahme, Verzicht,<br />

Erledigung, Hilfsantrag, Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils) – noch das ursprüngliche<br />

Begehren zu erörtern.<br />

Im Falle einer zulässigen Klageän<strong>de</strong>rung reicht es <strong>im</strong> Rahmen eines Urteils aus, <strong>de</strong>njenigen<br />

Gesichtspunkt zu nennen, unter <strong>de</strong>m sich diese Sachurteilsvoraussetzung am einfachsten<br />

feststellen lässt. Ist z.B. die Frage, ob es sich überhaupt um eine Klageän<strong>de</strong>rung<br />

han<strong>de</strong>lt, schwierig zu beantworten, kann man sie auch mit <strong>de</strong>r Begründung offen lassen,<br />

dass je<strong>de</strong>nfalls die Sachdienlichkeit o<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r o.g. Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

zu bejahen sei.<br />

In <strong>de</strong>n Tatbestand eines Urteils gehört die Tatsache <strong>de</strong>r Klageän<strong>de</strong>rung nur dann, wenn<br />

darauf in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n noch eingegangen wird, und sei es lediglich <strong>im</strong><br />

Rahmen <strong>de</strong>r Kostenentscheidung. Es han<strong>de</strong>lt sich um Prozessgeschichte, die an <strong>de</strong>r Stelle<br />

<strong>de</strong>s Tatbestands dargestellt wer<strong>de</strong>n sollte, an <strong>de</strong>r sie sich am besten einfügt. In <strong>de</strong>r Re-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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gel wird dies vor Erwähnung <strong>de</strong>r aktuellen Anträge sein. Insbeson<strong>de</strong>re dann, wenn es auf<br />

die Klageän<strong>de</strong>rung nur noch für die Kostenentscheidung ankommt, sollte in einem Urteil<br />

allerdings von <strong>de</strong>r Möglichkeit von Verweisungen großzügig Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n,<br />

um eine Kopflastigkeit <strong>de</strong>s Tatbestands gegenüber <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n zu vermei<strong>de</strong>n.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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3. Subjektive Klageän<strong>de</strong>rung (Parteiän<strong>de</strong>rung)<br />

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Eine subjektive Klageän<strong>de</strong>rung (Parteiän<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Parteiwechsel) ist gegeben, wenn<br />

während eines laufen<strong>de</strong>n Rechtsstreits statt <strong>de</strong>r ursprünglich klagen<strong>de</strong>n bzw. verklagten<br />

Partei eine an<strong>de</strong>re Partei klagt o<strong>de</strong>r verklagt wird.<br />

Auch durch wen und gegen wen Rechtsschutz begehrt wird, legt <strong>de</strong>r Kläger in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Rechtsstreit einleiten<strong>de</strong>n Erklärung, insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r Klagschrift, fest. Gemäß § 253<br />

Abs. 2 Ziff. 1 ZPO nämlich muss die Klagschrift die Bezeichnung <strong>de</strong>r Parteien enthalten.<br />

Name, Stand o<strong>de</strong>r Gewerbe sowie <strong>de</strong>r Wohnort <strong>de</strong>r Parteien und gegebenenfalls ihr gesetzlicher<br />

Vertreter sollen angegeben wer<strong>de</strong>n (§§ 253 Abs. 4, 130 Ziff. 1 ZPO). Zumin<strong>de</strong>st<br />

muss die Partei aber ohne weitere Ermittlungen <strong>de</strong>s Gerichts ein<strong>de</strong>utig individualisierbar<br />

sein. An<strong>de</strong>renfalls fehlt es bereits an <strong>de</strong>r Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage. <strong>Die</strong> Parteibezeichnung in<br />

<strong>de</strong>r Klagschrift ist dabei Bestandteil einer prozessualen Willenserklärung, die <strong>de</strong>r Auslegung<br />

zugänglich ist. Erweist sie sich "äußerlich", also ihrem Wortlaut nach, als unrichtig,<br />

so ist grundsätzlich die Person als Partei anzusehen, welche bei objektiver Würdigung <strong>de</strong>s<br />

Erklärungsinhalts erkennbar gemeint sein sollte. Soweit die I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r Partei gewahrt<br />

bleibt, ist die Berichtigung einer falschen Parteibezeichnung nicht als Parteiwechsel anzusehen<br />

und damit ohne weiteres zulässig. Eine bloße Berichtigung <strong>de</strong>s Rubrums liegt z.B.<br />

vor, wenn eine Partei infolge Eheschließung ihren Namen geän<strong>de</strong>rt hat. Entsprechen<strong>de</strong>s<br />

gilt, wenn die <strong>de</strong>n Beklagten vertreten<strong>de</strong> Person bzw. Stelle berichtigt wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Eine nur geän<strong>de</strong>rte Parteibezeichnung wird vom Gericht berücksichtigt, in<strong>de</strong>m es die betreffen<strong>de</strong><br />

Partei fortan unter <strong>de</strong>m neuen Rubrum führt. Ein gerichtlicher Beschluss ist hierfür<br />

grundsätzlich nicht vorgeschrieben, aber aus Zweckmäßigkeitsgrün<strong>de</strong>n verbreitet üblich.<br />

In das Rubrum eines Urteils wird nur die berichtigte Parteibezeichnung aufgenommen.<br />

Soweit noch Veranlassung zur Abgrenzung <strong>de</strong>r Rubrumsberichtigung von einem<br />

Parteiwechsel gegeben ist, stehen die entsprechen<strong>de</strong>n Ausführungen in <strong>de</strong>r Regel am<br />

besten am Beginn <strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong>. Dann sollte <strong>im</strong> Tatbestand als Prozessgeschichte<br />

auf die Rubrumsberichtigung hingewiesen wer<strong>de</strong>n. Selbst nach Erlass eines Urteils<br />

kann das Rubrum noch berichtigt wer<strong>de</strong>n, wenn feststeht o<strong>de</strong>r erkennbar ist, wer als<br />

Partei gemeint war und Interessen Dritter durch die Berichtigung nicht berührt wer<strong>de</strong>n<br />

(Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 319 Rdn. 14), nämlich durch Beschluss gemäß § 319 ZPO.<br />

Dagegen ist eine Parteiän<strong>de</strong>rung nur unter <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n inhaltlichen und formellen<br />

Voraussetzungen zulässig.<br />

<strong>Die</strong> ZPO regelt einige Son<strong>de</strong>rfälle, in <strong>de</strong>nen kraft Gesetzes ein Parteiwechsel stattfin<strong>de</strong>n<br />

muss (§§ 239 bis 242 ZPO) o<strong>de</strong>r darf (§§ 75 bis 77, 265 Abs. 2 Satz 2, 266 Abs. 1 ZPO).<br />

<strong>Die</strong> praktisch wichtigsten sind:<br />

• Tod einer Partei<br />

Stirbt eine Partei während eines laufen<strong>de</strong>n Rechtsstreits, so wer<strong>de</strong>n kraft Gesetzes (§<br />

1922 BGB, 239 ZPO) ihre Erben Partei. Ist kein Anwalt vorhan<strong>de</strong>n, so tritt eine Unterbrechung<br />

<strong>de</strong>s Verfahrens bis zu <strong>de</strong>ssen Aufnahme durch einen Rechtsnachfolger ein (§ 239<br />

ZPO). War die verstorbene Partei durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten, so wird<br />

das Verfahren ohne weiteres fortgesetzt (§ 246 ZPO). Nur auf Antrag setzt das Gericht<br />

das Verfahren aus, damit etwaige Streitigkeiten über die Rechtsnachfolge und die weitere<br />

Prozessführung in Ruhe geklärt wer<strong>de</strong>n können (§ 246 ZPO).<br />

• Insolvenz einer Partei<br />

Wird während eines laufen<strong>de</strong>n Rechtsstreits das Insolvenzverfahren über das Vermögen<br />

einer Partei eröffnet, so verliert diese Partei die Prozessführungsbefugnis über die zur In-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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solvenzmasse gehören<strong>de</strong> Ansprüche. Das Verfahren wird dann (auch bei anwaltlicher<br />

Vertretung) unterbrochen. Der Insolvenzverwalter kann es als Partei kraft Amtes aufnehmen.<br />

An<strong>de</strong>renfalls bleibt das Verfahren unterbrochen, bis das Insolvenzverfahren been<strong>de</strong>t<br />

wird (§ 240 ZPO).<br />

In allen Fällen gesetzlichen Parteiwechsels muss die neue Partei <strong>de</strong>n Rechtsstreit in <strong>de</strong>r<br />

Lage übernehmen, in <strong>de</strong>r sie ihn vorfin<strong>de</strong>t. Sie ist also an die früheren Prozesshandlungen<br />

<strong>de</strong>s Gerichts (z.B. Zwischenentscheidungen, Beweiserhebungen) und <strong>de</strong>r alten Partei<br />

(z.B. Geständnisse, Anerkenntnisse, Verzichte) gebun<strong>de</strong>n.<br />

Für die praktisch wichtige Frage, unter welchen Voraussetzungen ein sogenannter gewillkürter<br />

Parteiwechsel – also ein solcher <strong>de</strong>r gesetzlich nicht vorgesehen ist - zulässig ist,<br />

sieht das Gesetz keine allgemeine Regelung vor. Das Folgen<strong>de</strong> ist die <strong>im</strong> Wesentlichen<br />

von <strong>de</strong>r Rechtsprechung vertretene Meinung für <strong>de</strong>n häufigeren Fall eines Parteiwechsels<br />

auf Beklagtenseite.<br />

<strong>Die</strong> Rechtsprechung behan<strong>de</strong>lt <strong>de</strong>n gewillkürten Parteiwechsel in erster Instanz wie eine<br />

Klageän<strong>de</strong>rung. Danach ist <strong>de</strong>r neue Beklagte Partei <strong>de</strong>s Rechtsstreits gewor<strong>de</strong>n, wenn er<br />

entwe<strong>de</strong>r eingewilligt bzw. sich rügelos eingelassen hat o<strong>de</strong>r das Gericht die Sachdienlichkeit<br />

<strong>de</strong>s Parteiwechsels ann<strong>im</strong>mt (BGHZ 65, 264, 268; NJW 1962, 347). Maßgebend<br />

für die Frage <strong>de</strong>r Sachdienlichkeit ist - wie bei <strong>de</strong>r objektiven Klageän<strong>de</strong>rung - <strong>de</strong>r Gesichtspunkt<br />

<strong>de</strong>r Prozessökonomie. Stellt <strong>de</strong>r Kläger seine Ansprüche nicht auf eine gänzlich<br />

neue tatsächliche Grundlage, so wird die Sachdienlichkeit seines Vorgehens in aller<br />

Regel bejaht.<br />

Zu <strong>de</strong>r Frage, unter welchen Voraussetzungen <strong>de</strong>r bisherige Beklagte bei einem Parteiwechsel<br />

in erster Instanz wirksam aus <strong>de</strong>m Prozess ausschei<strong>de</strong>t, hat sich <strong>de</strong>r BGH nicht<br />

ein<strong>de</strong>utig geäußert. Wohl aber dürfte für das Ausschei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s bisherigen Beklagten nach<br />

Beginn <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung gemäß § 269 Abs. 1 ZPO <strong>de</strong>ssen Zust<strong>im</strong>mung erfor<strong>de</strong>rlich<br />

sein. <strong>Die</strong>s nämlich entspricht <strong>de</strong>r Rechtsprechung zur objektiven Klageän<strong>de</strong>rung<br />

bei Ermäßigung <strong>de</strong>s Klageantrags (s.o.).<br />

Denkbar ist auch ein gewillkürter Parteiwechsel auf Klägerseite. <strong>Die</strong>sem Parteiwechsel<br />

müssen je<strong>de</strong>nfalls <strong>de</strong>r neue und <strong>de</strong>r alte Kläger zust<strong>im</strong>men. We<strong>de</strong>r kann ein Kläger gegen<br />

seinen Willen aus dieser Prozessstellung verdrängt wer<strong>de</strong>n, noch kann jemand gegen seinen<br />

Willen Kläger wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> Frage, inwiefern <strong>im</strong> Verhältnis zum Beklagten ein Parteiwechsel auf Klägerseite zulässig<br />

ist, beantwortet die Rechtsprechung ebenfalls wie bei <strong>de</strong>r objektiven Klageän<strong>de</strong>rung<br />

(BGHZ 65, 265, 268 m.w.N.). Danach ist <strong>de</strong>r neue Kläger Partei <strong>de</strong>s Rechtsstreits gewor<strong>de</strong>n,<br />

wenn <strong>de</strong>r Beklagte einwilligt, sich rügelos einlässt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Parteiwechsel sachdienlich<br />

erscheint. Für das wirksame Ausschei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s alten Klägers bedarf es analog § 269<br />

Abs. 1 ZPO nach Beginn <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung <strong>de</strong>r Einwilligung <strong>de</strong>s Beklagten, die<br />

auch nicht durch die Annahme <strong>de</strong>r Sachdienlichkeit ersetzt wer<strong>de</strong>n kann (Zöller/Greger,<br />

a.a.O., § 263 Rdn. 30 m.w.N.; so aber OLG München, NJW-RR 1998, 788 mit Anmerkungen<br />

von Deubner in JuS 1998, 541 f.). Alternativ zum Parteiwechsel hat <strong>de</strong>r Kläger allerdings<br />

auch die Möglichkeit, sich die ursprüngliche Klagefor<strong>de</strong>rung vom Berechtigten abtreten<br />

zu lassen. Er kann dann <strong>im</strong> Prozess verbleiben, ohne dass <strong>de</strong>r Erfolg <strong>de</strong>r Klage vom<br />

guten Willen <strong>de</strong>s Beklagten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Gerichts abhängig ist.<br />

Der gewillkürte Parteiwechsel setzt einen Schriftsatz <strong>de</strong>s Klägers voraus, welcher <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf die neue Partei <strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnissen <strong>de</strong>s § 253 Abs. 2 ZPO entsprechen muss. Mit<br />

<strong>de</strong>r Zustellung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>n Parteiwechsel enthalten<strong>de</strong>n Schriftsatzes entsteht ein Prozessrechtsverhältnis<br />

zwischen <strong>de</strong>n neuen Parteien. <strong>Die</strong> materiellen und prozessualen Wirkun-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Seite 13<br />

gen <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit treten ein. Erst ab diesem Zeitpunkt wird also zugunsten <strong>de</strong>s<br />

neuen Klägers die Verjährung unterbrochen o<strong>de</strong>r gehemmt bzw. muss <strong>de</strong>r neue Beklagte<br />

Prozesszinsen zahlen.<br />

Der Streitwert än<strong>de</strong>rt sich durch <strong>de</strong>n bloßen Parteiwechsel nicht. Es sind also keine weiteren<br />

Gerichtsgebühren vorauszuzahlen. <strong>Die</strong> Entscheidung über die Zulässigkeit eines Parteiwechsels<br />

ergeht <strong>im</strong> Endurteil und zwar dort in <strong>de</strong>r Regel stillschweigend. Nur wenn die<br />

Zulässigkeit problematisch erscheint, müssen entsprechen<strong>de</strong> Ausführungen bei <strong>de</strong>r Zulässigkeit<br />

erfolgen.<br />

Erweist sich <strong>de</strong>r Parteiwechsel auf Beklagtenseite nach <strong>de</strong>r Lösung <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />

mangels Sachdienlichkeit als unzulässig, so wird die Klage gegen <strong>de</strong>n neuen Beklagten<br />

als unzulässig abgewiesen. Was mit <strong>de</strong>r Klage gegen <strong>de</strong>n alten Beklagten geschieht,<br />

hängt wie<strong>de</strong>rum vom Willen <strong>de</strong>s Klägers ab. Will er <strong>de</strong>n Parteiwechsel nur, wenn dieser<br />

sich als zulässig erweist, hält er also seinen alten Antrag hilfsweise aufrecht, so ist eine<br />

Sachentscheidung über das ursprüngliche Prozessrechtsverhältnis zu treffen.<br />

Der Kläger kann aber auch seine Klage gegen <strong>de</strong>n alten Beklagten zurücknehmen, für<br />

erledigt erklären, auf <strong>de</strong>n Anspruch verzichten o<strong>de</strong>r säumig bleiben. Es ergeben sich dann<br />

die gleichen Konsequenzen wie bei einer unzulässigen objektiven Klageän<strong>de</strong>rung. Entsprechen<strong>de</strong>s<br />

gilt für die Kostenentscheidung.<br />

Im Falle <strong>de</strong>s zulässigen Parteiwechsels wird <strong>de</strong>r Rechtsstreit mit <strong>de</strong>n neuen Parteien fortgesetzt.<br />

Bei einem Parteiwechsel auf Beklagtenseite ergeht also eine Sachentscheidung<br />

zwischen <strong>de</strong>m Kläger und <strong>de</strong>m neuen Beklagten. Soweit <strong>de</strong>r bisherige Beklagte aus <strong>de</strong>m<br />

Rechtsstreit ausschei<strong>de</strong>t, kann er entsprechend § 269 Abs. 4 ZPO beantragen, dass seine<br />

außergerichtlichen Kosten vorab durch Beschluss <strong>de</strong>m Kläger auferlegt wer<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>renfalls<br />

wird darüber <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r das Verfahren abschließen<strong>de</strong>n Kostenentscheidung von<br />

Amts wegen befun<strong>de</strong>n.<br />

Nicht selten vertritt <strong>de</strong>rselbe Anwalt sowohl <strong>de</strong>n alten als auch <strong>de</strong>n neuen Beklagten. Ob<br />

er dann die angefallenen Gebühren doppelt abrechnen kann o<strong>de</strong>r ob es sich um dieselbe<br />

Angelegenheit han<strong>de</strong>lt, so dass nur eine Prozessgebühr anfällt, die sich unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen<br />

<strong>de</strong>s § 15 Abs. 5 Satz 1 RVG erhöht, ist streitig. Auf diese Streitfrage kommt<br />

es jedoch nicht bei <strong>de</strong>r Kostengrun<strong>de</strong>ntscheidung (die bleibt gleich), son<strong>de</strong>rn erst bei <strong>de</strong>r<br />

Kostenfestsetzung <strong>de</strong>r Höhe nach an.<br />

Inwiefern <strong>de</strong>r Kläger wegen seiner Klagrücknahme in Bezug auf <strong>de</strong>n bisherigen Beklagten<br />

einen <strong>Teil</strong> seiner eigenen außergerichtlichen Kosten und <strong>de</strong>r Gerichtskosten tragen muss,<br />

kann wegen <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong>de</strong>r Einheitlichkeit <strong>de</strong>r Kostenentscheidung ohnehin nicht<br />

vor Erlass <strong>de</strong>s verfahrensabschließen<strong>de</strong>n Urteils festgelegt wer<strong>de</strong>n. Erst wenn man weiß,<br />

ob <strong>de</strong>r Kläger hinsichtlich <strong>de</strong>s neuen Beklagten obsiegt o<strong>de</strong>r unterliegt, macht es Sinn,<br />

sich über eine Kostenquote Gedanken zu machen.<br />

Bei <strong>de</strong>r <strong>im</strong> Endurteil zu treffen<strong>de</strong>n Kostenentscheidung ist davon auszugehen, dass <strong>de</strong>r<br />

Parteiwechsel eine <strong>Teil</strong>-Rücknahme <strong>de</strong>r Klage enthält. Wenn man die Auffassung vertritt,<br />

<strong>de</strong>r Kläger müsse in Fällen dieser Art lediglich die auf <strong>de</strong>n zurückgenommenen <strong>Teil</strong> entfallen<strong>de</strong>n<br />

Mehrkosten tragen (s.o.), so ergibt sich eine einfache Lösung. Außer <strong>de</strong>n meist<br />

bereits vorab durch Beschluss verteilten außergerichtlichen Kosten <strong>de</strong>s bisherigen Beklagten<br />

sind nämlich keine Mehrkosten entstan<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Verfahrensgebühr für das Gericht fällt<br />

bei einem Parteiwechsel nicht ein zweites Mal an. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt nach überwiegen<strong>de</strong>r<br />

Ansicht für die vom Anwalt <strong>de</strong>s Klägers verdienten Gebühren (Zöller/Greger, a.a.O., §<br />

263 Rdn. 32). <strong>Die</strong> Kostenentscheidung <strong>im</strong> Endurteil richtet sich daher einfach nach <strong>de</strong>m<br />

Prozessausgang <strong>im</strong> Verhältnis zwischen Kläger und neuem Beklagten.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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4. Anerkenntnis und Klagerücknahme; Verzicht<br />

Seite 14<br />

Sowohl <strong>de</strong>r Kläger als auch <strong>de</strong>r Beklagte haben grundsätzlich die Möglichkeit <strong>de</strong>n<br />

Rechtsstreit durch eigene Prozesserklärung ohne streitiges Urteil zu been<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>ses<br />

kann – auch gegenüber einem Vergleich - Kostenvorteile haben. Bei Gericht fallen nämlich<br />

zwei zusätzliche Gebühren an, wenn eine streitige Entscheidung geht, also entwe<strong>de</strong>r<br />

Urteil mit Grün<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r auch Beschluss (§ 91a) mit Begründung.<br />

<strong>Die</strong> prozessuale Möglichkeit <strong>de</strong>s Beklagten, <strong>de</strong>r keine Verteidigungsmöglichkeiten sieht,<br />

verhältnismäßig günstig davon zu kommen, ist das Anerkenntnis, § 307 ZPO. Bei<br />

zumin<strong>de</strong>st zwei beteiligten Rechtsanwälten bietet sich kostenmäßig für ihn aber auch die<br />

Überlegung an, ein Versäumnisurteil zu kassieren (dazu ausführlich Schrö<strong>de</strong>r/Riechert in<br />

NJW 2005, 2187 f.).<br />

Das Anerkenntnis ist die einseitige Erklärung <strong>de</strong>s Beklagten an das Gericht, <strong>de</strong>r<br />

Klageanspruch bestehe zu Recht. Es besteht auch die Möglichkeit <strong>de</strong>s<br />

<strong>Teil</strong>anerkenntnisses über das gegebenenfalls durch <strong>Teil</strong>urteil zu entschei<strong>de</strong>n ist. Das<br />

Anerkenntnis ist reine Prozesshandlung, daher auch nicht mit § 781 BGB zu verwechseln.<br />

<strong>Die</strong> Wirkung <strong>de</strong>s Anerkenntnisses ist, dass das Gericht nur noch die Zulässigkeit <strong>de</strong>r<br />

Klage zu prüfen hat, materiell aber an das abgegebene Anerkenntnis gebun<strong>de</strong>n ist. Es<br />

erfolgt also keine Schlüssigkeitsprüfung mehr. Der Beklagter kann auch einen<br />

unbegrün<strong>de</strong>ten Anspruch anerkennen, Das Gericht ist an die Erklärung gebun<strong>de</strong>n.<br />

Das einmal abgegebene Anerkenntnis ist grundsätzlich unwi<strong>de</strong>rruflich. Nur über <strong>de</strong>n<br />

Arglisteinwand <strong>de</strong>s § 242 BGB kann es <strong>im</strong> Extremfall treuwidrig sein, <strong>de</strong>n Beklagten an<br />

seinem Anerkenntnis festzuhalten.<br />

Voraussetzung für die Zulässigkeit <strong>de</strong>s Anerkenntnisses ist die Prozessfähigkeit <strong>de</strong>s<br />

Abgeben<strong>de</strong>n. Vor <strong>de</strong>m Landgericht kann schon <strong>im</strong> schriftlichen Vorverfahren nur <strong>de</strong>r<br />

Anwalt ein solches für <strong>de</strong>n Mandanten abgeben, § 78 Abs. 1 ZPO. Ein bedingtes<br />

Anerkenntnis (z.B.: „Für <strong>de</strong>n Fall, dass das Gericht die Klage für begrün<strong>de</strong>t hält, erkenne<br />

ich <strong>de</strong>n Anspruch aus Kostengrün<strong>de</strong>n an.“) ist unzulässig. Allerdings liegt keine Bedingung<br />

vor, wenn das Anerkenntnis nur für <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>r Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage abgegeben wird<br />

o<strong>de</strong>r wenn das Anerkenntnis unter Protest gegen die Kostentragung abgegeben wird. In<br />

bei<strong>de</strong>n Fällen nämlich han<strong>de</strong>lt es sich um Bedingungen die ohnehin von Amts wegen zu<br />

prüfen sind.<br />

Durch das Anerkenntnis selber ist <strong>de</strong>r Prozess noch nicht been<strong>de</strong>t, doch vermag nach<br />

§ 307 ZPO sofort ohne mündliche Verhandlung ein Anerkenntnisurteil zu ergehen, das das<br />

Verfahren sodann been<strong>de</strong>t. Das Anerkenntnisurteil bedarf we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s noch<br />

<strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong>, wenn <strong>de</strong>r klägerische Anspruch insgesamt anerkannt wor<strong>de</strong>n<br />

ist. Das Urteil ist genauso vollstreckbar wie ein streitiges Urteil. <strong>Die</strong> Kostenfolge ist in <strong>de</strong>r<br />

Regel § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, eine wichtige Ausnahmeaber bil<strong>de</strong>t § 93 ZPO.<br />

Bei einem sofortigen Anerkenntnis nämlich trägt Kläger die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits. Der<br />

Gedanke, <strong>de</strong>r dahinter steht, lautet: Der, <strong>de</strong>r auch ohne Gerichtsprozess gezahlt hätte,<br />

hätte man ihn zur Zahlung nur aufgefor<strong>de</strong>rt, soll die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits nicht zahlen<br />

müssen.<br />

Anlass zur Klageerhebung gibt dabei <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r sich nichtvertragsgemäß verhält, sich mit<br />

<strong>de</strong>r Zahlung z.B. <strong>im</strong> Verzug befun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die For<strong>de</strong>rung vorprozessual bestritten hat.<br />

„Sofort“ ist ein Anerkenntnis in <strong>de</strong>r Regel nur, wenn zuvor nicht angezeigt wor<strong>de</strong>n ist, sich<br />

gegen die Klage verteidigen zu wollen. Erklärt <strong>de</strong>r Beklagte also <strong>im</strong> schriftlichen<br />

Vorverfahren seine Verteidigungsbereitschaft, kann er grundsätzlich nicht mehr sofort


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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anerkennen.<br />

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Allerdings kann das sofortige Anerkenntnis auch in einem schon lange laufen<strong>de</strong>m<br />

Verfahren ein wichtiges Mittel zur Verhin<strong>de</strong>rung unnötiger Kosten sein, etwa dann, wenn<br />

eine bislang nicht fällige For<strong>de</strong>rung durch weiteren Vortrag <strong>de</strong>s Klägers <strong>im</strong> Laufe <strong>de</strong>s<br />

Rechtsstreits fällig wird.<br />

Sollte in einer Klausur ein <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>s Klaganspruchs anerkannt wor<strong>de</strong>n sein, ergeben sich<br />

daraus für <strong>de</strong>n Aufbau folgen<strong>de</strong> Beson<strong>de</strong>rheiten:<br />

Rubrum: „<strong>Teil</strong>anerkenntnis- und Schlussurteil“<br />

Tatbestand:<br />

Das ausgesprochene <strong>Teil</strong>anerkenntnis ist als Prozessgeschichte nach <strong>de</strong>m streitigen<br />

Klägervortrag und nach <strong>de</strong>m Klägerantrag bringen. Bsp.:<br />

„Der Kläger beantragt,<br />

<strong>de</strong>n Beklagten zu verurteilen, an ihn EUR 1.500,00 zu zahlen.<br />

Der Beklagte hat <strong>de</strong>n Anspruch in Höhe von EUR 500,00 hinsichtlich <strong>de</strong>s Kaufvertrags<br />

über das Fahrrad anerkannt und beantragt <strong>im</strong> Übrigen<br />

<strong>Die</strong> Klage abzuweisen“<br />

E-Grün<strong>de</strong> materiell:<br />

„Der Kläger hat Anspruch gegenüber <strong>de</strong>m Beklagten in Höhe von EUR 500,00 aufgrund<br />

<strong>de</strong>s vom Beklagten insoweit abgegebenen <strong>Teil</strong>anerkenntnisses. <strong>Die</strong> Klage hat auch <strong>im</strong><br />

Übrigen Erfolg: ...„<br />

E-Grün<strong>de</strong> Kosten:<br />

„<strong>Die</strong> Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. <strong>Die</strong> beson<strong>de</strong>ren<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 93 ZPO haben nicht vorgelegen. ….“<br />

<strong>Die</strong> Klagerücknahme und <strong>de</strong>r Verzicht sind die prozessualen Kapitulationsmöglichkeiten<br />

<strong>de</strong>s Klägers. Wenn <strong>de</strong>r Kläger erkennt, dass seine Klage keine Erfolgsaussichten bietet,<br />

weil er etwa Be<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>s Gerichts gegen die Schlüssigkeit nicht auszuräumen vermag<br />

o<strong>de</strong>r weil seine Beweismittel versagen, hat er die Möglichkeit <strong>de</strong>n Rechtsstreit ohne<br />

streitiges Urteil durch Zurücknahme <strong>de</strong>r Klage zu been<strong>de</strong>n und damit verhältnismäßig<br />

kostengünstig davon zu kommen, § 269 ZPO. Der Rechtsstreit gilt dann als nicht anhängig<br />

gewor<strong>de</strong>n. Es tritt also dieselbe Situation ein, als habe <strong>de</strong>r Kläger nie Klage erhoben. Eine<br />

erneute Klagerhebung bleibt möglich!<br />

Aber: Nach Beginn <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung ist die Klagrücknahme nur wirksam,<br />

wenn <strong>de</strong>r Beklagte zust<strong>im</strong>mt. <strong>Die</strong>se Zust<strong>im</strong>mung wird gelegentlich davon abhängig gemacht,<br />

dass <strong>de</strong>r Kläger durch Abgabe einer materiell-rechtlichen Erklärung für <strong>im</strong>mer auf<br />

<strong>de</strong>n geltend gemachten Anspruch verzichtet. In einem solchen Fall bliebe eine erneute<br />

Klage zwar zulässig, wäre aber unbegrün<strong>de</strong>t.<br />

Eine an<strong>de</strong>re Möglichkeit für <strong>de</strong>n Kläger zur Kapitulation ist <strong>de</strong>r Verzicht, § 306 ZPO. Es<br />

ergeht dann ein Verzichtsurteil, und zwar entgegen <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s § 306 ZPO auch<br />

dann, wenn <strong>de</strong>r Beklagte ein streitiges Urteil beantragt, weil für einen solchen Antrag das<br />

erfor<strong>de</strong>rliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt. <strong>Die</strong> Klage ist dann aufgrund <strong>de</strong>s Verzichts ohne<br />

Rücksicht auf ihre Schlüssigkeit bzw. die Erheblichkeit <strong>de</strong>r Verteidigung abzuweisen (also<br />

Gegenstück zum Anerkenntnisurteil). Das Verzichtsurteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig<br />

vollstreckbar, § 708 Ziff. 1 ZPO. Es bedarf keines Tatbestan<strong>de</strong>s und keiner Ent-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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scheidungsgrün<strong>de</strong>, § 313 b ZPO. Der Zulässigkeit einer erneuten Klage stün<strong>de</strong> die<br />

Rechtskraft <strong>de</strong>s Verzichtsurteils entgegen<br />

In bei<strong>de</strong>n Fällen wer<strong>de</strong>n – grundsätzlich - die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits <strong>de</strong>m Kläger auferlegt.<br />

Bei einer Klagrücknahme ist aber folgen<strong>de</strong>s zu beachten: <strong>Die</strong> Auferlegung <strong>de</strong>r Kosten<br />

erfolgt nur dann, wenn <strong>de</strong>r Beklagte einen entsprechen<strong>de</strong>n Antrag stellt (§ 269 Abs. 4<br />

ZPO). Ansonsten ergeht keine Kostengrun<strong>de</strong>ntscheidung. Zu<strong>de</strong>m erfolgt die Kostenentscheidung<br />

unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s bisherigen Sach- und Streitstan<strong>de</strong>s nach billigem<br />

Ermessen gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO, wenn <strong>de</strong>r Anlass zur Einreichung <strong>de</strong>r Klage vor<br />

Rechtshängigkeit (aber nach Anhängigkeit) weggefallen ist und <strong>de</strong>r Kläger die Klage zurückn<strong>im</strong>mt.<br />

Vor erneuter Neufassung <strong>de</strong>s § 269 Abs. 3 S. 3 <strong>im</strong> Zuge <strong>de</strong>s Justizmo<strong>de</strong>rnisierungsgesetzes<br />

zum 01.09.2004 fehlte in § 269 Abs. 3 S. 3 noch <strong>de</strong>r Halbsatz, dass § 269 Abs. 3 S. 3<br />

auch Anwendung fin<strong>de</strong>t, wenn die Klage nicht zugestellt ist. <strong>Teil</strong>e <strong>de</strong>r Rechtsprechung hatten<br />

argumentiert, dass die Anwendung <strong>de</strong>r Kostenfolge <strong>de</strong>s § 269 Abs. 3 zwingend ein<br />

Prozessrechtsverhältnis <strong>de</strong>r Parteien und damit die Zustellung <strong>de</strong>r Klage voraussetzt, eine<br />

Entscheidung nach billigem Ermessen also nach § 269 Abs. 3 nicht in Betracht käme,<br />

wenn <strong>de</strong>r Anlass zur Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist. Der Gesetzgeber reagierte<br />

hierauf umgehend mit § 269 Abs. 3 S. 3 2. HS. Fraglich aber bleibt weiterhin, ob<br />

eine Zustellung <strong>de</strong>r Klage nicht gleichwohl erfor<strong>de</strong>rlich ist, nämlich um das notwendige<br />

rechtliche Gehör für <strong>de</strong>n Beklagten sicherzustellen und zu dokumentieren.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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5. Erledigung <strong>de</strong>s Rechtsstreits<br />

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Erledigt sich die Klage während <strong>de</strong>s Rechtsstreits, etwa dadurch, dass <strong>de</strong>r Beklagte die<br />

geltend gemachte For<strong>de</strong>rung doch noch erfüllt o<strong>de</strong>r das anfangs vorhan<strong>de</strong>ne berechtigte<br />

Interesse für einen Antrag auf Feststellung <strong>de</strong>r Ersatzpflicht eines Schädigers für zukünftige<br />

Schä<strong>de</strong>n entfällt, weil sich <strong>im</strong> Verlauf <strong>de</strong>s Rechtsstreits herausstellt, dass mit zukünftigen<br />

Schä<strong>de</strong>n nicht mehr zu rechnen ist, ergibt sich folgen<strong>de</strong>s:<br />

Mit Erledigung <strong>de</strong>r Hauptsache hat die Klage keine Erfolgsaussichten mehr, weil sie jetzt<br />

unzulässig (siehe oben Wegfall <strong>de</strong>s Feststellungsinteresses) o<strong>de</strong>r unbegrün<strong>de</strong>t (siehe oben<br />

Erfüllung) gewor<strong>de</strong>n ist. Hält <strong>de</strong>r Kläger trotz<strong>de</strong>m an seinem ursprünglichen Antrag<br />

fest, muss die Klage angesichts <strong>de</strong>s erledigen<strong>de</strong>n Ereignisses abgewiesen wer<strong>de</strong>n, da<br />

das Urteil aufgrund <strong>de</strong>s Sach- und Streitstan<strong>de</strong>s zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r letzten mündlichen<br />

Verhandlung ergeht. Nach § 91 Abs. 1 ZPO wären die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits <strong>de</strong>m Kläger<br />

aufzuerlegen. Auch <strong>im</strong> Falle <strong>de</strong>r Säumnis <strong>de</strong>s Beklagten wäre die Klage - <strong>im</strong> Wege<br />

<strong>de</strong>s unechten Versäumnisurteils – wegen <strong>de</strong>r inzwischen eingetretenen Unzulässigkeit<br />

o<strong>de</strong>r Unbegrün<strong>de</strong>theit abzuweisen. Auch in diesem Fall hätte <strong>de</strong>r Kläger nach § 91 Abs. 1<br />

ZPO die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits selbst zu tragen.<br />

Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kläger die Klage wegen <strong>de</strong>s erledigen<strong>de</strong>n Ereignisses zurücknehmen o<strong>de</strong>r<br />

wür<strong>de</strong> er <strong>im</strong> Termin säumig bleiben, wür<strong>de</strong> er ebenfalls die gesamten – allerdings<br />

reduzierten – Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits (§ 269 Abs. 3 ZPO bzw. § 91 Abs. 1 ZPO). Auch<br />

§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Kläger nicht helfen, <strong>de</strong>ssen Anwendungsbereich<br />

nämlich setzt voraus, dass <strong>de</strong>r Anlass zur Einreichung <strong>de</strong>r Klage vor Rechtshängigkeit<br />

weggefallen wäre.<br />

All das aber erscheint nicht interessengerecht, hat <strong>de</strong>r Beklagte doch die Ursache für die<br />

durch Klage entstan<strong>de</strong>nen Kosten gesetzt. Wenn eine anfangs aussichtsreiche Klage<br />

durch ein während <strong>de</strong>s laufen<strong>de</strong>n Rechtsstreits eintreten<strong>de</strong>s Ereignis gegenstandslos<br />

wird, besteht <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Klägers notwendige Weg daher darin, <strong>de</strong>n Rechtsstreit<br />

in <strong>de</strong>r Hauptsache für erledigt zu erklären.<br />

Hat <strong>de</strong>r Kläger eine solche Erklärung abgegeben, <strong>de</strong>n Rechtsstreit also für erledigt erklärt,<br />

kann <strong>de</strong>r Beklagte verschie<strong>de</strong>n reagieren. Der Grundfall ist <strong>de</strong>r, dass auch <strong>de</strong>r Beklagte<br />

eine Erledigungserklärung abgibt, sich also <strong>de</strong>m Antrag <strong>de</strong>s Klägers anschließt. <strong>Die</strong>se<br />

bei<strong>de</strong>rseitige Erledigungserklärung hat folgen<strong>de</strong> Wirkungen:<br />

<strong>Die</strong> Rechtshängigkeit erlischt kraft Parteiwillens; die Parteien entziehen <strong>de</strong>m Gericht <strong>de</strong>n<br />

bisherigen Streitgegenstand. Da es also an einer gerichtlichen Entscheidung in <strong>de</strong>r Sache<br />

fehlt, kann mangels Rechtskraft erneut geklagt wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>m Rechtsstreit bereits ergangene<br />

Entscheidungen (z.B. Versäumnis-Urteil, <strong>Teil</strong>-Urteil, Urteil 1.Instanz bei Erledigungserklärung<br />

in <strong>de</strong>r 2.Instanz) bleiben nur dann wirksam, wenn sie schon rechtskräftig gewor<strong>de</strong>n<br />

sind, sonst wer<strong>de</strong>n sie infolge Wegfalls <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit von selbst wirkungslos<br />

(§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog). Das Gericht hat nur noch über die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits<br />

zu entschei<strong>de</strong>n, und zwar auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s § 91 a ZPO durch Beschluss.<br />

Formell kann die Erledigungserklärungen ausdrücklich o<strong>de</strong>r konklu<strong>de</strong>nt in <strong>de</strong>r mündlichen<br />

Verhandlung o<strong>de</strong>r per Schriftsatz o<strong>de</strong>r zu Protokoll <strong>de</strong>r Geschäftsstelle (§ 91 a Abs.1 Satz<br />

1 ZPO) abgegeben wer<strong>de</strong>n. Das be<strong>de</strong>utet auch, dass es gemäß § 78 Abs. 3 ZPO für die<br />

Abgabe <strong>de</strong>r Erledigungserklärung kein Anwaltszwang besteht.<br />

Voraussetzungen für die Wirksamkeit <strong>de</strong>r Erledigungserklärung ist zunächst, dass die allgemeinen<br />

Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen (Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit).<br />

Nach herrschen<strong>de</strong>r Meinung muss zu<strong>de</strong>m spätestens zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Erledi-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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gungserklärungen ein Prozessrechtsverhältnis vorliegen, das sich in <strong>de</strong>r Hauptsache erledigen<br />

kann (= Rechtshängigkeit). Fehlt dieses ist nach § 269 Abs. 3 ZPO zu verfahren<br />

(siehe Skript 11, Klagerücknahme). Nach ebenfalls herrschen<strong>de</strong>r Meinung ist es für die<br />

Zulässigkeit einer Entscheidung nach § 91 a ZPO hingegen nicht von Be<strong>de</strong>utung, wann<br />

das erledigen<strong>de</strong> Ereignis eingetreten ist o<strong>de</strong>r eingetreten sein soll: § 91 a ZPO ist also<br />

auch dann einschlägig, wenn die Erledigung vor Anhängigkeit eingetreten ist, vorausgesetzt,<br />

dass die Klage noch zugestellt wird und nachträglich ein Prozessrechtsverhältnis<br />

begrün<strong>de</strong>t wird.<br />

Erledigungserklärungen sind möglich in allen kontradiktorischen Verfahren nach <strong>de</strong>r ZPO<br />

(z.B. Urteilsverfahren, Eilverfahren). Im PKH-Verfahren hingegen ist § 91 a ZPO nicht anwendbar,<br />

da es kein kontradiktorisches Verfahren ist, son<strong>de</strong>rn eine Art Verwaltungsverfahren<br />

zwischen Antragsteller und Staatskasse.<br />

Unerheblich für die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Erledigungserklärung und die mit ihr verbun<strong>de</strong>nen<br />

Wirkungen ist auch, ob tatsächlich ein erledigen<strong>de</strong>s Ereignis eingetreten ist. Das Gericht<br />

ist an die übereinst<strong>im</strong>men<strong>de</strong> Erklärung <strong>de</strong>r Parteien gebun<strong>de</strong>n.<br />

Bei übereinst<strong>im</strong>men<strong>de</strong>n Erledigungserklärungen bei<strong>de</strong>r Parteien bezüglich <strong>de</strong>r gesamten<br />

Hauptsache ergeht die Entscheidung <strong>de</strong>s Gerichts <strong>im</strong>mer durch Beschluss (§ 91 a Abs.1<br />

Satz 2 ZPO).<br />

Der Standardaufbau eines solchen Beschlusses sieht wie folgt aus:<br />

• vollständiges Rubrum mit <strong>de</strong>n Angaben <strong>de</strong>s § 313 Abs.1 Nr.1-3 ZPO;<br />

• falls eine mündliche Verhandlung stattgefun<strong>de</strong>n hat, ist in das Rubrum <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r<br />

letzten mündlichen Tatsachenverhandlung aufzunehmen,<br />

Beispiel: „... hat das Amtsgericht Hamburg auf die mündliche Verhandlung vom ... beschlossen:<br />

...“;<br />

hat keine mündliche Verhandlung stattgefun<strong>de</strong>n ist <strong>im</strong> Rubrum <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Entscheidung<br />

anzugeben,<br />

Beispiel: „... hat das Amtsgericht Hamburg durch <strong>de</strong>n Richter am<br />

Amtsgericht ... am ... beschlossen: ...“<br />

• <strong>de</strong>r Tenor besteht nur aus <strong>de</strong>r Kostenentscheidung; <strong>de</strong>r Tenor kann also lauten:<br />

„<strong>Die</strong> Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits hat <strong>de</strong>r Kläger/Beklagte zu tragen.“<br />

„<strong>Die</strong> Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits hat <strong>de</strong>r Kläger zu ... % und <strong>de</strong>r Beklagte zu ...% zu<br />

tragen.“<br />

„<strong>Die</strong> Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits wer<strong>de</strong>n gegeneinan<strong>de</strong>r aufgehoben.“<br />

Eine Entscheidung in <strong>de</strong>r Hauptsache darf natürlich nicht mehr erfolgen, weil diese nicht<br />

mehr rechtshängig ist. Insbeson<strong>de</strong>re darf also auch nicht tenoriert wer<strong>de</strong>n: „<strong>Die</strong> Hauptsache<br />

ist erledigt.“<br />

Auch ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit darf nicht erfolgen, weil gemäß<br />

§ 794 Abs.1 Satz 1 Nr.3 ZPO aus Entscheidungen, gegen die – wie hier – das Rechtsmittel<br />

<strong>de</strong>r (sofortigen) Beschwer<strong>de</strong> gegeben ist, ohne weiteres die Zwangsvollstreckung stattfin<strong>de</strong>t<br />

• <strong>de</strong>r Beschluss ist allerdings zu begrün<strong>de</strong>n, da er angefochten wer<strong>de</strong>n kann (§ 91 a<br />

Abs.2 ZPO), und zwar unter <strong>de</strong>r Überschrift „Grün<strong>de</strong>“


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Der Aufbau <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong> gleicht theoretisch <strong>de</strong>m Aufbau eines je<strong>de</strong>n Beschlusses, <strong>de</strong>n das<br />

Gericht erlässt. In <strong>de</strong>r Praxis wird in <strong>de</strong>r Regel <strong>de</strong>r Sachverhalt in <strong>de</strong>m Beschluss nicht<br />

dargestellt, son<strong>de</strong>rn gleich die Kostenentscheidung begrün<strong>de</strong>t. Auch das gilt <strong>im</strong> Prinzip bei<br />

allen Beschlüssen. In <strong>de</strong>r Klausur hingegen muss <strong>de</strong>r Beschluss nach <strong>de</strong>n Weisungen <strong>de</strong>s<br />

GPA eine Sachverhaltsdarstellung enthalten. Der Aufbau <strong>de</strong>r Sachverhaltsdarstellung erfolgt<br />

dabei analog <strong>de</strong>m Tatbestand eines Urteils (auch hier ist nur das zu bringen, was für<br />

die (konkrete) Entscheidung gemäß § 91 a ZPO von Be<strong>de</strong>utung ist). <strong>Die</strong> ursprünglichen<br />

Klaganträge wer<strong>de</strong>n als Prozessgeschichte vor <strong>de</strong>n aktuellen Anträgen (Erledigungserklärung)<br />

<strong>im</strong> Perfekt zu bringen sein, die Erledigungserklärungen selber <strong>im</strong> Präsens, Beispiel:<br />

„Nunmehr erklären die Parteien <strong>de</strong>n Rechtsstreit übereinst<strong>im</strong>mend in <strong>de</strong>r Hauptsache für<br />

erledigt und stellen wechselseitige Kostenanträge.“<br />

Es gibt <strong>im</strong> Übrigen einen einheitlichen auch formalen Aufbau für alle Beschlüsse, an <strong>de</strong>n<br />

Sie sich in Klausur halten sollten und zwar:<br />

Überschrift: Grün<strong>de</strong><br />

Sachverhaltsdarstellung: I.<br />

Begründung<br />

(z.B. <strong>de</strong>r Kostenentscheidung): II.<br />

<strong>Die</strong> Begründung <strong>de</strong>r Kostenentscheidung leitet man zum Beispiel wie folgt ein:<br />

„Nach<strong>de</strong>m bei<strong>de</strong> Parteien <strong>de</strong>n Rechtsstreit übereinst<strong>im</strong>mend in <strong>de</strong>r Hauptsache für erledigt<br />

erklärt haben, war über die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung<br />

<strong>de</strong>s bisherigen Sach- und Streitstan<strong>de</strong>s nach billigem Ermessen zu entschei<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong>s führte zur Auferlegung <strong>de</strong>r Kosten auf <strong>de</strong>n Beklagten, da er ohne <strong>de</strong>n Eintritt<br />

<strong>de</strong>s erledigen<strong>de</strong>n Ereignisses (…. (konkretes Ereignis benennen)…) in <strong>de</strong>m Rechtsstreit<br />

aller Voraussicht nach unterlegen wäre.<br />

Dem Kläger stand gemäß § 433 Abs.2 BGB ein Anspruch gegen <strong>de</strong>n Beklagten auf Zahlung<br />

<strong>de</strong>s Kaufpreises für ... zu.“<br />

Bei <strong>de</strong>r materiellen Begründung <strong>de</strong>r Entscheidung ist aufgrund <strong>de</strong>s bisherigen Sach- und<br />

Streitstan<strong>de</strong>s zu prüfen, welche Partei <strong>de</strong>n Prozess gewonnen hätte, wenn keine Erledigungserklärungen<br />

abgegeben wor<strong>de</strong>n wären. Gemäß <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>n §§ 91 ff. ZPO enthaltenen<br />

Prinzip entspricht es <strong>im</strong> Allgemeinen billigem Ermessen, dass die Partei, welche voraussichtlich<br />

unterlegen wäre, die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits trägt. Daraus folgt:<br />

Ist <strong>de</strong>r Klägervortrag unschlüssig, muss <strong>de</strong>r Kläger die Kosten tragen, <strong>de</strong>nn er hätte auch<br />

ohne Erledigung verloren. Ist <strong>de</strong>r Klägervortrag schlüssig, das Beklagtenvorbringen aber<br />

unerheblich, trägt <strong>de</strong>r Beklagte die Kosten, weil er ohnehin verloren hätte. Ist <strong>de</strong>r Klägervortrag<br />

schlüssig und auch das Beklagtenvorbringen erheblich, dann kommt es darauf an,<br />

ob schon Beweis erhoben wor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r nicht:<br />

ist noch kein Beweis erhoben, so hängt die Kostenentscheidung davon ab, ob die<br />

beweisbelastete Partei Beweis angeboten hat. Wenn ja, so ist <strong>de</strong>r Ausgang <strong>de</strong>s<br />

