Das Skript Teil 1 bis einschließlich Seite 9 - Matthias-buhk.de
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© RiAG Dr. Buhk<br />
<strong>Teil</strong> 1: Grundlagen <strong>de</strong>r praktischen Tätigkeit<br />
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Die Zivilrechtsstation im Referendariat<br />
<strong>Teil</strong> 1:<br />
Grundlagen
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<strong>Teil</strong> 1: Grundlagen <strong>de</strong>r praktischen Tätigkeit<br />
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Inhaltsverzeichnis<br />
1. Der Eingang <strong>de</strong>r Klage bei Gericht<br />
1.1 Anhängigkeit und Rechtshängigkeit <strong>de</strong>r Klage<br />
1.2 Der notwendige Inhalt <strong>de</strong>r Klagschrift<br />
1.3 Die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage<br />
1.4 Die Schlüssigkeit <strong>de</strong>r Klage<br />
1.5 förmliche Zustellung <strong>de</strong>r Klage (§§ 166 ff. ZPO)<br />
und <strong>de</strong>ren Wirkung<br />
1.6 Früher erster Termin und schriftliches Vorverfahren<br />
2. Die Klagerwi<strong>de</strong>rung<br />
3. Die Beweisstation<br />
3.1 Beweisbedürftigkeit<br />
3.2 Beweislast<br />
3.3 Beweisführung<br />
3.4 Beweismittel<br />
3.4.1 Beweis durch Zeugen<br />
3.4.2 Beweis durch Sachverständigen<br />
3.4.3 Beweis durch Augenschein<br />
3.4.4 Beweis durch Parteivernehmung<br />
3.4.5 Beweis durch Urkun<strong>de</strong>n<br />
3.5. Der Beweisbeschluss<br />
3.6 Die Beweisaufnahme<br />
4. Die Relation<br />
5. Der Haupttermin<br />
6. <strong>Das</strong> Urteil<br />
6.1 <strong>Das</strong> Rubrum<br />
6.2 Die Urteilsformel (Tenor)<br />
6.3 Die Kostenentscheidung<br />
6.4 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit<br />
6.5 Der Tatbestand <strong>de</strong>s Urteils<br />
6.6 Entscheidungsgrün<strong>de</strong><br />
7. Der Aktenvortrag
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1. Der Eingang einer Klage bei Gericht<br />
Ausgangspunkt für das Zivilverfahren ist die Klageschrift. Deren (notwendiger) Inhalt<br />
ist in § 253 ZPO umrissen. Grundsätzlich ist sie schriftlich bei Gericht einzureichen.<br />
Ausnahmsweise kann sie vor <strong>de</strong>m Amtsgericht auch mündlich zu Protokoll <strong>de</strong>r Geschäftsstelle<br />
erklärt wer<strong>de</strong>n, § 496 ZPO. Der Urkundsbeamte <strong>de</strong>s Gerichts unterstützt<br />
<strong>de</strong>n anwaltlich nicht vertreten<strong>de</strong>n Kläger dann bei <strong>de</strong>r formalen Gestaltung seiner<br />
Klage.<br />
Mit Eingang <strong>de</strong>r Klageschrift im Geschäftsbereich <strong>de</strong>s Gerichts erhält diese zunächst<br />
einen Eingangsstempel mit Datum und Vermerk <strong>de</strong>s eingehen<strong>de</strong>n Gerichts. Der<br />
Stempel dokumentiert, dass und wann die Klage anhängig gewor<strong>de</strong>n ist.<br />
1.1 Anhängigkeit und Rechtshängigkeit <strong>de</strong>r Klage<br />
Von Anhängigkeit <strong>de</strong>r Klage spricht man ab Eingang von dieser bei Gericht. Anhängigkeit<br />
ist praktisch wichtig insbeson<strong>de</strong>re für die Hemmung <strong>de</strong>r Verjährung, § 167<br />
ZPO.<br />
Durch § 167 ZPO wer<strong>de</strong>n die Wirkungen <strong>de</strong>r Zustellung <strong>de</strong>r Klage auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt<br />
<strong>de</strong>r Einreichung o<strong>de</strong>r Anbringung <strong>de</strong>r Klage zurück verlagert, sofern die Zustellung<br />
<strong>de</strong>mnächst erfolgt. Fristen i.S.d. § 167 ZPO sind alle materiellen und prozessualen<br />
Fristen (insbeson<strong>de</strong>re Ausschluss- und Notfristen), <strong>de</strong>ren Ablauf durch Klageerhebung<br />