Rechtsstreits offen, so dass die Kosten grundsätzlich gegeneinan<strong>de</strong>r aufzuheben sind.<br />

Wenn nein, dann hätte die beweisbelastete Partei verloren, <strong>de</strong>shalb trägt sie die Kosten.<br />

Zulässig ist hier ausnahmsweise eine vorweggenommene Beweiswürdigung, nämlich<br />

wenn das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussehbar erscheint. Denn es han<strong>de</strong>lt<br />

sich um eine Prognoseentscheidung nach billigem Ermessen.<br />

Ist schon Beweis erhoben wor<strong>de</strong>n, dann erfolgt eine Beweiswürdigung wie bei einem streitigen<br />

Urteil. Ist nur teilweise Beweis erhoben wor<strong>de</strong>n, kommt es darauf an, ob sich schon


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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ein Beweisergebnis o<strong>de</strong>r eine Ten<strong>de</strong>nz abzeichnet, die das Gewicht zugunsten einer Partei<br />

verschieben kann (Kostenentscheidung dann z.B. 2/3: 1/3) (was auch nichts an<strong>de</strong>res<br />

als eine zulässige vorweggenommene Beweiswürdigung ist) o<strong>de</strong>r nicht, dann sind die<br />

Kosten gegeneinan<strong>de</strong>r aufzuheben.<br />

Ausnahmsweise kann es <strong>de</strong>r Billigkeit entsprechen, eine von <strong>de</strong>m Sach- und Streitstand<br />

abweichen<strong>de</strong> Kostenentscheidung zu treffen und <strong>de</strong>r Partei die Kosten aufzuerlegen, die<br />

ohne Eintritt <strong>de</strong>s erledigen<strong>de</strong>n Ereignisses voraussichtlich verloren hätte. Insbeson<strong>de</strong>re ist<br />

<strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s § 91 a ZPO nämlich auch <strong>de</strong>r Rechtsgedanke <strong>de</strong>s § 93 ZPO zu berücksichtigen.<br />

Hat also z.B. <strong>de</strong>r Kläger <strong>de</strong>n Beklagten nach Rechnungserteilung nie zur Zahlung<br />

aufgefor<strong>de</strong>rt, son<strong>de</strong>rn ihn sofort mit einer Klage überzogen und zahlt <strong>de</strong>r Beklagte<br />

alsbald nach Klagezustellung <strong>de</strong>n Rechnungsbetrag, so kann sich aus <strong>de</strong>m Rechtsgedanken<br />

<strong>de</strong>s § 93 ZPO eine Kostentragungspflicht <strong>de</strong>s Klägers ergeben.<br />

Für <strong>de</strong>n Streitwert und die Gebührenberechnung bei übereinst<strong>im</strong>men<strong>de</strong>r Erledigungserklärung<br />

ist folgen<strong>de</strong>s zu be<strong>de</strong>nken: Alle Gebühren, die vor <strong>de</strong>n Erledigungserklärungen<br />

anfallen, richten sich nach <strong>de</strong>m Streitwert <strong>de</strong>r ursprünglichen Klage. Für die Gebühren,<br />

die ab <strong>de</strong>n Erledigungserklärungen anfallen ist anstelle <strong>de</strong>s Streitwerts <strong>de</strong>r Hauptsache<br />

<strong>de</strong>r Kostenstreitwert (Summe <strong>de</strong>r bis dahin angefallenen Kosten) anzusetzen soweit<br />

sie <strong>de</strong>n bisherigen Wert <strong>de</strong>r Hauptsache nicht übersteigen (herrschen<strong>de</strong> Meinung). Der<br />

Kostenstreitwert ist also max<strong>im</strong>al so hoch wie <strong>de</strong>r Streitwert <strong>de</strong>r ursprünglichen Klage.<br />

Gegen einen Beschluss nach § 91 a ZPO kommt das Rechtsmittel <strong>de</strong>r sofortigen<br />

Beschwer<strong>de</strong> in Betracht (§ 91 a Abs.2 Satz 1 ZPO). <strong>Die</strong>ses Rechtsmittel ist allerdings<br />

nicht statthaft, wenn <strong>de</strong>r Wert <strong>de</strong>s Beschwer<strong>de</strong>gegenstan<strong>de</strong>s (d.h. die Höhe <strong>de</strong>r Kosten,<br />

gegen <strong>de</strong>ren Auferlegung sich <strong>de</strong>r Beschwer<strong>de</strong>führer zur Wehr setzt) nur 100,00 o<strong>de</strong>r<br />

weniger beträgt, § 567 Abs.2 Satz 1 ZPO, es sich um einen Beschluss <strong>de</strong>s OLG han<strong>de</strong>lt,<br />

§ 567 Abs. 1 ZPO o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Streitwert <strong>de</strong>r Hauptsache <strong>de</strong>n in § 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO<br />

genannten Betrag (EUR 600,00) nicht übersteigt, die Sache also nicht berufungsfähig<br />

wäre.<br />

<strong>Die</strong> sofortige Beschwer<strong>de</strong> ist binnen einer Notfrist von 2 Wochen ab Zustellung einzulegen<br />

(§ 569 Abs.1 ZPO). Eine Abhilfe durch das Gericht, welches die angefochtene<br />

Entscheidung erlassen hat, ist möglich, § 572 Abs. 1 S. 1, 1. HS ZPO.<br />

Der Rechtsstreit kann auch nur teilweise übereinst<strong>im</strong>mend für erledigt erklärt wer<strong>de</strong>n,<br />

z.B. bei <strong>Teil</strong>zahlung <strong>de</strong>s Schuldners <strong>im</strong> laufen<strong>de</strong>n Rechtsstreit: <strong>Die</strong> Rechtshängigkeit<br />

entfällt dann nur hinsichtlich <strong>de</strong>s übereinst<strong>im</strong>mend für erledigt erklärten <strong>Teil</strong>s <strong>de</strong>s<br />

Rechtsstreits, <strong>im</strong> Übrigen wird <strong>de</strong>r Sachantrag zur Entscheidung gestellt.<br />

Wegen <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong>de</strong>r Kosteneinheit ist ebenso wie bei einer teilweisen<br />

Klagrücknahme über die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits dann einheitlich <strong>im</strong> Urteil zu<br />

entschei<strong>de</strong>n. Es gibt also keinen geson<strong>de</strong>rten Beschluss nach § 91 a ZPO bezüglich <strong>de</strong>s<br />

für erledigt erklärten <strong>Teil</strong>s <strong>de</strong>s Rechtsstreits. Es muss <strong>im</strong> abschließen<strong>de</strong>n Urteil eine<br />

einheitliche Entscheidung über die Kosten <strong>de</strong>s für erledigt erklärten und <strong>de</strong>s streitig<br />

gebliebenen <strong>Teil</strong>s <strong>de</strong>s Rechtsstreits ergehen. Im Rahmen dieser Kostenentscheidung aber<br />

sind die Grundsätze einer Kostenverteilung gemäß § 91 a ZPO bezüglich <strong>de</strong>s für erledigt<br />

erklärten <strong>Teil</strong>s <strong>de</strong>s Rechtsstreits anzuwen<strong>de</strong>n, gegebenenfalls sind die Kosten <strong>de</strong>s<br />

Rechtsstreits zu quoteln.<br />

Vor <strong>de</strong>n Erledigungserklärungen richtet sich <strong>de</strong>r Streitwert auch hier nach <strong>de</strong>r<br />

ursprünglichen Klagefor<strong>de</strong>rung. Streitig ist, ob sich <strong>de</strong>r Streitwert ab <strong>de</strong>n<br />

Erledigungserklärungen nur noch nach <strong>de</strong>m Wert <strong>de</strong>s noch streitig gebliebenen <strong>Teil</strong>s <strong>de</strong>r<br />

Hauptsache ohne Zinsen und Kosten richtet o<strong>de</strong>r ob noch die auf <strong>de</strong>n erledigten <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>s


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Rechtsstreits entfallen<strong>de</strong>n Kosten hinzuzurechnen sind.<br />

Seite 21<br />

Bei teilweiser Erledigungserklärung ergibt sich für <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>s Urteils folgen<strong>de</strong>s: Im<br />

Tatbestand müssen alle Daten angegeben wer<strong>de</strong>n, die für eine (teilweise) Entscheidung<br />

nach § 91 a Abs.1 ZPO von Be<strong>de</strong>utung sind. Bezüglich <strong>de</strong>r Anträge kann wie folgt<br />

formuliert wer<strong>de</strong>n:<br />

„Der Kläger hat ursprünglich einen Betrag in Höhe von ... geltend gemacht. Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

Beklagte am ... einen Betrag von ... an ihn gezahlt hat, haben die Parteien <strong>de</strong>n<br />

Rechtsstreit in Höhe von ... übereinst<strong>im</strong>mend für erledigt erklärt.“<br />

In <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Urteils wird zunächst nur <strong>de</strong>r noch verbliebene<br />

Sachantrag in <strong>de</strong>r üblichen Form abgehan<strong>de</strong>lt, die teilweise übereinst<strong>im</strong>men<strong>de</strong>n<br />

Erledigungserklärungen wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Kostenentscheidung erörtert. <strong>Die</strong> auf § 91<br />

a Abs.1 ZPO beruhen<strong>de</strong> Kostenentscheidung muss dabei begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n und zwar<br />

nicht nur wie sonst üblich mit Benennung <strong>de</strong>s Gesetzestextes, son<strong>de</strong>rn – da es sich um<br />

eine Billigkeitsentscheidung han<strong>de</strong>lt– umfassend. Das könnte etwa wie folgt aussehen:<br />

„<strong>Die</strong> Kostenentscheidung beruht auf <strong>de</strong>n §§ 91 Abs.1, 91 a ZPO. Soweit die Parteien <strong>de</strong>n<br />

Rechtsstreit übereinst<strong>im</strong>mend in Höhe von ... in <strong>de</strong>r Hauptsache für erledigt erklärt haben,<br />

war über die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits nach § 91 a ZPO unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

bisherigen Sach- und Streitstan<strong>de</strong>s nach billigem Ermessen zu entschei<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>s führte<br />

zur Auferlegung <strong>de</strong>r insoweit entstan<strong>de</strong>nen Kosten auf <strong>de</strong>n Beklagten, da er ohne <strong>de</strong>n<br />

Eintritt <strong>de</strong>s erledigen<strong>de</strong>n Ereignisses in <strong>de</strong>m Rechtsstreit aller Voraussicht nach<br />

unterlegen wäre. Dem Kläger stand <strong>de</strong>r geltend gemachte Anspruch gegen <strong>de</strong>n Beklagten<br />

auf ... gemäß § ... zu. ...“<br />

Gegen das Urteil, <strong>de</strong>ssen Kostenentscheidung teilweise auf § 91 a Abs.1 ZPO beruht,<br />

kann unter <strong>de</strong>n in § 511 ff. ZPO genannten Voraussetzungen Berufung eingelegt wer<strong>de</strong>n.<br />

Dabei wird auch die Kostenentscheidung, soweit sie gemäß § 91 a ZPO ergangen ist,<br />

überprüft. Da aber <strong>de</strong>n Parteien kein Nachteil daraus entstehen darf, dass wegen <strong>de</strong>s<br />

Grundsatzes <strong>de</strong>r Kosteneinheit einheitlich durch Urteil entschie<strong>de</strong>n wird, kann die<br />

beschwerte Partei unter allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen daneben sofortige<br />

Beschwer<strong>de</strong> gegen die gesamte Kostenentscheidung einlegen. <strong>Die</strong>se wird dann<br />

gegebenenfalls <strong>im</strong> Beschwer<strong>de</strong>verfahren geän<strong>de</strong>rt, soweit sie auf § 91 a Abs.1 ZPO<br />

beruht. Im Fall <strong>de</strong>r Abän<strong>de</strong>rung wird <strong>de</strong>r Kostentenor dann insgesamt neu gefasst.<br />

Der Beklagte muss sich <strong>de</strong>r klägerischen Erledigungserklärung selbstverständlich nicht<br />

anschließen. Es han<strong>de</strong>lt sich dann um eine einseitige Erledigungserklärung <strong>de</strong>s Klägers.<br />

Nach herrschen<strong>de</strong>r Meinung ist die einseitige Erledigungserklärung eine gemäß § 264<br />

Ziff.2 ZPO je<strong>de</strong>rzeit zulässige Klageän<strong>de</strong>rung (Beschränkung <strong>de</strong>s Klageantrags), die von<br />

einer Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Beklagten nicht abhängig ist. An die Stelle <strong>de</strong>s ursprünglichen<br />

Klageantrags tritt ein Sachantrag auf Feststellung, dass <strong>de</strong>r Rechtsstreit in <strong>de</strong>r<br />

Hauptsache erledigt ist. <strong>Die</strong>ser Feststellungsantrag wird selten ausdrücklich formuliert. Er<br />

ist in <strong>de</strong>r Erledigungserklärung <strong>de</strong>s Klägers konklu<strong>de</strong>nt enthalten.<br />

Das für je<strong>de</strong> Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erfor<strong>de</strong>rliche Feststellungsinteresse ist<br />

<strong>im</strong> Falle <strong>de</strong>r einseitigen Erledigungserklärung <strong>de</strong>s Klägers generell zu bejahen. Das<br />

Interesse an einer alsbaldigen Feststellung besteht, weil <strong>de</strong>r Kläger bei nachträglicher<br />

Erledigung ohne die begehrte Feststellung <strong>im</strong>mer die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits tragen<br />

müsste.<br />

Der in <strong>de</strong>r einseitigen Erledigungserklärung enthaltene Feststellungsantrag ist begrün<strong>de</strong>t,<br />

wenn <strong>de</strong>r ursprüngliche Klagantrag zulässig und begrün<strong>de</strong>t war und sich durch <strong>de</strong>n Eintritt<br />

eines Ereignisses später erledigt hat, d.h. unzulässig o<strong>de</strong>r unbegrün<strong>de</strong>t gewor<strong>de</strong>n ist. Es


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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muss also – an<strong>de</strong>rs als bei übereinst<strong>im</strong>men<strong>de</strong>n Erledigungserklärungen – nun geprüft<br />

wer<strong>de</strong>n, ob <strong>de</strong>r Anspruch ursprünglich bestan<strong>de</strong>n hat und ein erledigen<strong>de</strong>s Ereignis <strong>im</strong><br />

Laufe <strong>de</strong>s Rechtsstreits tatsächlich eingetreten ist (z.B. Erfüllung, Aufrechnung).<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung <strong>de</strong>s Gerichts bei einseitiger Erledigungserklärung ergeht in Form eines<br />

Urteils. Der Tenor einer stattgeben<strong>de</strong>n Entscheidung lautet:<br />

„Es wird festgestellt, dass <strong>de</strong>r Rechtsstreit in <strong>de</strong>r Hauptsache erledigt ist.“<br />

War die Klage nur teilweise begrün<strong>de</strong>t, ist zu formulieren:<br />

„Es wird festgestellt, dass <strong>de</strong>r Rechtsstreit in Höhe von ... Euro nebst Zinsen in <strong>de</strong>r<br />

Hauptsache erledigt ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“<br />

<strong>Die</strong> Kostenentscheidung ergeht nach <strong>de</strong>n allgemeinen Kostenregelungen (§§ 91, 92 ff.<br />

ZPO), nicht hingegen auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s § 91 a ZPO. Das Urteil ist <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />

Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Der Feststellungstenor hat keinen<br />

vollstreckbaren Inhalt. Im Tatbestand ist <strong>de</strong>r Feststellungsantrag nur dann zu formulieren,<br />

wenn <strong>de</strong>r Kläger ihn ausdrücklich gestellt hat. Ansonsten sind die ursprünglichen Anträge<br />

(<strong>im</strong> Perfekt, da Prozessgeschichte), die Erledigungserklärung <strong>de</strong>s Klägers und <strong>de</strong>r<br />

Klagabweisungsantrag <strong>de</strong>s Beklagten zu erwähnen.<br />

<strong>Die</strong> Auslegung <strong>de</strong>r Erledigungserklärung <strong>de</strong>s Klägers dahingehend, dass darin konklu<strong>de</strong>nt<br />

ein Antrag auf Feststellung <strong>de</strong>r Erledigung <strong>de</strong>s Rechtsstreits in <strong>de</strong>r Hauptsache enthalten<br />

ist, erfolgt erst in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n, beispielsweise wie folgt:<br />

„<strong>Die</strong> Klage ist zulässig. <strong>Die</strong> Erledigungserklärung <strong>de</strong>s Klägers enthält <strong>de</strong>n Antrag auf<br />

Feststellung, dass <strong>de</strong>r Rechtsstreit in <strong>de</strong>r Hauptsache erledigt ist. Es han<strong>de</strong>lt sich insoweit<br />

um eine je<strong>de</strong>rzeit zulässige Klageän<strong>de</strong>rung gemäß § 264 Ziff.2 ZPO. Das für eine<br />

Feststellungsklage erfor<strong>de</strong>rliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs.1 ZPO ist in<br />

diesen Fällen <strong>im</strong>mer gegeben.<br />

<strong>Die</strong> Feststellungsklage hat auch in <strong>de</strong>r Sache Erfolg. <strong>Die</strong> ursprüngliche Zahlungsklage war<br />

zulässig und begrün<strong>de</strong>t (I.) und hat sich durch ... <strong>im</strong> Laufe <strong>de</strong>s Rechtsstreits erledigt.<br />

(II.)...“<br />

Umstritten ist, wie hoch <strong>de</strong>r Streitwert <strong>de</strong>s Feststellungsantrags ist. Nach einer Ansicht<br />

entspricht <strong>de</strong>r Streitwert <strong>de</strong>s Feststellungsantrags <strong>de</strong>m Streitwert <strong>de</strong>r ursprünglichen<br />

Hauptsache. Nach an<strong>de</strong>rer Ansicht ist wie bei einer sonstigen positiven Feststellungsklage<br />

von <strong>de</strong>m ursprünglichen Streitwert ein Abschlag von 20-50% zu machen. Eine dritte<br />

Meinung hält das Kosteninteresse für maßgeblich, d.h. sie bemisst <strong>de</strong>n Streitwert <strong>de</strong>s<br />

Feststellungsantrags nach <strong>de</strong>n bis zur Klageän<strong>de</strong>rung angefallenen Kosten.<br />

Gegen das Feststellungsurteil kann unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 511 ff. ZPO<br />

Berufung eingelegt wer<strong>de</strong>n. Der Rechtsmittelstreitwert bemisst sich nach <strong>de</strong>n gesamten<br />

Kosten <strong>de</strong>r Instanz.<br />

Über die einseitige Erledigungserklärung <strong>de</strong>s Klägers kann auch durch Versäumnis-Urteil<br />

entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, und zwar auch dann, wenn <strong>de</strong>m Beklagten die Erledigungserklärung<br />

<strong>de</strong>s Klägers nicht rechtzeitig vor <strong>de</strong>r Verhandlung mittels eines Schriftsatzes mitgeteilt<br />

wor<strong>de</strong>n ist. § 335 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO steht <strong>de</strong>m nicht entgegen. Sinn dieser Vorschrift ist<br />

es, <strong>de</strong>n säumigen Beklagten vor einer Verschlechterung seiner Position zu bewahren. <strong>Die</strong><br />

Erledigungserklärung ist aber für <strong>de</strong>n Beklagten nicht nachteilig, da es sich insoweit nur<br />

um eine Beschränkung <strong>de</strong>s ursprünglichen klägerischen Antrags han<strong>de</strong>lt.<br />

Der Kläger kann <strong>de</strong>n Rechtsstreit auch nur teilweise in <strong>de</strong>r Hauptsache einseitig für<br />

erledigt erklären, z.B. wenn <strong>de</strong>r Beklagte einen <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>r Klagsumme gezahlt hat. In <strong>de</strong>n


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Urteils sind dann nacheinan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r noch übrig gebliebene<br />

ursprüngliche Klagantrag und <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r teilweisen Erledigungserklärung <strong>de</strong>s Klägers<br />

enthaltene Feststellungsantrag abzuhan<strong>de</strong>ln. Der Streitwert bemisst sich ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt<br />

<strong>de</strong>r Erledigungserklärung nach <strong>de</strong>m Wert <strong>de</strong>s noch verbleiben<strong>de</strong>n <strong>Teil</strong>s zuzüglich <strong>de</strong>s<br />

Wertes <strong>de</strong>s Feststellungsantrages.


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6. Verspätetes Vorbringen, § 296 f. ZPO<br />

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Nach <strong>de</strong>m Gesetz ist Vortrag <strong>de</strong>r Parteien bis zum Schluss <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung<br />

zulässig. <strong>Die</strong>se Regel wird bestätigt durch § 296a ZPO, eingeschränkt allerdings durch §<br />

296 ZPO. Zugleich besteht für die Parteien die Pflicht zur Prozessför<strong>de</strong>rung, die in § 282<br />

ZPO normiert ist. Innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens ist die Frage zu beantworten,<br />

wann welcher Vortrag <strong>de</strong>r Parteien als verspätet zurückzuweisen ist.<br />

Vorbringen einer Partei nach Schluss <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung ist nach § 296a ZPO<br />

nicht nur verspätet son<strong>de</strong>rn grundsätzlich unverwertbar. Ausnahmen sind in <strong>de</strong>n §§ 139<br />

Abs. 5, 156, 283 ZPO best<strong>im</strong>mt.<br />

Nach § 283 ZPO kann einer Partei in <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung nachgelassen wer<strong>de</strong>n,<br />

ergänzend vorzutragen, wenn nämlich <strong>de</strong>r Schriftsatz <strong>de</strong>r Gegenseite ihr nicht rechtzeitig<br />

vor <strong>de</strong>m Termin zugegangen ist. Min<strong>de</strong>stens muss die Wochenfrist <strong>de</strong>s § 132 Abs. 1 S. 1<br />

ZPO eingehalten sein. Ein Schriftsatznachlass kann bei umfangreicheren Sachen aber<br />

auch geboten sein, wenn weniger als zwei Wochen zwischen Eingang und Termin lagen.<br />

Der gemäß § 283 ZPO nachgelassene Vortrag darf sich allerdings stets nur auf <strong>de</strong>n Inhalt<br />

<strong>de</strong>s nicht rechtzeitig zugegangenen Schriftsatzes <strong>de</strong>s Gegners beziehen.<br />

§ 156 S. 1 ZPO erlaubt <strong>de</strong>m Gericht nach Ermessen die bereits geschlossene mündliche<br />

Verhandlung wie<strong>de</strong>rzueröffnen. Unter Umstän<strong>de</strong>n ist das Gericht dazu sogar verpflichtet,<br />

nämlich nach § 139 Abs. V, 156 Abs. 2 ZPO, etwa dann, wenn ein gerichtlicher Hinweis in<br />

<strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung nach § 139 ZPO erfolgt ist und die Parteien sich hierzu nicht<br />

erklären können o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Rechtsstreit nicht entscheidungsreif ist, weil nach einer Schriftsatzfrist<br />

für <strong>de</strong>n Gegner nach § 283 ZPO entscheidungserhebliches eingeht und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Seite rechtliches Gehör gewährt wer<strong>de</strong>n muss o<strong>de</strong>r wenn die nach Schluss <strong>de</strong>r mündlichen<br />

Verhandlung vorgetragenen Tatsachen eine Wie<strong>de</strong>reröffnung <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung<br />

rechtfertigen.<br />

§ 296 ZPO macht drei Ausnahmen von <strong>de</strong>r gesetzlichen Regel, dass das Gericht alles zu<br />

berücksichtigen hat, was bis zum Schluss <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung vorgebracht wird:<br />

Abs. 1 stellt <strong>de</strong>n gesetzlichen Grundtatbestand dar, <strong>de</strong>ssen Beachtung für das Gericht<br />

zwingend ist: Versäumt eine Partei eine vom Gericht gesetzte Frist und wird durch das<br />

hiernach vorgetragene Angriffs- o<strong>de</strong>r Verteidigungsmittel <strong>de</strong>r Prozess verzögert und entschuldigt<br />

die Partei die Verspätung nicht genügend, ist <strong>de</strong>r Vortrag als verspätet zurückzuweisen<br />

Abs. 2 von § 296 enthält zu<strong>de</strong>m einen Auffangtatbestand, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Gericht einen<br />

Ermessensspielraum eröffnet: Verletzt eine Partei grob nachlässig ihre Pflicht zur<br />

Verfahrensför<strong>de</strong>rung (§ 282) und wird <strong>de</strong>r Prozess dadurch verzögert, kann <strong>de</strong>r vor<br />

Schluss <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung eingegangene Vortrag zurückgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />

Schließlich enthält § 296 Abs. 3 ZPO eine zwingen<strong>de</strong> Son<strong>de</strong>rregel für verzichtbare Prozessrügen:<br />

Wird eine Prozessrüge ohne Entschuldigung zu spät erhoben (§ 282 Abs. 3<br />

ZPO), ist sie zwingend zurückzuweisen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Anwendung von § 296 ZPO ist stets Art. 103 Abs. 1 GG <strong>im</strong> Hinterkopf zu behalten.<br />

Durch Zurückweisung von Vorbringen als verspätet droht die Verletzung <strong>de</strong>s Anspruchs<br />

auf das rechtliche Gehör. Vor diesem Hintergrund hat sich in <strong>de</strong>r Rechtsprechung die<br />

Ten<strong>de</strong>nz entwickelt § 296 ZPO eng auszulegen und nie analog anzuwen<strong>de</strong>n. Folgen<strong>de</strong><br />

Voraussetzungen müssen vorliegen, ehe Vortrag nach § 296 ZPO als verspätet zurückgewiesen<br />

zu wer<strong>de</strong>n vermag:


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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§ 296 ZPO bezieht sich nur auf unselbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel, z.B. Behauptungen,<br />

Bestreiten, Einre<strong>de</strong>n, aber nicht auf Sachanträge wie Klagerweiterung, Klageän<strong>de</strong>rung,<br />

Wi<strong>de</strong>rklage und <strong>de</strong>ren Begründung. <strong>Die</strong> nämlich sind <strong>de</strong>r Angriff bzw. die<br />

Verteidigung selbst. <strong>Die</strong>se können daher also auch taktisches Mittel sein, einem drohen<strong>de</strong>n<br />

Verspätungseinwand zu begegnen: Kommt § 296 ZPO zu Lasten einer Partei in Betracht,<br />

kann die beispielsweise in <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung einen Wi<strong>de</strong>rklageantrag<br />

stellen und dadurch sicher sein, mit weiterem Sachvortrag nicht wegen <strong>de</strong>s Verspätungseinwands<br />

abgeschnitten zu sein.<br />

§ 296 Abs. 1 ZPO setzt weiterhin das Versäumen einer <strong>de</strong>r dort genannten Fristen voraus.<br />

<strong>Die</strong> Aufzählung ist abschließend. Eine analoge Anwendung von § 296 Abs. 1 ZPO auf an<strong>de</strong>re<br />

vom Gericht gesetzte Fristen verbietet sich.<br />

Weiterhin muss <strong>de</strong>r Rechtsstreit sich infolge <strong>de</strong>r Verspätung verzögern. Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />

<strong>de</strong>s BGH gilt hier <strong>de</strong>r absolute Verzögerungsbegriff: Maßgebend ist, ob <strong>de</strong>r<br />

Rechtsstreit bei Zulassung <strong>de</strong>s verspäteten Vorbringens länger dauern wür<strong>de</strong> als bei <strong>de</strong>ssen<br />

Zurückweisung. Auch hier ist vor Bejahung <strong>de</strong>r Verzögerung Zurückhaltung angezeigt.<br />

In Rechtsprechung hat sich die Ten<strong>de</strong>nz herausgebil<strong>de</strong>t mit Verzögerung und § 296 ZPO<br />

nur <strong>im</strong> Extremfall zu arbeiten. <strong>Die</strong> Faustformel ist, dass Verzögerung vorliegt, wenn aufgrund<br />

<strong>de</strong>r Verspätung ein neuer Termin anberaumt wer<strong>de</strong>n muss, <strong>de</strong>r ohne verspäteten<br />

Vortrag nicht hätte anberaumt wer<strong>de</strong>n müssen. Daraus folgt: Verzögerung kommt überhaupt<br />

nur in Betracht, wenn <strong>de</strong>r neue Vortrag entscheidungserheblich und streitig ist.<br />

Sonst nämlich kann ja trotz verspäteten Vortrags ohne Verzögerung in <strong>de</strong>r Sache entschie<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Droht tatsächlich eine Verzögerung <strong>de</strong>s Rechtsstreits durch das verspätete Vorbringen,<br />

etwa weil nun doch Beweis zu erheben wäre und die zu vernehmen<strong>de</strong>n Zeugen aufgrund<br />

<strong>de</strong>s erst <strong>im</strong> Termin bekannt gewor<strong>de</strong>nen Vortrags nicht zur Verfügung stehen, kann die<br />

<strong>de</strong>m Einwand ausgesetzte Partei <strong>de</strong>r Zurückweisung ihres neuen Vorbringens dadurch<br />

entgegen wirken, dass sie keinen Antrag stellt. <strong>Die</strong> an<strong>de</strong>re Partei nämlich kann dann lediglich<br />

Antrag auf Versäumnisurteil nach § 331 ZPO stellen. Gegen dieses wie<strong>de</strong>rum kann<br />

binnen zwei Wochen Einspruch eingelegt wer<strong>de</strong>n, § 338 ZPO. Das in diesem enthaltene<br />

Vorbringen bleibt zwar auch weiterhin verspätet, verzögert aber <strong>de</strong>n Rechtsstreit nicht<br />

mehr. Das Gericht nämlich hat ohnehin bereits aufgrund <strong>de</strong>s Einspruchs einen neuen<br />

Termin anzuberaumen. Das Gericht hat damit aber auch die Möglichkeit die verspätet angeführten<br />

Beweismittel zu <strong>de</strong>r neuen Verhandlung beizubringen. Für die Frage, ob es zu<br />

einer Verzögerung gekommen ist, ist maßgebend also <strong>de</strong>r Termin zur Verhandlung über<br />

<strong>de</strong>n Einspruch und nicht <strong>de</strong>r versäumte. <strong>Die</strong>ses Verhalten wird auch als Flucht in die<br />

Säumnis bezeichnet.<br />

<strong>Die</strong> Möglichkeit <strong>de</strong>r Flucht in die Säumnis entfällt allerdings dann, wenn eine Entscheidung<br />

(Urteil) bereits nach Lage <strong>de</strong>r Akten möglich ist (§§ 331a, 251a ZPO). Das ist <strong>de</strong>r Fall,<br />

wenn in einem früheren Termin schon mündlich verhan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n ist. Dann nämlich hat<br />

das Gericht auf Antrag <strong>de</strong>r anwesen<strong>de</strong>n Partei auch bei Abwesenheit <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren<br />

materiell zu entschei<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Möglichkeit <strong>de</strong>r Flucht in die Säumnis bietet sich <strong>im</strong> übrigen<br />

nicht, wenn bereits in <strong>de</strong>r Verhandlung zuvor ein Versäumnisurteil zu Lasten <strong>de</strong>r Partei<br />

erging. Bei erneuter Säumnis nämlich wür<strong>de</strong> nun ein zweites Versäumnisurteil verkün<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n, gegen das lediglich noch das (zu<strong>de</strong>m eingeschränkte) Rechtsmittel <strong>de</strong>r Berufung<br />

zulässig ist, §§ 345, 514 Abs. 2 S. 1 ZPO. Weitere Voraussetzung für die Zurückweisung<br />

von Vorbringen als verspätet ist, dass die Partei, die verspätet vorträgt, keinen<br />

Entschuldigungsgrund glaubhaft macht. Glaubhaftmachen muss sie allerdings erst auf<br />

Auffor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Gerichts. Sonst genügt einfaches Behaupten von Tatsachen, aus <strong>de</strong>nen<br />

sich ergibt, dass die Verspätung unverschul<strong>de</strong>t erfolgt ist.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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7. Das Versäumnisverfahren<br />

Seite 26<br />

Im Zivilrecht gilt das Mündlichkeitsprinzip, § 128 Abs. 1 ZPO. Ohne vorherige mündliche<br />

Verhandlung kann grundsätzlich (Ausnahmen: §§ 128 Abs. 2; 495 a ZPO) kein verfahrensabschließen<strong>de</strong>s<br />

Urteil ergehen. Erscheint nur eine Partei in <strong>de</strong>m anberaumten Verhandlungstermin<br />

o<strong>de</strong>r stellt nur eine <strong>de</strong>r erschienenen Parteien einen Antrag, kann eine<br />

mündliche Verhandlung nicht stattfin<strong>de</strong>n.<br />

Um zu verhin<strong>de</strong>rn, dass eine Partei ein ihr ungünstiges Urteil allein dadurch verhin<strong>de</strong>rn<br />

kann, dass sie zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint bzw. sich nicht vertreten lässt<br />

o<strong>de</strong>r keinen Antrag stellt, bedarf es gesetzlicher Vorkehrungen. <strong>Die</strong> Sanktion für Säumnis<br />

besteht darin, dass die nicht erschienene bzw. vertretene Partei Gefahr läuft, <strong>de</strong>n Prozess<br />

allein wegen ihres Ausbleibens zu verlieren. Unter welchen Voraussetzungen dies <strong>im</strong> Einzelnen<br />

geschehen kann, steht in <strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen über das Versäumnisverfahren<br />

(§§ 330 - 347 ZPO).<br />

Voraussetzungen für <strong>de</strong>n Erlass eines Versäumnisurteils ist zunächst, dass ein Termin zur<br />

mündlichen Verhandlung vor <strong>de</strong>m erkennen<strong>de</strong>n Gericht best<strong>im</strong>mt wor<strong>de</strong>n ist. Gleichgültig<br />

ist, ob es sich um <strong>de</strong>n ersten o<strong>de</strong>r einen späteren Termin han<strong>de</strong>lt, § 332 ZPO. Auch ein<br />

Termin zur Beweisaufnahme vor <strong>de</strong>m Prozessgericht dient zugleich zur Fortsetzung <strong>de</strong>r<br />

mündlichen Verhandlung, § 370 Abs. 1 ZPO. Während <strong>de</strong>r Beweisaufnahme bedarf es<br />

allerdings <strong>de</strong>r Anwesenheit <strong>de</strong>r Parteien bzw. Parteivertreter nicht, § 367 Abs. 1 ZPO. Ein<br />

Versäumnisurteil kommt daher erst in Betracht, wenn über das Ergebnis <strong>de</strong>r Beweisaufnahme<br />

verhan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n soll und eine Partei zu diesem Zeitpunkt säumig ist.<br />

In <strong>de</strong>r Praxis führt das oft zur Konsequenz, dass bei Nichterscheinen einer Partei vorsorglich<br />

die gela<strong>de</strong>nen Zeugen gleichwohl vernommen wer<strong>de</strong>n, Beweisaufnahme also erfolgt,<br />

bei Stellung <strong>de</strong>r Anträge aber die Nichterschienene Partei säumig ist, die an<strong>de</strong>re also Versäumnisurteil<br />

beantragen kann.<br />

Zu <strong>de</strong>n Verhandlungsterminen vor <strong>de</strong>m Prozessgericht gemäß § 331 Abs. 1 ZPO gehören<br />

hingegen nicht: (Geson<strong>de</strong>rte) Güteverhandlung (§ 278 ZPO), Erörterungstermine <strong>im</strong> Prozesskostenhilfeverfahren<br />

(§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO), Termine vor <strong>de</strong>m beauftragten o<strong>de</strong>r<br />

ersuchten Richter (§ 375 ZPO), Verkündungstermine (§ 310 ZPO). Bei diesen also vermag<br />

kein Versäumnisurteil zu ergehen.<br />

<strong>Die</strong> Partei, gegen die ein Versäumnisurteil ergehen soll, muss säumig sein. Das ist <strong>de</strong>r<br />

Fall, wenn sie nach Aufruf <strong>de</strong>r Sache am richtigen Ort (§ 219 ZPO) und zur richtigen Zeit<br />

(nicht vor <strong>de</strong>r festgesetzten Terminsstun<strong>de</strong> und bis zum Schluss <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung)<br />

nicht erscheint (§§ 330, 331 ZPO) o<strong>de</strong>r nicht verhan<strong>de</strong>lt (333 ZPO). Der Kläger verhan<strong>de</strong>lt,<br />

wenn er einen Sachantrag stellt (§ 137 Abs. 1 ZPO). Der Beklagte braucht dagegen<br />

nach überwiegen<strong>de</strong>r Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht ausdrücklich einen<br />

Antrag auf Abweisung <strong>de</strong>r Klage zu stellen. Er verhan<strong>de</strong>lt vielmehr schon dann, wenn<br />

sich aus seinem Vorbringen ergibt, dass er sich gegen die Verurteilung wen<strong>de</strong>t.<br />

In Anwaltsprozessen (Landgericht, Familiensachen bei AG) kommt es nicht auf die Partei<br />

selbst, son<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>n bei Gericht zugelassenen Anwalt an. <strong>Die</strong> anwesen<strong>de</strong>, aber postulationsunfähige<br />

Partei ist daher säumig, wenn sie ohne Rechtsanwalt erscheint.<br />

Säumnis liegt nicht vor, wenn die Partei in <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung erscheint, ihren<br />

Antrag stellt und zur Sache verhan<strong>de</strong>lt, aber am Schluss <strong>de</strong>r Verhandlung nicht mehr vertreten<br />

ist (BGHZ 63, 94 ff.; BGH NJW 1994, 665). Das gilt namentlich auch, wenn zu Beginn<br />

eines zur Durchführung einer Beweisaufnahme und Fortsetzung <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung<br />

best<strong>im</strong>mten Termins Anträge gestellt wor<strong>de</strong>n sind und <strong>de</strong>r Kläger nach Durch-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

führung <strong>de</strong>r Beweisaufnahme erklärt, jetzt trete er nicht mehr auf.<br />

Seite 27<br />

Zwar sieht § 285 Abs. 1 ZPO vor, dass die Parteien über das Ergebnis <strong>de</strong>r Beweisaufnahme<br />

unter Darlegung <strong>de</strong>s Streitverhältnisses zu verhan<strong>de</strong>ln haben. Dabei soll es sich<br />

aber nach Auffassung <strong>de</strong>s BGH nur um eine Konkretisierung <strong>de</strong>s Anspruchs auf rechtliches<br />

Gehör han<strong>de</strong>ln, von <strong>de</strong>m die Parteien keinen Gebrauch machen müssen. Da <strong>de</strong>r<br />

Termin eine Einheit bil<strong>de</strong> und eingangs bereits verhan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n sei, könne kein Fall <strong>de</strong>r<br />

Säumnis mehr eintreten (BGHZ 63, 94 ff.; OLG Hamm, MDR 1974, 407; a.A. Schnei<strong>de</strong>r,<br />

Säumnis durch Nichtverhan<strong>de</strong>ln, MDR 1992, 827 f.).<br />

<strong>Die</strong> Partei, gegen die ein Versäumnisurteil ergehen soll, muss ordnungsgemäß gela<strong>de</strong>n<br />

wor<strong>de</strong>n sein (§ 335 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO), d.h. in <strong>de</strong>r Regel durch Zustellung einer Ladung<br />

(§ 329 Abs. 2 S. 2 ZPO; Ausnahme be<strong>im</strong> AG: § 497 ZPO) unter Einhaltung <strong>de</strong>r Ladungsfrist<br />

(§ 217 ZPO: in Anwaltsprozessen min<strong>de</strong>stens eine Woche, in an<strong>de</strong>ren Prozessen<br />

min<strong>de</strong>stens drei Tage) o<strong>de</strong>r durch verkün<strong>de</strong>ten Beschluss, § 218 ZPO, <strong>de</strong>r eine Ladung<br />

entbehrlich macht.<br />

Das tatsächliche mündliche Vorbringen <strong>de</strong>r Gegenseite und die Sachanträge müssen <strong>de</strong>r<br />

säumigen Partei rechtzeitig mitgeteilt wor<strong>de</strong>n sein, §§ 335 Abs. 1 Ziff. 3, 132 ZPO. Macht<br />

z.B. <strong>de</strong>r Kläger die Klage erst <strong>im</strong> Termin „schlüssig“, darf kein VU gegen <strong>de</strong>n Beklagten<br />

ergehen, da <strong>de</strong>r neue Vortrag ihm noch nicht mitgeteilt wor<strong>de</strong>n ist. Sinn hiervon ist, dass<br />

<strong>de</strong>r Beklagter womöglich bewusst zum Termin nicht gekommen ist, in <strong>de</strong>r Meinung, ihm<br />

könne bei <strong>de</strong>r unschlüssigen Begründung <strong>de</strong>s Klaganspruchs nichts passieren.<br />

Es darf bei Erlass eines Versäumnisurteils auch kein Grund für eine Vertagung von Amts<br />

wegen (§ 337 ZPO) ersichtlich sein, insbeson<strong>de</strong>re dürfen keine Entschuldigungsgrün<strong>de</strong> für<br />

die Säumnis bekannt sein. Verschul<strong>de</strong>n ist keine Erlassvoraussetzung und daher grundsätzlich<br />

nicht vom Gericht zu prüfen o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r das VU beantragen<strong>de</strong>n Partei vorzutragen.<br />

Nichtverschul<strong>de</strong>n ist aber ein Erlasshin<strong>de</strong>rnis gem. § 337 ZPO, also vom Gericht bei<br />

Kenntnis von Amts wegen zu beachten; das Nichtverschul<strong>de</strong>n führt selbst bei Unkenntnis<br />

<strong>de</strong>s Gerichts zum ungesetzlichen Versäumnisurteil. Entsprechend kann <strong>de</strong>r Säumige <strong>im</strong><br />

Nachhinein geltend machen, dass das Versäumnisurteil in nicht gesetzlicher Weise ergangen<br />

ist, da er unverschul<strong>de</strong>t Termin nicht wahrgenommen hat. <strong>Die</strong>ses hat Konsequenzen<br />

für Kostenfolge, § 344 ZPO.<br />

Beispiele für unverschul<strong>de</strong>te Säumnis sind etwa <strong>de</strong>r Verkehrsunfall auf <strong>de</strong>m Weg zum<br />

Gericht, sowie die Erkrankung <strong>de</strong>s Rechtsanwalts o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Partei. Als<br />

Entschuldigungsgrund kommen auch Konstellationen in Betracht, in <strong>de</strong>nen die säumige<br />

Partei bzw. ihr Parteivertreter darauf vertrauen durften, dass ein VU nicht ergehen wer<strong>de</strong>,<br />

z.B.: <strong>Die</strong> Parteien haben eine Absprache getroffen, wonach ein Versäumnisurteil nicht<br />

beantragt wer<strong>de</strong>, an die sich die erschienene Partei nicht hält; die Rechtsanwälte hatten<br />

vereinbart, dass <strong>de</strong>r eine RA auf <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren wartet; trotz<strong>de</strong>m beantragt <strong>de</strong>r RA unter<br />

Bruch <strong>de</strong>r Vereinbarung ein Versäumnisurteil; eine Partei hat ihr Kommen ausdrücklich<br />

mit <strong>de</strong>m Hinweis angekündigt, sie wer<strong>de</strong> - etwa wegen eines Verkehrsstaus - gehin<strong>de</strong>rt<br />

sein, pünktlich zu erscheinen<br />

Beispiele für nicht unverschul<strong>de</strong>te Säumnis sind etwa das Fernbleiben in <strong>de</strong>r Annahme,<br />

<strong>de</strong>m Vertagungsantrag wer<strong>de</strong> schon stattgegeben wer<strong>de</strong>n (Schriftsatz: „Wird davon ausgegangen,<br />

dass <strong>de</strong>r Termin abgesetzt wird“)<br />

Bei Rechtsanwälten gilt es zum <strong>Teil</strong> noch <strong>im</strong>mer als unehrenhaft ein Versäumnisurteil gegen<br />

einen nicht erschienenen Kollegen zu beantragen. Nach § 13 <strong>de</strong>r Berufs- und Fachanwaltsordnung<br />

für Rechtsanwälte vom 11. März 1997 (Beilage zu Heft 19 <strong>de</strong>r NJW 1997)<br />

darf ein Rechtsanwalt bei anwaltlicher Vertretung <strong>de</strong>r Gegenseite ein Versäumnisurteil


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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grundsätzlich nur erwirken, wenn er dies zuvor <strong>de</strong>m Gegenanwalt angekündigt hat; erfor<strong>de</strong>rn<br />

es die Interessen <strong>de</strong>s Mandanten, darf er <strong>de</strong>n Antrag allerdings auch ohne Ankündigung<br />

stellen.<br />

Das BVerfG hat durch Urteil vom 14. Dezember 1999 entschie<strong>de</strong>n, dass diese Regelung<br />

verfassungswidrig sei. Es wer<strong>de</strong> damit eine Voraussetzung für <strong>de</strong>n Erlass eines Versäumnisurteils<br />

statuiert, <strong>de</strong>n die ZPO nicht vorsehe. Für eine solche – nicht nur die Berufsausübungsfreiheit<br />

<strong>de</strong>r Anwälte, son<strong>de</strong>rn auch die Handlungsspielräume <strong>de</strong>r Prozessparteien<br />

einschränken<strong>de</strong> – Satzungsbest<strong>im</strong>mung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Ein<br />

Rechtsanwalt darf daher nicht mehr darauf vertrauen, dass sein Kollege aus stan<strong>de</strong>srechtlicher<br />

Rücksicht ein Versäumnisurteil nicht ohne Ankündigung nehmen wer<strong>de</strong>.<br />

Weitere Voraussetzung zum Erlass eines Versäumnisurteils ist, dass die erschienene Partei<br />

einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils stellt, §§ 330, 331 ZPO. Der erschienene<br />

Kläger muss außer<strong>de</strong>m zuvor <strong>de</strong>n eigentlichen Sachantrag stellen, damit klar ist,<br />

was <strong>im</strong> Versäumnisurteil zu tenorieren ist.<br />

Da das VU ein Sachurteil ist, müssen auch die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, das<br />

heißt, die Klage muss zulässig und schlüssig sein. Bei fehlen<strong>de</strong>r Zulässigkeit ergeht ein<br />

Prozessurteil als so genanntes unechtes Versäumnisurteil (<strong>de</strong>nn nicht die antragen<strong>de</strong> Partei<br />

erhält das Versäumnisurteil, son<strong>de</strong>rn ein ihr <strong>de</strong>n Erfolg versagen<strong>de</strong>s Urteil).<br />

<strong>Die</strong> Säumnis <strong>de</strong>s Klägers ist mit einem Verzicht (§ 306 ZPO) vergleichbar. <strong>Die</strong> Klage wird<br />

bei Vorliegen <strong>de</strong>r o.g. Voraussetzungen daher ohne Rücksicht auf ihre sachlichen Erfolgsaussichten<br />

abgewiesen, § 330 ZPO, es ist also keine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen.<br />

<strong>Die</strong> Säumnis <strong>de</strong>s Beklagten entspricht hingegen nicht <strong>de</strong>m Spiegelbild <strong>de</strong>s Verzichts, <strong>de</strong>m<br />

Anerkenntnis (§ 307 ZPO), son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>m Geständnis (§§ 288 ff. ZPO): Das tatsächliche<br />

mündliche Vorbringen <strong>de</strong>s Klägers gilt <strong>im</strong> Falle <strong>de</strong>r Säumnis <strong>de</strong>s Beklagten als zugestan<strong>de</strong>n;<br />

<strong>de</strong>r Beklagte ist daher nur insoweit zu verurteilen, als dieses Vorbringen <strong>de</strong>n geltend<br />

gemachten Anspruch rechtfertigt, die Klage also schlüssig ist, § 331 ZPO. Dabei ist be<strong>de</strong>utsam,<br />

dass die Geständnisfiktion <strong>de</strong>s § 331 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO nicht für das Vorbringen<br />

zur Zuständigkeit <strong>de</strong>s Gerichts nach §§ 29 Abs. 2, 38 ZPO (Gerichtsstandsvereinbarungen)<br />

gilt, es hier also bei einem unechten Versäumnisurteil bleibt, wenn die Zuständigkeit<br />

<strong>de</strong>s angerufenen Gerichts sich nicht aus an<strong>de</strong>ren Vorschriften begrün<strong>de</strong>t<br />

Fehlt eine <strong>de</strong>r formellen (nicht materiellen, dann unechtes Versäumnisurteil) Voraussetzungen<br />

für <strong>de</strong>n Erlass eines Versäumnisurteil, so ist <strong>de</strong>r Antrag durch Beschluss zurückzuweisen<br />

(§ 336 ZPO; Rechtsmittel: sofortige Beschwer<strong>de</strong>) o<strong>de</strong>r die Sache ist zu vertagen<br />

(§§ 335 Abs. 2, 337 ZPO).<br />

Liegen die formellen Voraussetzungen hingegen vor, ist die Klage schlüssig und ergeht<br />

ein Versäumnisurteil gegen <strong>de</strong>n Beklagten spricht man von einem echten Versäumnisurteil.<br />

Es ist ein echtes Sachurteil, daher auch <strong>de</strong>r formellen und materiellen Rechtskraft fähig.<br />

<strong>Die</strong> Unterschie<strong>de</strong> zu einem „normalen“ streitigen Endurteil sind die folgen<strong>de</strong>n:<br />

- das Versäumnisurteil muss als solches überschrieben wer<strong>de</strong>n, § 313 b Abs. 1 Satz<br />

2 ZPO;<br />

- es ist <strong>im</strong>mer ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, § 708<br />

Ziff. 2 ZPO; § 711 ZPO fin<strong>de</strong>t keine Anwendung;<br />

- es bedarf grundsätzlich nicht <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong>,<br />

§ 313 b Abs. 1 Satz 1 ZPO


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- es ist nur mit Einspruch anfechtbar, § 338 ZPO<br />

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Obwohl ein Versäumnisurteil <strong>de</strong>utlich weniger Arbeit macht als ein streitiges Urteil, ist es –<br />

soweit es die Gerichtsgebühren betrifft - nicht unbedingt billiger. Für das erstinstanzliche<br />

Verfahren fallen stets drei Gebühren an, die auch bei Erlass eines Versäumnisurteils –<br />

an<strong>de</strong>rs als be<strong>im</strong> Erlass eines Anerkenntnis- o<strong>de</strong>r Verzichtsurteils – nicht teilweise zurückerstattet<br />

wer<strong>de</strong>n (HansOLG MDR 1998, 623). Dagegen kostet in <strong>de</strong>r Berufungsinstanz das<br />

Verfahren <strong>im</strong> allgemeinen nur 1,5 Gebühren. Hierzu kommen <strong>im</strong> Falle einer streitigen Entscheidung<br />

3 Urteilsgebühren, die für ein Versäumnisurteil nicht erhoben wer<strong>de</strong>n.<br />

Als unechtes Versäumnisurteil wird ein <strong>im</strong> Säumnistermin ergehen<strong>de</strong>s streitiges Endurteil<br />

gegen <strong>de</strong>n anwesen<strong>de</strong>n Kläger bezeichnet, durch das die Klage als unzulässig o<strong>de</strong>r<br />

unschlüssig abgewiesen wird, § 331 Abs. 2, 2. Alt. ZPO. Achtung: bei einem solchen<br />

unechten Versäumnisurteil müssen Tatbestand und Entscheidungsgrün<strong>de</strong> gefertigt<br />

wer<strong>de</strong>n, § 313 b Abs. 1 ZPO gilt nicht. Das unechte VU unterschei<strong>de</strong>t sich in Form und<br />

Inhalt auch ansonsten nicht von normalen Urteilen, die aufgrund einer streitigen<br />

Verhandlung ergehen. Wie diese ist es auch nur mit <strong>de</strong>r Berufung (§ 511 ZPO) anfechtbar.<br />

Auch für <strong>de</strong>n Vollstreckungsausspruch gilt nicht § 708 Nr. 2 ZPO, son<strong>de</strong>rn §§ 708 Nr. 4 –<br />

11, 711 ZPO o<strong>de</strong>r § 709 ZPO.<br />

Eine Entscheidung nach Lage <strong>de</strong>r Akten kann abweichend von <strong>de</strong>m Mündlichkeitsgrundsatz<br />

unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 251 a o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s § 331 a ZPO ergehen. <strong>Die</strong> Vorschriften<br />

dienen <strong>de</strong>r Prozessför<strong>de</strong>rung, insbeson<strong>de</strong>re soll eine Prozessverschleppung<br />

durch – wie<strong>de</strong>rholte – Säumnis vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n:<br />

Bei § 251 a ZPO sind bei<strong>de</strong> Parteien säumig und eine Entscheidung nach Lage <strong>de</strong>r Akten<br />

wird von Amts wegen beschlossen. Bei § 331 a ZPO ist nur eine Partei säumig und es ist<br />

ein Antrag <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Partei erfor<strong>de</strong>rlich. Voraussetzung für bei<strong>de</strong> Vorschriften ist, dass<br />

min<strong>de</strong>stens einmal vorher streitig verhan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n ist. Bei einem Urteil nach Lage <strong>de</strong>r<br />

Akten ist <strong>de</strong>r gesamte Prozessstoff, <strong>de</strong>r mündlich o<strong>de</strong>r schriftsätzlich bis zu <strong>de</strong>m versäumten<br />

Termin von bei<strong>de</strong>n Parteien vorgetragen wor<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>r Entscheidung zugrun<strong>de</strong> zu<br />

legen. <strong>Die</strong> Geständnisfiktion <strong>de</strong>s § 331 Abs. 1 ZPO gilt hier nicht. Ein Urteil nach Lage <strong>de</strong>r<br />

Akten schließt die Instanz endgültig ab. Hiergegen gibt es nur noch die Möglichkeit <strong>de</strong>r<br />

Berufung o<strong>de</strong>r Revision. Es unterschei<strong>de</strong>t sich nach Form und Inhalt nicht von sonstigen<br />

streitigen Urteilen nach mündlicher Verhandlung. Nur <strong>im</strong> Rubrum ist anstelle von „... auf<br />

die mündliche Verhandlung vom ...“ zu formulieren: „... nach Lage <strong>de</strong>r Akten am ... (versäumter<br />

Termin)“<br />

Bei einem Urteil nach § 331a ZPO ist <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r vorläufigen Vollstreckbarkeit allerdings<br />

§ 708 Nr. 2 ZPO zu beachten. Das Urteil ist also vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung<br />

und Abwendungsbefugnis.<br />

Wird das schriftliche Vorverfahren gemäß § 276 ZPO angeordnet und teilt <strong>de</strong>r Beklagte<br />

nach Auffor<strong>de</strong>rung durch <strong>de</strong>n Vorsitzen<strong>de</strong>n und Belehrung über die Säumnisfolgen nicht<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Notfrist von zwei Wochen mit, dass er sich gegen die Klage verteidigen wolle,<br />

so kommt auf Antrag <strong>de</strong>s Klägers ein Versäumnisurteil ohne mündliche Verhandlung in<br />

Betracht, § 331 Abs. 3 ZPO. Viele Anwälte stellen einen solchen Antrag bereits routinemäßig<br />

in <strong>de</strong>r Klagschrift. Es ist aber auch möglich, <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Antrag in einem späteren<br />

Schriftsatz nachzuschieben. Manche Gerichte halten es für ausreichend, wenn dieser<br />

Antrag <strong>de</strong>m Beklagten erst bei o<strong>de</strong>r nach Erlass <strong>de</strong>s Versäumnisurteils zugeht (KG<br />

NJW-RR 1994, 1344; dag. OLG München, MDR 1980, 235). Hinsichtlich <strong>de</strong>r Voraussetzungen<br />

für <strong>de</strong>n Erlass eines Versäumnisurteils <strong>im</strong> schriftlichen Vorverfahren gilt das bisher<br />

zum Versäumnisverfahren Gesagte. Das Gericht erlässt ein Versäumnisurteil nach <strong>de</strong>m<br />

Antrag <strong>de</strong>s Klägers, wenn <strong>de</strong>ssen Vorbringen zur Begründung <strong>de</strong>r Klage ausreicht, d.h.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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die Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind und <strong>de</strong>r Vortrag schlüssig ist.<br />

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Umstritten war, ob <strong>im</strong> schriftlichen Vorverfahren auch <strong>de</strong>r Erlass eines unechten Versäumnisurteils<br />

(also Klagabweisung durch unechtes VU) erlaubt ist, wenn die Klage also<br />

unzulässig o<strong>de</strong>r unschlüssig ist. <strong>Die</strong>se Frage hat nun <strong>de</strong>r Gesetzgeber durch Neueinfügung<br />

von § 331 Abs. 3 S. 3 ZPO beantwortet. Nach vorherigem Hinweis an <strong>de</strong>n Kläger ist<br />

ein solches zulässig, wenn die Klage wegen einer Nebenfor<strong>de</strong>rung abgewiesen wird. Im<br />

Umkehrschluss folgt daraus, dass ein unechtes Versäumnisurteil gegenüber <strong>de</strong>m Kläger<br />

nun unzulässig ist, wenn es (auch zu einem nur ganz geringen <strong>Teil</strong>) die Hauptfor<strong>de</strong>rung<br />

betrifft.<br />

Gegen ein (echtes erstes) Versäumnisurteil ist <strong>de</strong>r Einspruch statthaft, § 338 ZPO. Bei<br />

<strong>de</strong>m Einspruch han<strong>de</strong>lt es sich nicht um ein Rechtsmittel, son<strong>de</strong>rn um einen Rechtsbehelf,<br />

<strong>de</strong>nn zwar hat <strong>de</strong>r zulässige Einspruch einen Suspensiveffekt i.S.d. § 705 Satz 2 ZPO,<br />

in<strong>de</strong>m durch diesen <strong>de</strong>r Eintritt <strong>de</strong>r Rechtskraft gehemmt wird. Der zulässige Einspruch<br />

hat aber keinen Devolutiveffekt. Zuständig bleibt also das Gericht, das bereits das Versäumnisurteil<br />

erlassen hat.<br />

<strong>Die</strong> Zulässigkeit <strong>de</strong>s Einspruchs ist von folgen<strong>de</strong>n Voraussetzungen abhängig:<br />

<strong>Die</strong> Einspruchsfrist (eine Notfrist) beträgt zwei Wochen ab Zustellung <strong>de</strong>s<br />

Versäumnisurteils, § 339 ZPO (Berechnung: § 222 ZPO i.V.m. §§ 187, 188 Abs. 2 BGB).<br />

<strong>Die</strong> Frist für <strong>de</strong>n Einspruch gegen ein Versäumnisurteil, das <strong>im</strong> schriftlichen Vorverfahren<br />

erlassen wor<strong>de</strong>n ist, beginnt bei mehreren Beklagten erst mit <strong>de</strong>r letzten <strong>de</strong>r von Amts<br />

wegen zu bewirken<strong>de</strong>n Zustellungen an die Parteien (BGH MDR 1995, 308).<br />

<strong>Die</strong> Einspruchsschrift muss die in § 340 Abs. 2 ZPO genannten Angaben enthalten Zumin<strong>de</strong>st<br />

muss die säumige Partei ein<strong>de</strong>utig zum Ausdruck bringen, dass und welches Versäumnisurteil<br />

sie nicht gegen sich gelten lassen will (BGH MDR 1995, 308 f.). Ein Schriftsatz,<br />

in <strong>de</strong>m sich ein Beklagter in Unkenntnis eines inzwischen gegen ihn ergangenen<br />

Versäumnisurteils gegen die Klage verteidigt, erfüllt danach die Voraussetzungen <strong>de</strong>s<br />

§ 340 Abs. 2 ZPO nicht. Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass ein solcher Schriftsatz<br />

<strong>im</strong> Wege einer Um<strong>de</strong>utung als Einspruch behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n könne (OLG Braunschweig,<br />

FamRZ 1995, 237 f. m.w.N.; zu diesem Problemkreis auch Zugehör, NJW 1992,<br />

2261 ff.).<br />

§ 340 Abs. 3 ZPO enthält hingegen keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Der Verstoß dagegen<br />

(fehlen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r verspätete Einspruchsbegründung) führt nur zur <strong>de</strong>nkbaren Verspätungspräklusion,<br />

§ 296 ZPO.<br />

Nach Eingang <strong>de</strong>s Einspruchs stellt das Gericht die Einspruchsschrift <strong>de</strong>r Gegenpartei zu,<br />

§ 340 a ZPO. In diesem Zusammenhang prüft es von Amts wegen, ob <strong>de</strong>r Einspruch zulässig<br />

ist, § 341 Abs. 1 ZPO. Etwaige Zulässigkeitsbe<strong>de</strong>nken teilt es bei<strong>de</strong>n Parteien mit.<br />

Ein unzulässiger Einspruch wird verworfen, und zwar mit o<strong>de</strong>r ohne mündliche Verhandlung<br />

durch Urteil (sog. Verwerfungsurteil). Der Tenor lautet dann:<br />

Der Einspruch <strong>de</strong>s Beklagten gegen das Versäumnisurteil <strong>de</strong>s Amtsgerichts Hamburg vom<br />

... wird als unzulässig verworfen.<br />

Der Beklagte trägt die weiteren Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits.<br />

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.<br />

Bei einer solchen Verwerfung <strong>de</strong>s Einspruchs als unzulässig bleibt das Versäumnisurteil<br />

selber bestehen. Da es bereits eine Kostenentscheidung enthält, ist mit <strong>de</strong>r Einspruchsverwerfung<br />

nur noch über die weiteren Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits zu entschei<strong>de</strong>n, und zwar


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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gemäß § 91 bzw. § 97 ZPO (str.). Ein großer Begründungsaufwand für das Urteil ist nicht<br />

erfor<strong>de</strong>rlich. In <strong>de</strong>n Tatbestand sind die <strong>de</strong>n Zulässigkeitsmangel begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Tatsachen,<br />

z.B. bei nicht rechtzeitigem Einspruch <strong>de</strong>r Zustellungszeitpunkt <strong>de</strong>s genau zu bezeichnen<strong>de</strong>n<br />

Versäumnisurteils und <strong>de</strong>r Eingang <strong>de</strong>s Einspruchs, aufzunehmen, während<br />

die Entscheidungsgrün<strong>de</strong> schlicht die Rechtsfolge wie<strong>de</strong>rgeben, z.B. dass <strong>de</strong>r Einspruch<br />

als unzulässig zu verwerfen ist, weil er nach Ablauf <strong>de</strong>r in § 339 Abs. 1 ZPO vorgesehenen<br />

Zweiwochenfrist eingelegt wor<strong>de</strong>n ist.<br />

Auch <strong>de</strong>r zulässige Einspruch wird <strong>de</strong>r Gegenpartei zugestellt. Ferner wird <strong>im</strong>mer Termin<br />

zur mündlichen Verhandlung anberaumt, § 341 a ZPO. Allerdings be<strong>de</strong>utet dieses nicht,<br />

dass <strong>de</strong>r Termin zusammen mit <strong>de</strong>r Zustellung anberaumt wer<strong>de</strong>n muss, son<strong>de</strong>rn nur so<br />

früh wie möglich (§ 272 Abs. 3 ZPO). <strong>Die</strong> Einspruchsbegründung und Erwi<strong>de</strong>rung kann<br />

zum Zwecke <strong>de</strong>r Vorbereitung eines abschließen<strong>de</strong>n Haupttermins also durchaus abgewartet<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Durch <strong>de</strong>n zulässigen Einspruch bleibt das Versäumnisurteil bis zu seiner etwaigen Aufhebung<br />

durch ein Urteil gemäß § 343 Satz 2 ZPO unberührt und die Zwangsvollstreckung<br />

ohne Sicherheitsleistung möglich. Auf Antrag kann jedoch die Vollstreckung aus <strong>de</strong>m Versäumnisurteil<br />

nach §§ 707, 719 ZPO unter <strong>de</strong>n dort genannten weiteren Voraussetzungen<br />

bis zur Entscheidung über <strong>de</strong>n Einspruch eingestellt wer<strong>de</strong>n, und zwar grundsätzlich nur<br />

gegen Sicherheitsleistung <strong>de</strong>s Antragstellers.<br />

Durch <strong>de</strong>n Einspruch wird <strong>de</strong>r Prozess in die Lage zurückversetzt, in <strong>de</strong>r er sich vor Eintritt<br />

<strong>de</strong>r Versäumnis befand, § 342 ZPO. Alle vor <strong>de</strong>m Versäumnisurteil gewonnenen Prozessergebnisse<br />

(Beweisergebnisse, Verzicht, Anerkenntnis, Geständnis) wer<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r erheblich.<br />

Wer sich zuvor rügelos eingelassen hatte, kann eine Zulässigkeitsrüge nicht mehr mit<br />

Erfolg erheben.<br />

Sind die Parteien sodann in <strong>de</strong>r Einspruchsverhandlung vertreten, so ist wie bei einem<br />

ersten Termin ohne Versäumnisurteil zu prüfen, ob die Klage zulässig und begrün<strong>de</strong>t ist<br />

(nicht: ob <strong>de</strong>r Einspruch begrün<strong>de</strong>t ist, vgl. § 342 ZPO). Maßgebend für die Zulässigkeit<br />

und Begrün<strong>de</strong>theit ist <strong>de</strong>r Zeitpunkt <strong>de</strong>r jetzigen abschließen<strong>de</strong>n Entscheidung, § 343<br />

ZPO.<br />

Ergibt die Überprüfung eines Versäumnisurteils gegen <strong>de</strong>n Beklagten, dass die Klage unzulässig<br />

o<strong>de</strong>r unbegrün<strong>de</strong>t ist, so wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage<br />

abgewiesen, § 343 Satz 2 ZPO.<br />

Bei <strong>de</strong>r Kostenentscheidung ist § 344 ZPO zu beachten. Danach sind die durch die<br />

Säumnis veranlassten Kosten grundsätzlich <strong>de</strong>r säumigen Partei aufzuerlegen, obwohl sie<br />

in <strong>de</strong>r Hauptsache obsiegt. Es han<strong>de</strong>lt sich um einen <strong>de</strong>r seltenen Fälle einer gesetzlich<br />

zulässigen Kostentrennung. Zusätzlich zu <strong>de</strong>n üblichen Kosten ist durch <strong>de</strong>n Antrag auf<br />

Erlass eines Versäumnisurteils eine halbe Verhandlungsgebühr für <strong>de</strong>n <strong>im</strong> ersten Termin<br />

erschienen Anwalt nach Nr. 3105 RVG angefallen. <strong>Die</strong>se halbe Verhandlungsgebühr wird<br />

nicht angerechnet, wenn <strong>im</strong> Einspruchstermin später streitig zur Hauptsache verhan<strong>de</strong>lt<br />

wird, muss also von <strong>de</strong>r säumigen Partei grundsätzlich unabhängig vom Ausgang <strong>de</strong>s<br />

Rechtsstreits getragen wer<strong>de</strong>n.<br />

Allerdings setzt eine Kostenentscheidung gemäß § 344 ZPO voraus, dass das Versäumnisurteil<br />

in gesetzlicher Weise ergangen war (s.o.), war z.B. die Säumnis <strong>de</strong>s Beklagten <strong>im</strong><br />

Termin unverschul<strong>de</strong>t, dürfen ihm die Säumniskosten nicht gem. § 344 ZPO auferlegt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> Kosten <strong>de</strong>r Säumnis sind <strong>de</strong>m säumigen Beklagten grundsätzlich auch dann aufzuerlegen,<br />

wenn <strong>de</strong>r Kläger die Klage nach ergangenem Versäumnisurteil zurückgenommen


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hat. <strong>Die</strong> Konkurrenz zu § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO hat <strong>de</strong>r BGH (NJW 2004, 2309) in <strong>de</strong>r Weise<br />

entschie<strong>de</strong>n, dass § 344 ZPO vorgeht.<br />

Über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus <strong>de</strong>m Urteil ist nach allgemeinen Grundsätzen zu<br />

entschei<strong>de</strong>n, wobei gegebenenfalls zwei Regelungen (Vollstreckung gegen die unterliegen<strong>de</strong><br />

Partei und Vollstreckung gegen die säumige Partei) zu treffen sind.<br />

Beispiel:<br />

Der Kläger klagt 12.000,- ein. Im frühen ersten Termin am 05.01.2002 erscheint für <strong>de</strong>n<br />

Beklagten niemand. Es ergeht Versäumnisurteil gegen ihn. Sein Rechtsanwalt legt rechtzeitig<br />

Einspruch ein. <strong>Die</strong> Klage erweist sich als unbegrün<strong>de</strong>t.<br />

Tenor:<br />

Das Versäumnisurteil <strong>de</strong>s Landgerichts Hamburg vom 05.01.2002 wird aufgehoben. <strong>Die</strong><br />

Klage wird abgewiesen.<br />

Der Kläger trägt die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits mit Ausnahme <strong>de</strong>r durch die Säumnis <strong>de</strong>s<br />

Beklagten <strong>im</strong> Termin vom 05.01.2002 veranlassten Kosten. <strong>Die</strong>se hat <strong>de</strong>r Beklagte zu tragen.<br />

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung<br />

in Höhe von 1.600,-abwen<strong>de</strong>n, wenn nicht <strong>de</strong>r Beklagte vor <strong>de</strong>r Vollstreckung<br />

Sicherheit in gleicher Höhe leistet.<br />

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 350,-- abwen<strong>de</strong>n,<br />

wenn nicht <strong>de</strong>r Kläger vor <strong>de</strong>r Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.<br />

(gedankliche) Begründung:<br />

Der Beklagte kann vollstrecken:<br />

2,5 Anwaltsgebühren (Streitwert: 12.000 ) 1.315,00<br />

Auslagenpauschale 20,00<br />

16 % Mehrwertsteuer 213,60<br />

Der Kläger kann vollstrecken:<br />

½ Anwaltsgebühr (Streitwert: 12.000 ) 263,00<br />

Auslagenpauschale 20,00<br />

16 % Mehrwertsteuer 45,28<br />

1.548,60 .<br />

328,28 .<br />

Erweist sich bei einem Versäumnisurteil gegen <strong>de</strong>n Beklagten die Klage als zulässig und<br />

begrün<strong>de</strong>t, so wird das Versäumnisurteil aufrechterhalten, § 343 Satz 1 ZPO. Wichtig: Es<br />

darf nicht erneut verurteilt wer<strong>de</strong>n, weil sonst doppelte Vollstreckung möglich wäre; es existiert<br />

ja schon ein Vollstreckungstitel, nämlich das Versäumnisurteil. Auch die in <strong>de</strong>m<br />

Versäumnisurteil enthalten<strong>de</strong> Kostenentscheidung bleibt bestehen. Nur über die weiteren<br />

Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits ist gemäß § 91 ZPO zu entschei<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Entscheidung über die<br />

vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich nicht aus § 708 Ziff. 2 ZPO, weil nunmehr aufgrund<br />

einer streitigen Verhandlung entschie<strong>de</strong>n wird. Es ist vielmehr zu prüfen, ob aus <strong>de</strong>m Urteil<br />

nach allgemeinen Grundsätzen ohne (§§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO) o<strong>de</strong>r mit Sicherheitsleistung<br />

(§ 709 ZPO) vorläufig vollstreckt wer<strong>de</strong>n darf.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Dabei sind nach <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>nfalls in <strong>de</strong>r Praxis ganz herrschen<strong>de</strong>n Meinung die vor, durch<br />

und nach Erlass <strong>de</strong>s Versäumnisurteils entstan<strong>de</strong>nen Kosten zusammenzurechnen. Man<br />

muss also prüfen, ob das zu bestätigen<strong>de</strong> Versäumnisurteil, wäre es als streitiges Urteil<br />

ergangen, unter § 708 Nr. 11 (o<strong>de</strong>r Nr. 4 – 10 ZPO) o<strong>de</strong>r unter § 709 S. 1 ZPO fiele; § 709<br />

S. 2 ZPO ergänzt nämlich S. 1 und setzt daher voraus, dass kein Fall <strong>de</strong>s § 708 ZPO vorliegt.<br />

Liegt danach ein Fall <strong>de</strong>r §§ 708 Ziff. 4 - 11, 711 ZPO vor, so gelten keine Beson<strong>de</strong>rheiten.<br />

In das Urteil muss <strong>de</strong>r Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit (wegen <strong>de</strong>r weiteren<br />

Kosten) und die Abwendungsbefugnis aufgenommen wer<strong>de</strong>n. Fällt das Urteil unter<br />

§ 709 ZPO, so muss es zunächst - wie auch sonst - heißen:<br />

"Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von ... vorläufig vollstreckbar".<br />

Anschließend ist gemäß § 709 Satz 2 ZPO auszusprechen, dass die Vollstreckung aus<br />

<strong>de</strong>m Versäumnisurteil nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt wer<strong>de</strong>n darf.<br />

Im Beispielsfall wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Tenor also lauten:<br />

Das Versäumnisurteil <strong>de</strong>s Landgerichts Hamburg vom 05.01.2002 wird aufrechterhalten.<br />

Der Beklagte trägt auch die weiteren Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits.<br />

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 14.300,-- vorläufig vollstreckbar. <strong>Die</strong><br />

Vollstreckung aus <strong>de</strong>m Versäumnisurteil vom 05.01.2002 darf nur gegen Leistung dieser<br />

Sicherheit fortgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Begründung hierfür:<br />

Der Kläger kann vollstrecken:<br />

Hauptfor<strong>de</strong>rung 12.000,00<br />

3 Gerichtsgebühren (Streitwert: 12.000 ) 657,00<br />

2,5 Anwaltsgebühren (Streitwert: 12.000 ) 1.315,00<br />

1/2 Anwaltsgebühr (Streitwert: 12.000 ) 263,00<br />

Auslagenpauschale 20,00<br />

16 % Mehrwertsteuer 255,68<br />

============================================================<br />

14.510,68 .<br />

Ist das Versäumnisurteil nur teilweise sachlich richtig, wer<strong>de</strong>n die bei<strong>de</strong>n o.g. Tenorierungsmöglichkeiten<br />

kombiniert. Wenn <strong>im</strong> Beispielsfall die Klage etwa nur i.H.v. 10.000,-<br />

begrün<strong>de</strong>t ist, lautet <strong>de</strong>r Tenor:<br />

Das Versäumnisurteil <strong>de</strong>s Landgerichts Hamburg vom 05.01.2002 wird aufrechterhalten,<br />

soweit <strong>de</strong>r Beklagte zur Zahlung von 10.000,- verurteilt wor<strong>de</strong>n ist.<br />

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.<br />

Von <strong>de</strong>n Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits hat <strong>de</strong>r Beklagte vorab die durch seine Säumnis <strong>im</strong> Termin<br />

am 05.01.2002 veranlassten Kosten zu tragen.<br />

Von <strong>de</strong>n übrigen Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits trägt <strong>de</strong>r Kläger 1/6 und <strong>de</strong>r Beklagte 5/6.<br />

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für <strong>de</strong>n Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

Seite 34<br />

in Höhe von DM 12.500,-- . <strong>Die</strong> Vollstreckung aus <strong>de</strong>m Versäumnisurteil darf nur gegen<br />

Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 300,-- abwen<strong>de</strong>n,<br />

wenn nicht <strong>de</strong>r Beklagte vor <strong>de</strong>r Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.<br />

Begründung:<br />

Der Kläger kann vollstrecken:<br />

Hauptfor<strong>de</strong>rung: 10.000,--<br />

5/6 <strong>de</strong>r Gerichtskosten von 657,- (s.o.) 547,50<br />

5/6 <strong>de</strong>r Rechtsanwaltskosten:<br />

2,5 Geb. 1.315,--<br />

Ausl.pausch. 20,--<br />

16% MWSt 213,60<br />

= 1.548,60 1.290,50<br />

die volle durch die Säumnis <strong>de</strong>s Bekl. entstan<strong>de</strong>ne ½ Verhandlungsgebühr von 263,-- +<br />

16% MWSt i.H.v. 42,08 305,08 =<br />

Insgesamt 12.143,08<br />

Der Beklagte kann vollstrecken:<br />

1/6 seiner Rechtsanwaltskosten von 1.548,60 = 258,10<br />

===============================================================<br />

Bei <strong>de</strong>r Formulierung eines streitigen Urteils nach Einspruch gegen ein Versäumnisurteil<br />

(hier: gegen <strong>de</strong>n Beklagten) ist <strong>im</strong> Übrigen folgen<strong>de</strong>s zu beachteten:<br />

Im Tatbestand ist <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Prozessgeschichte zu erwähnen, dass ein<br />

Versäumnisurteil ergangen ist, und zwar vor <strong>de</strong>m Antrag <strong>de</strong>s Klägers, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>renfalls<br />

nicht verständlich wäre, weil er – ebenso wie <strong>de</strong>r Urteilstenor – auf Aufrechterhaltung <strong>de</strong>s<br />

Versäumnisurteils gerichtet sein muss. Darüber hinaus sind die für die Prüfung <strong>de</strong>r<br />

Zulässigkeit <strong>de</strong>s Einspruchs erfor<strong>de</strong>rlichen Daten <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Prozessgeschichte<br />

mitzuteilen.<br />

Beispiel:<br />

„Mit Versäumnisurteil vom 20.04.2004 ist <strong>de</strong>r Beklagte verurteilt wor<strong>de</strong>n, an <strong>de</strong>n Kläger<br />

3.000,- zu zahlen. Gegen dieses ihm am 10.05.2004 zugestellte Versäumnisurteil hat<br />

<strong>de</strong>r Beklagte mit Schriftsatz vom 17.05.2004, eingegangen bei Gericht am24.05.2004,<br />

Einspruch eingelegt<br />

Der Kläger beantragt,<br />

das Versäumnisurteil vom 20.04.2004 aufrechtzuerhalten.<br />

Der Beklagte beantragt,<br />

das VU aufzuheben und die Klage abzuweisen<br />

In <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n ist sodann zunächst (in <strong>de</strong>r Regel kurz!) auszuführen, dass<br />

und warum <strong>de</strong>r Einspruch zulässig ist. Anschließend ist zu begrün<strong>de</strong>n, dass und warum<br />

die Klage unzulässig, unbegrün<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r begrün<strong>de</strong>t ist.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

Beispiel:<br />

Seite 35<br />

„Der Einspruch <strong>de</strong>s Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 20.04.2004 ist gem. § 338<br />

ZPO statthaft. Er ist auch fristgerecht, nämlich innerhalb <strong>de</strong>r ab Zustellung <strong>de</strong>s<br />

Versäumnisurteils laufen<strong>de</strong>n Einspruchsfrist von zwei Wochen (§ 339 Abs. 1 ZPO),<br />

eingelegt wor<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Formerfor<strong>de</strong>rnisse <strong>de</strong>s § 340 Abs. 1 und 2 ZPO sind ebenfalls<br />

gewahrt.<br />

Der Einspruch hat jedoch in <strong>de</strong>r Sache keinen Erfolg. <strong>Die</strong> zulässige Klage ist begrün<strong>de</strong>t.<br />

Der KIäger hat Anspruch gegen <strong>de</strong>n Beklagten aus. § 433 Abs. 1 BGB auf Zahlung von<br />

EUR 3.000,00“<br />

o<strong>de</strong>r kürzer (und AG-praxisnäher):<br />

„Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch hat in <strong>de</strong>r Sache keinen Erfolg. <strong>Die</strong><br />

zulässige Klage ist begrün<strong>de</strong>t.“.<br />

Wenn <strong>de</strong>r Einspruch bereits unzulässig ist, muss er gem. § 341 Abs. 1 ZPO verworfen<br />

wer<strong>de</strong>n. Wird hingegen terminiert und ist <strong>de</strong>r Einspruchsführer erneut säumig, § 345 ZPO,<br />

liegen die Voraussetzungen für <strong>de</strong>n Erlass eines zweiten Versäumnisurteils vor. Ist<br />

hingegen nun die Partei säumig, die das 1. VU erwirkt hat, wird dieses aufgehoben und<br />

neues 1. VU gegen die jetzt säumige Partei erlassen<br />

Achtung: § 345 ZPO bestraft nur <strong>de</strong>n unmittelbar hintereinan<strong>de</strong>r liegen<strong>de</strong>n zweiten<br />

Säumnisfall, ohne dass es zwischen bei<strong>de</strong>n Säumnisfällen zur Verhandlung<br />

über die Hauptsache gekommen ist.<br />

Der Einspruchsführer muss also säumig sein gera<strong>de</strong> <strong>im</strong> Einspruchstermin (<strong>de</strong>m gem. §<br />

341 a ZPO best<strong>im</strong>mten Termin) o<strong>de</strong>r, wenn es dort nicht zur Verhandlung über die<br />

Hauptsache gekommen ist und sofort vertagt wur<strong>de</strong>, <strong>im</strong> Vertagungstermin. Wur<strong>de</strong> jedoch<br />

<strong>im</strong> Einspruchstermin schon zur Hauptsache streitig verhan<strong>de</strong>lt und dann Termin zur<br />

Fortsetzung <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung best<strong>im</strong>mt (z. B. Beweisaufnahme) und ist dort<br />

<strong>de</strong>r Beklagte erneut säumig, schei<strong>de</strong>t § 345 ZPO aus. Zulässig ist dann nur ein erneutes<br />

technisch erstes VU gem. § 331 ZPO, das lediglich wegen § 343 ZPO das erste VU<br />

aufrechterhält und über die weiteren Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits befin<strong>de</strong>t<br />

Tenor dann:<br />

„Das Versäumnisurteil vom ... bleibt aufrechterhalten. <strong>Die</strong> weiteren Kosten <strong>de</strong>s<br />

Rechtsstreits trägt <strong>de</strong>r Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.“<br />

Umstritten ist, ob vor Erlass <strong>de</strong>s 2. Versäumnisurteils zu prüfen ist, ob das 1. VU<br />

gesetzmäßig ergangen ist, ob das 1. VU also verfahrensmäßig in Ordnung war, die<br />

formellen Voraussetzungen für seinen Erlass gegeben waren (Säumnis, keine<br />

Erlasshin<strong>de</strong>rnisse). Sehr umstritten ist auch, ob vor Erlass <strong>de</strong>s 2. VU erneut die<br />

Schlüssigkeit <strong>de</strong>r Klage zu prüfen ist. Zum <strong>Teil</strong> wird die Ansicht vertreten, dass aus<br />

Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r materiellen Gerechtigkeit eine erneute Schlüssigkeitsprüfung stattzufin<strong>de</strong>n<br />

habe bzw. stattfin<strong>de</strong>n dürfe, bevor ein 2. VU ergehe. An<strong>de</strong>renfalls wäre das Gericht<br />

nämlich gezwungen, einen Rechtsfehler bei Erlass <strong>de</strong>s ersten Versäumnisurteils<br />

sehen<strong>de</strong>n Auges durch Erlass eines zweiten Versäumnisurteils festzuschreiben. Durch<br />

<strong>de</strong>n zulässigen Einspruch wer<strong>de</strong> das Verfahren gem. § 342 ZPO in <strong>de</strong>n Zustand<br />

zurückversetzt, in <strong>de</strong>m es sich vor <strong>de</strong>r ersten Säumnis befun<strong>de</strong>n habe. Daher dürfe auch<br />

die Schlüssigkeit erneut geprüft wer<strong>de</strong>n.<br />

Nach a.A. darf eine erneute Schlüssigkeitsprüfung nicht mehr durchgeführt wer<strong>de</strong>n. § 345<br />

ZPO, <strong>de</strong>r als Folge <strong>de</strong>r zweiten Säumnis die Verwerfung <strong>de</strong>s Einspruchs vorschreibe,


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

Seite 36<br />

gehe <strong>de</strong>m § 342 ZPO vor. Dass bei direkter Anwendung <strong>de</strong>s § 345 ZPO keine<br />

Schlüssigkeitsprüfung mehr erfor<strong>de</strong>rlich sei, ergebe sich aus einem Umkehrschluss aus §<br />

700 Abs. 6 S. 1 ZPO.<br />

Mit einem zweiten Versäumnisurteil wird <strong>de</strong>r Einspruch verworfen. Es ist als solches zu<br />

überschreiben. Dem Einspruchsführer sind die weiteren Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits aufzuerlegen,<br />

§ 91 ZPO bzw. § 97 ZPO. Das Urteil ist nach § 708 Ziff. 2 ZPO ohne Sicherheitsleistung<br />

für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Der Tenor lautet:<br />

Der Einspruch <strong>de</strong>r Beklagten gegen das Versäumnisurteil <strong>de</strong>s Amtsgerichts Hamburg vom<br />

... wird verworfen.<br />

<strong>Die</strong> Beklagte trägt die weiteren Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits.<br />

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.<br />

<strong>Die</strong> Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s zweiten Versäumnisurteils besteht darin, dass dagegen kein Einspruch<br />

statthaft ist, § 345 ZPO. Es besteht nur die Möglichkeit <strong>de</strong>r Einlegung von Rechtsmitteln<br />

(Devolutiveffekt). Berufung o<strong>de</strong>r Revision nämlich können eingelegt wer<strong>de</strong>n, aber:<br />

<strong>Die</strong> Rechtsmittel sind auf Überprüfung <strong>de</strong>r Frage beschränkt, ob ein "Fall <strong>de</strong>r Versäumung"<br />

vorgelegen hat, § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO! Darin liegt eine ganz erhebliche Sanktion<br />

gegen die mit <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rholten Säumnis verbun<strong>de</strong>ne Prozessverschleppung.<br />

Allerdings ist die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil auch dann zulässig, wenn<br />

die Berufungssumme nicht erreicht ist, §§ 514 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Damit soll <strong>de</strong>m Anspruch<br />

aus Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung getragen wer<strong>de</strong>n.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

8. Aufrechnung und Wi<strong>de</strong>rklage<br />

Seite 37<br />

Zu <strong>de</strong>n Möglichkeiten <strong>de</strong>s Beklagten, auf eine Klage zu reagieren, gehört auch die Geltendmachung<br />

von Gegenansprüchen. <strong>Die</strong>s kann auf zwei Wegen erfolgen, nämlich:<br />

• <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>r Aufrechnung o<strong>de</strong>r<br />

• durch Erhebung einer Wi<strong>de</strong>rklage.<br />

<strong>Die</strong> Aufrechnung stellt ein bloßes Verteidigungsmittel dar. Materiell-rechtlich han<strong>de</strong>lt es<br />

sich um ein Erfüllungssurrogat. Wenn die Aufrechnung durchgreift, erlischt die Klagfor<strong>de</strong>rung.<br />

<strong>Die</strong> Klage ist dann als unbegrün<strong>de</strong>t abzuweisen.<br />

Erfolgt die Verteidigung <strong>de</strong>s Beklagten ausschließlich mit <strong>de</strong>r Aufrechnung, so spricht man<br />

von einer Pr<strong>im</strong>äraufrechnung. Stellt die Aufrechnung dagegen nur eines von mehreren<br />

Verteidigungsmitteln <strong>de</strong>s Beklagten dar, so han<strong>de</strong>lt es sich in <strong>de</strong>r Regel um eine Hilfsaufrechnung.<br />

Im Zweifel ist zu unterstellen, dass <strong>de</strong>r Beklagte die zur Aufrechnung gestellte<br />

For<strong>de</strong>rung nur dann opfern will, wenn seine übrigen Verteidigungsmittel keinen Erfolg haben.<br />

<strong>Die</strong> Aufrechnung wird somit nur hilfsweise, d.h. für <strong>de</strong>n Fall eines Misserfolgs <strong>de</strong>r übrigen<br />

Verteidigungsmittel, erklärt.<br />

<strong>Die</strong> Wi<strong>de</strong>rklage ist eine beson<strong>de</strong>re Form <strong>de</strong>r Klage, welche von <strong>de</strong>m Beklagten eines bereits<br />

rechtshängigen Rechtsstreits gegen <strong>de</strong>n dortigen Kläger erhoben wird. <strong>Die</strong> Klagerhebung<br />

kann innerhalb, aber auch außerhalb <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Rechtsstreits erfolgen. Im letztgenannten<br />

Fall wird die zunächst selbständige Klage durch Verbindung (§ 147 ZPO) mit einem<br />

bereits rechtshängigen Rechtsstreit zur Wi<strong>de</strong>rklage. In <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage liegt ein eigenständiger<br />

(Gegen-) Angriff. Sie unterschei<strong>de</strong>t sich in ihren Rechtswirkungen nicht von<br />

einer Klage. Wenn die Wi<strong>de</strong>rklage zulässig und begrün<strong>de</strong>t ist, erlangt <strong>de</strong>r Beklagte einen<br />

vollstreckbaren Titel gegen <strong>de</strong>n Kläger.<br />

Im Detail: <strong>Die</strong> Aufrechnung<br />

<strong>Die</strong> materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung sind in <strong>de</strong>n §§<br />

387 ff. BGB geregelt. Dazu gehören:<br />

• eine - formlose - Aufrechnungserklärung,<br />

• die <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren zugehen muss und<br />

• nicht unter einer Bedingung erklärt wer<strong>de</strong>n darf (§ 388 BGB).<br />

• eine Aufrechnungslage,<br />

die gegeben ist, wenn <strong>de</strong>r Hauptfor<strong>de</strong>rung eine gegenseitige, auf eine gleichartige, fällige<br />

und voll wirksame Leistung gerichtete Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung gegenübersteht (§§ 387,<br />

390 BGB).<br />

• das Fehlen von gesetzlichen (§§ 393, 394 BGB), vertraglich vereinbarten o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r<br />

Natur <strong>de</strong>s Schuldverhältnisses herzuleiten<strong>de</strong>n Aufrechnungsverboten.<br />

<strong>Die</strong> erfolgreiche Aufrechnung bewirkt materiell das Erlöschen von Klage- und Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung,<br />

und zwar rückwirkend zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt, zu <strong>de</strong>m sich die jeweiligen Ansprüche<br />

erstmals aufrechenbar gegenüberstan<strong>de</strong>n (§ 389 BGB). Wenn die Aufrechnung<br />

<strong>im</strong> Prozess geltend gemacht wird, führt sie nach § 204 Abs. 1 Ziff. 5 BGB zur Hemmung<br />

<strong>de</strong>r Verjährung.<br />

Es liegt auf <strong>de</strong>r Hand, dass diese Wirkung nur für die Aufrechnung von Interesse ist, die<br />

nicht durchgreift, weil etwa ein Aufrechnungsverbot besteht o<strong>de</strong>r weil es sich um eine nur


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Seite 38<br />

hilfsweise geltend gemachte Aufrechnung han<strong>de</strong>lt und die Bedingung nicht eintritt. Denn<br />

an<strong>de</strong>renfalls erlischt die Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung rückwirkend auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r Aufrechnungslage,<br />

so dass sich die Frage <strong>de</strong>r Verjährung ohnehin nicht mehr stellt.<br />

Im Übrigen ist eine Aufrechnung auch mit einer verjährten Gegenfor<strong>de</strong>rung zulässig, soweit<br />

diese bei Eintritt <strong>de</strong>r Aufrechnungslage noch nicht verjährt war (§ 215 BGB)!<br />

<strong>Die</strong> verjährungshemmen<strong>de</strong> Wirkung ist also nur dann von Be<strong>de</strong>utung, wenn die durch Aufrechnung<br />

nicht verbrauchte Gegenfor<strong>de</strong>rung später klageweise geltend gemacht wer<strong>de</strong>n<br />

soll.<br />

Zu beachten ist schließlich § 204 Abs. 2 BGB. Danach en<strong>de</strong>t die Hemmung <strong>de</strong>r Verjährung<br />

sechs Monate nach <strong>de</strong>r rechtskräftigen Entscheidung, d.h. nach Ablauf von sechs<br />

Monaten nach Abschluss <strong>de</strong>s Rechtsstreites, in <strong>de</strong>m die Aufrechnung erklärt wur<strong>de</strong>, läuft<br />

<strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>r Verjährungsfrist ab; innerhalb dieses Zeitraumes muss die For<strong>de</strong>rung mithin<br />

gerichtlich geltend gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> verteidigungsweise Geltendmachung <strong>de</strong>r Aufrechnung <strong>im</strong> Prozess stellt eine Prozesshandlung<br />

dar. Als solche kann sie nur <strong>im</strong> Rahmen einer rechtshängigen Klage bis<br />

zum Schluss <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung erklärt wer<strong>de</strong>n. Voraussetzung für ihre Wirksamkeit<br />

in prozessualer Hinsicht ist, dass die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen<br />

(Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit, Postulationsfähigkeit) vorliegen. Fraglich ist, ob<br />

<strong>de</strong>r Beklagte mit einer For<strong>de</strong>rung aufrechnen darf, die bereits an<strong>de</strong>rweitig rechtshängig ist:<br />

Nach herrschen<strong>de</strong>r, insbeson<strong>de</strong>re auch von <strong>de</strong>r Rechtsprechung vertretener Ansicht führt<br />

die Aufrechnung nicht dazu, dass die Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung auch rechtshängig wird.<br />

Denn die Rechtshängigkeit wird gemäß § 261 Abs. 1 ZPO durch die Erhebung einer Klage<br />

(und nicht durch die Geltendmachung eines Verteidigungsmittels) herbeigeführt. Der Beklagte<br />

darf also mit einer For<strong>de</strong>rung aufrechnen, die er bereits in einem an<strong>de</strong>ren Rechtsstreit<br />

einklagt (BGHZ 57, 242 ff.; NJW 1999, 1179 f.) o<strong>de</strong>r aufrechnungsweise geltend<br />

macht (BGH NJW 1986, 2767). Er ist auch nicht gehin<strong>de</strong>rt, eine For<strong>de</strong>rung, mit <strong>de</strong>r er aufgerechnet<br />

hat, hilfsweise (z.B. für <strong>de</strong>n Fall, dass ein vertragliches Aufrechnungsverbot<br />

durchgreift) zum Gegenstand einer Wi<strong>de</strong>rklage zu machen (BGH LM Nr. 5 zu § 33 ZPO).<br />

<strong>Die</strong>se Ansicht kann allerdings zu einer Doppelarbeit <strong>de</strong>r Gerichte und zu wi<strong>de</strong>rsprüchlichen<br />

Entscheidungen führen. Wenn mit einer For<strong>de</strong>rung aufgerechnet wird, über die an<strong>de</strong>rweitig<br />

ein Rechtsstreit schwebt, müssen theoretisch bei<strong>de</strong> Gerichte beurteilen, ob die<br />

betreffen<strong>de</strong> For<strong>de</strong>rung besteht, wobei sie zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können.<br />

<strong>Die</strong>ses Dilemma lässt sich vermei<strong>de</strong>n, wenn eines <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Gerichte <strong>de</strong>n Rechtsstreit<br />

in entsprechen<strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s § 148 ZPO aussetzt, bis das an<strong>de</strong>re Gericht<br />

rechtskräftig entschie<strong>de</strong>n hat. Zu <strong>de</strong>r Frage, welches Verfahren ausgesetzt wer<strong>de</strong>n sollte,<br />

gibt es unterschiedliche Empfehlungen:<br />

Einige halten es für vorzugswürdig, zunächst das Verfahren durchzuführen, in <strong>de</strong>m die<br />

For<strong>de</strong>rung klageweise geltend gemacht wird (<strong>im</strong> o.g. Beispiel also das vor <strong>de</strong>m Landgericht<br />

Hamburg; so OLG Dres<strong>de</strong>n, NJW 1994, 139; MüKo/Peters, ZPO, 1992, § 145 Rdn.<br />

30; Lindacher, a.a.O.). Dagegen spricht, dass <strong>im</strong> Verfahren vor <strong>de</strong>m Klagegericht auch<br />

geprüft wer<strong>de</strong>n müsste, ob die For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s A gegen B durch die <strong>im</strong> Prozess vor <strong>de</strong>m<br />

Aufrechnungsgericht erklärte Aufrechnung erloschen ist.<br />

Daher empfehlen an<strong>de</strong>re, das Verfahren, in <strong>de</strong>m aufgerechnet wird, vorrangig durchzuführen<br />

(Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 145 Rdn. 18a; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21.<br />

Aufl. 1994, § 145 Rdn. 43).<br />

Aus <strong>de</strong>m Grundgedanken, wonach die Aufrechnung nicht zur Rechtshängigkeit führt, folgt<br />

weiter, dass es nicht darauf ankommt, ob die Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung in die sachliche o<strong>de</strong>r


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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örtliche Zuständigkeit <strong>de</strong>s Gerichts fällt, vor <strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r Beklagte auf dieses<br />

Verteidigungsmittel beruft. Auch <strong>de</strong>r Zuständigkeitsstreitwert wird durch die Aufrechnung<br />

nicht erhöht.<br />

Von <strong>de</strong>m Eintritt <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit zu unterschei<strong>de</strong>n ist die Frage, ob die Entscheidung<br />

über die Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung in Rechtskraft erwächst. Grundsätzlich korrespondiert <strong>de</strong>r<br />

Umfang <strong>de</strong>r Rechtskraft mit <strong>de</strong>m Umfang <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit. Von diesem Grundsatz<br />

enthält § 322 Abs. 2 ZPO eine (allerdings auf <strong>de</strong>n ersten Blick missverständliche) Ausnahme,<br />

die auch für die prozessualen Voraussetzungen <strong>de</strong>r Aufrechnung von Be<strong>de</strong>utung<br />

ist und daher bereits an dieser Stelle angesprochen wer<strong>de</strong>n soll. Gemeint ist folgen<strong>de</strong>s:<br />

Beispiel:<br />

(1) Der Kläger begehrt Zahlung von 10.000,--.<br />

Der Beklagte rechnet auf mit einer Gegenfor<strong>de</strong>rung von 5.000,--.<br />

Das Gericht hält die Klagfor<strong>de</strong>rung für begrün<strong>de</strong>t und die Gegenfor<strong>de</strong>rung für<br />

unbegrün<strong>de</strong>t. Es gibt <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>r Klage vollen Umfangs statt.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung, dass die Gegenfor<strong>de</strong>rung von 5.000,-- nicht besteht, erwächst in<br />

Rechtskraft.<br />

(2) Der Kläger begehrt Zahlung von 10.000,--. Der Beklagte rechnet auf mit einer<br />