unterbrochen wird (z.B. Verjährung, Klagefrist in Mieterhöhungsverfahren,<br />
§ 558 b Abs. 2 BGB). Der Gedanke, <strong>de</strong>r hinter <strong>de</strong>r Vorschrift steht, ist dabei: Keine<br />
Partei soll ein Verzögerungsrisiko tragen, das außerhalb ihrer Einflusssphäre liegt.<br />
Daraus folgt positiv formuliert: Einer Partei sind Verzögerungen bei <strong>de</strong>r Zustellung<br />
nicht zuzurechnen, wenn die Ursache im Amtsbetrieb liegt. Und negativ formuliert:<br />
Die Klage ist nicht <strong>de</strong>mnächst zugestellt, wenn <strong>de</strong>r Kläger o<strong>de</strong>r sein Prozessbevollmächtigter<br />
durch nachlässiges Verhalten zu einer nicht nur ganz geringfügigen Verzögerung<br />
<strong>de</strong>r Zustellung (mit-) beigetragen hat. Von einer nicht nur ganz geringfügigen<br />
Verzögerung kann i.d.R. bei einer um mehr als zwei Wochen durch die Nachlässigkeit<br />
verursachten Verspätung ausgegangen wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Anfor<strong>de</strong>rungen, um in <strong>de</strong>n Genuss <strong>de</strong>r Wirkungen <strong>de</strong>s § 167 ZPO zu kommen,<br />
sind hoch: Der Kläger, <strong>de</strong>r alle tatsächlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, <strong>de</strong>n<br />
Aufenthalt <strong>de</strong>s verschollenen Beklagten zu ermitteln, vermag sich nicht mit Erfolg auf<br />
§ 167 ZPO zu berufen, wenn er neben Einreichung <strong>de</strong>r Klage beim zuständigen Gericht<br />
nicht zu<strong>de</strong>m auch einen Antrag auf öffentliche Zustellung in unverjährter Zeit<br />
gestellt hat. Taucht <strong>de</strong>r Beklagte in diesem Fall später nach Eintritt <strong>de</strong>r Verjährung<br />
wie<strong>de</strong>r auf, greift seine Verjährungseinre<strong>de</strong> (BGH NJW 2004, 3418).<br />
Mit Zustellung an <strong>de</strong>n Beklagten wird die Klage dann rechtshängig (§§ 253 Abs. 1,<br />
261 Abs. 1 ZPO). Verbun<strong>de</strong>n hiermit sind folgen<strong>de</strong> Wirkungen:<br />
- ein weiterer Rechtsstreit in <strong>de</strong>rselben Sache wird unzulässig, § 261 Abs. 3 Nr.<br />
1 ZPO<br />
- die Zuständigkeit <strong>de</strong>s Prozessgerichts wird durch eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r sie<br />
begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong> nach Rechtshängigkeit nicht mehr berührt, § 261<br />
Abs. 3 Nr. 2 ZPO, also Klartext: <strong>Das</strong> bei Rechtshängigkeit zuständige Gericht<br />
bleibt dieses grundsätzlich auch hiernach<br />
Eine Ausnahme gilt allerdings für die sachliche Zuständigkeit <strong>de</strong>s Amtgerichts,<br />
die auch nachträglich in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Konstellationen entfallen kann:
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-- nachträglicher Klagerweiterung gem. § 264 Nr. 2 und 3 ZPO<br />
-- streitwerterhöhen<strong>de</strong>r Klageän<strong>de</strong>rung ( § 263 ZPO)<br />
-- Wi<strong>de</strong>rklage (§ 33 ZPO)<br />
-- nachträgliche Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO)<br />
- eine Klageän<strong>de</strong>rung (§ 263 ZPO) ist nur noch zulässig, wenn Beklagte Partei<br />
einwilligt o<strong>de</strong>r Gericht sie für sachdienlich erachtet, was immer dann <strong>de</strong>r Fall<br />
sein wird, wenn ein neuer Rechtsstreit vermie<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong><br />
- die Verjährung wird gehemmt, § 204 BGB<br />
- <strong>de</strong>r Schuldner gerät spätestens ab Rechtshängigkeit auch ohne vorherige<br />
Mahnung in Verzug, § 286 Abs. 1 BGB<br />
- es entsteht ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen,<br />