Gegenfor<strong>de</strong>rung von 15.000,--.<br />

Das Gericht hält die Klagfor<strong>de</strong>rung für begrün<strong>de</strong>t und die Gegenfor<strong>de</strong>rung für unbegrün<strong>de</strong>t.<br />

Es gibt <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>r Klage vollen Umfangs statt.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung, dass die Gegenfor<strong>de</strong>rung nicht besteht, erwächst in Höhe von<br />

10.000,-- (d.h. bis zur Höhe <strong>de</strong>s Betrages, für <strong>de</strong>n die Aufrechnung geltend gemacht<br />

wor<strong>de</strong>n ist), in Rechtskraft. <strong>Die</strong> restlichen 5.000,-- darf <strong>de</strong>r Beklagte dagegen noch<br />

einklagen, wenn er sich davon Erfolg verspricht. <strong>Die</strong> Rechtskraft eines Urteils <strong>im</strong><br />

Erstprozess, in <strong>de</strong>m mit einem Anspruch auf Scha<strong>de</strong>nsersatz erfolgreich aufgerechnet<br />

wor<strong>de</strong>n ist, steht <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung weiteren Scha<strong>de</strong>nsersatzes in einem neuen Prozess<br />

je<strong>de</strong>nfalls dann nicht entgegen, wenn weitergehen<strong>de</strong> Ansprüche <strong>im</strong> Erstprozess<br />

vorbehalten wur<strong>de</strong>n (BGH NJW 1998, 995 m. Anm. von Karsten Schmidt in JuS 1998, 561<br />

f.).<br />

(3) Der Kläger begehrt Zahlung von 10.000,--. Der Beklagte rechnet auf mit einer<br />

Gegenfor<strong>de</strong>rung von 5.000,--.<br />

Das Gericht hält die Klagfor<strong>de</strong>rung und die Gegenfor<strong>de</strong>rung für begrün<strong>de</strong>t. Es gibt<br />

<strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>r Klage nur in Höhe von 5.000,-- statt.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung, dass die Gegenfor<strong>de</strong>rung von 5.000,-- bestan<strong>de</strong>n hat, erwächst<br />

ebenfalls in Rechtskraft. Mit <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s § 322 Abs. ZPO lässt sich dies in Einklang<br />

bringen, wenn man sich vor Augen führt, dass die Gegenfor<strong>de</strong>rung auch nach dieser<br />

Entscheidung <strong>de</strong>s Gerichts nicht mehr besteht, weil sie durch Aufrechnung mit <strong>de</strong>r<br />

Klagfor<strong>de</strong>rung erloschen ist. Es muss also eine - positive o<strong>de</strong>r negative - Entscheidung<br />

über die Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Gegenfor<strong>de</strong>rung ergehen. <strong>Die</strong>s ist nicht <strong>de</strong>r Fall, wenn das<br />

Gericht die Aufrechnung aus prozessualen Grün<strong>de</strong>n (z.B. weil nicht hinreichend <strong>de</strong>utlich<br />

gewor<strong>de</strong>n ist, mit welchen For<strong>de</strong>rungen eigentlich aufgerechnet wer<strong>de</strong>n soll, BGH NJW<br />

1994, 1538) o<strong>de</strong>r aus materiell-rechtlichen Grün<strong>de</strong>n (z.B. weil ein Aufrechnungsverbot<br />

besteht) nicht für zulässig hält o<strong>de</strong>r wenn über eine Hilfsaufrechnung überhaupt nicht<br />

entschie<strong>de</strong>n wird, weil schon die pr<strong>im</strong>äre Verteidigung (z.B. mit einem<br />

Verjährungseinwand) durchgreift. Dagegen ergeht eine Entscheidung über das Bestehen


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Seite 40<br />

<strong>de</strong>r Gegenfor<strong>de</strong>rung, wenn das Gericht <strong>de</strong>r Ansicht ist, diese sei nicht hinreichend<br />

substantiiert und <strong>de</strong>r Klage <strong>de</strong>shalb stattgibt (BGH NJW 1994, 1538; NJW-RR 1991, 971)<br />

o<strong>de</strong>r wenn die Aufrechnung als verspätet zurückgewiesen wird (BGH NJW-RR 1991, 971).<br />

Auf Seiten <strong>de</strong>s Beklagten muss also genau darauf geachtet wer<strong>de</strong>n, dass alle in <strong>de</strong>n Prozess<br />

eingeführten Gegenfor<strong>de</strong>rungen hinreichend konkret und rechtzeitig dargetan wer<strong>de</strong>n,<br />

um <strong>de</strong>ren unnötigen Verlust zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

Wegen <strong>de</strong>r Rechtskraftwirkung <strong>de</strong>s § 322 Abs. 2 ZPO unterliegt <strong>de</strong>r Aufrechnungseinwand<br />

auch <strong>de</strong>m Best<strong>im</strong>mtheitsgrundsatz entsprechend § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Beklagte<br />

muss also ein<strong>de</strong>utig abgrenzen, mit welcher For<strong>de</strong>rung er aufrechnen will. Wer<strong>de</strong>n mehrere<br />

For<strong>de</strong>rungen zur Aufrechnung gestellt, die in ihrer Summe die Klagfor<strong>de</strong>rung übersteigen,<br />

so muss klar sein, in welcher Reihenfolge bzw. mit welchen <strong>Teil</strong>beträgen die einzelnen<br />

For<strong>de</strong>rungen aufgerechnet wer<strong>de</strong>n sollen. An<strong>de</strong>renfalls ist die Berufung auf die Aufrechnung<br />

unzulässig (BGH NJW 1994, 1538).<br />

Wie bereits erläutert, führt die Aufrechnung <strong>im</strong> Prozess nicht zur Rechtshängigkeit, unter<br />

<strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 322 Abs. 2 ZPO aber zur Rechtskraft einer Entscheidung über<br />

die Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung. Wie für je<strong>de</strong>s Verteidigungsmittel gelten für die Aufrechnung<br />

die Verspätungsvorschriften (§§ 296, 530 ff. ZPO). Wird die Aufrechnung erstmals in<br />

<strong>de</strong>r zweiten Instanz erklärt, so ist zu<strong>de</strong>m § 533 ZPO (§ 530 Abs. 2 a.F.) zu beachten. Für<br />

die Aufrechnung in zweiter Instanz be<strong>de</strong>utet das, dass die Aufrechnung, abgesehen von<br />

Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Gegners bzw. Sachdienlichkeit, auf Tatsachen gestützt sein muss, die<br />

gemäß § 529 ZPO in <strong>de</strong>r zweiten Instanz überhaupt zu berücksichtigen sind.<br />

Um eine Prozessverschleppung durch eine Aufrechnung zu verhin<strong>de</strong>rn, gibt es außer<strong>de</strong>m<br />

die Möglichkeit eines Vorbehaltsurteils nach § 302 ZPO. Wenn die Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung<br />

nicht in einem rechtlichen Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Klagfor<strong>de</strong>rung steht (Parallele zu §<br />

273 BGB), so kann vorab über die Klagfor<strong>de</strong>rung entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, sofern diese <strong>im</strong><br />

Gegensatz zur Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung entscheidungsreif ist. <strong>Die</strong>se Vorgehensweise bietet<br />

sich an, wenn über die Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung umfangreicher Beweis erhoben wer<strong>de</strong>n<br />

müsste, während die Klagfor<strong>de</strong>rung ohne weiteres begrün<strong>de</strong>t erscheint.<br />

Da das Vorbehaltsurteil wie je<strong>de</strong>s Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist, kann<br />

<strong>de</strong>m Kläger auf diese Weise Liquidität verschafft wer<strong>de</strong>n, auf die er sonst u.U. länger als<br />

wirtschaftlich tragbar warten müsste (vgl. allerdings das Haftungsrisiko gemäß § 302 Abs.<br />

4 ZPO).<br />

Der Tenor eines solchen Vorbehaltsurteils lautet:<br />

Der Beklagte wird verurteilt, an <strong>de</strong>n Kläger ... zu zahlen.<br />

<strong>Die</strong> Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits trägt <strong>de</strong>r Beklagte.<br />

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von ... vorläufig vollstreckbar<br />

bzw. mit Neufassung <strong>de</strong>s § 709 ZPO:<br />

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % <strong>de</strong>s jeweils zu vollstrecken<strong>de</strong>n<br />

Betrages vorläufig vollstreckbar.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung über die Aufrechnung <strong>de</strong>s Beklagten mit einer angeblichen For<strong>de</strong>rung<br />

in Höhe von ... aus ... bleibt vorbehalten.)<br />

Als prozessuales Verteidigungsmittel greift die Aufrechnung nur durch, wenn sowohl die<br />

materiell-rechtlichen (Aufrechnungserklärung, Aufrechnungslage, kein Aufrechnungsverbot)<br />

als auch die verfahrensrechtlichen (Prozesshandlungsvoraussetzungen, Best<strong>im</strong>mt-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Seite 41<br />

heit, keine rechtswegfrem<strong>de</strong> For<strong>de</strong>rung) Voraussetzungen hierfür vorliegen. In materiellrechtlicher<br />

Hinsicht tritt dann Erfüllung ein.<br />

Fraglich ist, ob es zu einer materiell-rechtlichen Erfüllungswirkung auch dann kommt,<br />

wenn bei einer in einem Prozess erklärten Aufrechnung zwar die materiell-rechtlichen,<br />

nicht aber die verfahrensrechtlichen Aufrechnungsvoraussetzungen vorliegen. Beispiel:<br />

Der Beklagte hat schriftsätzlich mit einer Gegenfor<strong>de</strong>rung aufgerechnet. Im nächsten Verhandlungstermin<br />

ist er trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten, so dass gegen ihn<br />

ein Versäumnisurteil ergeht. In diesem Versäumnisurteil wird über seine Aufrechnung<br />

nicht entschie<strong>de</strong>n, weil es allein auf die Schlüssigkeit <strong>de</strong>s Klägervorbringens ankommt,<br />

§ 331 ZPO, und selbst die Aufrechnungserklärung <strong>de</strong>s Beklagten nur durch eine Bezugnahme<br />

in <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung zum Gegenstand <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung<br />

hätte wer<strong>de</strong>n können, § 137 Abs. 3 ZPO.<br />

Im Verhandlungstermin vor <strong>de</strong>m Landgericht erklärt <strong>de</strong>r Beklagte persönlich die Aufrechnung<br />

mit einer Gegenfor<strong>de</strong>rung. Sein Prozessbevollmächtigter macht sich diese Erklärung<br />

nicht zu eigen. Als prozessuales Verteidigungsmittel ist die Aufrechnung unwirksam, weil<br />

es an einer Prozesshandlungsvoraussetzung fehlt.<br />

Hat <strong>de</strong>r Beklagte in bei<strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>nnoch seine Gegenfor<strong>de</strong>rung verloren, weil er in<br />

materiell-rechtlicher Hinsicht wirksam aufgerechnet hat?<br />

<strong>Die</strong>se Frage wird einhellig verneint und zwar aufgrund analoger Anwendung <strong>de</strong>s § 139<br />

BGB: <strong>Die</strong> Aufrechnung sei insgesamt unwirksam, d.h. sowohl in prozessualer wie in materiell-rechtlicher<br />

Hinsicht, so dass <strong>de</strong>r Mangel <strong>de</strong>r Prozesshandlung auch das materielle<br />

Rechtsgeschäft erfasse.<br />

Aus ähnlichem Gedanken heraus hat <strong>de</strong>r BGH kürzlich die lange umstrittene Frage entschie<strong>de</strong>n,<br />

ob Erledigung <strong>de</strong>s Rechtsstreits bei Aufrechnung durch <strong>de</strong>n Beklagten mit<br />

einer bereits zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit fälligen For<strong>de</strong>rung erklärt wird. Materiell<br />

rechtlich wäre <strong>de</strong>r Anspruch <strong>de</strong>s Klägers nach erklärter Aufrechnung aufgrund <strong>de</strong>r Wirkung<br />

<strong>de</strong>s § 389 BGB von Beginn an unbegrün<strong>de</strong>t gewesen, so dass sich <strong>de</strong>r Rechtsstreit<br />

nicht erledigt hätte und <strong>de</strong>r Kläger <strong>im</strong> Ergebnis auf <strong>de</strong>n Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits sitzen<br />

bliebe. Nach <strong>de</strong>r Entscheidung <strong>de</strong>s BGH (NJW 2003, 3134) aber, tritt Erledigung in dieser<br />

Konstellation erst ab Vorliegen <strong>de</strong>r materiellrechtlichen und <strong>de</strong>r prozessualen Voraussetzungen<br />

<strong>de</strong>r Aufrechnung, konkret also ab Aufrechnungserklärung ein.<br />

<strong>Die</strong> Darstellung <strong>de</strong>r Aufrechnung <strong>im</strong> Urteil<br />

Da die Aufrechnung ein bloßes Verteidigungsmittel und kein selbständiger Angriff <strong>de</strong>s Beklagten<br />

ist, hat sie auf die Parteirollen keinen Einfluss. Im Rubrum hat die Aufrechnung<br />

daher nichts zu suchen. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für <strong>de</strong>n Tenor (Ausnahme: Vorbehaltsurteil).<br />

Auch <strong>im</strong> Tatbestand darf <strong>de</strong>r Umstand, dass eine Aufrechnung erklärt ist, nicht nach Art<br />

eines Antrages dargestellt wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Aufrechnungserklärung ist vielmehr als eine unstreitige<br />

Tatsache bzw. - falls sie nur in <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Rechtsstreit abgegeben wor<strong>de</strong>n<br />

ist – als ein Bestandteil <strong>de</strong>r Prozessgeschichte auszuführen.<br />

Hingegen wird das Vorbringen zur Begründung <strong>de</strong>r Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung häufig streitig<br />

sein. Dann bietet es sich an, <strong>de</strong>n Umstand, dass die Aufrechnung erklärt wor<strong>de</strong>n ist, nicht<br />

isoliert <strong>im</strong> unstreitigen Sachverhalt stehen zu lassen, son<strong>de</strong>rn als eine Art Einleitung <strong>de</strong>s<br />

betreffen<strong>de</strong>n streitigen Beklagtenvorbringens zu verwen<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m man etwa schreibt:<br />

„Unstreitig hat <strong>de</strong>r Beklagte die Aufrechnung mit einer angeblichen Restwerklohnfor<strong>de</strong>rung<br />

aus <strong>de</strong>m Auftrag vom ... erklärt. Dazu behauptet er, ...“


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Immer an das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Beklagtenvorbringens gehört die Hilfsaufrechnung, weil das Gericht<br />

darüber erst entschei<strong>de</strong>n darf, wenn das übrige Verteidigungsvorbringen nicht durchgreift.<br />

<strong>Die</strong>s gilt auch dann, wenn die hierzu vorgebrachten Tatsachen unstreitig sind, was<br />

allerdings zum Ausdruck gebracht wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Wer<strong>de</strong>n zur Begründung <strong>de</strong>r Hilfsaufrechnung streitige Behauptungen aufgestellt, die vom<br />

Kläger qualifiziert (also mit einer inhaltlich abweichen<strong>de</strong>n Sachdarstellung) bestritten wer<strong>de</strong>n,<br />

so ist ausnahmsweise eine Replik geboten.<br />

Nicht <strong>im</strong>mer stellt <strong>de</strong>r Beklagte (in <strong>de</strong>r Praxis) ausdrücklich klar, ob er eine Pr<strong>im</strong>är- o<strong>de</strong>r<br />

eine Hilfsaufrechnung erklären will. Dann muss das Gericht sein Vorbringen anhand <strong>de</strong>r<br />

eingangs genannten Entscheidungskriterien (einziges Verteidigungsmittel? dann notwendig<br />

Pr<strong>im</strong>äraufrechnung; sonst <strong>im</strong> Zweifel Hilfsaufrechnung) auslegen. (Nur) wenn diese<br />

Auslegung zu einem ganz ein<strong>de</strong>utigen Ergebnis führt, darf sie ausnahmsweise schon bei<br />

<strong>de</strong>r Formulierung <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s berücksichtigt wer<strong>de</strong>n, ohne dass darauf in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n<br />

eingegangen wer<strong>de</strong>n müsste.<br />

Im Rahmen <strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong> sind dann häufig Ausführungen zur Klagfor<strong>de</strong>rung<br />

und zur Aufrechnung erfor<strong>de</strong>rlich. Wenn <strong>de</strong>r Klage stattgegeben wird, versteht sich dies<br />

von selbst, <strong>de</strong>nn sowohl die Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Klagfor<strong>de</strong>rung als auch die Erfolglosigkeit<br />

<strong>de</strong>r Aufrechnung gehören zu <strong>de</strong>n die Entscheidung tragen<strong>de</strong>n Gesichtspunkten. Aber<br />

auch <strong>im</strong> Fall einer Klagabweisung darf nicht argumentiert wer<strong>de</strong>n, dass offen bleiben könne,<br />

ob die Klagfor<strong>de</strong>rung entstan<strong>de</strong>n sei, weil sie je<strong>de</strong>nfalls durch Aufrechnung wie<strong>de</strong>r erloschen<br />

sei, <strong>de</strong>nn sonst bliebe <strong>de</strong>r Umfang <strong>de</strong>r Rechtskraft unklar (s.o.). Es ist hier also<br />

ausnahmsweise zulässig, unter Verwendung <strong>de</strong>s sonst in einem Urteil unangebrachten<br />

"Zwar-aber-Stils" etwa wie folgt zu formulieren:<br />

<strong>Die</strong> zulässige Klage ist nicht begrün<strong>de</strong>t. <strong>Die</strong> Klagfor<strong>de</strong>rung ist zwar entstan<strong>de</strong>n (I),<br />

sie ist jedoch durch die vom Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung gemäß § 389<br />

BGB erloschen (II).<br />

I. Dem Kläger stand ursprünglich eine For<strong>de</strong>rung in Höhe von ... gemäß § ... zu.<br />

Denn ... <strong>Die</strong> hiergegen in erster Linie geltend gemachten Einwän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Beklagten<br />

greifen nicht durch ...<br />

II. <strong>Die</strong> somit entstan<strong>de</strong>ne For<strong>de</strong>rung ist gemäß § 389 BGB infolge <strong>de</strong>r vom Beklagten<br />

erklärten Hilfsaufrechnung erloschen. Denn ...<br />

Auch darf nicht dahingestellt bleiben, ob eine Aufrechnung unzulässig ist o<strong>de</strong>r mangels<br />

Gegenfor<strong>de</strong>rung nicht durchgreift. An<strong>de</strong>renfalls nämlich wäre unklar, inwiefern die Gegenfor<strong>de</strong>rung<br />

noch Gegenstand einer geson<strong>de</strong>rten Klage sein dürfte.<br />

Wenn die Aufrechnung als unzulässig angesehen wird, ist es <strong>im</strong> Übrigen überflüssig, zusätzlich<br />

noch zur Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Gegenfor<strong>de</strong>rung Stellung zu nehmen. Solche zusätzlichen<br />

Ausführungen sind ohnehin als nicht vorhan<strong>de</strong>n zu behan<strong>de</strong>ln (BGH NJW 1984,<br />

128).<br />

Gebührenstreitwert und Kosten <strong>de</strong>r Pr<strong>im</strong>är- und Hilfsaufrechnung<br />

Eine Pr<strong>im</strong>äraufrechnung hat keinen Einfluss auf <strong>de</strong>n Gebührenstreitwert. <strong>Die</strong>ser ergibt sich<br />

aus <strong>de</strong>m Wert <strong>de</strong>r Klagfor<strong>de</strong>rung. Dagegen kann die Hilfsaufrechnung für <strong>de</strong>n Gebührenstreitwert<br />

be<strong>de</strong>utsam sein. Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 GKG nämlich erhöht sich <strong>de</strong>r<br />

Streitwert um <strong>de</strong>n Wert einer hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenfor<strong>de</strong>rung, soweit<br />

sie bestritten ist und eine <strong>de</strong>r Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.<br />

Was das be<strong>de</strong>utet, soll anhand <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Beispiele erörtert wer<strong>de</strong>n:


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Klagfor<strong>de</strong>rung: 10.000,00<br />

Streitige Gegenfor<strong>de</strong>rung: 15.000,00<br />

Variante a:<br />

Seite 43<br />

<strong>Die</strong> Klage wird abgewiesen, weil die Klagfor<strong>de</strong>rung zwar entstan<strong>de</strong>n, aber durch die Hilfsaufrechnung<br />

untergegangen ist.<br />

Gebührenstreitwert<br />

Klagfor<strong>de</strong>rung: 10.000,00<br />

rechtskräftige Entscheidung über Gegenfor<strong>de</strong>rung: 10.000,00<br />

Gebührenstreitwert: 20.000,00<br />

Variante b:<br />

Der Klage wird nur in Höhe von 5.000,00 stattgegeben, weil die Klagfor<strong>de</strong>rung zwar<br />

entstan<strong>de</strong>n, in Höhe von 5.000,00 aber durch die Hilfsaufrechnung untergegangen ist.<br />

Im Übrigen wird die Gegenfor<strong>de</strong>rung nicht für gerechtfertigt gehalten.<br />

Gebührenstreitwert: wie oben.<br />

___________________________________________________________________<br />

Variante c:<br />

<strong>Die</strong> Klage wird abgewiesen, weil die Klagfor<strong>de</strong>rung nur in Höhe von 5.000,00 entstan<strong>de</strong>n,<br />

insofern aber durch die Hilfsaufrechnung untergegangen ist.<br />

Gebührenstreitwert:<br />

Klagfor<strong>de</strong>rung: 10.000,00<br />

rechtskräftige Entscheidung über Gegenfor<strong>de</strong>rung: 5.000,00<br />

Gebührenstreitwert: 15.000,00 .<br />

<strong>Die</strong> Hilfsaufrechnung mit einer Gegenfor<strong>de</strong>rung kann also max<strong>im</strong>al eine Verdoppelung <strong>de</strong>s<br />

(Klage-) Streitwerts zur Folge haben.<br />

Wird allerdings über mehrere hilfsweise zur Aufrechnung gestellte For<strong>de</strong>rungen mit<br />

Rechtskraftwirkung entschie<strong>de</strong>n, so vervielfältigt sich <strong>de</strong>r Gebührenstreitwert entsprechend<br />

<strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r Gegenfor<strong>de</strong>rungen, jeweils begrenzt durch die Höhe <strong>de</strong>r Klagfor<strong>de</strong>rung.<br />

<strong>Die</strong>s kann zu einem hohen Streitwert und damit zu hohen Kosten führen, was bei <strong>de</strong>r<br />

Geltendmachung dieses Verteidigungsmittels bedacht wer<strong>de</strong>n sollte.<br />

Bei <strong>de</strong>r Kostenentscheidung ergeben sich in folgen<strong>de</strong>n Konstellationen keine Probleme:<br />

- <strong>Die</strong> Klage wird abgewiesen, weil die Klagefor<strong>de</strong>rung nicht entstan<strong>de</strong>n ist; eine Entscheidung<br />

über die Hilfsaufrechnung ergeht nicht.<br />

In diesem Fall trägt <strong>de</strong>r Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die gesamten Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits,<br />

weil er in vollem Umfang unterlegen ist.<br />

- Der Klage wird stattgegeben, weil die Klagfor<strong>de</strong>rung entstan<strong>de</strong>n ist und die Hilfsaufrechnung<br />

nicht durchgreift.<br />

In diesem Fall trägt <strong>de</strong>r Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die gesamten Kosten <strong>de</strong>s<br />

Rechtsstreits, weil er sowohl <strong>im</strong> Hinblick auf die Klagfor<strong>de</strong>rung als auch <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />

Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung in vollem Umfang unterlegen ist.


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Seite 44<br />

Eine Quotelung <strong>de</strong>r Kosten muss dagegen stattfin<strong>de</strong>n, wenn die Klage abgewiesen wird,<br />

weil die Klagefor<strong>de</strong>rung zwar entstan<strong>de</strong>n, aber durch die Hilfsaufrechnung wie<strong>de</strong>r untergegangen<br />

ist. In diesem Fall unterliegen nämlich sowohl <strong>de</strong>r Kläger (soweit seine Klagfor<strong>de</strong>rung<br />

abgewiesen wird) als auch <strong>de</strong>r Beklagte (soweit er mit seiner Hauptverteidigung<br />

nicht durchdringt und seine Gegenfor<strong>de</strong>rung opfern muss). <strong>Die</strong> richtige Kostenquote gewinnt<br />

man hier, wenn man die Verlustquoten <strong>de</strong>r Parteien hinsichtlich <strong>de</strong>r Klagefor<strong>de</strong>rung<br />

und <strong>de</strong>r Gegenfor<strong>de</strong>rung getrennt errechnet und diese Beträge ins Verhältnis zu <strong>de</strong>m Gebührenstreitwert<br />

setzt.<br />

Beispiel:<br />

Klagfor<strong>de</strong>rung: 10.000,00<br />

Streitige Gegenfor<strong>de</strong>rung: 15.000,00<br />

Variante a:<br />

<strong>Die</strong> Klage wird abgewiesen, weil die Klagfor<strong>de</strong>rung zwar entstan<strong>de</strong>n, aber durch die Hilfsaufrechnung<br />

untergegangen ist.<br />

Gebührenstreitwert: 20.000,00<br />

Es unterliegen Kläger mit Beklagter mit<br />

von <strong>de</strong>r Klagfor<strong>de</strong>rung -------------------- 10.000,00<br />

von <strong>de</strong>r Gegenfor<strong>de</strong>rung 10.0000,00 -------------------<br />

insgesamt 10.0000,00 10.0000,00<br />

Kläger und Beklagter tragen je ½ <strong>de</strong>r Kosten<br />

Variante b:<br />

Der Klage wird nur in Höhe von 5.000,00 stattgegeben, weil die Klagfor<strong>de</strong>rung zwar in<br />

Höhe von 10.000,00 entstan<strong>de</strong>n, in Höhe von 5.000,00 aber durch die Hilfsaufrechnung<br />

untergegangen ist. Im Übrigen wird die Gegenfor<strong>de</strong>rung nicht für gerechtfertigt gehalten.<br />

Gebührenstreitwert: 20.000,00<br />

Es unterliegen Kläger mit Beklagter mit<br />

von <strong>de</strong>r Klagfor<strong>de</strong>rung -------------------- 10.000,00<br />

von <strong>de</strong>r Gegenfor<strong>de</strong>rung 5.000,00 5.000,00<br />

Insgesamt 5.000,00 15.0000,00<br />

Der Kläger trägt 5.000,00 = 1 <strong>de</strong>r Kosten.<br />

20.000,00 4<br />

Der Beklagte trägt 15.000,00 = 3 <strong>de</strong>r Kosten.<br />

Variante c:<br />

20.000,00 4<br />

<strong>Die</strong> Klage wird abgewiesen, weil die Klagfor<strong>de</strong>rung nur in Höhe von 5.000,00 entstan<strong>de</strong>n,<br />

insofern aber durch die Hilfsaufrechnung untergegangen ist.<br />

Gebührenstreitwert: 15.000,00<br />

Es unterliegen Kläger mit Beklagter mit


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

von <strong>de</strong>r Klagfor<strong>de</strong>rung 5.000,00 5.000,00<br />

von <strong>de</strong>r Gegenfor<strong>de</strong>rung 5.000,00 -----------------<br />

insgesamt 10.000,00 5.0000,00<br />

Der Kläger trägt 10.000,00 = 2 <strong>de</strong>r Kosten.<br />

15.000,00 3<br />

Der Beklagte trägt 5.000,00 = 1 <strong>de</strong>r Kosten.<br />

Im Detail: <strong>Die</strong> Wi<strong>de</strong>rklage<br />

15.000,00 3<br />

Seite 45<br />

Ebenso wie für die wirksame Aufrechnung wird für die erfolgreiche Wi<strong>de</strong>rklage eine fällige<br />

For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Beklagten gegen <strong>de</strong>n Kläger benötigt. An<strong>de</strong>rs als bei <strong>de</strong>r Aufrechnung<br />

kann es sich aber auch um eine nicht gleichartige For<strong>de</strong>rung han<strong>de</strong>ln. Außer<strong>de</strong>m steht<br />

das Vorliegen von Aufrechnungsverboten <strong>de</strong>r Erhebung einer Wi<strong>de</strong>rklage nicht entgegen.<br />

<strong>Die</strong> erfolgreiche Wi<strong>de</strong>rklage hat auf <strong>de</strong>n Erfolg <strong>de</strong>r Klage keinen Einfluss. Es fin<strong>de</strong>t somit<br />

an<strong>de</strong>rs als bei <strong>de</strong>r Aufrechnung keine Saldierung von Klage- und Wi<strong>de</strong>rklagefor<strong>de</strong>rung<br />

statt. Vielmehr führt die erfolgreiche Wi<strong>de</strong>rklage - ebenso wie die erfolgreiche Klage - zu<br />

einem selbständig vollstreckbaren Titel. Der mit <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage geltend gemachte (Gegen-)<br />

Anspruch wird rechtshängig. Es tritt also - <strong>im</strong> Ergebnis wie bei <strong>de</strong>r Aufrechnung -<br />

eine Hemmung <strong>de</strong>r Verjährung ein, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ein.<br />

<strong>Die</strong> Zulässigkeit <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage ist grundsätzlich an die für je<strong>de</strong> Klage gelten<strong>de</strong>n Voraussetzungen<br />

geknüpft. Im Ergebnis ebenso wie bei <strong>de</strong>r <strong>im</strong> Prozess erklärten Aufrechnung<br />

müssen also in <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rklägers die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen<br />

(Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit, Postulationsfähigkeit) vorliegen. Der mit<br />

<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage geltend gemachte Anspruch darf nicht bereits an<strong>de</strong>rweitig rechtshängig<br />

sein. <strong>Die</strong>s wäre auch <strong>de</strong>r Fall, wenn er mit <strong>de</strong>m Klaganspruch i<strong>de</strong>ntisch, also insbeson<strong>de</strong>re<br />

nur auf eine Verneinung <strong>de</strong>s Klaganspruchs gerichtet wäre (BAG NZA 1990, 987 f.). Eine<br />

teilweise I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r Streitgegenstän<strong>de</strong> scha<strong>de</strong>t hingegen nicht. Für die Zulässigkeit <strong>de</strong>r<br />

Wi<strong>de</strong>rklage reicht also aus, dass sie zumin<strong>de</strong>st zum <strong>Teil</strong> über die Klage hinausgeht, z.B.:<br />

Der Kläger beantragt die Feststellung, dass er Eigentümer einer Sache sei. Der<br />

Beklagte beantragt wi<strong>de</strong>rklagend die Feststellung, dass das Eigentum an <strong>de</strong>r Sache<br />

ihm zustehe.<br />

Auch hinsichtlich <strong>de</strong>r sachlichen Zuständigkeit gilt für die Wi<strong>de</strong>rklage zunächst nichts an<strong>de</strong>res<br />

als für die Klage. Wenn sie vor <strong>de</strong>m Landgericht erhoben wer<strong>de</strong>n soll, muss also<br />

(abgesehen von <strong>de</strong>m Son<strong>de</strong>rfall <strong>de</strong>s Amtshaftungsanspruchs) ein Streitwert von 5.000,00<br />

überschritten sein. Es genügt nicht, wenn die Streitwerte von Klage und Wi<strong>de</strong>rklage zusammengerechnet<br />

diese Grenze übersteigen. Denn die Regelung <strong>de</strong>s § 45 Abs. 1 GKG,<br />

welcher eine solche Addition u.U. vorschreibt, gilt nur für <strong>de</strong>n Gebühren-, nicht aber für<br />

<strong>de</strong>n Zuständigkeitsstreitwert, wie sich aus § 5 Halbsatz 2 ZPO ergibt. Betragen etwa die<br />

Streitwerte von Klagfor<strong>de</strong>rung und Wi<strong>de</strong>rklagefor<strong>de</strong>rung jeweils 4.000,00 , so ist das<br />

Amtsgericht zur Entscheidung berufen.<br />

Beson<strong>de</strong>rheiten bestehen, wenn nur für die Klagfor<strong>de</strong>rung, nicht aber für die Wi<strong>de</strong>rklagefor<strong>de</strong>rung<br />

die sachliche Zuständigkeit <strong>de</strong>s Amtsgerichts gegeben ist. Wird in diesem Fall<br />

die Wi<strong>de</strong>rklage <strong>de</strong>nnoch vor <strong>de</strong>m Amtsgericht erhoben, so ist gemäß § 506 ZPO <strong>de</strong>r gesamte<br />

Rechtsstreit (also auch die an sich in <strong>de</strong>n Zuständigkeitsbereich <strong>de</strong>s Amtsgerichts<br />

fallen<strong>de</strong> Klage) auf entsprechen<strong>de</strong>n Antrag einer Partei an das Landgericht zu verweisen.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

Seite 46<br />

Für <strong>de</strong>n umgekehrten Fall (die Klage ist ihrem Streitwert entsprechend vor <strong>de</strong>m Landgericht<br />

anhängig; dort wird eine Wi<strong>de</strong>rklage erhoben, die ihrem Streitwert nach vor das<br />

Amtsgericht gehört) fehlt eine gesetzliche Regelung. Fast allgemein anerkannt aber ist<br />

dann, dass das Landgericht in einem solchen Fall auch über die Wi<strong>de</strong>rklage entschei<strong>de</strong>n<br />

dürfe (so etwa Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 33 Rdn. 12; Mayer, JuS 1991, 678 f.; An<strong>de</strong>rs/Gehle,<br />

Das Assessorexamen <strong>im</strong> Zivilrecht, 6. Aufl. 1999, Rdn. 502). Argument: § 513<br />

Abs. 2 ZPO best<strong>im</strong>mt in entsprechen<strong>de</strong>r Weise, dass die Berufung nicht auf die fehlen<strong>de</strong><br />

sachliche Zuständigkeit <strong>de</strong>s erstinstanzlichen Gerichts gestützt wer<strong>de</strong>n kann. Ein weiteres<br />

Argument liefert ein Umkehrschluss aus § 506 ZPO, <strong>de</strong>r ja bei <strong>de</strong>r Zuständigkeit <strong>de</strong>s Land-<br />

und Amtsgerichts von einer Gesamtzuständigkeit <strong>de</strong>s Landgerichts ausgeht.<br />

Für <strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage geltend gemachten Anspruch muss ferner <strong>de</strong>rselbe Rechtsweg<br />

eröffnet sein wie für <strong>de</strong>n Klaganspruch. So darf etwa vor einem or<strong>de</strong>ntlichen Gericht<br />

keine Wi<strong>de</strong>rklage mit einer For<strong>de</strong>rung erhoben wer<strong>de</strong>n, die vor das Arbeitsgericht o<strong>de</strong>r<br />

das Verwaltungsgericht gehört, selbst wenn ein rechtlicher o<strong>de</strong>r wirtschaftlicher Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r Klagfor<strong>de</strong>rung besteht. Schließlich muss ein Rechtsschutzbedürfnis für<br />

die Wi<strong>de</strong>rklage gegeben sein.<br />

Neben <strong>de</strong>n allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen je<strong>de</strong>r Klage gibt es einige beson<strong>de</strong>re<br />

Zulässigkeitsvoraussetzungen, welche nur bei <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage zu prüfen sind: Eine<br />

Wi<strong>de</strong>rklage kann nur erhoben wer<strong>de</strong>n, wenn und solange die Klage rechtshängig ist. Der<br />

früheste Zeitpunkt für die Erhebung einer Wi<strong>de</strong>rklage ist also die Zustellung <strong>de</strong>r Klagschrift;<br />

<strong>de</strong>r späteste Zeitpunkt liegt vor <strong>de</strong>m Schluss <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung (BGH<br />

NJW-RR 1992, 1085). Letzteres ergibt sich insbeson<strong>de</strong>re aus § 297 ZPO, wonach Sachanträge<br />

in <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung gestellt wer<strong>de</strong>n müssen, um Grundlage einer gerichtlichen<br />

Entscheidung sein zu können. Entfällt nach Erhebung <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage die<br />

Rechtshängigkeit <strong>de</strong>r Klage (z.B. durch Klagrücknahme, Erledigung, rechtskräftige Entscheidung),<br />

so berührt dies die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage aber nicht mehr.<br />

<strong>Die</strong> zentrale gesetzliche Regelung betrifft auf <strong>de</strong>n ersten Blick die örtliche Zuständigkeit.<br />

Nach § 33 ZPO kann bei <strong>de</strong>m Gericht <strong>de</strong>r Klage eine Wi<strong>de</strong>rklage erhoben wer<strong>de</strong>n, wenn<br />

<strong>de</strong>r Gegenanspruch mit <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Klage geltend gemachten Anspruch o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n gegen<br />

ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln <strong>im</strong> Zusammenhang steht und für die Wi<strong>de</strong>rklage<br />

keine an<strong>de</strong>rweitige ausschließliche Zuständigkeit begrün<strong>de</strong>t ist. Dabei han<strong>de</strong>lt es<br />

sich um eine Privilegierung <strong>de</strong>s Beklagten. Wenn es die Son<strong>de</strong>rvorschrift <strong>de</strong>s § 33 ZPO<br />

nicht gäbe, müsste er <strong>de</strong>n Kläger nämlich an <strong>de</strong>ssen allgemeinen Gerichtsstand in Anspruch<br />

nehmen, was bei Ortsverschie<strong>de</strong>nheit für <strong>de</strong>n Beklagten unbequemer wäre. Rühmen<br />

sich zwei Parteien gegenseitiger Ansprüche, kann es sich daher lohnen, darauf zu<br />

warten, dass die an<strong>de</strong>re Seite zunächst Klage erhebt, um die Gegenansprüche be<strong>im</strong> Gericht<br />

<strong>de</strong>s eigenen Wohnsitzes <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage geltend machen zu können<br />

(Schnei<strong>de</strong>r, Prozesstaktischer Einsatz <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage, MDR 1998, 21, 22). <strong>Die</strong> durch § 33<br />

ZPO bewirkte Privilegierung ist zweckmäßig, weil hierdurch häufig erst eine prozessökonomische<br />

gemeinsame Verhandlung und Entscheidung von Klage und Wi<strong>de</strong>rklage ermöglicht<br />

wird. Es gilt dann <strong>de</strong>r Satz: "Wo <strong>de</strong>r Kläger sein Recht sucht, dort muss er auch Recht<br />

nehmen".<br />

Ob ein Zusammenhang i.S.d. § 33 ZPO besteht, ist unter Heranziehung <strong>de</strong>r zu § 273 BGB<br />

entwickelten Grundsätze zu beantworten. <strong>Die</strong> mit <strong>de</strong>r Klage bzw. einem Verteidigungsmittel<br />

und <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage verfolgten Ansprüche müssen also aus <strong>de</strong>mselben rechtlichen<br />

Verhältnis entstammen. <strong>Die</strong>ser Begriff ist <strong>im</strong> weitesten Sinne zu verstehen. Es ist ausreichend,<br />

aber nicht erfor<strong>de</strong>rlich, dass die bei<strong>de</strong>rseitigen Ansprüche <strong>im</strong> selben Vertrag o<strong>de</strong>r<br />

Schuldverhältnis ihre Grundlage haben (rechtlicher Zusammenhang i.e.S.). Es genügt bereits,<br />

wenn ihnen ein innerlich zusammenhängen<strong>de</strong>s einheitliches Lebensverhältnis


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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zugrun<strong>de</strong> liegt (tatsächlicher Zusammenhang).<br />

Seite 47<br />

<strong>Die</strong> Streitfrage, ob die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s § 33 ZPO auf die örtliche Zuständigkeit beschränkt<br />

ist (so etwa Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 33 Rdn. 1 m.w.N.) o<strong>de</strong>r ob es sich um eine stets<br />

zu prüfen<strong>de</strong> beson<strong>de</strong>re Zulässigkeitsvoraussetzung <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage (die sog. Konnexität)<br />

han<strong>de</strong>lt (so BGH NJW 1975, 1228), ist nur selten entscheidungserheblich. Sind die Voraussetzungen<br />

<strong>de</strong>s § 33 ZPO erfüllt, so spielt <strong>de</strong>ssen rechtliche Einordnung keine Rolle.<br />

<strong>Die</strong> Wi<strong>de</strong>rklage ist - vorbehaltlich <strong>de</strong>s Vorliegens <strong>de</strong>r sonstigen Sachurteilsvoraussetzungen<br />

- je<strong>de</strong>nfalls zulässig. Ist ein Zusammenhang nicht gegeben, können sich die Parteien<br />

<strong>de</strong>nnoch vor <strong>de</strong>m an sich unzuständigen Gericht einlassen (§ 39 ZPO) bzw. die mangeln<strong>de</strong><br />

Statthaftigkeit <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage nicht rügen (§ 295 ZPO). In diesem Fall braucht die Frage<br />

<strong>de</strong>r Konnexität nicht angesprochen zu wer<strong>de</strong>n. Liegt eine Rüge vor und ergibt sich die<br />

örtliche Zuständigkeit auch nicht aus <strong>de</strong>n für je<strong>de</strong> Klage gelten<strong>de</strong>n Vorschriften, so ist die<br />

Wi<strong>de</strong>rklage - mit welcher Begründung auch <strong>im</strong>mer - unzulässig.<br />

Es bleibt damit nur eine einzige, eher selten auftreten<strong>de</strong> Konstellation, bei <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r genannte<br />

Meinungsstreit ausdiskutiert wer<strong>de</strong>n muss:<br />

Der Kläger wohnt in Hamburg. Er verklagt <strong>de</strong>n in Bremen wohnen<strong>de</strong>n Beklagten vor<br />

<strong>de</strong>m dortigen Amtsgericht auf Zahlung eines Kaufpreises. Der Beklagte erhebt Wi<strong>de</strong>rklage<br />

auf Scha<strong>de</strong>nsersatz mit <strong>de</strong>r Behauptung, <strong>de</strong>r Kläger habe ihm anlässlich<br />

eines Besuchs in Bremen absichtlich Kaffee über <strong>de</strong>n Anzug geschüttet. Der Kläger<br />

rügt Unzulässigkeit <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage.<br />

Nach <strong>de</strong>r Literaturmeinung ist die Wi<strong>de</strong>rklage hier zulässig. <strong>Die</strong> örtliche Zuständigkeit <strong>de</strong>s<br />

Amtsgerichts Bremen für die Scha<strong>de</strong>nsersatzfor<strong>de</strong>rung ergibt sich zwar nicht aus § 33<br />

ZPO, weil ein Zusammenhang mit <strong>de</strong>r vom Kläger geltend gemachten Kaufpreisfor<strong>de</strong>rung<br />

nicht ersichtlich ist. In Bremen besteht aber ein Gerichtsstand <strong>de</strong>r unerlaubten Handlung<br />

(§ 32 ZPO). <strong>Die</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s § 33 ZPO ist hier auf die Frage <strong>de</strong>r örtlichen Zuständigkeit<br />

beschränkt.<br />

Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung ist die Wi<strong>de</strong>rklage <strong>im</strong> Beispielsfall dagegen nicht statthaft, weil<br />

die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 33 ZPO nicht vorliegen. Zwar ist die örtliche Zuständigkeit<br />

gem. § 32 ZPO gegeben, aber nicht die beson<strong>de</strong>re Voraussetzung <strong>de</strong>r Konnexität. <strong>Die</strong><br />

Wi<strong>de</strong>rklage müsste daher von <strong>de</strong>r Klage abgetrennt und geson<strong>de</strong>rt verhan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> Prozessart <strong>de</strong>r Klage muss schließlich noch eine Wi<strong>de</strong>rklage zulassen. <strong>Die</strong>s ist in einigen<br />

beson<strong>de</strong>ren Verfahrensarten kraft Gesetzes (z.B. Urkun<strong>de</strong>nprozess, § 595 Abs. 1<br />

ZPO) bzw. aus <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r Sache heraus (z.B. Eilverfahren, selbständiges Beweisverfahren)<br />

nicht <strong>de</strong>r Fall.<br />

Für die Erhebung <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage gelten <strong>im</strong> Vergleich zur Klage einige Vereinfachungen:<br />

Insbeson<strong>de</strong>re kann die Wi<strong>de</strong>rklage nicht nur durch Zustellung eines <strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnissen<br />

<strong>de</strong>s § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechen<strong>de</strong>n Schriftsatzes, son<strong>de</strong>rn auch mündlich in <strong>de</strong>r<br />

Verhandlung über die Klage erhoben wer<strong>de</strong>n (§ 297 ZPO). Eine Vorausleistung <strong>de</strong>r Gerichtsgebühren<br />

wie bei <strong>de</strong>r Klage ist bei <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage nicht erfor<strong>de</strong>rlich (§ 12 Abs. 2 Ziffer<br />

1 GKG).<br />

An<strong>de</strong>rs als die Aufrechnung führt die Wi<strong>de</strong>rklage zur Rechtshängigkeit <strong>de</strong>s geltend gemachten<br />

Anspruchs. Ähnlich wie die Aufrechnung hilfsweise unter <strong>de</strong>r Bedingung erklärt<br />

wer<strong>de</strong>n kann, dass an<strong>de</strong>re Verteidigungsmittel keinen Erfolg haben, kann die Erhebung<br />

<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage unter einer - innerprozessualen - Bedingung erfolgen. So kann zum Beispiel<br />

mit einer Gegenfor<strong>de</strong>rung pr<strong>im</strong>är die Aufrechnung erklärt und für <strong>de</strong>n Fall, dass die<br />

Aufrechnung an einem Aufrechnungsverbot scheitert, Wi<strong>de</strong>rklage erhoben wer<strong>de</strong>n (BGH<br />

LM Nr. 5 zu § 33 ZPO).


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Seite 48<br />

Sinnvoll kann es auch sein, eine Hilfsaufrechnung mit einer Hilfswi<strong>de</strong>rklage zu verbin<strong>de</strong>n<br />

(pr<strong>im</strong>är Verteidigung mit an<strong>de</strong>ren Verteidigungsmitteln; hilfsweise Aufrechnung und für <strong>de</strong>n<br />

Fall, dass bereits die pr<strong>im</strong>ären Verteidigungsmittel durchgreifen, Wi<strong>de</strong>rklage mit <strong>de</strong>r zur<br />

Aufrechnung gestellten For<strong>de</strong>rung). Auf diese Weise erreicht <strong>de</strong>r Beklagte, dass über seine<br />

Gegenfor<strong>de</strong>rung unter allen Umstän<strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>n wird.<br />

Übersteigt die Gegenfor<strong>de</strong>rung die Klagfor<strong>de</strong>rung, so kann schließlich eine Kombination<br />

von Hilfsaufrechnung, unbedingter Wi<strong>de</strong>rklage und Eventualwi<strong>de</strong>rklage in Betracht kommen.<br />

All diese Möglichkeiten haben ihren Grund in Kostenvorteilen gegenüber <strong>de</strong>r Alternative<br />

nach <strong>de</strong>m Rechtsstreit erneut nun selbst Klage zu erheben.<br />

Soweit über die mit <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage verfolgte For<strong>de</strong>rung entschie<strong>de</strong>n wird, erwächst die<br />

Entscheidung in Rechtskraft.<br />

Ein u.U. wesentlicher Vorteil <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage gegenüber <strong>de</strong>r Aufrechnung besteht (wie<br />

schon angesprochen) darin, dass die Aufrechnung als Verteidigungsmittel i.S.d. § 296<br />

ZPO verspätet sein kann, während die Wi<strong>de</strong>rklage ein eigenständiger Angriff (und nicht<br />

nur ein Angriffsmittel wie eine Behauptung o<strong>de</strong>r ein Beweisantritt) ist, so dass die Erhebung<br />

einer Wi<strong>de</strong>rklage nicht als verspätet zurückgewiesen wer<strong>de</strong>n kann. Damit diese Unterscheidung<br />

nicht be<strong>de</strong>utungslos wird, dürfen auch die zur Begründung <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage<br />

vorgebrachten Angriffsmittel nicht gemäß § 296 ZPO zurückgewiesen wer<strong>de</strong>n. Einer drohen<strong>de</strong>n<br />

Präklusion wegen Verspätung kann man also nicht nur durch die bekannte "Flucht<br />

in die Säumnis", son<strong>de</strong>rn auch durch eine "Flucht in die Wi<strong>de</strong>rklage" entgehen. Grundsätzlich<br />

kann über die Wi<strong>de</strong>rklagefor<strong>de</strong>rung durch <strong>Teil</strong>urteil entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, wenn nur<br />

diese schon zur Entscheidung reif ist. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt <strong>im</strong> umgekehrten Fall für die<br />

Klagfor<strong>de</strong>rung (zu <strong>de</strong>n Voraussetzungen: OLG Stuttgart, NJW-RR 1999, 141 ff.). Allerdings<br />

darf auf jenem Wege nicht <strong>de</strong>r Grundsatz unterlaufen wer<strong>de</strong>n, dass die Wi<strong>de</strong>rklage<br />

und die zu ihrer Begründung aufgestellten Behauptungen nicht gemäß § 296 ZPO präkludiert<br />

wer<strong>de</strong>n dürfen. Wenn dieselben Behauptungen wegen <strong>de</strong>s erfor<strong>de</strong>rlichen Sachzusammenhangs<br />

von Klage und Wi<strong>de</strong>rklage auch für die Klagfor<strong>de</strong>rung von Be<strong>de</strong>utung sind,<br />

darf die Klage nicht unter Berufung auf eine Verspätung durch <strong>Teil</strong>urteil abgewiesen wer<strong>de</strong>n<br />

(BGH NJW 1981, 1217).<br />

<strong>Die</strong> Darstellung <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage <strong>im</strong> Urteil<br />

Im Rubrum <strong>de</strong>s Urteils sind alle Parteirollen (Kläger und Wi<strong>de</strong>rbeklagter bzw. Beklagter<br />

und Wi<strong>de</strong>rkläger) aufzuführen. Anschließend wer<strong>de</strong>n die Parteien nur noch mit ihrer ersten<br />

Parteirolle (Kläger und Beklagter) bezeichnet!<br />

Weiter ist zu berücksichtigen, dass mit <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage (an<strong>de</strong>rs als mit <strong>de</strong>r Aufrechnung)<br />

selbständige Anträge gestellt wer<strong>de</strong>n, über die <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Tenors geson<strong>de</strong>rt zu entschei<strong>de</strong>n<br />

ist und die <strong>im</strong> Tatbestand nach <strong>de</strong>n Anträgen zur Klage referiert wer<strong>de</strong>n müssen,<br />

z.B.:<br />

<strong>Die</strong> Klägerin beantragt,<br />

<strong>de</strong>n Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.000,-- nebst 4 % Zinsen<br />

seit Klagzustellung zu zahlen.<br />

Der Beklagte beantragt,<br />

die Klage abzuweisen.<br />

Wi<strong>de</strong>rklagend beantragt <strong>de</strong>r Beklagte,<br />

die Klägerin zu verurteilen, die Behauptung zu unterlassen, er sei nicht in <strong>de</strong>r


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Lage, einen Zivilprozess sachgerecht zu führen.<br />

<strong>Die</strong> Klägerin beantragt,<br />

die Wi<strong>de</strong>rklage abzuweisen.<br />

Seite 49<br />

Im Übrigen hängt die Darstellung <strong>de</strong>s Tatbestands davon ab, ob Klage und Wi<strong>de</strong>rklage auf<br />

einem einheitlichen Vorgang (dann: zusammenhängen<strong>de</strong> Darstellung <strong>de</strong>r unstreitigen Tatsachen)<br />

o<strong>de</strong>r auf verschie<strong>de</strong>nen Sachverhalten (dann in <strong>de</strong>r Regel getrennte Darstellung<br />

<strong>de</strong>r unstreitigen Tatsachen) beruhen. Bei (in <strong>de</strong>r Klausur regelmäßig gegebenen) übersichtlichen<br />

Sachverhalten kann die Darstellung wie gelernt erfolgen, also auch <strong>de</strong>r streitige<br />

Vortrag, <strong>de</strong>r die Wi<strong>de</strong>rklage betrifft <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s jeweils streitigen Vorbringens dargestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Betrifft <strong>de</strong>r Sachverhalt <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage hingegen einen vollständig an<strong>de</strong>ren<br />

Komplex, bietet sich an, das unstreitige und streitige Vorbringen <strong>de</strong>r Parteien nach <strong>de</strong>m<br />

unstreitigen und streitigen Vorbringen zur Klage geson<strong>de</strong>rt auszuführen. (Verschie<strong>de</strong>ne<br />

Schemata fin<strong>de</strong>n sich etwa bei An<strong>de</strong>rs/Gehle, a.a.O., Rdn. 510).<br />

Für <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong> gilt, dass <strong>im</strong>mer sowohl zur Klage als auch zur<br />

Wi<strong>de</strong>rklage Ausführungen geboten sind, weil über bei<strong>de</strong> entschie<strong>de</strong>n wird. Zwingen<strong>de</strong><br />

Vorgaben für die Prüfungsreihenfolge gibt es dabei nicht. Normalerweise aber wird man<br />

mit <strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>r Entscheidung über die Klage beginnen. Erfor<strong>de</strong>rt aber die Wi<strong>de</strong>rklage<br />

die umfassen<strong>de</strong>ren Ausführungen zu <strong>de</strong>n auch für die Entscheidung über die Klage<br />

maßgeblichen Fragen, so kann es sich anbieten, dieses Schema auf <strong>de</strong>n Kopf zu stellen<br />

und mit <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage zu beginnen. Es gilt auch hier das Prinzip: Möglichst Wie<strong>de</strong>rholungen<br />

vermei<strong>de</strong>n, Bezugnahmen soweit möglich einbauen.<br />

Gebührenstreitwert und Kosten<br />

Der Gebührenstreitwert von Klage und Wi<strong>de</strong>rklage, die nicht in getrennten Prozessen verhan<strong>de</strong>lt<br />

wer<strong>de</strong>n, ergibt sich aus § 45 Abs. 1 GKG. Soweit bei<strong>de</strong> Klagen <strong>de</strong>nselben Streitgegenstand<br />

betreffen, sind die Gebühren nach <strong>de</strong>m einfachen Wert dieses Gegenstands<br />

zu berechnen. An<strong>de</strong>renfalls sind die Gegenstän<strong>de</strong> zusammenzuzählen. Wegen <strong>de</strong>r Degression<br />

<strong>de</strong>r Gebührentabellen treten in je<strong>de</strong>m Fall Kostenvorteile gegenüber einer isolierten<br />

Geltendmachung von Klage- und Wi<strong>de</strong>rklagefor<strong>de</strong>rung ein.<br />

Wenn Klage und Wi<strong>de</strong>rklage <strong>de</strong>nselben Streitgegenstand betreffen, han<strong>de</strong>lt es sich streng<br />

genommen um eine wegen an<strong>de</strong>rweitiger Rechtshängigkeit unzulässige Wi<strong>de</strong>rklage. Der<br />

einfache Streitwert nach § 45 Abs. 1 GKG gilt aber nicht nur für diesen Fall, son<strong>de</strong>rn auch<br />

dann, wenn die Zuerkennung <strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>r Klage geltend gemachten Anspruchs notwendig<br />

die Aberkennung <strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage geltend gemachten Anspruchs zur Folge hat.<br />

Verschie<strong>de</strong>ne Streitgegenstän<strong>de</strong> sind gegeben, wenn die wechselseitigen Klagebegehren<br />

möglicherweise bei<strong>de</strong> Erfolg haben können. U.U. können die Gegenstän<strong>de</strong> von Klage und<br />

Wi<strong>de</strong>rklage auch nur teilweise i<strong>de</strong>ntisch sein, z.B.:<br />

Der Kläger klagt auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 2.500,00 . Der Beklagte begehrt<br />

wi<strong>de</strong>rklagend die Feststellung, dass <strong>de</strong>r Kaufvertrag nichtig sei. Er behauptet,<br />

<strong>de</strong>r Kläger habe geäußert, bei Wirksamkeit <strong>de</strong>s Kaufvertrages stün<strong>de</strong>n ihm<br />

(einschließlich seiner Kaufpreisfor<strong>de</strong>rung) Ansprüche in Höhe von insgesamt<br />

4.000,00 zu.<br />

Zu <strong>de</strong>m Streitwert <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage (4.000,00 ) darf <strong>de</strong>r Streitwert <strong>de</strong>r Klage<br />

(2.500,00 ) nicht hinzugezählt wer<strong>de</strong>n, weil es sich (in Höhe von 2.500,00 ) um<br />

einen <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>sselben Streitgegenstands han<strong>de</strong>lt. Der Streitwert von Klage und Wi<strong>de</strong>rklage<br />

beträgt also 4.000,00 .


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Seite 50<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung über die Kosten eines Rechtsstreits mit Klage und Wi<strong>de</strong>rklage muss<br />

einheitlich erfolgen. Es ist also nicht zulässig zu tenorieren, das <strong>de</strong>r Kläger die Kosten <strong>de</strong>r<br />

Klage und <strong>de</strong>r Beklagte die Kosten <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage zu tragen habe.<br />

Keine Schwierigkeiten ergeben sich, wenn eine Partei sowohl hinsichtlich <strong>de</strong>r Klage als<br />

auch hinsichtlich <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage voll obsiegt. <strong>Die</strong> Kosten sind dann <strong>de</strong>r Gegenseite aufzuerlegen.<br />

Nicht ganz so einfach ist die Kostenentscheidung, wenn Klage und/o<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage nur<br />

teilweise Erfolg haben, so dass eine Kostenquote gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Fin<strong>de</strong>t - wie in <strong>de</strong>r Mehrzahl <strong>de</strong>r Fälle - gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG eine Addition <strong>de</strong>r<br />

Streitwerte statt, so ermittelt man die Unterliegensanteile für Klage und Wi<strong>de</strong>rklage getrennt<br />

und setzt die Gesamtbeträge ins Verhältnis zum Gesamtstreitwert.<br />

Son<strong>de</strong>rproblem: Drittwi<strong>de</strong>rklage<br />

Grundsätzlich muss die Wi<strong>de</strong>rklage zwischen <strong>de</strong>n bisherigen Parteien <strong>de</strong>r Klage erhoben<br />

wer<strong>de</strong>n. Inwiefern <strong>im</strong> Wege einer Wi<strong>de</strong>rklage dritte, bisher nicht am Rechtsstreit beteiligte<br />

Personen einbezogen wer<strong>de</strong>n dürfen, ist streitig (Überblick bei Uhlmannsiek, MDR 1996,<br />

114 ff.). Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung geht es nicht an, dass ein Dritter allein Wi<strong>de</strong>rklage erhebt<br />

o<strong>de</strong>r allein <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage verklagt wird. Zur Begründung wird darauf verwiesen,<br />

dass die Wi<strong>de</strong>rklage eine Privilegierung nur <strong>im</strong> Verhältnis zwischen <strong>de</strong>n bereits<br />

am Verfahren beteiligten Parteien darstelle und die Zulassung einer solchen Drittwi<strong>de</strong>rklage<br />

das Verfahren nicht ökonomischer gestalten, son<strong>de</strong>rn <strong>im</strong> Gegenteil unnötig verkomplizieren<br />

wür<strong>de</strong>. Zweifelhaft ist auch die Zulässigkeit einer durch einen Dritten und <strong>de</strong>n Beklagten<br />

erhobenen Wi<strong>de</strong>rklage (dafür OLG Schleswig, MDR 1992, 406; gegen eine Erhebung<br />

<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage durch einen Dritten generell BGH MDR 1992, 600). Dagegen soll die<br />

Erhebung einer Wi<strong>de</strong>rklage gegen <strong>de</strong>n Kläger und einen Dritten als Streitgenossen in Betracht<br />

kommen.<br />

Soweit es die Einbeziehung <strong>de</strong>s Dritten angeht, han<strong>de</strong>le es sich um einen Parteibeitritt,<br />

<strong>de</strong>r wie eine Klagän<strong>de</strong>rung gemäß § 263 ZPO behan<strong>de</strong>lt wird. Zusätzlich zu <strong>de</strong>n übrigen<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage ist also nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung zu prüfen, ob <strong>de</strong>r Dritte<br />

<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage zust<strong>im</strong>mt o<strong>de</strong>r ob seine Einbeziehung sachdienlich ist. Letzteres ist anzunehmen,<br />

wenn <strong>de</strong>r sachliche Streitstoff <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s anhängigen Prozesses ausgeräumt<br />

wer<strong>de</strong>n, namentlich das Ergebnis <strong>de</strong>r bisherigen Prozessführung verwertet wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Hinzutreten muss, dass <strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rbeklagte Kläger und <strong>de</strong>r neue Wi<strong>de</strong>rbeklagte<br />

Streitgenossen nach §§ 59, 60 ZPO sind (BGH NJW 1991, 2838; 1975, 1228, 1229; OLG<br />

Düsseldorf, MDR 1990, 728).<br />

Allerdings gilt die Regelung <strong>de</strong>s § 33 ZPO über <strong>de</strong>n Gerichtsstand <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rklage nicht für<br />

eine am Rechtsstreit bislang nicht beteiligte Person (BGH NJW 1993, 2120). Vielmehr<br />

greift in einem solchen Fall <strong>de</strong>r § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO ein, welcher eine Gerichtsstandsbest<strong>im</strong>mung<br />

durch das übergeordnete Gericht vorsieht (BGH NJW 1991, 2838; OLG<br />

Karlsruhe, JurBüro 1998, 311 f.).


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

9. Streitgenossenschaft<br />

Seite 51<br />

Sind an einem Rechtsstreit mehrere Kläger und/o<strong>de</strong>r mehrere Beklagte beteiligt, so spricht<br />

man von Streitgenossenschaft o<strong>de</strong>r von subjektiver Klagenhäufung. Über die Streitgenossenschaft<br />

fin<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>r ZPO nur vereinzelte Regelungen, nämlich in:<br />

• §§ 59 ff. ZPO (Zulässigkeit und Wirkungen)<br />

• § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO (örtliche Zuständigkeit bei Streitgenossen)<br />

• § 100 ZPO (Kosten)<br />

• § 449 ZPO (Parteivernehmung).<br />

Abgesehen von solchen vereinzelten Son<strong>de</strong>rregelungen läuft ein Rechtsstreit mit Beteiligung<br />

mehrerer Kläger und/o<strong>de</strong>r Beklagter aber nicht an<strong>de</strong>rs ab als ein Rechtsstreit mit<br />

Beteiligung nur eines Klägers und Beklagten. Wenn das Recht <strong>de</strong>r Streitgenossenschaft<br />

<strong>de</strong>nnoch mitunter kompliziert erscheint, dann vor allem <strong>de</strong>shalb, weil ein <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>r materiellen<br />

Rechtsverhältnisse, um <strong>de</strong>ren prozessuale Umsetzung es geht - wie z.B. das Gesellschaftsrecht<br />

- zu <strong>de</strong>n dogmatisch beson<strong>de</strong>rs umstrittenen gehört. <strong>Die</strong> Feinsinnigkeit <strong>de</strong>r<br />

materiellrechtlichen Dogmatikdiskussion setzt sich dann <strong>im</strong> Verfahrensrecht fort.<br />

Allerdings sind die meisten <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Literatur erarbeiteten begrifflichen Differenzierungen<br />

(z.B. aktive/passive Streitgenossenschaft; anfängliche/nachträgliche Streitgenossenschaft)<br />

nur von systematischem Interesse. Praktisch wichtig ist lediglich die Unterscheidung zwischen<br />

einfacher und notwendiger Streitgenossenschaft, die nachfolgend beschrieben wer<strong>de</strong>n<br />

soll.<br />

<strong>Die</strong> einfache Streitgenossenschaft ist die bloß organisatorische Verbindung mehrerer<br />

Prozessrechtsverhältnisse (d.h. <strong>de</strong>r Klagen eines Klägers gegen mehrere Beklagte, mehrerer<br />

Kläger gegen einen Beklagten o<strong>de</strong>r mehrerer Kläger gegen mehrere Beklagte) zu<br />

einem einheitlichen Verfahren zwecks gemeinsamer Verhandlung, gegebenenfalls gemeinsamer<br />

Beweisaufnahme und gemeinsamer - nicht notwendig einheitlicher - Entscheidung.<br />

<strong>Die</strong> Verbindung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Verfahren geschieht aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zweckmäßigkeit.<br />

Leitgedanke ist das Prinzip <strong>de</strong>r Verfahrensökonomie. Es soll nicht mehrfach geschehen,<br />

was auch einfach geschehen kann. <strong>Die</strong> Verbindung <strong>de</strong>r mehreren Prozessrechtsverhältnisse<br />

kann bis zum Schluss <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung je<strong>de</strong>rzeit erfolgen (§ 147<br />

ZPO) und je<strong>de</strong>rzeit wie<strong>de</strong>r aufgehoben wer<strong>de</strong>n (§ 145 ZPO).<br />

Das Gesetz unterschei<strong>de</strong>t drei Fallgruppen, in <strong>de</strong>nen eine Verbindung mehrerer Prozessrechtsverhältnisse<br />

(zumin<strong>de</strong>st) zweckmäßig erscheint, nämlich wenn<br />

• mehrere Personen hinsichtlich <strong>de</strong>s Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen (§<br />

59 Alt. 1 ZPO),<br />

• aus <strong>de</strong>mselben tatsächlichen und rechtlichen Grun<strong>de</strong> berechtigt o<strong>de</strong>r verpflichtet sind<br />

(§ 59 Alt. 2 ZPO) o<strong>de</strong>r<br />

• wenn gleichartige und auf einem <strong>im</strong> wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen<br />

Grund beruhen<strong>de</strong> Ansprüche o<strong>de</strong>r Verpflichtungen <strong>de</strong>n Gegenstand <strong>de</strong>s<br />

Rechtsstreits bil<strong>de</strong>n (§ 60 ZPO).<br />

<strong>Die</strong> genannten Voraussetzungen sind weit auszulegen und <strong>im</strong> Interesse <strong>de</strong>r Prozesswirtschaftlichkeit<br />

<strong>im</strong>mer dann zu bejahen, wenn keine Unübersichtlichkeit o<strong>de</strong>r Verwirrung <strong>de</strong>r<br />

Prozessführung droht. Eine genaue Zuordnung zu einer <strong>de</strong>r <strong>im</strong> Gesetz genannten Fall-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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gruppen ist unnötig. Beispiele einer einfachen Streitgenossenschaft sind:<br />

Seite 52<br />

• die Klage <strong>de</strong>s bei einem Verkehrsunfall Verletzten gegen Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer<br />

<strong>de</strong>s schädigen<strong>de</strong>n Fahrzeugs (BGHZ 63, 51 ff.; weitere Nachweise<br />

bei Liebscher, NZV 1994, 215 f.);<br />

• die Klage mehrerer geschädigter Kapitalanleger gegen einen Anlagebetrüger (vgl.<br />

Wun<strong>de</strong>rlich, DB 1993, 2269 ff.);<br />

• die Unterhaltsklage gegen mehrere, nicht als Gesamtschuldner, son<strong>de</strong>rn anteilig nach<br />

ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen haften<strong>de</strong> (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) Unterhaltsschuldner<br />

(BayObLG MDR 1999, 807 f.);<br />

• die Klage von Mutter und Kind gegen <strong>de</strong>n Klinikträger und sämtliche behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />

Ärzte wegen einer fehlerhaften Geburtsleitung.<br />

Eine notwendige Streitgenossenschaft liegt hingegen vor, wenn die Sachentscheidung<br />

für und/o<strong>de</strong>r gegen mehrere Parteien aus Rechtsgrün<strong>de</strong>n (nicht allein: aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

Logik o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Zweckmäßigkeit) zwingend einheitlich erfolgen muss.<br />

Aus <strong>de</strong>m materiellen Recht kann sich ergeben, dass ein Anspruch wirksam nur von mehreren<br />

Personen o<strong>de</strong>r gegen mehrere Personen gemeinschaftlich ausgeübt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Kommt es zum Rechtsstreit, so müssen alle diese Personen beteiligt sein. Durch das materielle<br />

Recht vorgeschrieben sind also eine gemeinschaftliche Prozessführung und eine<br />

einheitliche Sachentscheidung. Man spricht dann von einer aus materiell-rechtlichen<br />

Grün<strong>de</strong>n notwendigen Streitgenossenschaft (BGHZ 30, 195, 196 ff.).Wann eine solche<br />

Konstellation vorliegt, ist in vielen Fällen streitig. <strong>Die</strong> nachfolgen<strong>de</strong> Darstellung orientiert<br />

sich an <strong>de</strong>r höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach ist eine Streitgenossenschaft aus<br />

materiell-rechtlichen Grün<strong>de</strong>n notwendig:<br />

auf <strong>de</strong>r Klägerseite<br />

• wenn Mitberechtigte - insbeson<strong>de</strong>re Gesamthän<strong>de</strong>r - klagen, z.B. Mitglie<strong>de</strong>r eines nicht<br />

rechtsfähigen Vereins (§ 54 BGB), in Gütergemeinschaft leben<strong>de</strong> Ehegatten bei Gesamtverwaltung<br />

(§ 1450 Abs. 1 BGB);<br />

• es sei <strong>de</strong>nn, das Gesetz lässt ausdrücklich Einzelklagen <strong>de</strong>r Mitberechtigten (Antrag<br />

muss dann aber lauten: Leistung an alle!) zu, z.B. bei Miteigentümern (§ 1011 BGB),<br />

Miterben (§ 2039 BGB), Mitgläubigern einer unteilbaren Leistung i.S.d. § 432 BGB;<br />

• o<strong>de</strong>r die Rechtsprechung akzeptiert eine Einzelklage ausnahmsweise, z.B. bei <strong>de</strong>r actio<br />

pro socio (ein Gesellschafter macht einen Sozialanspruch <strong>de</strong>r Gesellschaft, z.B. auf<br />

Leistung <strong>de</strong>s vereinbarten Beitrags, gegen einen an<strong>de</strong>ren Gesellschafter geltend);<br />

auf <strong>de</strong>r Beklagtenseite<br />

• wenn Mitverpflichtete in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n, die nur gemeinsam leisten können,<br />

z.B. die auf eine unteilbare Leistung - etwa Auflassung und Eintragungsbewilligung<br />

bezüglich eines Grundstücks - verklagten Miteigentümer bzw. Miterben;<br />

• nicht aber Gesamtschuldner, die auch allein erfüllen können, § 422 Abs. 1 BGB;<br />

auf <strong>de</strong>r Kläger- o<strong>de</strong>r Beklagtenseite<br />

• bei personengesellschaftlichen Gestaltungsklagen, z.B. Auflösung einer Gesellschaft,<br />

§ 133 HGB; Ausschluss eines Mitgesellschafters, § 140 HGB; Entziehung <strong>de</strong>r Geschäftsführungs-<br />

und Vertretungsbefugnis, §§ 117, 127 HGB.<br />

Nach früher h. M., die insbeson<strong>de</strong>re von <strong>de</strong>r Rechtsprechung vertreten wur<strong>de</strong>, mussten


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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For<strong>de</strong>rungen und Verbindlichkeiten, die zum Gesellschaftsvermögen einer BGB-<br />

Gesellschaft gehörten, durch bzw. gegen die Gesellschafter eingeklagt wer<strong>de</strong>n. Zwischen<br />

<strong>de</strong>n Gesellschaftern wur<strong>de</strong> eine notwendige Streitgenossenschaft angenommen. Hiervon<br />

hat sich <strong>de</strong>r zuständige Senat <strong>de</strong>s BGH in einem als Sensation aufgefassten Grundsatzurteil<br />

vom 29. Januar 2001 (ZIP 2001, 330 ff.) abgekehrt. In <strong>de</strong>r Entscheidung ging es darum,<br />

dass eine bauwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft (ARGE) in <strong>de</strong>r Rechtsform einer<br />

Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Wechsel akzeptiert hatte, aus <strong>de</strong>m sie in Anspruch<br />

genommen wur<strong>de</strong>. Der BGH hat ausgeführt, dass die ARGE wechselfähig sei. Der BGH<br />

hat dort folgen<strong>de</strong>s entschie<strong>de</strong>n:<br />

• <strong>Die</strong> (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt Rechtsfähigkeit, soweit sie durch<br />

<strong>Teil</strong>nahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begrün<strong>de</strong>t.<br />

<strong>Die</strong>ser Ansatz entspricht <strong>de</strong>r neueren BGH-Rechtsprechung, wonach die Gesellschaft<br />

bürgerlichen Rechts als Gesamthandsgemeinschaft ihrer Gesellschafter <strong>im</strong> Rechtsverkehr<br />

grundsätzlich, das heißt, soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen, je<strong>de</strong><br />

Rechtsposition einnehmen kann. Anerkannt ist damit eine Dreiteilung zwischen natürlichen<br />

Personen, juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften, wie sie bereits<br />

in § 14 Abs. 1 BGB und in § 11 InsO (Insolvenzfähigkeit <strong>de</strong>r BGB-Gesellschaft!) ihren<br />

gesetzlichen Nie<strong>de</strong>rschlag gefun<strong>de</strong>n hat. Der BGH sieht in seiner Lösung ein praktikables<br />

und weitgehend wi<strong>de</strong>rspruchsfreies Mo<strong>de</strong>ll für die vom Gesetz (§§ 718 – 720 BGB) gewollte<br />

rechtliche Abson<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Gesellschaftsvermögens vom Privatvermögen <strong>de</strong>r Gesellschafter.<br />

<strong>Die</strong> Vorzüge <strong>de</strong>r nach außen bestehen<strong>de</strong>n Rechtssubjektivität <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

bürgerlichen Rechts besteht insbeson<strong>de</strong>re darin, dass ein Wechsel <strong>im</strong> Mitglie<strong>de</strong>rbestand<br />

keinen Einfluss auf <strong>de</strong>n Fortbestand <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Gesellschaft bestehen<strong>de</strong>n<br />

Rechtsverhältnisse hat und i<strong>de</strong>ntitätswahren<strong>de</strong> Umwandlungen von Gesellschaften bürgerlichen<br />

Rechts in an<strong>de</strong>re Rechtsformen und aus an<strong>de</strong>ren Rechtsformen besser zu erklären<br />

sind (z.B.: Umwandlung einer BGB-Gesellschaft zur OHG allein dadurch, dass das<br />

Unternehmen einen Umfang ann<strong>im</strong>mt, welcher einen in kaufmännischer Hinsicht eingerichteten<br />

Geschäftsbetrieb erfor<strong>de</strong>rt).<br />

• Soweit die BGB-Gesellschaft rechtsfähig ist, ist sie zugleich <strong>im</strong> Zivilprozess aktiv und<br />

passiv parteifähig (Konsequenz aus § 50 Abs. 1 ZPO).<br />

Praktischen Schwierigkeiten, welche sich bei <strong>de</strong>r bislang üblichen Konstruktion einer Klage<br />

durch o<strong>de</strong>r gegen die BGB-Gesellschafter in notwendiger Streitgenossenschaft ergaben,<br />

fallen damit weg. Insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>cken sich jetzt Prozessführungsbefugnis und gesetzliche<br />

Vertretungsbefugnis. Wenn die BGB-Gesellschaft selbst, vertreten durch ihren<br />

geschäftsführen<strong>de</strong>n Gesellschafter, klagt bzw. verklagt wird, sind von vornherein nur die<br />

Prozesshandlungen wirksam, welche in Übereinst<strong>im</strong>mung mit <strong>de</strong>n gesetzlichen Vertretungsregeln<br />

erfolgen.<br />

Dagegen gab es bei <strong>de</strong>r notwendigen Streitgenossenschaft keine Verpflichtung zur gemeinschaftlichen<br />

Vornahme von Prozesshandlungen. Vielmehr konnte je<strong>de</strong>r Streitgenosse,<br />

auch wenn es sich um einen nicht vertretungsbefugten Gesellschafter einer BGB-<br />

Gesellschaft han<strong>de</strong>lte, unabhängig von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Prozesshandlungen mit Wirkung für<br />

sein Prozessrechtsverhältnis vornehmen.<br />

Auch ist es nicht mehr nötig, die Namen und Anschriften aller (gegebenenfalls wechseln<strong>de</strong>n)<br />

Gesellschafter in das Rubrum aufzunehmen. Vielmehr genügt – soweit vorhan<strong>de</strong>n –<br />

die Bezeichnung, unter <strong>de</strong>r die BGB-Gesellschaft <strong>im</strong> Rechtsverkehr auftritt.<br />

In <strong>de</strong>r Regelung <strong>de</strong>s § 736 ZPO, wonach zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen<br />

einer BGB-Gesellschaft ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erfor-


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<strong>de</strong>rlich ist, wird kein Hin<strong>de</strong>rnis für die Anerkennung einer Parteifähigkeit <strong>de</strong>r BGB-<br />

Gesellschaft mehr gesehen. Dem BGH zufolge verlangt die Vorschrift we<strong>de</strong>r vom Wortlaut<br />

noch vom Zweck her ein Urteil gegen je<strong>de</strong>n einzelnen Gesellschafter. Ein gegen die Gesamtheit<br />

<strong>de</strong>r gesamthän<strong>de</strong>risch gebun<strong>de</strong>nen Gesellschafter als Partei ergangenes Urteil<br />

soll ein Urteil gegen alle Gesellschafter i.S.d. § 736 ZPO sein.<br />

• Soweit <strong>de</strong>r Gesellschafter für die Verbindlichkeiten <strong>de</strong>r Gesellschaft bürgerlichen<br />

Rechts persönlich haftet, entspricht das Verhältnis zwischen <strong>de</strong>r Verbindlichkeit <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft und <strong>de</strong>r Haftung <strong>de</strong>s Gesellschafters <strong>de</strong>rjenigen bei <strong>de</strong>r OHG (Akzessorietät).<br />

Der BGH empfiehlt, <strong>im</strong> Falle eines Passivprozesses neben <strong>de</strong>r BGB-Gesellschaft als solcher<br />

<strong>im</strong>mer auch die Gesellschafter persönlich zu verklagen (wie bei <strong>de</strong>r OHG). Denn:<br />

Falls sich herausstellt, dass es sich nicht um eine parteifähige Außengesellschaft han<strong>de</strong>lt,<br />

kann <strong>im</strong>mer noch die Klage gegen die Gesellschafter persönlich erfolgreich sein.<br />

<strong>Die</strong> höchstrichterliche Anerkennung <strong>de</strong>r Parteifähigkeit <strong>de</strong>r GbR führt zu keiner Än<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r bisherigen Rechtslage, soweit es um Streitigkeiten zwischen <strong>de</strong>n Gesellschaftern über<br />

die Auslegung <strong>de</strong>s Gesellschaftsvertrages, über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen<br />

o<strong>de</strong>r über das Bestehen von Mitgliedschaftsrechten geht. Sie bleiben Sache <strong>de</strong>r<br />

Gesellschafter, während die Gesellschaft selbst nur Objekt <strong>de</strong>s Rechtsstreits ist (Ulmer,<br />

a.a.O., 592 m. w. N.).<br />

Um eine notwendige Streitgenossenschaft han<strong>de</strong>lt es sich auch, wenn Einzelklagen <strong>de</strong>r<br />

bzw. gegen die Streitgenossen zwar zulässig wären, <strong>im</strong> Falle einer gemeinsamen Klage<br />

aber aus prozessualen Grün<strong>de</strong>n zwingend eine einheitliche Entscheidung zu erfolgen<br />

hat. <strong>Die</strong> Rechtsprechung fasst hierunter ausschließlich Fälle, in <strong>de</strong>nen das Gesetz eine<br />

Rechtskrafterstreckung vorschreibt. Wegen <strong>de</strong>s verfahrensrechtlichen Anknüpfungspunkts<br />

für die Einheitlichkeit <strong>de</strong>r Sachentscheidung spricht man hier von einer notwendigen<br />

Streitgenossenschaft aus prozessualen Grün<strong>de</strong>n (BGHZ 30, 195, 198 ff.). Beispiel:<br />

Gemäß § 327 Abs. 1 ZPO wirkt ein Urteil, das zwischen einem Testamentsvollstrecker<br />

und einem Dritten über ein <strong>de</strong>r Verwaltung <strong>de</strong>s Testamentsvollstreckers unterliegen<strong>de</strong>s<br />

Recht ergeht, für und gegen <strong>de</strong>n Erben. Der Dritte kann also zunächst allein <strong>de</strong>n Testamentsvollstrecker<br />

verklagen. Nach<strong>de</strong>m er ein obsiegen<strong>de</strong>s Urteil erstritten hat, kann er<br />

sich unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 728 ZPO eine Vollstreckungsklausel gegen <strong>de</strong>n<br />

Erben erteilen lassen. An<strong>de</strong>renfalls kann er <strong>de</strong>n Erben gerichtlich in Anspruch nehmen<br />

und sich auf die Rechtskrafterstreckung gemäß § 327 Abs. 1 ZPO berufen. Der Prozess<br />

gegen <strong>de</strong>n Erben ist dann genauso zu entschei<strong>de</strong>n wie <strong>de</strong>r Prozess gegen <strong>de</strong>n Testamentsvollstrecker.<br />

Der Dritte kann aber auch Testamentsvollstrecker und Erben gemeinsam in Anspruch<br />

nehmen. Dann liegt eine aus prozessualen Grün<strong>de</strong>n notwendige Streitgenossenschaft vor.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung <strong>im</strong> Verhältnis zu Testamentsvollstrecker und Erben kann nur einheitlich<br />

erfolgen.<br />

<strong>Die</strong> Rechtskrafterstreckung bei einem Nacheinan<strong>de</strong>r von Prozessen führt also zur<br />

prozessual notwendigen Streitgenossenschaft bei einem Miteinan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Prozesse.<br />

An<strong>de</strong>re Fälle <strong>de</strong>r Rechtskrafterstreckung sind:<br />

- § 640 h ZPO (mehrere an einem Kindschaftsverhältnis Beteiligte bei einer Statusklage<br />

<strong>im</strong> Kindschaftsprozess)<br />

- § 856 Abs. 4 ZPO (mehrere Pfändungsgläubiger bei Klage gegen Drittschuldner auf<br />

Hinterlegung)


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- §§ 146, 147 KO (mehrere bestreiten<strong>de</strong> Gläubiger bei Klage auf Feststellung einer<br />

For<strong>de</strong>rung zur Konkurstabelle) bzw. §§ 179, 180 und 183 InsO<br />

- §§ 1495, 1496 BGB (mehrere an einer fortgesetzten Gütergemeinschaft beteiligte<br />

Abkömmlinge bei Klage auf Aufhebung <strong>de</strong>r Gütergemeinschaft)<br />

- §§ 2342, 2344 BGB (mehrere gemäß § 2341 BGB Anfechtungsberechtigte bei Klage<br />

auf Erbunwürdigkeitserklärung eines Erben)<br />

- §§ 246, 248 Abs. 1 AktG (je<strong>de</strong>r Aktionär, je<strong>de</strong>s Vorstandsmitglied und je<strong>de</strong>s Aufsichtsratsmitglied<br />

bei Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss)<br />

- § 75 GmbHG (je<strong>de</strong>r Gesellschafter o<strong>de</strong>r Geschäftsführer bei Klage auf Erklärung<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft für nichtig).<br />

Keine notwendige Streitgenossenschaft aus prozessualen Grün<strong>de</strong>n wird <strong>im</strong> Verhältnis zwischen<br />

Hauptschuldner und Bürgen angenommen, obwohl <strong>de</strong>r BGH (NJW 1970, 279) entschie<strong>de</strong>n<br />

hat, dass es auch hier eine "Rechtskrafterstreckung" gibt, in<strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r Bürge<br />

gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB <strong>de</strong>m Gläubiger gegenüber darauf berufen kann, dass die<br />

For<strong>de</strong>rung gegen <strong>de</strong>n Hauptschuldner rechtskräftig abgewiesen wor<strong>de</strong>n ist (BGH NJW<br />

1969, 1480).<br />

In manchen Anleitungsbüchern (z.B. Oberhe<strong>im</strong>, Zivilprozessrecht für Referendare, 5. Aufl.<br />

2001, § 16 Rdn. 39 ff.) kann man lesen, dass bei <strong>de</strong>r Bearbeitung eines Falles mit Beteiligung<br />

mehrerer Kläger bzw. Beklagter zu prüfen sei, ob es sich um eine zulässige subjektive<br />

Klagehäufung han<strong>de</strong>le. <strong>Die</strong>se Empfehlung ist zumin<strong>de</strong>st missverständlich. Denn es<br />

bedarf keines geson<strong>de</strong>rten Prüfungspunkts "Zulässigkeit <strong>de</strong>r Streitgenossenschaft", <strong>de</strong>r in<br />

je<strong>de</strong>m Fall mit Beteiligung mehrerer Parteien vorab anzusprechen wäre. <strong>Die</strong> vielfach sogenannten<br />

"Zulässigkeitsvoraussetzungen" <strong>de</strong>r Streitgenossenschaft sind nämlich keine<br />

Sachurteilsvoraussetzungen. Selbst wenn sie nicht vorliegen sollten, wäre die Klage nicht<br />

automatisch als unzulässig abzuweisen. Vielmehr müssten die verschie<strong>de</strong>nen Prozessrechtsverhältnisse<br />

dann (auch ohne Antrag <strong>de</strong>r Parteien) gemäß § 145 ZPO getrennt, geson<strong>de</strong>rt<br />

verhan<strong>de</strong>lt und entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Wenn <strong>de</strong>r Rechtsstreit bereits umfassend<br />

entscheidungsreif ist (wie es bei einer Examensklausur meist <strong>de</strong>r Fall sein wird) macht es<br />

allerdings keinen Sinn mehr, über eine solche Abtrennung nachzu<strong>de</strong>nken. Vielmehr ist<br />

dann eine En<strong>de</strong>ntscheidung zu entwerfen!<br />

<strong>Die</strong> Frage, ob eine Streitgenossenschaft zulässig ist und ob es sich gegebenenfalls um<br />

eine einfache o<strong>de</strong>r eine notwendige Streitgenossenschaft han<strong>de</strong>lt, kann allerdings von<br />

Be<strong>de</strong>utung für das Vorliegen einzelner Sachurteilsvoraussetzungen, <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r materiellen<br />

Begrün<strong>de</strong>theitsprüfung und hinsichtlich <strong>de</strong>r Wirksamkeit best<strong>im</strong>mter Verfahrenshandlungen<br />

sein. Nur dann und nur dort ist auf die eingangs erörterten Abgrenzungen einzugehen.<br />

Erfor<strong>de</strong>rliche Prüfung <strong>im</strong> Urteil bei Streitgenossenschaft<br />

Gedanklich ist das Vorliegen <strong>de</strong>r Sachurteilsvoraussetzungen bezüglich je<strong>de</strong>s Streitgenossen<br />

geson<strong>de</strong>rt zu prüfen. <strong>Die</strong> Anfor<strong>de</strong>rungen an die Zulässigkeit einer Klage sind dieselben<br />

wie bei einem Rechtsstreit mit Beteiligung nur eines Klägers und/o<strong>de</strong>r Beklagten.<br />

Ebenso wie dort sind Ausführungen zur Zulässigkeit lediglich dann geboten, wenn die Parteien<br />

darüber streiten o<strong>de</strong>r wenn sich ernsthafte, insbeson<strong>de</strong>re durchgreifen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>nken<br />

ergeben.<br />

Der Grundsatz, dass die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage für je<strong>de</strong>s Prozessrechtsverhältnis<br />

geson<strong>de</strong>rt zu prüfen ist, gilt an sich auch für die örtliche Zuständigkeit. Da hierfür <strong>im</strong>


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allgemeinen <strong>de</strong>r Wohn- bzw. Geschäftssitz <strong>de</strong>s Beklagten maßgeblich ist (§§ 12 ff. ZPO)<br />

können sich Probleme ergeben, wenn mehrere Beklagte in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n<br />

sollen, die nicht am selben Ort wohnen o<strong>de</strong>r ihren Geschäftssitz haben und wenn auch ein<br />

gemeinsamer beson<strong>de</strong>rer Gerichtsstand (z.B. Gerichtsstand <strong>de</strong>r Erbschaft, §§ 27 f. ZPO,<br />

vgl. hierzu BayObLG FamRZ 1999, 1175 f.; Gerichtsstand <strong>de</strong>s Erfüllungsorts, § 29 ZPO;<br />

Gerichtsstand <strong>de</strong>r unerlaubten Handlung, § 32 ZPO) nicht besteht. Sind sich alle Parteien<br />

einig, so können diese Probleme durch die Vereinbarung eines einheitlichen<br />

Gerichtsstands (§ 38 ZPO) o<strong>de</strong>r durch eine rügelose Verhandlung vor einem an sich völlig<br />

o<strong>de</strong>r teilweise unzuständigen Gericht (§ 39 ZPO) gelöst wer<strong>de</strong>n. Mitunter kommt eine<br />

solche Einigung aber nicht zustan<strong>de</strong>, weil je<strong>de</strong>r Beklagter aus Prinzip o<strong>de</strong>r aus<br />

Bequemlichkeit darauf beharrt, vor seinem Gerichtsstand in Anspruch genommen zu<br />

wer<strong>de</strong>n. Um auch für solche Fälle die verfahrensökonomischen Vorteile einer einfachen<br />

Streitgenossenschaft zu erhalten und eine Rechtsverfolgung gegen notwendige<br />

Streitgenossen zu ermöglichen, gibt es die Regelung <strong>de</strong>s § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO. Danach<br />

wird das zuständige Gericht auf Antrag einer Partei durch das <strong>im</strong> Rechtszuge zunächst<br />

höhere Gericht best<strong>im</strong>mt, wenn mehrere Personen, die bei verschie<strong>de</strong>nen Gerichten ihren<br />

allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen <strong>im</strong> allgemeinen Gerichtsstand<br />

verklagt wer<strong>de</strong>n sollen und für <strong>de</strong>n Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand nicht<br />

begrün<strong>de</strong>t ist.<br />

Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht <strong>de</strong>r BGH, so wird das zuständige Gericht<br />

durch das Oberlan<strong>de</strong>sgericht best<strong>im</strong>mt, zu <strong>de</strong>ssen Bezirk das zuerst mit <strong>de</strong>r Sache<br />

befasste Gericht gehört, § 36 Ziff. 2 ZPO. Ist noch kein Gericht mit <strong>de</strong>r Sache befasst,<br />

son<strong>de</strong>rn eine Klage erst beabsichtigt, so soll <strong>de</strong>m Antragsteller ein Wahlrecht zukommen.<br />

Ein Antrag gemäß § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO kann aber auch noch nach Rechtshängigkeit<br />

und Rüge <strong>de</strong>r Zuständigkeit durch <strong>de</strong>n Beklagten gestellt wer<strong>de</strong>n. In diesem Zusammenhang<br />

kommt es darauf an, ob die Streitgenossenschaft zulässig ist. <strong>Die</strong> Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s<br />

zuständigen Gerichts erfolgt gegebenenfalls nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten.<br />

Hinsichtlich <strong>de</strong>r sachlichen Zuständigkeit hat <strong>de</strong>r BGH entschie<strong>de</strong>n, dass eine<br />

Zuständigkeitsbest<strong>im</strong>mung bei zulässiger Streitgenossenschaft in analoger Anwendung<br />

<strong>de</strong>s § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO erfolgen kann, falls für die zu verklagen<strong>de</strong>n Streitgenossen<br />

verschie<strong>de</strong>ne sachliche Zuständigkeiten begrün<strong>de</strong>t sind und eine gemeinsame Klage<br />

zweckmäßig erscheint (BGH NJW 1984, 1624 ff.). Zwar kann hierdurch eine Partei<br />

gezwungen wer<strong>de</strong>n, einen Rechtsstreit <strong>im</strong> Anwaltsprozess zu führen, obwohl für sie<br />

eigentlich die sachliche Zuständigkeit <strong>de</strong>s Amtsgerichts vorgesehen ist. Auch bei <strong>de</strong>r vom<br />

Gesetz vorgesehenen Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>r örtlichen Zuständigkeit schließt aber die Tatsache<br />

<strong>de</strong>r Entstehung von Mehrkosten die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO nicht aus.<br />

Den Interessen <strong>de</strong>r betroffenen Partei wird - bei <strong>de</strong>r Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>r örtlichen wie <strong>de</strong>r<br />

sachlichen Zuständigkeit - dadurch genügt, dass <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Prüfung eines Antrags<br />

nach § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO auch <strong>de</strong>m Kostengesichtspunkt angemessen Rechnung zu<br />

tragen ist.<br />

Dasselbe gilt übrigens auch für <strong>de</strong>n Fall, dass für die zu verklagen<strong>de</strong>n Streitgenossen eine<br />

unterschiedliche funktionelle Zuständigkeit (allgemeine Zivilkammer/Kammer für<br />

Han<strong>de</strong>lssachen) begrün<strong>de</strong>t ist (OLG Frankfurt, NJW 1992, 2900), nicht aber - wegen <strong>de</strong>r<br />

erheblich abweichen<strong>de</strong>n Verfahrensgestaltungen - für die Eröffnung verschie<strong>de</strong>ner<br />

Rechtswege (BGH NJW 1994, 2032).