§§ 291, 288 BGB<br />
- es wird verschärft gehaftet, §§ 818 Abs. 4, 987 ff. BGB.<br />
1.2 Echte Prozessvoraussetzungen<br />
Bevor <strong>de</strong>r Richter verfahrensleiten<strong>de</strong> Anordnungen trifft, sollte er zumin<strong>de</strong>st im Kopf<br />
als erstes das Vorliegen <strong>de</strong>r sogenannten echten Prozessvoraussetzungen prüfen.<br />
Sind diese nämlich nicht erfüllt, kommt es gar nicht erst zum Rechtstreit. Der Richter<br />
stellt die Klage <strong>de</strong>m Gegner dann gar nicht erst zu. Es gibt keine <strong>de</strong>n Rechtstreit einleiten<strong>de</strong><br />
und <strong>de</strong>r ZPO genügen<strong>de</strong> Klagschrift.<br />
Echte Prozessvoraussetzungen sind die konkrete Bezeichnung <strong>de</strong>s angerufenen Gerichts<br />
und <strong>de</strong>r Parteien <strong>de</strong>s Rechtsstreits, und zwar in <strong>de</strong>r Regel mit voller Anschrift,<br />
die Unterschrift <strong>de</strong>s Klägers bzw. seines Bevollmächtigten unter <strong>de</strong>r Klage und im<br />
Anwaltsprozess (§ 78 ZPO) die Erhebung <strong>de</strong>r Klage durch einen zugelassenen<br />
Rechtsanwalt.<br />
Mängel bei diesen Voraussetzungen führen in <strong>de</strong>r Praxis allerdings eher selten zu<br />
abweisen<strong>de</strong>n Entscheidungen. Oft genügt ein Telefonanruf beim Kläger (-vertreter),<br />
um das <strong>bis</strong>lang versäumte prozessgerecht nachzuholen.<br />
1.3 Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage<br />
Sodann wird <strong>de</strong>r Richter sich mit <strong>de</strong>r Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage beschäftigen. Fallen ihm<br />
hierbei Mängel auf, wird er ebenfalls auf diese bereits jetzt hinzuweisen haben, § 139<br />
ZPO.<br />
In <strong>de</strong>r Praxis liegen bei <strong>de</strong>r Zulässigkeitsprüfung gewöhnlich keine Probleme. Auch in<br />
vielen Klausur ist nichts zur Zulässigkeit auszuführen. Um aber etwaige Zulässigkeitsprobleme<br />
gleichwohl erkennen zu können, sollten die wesentlichen in Betracht<br />
kommen<strong>de</strong>n Zulässigkeitsvoraussetzungen im Kopf kurz abgehakt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Prüfung <strong>de</strong>r Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage hat dabei zwingend Vorrang vor <strong>de</strong>r Prüfung<br />
<strong>de</strong>r (materiellen) Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Klage. Die materielle Rechtskraftwirkung <strong>de</strong>s<br />
§ 322 ZPO nämlich wirkt nur insoweit als inhaltlich (also nicht nur auf <strong>de</strong>r Zulässigkeitsebene)<br />
über <strong>de</strong>n geltend gemachten Anspruch entschie<strong>de</strong>n wird. Wird eine Klage<br />
also als unzulässig abgewiesen (sogenanntes Prozessurteil), kann sie je<strong>de</strong>rzeit<br />
wie<strong>de</strong>r anhängig gemacht wer<strong>de</strong>n, da <strong>de</strong>m Urteil keine materielle Rechtskraftwirkung<br />
zukommt. Ist hingegen materiell über <strong>de</strong>n Anspruch selber entschie<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n, wirkt
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§ 322 ZPO in <strong>de</strong>r Weise, dass in <strong>de</strong>r Sache grundsätzlich nicht erneut entschie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n darf.<br />
Die Parteien sind grundsätzlich nicht berechtigt über Zulässigkeitsfragen zu disponieren.<br />
Insoweit nämlich gilt ausnahmsweise die Offizialmaxime, vgl. § 56 ZPO, <strong>de</strong>r über<br />
seinen Wortlaut hinaus weit ausgelegt wird. Allerdings gibt es in einigen Konstellationen<br />
die Möglichkeit, dass ein Zulässigkeitsmangel durch sogenanntes rügeloses Einlassen<br />