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Wenn sich nach geson<strong>de</strong>rter Prüfung die Klage eines einzelnen Streitgenossen - aus welchen<br />

Grün<strong>de</strong>n auch <strong>im</strong>mer - als unzulässig erweist, so kommt es auf die Unterscheidung<br />

zwischen einfacher und notwendiger Streitgenossenschaft an.<br />

Bei <strong>de</strong>r einfachen Streitgenossenschaft wird dann die Klage nur hinsichtlich <strong>de</strong>s von Zulässigkeitsbe<strong>de</strong>nken<br />

betroffenen Streitgenossen abgewiesen. <strong>Die</strong>se Entscheidung berührt<br />

die übrigen Streitgenossen nicht, <strong>de</strong>nn die einfachen Streitgenossen sind <strong>im</strong> Prozess zwar<br />

faktisch verbun<strong>de</strong>n, rechtlich aber unabhängig. Wenn die Klage hinsichtlich <strong>de</strong>r übrigen<br />

Streitgenossen noch nicht entscheidungsreif ist, so ergeht das Prozessurteil als <strong>Teil</strong>urteil<br />

vorab. An<strong>de</strong>renfalls ist über <strong>de</strong>n gesamten Rechtsstreit durch Urteil zu entschei<strong>de</strong>n, welches<br />

zum <strong>Teil</strong> auf <strong>de</strong>r Unzulässigkeit <strong>de</strong>r Klage, zum <strong>Teil</strong> auf materiell-rechtlichen Erwägungen<br />

beruht.<br />

Dasselbe gilt bei <strong>de</strong>r aus prozessualen Grün<strong>de</strong>n notwendigen Streitgenossenschaft. Hier<br />

bleiben die restlichen Klagen auch nach Wegfall <strong>de</strong>r unzulässigen Klage statthaft, da von<br />

Anfang an auch Einzelklagen hätten erhoben wer<strong>de</strong>n können. Dem steht die Notwendigkeit<br />

einer einheitlichen Sachentscheidung nicht entgegen, da das Prozessurteil kein Sachurteil<br />

darstellt. Bei <strong>de</strong>r aus materiellrechtlichen Grün<strong>de</strong>n notwendigen Streitgenossenschaft<br />

kommt in einem solchen Fall eine nur teilweise Klagabweisung als unzulässig <strong>de</strong>finitionsgemäß<br />

nicht in Betracht. Vielmehr ist die Klage auch hinsichtlich <strong>de</strong>r übrigen Streitgenossen<br />

abzuweisen.<br />

Fraglich ist nur, ob es sich dabei um ein Prozessurteil o<strong>de</strong>r um ein Sachurteil han<strong>de</strong>lt.<br />

Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung fehlt es in einem solchen Fall stets an <strong>de</strong>r Prozessführungsbefugnis,<br />

also an <strong>de</strong>r Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage, gleichgültig ob die notwendigen Streitgenossen<br />

auf <strong>de</strong>r Aktivseite (vgl. etwa OLG Celle NJW-RR 1994, 854; OLG Rostock, NJW-RR 1995,<br />

381) o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Passivseite stehen (vgl. etwa BGHZ 36, 187 ff.). Ebenso ist zu entschei<strong>de</strong>n,<br />

wenn bei einer aus materiellrechtlichen Grün<strong>de</strong>n notwendigen Streitgenossenschaft<br />

von vornherein nicht alle Streitgenossen klagen bzw. verklagt wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> von <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />

vertretene Lösung (Erlass eines Prozessurteils) hat <strong>de</strong>n Vorteil, dass eine erneute<br />

Klage unter Einbeziehung aller notwendigen Streitgenossen nicht ausgeschlossen<br />

ist. Streitlustige notwendige Streitgenossen auf <strong>de</strong>r Aktivseite haben also weiterhin die<br />

Möglichkeit, <strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die übrigen Streitgenossen (notfalls gerichtlich) zum Mitmachen zu<br />

bewegen; notwendige Streitgenossen auf <strong>de</strong>r Passivseite können erneut und nunmehr<br />

sämtlich verklagt wer<strong>de</strong>n.<br />

Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Klage bei Streitgenossenschaft<br />

Entsprechend <strong>de</strong>m maßgeblichen Differenzierungskriterium zwischen <strong>de</strong>r notwendigen<br />

und <strong>de</strong>r einfachen Streitgenossenschaft kommt bei ersterer nur eine einheitliche Entscheidung<br />

in <strong>de</strong>r Sache in Betracht. Naturgemäß darf daher <strong>im</strong> Verhältnis zu <strong>de</strong>n notwendigen<br />

Streitgenossen auch nur eine einheitliche Beantwortung von Rechtsfragen bzw. eine einheitliche<br />

Beweiswürdigung erfolgen. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt bei <strong>de</strong>r einfachen Streitgenossenschaft,<br />

wenn über die verbun<strong>de</strong>nen Prozessrechtsverhältnisse gemeinsam entschie<strong>de</strong>n<br />

wird. Zwar sind hier theoretisch unterschiedliche Ergebnisse nicht ausgeschlossen,<br />

das Gericht kann jedoch logischerweise nicht gleichzeitig mehrere unterschiedliche Überzeugungen<br />

von <strong>de</strong>rselben Rechts- o<strong>de</strong>r Beweisfrage haben.<br />

Grundsätzlich kann je<strong>de</strong>r Streitgenosse allein wirksam alle Angriffs- und Verteidigungsmittel<br />

vorbringen, also Behauptungen aufstellen, Behauptungen <strong>de</strong>s Gegners bestreiten o<strong>de</strong>r<br />

Beweise antreten. <strong>Die</strong>s gilt sowohl hinsichtlich <strong>de</strong>r einfachen als auch hinsichtlich <strong>de</strong>r notwendigen<br />

Streitgenossenschaft. Das Vorbringen <strong>de</strong>s einen Streitgenossen wird nicht kraft<br />

Prozessrechts <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Streitgenossen zugerechnet. <strong>Die</strong>s folgt aus <strong>de</strong>r in § 61 ZPO<br />

enthaltenen Regelung, wonach die Handlungen <strong>de</strong>s einen Streitgenossen <strong>im</strong> Zweifel <strong>de</strong>m


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an<strong>de</strong>ren we<strong>de</strong>r zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen. Tatsächlich ist ein abweichen<strong>de</strong>r<br />

Tatsachenvortrag bei Streitgenossen auf <strong>de</strong>r Aktivseite allerdings eher selten, weil sich die<br />

Kläger i.d.R. miteinan<strong>de</strong>r verabre<strong>de</strong>t haben und häufig von nur einem Prozessbevollmächtigten<br />

vertreten wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r dann einer einheitlichen Argumentationslinie folgt.<br />

Dagegen ist es bei einer Mehrheit von Streitgenossen auf <strong>de</strong>r Passivseite keineswegs sicher,<br />

dass sie sich übereinst<strong>im</strong>mend verhalten. Im Haftpflichtprozess ist die Haftpflichtversicherung<br />

aufgrund <strong>de</strong>r Versicherungsbedingungen allerdings berechtigt, einem Anwalt<br />

ihrer Wahl nicht nur <strong>im</strong> eigenen, son<strong>de</strong>rn auch <strong>im</strong> Namen und in Vollmacht <strong>de</strong>s Versicherungsnehmers<br />

Prozessvollmacht zu erteilen, um auf diese Weise eine übereinst<strong>im</strong>men<strong>de</strong><br />

Verteidigung zu gewährleisten.<br />

In bei<strong>de</strong>n Fällen gilt ferner die tatsächliche Vermutung, dass sich <strong>de</strong>r eine Streitgenosse<br />

die Angriffs- und Verteidigungsmittel <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Streitgenossen zu eigen machen will,<br />

wenn sie auch ihn angehen und er keine abweichen<strong>de</strong>n Erklärungen abgibt. Im (gegebenenfalls<br />

gemäß § 139 ZPO aufzuklären<strong>de</strong>n) Zweifel ist daher von einem einheitlichen Vorbringen<br />

<strong>de</strong>r Streitgenossen auszugehen. Im übrigen können materiell-rechtliche Grün<strong>de</strong><br />

dazu führen, dass sich das Vorbringen <strong>de</strong>s einen Streitgenossen auch auf die an<strong>de</strong>ren<br />

Prozessrechtsverhältnisse auswirkt. <strong>Die</strong>s ist bei <strong>de</strong>r notwendigen Streitgenossenschaft per<br />

<strong>de</strong>finitionem <strong>de</strong>r Fall, weil die Sachentscheidung hier nur einheitlich ergehen darf. Bei <strong>de</strong>r<br />

einfachen Streitgenossenschaft sind unterschiedliche Prozessergebnisse zwar nicht ausgeschlossen.<br />

Auch hier kann jedoch das Angriffs- und Verteidigungsvorbringen <strong>de</strong>s einen<br />

Streitgenossen materiell-rechtliche Konsequenzen für die Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Klage in Bezug<br />

auf <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Streitgenossen haben wie z.B. bei <strong>de</strong>r Klage gegen Gesamtschuldner,<br />

weil hier die Leistung <strong>de</strong>s einen Streitgenossen auch die an<strong>de</strong>ren Streitgenossen befreit<br />

(§ 422 Abs. 1 BGB).<br />

Beson<strong>de</strong>rheiten gelten für das gerichtliche Geständnis (§ 288 ZPO). Weil ein Geständnis<br />

die Gefahr abweichen<strong>de</strong>r Sachentscheidungen begrün<strong>de</strong>t, ist es bei <strong>de</strong>r notwendigen<br />

Streitgenossenschaft nur wirksam, wenn es von allen Streitgenossen abgegeben wird. Ein<br />

unwirksames, weil nicht von allen notwendigen Streitgenossen abgegebenes Geständnis<br />

kann nur als einfaches Indiz bei <strong>de</strong>r richterlichen Beweiswürdigung berücksichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei <strong>de</strong>r einfachen Streitgenossenschaft kann dagegen ein einzelner Streitgenosse wirksam<br />

gestehen mit <strong>de</strong>r Folge, dass nur über die entscheidungserheblichen Behauptungen<br />

<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Streitgenossen noch Beweis zu erheben ist. Bei <strong>de</strong>r Würdigung dieses Beweisergebnisses<br />

darf ebenfalls berücksichtigt wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Streitgenosse die<br />

betreffen<strong>de</strong> Tatsache zugestan<strong>de</strong>n hat. Dennoch besteht bei einer solchen Konstellation<br />

die Gefahr abweichen<strong>de</strong>r Ergebnisse. Beispiel:<br />

Gesteht <strong>de</strong>r Darlehensnehmer die Darlehensgewährung förmlich zu (§ 288 ZPO), während<br />

<strong>de</strong>r als Streitgenosse ebenfalls in Anspruch genommene Bürge sie bestreitet, so steht<br />

diese Tatsache <strong>im</strong> ersten Prozessrechtsverhältnis für die Beteiligten fest, während <strong>im</strong><br />

zweiten Prozessrechtsverhältnis über sie Beweis erhoben wer<strong>de</strong>n muss. Ergibt nun die<br />

Beweisaufnahme, dass das Darlehen nicht gewährt wur<strong>de</strong>, so kann nicht in einem Urteil<br />

sowohl die Gewährung als auch die Nichtgewährung eines Darlehens als feststehend<br />

zugrun<strong>de</strong> gelegt wer<strong>de</strong>n. In diesem Fall geht die aus <strong>de</strong>m Ergebnis <strong>de</strong>r Beweisaufnahme<br />

folgen<strong>de</strong> materielle Wahrheit <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r gesetzlichen Fiktion <strong>de</strong>s Geständnisses<br />

folgen<strong>de</strong>n formellen Wahrheit vor. <strong>Die</strong> Klage ist also in bei<strong>de</strong>n Prozessrechtsverhältnissen<br />

abzuweisen (vgl. BGH NJW-RR 1992, 253 f.; a.A. wohl Thomas/Putzo, a.a.O., § 61 Rdn.<br />

12).<br />

Verfahrensablauf bei Streitgenossenschaft<br />

Sowohl bei <strong>de</strong>r einfachen als auch bei <strong>de</strong>r notwendigen Streitgenossenschaft erfolgen alle


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Seite 59<br />

<strong>de</strong>n technischen Ablauf <strong>de</strong>s Verfahrens betreffen<strong>de</strong>n Prozesshandlungen gemeinsam. Es<br />

wird nur ein Termin anberaumt; sämtliche Streitgenossen bzw. <strong>de</strong>ren Vertreter sind hierzu<br />

zu la<strong>de</strong>n (§ 63 ZPO); rechtliches Gehör ist zu allen Tatsachen zu gewähren, nicht nur zu<br />

<strong>de</strong>n das eigene Prozessrechtsverhältnis betreffen<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> Prozesshandlungen <strong>de</strong>r Streitgenossen sind grundsätzlich geson<strong>de</strong>rt zu beurteilen (§<br />

61 ZPO), wenn sich aus <strong>de</strong>m Prozessrecht (§ 62 ZPO) o<strong>de</strong>r aus ihrer materiell-rechtlichen<br />

Verbun<strong>de</strong>nheit nichts an<strong>de</strong>res ergibt. Auf die Unterscheidung von einfacher und notwendiger<br />

Streitgenossenschaft kommt es für <strong>de</strong>n Prozessbetrieb an, wenn trotz ordnungsgemäßer<br />

Ladung einer <strong>de</strong>r Streitgenossen <strong>im</strong> Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint<br />

o<strong>de</strong>r vertreten ist.<br />

Bei <strong>de</strong>r einfachen Streitgenossenschaft ergeht dann auf Antrag <strong>de</strong>s Gegners ein Versäumnisurteil<br />

gegen <strong>de</strong>n Säumigen, während mit <strong>de</strong>m erschienen bzw. vertretenen Streitgenossen<br />

streitig verhan<strong>de</strong>lt wird. Bei <strong>de</strong>m Versäumnisurteil han<strong>de</strong>lt es sich um ein <strong>Teil</strong>urteil,<br />

weil nur über einen <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>r durch die subjektive Klagehäufung verbun<strong>de</strong>nen Prozessrechtsverhältnisse<br />

entschie<strong>de</strong>n wird. Es ist also mit <strong>de</strong>m Wort "<strong>Teil</strong>-Versäumnisurteil" zu<br />

überschreiben.<br />

Bei <strong>de</strong>r notwendigen Streitgenossenschaft kommt ein Versäumnisurteil gegen einen <strong>de</strong>r<br />

Streitgenossen nicht in Betracht, weil sonst eine einheitliche Entscheidung nicht gewährleistet<br />

wäre. Deshalb sieht § 62 ZPO vor, dass die säumigen Streitgenossen durch die<br />

nicht säumigen als vertreten anzusehen sind. Streitig ist, ob <strong>de</strong>r nicht säumige Streitgenosse<br />

für <strong>de</strong>n säumigen Streitgenossen anerkennen o<strong>de</strong>r verzichten darf (dafür: Mü-<br />

Ko/Schilken, a.a.O., § 62 Rdn. 43; dagegen: Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl. 1993, § 62<br />

Rdn. 27).<br />

Der einfache Streitgenosse darf gemäß § 61 ZPO über seinen Streitgegenstand wirksam<br />

verfügen, ohne dass er hierzu <strong>de</strong>r Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Streitgenossen bedürfte. Er<br />

darf also die Klage zurücknehmen, seine Zust<strong>im</strong>mung zur Klagrücknahme <strong>de</strong>s Gegners<br />

erteilen, ein Anerkenntnis o<strong>de</strong>r einen Verzicht aussprechen, <strong>de</strong>n Rechtsstreit für erledigt<br />

erklären o<strong>de</strong>r sich nach Belieben vergleichen. Das Verfahren <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Streitgenossen<br />

bleibt von solchen Verfügungen unberührt.<br />

Bei <strong>de</strong>r notwendigen Streitgenossenschaft ist wegen <strong>de</strong>r gebotenen Einheitlichkeit <strong>de</strong>r<br />

Sachentscheidung ein Anerkenntnis o<strong>de</strong>r ein Verzicht nur bei gemeinsamer Erklärung aller<br />

Streitgenossen wirksam. Ebenso wie das Geständnis eines einzelnen Streitgenossen<br />

können <strong>de</strong>ssen Anerkenntnis o<strong>de</strong>r Verzicht aber bei <strong>de</strong>r Beweiswürdigung Berücksichtigung<br />

fin<strong>de</strong>n.<br />

Wegen seiner fehlen<strong>de</strong>n materiell-rechtlichen Verfügungsbefugnis kann sich ein einzelner<br />

notwendiger Streitgenosse i.d.R. auch nicht wirksam vergleichen. Hinsichtlich <strong>de</strong>r Wirksamkeit<br />

einer Klagrücknahme o<strong>de</strong>r einer Erledigungserklärung ist zu differenzieren:<br />

Prozessual notwendige Streitgenossen können solche Erklärungen unbe<strong>de</strong>nklich allein<br />

abgeben. Denn <strong>de</strong>r verbliebene Streitgenosse hätte auch von Anfang allein klagen o<strong>de</strong>r<br />

verklagt wer<strong>de</strong>n dürfen. Es spricht daher nichts dagegen, dass die an<strong>de</strong>ren Streitgenossen<br />

die Rechtshängigkeit ihrer Klage been<strong>de</strong>n und einer <strong>de</strong>n Prozess allein weiterführt.<br />

Bei <strong>de</strong>r aus materiell-rechtlichen Grün<strong>de</strong>n notwendigen Streitgenossenschaft ist die Wirksamkeit<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Erklärungen streitig. Nach einer Meinung darf ein prozessmü<strong>de</strong>r<br />

Streitgenosse aus <strong>de</strong>m Rechtsstreit ausschei<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Klage <strong>de</strong>s verbleiben<strong>de</strong>n wird dann<br />

aber mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig (so etwa OLG Rostock, NJW-RR<br />

1995, 381 f.). Er hat nur noch die Möglichkeit, <strong>de</strong>n prozessmü<strong>de</strong>n Streitgenossen in einem<br />

neuen Rechtsstreit auf Mitwirkung o<strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsersatz zu verklagen.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Seite 60<br />

Wegen dieses für <strong>de</strong>n verbleiben<strong>de</strong>n Streitgenossen misslichen Ergebnisses lehnt eine<br />

an<strong>de</strong>re Meinung ein Ausschei<strong>de</strong>n einzelner Streitgenossen durch Klagrücknahme o<strong>de</strong>r<br />

Erledigungserklärung von vornherein ab (so etwa RGZ 78, 104; Zöller/Vollkommer, a.a.O.,<br />

§ 62 Rdn. 25).<br />

Notwendige Streitgenossen können <strong>im</strong>mer nur als Partei, nie als Zeuge vernommen wer<strong>de</strong>n,<br />

da alle <strong>im</strong> Prozess behan<strong>de</strong>lten Fragen für die einheitliche Sachentscheidung<br />

zugrun<strong>de</strong> gelegt wer<strong>de</strong>n und damit für alle Prozessverhältnisse von Be<strong>de</strong>utung sind.<br />

Einfache Streitgenossen sind nach Ansicht <strong>de</strong>s BGH (BGH MDR 1984, 47) und <strong>de</strong>r <strong>im</strong><br />

Schrifttum herrschen<strong>de</strong>n Meinung nur hinsichtlich solcher Tatsachen Partei, die (auch) ihr<br />

eigenes Prozessrechtsverhältnis betreffen. Ein Streitgenosse kann daher Zeuge sein, soweit<br />

es sich um Tatsachen han<strong>de</strong>lt, die nur <strong>im</strong> Prozessrechtsverhältnis <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren<br />

Streitgenossen eine Rolle spielen.<br />

Ein beliebter anwaltlicher Trick ist es, als Zeugen in Betracht kommen<strong>de</strong> Personen mit<br />

mehr o<strong>de</strong>r weniger hergeholter Begründung mitzuverklagen, um sie als Beweismittel auszuschalten.<br />

Man kann versuchen, <strong>de</strong>rartigen Bestrebungen dadurch entgegenzusteuern,<br />

dass die Klage in Bezug auf solche Streitgenossen vorab durch <strong>Teil</strong>urteil abgewiesen wird.<br />

Als Zeugen stehen sie aber erst dann wie<strong>de</strong>r zur Verfügung, wenn das <strong>Teil</strong>urteil rechtskräftig<br />

gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

Es stellt sich die Frage, ob es angängig ist, das Verfahren gegen <strong>de</strong>n verbliebenen Streitgenossen<br />

entsprechend § 148 ZPO bis zur Rechtskraft eines <strong>de</strong>rartigen <strong>Teil</strong>urteils auszusetzen,<br />

um dann die Beweisaufnahme durchführen zu können. Das OLG Köln hat diese<br />

Frage verneint. Auch <strong>de</strong>r Gesichtspunkt <strong>de</strong>r prozessualen Waffengleichheit rechtfertige<br />

eine Aussetzung nicht, selbst wenn <strong>de</strong>r Kläger seine Parteistellung durch eine Zession<br />

erlangt habe und ihm <strong>de</strong>r Ze<strong>de</strong>nt als Zeuge zur Verfügung stehe (ein ebenfalls beliebter<br />

anwaltlicher Trick mit umgekehrter Zielrichtung; OLG Köln, NJW-RR 1999, 140 f.).<br />

Bei <strong>de</strong>r notwendigen Streitgenossenschaft ist ein <strong>Teil</strong>urteil gegen einen einzelnen Streitgenossen<br />

wegen <strong>de</strong>r zwingend einheitlichen Entscheidung von vornherein nicht zulässig.<br />

Ergeht aber <strong>de</strong>nnoch ein <strong>Teil</strong>urteil, so führt dies nicht zur Nichtigkeit, son<strong>de</strong>rn nur zur Anfechtbarkeit<br />

<strong>de</strong>r Entscheidung. Soweit eine solche Anfechtung unterbleibt, erwächst das<br />

unzulässige <strong>Teil</strong>urteil in Rechtskraft, allerdings nur gegenüber <strong>de</strong>njenigen Streitgenossen,<br />

gegen die es ergangen ist.<br />

<strong>Die</strong> Be<strong>de</strong>nken gegen <strong>de</strong>n Erlass eines <strong>Teil</strong>urteils gelten nicht bei <strong>de</strong>r einfachen Streitgenossenschaft.<br />

Allerdings muss auch hier beachtet wer<strong>de</strong>n, dass ein <strong>Teil</strong>urteil nach allgemeinen<br />

Grundsätzen nur dann zulässig ist, wenn die Gefahr eines Wi<strong>de</strong>rspruchs zwischen<br />

diesem <strong>Teil</strong>urteil und einem späteren Schlussurteil ausgeschlossen ist. Ist also etwa eine<br />

Klage gegen einen Arzt und eine Hebamme wegen Falschbehandlung <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit einer Geburt gerichtet, so kann ein <strong>Teil</strong>urteil (z.B. Abweisung <strong>de</strong>r Klage gegen die Hebamme)<br />

unzulässig sein, wenn eine noch durchzuführen<strong>de</strong> Beweisaufnahme in Bezug auf<br />

<strong>de</strong>n Arzt wegen <strong>de</strong>r sich teilweise überschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Pflichtenkreise von Arzt und Hebamme<br />

die Richtigkeit <strong>de</strong>r bereits getroffenen Entscheidung in Frage stellen könnte. Dabei<br />

ist zu be<strong>de</strong>nken, dass <strong>Teil</strong>- und Schlussurteil angefochten wer<strong>de</strong>n können und die nächste<br />

Instanz die Rechts- und/o<strong>de</strong>r Beweislage möglicherweise abweichend beurteilt.<br />

Im Falle eines <strong>Teil</strong>urteils ergibt sich bei <strong>de</strong>r Kostenentscheidung das Problem, dass zu<br />

diesem Zeitpunkt noch nicht feststeht, wie <strong>de</strong>r Rechtsstreit hinsichtlich <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Streitgenossen<br />

en<strong>de</strong>n wird. Eine einheitliche Kostenentscheidung, gegebenenfalls unter Anwendung<br />

<strong>de</strong>r Baumbach'schen Kostenformel, kann also noch nicht ergehen. Sicher ist<br />

aber schon, dass die durch <strong>Teil</strong>urteil unterliegen<strong>de</strong> Partei die eigenen außergerichtlichen


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Auslagen tragen muss.<br />

Seite 61<br />

<strong>Die</strong> Kostenentscheidung lautet daher: "Der ... trägt seine eigenen außergerichtlichen Kosten<br />

selbst ....; <strong>im</strong> übrigen bleibt die Kostenentscheidung <strong>de</strong>m Schlussurteil vorbehalten."<br />

Sowohl bei <strong>de</strong>r einfachen als auch bei <strong>de</strong>r notwendigen Streitgenossenschaft können<br />

Rechtsmittel von je<strong>de</strong>m Streitgenossen geson<strong>de</strong>rt eingelegt wer<strong>de</strong>n. Für <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>r Beschwer,<br />

<strong>de</strong>r u.a. für das Erreichen <strong>de</strong>r Berufungssumme von Be<strong>de</strong>utung ist, wird unter <strong>de</strong>n<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 5 ZPO das Interesse aller Rechtsmittelführer zusammengerechnet.<br />

Ein Unterschied besteht aber bezüglich <strong>de</strong>r Wirkungen eines nur von einem Streitgenossen<br />

erhobenen Rechtsmittels. Bei <strong>de</strong>r einfachen Streitgenossenschaft wird die angefochtene<br />

Entscheidung hinsichtlich <strong>de</strong>r übrigen Streitgenossen rechtskräftig. Lediglich die<br />

Kostenentscheidung kann auch zu ihren Lasten abgeän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n (BGH MDR 1981,<br />

928). Bei <strong>de</strong>r notwendigen Streitgenossenschaft hin<strong>de</strong>rt die Einlegung eines einzigen<br />

Rechtsmittels <strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>r Rechtskraft für alle Streitgenossen. Sie sind dann in <strong>de</strong>r 2.<br />

Instanz Partei, aber nicht Rechtsmittelführer (arg. § 62 Abs. 2 ZPO; zu <strong>de</strong>n praktischen<br />

Konsequenzen vgl. MüKo/Schilken, a.a.O., Rdn. 52).<br />

<strong>Die</strong> Darstellung <strong>de</strong>r Streitgenossenschaft <strong>im</strong> Urteil<br />

Im Rubrum sind sämtliche Streitgenossen aufzuführen, für die die Entscheidung relevant<br />

ist. Sie wer<strong>de</strong>n fortlaufend nummeriert (Kläger zu 1., Kläger zu 2, ...) und nachfolgend nur<br />

noch mit ihrer Ordnungsziffer bezeichnet. Streitgenossen, die schon früher, z.B. durch ein<br />

<strong>Teil</strong>urteil, aus <strong>de</strong>m Rechtsstreit ausgeschie<strong>de</strong>n sind, sind nur dann <strong>im</strong> Rubrum zu erwähnen,<br />

wenn die Kostenentscheidung sie noch betrifft.<br />

Auch bei Beteiligung mehrerer Kläger bzw. Beklagter muss (wegen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>gressiven Kostentabelle)<br />

eine einheitliche Kostenentscheidung ergehen. Folgen<strong>de</strong> Grundkonstellationen<br />

sind zu unterschei<strong>de</strong>n:<br />

Zwei Kläger erheben Klage gegen<br />

einen Beklagten. <strong>Die</strong> Klage<br />

wird in vollem Umfang abgewiesen.<br />

Ein Kläger erhebt Klage gegen<br />

zwei Beklagte. <strong>Die</strong> Beklagten<br />

wer<strong>de</strong>n in vollem Umfang verurteilt.<br />

Ein Kläger erhebt Klage gegen<br />

zwei Beklagte. <strong>Die</strong> Beklagten<br />

wer<strong>de</strong>n als Gesamtschuldner in<br />

vollem Umfang verurteilt.<br />

Ein Kläger erhebt Klage gegen<br />

zwei Beklagte. Der Beklagte zu 1.<br />

veranlasst eine Beweisaufnahme.<br />

<strong>Die</strong> Beklagten wer<strong>de</strong>n als Gesamtschuldner<br />

in vollem Umfang<br />

verurteilt.<br />

Ein Kläger erhebt Klage gegen<br />

zwei Beklagte. Der Beklagte zu 1.<br />

wird in vollem Umfang verurteilt.<br />

Gegen <strong>de</strong>n Beklagten zu 2. wird<br />

<strong>Die</strong> Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits tragen<br />

die Kläger zu je ½ (§ 100<br />

Abs. 1 ZPO).<br />

<strong>Die</strong> Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits tragen<br />

die Beklagten zu je ½ (§ 100<br />

Abs. 1 ZPO).<br />

<strong>Die</strong> Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits tragen<br />

die Beklagten als Gesamtschuldner<br />

(§ 100 Abs. 4 ZPO).<br />

Der Beklagte zu 1. trägt die Kosten<br />

<strong>de</strong>r Beweisaufnahme. Im übrigen<br />

tragen die Beklagten die<br />

Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits als Gesamtschuldner<br />

(§ 100 Abs. 3<br />

ZPO).<br />

<strong>Die</strong> Gerichtskosten wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m<br />

Kläger und <strong>de</strong>m Beklagten zu 1.<br />

je zur Hälfte auferlegt. Von <strong>de</strong>n<br />

außergerichtlichen Kosten tragen


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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die Klage abgewiesen. <strong>de</strong>r Kläger die <strong>de</strong>s Beklagten zu<br />

2. voll und ½ <strong>de</strong>r eigenen, <strong>de</strong>r<br />

Beklagte zu 1. die eigenen und ½<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Kläger erwachsenen (§<br />

92 Abs. 1 ZPO; Baumbach’sche<br />

Kostenformel).<br />

Seite 62<br />

<strong>Die</strong> bereits bekannte Baumbach'sche Kostenformel kommt also insbeson<strong>de</strong>re zum Einsatz,<br />

wenn die Streitgenossen mit ihren Anträgen unterschiedlichen Erfolg bzw. Misserfolg<br />

haben.<br />

Für je<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Streitgenossenschaft zusammengefassten Prozessrechtsverhältnisse<br />

muss eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergehen. Je nach Prozessausgang<br />

können unterschiedlich hohe Sicherheitsleistungen anzuordnen sein. Für<br />

<strong>de</strong>n praktisch häufigsten Fall einer Klage gegen mehrere Gesamtschuldner, gilt folgen<strong>de</strong>s:<br />

Hat die Klage Erfolg, so kann <strong>de</strong>r Kläger nach seiner Wahl gegen je<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Gesamtschuldner<br />

vollstrecken. Insgesamt steht ihm <strong>de</strong>r Verurteilungsbetrag (Hauptfor<strong>de</strong>rung, Nebenfor<strong>de</strong>rung<br />

und Kosten) aber nur einmal zu. Der Verurteilungsbetrag stellt damit die<br />

Höchstgrenze eines möglichen Vollstreckungsscha<strong>de</strong>ns gemäß § 717 ZPO dar. <strong>Die</strong> vorläufige<br />

Vollstreckung ist also von einer Sicherheitsleistung in dieser Höhe abhängig zu<br />

machen bzw. es ist bei <strong>de</strong>r Festlegung <strong>de</strong>s Prozentsatzes gemäß § 709 S. 1 und S. 2 ZPO<br />

dieser Aspekt zu berücksichtigen.<br />

Wird die Klage abgewiesen, so steht je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Beklagten ein eigener Kostenerstattungsanspruch<br />

gegen <strong>de</strong>n Kläger zu. Wenn die Beklagten durch verschie<strong>de</strong>ne Prozessbevollmächtigte<br />

vertreten waren, so kann je<strong>de</strong>r Beklagte wegen <strong>de</strong>r damit verbun<strong>de</strong>nen Kosten<br />

vorläufig vollstrecken.<br />

Wenn die Beklagten durch einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten vertreten waren,<br />

erhält <strong>de</strong>r Rechtsanwalt nach Nr. 1008 <strong>de</strong>r Gebührentabelle zum RVG je zusätzlich betreuter<br />

Parteien eine um 0,3 je Partei, insgesamt aber max<strong>im</strong>al um 2,0 erhöhte Gebühr.<br />

Welcher <strong>de</strong>r Auftraggeber <strong>im</strong> Innenverhältnis welchen <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>r Gebühren gezahlt hat o<strong>de</strong>r<br />

noch zahlen wird, ist <strong>de</strong>m Gericht bei Erlass <strong>de</strong>s Urteils i.d.R. unbekannt. Es wird <strong>de</strong>shalb<br />

<strong>im</strong> Zweifel für die Vollstreckung je<strong>de</strong>s Beklagten eine Sicherheitsleistung in Höhe <strong>de</strong>r max<strong>im</strong>al<br />

entstan<strong>de</strong>nen Anwaltsgebühr festsetzen bzw. dies bei <strong>de</strong>r Festlegung <strong>de</strong>s Prozentsatzes<br />

gem. § 709 S. 1 und S. 2 o<strong>de</strong>r § 711 ZPO berücksichtigen.<br />

Im Tatbestand ist das Vorbringen mehrerer Streitgenossen nur dann geson<strong>de</strong>rt darzustellen,<br />

wenn und soweit es sich unterschei<strong>de</strong>t. Wie oben ausgeführt, ist <strong>im</strong> Zweifel davon<br />

auszugehen, dass die Angriffs- und Verteidigungsmittel eines Streitgenossen auch von<br />

<strong>de</strong>n übrigen Streitgenossen übernommen wer<strong>de</strong>n sollen. Dann leitet man das streitige<br />

Vorbringen wie folgt ein:<br />

<strong>Die</strong> Kläger (o<strong>de</strong>r die Beklagten) behaupten (übereinst<strong>im</strong>mend), dass ...<br />

Weicht <strong>de</strong>r Vortrag <strong>de</strong>r Streitgenossen voneinan<strong>de</strong>r ab, so muss er auch geson<strong>de</strong>rt dargestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Im Zweifel empfiehlt es sich, soweit vorhan<strong>de</strong>n, zunächst das übereinst<strong>im</strong>men<strong>de</strong><br />

Vorbringen bei<strong>de</strong>r Streitgenossen und dann die abweichen<strong>de</strong>n Behauptungen einzelner<br />

Streitgenossen (eingeleitet etwa durch <strong>de</strong>n Satz: "Darüber hinaus behauptet <strong>de</strong>r<br />

Kläger zu 1., dass ...) zu referieren. Dabei bringt man am besten das umfassen<strong>de</strong>re Angriffs-<br />

bzw. Verteidigungsvorbringen zuerst.<br />

Wenn es sich allerdings um verschie<strong>de</strong>ne Lebenssachverhalte (z.B. zur Klagfor<strong>de</strong>rung<br />

und zur Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung) han<strong>de</strong>lt, erscheint es aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Verständlichkeit


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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besser, <strong>de</strong>n Vortrag <strong>de</strong>r Parteien nach Komplexen geordnet etwa wie folgt zusammenzufassen:<br />

Zur Klagfor<strong>de</strong>rung behaupten die Beklagten übereinst<strong>im</strong>mend, dass ... Darüber hinaus<br />

behauptet <strong>de</strong>r Beklagte zu 1., dass ...<br />

Zur Aufrechnungsfor<strong>de</strong>rung sind die Beklagten übereinst<strong>im</strong>mend <strong>de</strong>r Meinung, dass ...<br />

Darüber hinaus behauptet <strong>de</strong>r Beklagte zu 2., dass ...<br />

Im Rahmen <strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong> kann man die Zulässigkeit und Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r<br />

Klage für je<strong>de</strong>n Streitgenossen getrennt erörtern. Ein solcher Aufbau bietet sich an, wenn<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r mehreren Kläger o<strong>de</strong>r Beklagten unterschiedliche Anspruchsgrundlagen in<br />

Betracht kommen, wenn also etwa ein Beklagter als Hauptschuldner und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re als<br />

Bürge o<strong>de</strong>r ein Beklagter als Halter eines Kfz nach § 7 StVG und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re als Fahrer<br />

nach § 18 StVG haften soll. Ein getrennter Aufbau führt aber zu Wie<strong>de</strong>rholungen, wenn -<br />

wie häufig - dieselben Anspruchsgrundlagen zu prüfen sind und sich auch das tatsächliche<br />

Vorbringen <strong>de</strong>r Streitgenossen nicht unterschei<strong>de</strong>t. Geschickter erscheint dann eine zusammengefasste<br />

Würdigung, welche <strong>im</strong> Vergleich zu <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong><br />

bei Beteiligung nur eines Klägers und Beklagten keine Beson<strong>de</strong>rheiten bietet.


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10. Streithilfe und Streitverkündung<br />

Seite 64<br />

Streitgenossen können sowohl auf Kläger als auch auf Beklagtenseite auch dadurch an<br />

<strong>de</strong>m Rechtstreit beteiligt wer<strong>de</strong>n, dass sie diesem beitreten und zwar entwe<strong>de</strong>r in<strong>de</strong>m die<br />

dritte Partei <strong>de</strong>m Rechtsstreit von sich aus beitritt (Streithilfe, §§ 66 bis 71 ZPO) o<strong>de</strong>r auf<br />

Auffor<strong>de</strong>rung (Streitverkündung, §§ 72 bis 74 ZPO) einbezogen wird, in<strong>de</strong>m sie nach Auffor<strong>de</strong>rung<br />

als Reaktion auf eine Streitverkündung <strong>de</strong>m Rechtsstreit auf Seiten <strong>de</strong>s Streitverkün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

beitritt.<br />

Der Sinn <strong>de</strong>r Streitverkündung und Streithilfe erschließt sich für <strong>de</strong>n Streitverkün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

aus folgen<strong>de</strong>m Fall:<br />

K verklagt B weil die bei B gekaufte Maschine Mängel hat. B hat seinerseits Regressansprüche<br />

gegen seinen Lieferanten L, sollten die Mängel tatsächlich vorliegen. Welche<br />

(rechtliche) Gefahr droht B? Wie kann er <strong>de</strong>r begegnen?<br />

Im Rechtsstreit K-B droht B eine Verurteilung wegen Sachmangel <strong>de</strong>r Maschine, § 437<br />

BGB. N<strong>im</strong>mt er sodann in einem weiteren Rechtstreit L vor einem an<strong>de</strong>ren Gericht in Anspruch<br />

droht, dass <strong>de</strong>r dortige Richter die Sachlage an<strong>de</strong>rs beurteilt und einen Mangel <strong>de</strong>r<br />

Kaufsache verneint. B bliebe auf seinem Scha<strong>de</strong>n sitzen. <strong>Die</strong> Lösung lautet: Bindung <strong>de</strong>s<br />

L an das Ergebnis <strong>de</strong>s Prozesses K-B, nämlich durch Streitverkündung, §§ 72, 68 ZPO.<br />

Hierfür muss er einen <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 73 ZPO genügen<strong>de</strong>n Schriftsatz in <strong>de</strong>m<br />

Rechtsstreit K-B einführen. In <strong>de</strong>r Praxis wer<strong>de</strong>n hierfür zur Information <strong>de</strong>s Streitverkün<strong>de</strong>ten<br />

die von <strong>de</strong>n Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze in Kopie eingereicht nebst<br />

kurzer Zusammenfassung <strong>de</strong>s Verfahrensstan<strong>de</strong>s. Zugleich ist die Erklärung abzugeben,<br />

dass <strong>de</strong>m L <strong>de</strong>r Streit verkün<strong>de</strong>t wird und dieser aufgefor<strong>de</strong>rt wird, <strong>de</strong>m Rechtsstreit auf<br />

seiner Seite beizutreten. Das Gericht prüft hierauf nicht, ob die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 72<br />

ZPO wirklich vorliegen, belehrt <strong>de</strong>n L auch nicht, son<strong>de</strong>rn stellt die Streitverkündung diesem<br />

lediglich zu.<br />

19.2 Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Streitverkündung und Streithilfe aus Sicht <strong>de</strong>s Beitreten<strong>de</strong>n<br />

Der Sinn <strong>de</strong>r Streithilfe und <strong>de</strong>s Beitritts auf erfolgte Streitverkündung ergibt sich aus<br />

folgen<strong>de</strong>m:<br />

Fallbeispiel wie oben. Welche Reaktionsmöglichkeiten hat L?<br />

(1) L kann untätig bleiben, § 74 Abs. 2 ZPO; Konsequenz: Er ist am weiteren Prozess<br />

K-B nicht beteiligt; er kann weiterhin Zeuge <strong>de</strong>s Rechtsstreits sein; dieser wird ganz<br />

normal weiter geführt; die ausgesprochene Streitverkündung wird we<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Rubrum<br />

noch <strong>im</strong> Tatbestand o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n erwähnt; sie ist für <strong>de</strong>n anhängigen<br />

Rechtstreit vollständig be<strong>de</strong>utungslos<br />

Jedoch: Durch Zustellung <strong>de</strong>s Schriftsatzes über die Streitverkündung und Untätigkeit<br />

<strong>de</strong>s L tritt diesem gegenüber die Interventionswirkung <strong>de</strong>s § 74 Abs. 3, 68 ZPO<br />

ein, er ist also an die Feststelllungen <strong>de</strong>s Richters <strong>im</strong> Rechtstreit K-B künftig gebun<strong>de</strong>n.<br />

(2) L kann auch <strong>de</strong>m Rechtstreit auf Seiten <strong>de</strong>r Partei, die ihm <strong>de</strong>n Streit verkün<strong>de</strong>t hat<br />

(hier also B) beitreten, § 74 Abs. 1, 66 ZPO. <strong>Die</strong>ses geschieht durch Einreichung<br />

eines Schriftsatzes in <strong>de</strong>m Beitritt erklärt wird, § 70 ZPO. Wirkung: L wird nicht zur<br />

Partei, wohl aber zum Streithelfer. Ihm sind <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n sämtliche Schriftsätze,<br />

Ladungen usw. mitzuteilen, § 71 Abs. 3 ZPO. Er kann nun selber Schriftsätze einreichen,<br />

prozessuale Erklärungen abgeben und Beweis anbieten und zwar neben<br />

o<strong>de</strong>r anstelle <strong>de</strong>s B. Er darf nun etwa auch selber einem weiteren Dritten <strong>de</strong>n Streit


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

Seite 65<br />

verkün<strong>de</strong>n. Allerdings darf er keine Verfügungen über <strong>de</strong>n Streitgegenstand selbst<br />

treffen, insbeson<strong>de</strong>re also kein Anerkenntnis o<strong>de</strong>r Verzicht für <strong>de</strong>n B abgeben o<strong>de</strong>r<br />

sollte K <strong>de</strong>n Streit verkün<strong>de</strong>t haben, die Klage zurücknehmen. Auch darf er grundsätzlich<br />

keine Erklärungen abgeben, die in Wi<strong>de</strong>rspruch zu Erklärungen <strong>de</strong>r Partei<br />

stehen, § 67 ZPO. Zugleich steht er weiter als Zeuge zur Verfügung, da er eben<br />

nicht Partei <strong>de</strong>s Rechtsstreits ist.<br />

Ein Beitritt ist sinnvoll, wenn L meint somit <strong>de</strong>n Sieg <strong>de</strong>s B gegen A erreichen o<strong>de</strong>r<br />

för<strong>de</strong>rn zu können und dadurch eine eigene Regressname durch B verhin<strong>de</strong>rn zu<br />

können. Erscheint B zum Termin etwa nicht, kann L VU dadurch verhin<strong>de</strong>rn, dass<br />

er Abweisungsantrag stellt.<br />

In einer Urteilsklausur ist <strong>de</strong>nkbar, dass auf einer Seite Beitritt erfolgt ist, dann ist<br />

formal zu beachten, dass Streitverkün<strong>de</strong>ter <strong>im</strong> Rubrum nach <strong>de</strong>r Partei als Streitverkün<strong>de</strong>ter<br />

aufzuführen ist, <strong>de</strong>r er beigetreten ist; sein ggfs. abweichen<strong>de</strong>r streitiger<br />

Tatsachenvortrag ist <strong>im</strong> Tatbestand nach <strong>de</strong>m Vorbringen <strong>de</strong>r Partei, <strong>de</strong>r er<br />

beigetreten ist, zu erwähnen. <strong>Die</strong> Kostenentscheidung richtet sich nach § 101 ZPO;<br />

Faustformel: Gewinnt Nebenintervenient trägt sein Gegner die Kosten, verliert er,<br />

trägt er sie selbst; die Partei, die ihm <strong>de</strong>n Streit verkün<strong>de</strong>t hat, trägt seine Kosten<br />

je<strong>de</strong>nfalls nicht<br />

In Anwaltsklausur ist ein Klausurtyp <strong>de</strong>nkbar, bei <strong>de</strong>r möglicher Nebenintervenient<br />

ihr Mandant ist; aus <strong>de</strong>ssen Sicht müssen sie dann die Rechtslage begutachten<br />

und empfehlen, ob beigetreten wer<strong>de</strong>n sollte o<strong>de</strong>r nicht; dieses wer<strong>de</strong>n sie etwa<br />

dann tun, wenn die Hauptpartei eine rechtlich erhebliche Einwendung bislang übersehen<br />

also nicht gebracht hat, z.B. Einre<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verjährung<br />

(3) L könnte theoretisch auch auf Seiten <strong>de</strong>s K beitreten; dies wäre dann Streithilfe<br />

nach § 66 ZPO, wofür freilich ein rechtliches Interesse <strong>de</strong>s L erfor<strong>de</strong>rlich wäre; das<br />

ist <strong>im</strong> Beispielsfall nicht <strong>de</strong>nkbar; gegenüber B wür<strong>de</strong> diese Reaktion als unterlassener<br />

Beitritt mit <strong>de</strong>r bereits beschriebenen Interventionswirkung behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />

Verkün<strong>de</strong>n B und K <strong>de</strong>m L <strong>de</strong>n Streit, muss er sich entschei<strong>de</strong>n auf welcher Seite<br />

er beitritt, für wen er also Stellung n<strong>im</strong>mt; ein Beitritt auf bei<strong>de</strong>n Seiten ist nicht möglich<br />

(4) Schließlich hat L auch die Möglichkeit zunächst abzuwarten und bei ungünstigem<br />

Ausgang <strong>de</strong>s Rechtstreits für ihn in Verbindung mit <strong>de</strong>r Einlegung eines Rechtsmittels<br />

<strong>de</strong>m Streit beitreten, § 66 Abs. 2 ZPO<br />

<strong>Die</strong> Bindungswirkung <strong>de</strong>r Entscheidung <strong>im</strong> Rechtsstreit K-B zu Lasten <strong>de</strong>s L entfaltet sich<br />

nur dann, wenn die Streitverkündung von B gegenüber L nach § 72 ZPO zulässig war und<br />

die Form <strong>de</strong>s § 73 ZPO gewahrt gewesen ist. <strong>Die</strong>ses wird erstmals in <strong>de</strong>m Prozess geprüft,<br />

in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r ehemals Streitverkün<strong>de</strong>te in Anspruch genommen wird. <strong>Die</strong> Streitverkündung<br />

ist nach § 72 nur bei folgen<strong>de</strong>n Fallgruppen zulässig:<br />

(1) Gewährleistung wegen Sach- und Rechtsmängeln<br />

(2) Anspruch auf (vollständige) Schadloshaltung (z.B.: Ausgleichsanspruch B gegen L<br />

aus § 426 Abs. 1)<br />

(3) Besorgnis (Befürchtung) <strong>de</strong>s Anspruchs eines Dritten, Kläger also befürchtet wegen<br />

<strong>de</strong>r vom Beklagten gefor<strong>de</strong>rten Klagefor<strong>de</strong>rung durch Dritten in Anspruch genommen<br />

zu wer<strong>de</strong>n; dann wird er Dritten <strong>de</strong>n Streit verkün<strong>de</strong>n um Gefahr zu begegnen<br />

<strong>im</strong> Prozess K-B nichts zu bekommen für eben diesen Anspruch aber sodann durch<br />

Dritten in Anspruch genommen zu wer<strong>de</strong>n


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

Seite 66<br />

(4) Anspruch aus Alternativverhältnis; Bsp.: Kläger begehrt von Beklagtem Anspruch<br />

auf Werklohn, sollte <strong>de</strong>r aber bei Vertragsschluss wie er behauptet von Vertreter<br />

ohne Vertretungsmacht vertreten wor<strong>de</strong>n sein, von V<br />

Unzulässig hingegen ist Streitverkündung, wenn Beklagter und Streitverkün<strong>de</strong>ter<br />

nebeneinan<strong>de</strong>r haften etwa <strong>im</strong> Falle <strong>de</strong>r reinen Gesamtschuldnerschaft<br />

Materiell rechtlich wird ab Streitverkündung drohen<strong>de</strong> Verjährung <strong>im</strong> Verhältnis Streitverkün<strong>de</strong>r<br />

zu Streitverkün<strong>de</strong>tem gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB. Prozessual muss <strong>de</strong>r<br />

Streitverkün<strong>de</strong>te <strong>im</strong> Folgeprozess grundsätzlich alle tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen<br />

gegen sich gelten lassen, auf <strong>de</strong>nen das Urteil <strong>im</strong> Vorprozess beruht. Von <strong>de</strong>r Bindungswirkung<br />

umfasst sind allerdings nur die tragen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>, also nicht obiter dicta<br />

Ausführungen.<br />

Demjenigen, gegen <strong>de</strong>n die Bindungswirkung sich zu entfalten droht, bleiben folgen<strong>de</strong><br />

Einwendungen:<br />

(1) Mangelhafte Prozessführung <strong>de</strong>s Streitverkün<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Zeit vor möglichem Beitritt,<br />

§ 68 HS 2, 1. Alt.<br />

(2) Behin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Prozessführung <strong>de</strong>s L durch Prozessführung <strong>de</strong>s B (z.B.: Abgabe<br />

eines Anerkenntnisses), § 68 HS 2, 2. Alt.<br />

(3) Absichtliches Nichtgeltendmachen von Angriffs- o<strong>de</strong>r Verteidigungsmitteln durch<br />

Streitverkün<strong>de</strong>r, die Streitverkün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>m <strong>im</strong> Vorprozess unbekannt geblieben sind<br />

(4) Tatsachenvortrag o<strong>de</strong>r Prozesserklärungen, die <strong>im</strong> Vorprozess wegen § 67 ZPO<br />

(kein wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong>r Vortrag durch Streitverkün<strong>de</strong>ten) nicht geltend gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n konnten


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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11. Das Mahnverfahren<br />

Seite 67<br />

Um einen vollstreckbaren Titel zu erlangen, kommt als Alternative zur Erhebung einer Klage<br />

das Mahnverfahren in Betracht (§ 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Der Antragsteller muss für<br />

<strong>de</strong>n Mahnantrag <strong>de</strong>n amtlichen Vordruck verwen<strong>de</strong>n (§§ 703 c Abs. 2, 691 Abs. 1 Satz 1<br />

ZPO i.V.m. <strong>de</strong>r VO zur Einführung von Vordrucken für das Mahnverfahren vom 6. Mai<br />

1977). Zwischenzeitlich ist in HH auch möglich Mahnverfahren online über Internet zu<br />

betreiben.<br />

Der notwendige Inhalt eines Mahnantrags ist in § 690 ZPO best<strong>im</strong>mt. Ausschließlich zuständig<br />

ist das Amtsgericht, bei <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand<br />

hat, § 689 ZPO.<br />

Für das Mahnverfahren fällt eine halbe Gerichtsgebühr nach Ziff. 1100 <strong>de</strong>s Kostenverzeichnisses<br />

zum GKG an. <strong>Die</strong> Zahlung dieser halben Gebühr muss <strong>de</strong>r Antragsteller <strong>im</strong><br />

nichtautomatisierten Verfahren durch Aufkleben von Gerichtskostenmarken, durch Aufdruck<br />

eines Gebührenfreistemplers o<strong>de</strong>r durch einen Überweisungsbeleg nachweisen.<br />

An<strong>de</strong>renfalls wird <strong>de</strong>r Mahnbescheid nicht erlassen. Im automatisierten Mahnverfahren<br />

erfolgt die Gebührenanfor<strong>de</strong>rung aus technischen Grün<strong>de</strong>n erst nach <strong>de</strong>m Erlass <strong>de</strong>s<br />

Mahnbescheids. Dort sollte also die Übersendung <strong>de</strong>s vorbereiteten Überweisungsvordrucks<br />

durch das Gericht abgewartet wer<strong>de</strong>n. In diesem Fall ist <strong>de</strong>r Erlass <strong>de</strong>s Vollstreckungsbescheids<br />

von <strong>de</strong>r Erfüllung <strong>de</strong>r Vorschusspflicht abhängig, § 65 Abs. 3 GKG.<br />

Das Mahnverfahren fällt in die funktionelle Zuständigkeit <strong>de</strong>s Rechtspflegers, § 20 Nr. 1<br />

RpflG. Der Rechtspfleger prüft (§ 691 Abs. 1 ZPO),<br />

ob die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen,<br />

ob die beson<strong>de</strong>ren Zulässigkeitsvoraussetzungen für <strong>de</strong>n Erlass eines Mahnbescheids<br />

nach § 688 ZPO gegeben sind, d.h.:<br />

- es muss sich um einen Anspruch auf Zahlung einer best<strong>im</strong>mten Geldsumme in Euro<br />

han<strong>de</strong>ln (bei Ansprüchen in ausländischer Währung: Umrechnung);<br />

- <strong>de</strong>r Anspruch darf nicht von einer Gegenleistung abhängig sein o<strong>de</strong>r die Gegenleistung<br />

muss bereits erbracht sein (keine Zug-um-Zug-Verurteilung <strong>im</strong> Mahnverfahren)<br />

- es darf nicht erfor<strong>de</strong>rlich sein, <strong>de</strong>n Mahnbescheid durch öffentliche Bekanntmachung<br />

zuzustellen.<br />

Eine Schlüssigkeitsprüfung fin<strong>de</strong>t nicht statt! Der Rechtspfleger darf <strong>de</strong>n Mahnantrag jedoch<br />

nach ganz überwiegen<strong>de</strong>r Meinung zurückweisen, wenn die For<strong>de</strong>rung bereits nach<br />

ihrer stichwortartigen Bezeichnung unsinnig bzw. unklagbar ist o<strong>de</strong>r sonst offensichtlich<br />

nicht bestehen kann (z.B. Naturalobligationen wie Entgelt für eine Heiratsvermittlung, §<br />

656 BGB; Entgelt für eine Partnervermittlung, § 656 BGB analog; Zinseszinsen, § 289<br />

BGB; bei Verbraucherkrediten pauschalierter Verzugsscha<strong>de</strong>n bei „Neufällen“ von mehr<br />

als 5 % über <strong>de</strong>m Basiszinssatz § 497 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB bzw. bei<br />

„Altfällen“ von mehr als 5 % über <strong>de</strong>m Diskontsatz <strong>de</strong>r Deutschen Bun<strong>de</strong>sbank § 11 Abs. 1<br />

VerbrKrG). Zur Begründung wird u.a. auf das Rechtsstaatsprinzip verwiesen, mit <strong>de</strong>m es<br />

nicht vereinbar sei, wenn das Mahngericht gezwungen wäre, formell einwandfreie, materiell<br />

aber ein<strong>de</strong>utig unbegrün<strong>de</strong>te Ansprüche mit Rechtskraftwirkung (vgl. § 796 Abs. 2<br />

ZPO) zu titulieren.<br />

Liegen die Voraussetzungen für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Mahnbescheids nicht vor, so kommt nach<br />

pflichtgemäßem Ermessen <strong>de</strong>s Rechtspflegers eine Zwischenverfügung, eine telefonische<br />

Rückfrage o<strong>de</strong>r - bei offensichtlichen Fehlern - eine Berichtigung von Amts wegen in Be-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

Seite 68<br />

tracht. An<strong>de</strong>renfalls wird <strong>de</strong>r Antrag, ggfs. nach Anhörung <strong>de</strong>s Antragstellers, durch begrün<strong>de</strong>ten<br />

Beschluss zurückgewiesen (§§ 691 Abs. 1, 329 Abs. 3 ZPO). Gegen <strong>de</strong>n zurückweisen<strong>de</strong>n<br />

Beschluss ist die (sofortige) Erinnerung gegeben, über die – wenn <strong>de</strong>r<br />

Rechtspfleger nicht abhilft – gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 RpflG <strong>de</strong>r Amtsrichter entschei<strong>de</strong>t.<br />

Dem steht <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n ersten Blick irritieren<strong>de</strong> § 691 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht entgegen,<br />

weil diese Vorschrift nur die Beschwer<strong>de</strong> betrifft. Der Mahnantrag kann aber auch je<strong>de</strong>rzeit<br />

wie<strong>de</strong>rholt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Anspruch (sogar unter Aufrechterhaltung einer Verjährungsunterbrechung<br />

durch Einreichung <strong>de</strong>s Mahnantrags, § 691 Abs. 2 ZPO) <strong>im</strong> Klagewege geltend<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

Sind die Voraussetzungen erfüllt, so erlässt <strong>de</strong>r Rechtspfleger <strong>de</strong>n Mahnbescheid, ohne<br />

zuvor <strong>de</strong>n Antragsgegner zu hören (§ 702 Abs. 2 ZPO). <strong>Die</strong> Ausfertigung <strong>de</strong>s Mahnbescheids<br />

wird <strong>de</strong>m Antragsgegner von Amts wegen zugestellt (§ 693 Abs. 1 ZPO). Hiervon<br />

wird <strong>de</strong>r Antragsteller benachrichtigt (§ 693 Abs. 3 ZPO).<br />

Gegen <strong>de</strong>n Mahnbescheid kann <strong>de</strong>r Antragsgegner Wi<strong>de</strong>rspruch einlegen, § 692 Abs. 1<br />

Ziff. 3, 694 ZPO. <strong>Die</strong> Wi<strong>de</strong>rspruchsfrist beträgt zwei Wochen ab Zustellung <strong>de</strong>s Mahnbescheids.<br />

Es reicht aber aus, wenn <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruch vorliegt, solange <strong>de</strong>r Vollstreckungsbescheid<br />

noch nicht verfügt ist (§§ 692 Abs. 1 Nr. 3, 694 Abs. 1 ZPO). Der Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

kann schriftlich o<strong>de</strong>r mündlich zu Protokoll <strong>de</strong>s Urkundsbeamten <strong>de</strong>r Geschäftsstelle eingelegt<br />

wer<strong>de</strong>n (§ 702 Abs. 1 ZPO). Der Antragsgegner soll, muss sich aber nicht <strong>de</strong>s <strong>de</strong>m<br />

Mahnbescheid beigefügten Vordrucks bedienen (§ 692 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Der Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

braucht nicht begrün<strong>de</strong>t zu wer<strong>de</strong>n. Er kann auf einen <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>s Anspruchs beschränkt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Wenn ein Wi<strong>de</strong>rspruch eingeht, so wird <strong>de</strong>r Antragsteller davon in Kenntnis gesetzt (§ 695<br />

ZPO). Der Antragsteller kann nun die Durchführung <strong>de</strong>s streitigen Verfahrens beantragen.<br />

Ein solcher Streitantrag kann aber auch bereits mit <strong>de</strong>m Antrag auf Erlass eines<br />

Mahnbescheids gestellt wer<strong>de</strong>n (§ 696 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Auf <strong>de</strong>n ersten Blick erscheint<br />

es praktisch, von dieser zeitsparen<strong>de</strong>n Möglichkeit Gebrauch zu machen. Tatsächlich tritt<br />

aber nur bei kosten- und gebührenbefreiten Antragstellern (§ 2 GKG) eine Zeitersparnis<br />

ein, weil in <strong>de</strong>n übrigen Fällen eine Abgabe an das Prozessgericht ohnehin erst nach<br />

Zahlung <strong>de</strong>r restlichen (30/10 abzüglich 5/10) Prozessgebühr erfolgt (§ 65 Abs. 1 Satz 2<br />

GKG).<br />

Der vorsorglich gestellte Streitantrag kann sogar eine Kostenfalle darstellen. Nach<br />

herrschen<strong>de</strong>r Meinung bewirkt er, dass sich die Prozessgebühren nach <strong>de</strong>m bei<br />

Beantragung <strong>de</strong>s Mahnbescheids maßgeblichen Streitwert richten, § 15 GKG, was z.B. <strong>im</strong><br />

Falle einer <strong>Teil</strong>erledigung <strong>im</strong> Mahnverfahren zu erheblichen Mehrkosten führen kann<br />

(HansOLG MDR 1998, 1121 f.) und dass mit <strong>de</strong>r Erhebung <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rspruchs stets eine<br />

erhöhte Prozessgebühr anfällt, auch wenn <strong>de</strong>r Antragsteller das Verfahren nicht weiter<br />

betreibt. Es ist daher zu empfehlen, jenes „Servicefeld“ erst gar nicht anzukreuzen. In <strong>de</strong>n<br />

Ausfüllhinweisen für <strong>de</strong>n Mahnantrag <strong>im</strong> automatisierten Mahnverfahren wird auf das<br />

hiermit verbun<strong>de</strong>ne Kostenrisiko hingewiesen.<br />

<strong>Die</strong> Abgabe erfolgt an das <strong>im</strong> Mahnantrag bezeichnete Gericht. <strong>Die</strong> Zuständigkeit dieses<br />

Gerichts wird nicht bei <strong>de</strong>r Abgabe, son<strong>de</strong>rn erst in <strong>de</strong>m anschließen<strong>de</strong>n Urteilsverfahren<br />

geprüft. Streitig ist, ob hierbei auf die Sach- und Rechtslage bei Einreichung <strong>de</strong>s Mahnantrags<br />

(wohl herrschen<strong>de</strong> Rechtsprechung) o<strong>de</strong>r zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Eingangs be<strong>im</strong> Streitgericht<br />

abzustellen ist, was etwa relevant wer<strong>de</strong>n kann, wenn <strong>de</strong>r Schuldner nach Zustellung<br />

<strong>de</strong>s Mahnbescheids, aber vor Eingang <strong>de</strong>r Akten bei einem ursprünglich sachlich zuständigen<br />

Landgericht zahlt.<br />

Mit Zugang <strong>de</strong>r Akten nach Abgabe ist das Mahnverfahren been<strong>de</strong>t, das Urteilsverfahren


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Seite 69<br />

anhängig (§ 696 ZPO). <strong>Die</strong> Parteibezeichnungen wechseln. Antragsteller und Antragsgegner<br />

wer<strong>de</strong>n Kläger und Beklagter. <strong>Die</strong> Geschäftsstelle for<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Kläger auf, binnen zwei<br />

Wochen eine Anspruchsbegründung einzureichen (§ 697 Abs. 1 ZPO). Das Verfahren<br />

läuft dann <strong>im</strong> wesentlichen wie ein durch Klage eingeleiteter Rechtsstreit ab.<br />

Der Vorsitzen<strong>de</strong> best<strong>im</strong>mt also, ob ein früher erster Termin o<strong>de</strong>r ein schriftliches Vorverfahren<br />

stattfin<strong>de</strong>t (§ 697 Abs. 2 ZPO). Versäumt <strong>de</strong>r Kläger die Frist für die Anspruchsbegründung,<br />

so tritt ein Verfahrensstillstand ein. Nur dann, wenn <strong>de</strong>r Beklagte es beantragt,<br />

wird terminiert und gleichzeitig eine richterliche Frist zur Anspruchsbegründung gesetzt (§<br />

697 Abs. 3 ZPO). Wird dann eine Anspruchsbegründung bis zum Schluss <strong>de</strong>r mündlichen<br />

Verhandlung nicht vorgelegt, so ist streitig, ob die Klage als unzulässig abzuweisen ist,<br />

weil eine Sachurteilsvoraussetzung (§§ 697 Abs. 1, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) fehlt o<strong>de</strong>r ob<br />

die Klage unbegrün<strong>de</strong>t ist. Geht ein Antrag <strong>de</strong>s Beklagten auf Anberaumung einer mündlichen<br />

Verhandlung nicht ein, so wird die Akte nach 6 Monaten weggelegt.<br />

Wenn <strong>de</strong>r Antragsgegner nicht bzw. nicht rechtzeitig Wi<strong>de</strong>rspruch erhoben hat, erlässt <strong>de</strong>r<br />

Rechtspfleger auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s Mahnbescheids auf Antrag <strong>de</strong>s Antragstellers einen<br />

Vollstreckungsbescheid (§ 699 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Antrag kann frühestens nach<br />

Ablauf <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruchsfrist gestellt wer<strong>de</strong>n (§ 699 Abs. 1 Satz 2 ZPO), also - an<strong>de</strong>rs als<br />

<strong>de</strong>r Antrag auf Durchführung <strong>de</strong>s streitigen Verfahrens - nicht bereits <strong>im</strong> Mahnantrag. Der<br />

Grund hierfür ist, dass <strong>de</strong>r Antragsteller veranlasst wer<strong>de</strong>n soll zu prüfen, ob <strong>de</strong>r<br />

Antragsgegner - wie häufig - auf <strong>de</strong>n Mahnbescheid hin Zahlungen geleistet hat, bevor er<br />

einen vollstreckbaren Titel erwirkt. Spätestens muss <strong>de</strong>r Antrag sechs Monate nach<br />

Zustellung <strong>de</strong>s Mahnbescheids gestellt wer<strong>de</strong>n, da dieser sonst verfällt (§ 701 ZPO).<br />

Der Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids wird zurückgewiesen, wenn sich<br />

herausstellt, dass das Mahnverfahren von vornherein unzulässig war, wenn die Frist <strong>de</strong>s §<br />

701 Satz 1 ZPO versäumt, <strong>de</strong>r Mahnbescheid nicht zugestellt wur<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r ein Wechsel <strong>de</strong>r<br />

Parteien vor Rechtshängigkeit eingetreten ist. Gegen <strong>de</strong>n zurückweisen<strong>de</strong>n Beschluss ist<br />

das Rechtsmittel <strong>de</strong>r (unbefristeten) Erinnerung gegeben.<br />

Sind die Voraussetzungen erfüllt, so erlässt <strong>de</strong>r Rechtspfleger <strong>de</strong>n Vollstreckungsbescheid,<br />

ohne zuvor <strong>de</strong>n Antragsgegner zu hören, § 702 Abs. 2 ZPO. <strong>Die</strong> Ausfertigung <strong>de</strong>s<br />

Vollstreckungsbescheids wird <strong>de</strong>m Antragsgegner von Amts wegen zugestellt (§ 699 Abs.<br />

4 Satz 1 HS 1 ZPO); auf Antrag ist auch eine Zustellung <strong>im</strong> Parteibetrieb möglich (§ 699<br />

Abs. 4 Satz 1 HS 2 ZPO i.V.m. § 191 ZPO).<br />

Der Vollstreckungsbescheid steht einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil<br />

gleich (§ 700 Abs. 1 ZPO). Ergänzend zum 7. Buch <strong>de</strong>r ZPO (Mahnverfahren) sind<br />

daher die Vorschriften über das Versäumnisurteil (§§ 338 ff. ZPO) heranzuziehen. Danach<br />

kann <strong>de</strong>r Antragsgegner innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Einspruch einlegen.<br />

Unterlässt er dies, so liegt nunmehr ein rechtskräftiger Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1<br />

Ziff. 4 ZPO) vor.<br />

Der Einspruch kann schriftlich o<strong>de</strong>r zu Protokoll <strong>de</strong>r Geschäftsstelle erklärt wer<strong>de</strong>n (§ 702<br />

Abs. 1 ZPO). Er unterliegt keinem Formularzwang und bedarf keiner Begründung. § 700<br />

Abs. 3 Satz 2 ZPO erklärt § 340 Abs. 3 ZPO ausdrücklich für nicht anwendbar. Gemäß §§<br />

700 Abs. 1, 340 Abs. 2 ZPO muss er nur <strong>de</strong>n Vollstreckungsbescheid bezeichnen sowie<br />

die Erklärung enthalten, dass gegen ihn Einspruch eingelegt wird. Der Einspruch hemmt<br />

die Rechtskraft <strong>de</strong>s Vollstreckungsbescheids, beseitigt aber nicht die vorläufige Vollstreckbarkeit.<br />

Der Schuldner hat aber die Möglichkeit, nach §§ 719 Abs. 1, 707 ZPO die einstweilige<br />

Einstellung <strong>de</strong>r Zwangsvollstreckung (i.d.R. gegen Sicherheitsleistung) zu beantragen.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Seite 70<br />

Wird Einspruch eingelegt, so gibt <strong>de</strong>r Rechtspfleger die Sache an das <strong>im</strong> Mahnbescheid<br />

als für das streitige Verfahren zuständig bezeichnete Gericht ab. <strong>Die</strong>s geschieht - an<strong>de</strong>rs<br />

als die Abgabe nach Wi<strong>de</strong>rspruch gegen <strong>de</strong>n Mahnbescheid - von Amts wegen (§ 700<br />

Abs. 3 ZPO). Immerhin hat <strong>de</strong>r Antragsteller mit <strong>de</strong>m Vollstreckungsbescheid einen Titel in<br />

<strong>de</strong>r Hand, so dass es nicht mehr allein in seinem Interesse liegt, was mit <strong>de</strong>r Sache weiter<br />

geschieht.<br />

Der weitere Verlauf <strong>de</strong>s Verfahrens ist <strong>de</strong>r gleiche wie nach Wi<strong>de</strong>rspruch gegen <strong>de</strong>n<br />

Mahnbescheid (§ 700 Abs. 4 ZPO), nur dass bei Ausbleiben <strong>de</strong>r Anspruchsbegründung -<br />

aus <strong>de</strong>n o.g. Grün<strong>de</strong>n - auch ohne Antrag <strong>de</strong>s Beklagten Termin zur mündlichen Verhandlung<br />

zu best<strong>im</strong>men ist (§ 700 Abs. 5 ZPO). Der Urteilstenor kann in <strong>de</strong>r Hauptsache lauten:<br />

unzulässiger Einspruch:<br />

Der Einspruch gegen <strong>de</strong>n Vollstreckungsbescheid vom ... wird als unzulässig verworfen.<br />

zulässiger Einspruch; Klage zulässig und begrün<strong>de</strong>t:<br />

Der Vollstreckungsbescheid vom ... wird aufrechterhalten.<br />

zulässiger Einspruch; Klage unzulässig o<strong>de</strong>r unbegrün<strong>de</strong>t:<br />

Der Vollstreckungsbescheid vom ... wird aufgehoben. <strong>Die</strong> Klage wird abgewiesen.<br />

zulässiger Einspruch; Klage z.T. zulässig und begrün<strong>de</strong>t:<br />

Der Vollstreckungsbescheid vom ... wird in Höhe von ... aufrechterhalten; <strong>im</strong> übrigen wird<br />

er aufgehoben und die Klage abgewiesen.<br />

zulässiger Einspruch; Säumnis <strong>im</strong> Einspruchstermin (2. Versäumnisurteil):<br />

Der Einspruch gegen <strong>de</strong>n Vollstreckungsbescheid vom ... wird verworfen.<br />

Wegen <strong>de</strong>r Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit sowie zu<br />

<strong>de</strong>m Verfahren bei Ausbleiben <strong>de</strong>s Beklagten in <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung über seinen<br />

Einspruch siehe Unterlagen zum Versäumnisverfahren.<br />

Mahnverfahren <strong>im</strong> Urteil und in <strong>de</strong>r Klausur<br />

Der Umstand, dass <strong>de</strong>m streitigen Prozessverfahren ein Mahnverfahren vorangegangen<br />

ist, stellt Prozessgeschichte dar. Sie wird in <strong>de</strong>m Urteil wie bekannt nur dann erwähnt,<br />

wenn sie für die Entscheidung von Be<strong>de</strong>utung sein kann. <strong>Die</strong>s ist be<strong>im</strong> Mahnverfahren<br />

i.d.R. nicht <strong>de</strong>r Fall, so dass darauf nicht einzugehen ist.<br />

An<strong>de</strong>rs ist es nur dann, wenn es auf die materiellrechtlichen Wirkungen <strong>de</strong>s Mahnverfahrens<br />

(insbeson<strong>de</strong>re Unterbrechung <strong>de</strong>r Verjährung) ankommt o<strong>de</strong>r wenn <strong>de</strong>r Antrag sonst<br />

nicht verständlich wäre (Antrag auf Aufrechterhaltung <strong>de</strong>s Vollstreckungsbescheids). <strong>Die</strong><br />

materiellrechtliche Wirkung <strong>de</strong>r Verjährungsunterbrechung, also § 696 Abs. 3 ZPO hat<br />

hohe Klausurrelevanz. In <strong>de</strong>r Praxis kommt es nicht selten vor, dass <strong>de</strong>r Kläger in <strong>de</strong>r<br />

mündlichen Verhandlung keinen Klagantrag formuliert, son<strong>de</strong>rn lediglich "<strong>de</strong>n Antrag aus<br />

<strong>de</strong>m Mahnbescheid" stellt.<br />

In diesem Fall ist es üblich, <strong>im</strong> Sachbericht bzw. Urteilstatbestand die <strong>im</strong> Mahnbescheid<br />

erwähnten Haupt- und Nebenfor<strong>de</strong>rungen (Zeile 6 und 7 <strong>de</strong>s Mahnbescheids, nicht aber<br />

Zeile 8 o<strong>de</strong>r 9, weil über die Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens eine geson<strong>de</strong>rte Kostenentscheidung<br />

ergeht) in Form eines normalen Klagantrags wie<strong>de</strong>rzugeben. Ist ein Vollstreckungsbescheid<br />

ergangen, ist aufbautechnisch wie bei einem Versäumnisurteil vorzugehen.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

12. Prozesskostenhilfe und vorprozessuale Beratungshilfe<br />

Seite 71<br />

Wer sein Recht vor Gericht sucht, muss mit u.U. erhebliche Kosten rechnen, die er aufzubringen<br />

hat. Bei niedrigeren Streitwerten können die aufzubringen<strong>de</strong>n Kosten schon zu<br />

Beginn <strong>de</strong>r ersten Instanz höher sein als <strong>de</strong>r Betrag, um <strong>de</strong>n gestritten wird. Es liegt auf<br />

<strong>de</strong>r Hand, dass es unter diesen Umstän<strong>de</strong>n einer Regelung bedarf, welche <strong>de</strong>n Zugang<br />

zum Recht auch für die min<strong>de</strong>rbemittelte Partei ermöglicht.<br />

Durch Grundgesetzes hat For<strong>de</strong>rung nach einem "gleichen Zugang zum Recht für alle"<br />

<strong>de</strong>n Charakter eines verfassungsrechtlichen Gebots (vgl. Art. 3, 19 IV GG, Sozial- und<br />

Rechtsstaatsprinzip). Eine Ausprägung hiervon ist das Prozesskostenhilferecht (§§ 114 bis<br />

127 a ZPO).<br />

Zur Verbesserung <strong>de</strong>s vor- bzw. außergerichtlichen Rechtsschutzes trat 1981 zugleich das<br />

Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz,<br />

Schönfel<strong>de</strong>r Nr. 98 b) in Kraft. In Hamburg wird die außerprozessuale<br />

Rechtsberatung für Min<strong>de</strong>rbemittelte durch die ÖRA (Öffentliche Rechtsauskunft- und<br />

Vergleichsstelle) gewährt. Grundlage für die heutige Tätigkeit <strong>de</strong>r ÖRA sind die VO über<br />

die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle vom 4. Februar 1946, die Geschäftsordnung<br />

für die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle vom 15. November 1946,<br />

die Gebührenordnung für die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle vom 1. Dezember<br />

1998 sowie § 14 Abs. 1 BerHG. <strong>Die</strong> ÖRA ist organisatorisch und haushaltsrechtlich<br />

<strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> für Arbeit, Gesundheit und Soziales zugeordnet. Sie besteht aus einer<br />

Hauptstelle (Holstenwall 6, 20355 Hamburg 36) und Bezirksstellen in zahlreichen Stadtteilen<br />

(einschließlich Wohnschiffe und Justizvollzugsanstalt).<br />

<strong>Die</strong> ÖRA hilft<br />

auf allen Rechtsgebieten,<br />

wenn keine an<strong>de</strong>rweitige Hilfe gegeben ist (z.B. Vertretung durch Gewerkschaften,<br />

Mieterverein),<br />

die Ratsuchen<strong>de</strong>n in Hamburg wohnen o<strong>de</strong>r sich hier nicht nur vorübergehend aufhalten<br />

und <strong>de</strong>ren Einkommen unter Abzug angemessener Miet- und Heizkosten, Versicherungen,<br />

Schul<strong>de</strong>ntilgungsraten und Unterhaltsverpflichtungen <strong>de</strong>n dreifachen Sozialhilferegelsatz<br />

eines Haushaltsvorstan<strong>de</strong>s gemäß § 22 BSHG (seit 1. Juli 2000 DM<br />

1653,00) überschreitet (außer auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Sozialrechts, wo auch "Besserverdienen<strong>de</strong>"<br />

beraten wer<strong>de</strong>n).<br />

Mit <strong>de</strong>r ÖRA vergleichbare Einrichtungen existieren heute noch in Bremen, Berlin und Lübeck.<br />

An<strong>de</strong>renorts wird die Hilfe bei <strong>de</strong>r Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen<br />

Verfahrens durch Rechtsanwälte gewährt. Eine Beratungshilfe durch Rechtsanwälte<br />

kommt inzwischen auf nahezu allen wichtigen Rechtsgebieten (außer <strong>im</strong> Steuerrecht)<br />

in Betracht. Für die Inanspruchnahme von Beratungshilfe nach <strong>de</strong>m BerHG benötigt<br />

man einen Berechtigungsschein, welcher vom Amtsgericht (Rechtspfleger) <strong>de</strong>s Bezirks<br />

ausgestellt wird, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Rechtssuchen<strong>de</strong> seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Beratungshilfe<br />

nach <strong>de</strong>m BerHG erhält nur, wer die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen<br />

für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung erfüllt. Mit <strong>de</strong>m<br />

Berechtigungsschein hat <strong>de</strong>r Rechtssuchen<strong>de</strong> Anspruch auf Beratungshilfe durch einen<br />

Rechtsanwalt seiner Wahl. Der angesprochene Rechtsanwalt ist grundsätzlich verpflichtet,<br />

die Beratungshilfe nach <strong>de</strong>m BerHG zu übernehmen. Er kann die Beratungshilfe nur <strong>im</strong><br />

Einzelfall aus wichtigem Grund ablehnen (§ 49 a BRAO).


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Seite 72<br />

Wenn aus <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n erkennbar ist, dass <strong>de</strong>r Mandant zum anspruchsberechtigten<br />

Personenkreis gehören könnte, muss <strong>de</strong>r Anwalt ihn auch ungefragt auf die Möglichkeit<br />

<strong>de</strong>r Beantragung von Beratungshilfe hinweisen. An<strong>de</strong>renfalls macht er sich wegen § 280<br />

Abs. 1 in Verbindung mit § 611 BGB scha<strong>de</strong>nsersatzpflichtig mit <strong>de</strong>r Folge, dass <strong>de</strong>r Mandant<br />

über die auch bei Inanspruchnahme von Beratungshilfe anfallen<strong>de</strong> Gebühr hinaus<br />

kein Honorar zu zahlen braucht.<br />

<strong>Die</strong> Prozesskostenhilfe <strong>im</strong> Detail<br />

<strong>Die</strong> Gewährung von Prozesskostenhilfe hängt ab<br />

von <strong>de</strong>n hinreichen<strong>de</strong>n Erfolgsaussichten und <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n Mutwilligkeit <strong>de</strong>r beabsichtigten<br />

Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung;<br />

von <strong>de</strong>n persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen <strong>de</strong>r Partei;<br />

von <strong>de</strong>n voraussichtlichen Kosten <strong>de</strong>r Prozessführung.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung über sämtliche Voraussetzungen ist in <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>s Gerichts konzentriert.<br />

Der Gang zum Sozialamt entfällt. <strong>Die</strong> Bewilligung <strong>de</strong>r PKH erfolgt nur auf Antrag.<br />

<strong>Die</strong>ser Antrag ist bei <strong>de</strong>m Prozessgericht, also <strong>de</strong>m Gericht, welches für die beabsichtigte<br />

Rechtsverfolgung o<strong>de</strong>r Rechtsverteidigung zuständig ist, zu stellen, und zwar schriftlich<br />

o<strong>de</strong>r zu Protokoll <strong>de</strong>r Geschäftsstelle, § 117 Abs. 1 ZPO.<br />

Vor <strong>de</strong>r Bewilligung <strong>de</strong>r Prozesskostenhilfe ist <strong>de</strong>m Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme<br />

zu geben, wenn dies nicht aus beson<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n unzweckmäßig erscheint,<br />

§ 118 Abs. 1 ZPO. Ihm sind jedoch grundsätzlich nur die Ausführungen <strong>de</strong>s Antragstellers<br />

zu übersen<strong>de</strong>n, aus <strong>de</strong>nen sich die Erfolgsaussichten <strong>de</strong>r beabsichtigten Rechtsverfolgung<br />

bzw. Rechtsverteidigung ergeben sollen. <strong>Die</strong> Erklärung über die persönlichen und<br />

wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen darf <strong>de</strong>m Antragsgegner nur mit Zust<strong>im</strong>mung<br />

<strong>de</strong>s Antragstellers zugänglich gemacht wer<strong>de</strong>n, § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Deshalb wird<br />

diese Erklärung in einem geson<strong>de</strong>rten Anlagenheft aufbewahrt. Wenn eine Stellungnahme<br />

<strong>de</strong>s Antragsgegners erfolgt, so erhält <strong>de</strong>r Antragsteller Gelegenheit zur Erwi<strong>de</strong>rung.<br />

Das Gericht kann <strong>de</strong>m Antragsteller zur Klärung <strong>de</strong>r Voraussetzungen für die Gewährung<br />

von Prozesskostenhilfe Auflagen machen und selbst Erhebungen anordnen, § 118 Abs. 2<br />

ZPO. Zeugen o<strong>de</strong>r Sachverständige wer<strong>de</strong>n aber grundsätzlich nicht vernommen. Es soll<br />

nämlich vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, dass das Gericht die <strong>im</strong> Hauptprozess durchzuführen<strong>de</strong> Beweisaufnahme<br />

schon <strong>im</strong> PKH-Verfahren vorwegn<strong>im</strong>mt.<br />

Ein PKH-Antrag ohne gleichzeitige Einreichung einer (unterschriebenen) Klagschrift führt<br />

we<strong>de</strong>r zur Anhängigkeit noch zur Rechtshängigkeit <strong>de</strong>r Klage. Ein PKH-Antrag mit gleichzeitiger<br />

Einreichung einer Klagschrift führt zur Anhängigkeit <strong>de</strong>r Klage. Erst mit <strong>de</strong>r Bewilligung<br />

<strong>de</strong>r PKH wird die Klage zugestellt und damit rechtshängig.<br />

<strong>Die</strong> Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt zunächst voraus, dass die beabsichtigte<br />

Rechtsverfolgung o<strong>de</strong>r Rechtsverteidigung hinreichen<strong>de</strong> Aussicht auf Erfolg bietet und<br />

nicht mutwillig erscheint. Bei <strong>de</strong>r Auslegung <strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rungen an die hinreichen<strong>de</strong> Erfolgsaussicht<br />

ist <strong>de</strong>r Zweck <strong>de</strong>s Instituts <strong>de</strong>r Prozesskostenhilfe zu berücksichtigen, wonach<br />

<strong>de</strong>r Unbemittelte einem solchen Bemittelten gleichgestellt wer<strong>de</strong>n soll, <strong>de</strong>r seine<br />

Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Eine<br />

solche "vernünftige Person" wür<strong>de</strong> von einer Klage absehen, wenn ein Erfolg schlechthin<br />

ausgeschlossen wäre o<strong>de</strong>r nur eine entfernte Erfolgschance bestün<strong>de</strong>. An<strong>de</strong>rerseits<br />

wür<strong>de</strong> sie ihren Entschluss zur Klagerhebung nicht davon abhängig machen, dass <strong>de</strong>r<br />

Prozesserfolg schon gewiss sein müsse (BVerfG NJW 1991, 413 ff.). Konkret be<strong>de</strong>utet<br />

das:


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Eine hinreichen<strong>de</strong> Erfolgsaussicht <strong>de</strong>r beabsichtigen Rechtsverfolgung setzt in <strong>de</strong>r Regel<br />

voraus, dass <strong>de</strong>r Antragsteller seinen Anspruch schlüssig dargetan hat. Es muss<br />

also grundsätzlich eine vollständige rechtliche Prüfung wie in <strong>de</strong>r Klägerstation einer<br />

Relation bzw. vor Erlass eines echten Versäumnisurteils stattfin<strong>de</strong>n. Entsprechend sind<br />

bei Beantragung von PKH für eine Rechtsverteidigung dieselben Überlegungen wie in<br />

<strong>de</strong>r Beklagtenstation einer Relation anzustellen.<br />

Hängt die Entscheidung von <strong>de</strong>r Beantwortung schwieriger, bislang ungeklärter (insbeson<strong>de</strong>re<br />

noch nicht in <strong>de</strong>r höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworteter) Rechtsfragen<br />

ab, so ist auf je<strong>de</strong>n Fall Prozesskostenhilfe zu gewähren.<br />

Ergibt sich aus <strong>de</strong>r Stellungnahme <strong>de</strong>s Antragsgegners, dass Tatsachenbehauptungen<br />

<strong>de</strong>s beweisbelasteten Antragstellers erheblich bestritten wer<strong>de</strong>n, so muss <strong>de</strong>r Antragsteller<br />

tauglichen Beweis antreten<br />

Schließlich ist <strong>im</strong> PKH-Verfahren - an<strong>de</strong>rs als <strong>im</strong> Hauptsacheverfahren - eine vorweggenommene<br />

Beweiswürdigung wenn auch in engen Grenzen ausnahmsweise zulässig<br />

(BVerfG NJW 1997, 2745). Ergibt sich dabei, dass ganz erhebliche (belegbare) Be<strong>de</strong>nken<br />

dagegen bestehen, dass <strong>de</strong>r angetretene Beweis erfolgreich geführt wer<strong>de</strong>n<br />

kann, so soll es an einer hinreichen<strong>de</strong>n Erfolgsaussicht fehlen (OLG Koblenz, a.a.O.).<br />

Zumin<strong>de</strong>st aber wird eine vorweggenommene Würdigung <strong>de</strong>s Beweiswerts einer unterstellten<br />

Zeugenaussage für vertretbar gehalten (OLG Köln, NJW-RR 1995, 1405).<br />

Wegen Mutwilligkeit ist die Gewährung von PKH zu versagen, wenn eine verständige,<br />

nicht unbemittelte Partei in einem gleichgelagerten Fall ihre Rechte nicht in <strong>de</strong>r vom Antragsteller<br />

beabsichtigten Weise verfolgen wür<strong>de</strong>. Daran ist insbeson<strong>de</strong>re zu <strong>de</strong>nken,<br />

wenn <strong>de</strong>r erstrebte Zweck prozessual auf wesentlich einfacherem o<strong>de</strong>r billigerem Wege<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n könnte, z.B.:<br />

Der Antragsteller will eine unbestrittene For<strong>de</strong>rung be<strong>im</strong> LG einklagen, statt sich zur<br />

Titulierung <strong>de</strong>s Anspruchs <strong>de</strong>s Mahnverfahrens zu bedienen<br />

Der Antragsteller will eine Unterhaltsklage erheben, obwohl <strong>de</strong>r Antragsgegner bislang<br />

regelmäßig freiwillig Unterhalt gezahlt und <strong>de</strong>r Antragsteller ihn in Höhe dieses<br />

Betrages nicht zuvor vergeblich zur kostenlosen außergerichtlichen Titulierung be<strong>im</strong><br />

Jugendamt nach § 59 SGB VIII aufgefor<strong>de</strong>rt hat.<br />

Aus verfassungsrechtlichen Grün<strong>de</strong>n ist die Verweigerung von PKH wegen Mutwilligkeit<br />

allerdings auf gravieren<strong>de</strong> Fälle zu beschränken, weil <strong>de</strong>r Zugang zu <strong>de</strong>n staatlichen Gerichten<br />

nicht in unzumutbarer Weise erschwert wer<strong>de</strong>n darf<br />

Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist ferner, dass die betreffen<strong>de</strong><br />

Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten <strong>de</strong>r Prozessführung<br />

nicht, nur zum <strong>Teil</strong> o<strong>de</strong>r nur in Raten aufbringen kann, § 114 ZPO. Gemäß § 115<br />

Abs. 2 ZPO erhält die Partei keine Prozesskostenhilfe, soweit es ihr zumutbar ist, die anfallen<strong>de</strong>n<br />

Prozesskosten aus ihrem Vermögen aufzubringen. Inwiefern das Vermögen einzusetzen<br />

ist, ergibt sich aus § 88 BSHG. In § 115 Abs. 1 ZPO ist geregelt, ob und in welchem<br />

Ausmaß <strong>de</strong>r Einsatz von Einkommen zum Bestreiten von Prozesskosten zugemutet<br />

wer<strong>de</strong>n kann.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Kommen nach <strong>de</strong>r anzustellen<strong>de</strong>n Berechnung einkommensabhängige Ratenzahlungen<br />

o<strong>de</strong>r vermögensabhängige <strong>Teil</strong>zahlungen in Betracht, so gilt dies nur dann, wenn die Kosten<br />

<strong>de</strong>r Prozessführung vier Monatsraten und die aus <strong>de</strong>m Vermögen aufzubringen<strong>de</strong>n<br />

<strong>Teil</strong>beträge nicht übersteigen, § 115 Abs. 3 ZPO. Dabei ist es erfor<strong>de</strong>rlich, die Höhe <strong>de</strong>r<br />

voraussichtlichen Kosten zu prognostizieren.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung über die Gewährung <strong>de</strong>r Prozesskostenhilfe erfolgt ohne mündliche Verhandlung<br />

durch Beschluss, § 127 Abs. 1 ZPO.Im Falle <strong>de</strong>r Bewilligung von PKH hat <strong>de</strong>r<br />

Beschluss eine Begründung nur zu enthalten, wenn sie die beantragen<strong>de</strong> Partei belastet,<br />

also PKH versagt o<strong>de</strong>r nur mit Raten bewilligt wird. Im Falle <strong>de</strong>r Versagung von PKH lautet<br />

<strong>de</strong>r Tenor:<br />

Der Antrag <strong>de</strong>s ... vom ... auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung ist zu begrün<strong>de</strong>n, und zwar - wie auch sonst bei Beschlüssen - nicht mit<br />

Tatbestand und Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn <strong>im</strong> Rahmen von "Grün<strong>de</strong>n", in <strong>de</strong>nen die<br />

die Entscheidung tragen<strong>de</strong>n tatsächlich und rechtlichen Erwägungen zusammengefasst<br />

sind.<br />

<strong>Die</strong> Bewilligung von PKH hat folgen<strong>de</strong> Wirkungen: Der Antragsteller wird von <strong>de</strong>r Verpflichtung<br />

zur Zahlung von Gerichtskosten befreit, § 122 Abs. 1 Ziff. 1 a ZPO. Er braucht<br />

also we<strong>de</strong>r einen Verfahrenskostenvorschuss noch einen Vorschuss für die Kosten einer<br />

Beweisaufnahme (z.B. Auslagen von Zeugen, Kosten eines Sachverständigengutachtens)<br />

zu zahlen, § 14 Abs. 1 GKG. Auch wenn er entgegen <strong>de</strong>r <strong>im</strong> Prozesskostenhilfeverfahren<br />

gestellten Prognose mit seiner Rechtsverfolgung o<strong>de</strong>r Rechtsverteidigung unterliegt, darf<br />

die Staatskasse etwa noch offene Gerichtskosten nicht gemäß § 29 Ziff. 1 GKG von ihm<br />

erheben. Sie soll auch nicht <strong>de</strong>n obsiegen<strong>de</strong>n „reichen“ Prozessgegner als Zweitschuldner<br />

in Anspruch nehmen, weil die Gerichtskostenlast sonst <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>r Kostenerstattung<br />

doch wie<strong>de</strong>r die unterliegen<strong>de</strong> „arme“ Partei träfe, § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG.<br />

Wie inzwischen das BVerfG entschie<strong>de</strong>n hat, ist <strong>de</strong>r „arme“ unterliegen<strong>de</strong> Beklagte auch<br />

nicht verpflichtet, <strong>de</strong>m „reichen“ obsiegen<strong>de</strong>n Kläger aufgrund eines Kostenfestsetzungsbeschlusses<br />

Gerichtskosten zu erstatten, die <strong>de</strong>r Kläger <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Klagerhebung<br />

verauslagt hat. <strong>Die</strong>ser Entscheidung liegt die Überlegung zugrun<strong>de</strong>, dass die<br />

vom Gesetzgeber eingeräumte Gerichtskostenfreiheit <strong>de</strong>r unbemittelten Partei ungeachtet<br />

ihrer Stellung als Kläger o<strong>de</strong>r Beklagter zukommen müsse. <strong>Die</strong>se verfassungskonforme<br />

Auslegung <strong>de</strong>s § 31 Abs. 1 Satz 1 GKG hat zur Folge, dass <strong>de</strong>m obsiegen<strong>de</strong>n Kläger ein<br />

Anspruch auf Rückerstattung <strong>de</strong>r von ihm verauslagten Gerichtskosten gegen die Staatskasse<br />

analog § 2 Abs. 5 GKG zusteht<br />

An die Stelle <strong>de</strong>r <strong>im</strong> Falle <strong>de</strong>s Unterliegens zu tragen<strong>de</strong>n Gerichtskosten treten die <strong>im</strong><br />

PKH-Beschluss angeordneten Ratenzahlungen sowie <strong>de</strong>r danach zumutbare Einsatz <strong>de</strong>s<br />

Vermögens. Ist <strong>de</strong>m Rechtsuchen<strong>de</strong>n Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt<br />

wor<strong>de</strong>n, so ist die Gegenpartei aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Waffengleichheit ebenfalls von <strong>de</strong>r Verpflichtung<br />

zur Sicherheitsleistung für die Gerichtskosten entbun<strong>de</strong>n, §§ 122 Abs. 2, 125<br />

Abs. 2 ZPO.<br />

<strong>Die</strong> bedürftige Partei wird ferner von <strong>de</strong>r Vergütungspflicht gegenüber <strong>de</strong>m beigeordneten<br />

Rechtsanwalt befreit, § 122 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO. Der beigeordnete Rechtsanwalt erhält als<br />

Ausgleich einen Anspruch auf Vergütung gegen die Staatskasse, § 45 Abs. 1 RVG. <strong>Die</strong><br />

aus <strong>de</strong>r Staatskasse zu vergüten<strong>de</strong>n Gebühren sind allerdings geringer als die Gebühren,<br />

welche <strong>de</strong>r Rechtsanwalt sonst berechnen darf, § 49 RVG.<br />

Wenn aber durch die von <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Partei geleisteten Ratenzahlungen zunächst


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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die Gerichtskosten und sodann die von <strong>de</strong>r Staatskasse nach § 49 RVG gezahlte Vergütung<br />

ge<strong>de</strong>ckt ist, erhält <strong>de</strong>r Rechtsanwalt eine weitere Vergütung bis zur Höhe <strong>de</strong>r Regelgebühren,<br />

§ 50 RVG. <strong>Die</strong> von <strong>de</strong>r Staatskasse nach § 49 RVG gezahlte Vergütung ist <strong>Teil</strong><br />

<strong>de</strong>r Gerichtskosten, die die Staatskasse gegen <strong>de</strong>n unterliegen<strong>de</strong>n Gegner geltend macht,<br />

§ 59 RVG.<br />

Trotz all dieser Vorteile ist eine Klage nach Bewilligung von PKH für die bedürftige Partei<br />

nicht ganz ohne Kostenrisiko. Denn nach § 123 ZPO hat die Bewilligung <strong>de</strong>r PKH auf die<br />

Verpflichtung, die <strong>de</strong>m Gegner entstan<strong>de</strong>nen Kosten zu tragen, keinen Einfluss. Das be<strong>de</strong>utet,<br />

dass die bedürftige Partei <strong>im</strong> Falle ihres Unterliegens je<strong>de</strong>nfalls die Anwaltskosten<br />

tragen muss, welche ihrem Gegner entstan<strong>de</strong>n sind. Eine großzügige Bewilligung von<br />

PKH kann sich auf diese Weise als Bumerang entpuppen, weil <strong>de</strong>r Gegner be<strong>im</strong> Zugriff<br />

auf das Vermögen <strong>de</strong>r bedürftigen Partei nicht an die Zumutbarkeitsgrenzen <strong>de</strong>s § 115<br />

Abs. 2 ZPO gebun<strong>de</strong>n ist, son<strong>de</strong>rn bis an die Grenzen <strong>de</strong>s Existenzmin<strong>im</strong>ums pfän<strong>de</strong>n<br />

darf.<br />

<strong>Die</strong> Anfechtung <strong>de</strong>r Prozesskostenhilfeentscheidung<br />

Gegen Entscheidungen <strong>de</strong>s Amtsgerichts und <strong>de</strong>s Landgerichts <strong>im</strong> PKH-Verfahren hat <strong>de</strong>r<br />

Antragsteller, grundsätzlich das Rechtsmittel <strong>de</strong>r sofortigen Beschwer<strong>de</strong>, soweit er beschwert<br />

ist, § 127 Abs. 2, 3 ZPO. <strong>Die</strong>s ist bei zurückweisen<strong>de</strong>n Entscheidungen, bei Auferlegung<br />

von Ratenzahlungen bzw. <strong>de</strong>m Einsatz von Vermögen o<strong>de</strong>r bei Ablehnung <strong>de</strong>r<br />

Beiordnung eines Rechtsanwalts <strong>de</strong>r Fall.<br />

<strong>Die</strong> Frist zur Einreichung <strong>de</strong>r sofortigen Beschwer<strong>de</strong> beträgt (ausnahmsweise) vier Wochen<br />

ab Zustellung <strong>de</strong>r PKH Entscheidung. Ist <strong>de</strong>m Antragsteller Prozesskostenhilfe ohne<br />

Ratenzahlung bewilligt wor<strong>de</strong>n, kann sich die Staatskasse beschweren, § 127 Abs. 3 ZPO.<br />

Von diesem Beschwer<strong>de</strong>recht macht <strong>de</strong>r zuständige Bezirksrevisor stichprobenhaft<br />

Gebrauch.<br />

Der Antragsgegner ist nie beschwert, weil das PKH-Verfahren nicht seinen Interessen zu<br />

dienen best<strong>im</strong>mt ist. Er hat <strong>de</strong>mzufolge auch kein Anfechtungsrecht.


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Der vorläufige Rechtsschutz<br />

Seite 76<br />

Der vorläufige Rechtsschutz soll die verfassungsrechtlich garantierte (Art. 19 Abs. 4 GG;<br />

Rechtsstaatsprinzip) Effektivität <strong>de</strong>s Rechtsschutzes gewährleisten. Er bietet die Chance,<br />

innerhalb kurzer Zeit eine gerichtliche Entscheidung zu erwirken, mit <strong>de</strong>r verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n<br />

kann, dass vor Abschluss eines normalen Prozesses "vollen<strong>de</strong>te Tatsachen" geschaffen<br />

wer<strong>de</strong>n. Er dient also einer schnellen allerdings dafür auch nur vorläufigen (Prognose-)<br />

Entscheidung.<br />

Der vorläufige Rechtsschutz ist mit <strong>de</strong>m Risiko behaftet, <strong>de</strong>m Gegner scha<strong>de</strong>nsersatzpflichtig<br />

zu wer<strong>de</strong>n, wenn das Ergebnis <strong>de</strong>s summarischen Verfahrens einer späteren Überprüfung<br />

nicht standhält, § 945 ZPO. <strong>Die</strong> Höhe <strong>de</strong>rartiger Scha<strong>de</strong>nsersatzpflichten kann<br />

verheerend sein, etwa bei <strong>de</strong>r Verhin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Auslieferung einer Tageszeitung. Nach<br />

<strong>de</strong>r neuen Rechtsprechung <strong>de</strong>s BGH allerdings, gilt für <strong>de</strong>n Richter auch bei Verkündung<br />

einer einstweiligen Verfügung o<strong>de</strong>r eines Arrestes durch Beschluss das sogenannte<br />

Spruchrichterprivileg <strong>de</strong>s § 839 Abs. 2 S. 1 BGB (BGH Urt. v. 09.12.2004, Az III ZR<br />

200/04, ausdrücklich an<strong>de</strong>rs noch BGH Z 10, 55 (60)). Nach diesem kommt eine Haftung<br />

<strong>de</strong>s Richters also nur dann in Betracht, wenn <strong>de</strong>ssen Pflichtverletzung in einer Straftat besteht.<br />

Überblick über die gesetzlichen Regelungen<br />

Der vorläufige Rechtsschutz ist in §§ 916 ff. ZPO als fünfter Abschnitt <strong>de</strong>s 8. Buchs <strong>de</strong>r<br />

ZPO (Zwangsvollstreckung) geregelt. Allerdings ist er keine beson<strong>de</strong>re Form <strong>de</strong>s Vollstreckungs-,<br />

son<strong>de</strong>rn eine beson<strong>de</strong>re Form <strong>de</strong>s Erkenntnisverfahrens. <strong>Die</strong> Regelungen über<br />

<strong>de</strong>n vorläufigen Rechtsschutz sind dabei wie folgt geglie<strong>de</strong>rt:<br />

• Vorschriften über <strong>de</strong>n Arrest (§§ 916-934 ZPO).<br />

• Vorschriften über die einstweilige Verfügung (§§ 935-942 ZPO), die weitgehend auf<br />

die Arrestvorschriften Bezug nehmen.<br />

• Regelungen, die für bei<strong>de</strong> Formen <strong>de</strong>s vorläufigen Rechtsschutzes gelten (§§ 943-945<br />

ZPO).<br />

In <strong>de</strong>r Praxis allerdings spielt die einstweilige Verfügung die weitaus wichtigere Rolle als<br />

<strong>de</strong>r Arrest. Wichtige Son<strong>de</strong>rregelungen über <strong>de</strong>n vorläufigen Rechtsschutz fin<strong>de</strong>n sich<br />

• für das Wettbewerbsrecht <strong>im</strong> UWG<br />

• für das Presserecht in <strong>de</strong>n Pressegesetzen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r (hier: § 11 <strong>de</strong>s Hamburgischen<br />

Pressegesetzes betr. Gegendarstellungen)<br />

• für das Familienrecht in §§ 620 ff. ZPO.<br />

Unterscheidung Arrest und einstweilige Verfügung<br />

Ob das eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re zu wählen ist, hängt von Art <strong>de</strong>s zu sichern<strong>de</strong>n Anspruchs ab.<br />

Der Arrest (§ 916 BGB) sichert <strong>de</strong>n Erfolg <strong>de</strong>r beabsichtigten Zwangsvollstreckung wegen<br />

einer Geldfor<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r wegen eines Anspruchs, <strong>de</strong>r in eine Geldfor<strong>de</strong>rung übergehen<br />

kann (z.B. als Scha<strong>de</strong>nsersatzfor<strong>de</strong>rung bei Nicht- o<strong>de</strong>r Schlechterfüllung, d.h. <strong>im</strong> Ergebnis<br />

bei allen vermögensrechtlichen Ansprüchen, BGHZ 131, 95, 105).<br />

<strong>Die</strong> Sicherung erfolgt in erster Linie durch Zugriff auf das gesamte Vermögen <strong>de</strong>s Schuldners<br />

(dinglicher Arrest, §§ 917, 930 ff. ZPO), subsidiär auch durch Zugriff auf die Person<br />

<strong>de</strong>s Schuldners (persönlicher Arrest mit Freiheitsbeschränkungen wie Wegnahme von<br />

Ausweispapieren, Mel<strong>de</strong>pflicht, Hausarrest bis hin zur Haft, §§ 918, 933 ZPO).