<strong>de</strong>r Parteien geheilt wird. <strong>Das</strong> be<strong>de</strong>utet, dass bei<strong>de</strong> Parteien, ohne <strong>de</strong>n Fehler<br />
geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhan<strong>de</strong>ln, also Anträge stellen, vgl.<br />
§ 137 Abs. 1 ZPO. Im Gesetz geregelte Fälle <strong>de</strong>r rügelosen Einlassung sind etwa:<br />
- § 39 ZPO (Zuständigkeit); s. allerdings auch § 504 ZPO, bei Amtsgericht<br />
also erst möglich, wenn Hinweis <strong>de</strong>s Gerichts auf Unzuständigkeit erfolgt<br />
ist<br />
- § 267 ZPO (Klagän<strong>de</strong>rung)<br />
Eine weiter gefasste Konstellation <strong>de</strong>r rügelosen Einlassung benennt § 295 Abs. 1<br />
ZPO. Diese Vorschrift ist jedoch nicht anzuwen<strong>de</strong>n, wenn Vorschriften verletzt sind,<br />
auf <strong>de</strong>ren Befolgung eine Partei nicht wirksam verzichten kann, § 295 Abs. 2 ZPO.<br />
Zu solchen unverzichtbaren Normen gehören die von Amts wegen zu beachten<strong>de</strong>n<br />
Prozessvoraussetzungen.<br />
Verfahrensfehler, die nur eine einzelne Prozesshandlung betreffen, ohne die Zulässigkeit<br />
<strong>de</strong>s ganzen Verfahrens zu gefähr<strong>de</strong>n, gehören überhaupt nicht in die Prozessstation.<br />
Solche Fehler lassen sich leicht in fast je<strong>de</strong>r Akte fin<strong>de</strong>n (z.B. fehlen<strong>de</strong><br />
Belehrung von Zeugen, unvollständige Unterschriften unter richterlichen Verfügungen).<br />
Solange sie das Ergebnis nicht beeinflussen können, sind sie mit Stillschweigen<br />
zu übergehen.<br />
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen im Einzelnen:<br />
Persönliche Prozessvoraussetzungen:<br />
- Parteifähigkeit: § 50 ZPO (nicht je<strong>de</strong>r kann verklagt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn nur <strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>r auch parteifähig ist)<br />
- Prozessfähigkeit, § 51 ZPO:<br />
prozessfähig sind nur natürliche Personen, <strong>de</strong>swegen müssen bei juristischen<br />
Personen, wie z.B. Vereinen o<strong>de</strong>r GmbH ebenso wie bei Gewerkschaften<br />
und Parteien stets natürliche Personen als gesetzliche<br />
Vertreter bezeichnet wer<strong>de</strong>n!<br />
- Prozessführungsbefugnis (gesetzlich nicht geregelt)<br />
stellt sich dann als Problem, wenn jemand im eigenen Namen das Recht eines an<strong>de</strong>ren<br />
einklagt. Es wird unterschie<strong>de</strong>n zwischen gesetzlicher und gewillkürter Prozessstandschaft.<br />
Gesetzliche Prozessstandschaft ist eine solche, bei <strong>de</strong>m das Gesetz es ausdrücklich<br />
zulässt, dass jemand ein frem<strong>de</strong>s Recht in eigenem Namen einklagt, z.B.: Insolvenzverwalter,<br />
§ 80 InsO; Testamentsvollstrecker §§ 2212, 2213 ZPO.<br />
Gewillkürte Prozessstandschaft, ist eine solche, bei <strong>de</strong>r das Gesetz nicht ausdrücklich<br />
erlaubt, dass <strong>de</strong>r Kläger das eigentlich einem Dritten zustehen<strong>de</strong> Recht in eigenem<br />
Namen geltend macht. Unter folgen<strong>de</strong>n (kumulativen!) Voraussetzungen aber<br />
ist diese gleichwohl zulässig:
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- Ausdrückliche Ermächtigung <strong>de</strong>s Klägers durch Dritten seinen konkret bestimmten<br />
Anspruch für ihn gerichtlich geltend machen zu können<br />
- Schutzwürdiges Eigeninteresse <strong>de</strong>s Klägers an <strong>de</strong>r Prozessführung in eigenem<br />
Namen; insbeson<strong>de</strong>re dann wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung<br />
Einfluss auf die eigene Rechtslage hat<br />
- Belange <strong>de</strong>s Prozessgegners wer<strong>de</strong>n durch Prozessführung nicht beeinträchtigt<br />
- <strong>de</strong>r in Frage stehen<strong>de</strong>r Anspruch ist übertragbar, muss also in <strong>de</strong>r Regel<br />
abtretbar sein<br />
- <strong>de</strong>r Kläger muss zwingend offen legen, wessen Recht er aufgrund welcher<br />
Ermächtigung geltend macht<br />
Übrigens: Die Frage <strong>de</strong>r Prozessstandschaft hat nichts mit <strong>de</strong>n immer wie<strong>de</strong>r auftauchen<strong>de</strong>n<br />
Begriffen <strong>de</strong>r Aktiv- und Passivlegitimation zu tun! Während die Frage <strong>de</strong>r<br />
Prozessstandschaft nämlich die Frage <strong>de</strong>r Zulässigkeit <strong>de</strong>r Prozessführung und damit<br />
die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage betrifft, geht es bei <strong>de</strong>m möglichst zu vermei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
weil missverständlichen und gesetzlich nicht erwähnten Begriff <strong>de</strong>r Aktiv/Passivlegitimation<br />
um die Frage, ob <strong>de</strong>r Kläger (wie er behauptet) o<strong>de</strong>r ein Dritter<br />
tatsächlich Anspruchsinhaber ist bzw. <strong>de</strong>r Beklagte (wie <strong>de</strong>r Kläger behauptet) tatsächlich<br />
Schuldner ist.<br />
Sachliche Prozessvoraussetzungen die das Gericht betreffen<br />
- Deutsche Gerichtsbarkeit<br />
- Zulässigkeit <strong>de</strong>s Rechtsweges, § 13 GVG<br />
- Zuständigkeit <strong>de</strong>s Gerichts<br />
Örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach <strong>de</strong>n §§ 12 ff. ZPO (allgemeine: §§ 12, 13<br />
ZPO; beson<strong>de</strong>re: §§ 20, 21, 22, 23 ZPO; ausschließliche §§ 24, 29 a ZPO u.a.), die<br />
sachliche für das Amtsgericht nach §§ 23, 23 a GVG und für das Landgericht nach<br />
§ 71 GVG. Schließlich ist zum <strong>Teil</strong> auch die funktionelle Zuständigkeit geregelt, z.B.<br />
durch §§ 93 ff. GVG die Zuständigkeit <strong>de</strong>r Kammer für Han<strong>de</strong>lssachen.<br />
Hält ein Gericht sich für unzuständig, darf es die Sache nur auf Antrag <strong>de</strong>s Klägers<br />
(ausnahmsweise ist auch <strong>de</strong>r Beklagter antragsberechtigt, § 506 ZPO) verweisen.<br />
Um Bindungswirkung zu entfalten, muss die Sache zu<strong>de</strong>m bereits rechtshängig sein.<br />
Wird kein Verweisungsantrag gestellt und hält Gericht sich weiterhin für unzuständig,<br />
ergeht Prozessurteil.<br />
In Anwaltsklausuren aus Klägersicht wird regelmäßig ein Wort zum örtlich zuständigen<br />
Gericht zu schreiben sein. Kommen mehrere Gerichte als örtlich zuständig in<br />
Betracht (nämlich dann, wenn mehrere Wahlgerichtsstän<strong>de</strong> erfüllt sind) ist im Prozessgutachten<br />
auszuführen, welches für <strong>de</strong>n Mandanten am geeignetsten erscheint.<br />
Sachliche Prozessvoraussetzungen die <strong>de</strong>n Streitgegenstand betreffen<br />
Der Klagegrund muss hinreichend bestimmt sein. Mit Klagegrund wird <strong>de</strong>r Lebenssachverhalt<br />
bezeichnet, aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Kläger seinen Klageanspruch herleitet. Beson<strong>de</strong>re<br />
Beachtung ist insbeson<strong>de</strong>re bei einer <strong>Teil</strong>klage geboten. Bei <strong>de</strong>r muss erkennbar<br />
sein, welcher <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>s Gesamtanspruchs Gegenstand <strong>de</strong>r Klage sein soll. Insbeson<strong>de</strong>re<br />
wenn <strong>de</strong>r Gesamtanspruch sich aus mehreren selbständigen Einzelfor<strong>de</strong>rungen<br />
zusammensetzt, bleibt dieses häufig unklar.