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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<strong>Die</strong> Vollziehung <strong>de</strong>s Arrests führt nie zu einer Befriedigung <strong>de</strong>s Gläubigers, son<strong>de</strong>rn nur zu<br />

seiner Sicherung. Bewegliche Sachen wer<strong>de</strong>n daher lediglich gepfän<strong>de</strong>t, nicht aber versteigert<br />

(§ 930 ZPO). Eine For<strong>de</strong>rung wird ebenfalls nur gepfän<strong>de</strong>t, nicht aber überwiesen<br />

(§ 930 ZPO). <strong>Die</strong> Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen kann entsprechend ausschließlich<br />

durch Eintragung einer Sicherungshypothek (§ 932 ZPO: Arresthypothek) erfolgen.<br />

<strong>Die</strong> einstweilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO) kommt in allen an<strong>de</strong>ren Fällen <strong>de</strong>s vorläufigen<br />

Rechtsschutzes in Betracht. Sie erlaubt grundsätzlich je<strong>de</strong> Maßnahme, die <strong>de</strong>m Gericht<br />

zur Erreichung <strong>de</strong>s Sicherungszwecks erfor<strong>de</strong>rlich erscheint (§ 938 Abs. 1 ZPO). Das<br />

Gesetz nennt zwei Unterformen <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung, nämlich<br />

• Sicherungsverfügung (§ 935 ZPO)<br />

zur Sicherung eines Anspruchs, <strong>de</strong>r nicht auf Geld, son<strong>de</strong>rn auf eine an<strong>de</strong>re Leistung (Individualanspruch)<br />

gerichtet ist, z.B. Sicherung eines Herausgabeanspruchs gemäß § 985<br />

BGB durch Herausgabe an einen Sequester, d.h. an eine mit <strong>de</strong>r Verwahrung und Verwaltung<br />

beauftragte Vertrauensperson, etwa einen Gerichtsvollzieher und<br />

• Regelungsverfügung (§ 940 ZPO)<br />

zur Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses, z.B. unter ehemaligen Partnern einer<br />

nichtehelichen Lebensgemeinschaft, unter Gesellschaftern, <strong>im</strong> Rahmen eines Vereins o<strong>de</strong>r<br />

<strong>im</strong> Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern.<br />

Kennzeichnend für die Sicherungs- und Regelungsverfügung ist, dass durch ihren Erlass<br />

die Hauptsache nicht vorweggenommen wer<strong>de</strong>n darf. Sie dient ebenso wie <strong>de</strong>r Arrest nur<br />

<strong>de</strong>r Sicherung <strong>de</strong>s status quo. Dadurch unterschei<strong>de</strong>n sich diese Eilanordnungen von <strong>de</strong>r<br />

durch die Rechtsprechung entwickelten dritten und praktisch wohl be<strong>de</strong>utsamsten Form<br />

<strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung, nämlich <strong>de</strong>r<br />

- Leistungsverfügung (§ 940 ZPO analog)<br />

Bei <strong>de</strong>r nämlich ist <strong>im</strong> Gegensatz zur Regelungsverfügung ausnahmsweise eine Vorwegnahme<br />

<strong>de</strong>r Hauptsache erlaubt. Voraussetzung ist, dass bloß einstweiliger Rechtsschutz<br />

<strong>de</strong>m verfassungsrechtlichen Gebot <strong>de</strong>s effektiven Rechtsschutzes genügt, <strong>de</strong>r Antragsteller<br />

auf die sofortige Erfüllung <strong>de</strong>s geltend gemachten Anspruchs also dringend angewiesen<br />

ist und die Interessen <strong>de</strong>s Antragstellers die Nachteile überwiegen, die <strong>de</strong>m Antragsgegner<br />

durch <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>r Maßnahme drohen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Leistungsverfügung geht es vor allem um folgen<strong>de</strong> Fallgruppen:<br />

Leistungsverfügung betr. Zahlung einer Geldsumme<br />

Es muss eine Notlage gegeben sein, <strong>de</strong>r nur durch Erlass einer einstweiligen Verfügung<br />

begegnet wer<strong>de</strong>n kann, z.B. Beschaffung von Geld für <strong>de</strong>n Lebensunterhalt, zur Erhaltung<br />

<strong>de</strong>r Gesundheit o<strong>de</strong>r zur Abwendung be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Vermögensschä<strong>de</strong>n.<br />

Leistungsverfügung betr. Unterlassung von Handlungen<br />

Praktisch wichtiger Bereich: Wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten, Persönlichkeitsschutz;<br />

Gedanke: Unterlassungsansprüche sind häufig so sehr zeitgebun<strong>de</strong>n, dass unabhängig<br />

davon, ob die einstweilige Verfügung ergeht o<strong>de</strong>r nicht, in je<strong>de</strong>m Fall endgültige Zustän<strong>de</strong><br />

geschaffen wür<strong>de</strong>n. Auch lässt sich drohen<strong>de</strong> rechtswidrige Handlung nachträglich nicht<br />

wie<strong>de</strong>rgutmachen.<br />

Leistungsverfügung betr. Herausgabe einer Sache<br />

Ausnahmsweise darf <strong>im</strong> Rahmen einer einstweiligen Verfügung die Herausgabe einer Sa-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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che an <strong>de</strong>n Antragsteller selber (und nicht nur an einen Sequester, dann Sicherungsverfügung)<br />

erzwungen wer<strong>de</strong>n, wenn es sich um Besitzschutzansprüche wegen verbotener<br />

Eigenmacht (§§ 861 f. BGB) han<strong>de</strong>lt Begrün<strong>de</strong>t wird diese Möglichkeit damit, dass sich<br />

bereits aus <strong>de</strong>m BGB (§ 863) die beson<strong>de</strong>re Eilbedürftigkeit <strong>de</strong>r Befriedigung dieser Ansprüche<br />

ergibt. Ferner wird auf § 940 a ZPO verwiesen: Wenn man mit einer einstweiligen<br />

Verfügung <strong>im</strong> Falle <strong>de</strong>r verbotenen Eigenmacht sogar Wohnraum herausverlangen könne,<br />

müsse entsprechen<strong>de</strong>s erst recht für an<strong>de</strong>re Sachen gelten. Nach<strong>de</strong>m die verbotene Eigenmacht<br />

<strong>de</strong>n Rechtsfrie<strong>de</strong>n gewaltsam gestört hat, soll zuerst und sofort <strong>de</strong>r alte Zustand<br />

wie<strong>de</strong>rhergestellt wer<strong>de</strong>n, bevor man über das bessere Recht zum Besitz streitet und entschei<strong>de</strong>t<br />

Darüber hinaus wird die Herausgabe durch e. V. angeordnet wer<strong>de</strong>n können, wenn <strong>de</strong>r<br />

Gläubiger auf die betreffen<strong>de</strong>n Sachen dringend angewiesen ist (z.B. Arbeitspapiere)<br />

Praktische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Unterscheidung<br />

<strong>Die</strong> Wahl <strong>de</strong>r richtigen Verfahrensart (Arrest o<strong>de</strong>r e.V.) ist wesentlich für die Zulässigkeit<br />

<strong>de</strong>s Antrags. Auch unterschei<strong>de</strong>n sich einige maßgebliche Verfahrensvorschriften.<br />

Über die Einordnung einer einstweiligen Verfügung in die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Kategorie hingegen<br />

kann man häufig fruchtlos streiten. Hiervon nämlich hängt praktisch nichts ab, die<br />

Abgrenzung hat lediglich systematische Be<strong>de</strong>utung. In <strong>de</strong>r Praxis folgt hierzu daher auch<br />

in <strong>de</strong>r Regel keine Entscheidung<br />

<strong>Die</strong> Voraussetzungen für eine Eilentscheidung<br />

Allgemeine Voraussetzungen für <strong>de</strong>n Erlass einer Eilentscheidung<br />

Das Gericht prüft,<br />

• ob die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen dargetan sind<br />

• ob <strong>de</strong>r Arrest- bzw. Verfügungsanspruch dargetan ist<br />

• ob <strong>de</strong>r Arrest- bzw. Verfügungsgrund dargetan ist<br />

• ob die vorgenannten Voraussetzungen glaubhaft gemacht wor<strong>de</strong>n sind<br />

• bei einstweiligen Verfügungen: welche Anordnungen zur Erreichung <strong>de</strong>s Rechtsschutzziels<br />

erfor<strong>de</strong>rlich sind<br />

Zu: Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

Folgen<strong>de</strong> Beson<strong>de</strong>rheiten sind zu beachten:<br />

Vertretung <strong>de</strong>s Antragstellers<br />

<strong>Die</strong> Vertretung durch einen postulationsfähigen Anwalt ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, und zwar auch<br />

nicht vor LG o<strong>de</strong>r OLG (arg. §§ 920 Abs. 3, 78 Abs. 3 ZPO). Anwaltszwang besteht vor<br />

<strong>de</strong>m LG und OLG allerdings, wenn <strong>im</strong> Eilverfahren mündlich verhan<strong>de</strong>lt wird.<br />

Best<strong>im</strong>mtheit <strong>de</strong>s Antrags<br />

In <strong>de</strong>m Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz muss best<strong>im</strong>mt angegeben wer<strong>de</strong>n, was <strong>de</strong>r<br />

Antragsteller begehrt, also insbeson<strong>de</strong>re<br />

• be<strong>im</strong> Arrest die Bezeichnung als dinglich o<strong>de</strong>r persönlich sowie Grund und Höhe <strong>de</strong>r<br />

zu sichern<strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rung einschließlich Zinsen;


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Aber: In welche Vermögensgegenstän<strong>de</strong> be<strong>im</strong> dinglichen Arrest vollstreckt wer<strong>de</strong>n soll, ist<br />

grundsätzlich (Ausnahme: For<strong>de</strong>rungspfändung gemäß § 930 Abs. 1 Satz 3 ZPO) nicht<br />

durch das Arrestgericht festzusetzen. Vielmehr kann <strong>de</strong>r Gläubiger - wie bei an<strong>de</strong>ren Titeln<br />

auch - bei <strong>de</strong>r sich anschließen<strong>de</strong>n Vollstreckung aus <strong>de</strong>m Arrestbefehl wählen, worauf<br />

er diese richten will.<br />

Bei <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung bedarf es einer genauen Bezeichnung <strong>de</strong>s Rechtsschutzziels.<br />

Zu unbest<strong>im</strong>mt ist etwa <strong>de</strong>r Antrag eines Verbots, <strong>de</strong>n Gläubiger "nicht zu behin<strong>de</strong>rn".<br />

Durch welche Maßnahme das Rechtsschutzziel zu erreichen ist, muss allerdings<br />

nicht <strong>im</strong> Antrag stehen. Es reicht also etwa die Formulierung:<br />

„Es wird beantragt sicherzustellen, dass <strong>de</strong>r Antragsgegner <strong>de</strong>n Pkw (Marke, Zulassungsnummer,<br />

Fahrgestellnummer) bis zur Entscheidung über <strong>de</strong>n Herausgabeanspruch <strong>de</strong>s<br />

Antragstellers nicht weiter benutzt und/o<strong>de</strong>r veräußert.“<br />

Anregungen können aber zweckmäßig sein. Wird eine Unterlassungsverfügung beantragt,<br />

so empfiehlt es sich dringend, gleichzeitig einen Antrag auf Androhung von Ordnungsgeld<br />

o<strong>de</strong>r Ordnungshaft zu stellen (§ 890 Abs. 2 ZPO; Tenorierung wie Gesetzeswortlaut),<br />

da eine Vollstreckung ohne vorherige Androhung unzulässig ist und ein erst<br />

nach Erlass <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung gestellter Antrag einen erheblichen Zeitverlust<br />

be<strong>de</strong>uten kann.<br />

Zuständigkeit<br />

<strong>Die</strong> Zuständigkeit ist geregelt<br />

• für das Arrestverfahren in § 919 ZPO<br />

• für das einstweilige Verfügungsverfahren in §§ 937 Abs. 1, 942 ZPO.<br />

Danach ist für bei<strong>de</strong> Verfahrensarten das Gericht <strong>de</strong>r Hauptsache (§ 943 ZPO) zuständig.<br />

Das Gericht <strong>de</strong>r Hauptsache ist das Gericht,<br />

• bei <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Streit <strong>im</strong> normalen Prozess anhängig ist o<strong>de</strong>r<br />

• anhängig zu machen wäre.<br />

<strong>Die</strong> sachliche Zuständigkeit <strong>de</strong>s Amts- bzw. Landgerichts als Gericht <strong>de</strong>r Hauptsache ist<br />

vom Zuständigkeitsstreitwert <strong>de</strong>r Hauptsache, nicht vom i.d.R. niedrigeren (Gebühren-)<br />

Streitwert für die einstweilige Verfügung abhängig.<br />

Daneben kommt eine Zuständigkeit <strong>de</strong>s sog. Amtsgerichts <strong>de</strong>r Zwangsbereitschaft in Betracht,<br />

und zwar<br />

• be<strong>im</strong> Arrest wahlweise neben <strong>de</strong>m Gericht <strong>de</strong>r Hauptsache<br />

• bei <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung nur in dringen<strong>de</strong>n Fällen, zu <strong>de</strong>nen <strong>im</strong>mer die Eintragung<br />

einer Vormerkung o<strong>de</strong>r eines Wi<strong>de</strong>rspruchs gegen die Richtigkeit <strong>de</strong>s Grundbuchs<br />

gehören.<br />

Amtsgericht <strong>de</strong>r Zwangsbereitschaft ist<br />

• be<strong>im</strong> Arrest das Amtsgericht, in <strong>de</strong>ssen Bezirk sich <strong>de</strong>r mit Arrest zu belegen<strong>de</strong> Gegenstand<br />

bzw. die in ihrer persönlichen Freiheit zu beschränken<strong>de</strong> Person befin<strong>de</strong>t<br />

• bei <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung das Amtsgericht, in <strong>de</strong>ssen Bezirk sich <strong>de</strong>r Streitgegenstand<br />

befin<strong>de</strong>t.<br />

Rechtsschutzbedürfnis<br />

An einem Rechtsschutzbedürfnis für <strong>de</strong>n Erlass eines Arrests bzw. einer einstweiligen


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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Verfügung fehlt es, wenn <strong>de</strong>r Antragsteller bereits an<strong>de</strong>rweitig hinreichend gesichert ist<br />

(z.B. durch Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung, Pfandrechte, vgl. auch § 648 a<br />

Abs. 4 BGB) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Antragsteller auf billigere und einfachere Weise zum Ziel gelangen<br />

kann (z.B. wenn er bereits über ein ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Urteil<br />

verfügt).<br />

Zu: Arrest- bzw. Verfügungsanspruch<br />

Der Antragsteller muss schlüssig dartun, dass ihm <strong>de</strong>r zu sichern<strong>de</strong> Anspruch zusteht.<br />

Grundsätzlich entspricht die Verteilung <strong>de</strong>r Darlegungs- und Beweislast nach h.M dabei<br />

<strong>de</strong>rjenigen <strong>im</strong> or<strong>de</strong>ntlichen Verfahren. Es ist also <strong>im</strong> Prinzip eine Schlüssigkeitsprüfung<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n Anspruchs durchzuführen. Allerdings: <strong>Die</strong> Entscheidung<br />

<strong>im</strong> einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat keine bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Wirkung für das<br />

Hauptsacheverfahren. Denn ihr Streitgegenstand ist nur das Recht auf Sicherung, nicht<br />

<strong>de</strong>r Anspruch selbst.<br />

Fehlt es an einem Arrest- bzw. Verfügungsanspruch, so ist <strong>de</strong>r Eilantrag unbegrün<strong>de</strong>t. Besteht<br />

ein solcher Anspruch, kommt <strong>de</strong>r Erlass prinzipiell in Betracht<br />

Arrest- bzw. Verfügungsgrund<br />

Hinzukommen muss allerdings be<strong>im</strong> Arrestverfahren die schlüssige Darlegung <strong>de</strong>s Arrestgrun<strong>de</strong>s<br />

(§§ 917, 918 ZPO) und bei <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung <strong>de</strong>s Verfügungsgrun<strong>de</strong>s<br />

(§§ 935, 940 ZPO). <strong>Die</strong>ser Grund liegt in einer beson<strong>de</strong>ren Gefährdungslage, die eine Eilentscheidung<br />

ohne Abwarten <strong>de</strong>r Hauptsache erfor<strong>de</strong>rt. Eine solche Gefährdungslage liegt<br />

vor:<br />

• be<strong>im</strong> Arrest<br />

wenn zu befürchten ist, dass ohne die Arrestanordnung die Zwangsvollstreckung vereitelt<br />

o<strong>de</strong>r wesentlich erschwert wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong>s wird z.B. angenommen wenn ein Urteil <strong>im</strong> Ausland außerhalb <strong>de</strong>s Geltungsbereichs<br />

<strong>de</strong>r in § 917 Abs. 2 Satz 2 ZPO genannten Übereinkommen vollstreckt wer<strong>de</strong>n müsste<br />

(etwa: Schuldner hat konkrete Maßnahmen getroffen, die Bun<strong>de</strong>srepublik zu verlassen)<br />

o<strong>de</strong>r wenn zu befürchten ist, dass Vermögenswerte – z.B. durch Verschwendung o<strong>de</strong>r<br />

Verschiebung - <strong>de</strong>m Zugriff <strong>de</strong>r Gesamtheit aller Gläubiger entzogen wer<strong>de</strong>n. Ein Arrestgrund<br />

liegt auch vor bei Aufgabe <strong>de</strong>s festen Wohnsitzes o<strong>de</strong>r häufigem Wohnsitzwechsel<br />

und bei Straftaten <strong>de</strong>s Schuldners zum Nachteil <strong>de</strong>s Gläubigervermögens.<br />

Ein Arrestgrund liegt hingegen noch nicht vor bei schlechter Vermögenslage eines<br />

Schuldners, solange keine Verschlechterung <strong>de</strong>r Vermögensverhältnisse droht (BGHZ<br />

131, 95, 105), o<strong>de</strong>r bei drohen<strong>de</strong>m Zugriff an<strong>de</strong>rer Gläubiger auf einen best<strong>im</strong>mten Vermögensgegenstand.<br />

Der Arrest dient nämlich nicht einem Gläubigerwettlauf.<br />

• bei <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung<br />

liegt ein Verfügungsgrund vor, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

bestehen<strong>de</strong>n Zustands die Verwirklichung <strong>de</strong>s Rechtes einer Partei vereitelt o<strong>de</strong>r wesentlich<br />

erschwert wer<strong>de</strong>n könnte o<strong>de</strong>r wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher<br />

Nachteile o<strong>de</strong>r zur Verhin<strong>de</strong>rung drohen<strong>de</strong>r Gewalt o<strong>de</strong>r aus an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n nötig erscheint.<br />

<strong>Die</strong>s wird z.B. angenommen<br />

• bei konkret drohen<strong>de</strong>m Verkauf von herauszugeben<strong>de</strong>n Sachen<br />

• bei übermäßiger Nutzung von herauszugeben<strong>de</strong>m Gegenstand, wenn nämlich durch<br />

Nutzung eine so erhebliche Wertmin<strong>de</strong>rung herbeigeführt wird, dass es bei einer Voll-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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streckung <strong>de</strong>s Herausgabetitels wirtschaftlich nichts mehr wert wäre<br />

aber nicht schon:<br />

Seite 81<br />

• bei Fortsetzung <strong>de</strong>r best<strong>im</strong>mungsgemäßen Nutzung eines vom Eigentümer überlassenen<br />

Gebrauchsgegenstands nach Wegfall <strong>de</strong>s Nutzungsrechts (z.B.: Herausgabe von<br />

Gewerberäumen nach Kündigung wegen Nichtzahlung <strong>de</strong>r Miete)<br />

Der <strong>im</strong> Wettbewerbsrecht entwickelte Gedanke <strong>de</strong>r sog. Selbstwi<strong>de</strong>rlegung lässt sich<br />

auch auf an<strong>de</strong>re Rechtsgebiete übertragen, d.h. ein Verfügungsgrund fehlt, wenn <strong>de</strong>r Antragsteller<br />

trotz ursprünglich bestehen<strong>de</strong>n Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet<br />

hat, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt. „Lange“ ist dabei relativ auszulegen,<br />

nämlich unter Beachtung <strong>de</strong>s das gesamte einstweilige Rechtsschutzverfahren prägen<strong>de</strong>n<br />

Gedankens <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Eilbedürftigkeit. An einem Verfügungsgrund kann es daher –<br />

je nach Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls – bereits dann fehlen, wenn <strong>de</strong>r Berechtigte mit <strong>de</strong>r<br />

Antragstellung sechs Wochen abgewartet hat.<br />

Zu beachten ist allerdings auch, dass In Ausnahmefällen die Darlegung eines Arrest- bzw.<br />

Verfügungsgrun<strong>de</strong>s vollständig entbehrlich ist. <strong>Die</strong> Eilbedürftigkeit ergibt sich hier bereits<br />

aus <strong>de</strong>m Anspruch selbst, Fallgruppen sind etwa:<br />

• bei einstweiligen Verfügungen betr. die Eintragung einer Vormerkung, z.B. für eine<br />

Bauhandwerkersicherungshypothek, § 885 Abs. 1 Satz 2 BGB<br />

• bei einstweiligen Verfügungen betr. die Eintragung eines Wi<strong>de</strong>rspruchs gegen die<br />

Richtigkeit <strong>de</strong>s Grundbuchs, § 899 Abs. 1 Satz 2 BGB<br />

• bei <strong>de</strong>r Geltendmachung von Unterhalt für die ersten drei Monate nach <strong>de</strong>r Geburt eines<br />

nichtehelichen Kin<strong>de</strong>s nach § 1615 o Abs. 3 BGB<br />

• aus <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r Sache bei auf verbotene Eigenmacht gestützten Herausgabebegehren<br />

(LG Bremen, MDR 1989, 1111) und an<strong>de</strong>ren Besitzschutzansprüchen; das Gesetz<br />

lässt in § 863 ZPO nämlich erkennen, dass es die Befriedigung <strong>de</strong>r Besitzschutzansprüche<br />

für beson<strong>de</strong>rs eilbedürftig hält.<br />

Das Gericht darf unstreitig einen Eilantrag ohne Prüfung <strong>de</strong>s Arrest- bzw. Verfügungsgrun<strong>de</strong>s<br />

abweisen, wenn ohne weiteres festgestellt wer<strong>de</strong>n kann, dass es an einem Arrest-<br />

bzw. Verfügungsanspruch fehlt. Das gleiche gilt an<strong>de</strong>rsherum, es gibt hier keine<br />

zwingen<strong>de</strong> Prüfungsreihenfolge.<br />

Glaubhaftmachung von Anspruch und Grund<br />

Arrest- bzw. Verfügungsanspruch und Arrest- bzw. Verfügungsgrund müssen glaubhaft<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n (§§ 920 Abs. 2, 936 ZPO). <strong>Die</strong> Glaubhaftmachung (§§ 920 Abs. 2, 294<br />

ZPO) erfor<strong>de</strong>rt einen geringeren Grad <strong>de</strong>r richterlichen Überzeugung gegenüber <strong>de</strong>m vollen<br />

Beweis nach § 286 ZPO. Es muss keine an Sicherheit grenzen<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn eine überwiegen<strong>de</strong><br />

Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit <strong>de</strong>s Vorbringens vorhan<strong>de</strong>n sein (BGH<br />

VersR 1976, 928, 929). Zusätzlich zu <strong>de</strong>n Beweismitteln <strong>de</strong>s Strengbeweises ist die Versicherung<br />

an Ei<strong>de</strong>s Statt zulässig (§ 294 Abs. 1 ZPO) und zwar sowohl von <strong>de</strong>r Partei selbst<br />

als auch von etwaig <strong>im</strong> Hauptverfahren in Betracht kommen<strong>de</strong>n Zeugen.<br />

Auswahl <strong>de</strong>r zu treffen<strong>de</strong>n Maßnahmen (Erfor<strong>de</strong>rlichkeit)<br />

<strong>Die</strong> zu treffen<strong>de</strong> erfor<strong>de</strong>rliche Maßnahme steht grundsätzlich <strong>im</strong> Ermessen <strong>de</strong>s Gerichts,<br />

insbeson<strong>de</strong>re ist das Gericht nicht an <strong>de</strong>n Wortlaut <strong>de</strong>s Antrags <strong>de</strong>s Antragstellers gebun<strong>de</strong>n<br />

Allerdings sind diesem folgen<strong>de</strong> Grenzen gesetzt:<br />

• Es darf nicht ein an<strong>de</strong>rer Anspruch gesichert und nicht mehr zugesprochen wer<strong>de</strong>n als


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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beantragt war.<br />

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• <strong>Die</strong> Maßnahme darf (außer bei Leistungsverfügungen) nicht zur Befriedigung <strong>de</strong>s<br />

Gläubigers führen.<br />

• Es darf nichts angeordnet wer<strong>de</strong>n, was nicht <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>r Zwangsvollstreckung vollzogen<br />

wer<strong>de</strong>n kann.<br />

• <strong>Die</strong> einstweilige Verfügung darf sich nur gegen <strong>de</strong>n Schuldner und Antragsgegner richten;<br />

sie darf also we<strong>de</strong>r in Rechte Dritter eingreifen noch Amtspersonen o<strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n<br />

best<strong>im</strong>mte Amtshandlungen befehlen.<br />

Ausnahme hiervon: Hat eine Eintragung in das Grundbuch, das Schiffsregister o<strong>de</strong>r das<br />

Schiffsbauregister zu erfolgen, so ist das Gericht befugt, das Grundbuchamt o<strong>de</strong>r die Registerbehör<strong>de</strong><br />

um die Eintragung zu ersuchen, § 941 ZPO<br />

• Von mehreren zulässigen und geeigneten Maßnahmen ist die kostengünstigste zu<br />

wählen. Zur Sicherung von Herausgabeansprüchen stehen etwa die Möglichkeiten <strong>de</strong>r<br />

Sequestration durch einen Gerichtsvollzieher o<strong>de</strong>r Rechtsanwalt, <strong>de</strong>r amtlichen Verwahrung,<br />

z.B. in einem behör<strong>de</strong>neigenen Pfandhaus o<strong>de</strong>r bei einem Spediteur, und<br />

<strong>de</strong>r Belassung be<strong>im</strong> Antragsgegner unter Ausspruch eines Veräußerungsverbots, gegebenenfalls<br />

mit Siegelung, zur Verfügung<br />

Der prozessuale Ablauf <strong>de</strong>s Eilverfahrens<br />

Entscheidungsmöglichkeiten nach Eingang <strong>de</strong>s Antrags<br />

Grundsätzlich kommen bei einem Eilantrag zwei verschie<strong>de</strong>ne gerichtliche Verfahrensweisen<br />

in Betracht:<br />

(1) Das Gericht entschei<strong>de</strong>t ohne mündliche Verhandlung und womöglich sogar ohne<br />

Anhörung <strong>de</strong>s Antragsgegners sofort<br />

<strong>Die</strong>se Möglichkeit besteht <strong>im</strong> Arrestverfahren <strong>im</strong>mer (§§ 921 Abs. 1 ZPO), <strong>im</strong> Verfahren<br />

über <strong>de</strong>n Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nur bei beabsichtigter<br />

Zurückweisung <strong>de</strong>s Antrags o<strong>de</strong>r in dringen<strong>de</strong>n Fällen (§ 937 Abs. 2 ZPO).<br />

(2) Das Gericht beraumt kurzfristig (vgl. §§ 274 Abs. 3, 217, 226 Abs. 1 ZPO) Termin<br />

zur mündlichen Verhandlung an.<br />

Dem Antragsgegner wird dann mit <strong>de</strong>r Ladung <strong>de</strong>r Eilantrag zugestellt. Das Gericht<br />

darf, muss aber nicht Zeugen zum Termin la<strong>de</strong>n, auf die sich die Beweisführer in ihren<br />

vorbereiten<strong>de</strong>n Schriftsätzen bezogen haben. Neue Tatsachen und Mittel <strong>de</strong>r<br />

Glaubhaftmachung können von bei<strong>de</strong>n Parteien in <strong>de</strong>n Prozess eingeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> Vorschriften über die Präklusion verspätet vorgebrachter Angriffs- und Beweismittel<br />

(§ 296 ZPO) sind nicht anwendbar! Sistierte (d.h. von <strong>de</strong>n Parteien mitgebrachte)<br />

Zeugen sind zu hören! Vertagungen (§ 227 ZPO) o<strong>de</strong>r Schriftsatznachlässe<br />

(§ 283 ZPO) sind nur ganz ausnahmsweise zulässig.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung ergeht sodann nach mündlicher Verhandlung durch Endurteil (§§<br />

922 Abs. 1, 936 ZPO).<br />

Der Aufbau <strong>de</strong>r Entscheidung <strong>im</strong> einstweiligen Verfahren<br />

Rubrum<br />

Zu beachten ist die richtige Parteibezeichnung <strong>im</strong> Beschlussverfahren: Antragsteller und<br />

Antragsgegner, <strong>im</strong> Urteilsverfahren: (Arrest- bzw.) Verfügungskläger und (Arrest- bzw.)<br />

Verfügungsbeklagter. Man spricht nicht von „Prozessbevollmächtigten", son<strong>de</strong>rn von „Ver-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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fahrensbevollmächtigten".<br />

Tenor<br />

Bei <strong>de</strong>r zurückweisen<strong>de</strong>n Entscheidung lautet <strong>de</strong>r Tenor:<br />

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Der Antrag vom .... auf Erlaß eines Arrestes/einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen<br />

Der Antragsteller/Arrestkläger/Verfügungskläger trägt die Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens.<br />

Bei <strong>de</strong>r stattgeben<strong>de</strong>n Entscheidung muss <strong>de</strong>r Tenor enthalten:<br />

be<strong>im</strong> Arrest (sog. Arrestbefehl)<br />

• Bezifferung <strong>de</strong>r zu sichern<strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rung (einschließlich geschätzter Höhe <strong>de</strong>s Kostenerstattungsanspruchs)<br />

• Angabe, ob dinglicher o<strong>de</strong>r persönlicher Arrest erlassen wird<br />

Beispiel:<br />

Wegen und in Höhe einer Werklohnfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Antragstellers/Arrestklägers gegen <strong>de</strong>n<br />

Antragsgegner/Arrestbeklagten aus <strong>de</strong>m Bauvertrag vom ... von 75.000,-- nebst .... Zinsen<br />

.... seit ... und einer Kostenpauschale von 6.000,-- wird <strong>de</strong>r dingliche Arrest in das<br />

Vermögen <strong>de</strong>s Antragsgegners/Arrestbeklagten angeordnet.<br />

• bei <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung<br />

best<strong>im</strong>mte Angabe <strong>de</strong>r Anordnung gemäß § 938 ZPO<br />

Beispiel:<br />

Dem Antragsgegner wird verboten, die Behauptungen aufzustellen und zu verbreiten, <strong>de</strong>r<br />

Antragsteller kaufe gestohlene Kraftfahrzeuge an, fälsche die Fahrgestellnummern und<br />

verän<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n Tachostand, bevor er die Fahrzeuge weiterverkaufe.<br />

Weiter ist gemäß § 91 Abs. 1 ZPO eine Kostenentscheidung zu Lasten <strong>de</strong>s Antragsgegners/Arrestbeklagten/Verfügungsbeklagten<br />

zu treffen.<br />

„<strong>Die</strong> Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens hat <strong>de</strong>r Antragsgegner / Arrestbeklagte / Verfügungsbeklagte<br />

zu tragen.“<br />

Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, wenn <strong>de</strong>m Antrag<br />

entsprochen wird. Beschlüsse sind ohnehin stets vorläufig vollstreckbar (vgl. § 794 Abs. 1<br />

Nr. 3 ZPO). Im Übrigen, also bei Urteilen, ergibt sich die vorläufige Vollstreckbarkeit aus<br />

<strong>de</strong>m Wesen einer Eil- und Sicherungsmaßnahme ohne weiteres; Arrest und einstweilige<br />

Verfügung sind schon kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbar.<br />

Wird <strong>de</strong>r Arrest bzw. die einstweilige Verfügung <strong>im</strong> Urteilswege hingegen abgelehnt, so ist<br />

das <strong>de</strong>n Antrag zurückweisen<strong>de</strong> Urteil zusätzlich nach § 708 Nr. 6 ZPO für vorläufig vollstreckbar<br />

zu erklären. Gleichzeitig ist <strong>de</strong>m Arrest- bzw. Verfügungskläger Vollstreckungsschutz<br />

nach § 711 S. 1 ZPO zu gewähren.<br />

Statt Sicherheitsleistung Lösungssumme bei Arrest<br />

Der Arrestbefehl muss allerdings eine sog. Lösungssumme enthalten, also die Festsetzung<br />

eines Geldbetrags, durch <strong>de</strong>ren Hinterlegung <strong>de</strong>r Schuldner die Vollziehung <strong>de</strong>s Arrest<br />

abwen<strong>de</strong>n kann und <strong>de</strong>r Schuldner zu <strong>de</strong>m Antrag auf Aufhebung eines vollzogenen<br />

Arrestes berechtigt wird (§ 923 ZPO). <strong>Die</strong> Höhe <strong>de</strong>r Lösungssumme wird nach <strong>de</strong>r zu sichern<strong>de</strong>n<br />

For<strong>de</strong>rung, Zinsen und einer Kostenpauschale bemessen. <strong>Die</strong> Aufhebung einer


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung kann nur unter beson<strong>de</strong>ren Umstän<strong>de</strong>n<br />

gestattet wer<strong>de</strong>n, § 939 ZPO.<br />

<strong>Die</strong> Anordnung bzw. Vollziehung sowohl <strong>de</strong>s Arrestes als auch <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung<br />

können in<strong>de</strong>s von einer Sicherheitsleistung <strong>de</strong>s Gläubigers abhängig gemacht wer<strong>de</strong>n<br />

(§§ 936, 921 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Eine solche Anordnung kommt z.B. in Betracht,<br />

wenn zu befürchten ist, dass <strong>de</strong>r durch die Eilmaßnahme zu erwarten<strong>de</strong> Scha<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Gegners beson<strong>de</strong>rs hoch sein wird o<strong>de</strong>r die Vermögensverhältnisse <strong>de</strong>s Gläubigers es<br />

bezweifeln lassen, ob dieser etwaige Scha<strong>de</strong>nsersatzansprüche <strong>de</strong>s Gegners erfüllen<br />

kann.<br />

Grün<strong>de</strong><br />

<strong>Die</strong> zurückweisen<strong>de</strong> Entscheidung ist mit Grün<strong>de</strong>n (<strong>im</strong> Beschlussverfahren) bzw. Tatbestand<br />

und Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n (<strong>im</strong> Urteilsverfahren) zu versehen. Auch das stattgeben<strong>de</strong><br />

Urteil (also das nach mündlicher Verhandlung ergangene) enthält gemäß § 313<br />

ZPO Tatbestand und Entscheidungsgrün<strong>de</strong>. Der stattgeben<strong>de</strong> Beschluss wird in <strong>de</strong>r Praxis<br />

üblicherweise hingegen nicht begrün<strong>de</strong>t.<br />

Zustellung <strong>de</strong>r Entscheidung<br />

• Erfolgt die Eilentscheidung durch Urteil, so wird sie verkün<strong>de</strong>t.<br />

• Im Beschlussverfahren gilt folgen<strong>de</strong>s:<br />

<strong>Die</strong> zurückweisen<strong>de</strong> Entscheidung wird <strong>de</strong>m Antragsteller formlos mitgeteilt. Eine Zustellung<br />

an <strong>de</strong>n Antragsgegner erfolgt nicht (§ 922 Abs. 3 ZPO). <strong>Die</strong> stattgeben<strong>de</strong> Entscheidung<br />

wird <strong>de</strong>m Antragsteller bzw. <strong>de</strong>ssen Verfahrensbevollmächtigten zugestellt, und zwar<br />

förmlich. Grund: Nachweis <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Vollziehungsfrist (s.u. Ziff. 4).<br />

Das Vollstreckungsverfahren bei erwirkten Titeln <strong>im</strong> einstweiligen Verfahren<br />

<strong>Die</strong> Vollziehung von Eilanordnungen ist in §§ 929 bis 934 ZPO beson<strong>de</strong>rs geregelt. Ergänzend<br />

ist auf die allgemeinen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung zurückzugreifen,<br />

§§ 928, 704 ff. ZPO. Vollstreckungstitel ist <strong>de</strong>r Arrestbefehl bzw. die einstweilige Verfügung.<br />

Eine Vollstreckungsklausel ist nur erfor<strong>de</strong>rlich, wenn die Vollziehung für o<strong>de</strong>r gegen<br />

einen an<strong>de</strong>ren als <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Eilanordnung Bezeichneten erfolgen soll, §§ 929 Abs. 1,<br />

936 ZPO.<br />

<strong>Die</strong> Zustellung <strong>de</strong>s Arrestbefehls bzw. <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung an <strong>de</strong>n Antragsgegner<br />

erfolgt ausnahmsweise nicht von Amts wegen, son<strong>de</strong>rn ist vom Antragsteller zu bewirken,<br />

§§ 922 Abs. 2, 936 ZPO. Der Antragsteller hat dadurch die Möglichkeit, <strong>de</strong>n Antragsgegner<br />

mit <strong>de</strong>r Vollziehung zu überraschen und erst dann die stattgeben<strong>de</strong> Entscheidung zustellen<br />

zu lassen, § 929 Abs. 3 ZPO. Dabei sind jedoch Fristen zu beachten:<br />

<strong>Die</strong> Vollziehung <strong>de</strong>s Arrestbefehls bzw. <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung muss binnen eines<br />

Monats seit <strong>de</strong>r Zustellung (<strong>im</strong> Beschlussverfahren) bzw. Verkündung (<strong>im</strong> Urteilsverfahren)<br />

<strong>de</strong>r Entscheidung erfolgen, § 929 Abs. 2 ZPO!<br />

dabei genügt es, wenn innerhalb <strong>de</strong>r Frist ein Antrag auf Zwangsvollstreckung an das<br />

zuständige Organ gestellt wird (BGHZ 112, 356 ff.).<br />

<strong>Die</strong> Zustellung an <strong>de</strong>n Antragsgegner kann nach Vollziehung erfolgen, muss dann aber<br />

spätestens binnen einer Woche nachgeholt wer<strong>de</strong>n und ebenfalls binnen <strong>de</strong>r Monatsfrist<br />

erfolgen!<br />

Bei Fristversäumnis verlieren Eilentscheidung und gegebenenfalls schon erfolgte Vollziehungsmaßnahmen<br />

ihre Wirkung! Ergeht die Eilentscheidung aufgrund mündlicher Ver-


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

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handlung in Urteilsform, so beginnt die Vollziehungsfrist mit <strong>de</strong>r Verkündung <strong>de</strong>s Urteils (§<br />

929 Abs. 2 Alt. 1 ZPO), sonst mit Zustellung <strong>de</strong>r Entscheidung an <strong>de</strong>n Antragsteller.<br />

Für die Vollziehung <strong>de</strong>s Arrestes<br />

• in bewegliches Vermögen (§ 930 ZPO: nur Pfändung, keine Versteigerung)<br />

• in For<strong>de</strong>rungen (§ 930 ZPO: nur Pfändung, keine Überweisung)<br />

• in ein eingetragenes Schiff (§ 931 ZPO: nur Pfändung, keine Versteigerung)<br />

• in ein Grundstück (§ 932 ZPO: Arresthypothek, keine Versteigerung)<br />

gibt es <strong>de</strong>s Weiteren Son<strong>de</strong>rvorschriften, die gewährleisten sollen, dass es – <strong>de</strong>m Zweck<br />

<strong>de</strong>s Eilverfahrens entsprechend – nur zu einer Sicherung, nicht aber zu einer Befriedigung<br />

<strong>de</strong>s Gläubigers kommt.<br />

Rechtsbehelfe<br />

Gegen die Zurückweisung <strong>de</strong>s Antrags auf Erlass eines Arrestes o<strong>de</strong>r einer einstweiligen<br />

Verfügung <strong>im</strong> Beschlusswege kann <strong>de</strong>r Antragsteller sofortige Beschwer<strong>de</strong> (§ 567 Abs.<br />

1 Ziff. 2 ZPO) einlegen. Gegen ein entsprechen<strong>de</strong>s Urteil (also nach mündlicher Verhandlung)<br />

ist die Berufung zulässig (§ 511 ZPO).<br />

Wenn <strong>de</strong>r Arrest bzw. die einstweilige Verfügung aufgrund mündlicher Verhandlung durch<br />

Urteil erlassen (o<strong>de</strong>r nach Wi<strong>de</strong>rspruch durch Urteil bestätigt) wur<strong>de</strong>, so kann <strong>de</strong>r Antragsgegner<br />

Berufung einlegen. Gegen einen <strong>im</strong> Beschlussverfahren erlassenen Arrest<br />

bzw. einstweilige Verfügung – also ohne mündliche Verhandlung - ist <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

be<strong>im</strong> entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Gericht zulässig (§ 924 Abs. 1 ZPO).<br />

Er ist - an<strong>de</strong>rs als die Berufung - nicht fristgebun<strong>de</strong>n. Nach § 924 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist<br />

<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruch zu begrün<strong>de</strong>n. Es han<strong>de</strong>lt sich aber nicht um eine Zulässigkeitsvoraussetzung.<br />

Der Wi<strong>de</strong>rspruch hat keine die Vollziehung hemmen<strong>de</strong> Wirkung. Der Antragsgegner<br />

kann aber beantragen, dass die Vollziehung ganz o<strong>de</strong>r teilweise, gegen o<strong>de</strong>r ohne<br />

Sicherheitsleistung eingestellt wird (§§ 707, 924 Abs. 2 ZPO).<br />

Das Gericht hat sodann grundsätzlich mündliche Verhandlung anzuberaumen, § 924<br />

Abs. 2 Satz 2 ZPO und zwar – was sich wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r Sache ergibt – so<br />

schnell wie möglich. In <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung wer<strong>de</strong>n dann Arrest- (Verfügungs-) -<br />

anspruch und Arrest- (Verfügungs-) -grund in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht neu<br />

überprüft. Zum Beweis ist die Glaubhaftmachung aufgrund <strong>de</strong>r präsenten Beweismittel<br />

möglich und zulässig. Es wer<strong>de</strong>n also praktisch diejenigen Erwägungen nachgeholt, die<br />

bei einer mündlichen Verhandlung vor Erlass <strong>de</strong>s Arrestes bzw. <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung<br />

angestellt wor<strong>de</strong>n wären. Allerdings kommt es darauf an, ob die Eilmaßnahme nach<br />

jetzigem Stand gerechtfertigt ist, nicht, ob sie ursprünglich gerechtfertigt war.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung ergeht in Form eines Endurteils (§ 925 Abs. 1 ZPO), das <strong>de</strong>n in § 925<br />

Abs. 2 ZPO beschriebenen Inhalt haben kann. Bleibt es durch dieses bei <strong>de</strong>m Arrestbefehl<br />

bzw. <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung, so wird diese bestätigt und <strong>de</strong>r Beklagte hat auch die<br />

weiteren Kosten zu tragen. Der Tenor lautet etwa:<br />

„<strong>Die</strong> einstweilige Verfügung vom ... (die am ... angeordnete e.V.) wird bestätigt. <strong>Die</strong> weiteren<br />

Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens hat <strong>de</strong>r Verfügungsbeklagte zu tragen.“<br />

Es erfolgt auch hier kein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit! Erweist sich <strong>de</strong>r<br />

Antrag auf Erlass <strong>de</strong>s Arrests / <strong>de</strong>r einstweiligen Verfügung als unzulässig o<strong>de</strong>r unbegrün<strong>de</strong>t,<br />

wird <strong>de</strong>r Arrestbefehl / die einstweilige Verfügung aufgehoben und <strong>de</strong>r Antrag zurückgewiesen:


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<strong>Teil</strong> 2: Prozessuale Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />

Version 2.2<br />

Seite 86<br />

„<strong>Die</strong> einstweilige Verfügung / <strong>de</strong>r Arrestbefehl vom ... wird aufgehoben. Der Antrag <strong>de</strong>s<br />

Verfügungsklägers / Arrestklägers vom ... auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung / auf<br />

Anordnung eines Arrests wird zurückgewiesen.<br />

<strong>Die</strong> Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens hat <strong>de</strong>r Verfügungskläger / Arrestkläger zu tragen.<br />

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger / Arrestkläger kann die Vollstreckung<br />

durch Sicherheitsleistung i.H.v. ... abwen<strong>de</strong>n, wenn nicht <strong>de</strong>r Verfügungsbeklagte<br />

/ Arrestbeklagte vor <strong>de</strong>r Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.“<br />

<strong>Die</strong> vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach <strong>de</strong>n §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO (falls nicht<br />

berufungsfähig, gilt § 713 ZPO). <strong>Die</strong> Höhe <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung bemisst sich bei einem<br />

Arrest und <strong>de</strong>n einstweiligen Verfügungen, die mit Vollstreckungsmaßnahmen verbun<strong>de</strong>n<br />

sind, nach <strong>de</strong>m Wert <strong>de</strong>r aufgehobenen Hauptsache und <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r gegen <strong>de</strong>n Kläger<br />

vollstreckbaren Kosten; dies folgt daraus, dass <strong>de</strong>r Kläger mit <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung die<br />

Aufhebung <strong>de</strong>r Vollstreckungsmaßnahmen (§ 775 Nr. 1 ZPO) muss abwen<strong>de</strong>n können.<br />

An<strong>de</strong>rs ist die Sachlage bei einstweiligen Verfügungen, die lediglich Gebote o<strong>de</strong>r Verbote<br />

zum Gegenstand haben; diese treten mit <strong>de</strong>r aufheben<strong>de</strong>n Entscheidung von selbst außer<br />

Kraft (§ 717 Abs. 1 ZPO), so dass sich die Abwendungsbefugnis nicht hierauf, son<strong>de</strong>rn nur<br />

auf die Vollstreckung <strong>de</strong>r Kosten beziehen kann.<br />

Der Arrest / die einstweilige Verfügung kann auch teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben<br />

wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Tenorierung ergibt sich dann aus einer Kombination <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n oben<br />

beschriebenen Fallkonstellationen, etwa:<br />

„<strong>Die</strong> e.V. vom ... wird bestätigt, soweit <strong>de</strong>m Verfügungsbeklagten verboten wor<strong>de</strong>n ist, ....<br />

Im Übrigen wird die e.V. aufgehoben und <strong>de</strong>r Antrag <strong>de</strong>s Verfügungsklägers vom ... auf<br />

Erlass einer e.V. zurückgewiesen.<br />

<strong>Die</strong> Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens hat <strong>de</strong>r Verfügungsbeklagte zu ...% und <strong>de</strong>r Verfügungskläger<br />

zu ...% zu tragen.<br />

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger kann die Vollstreckung durch<br />

Sicherheitsleistung i.H.v. ... abwen<strong>de</strong>n, wenn nicht <strong>de</strong>r Verfügungsbeklagte vor <strong>de</strong>r Vollstreckung<br />

Sicherheit in gleicher Höhe leistet.“<br />

Alternativ hat <strong>de</strong>r Antragsgegner die Möglichkeit, vom Arrest- o<strong>de</strong>r Verfügungsgericht die<br />

Anordnung zu verlangen, dass <strong>de</strong>r Antragsteller binnen einer in <strong>de</strong>r Anordnung zu best<strong>im</strong>men<strong>de</strong>n<br />

Frist Klage in <strong>de</strong>r Hauptsache zu erheben hat (§ 926 Abs. 1 ZPO). Er wird<br />

dies tun, wenn er <strong>im</strong> Hauptverfahren bessere Erfolgs- und Beweischancen sieht als <strong>im</strong><br />

Verfahren <strong>de</strong>s vorläufigen Rechtsschutzes. <strong>Die</strong> Anordnung ergeht durch <strong>de</strong>n Rechtspfleger<br />

(§ 20 Nr. 14 RPflG).<br />

Kommt <strong>de</strong>r Antragsteller <strong>de</strong>r Auffor<strong>de</strong>rung nicht fristgemäß nach, so ist auf Antrag <strong>de</strong>s Antragsgegners<br />

Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Arrest bzw.<br />

die einstweilige Verfügung durch Endurteil aufzuheben ist (§ 926 Abs. 2 ZPO).<br />

Der Antragsgegner kann die gerichtliche Entscheidung aber auch zunächst akzeptieren<br />

und gegebenenfalls später (z.B. wegen versäumter Vollziehungsfrist, aufgrund seines Erbietens<br />

zur Sicherheitsleistung, nach einer ihm günstigen rechtskräftigen Entscheidung in<br />

<strong>de</strong>r Hauptsache) Antrag auf Aufhebung wegen verän<strong>de</strong>rter Umstän<strong>de</strong> stellen (§ 927 ZPO).

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