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Beispiel:<br />
Kläger ist Mieter und for<strong>de</strong>rt von Vermieter Rückzahlung überzahlten<br />
Mietzinses aus Mietpreisüberhöhung, §§ 812 BGB, 5<br />
WiStG, 134 BGB. Er errechnet für die Mietzeit vom 01.01.1996<br />
<strong>bis</strong> 31.12.1999 Rückfor<strong>de</strong>rungsansprüche i.H.v. insgesamt<br />
22.000,- . Aus Kostengrün<strong>de</strong>n will er zunächst nur einen <strong>Teil</strong><br />
i.H.v. 8.000,- einklagen.<br />
In <strong>de</strong>r Klage wird er anzugeben haben, welchen konkreten <strong>Teil</strong><br />
<strong>de</strong>r Rückfor<strong>de</strong>rungsansprüche er mit dieser geltend machen will,<br />
d.h. welchen konkreten Betrag für welchen konkreten Monat, also<br />
z.B. je 300,- für die Monate 1/96 – 12/96, je 350,- für die<br />
Monate 1/97 <strong>bis</strong> 12/97 u.s.w. Er darf sich nicht damit begnügen,<br />
die Gesamtansprüche darzulegen und mitzuteilen, von diesem<br />
Gesamtbetrag mache er vorerst nur 8.000,- geltend!<br />
Sehr wichtig ist die bestimmte Angabe vom Klagegrund auch dann, wenn <strong>de</strong>r Kläger<br />
in <strong>de</strong>r Klageschrift mehrere For<strong>de</strong>rungen aufführt, For<strong>de</strong>rungsbeträge saldiert und<br />
darlegt, i.H.v. z.B. 1.000,00 sei <strong>de</strong>r Gesamtbetrag durch Aufrechnung gegen Gegenfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>s Beklagten erloschen, es verbleibe daher noch ein Restbetrag<br />
i.H.v. z.B. 2.000 , <strong>de</strong>r klageweise geltend gemacht wer<strong>de</strong>.<br />
In diesem Fall nämlich muss vom Kläger im Einzelnen dargelegt wer<strong>de</strong>n, welche seiner<br />
konkreten Ansprüche er zur Aufrechnung gestellt hat, und welche konkreten For<strong>de</strong>rungen<br />
ihm <strong>de</strong>mnach noch verblieben sind, welche konkreten Ansprüche er also<br />
nun mit <strong>de</strong>r Klage noch geltend macht.<br />
Beson<strong>de</strong>re Beachtung verdient auch das Erfor<strong>de</strong>rnis <strong>de</strong>r Bestimmtheit <strong>de</strong>s Klagegegenstan<strong>de</strong>s<br />
also <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Klage begehrten Rechtsfolge. Es geht hier nämlich um<br />
die Vollstreckungsfähigkeit <strong>de</strong>s beabsichtigten Titels. <strong>Das</strong> Gericht vermag nur zuzusprechen,<br />
was beantragt ist. Stellt sich <strong>de</strong>r Antrag nach Urteil als zu unbestimmt heraus,<br />
wird Kläger trotz gewonnenem Prozesses bei <strong>de</strong>r Zwangsvollstreckung <strong>de</strong>s Titels<br />
scheitern.<br />
Der Klagantrag bestimmt Art und Umfang <strong>de</strong>s Rechtsschutzbegehrens und bin<strong>de</strong>t<br />
das Gericht an diesen Antrag, § 308 ZPO. Der Antrag muss daher ein<strong>de</strong>utig sein.<br />
<strong>Das</strong> Gericht darf auf keinen Fall mehr zusprechen als beantragt wor<strong>de</strong>n ist.<br />
Aus <strong>de</strong>m Bestimmtheitserfor<strong>de</strong>rnis folgt, dass ein Zahlungsantrag i.d.R. zu beziffern<br />
ist. Eine Ausnahme bil<strong>de</strong>n die Zahlungsklagen, bei <strong>de</strong>nen die Bestimmung <strong>de</strong>s Klagebetrags<br />
von einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO o<strong>de</strong>r vom billigen Ermessen<br />
<strong>de</strong>s Gerichts abhängig ist. Typisches Beispiel hierfür ist eine Schmerzensgeldklage<br />
nach §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB. Allerdings hat <strong>de</strong>r Kläger auch in<br />
diesen Fällen je<strong>de</strong>nfalls eine Schätzungsgrundlage o<strong>de</strong>r Vorstellungen zur Größenordnung<br />
seines Anspruchs anzugeben. Ein weiteres Beispiel ist die Vorschrift <strong>de</strong>s<br />
§ 651f BGB. Die überwiegen<strong>de</strong> Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum sieht <strong>de</strong>n<br />
unbezifferten Klageantrag auch hier als zulässig an. <strong>Das</strong> aber ist nicht unumstritten<br />
und daher Thema mancher Anwalts- und Urteilsklausur.<br />
Ein Unterlassungsantrag ist so konkret zu fassen, dass die zu unterlassen<strong>de</strong> Verletzungshandlung<br />
genau beschrieben wird. Bei einem Herausgabeantrag müssen<br />
die betreffen<strong>de</strong>n Gegenstän<strong>de</strong> so genau bezeichnet wer<strong>de</strong>n, dass sie bei <strong>de</strong>r<br />
Zwangsvollstreckung i<strong>de</strong>ntifizierbar sind (also nicht: Wird beantragt, zu verurteilen,<br />
eine Kaffeemaschine herauszugeben).
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Ein Feststellungsantrag schließlich muss auf die Feststellung eines konkreten<br />
Rechtsverhältnisses o<strong>de</strong>r auf die Anerkennung o<strong>de</strong>r Unechtheit einer Urkun<strong>de</strong> gerichtet<br />
sein.<br />
Weitere Voraussetzungen, die im Einzelfall problematisch sein können und <strong>de</strong>n<br />
Streitgegenstand (als Oberbegriff für Klagegrund und Klagegegenstand) betreffen,<br />
sind etwa:<br />
- Einklagbarkeit <strong>de</strong>s Anspruches, ausgenommen etwa bei Naturalobligationen,<br />
Spiel, Wette, Heiratsvermittlung, § 656 BGB (in Abgrenzung zur Partnervermittlung<br />
als Dienstvertrag höherer Art ein beliebtes Klausurthema!)<br />
- keine entgegenstehen<strong>de</strong> Rechtskraft, § 325 ZPO<br />
- keine an<strong>de</strong>rweitige Rechtshängigkeit, § 261 Abs. 3 Ziffer 1 ZPO<br />
- Rechtsschutzbedürfnis, relevant insbeson<strong>de</strong>re bei Feststellungsklagen,<br />
§ 256 ZPO, nach Rechtsprechung <strong>de</strong>s BGH wird Rechtsschutzbedürfnis allerdings<br />
in weitem Umfang angenommen<br />
Beson<strong>de</strong>re Prozessvoraussetzungen die einzelne Verfahrensarten betreffen:<br />
- Wi<strong>de</strong>rklage § 33 ZPO; unzulässig im Urkun<strong>de</strong>n- und Wechselprozess (§ 595<br />
Abs.1 ZPO), beschränkt zulässig im Ehe- und Statusverfahren (§§ 610 Abs.2<br />
i.V.m. 640 c, 633 Abs.2, 638 ZPO); in Familiensachen ist es unzulässig, eine<br />
Wi<strong>de</strong>rklage auf Grund eines nicht familienrechtlichen Anspruchs zu erheben<br />
(BGHZ 97, 79 (81) = NJW 86, 1178)<br />
- Feststellungsklage § 256 ZPO<br />
- Abän<strong>de</strong>rungsklage § 323 ZPO;<br />
- Restitutionsklage §§ 578 ff. ZPO;<br />
- Urkun<strong>de</strong>n- und Wechselklage §§ 592 ff. ZPO;<br />
- Vollstreckungsgegenklage § 767 ZPO;<br />
- Drittwi<strong>de</strong>rspruchsklage § 771 ZPO;<br />
- Klage wegen Unzulässigkeit <strong>de</strong>r Vollstreckungsklausel, § 768 ZPO.<br />
Prozesshin<strong>de</strong>rnisse (negative Verfahrensvoraussetzungen)<br />
- Einre<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schiedsgerichtsbarkeit, § 1027 ZPO<br />
- Einre<strong>de</strong> <strong>de</strong>r mangeln<strong>de</strong>n Sicherheitsleistung (vgl. § 110 ZPO)<br />
- Einre<strong>de</strong> <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n Kostenerstattung eines früheren Verfahrens, § 269 VI<br />
ZPO<br />
Qualifizierte Prozessvoraussetzungen:<br />
Setzt ein beson<strong>de</strong>rer Gerichtsstand (z.B. § 32 ZPO) eine bestimmte Handlung voraus<br />
und ist gera<strong>de</strong> die zwischen <strong>de</strong>n Parteien streitig, ist die Zuständigkeit <strong>de</strong>s Gerichts<br />
<strong>de</strong>s beson<strong>de</strong>ren Gerichtsstands bereits dann zu bejahen, wenn es allein nach <strong>de</strong>m<br />
Klägervortrag zuständig wäre.<br />
Bei Konkurrenz mehrerer Klagegrün<strong>de</strong> (materiell-rechtlicher Anspruchsgrundlagen)<br />
ist nach BGH (BGH NJW 2003, 828) durch das Prozessgericht umfassend (d.h. insgesamt<br />
abschließend und nicht nur auf <strong>de</strong>n zulässigen Gerichtsstand bezogen) zu
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entschei<strong>de</strong>n, und zwar auch dann, wenn das Gericht nur wegen eines in Betracht<br />
kommen<strong>de</strong>n Anspruchs zulässigerweise z.B. gemäß § 32 ZPO angerufen wor<strong>de</strong>n ist.<br />
1.4. Die Schlüssigkeit <strong>de</strong>r Klage<br />
Geht <strong>de</strong>r Richter von <strong>de</strong>r Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage aus, hat er im nächsten Schritt <strong>de</strong>ren<br />
Schlüssigkeit zu prüfen. Dabei lautet die Fragestellung: Ist <strong>de</strong>r Klaganspruch auf <strong>de</strong>r<br />
Grundlage <strong>de</strong>s unstreitigen Sachverhalts und <strong>de</strong>s streitigen Klägervortrags begrün<strong>de</strong>t?<br />
Bei <strong>de</strong>r Prüfung gilt, dass <strong>de</strong>r gesamte unstreitige (also auch <strong>de</strong>r vom Beklagten<br />
(womöglich auch durch Schweigen) zugestan<strong>de</strong>ne, <strong>de</strong>r vom Kläger unbestritten gebliebene<br />
Tatsachenvortrag <strong>de</strong>s Beklagten und <strong>de</strong>r vom Kläger behauptete und vom<br />
Beklagten bestrittene Sachverhalt vollständig rechtlich (nicht tatsächlich!) gewürdigt<br />
wird.<br />
<strong>Das</strong> be<strong>de</strong>utet nicht, dass hier nur die Tatsachen geprüft wür<strong>de</strong>n, die für das Begehren<br />
<strong>de</strong>s Klägers günstig sind. Wenn <strong>de</strong>r Kläger Tatsachen vorträgt o<strong>de</strong>r Behauptungen<br />
<strong>de</strong>s Beklagten nicht bestreitet, die einem Erfolg seiner For<strong>de</strong>rungen entgegenstehen,<br />
ist er (o<strong>de</strong>r sein Anwalt) selbst schuld, die Klage je<strong>de</strong>nfalls unschlüssig. Auch<br />
die vom Kläger vorgetragenen - unstreitigen - Einwendungstatsachen sind in <strong>de</strong>r<br />
Schlüssigkeitsprüfung zu erörtern, Einre<strong>de</strong>tatsachen hingegen nur, wenn auch die<br />
Tatsache <strong>de</strong>r Geltendmachung vom Kläger vorgetragen wird.<br />
Eine Schlüssigkeitsprüfung sollte grundsätzlich je<strong>de</strong>r Klausur als Glie<strong>de</strong>rungsaufbau<br />
vorangehen. Im Rahmen dieser Glie<strong>de</strong>rung sollten sämtliche Anspruchsgrundlagen<br />
angedacht wer<strong>de</strong>n, die ernsthaft in Betracht kommen. Erst hiernach ist in <strong>de</strong>r sogenannten<br />
Beklagtenstation <strong>de</strong>r streitige Tatsachenvortrag <strong>de</strong>s Beklagten zu würdigen.<br />
Es kann sich dabei ergeben, dass die Klage begrün<strong>de</strong>t bleibt, obgleich eine Behauptung<br />
<strong>de</strong>s Beklagten geeignet ist, einen Anspruchsgrund zu verneinen. Denkbar nämlich<br />
bleibt, dass sich die Klage aus einem an<strong>de</strong>ren Anspruchsgrund weiterhin begrün<strong>de</strong>t.<br />
Dieses liegt klausurtaktisch insbeson<strong>de</strong>re dann nahe, wenn eine Beweisaufnahme<br />
nicht statt gefun<strong>de</strong>n hat. Dann nämlich muss <strong>de</strong>r Rechtsstreit zu entschei<strong>de</strong>n<br />
sein, ohne dass es für die rechtliche Würdigung auf die streitige Tatsachenfrage<br />
ankommt. Dieses ist <strong>de</strong>r Fall, wenn <strong>de</strong>r Klageanspruch in bei<strong>de</strong>n Sachverhaltskonstellationen<br />
begrün<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r aber die Klage bereits unschlüssig ist.<br />
Sowohl die Glie<strong>de</strong>rung als auch ein Entscheidungsentwurf o<strong>de</strong>r ein im Rahmen <strong>de</strong>r<br />
Anwaltsklausur gefor<strong>de</strong>rtes Gutachten sollte materiell aufgebaut sein, wie für das<br />
Referendarexamen gelernt: Auszugehen ist stets von einer bestimmten Anspruchsgrundlage<br />
bzw. Einwendung o<strong>de</strong>r Einre<strong>de</strong>. Anknüpfungspunkt für die inhaltlichen<br />
Ausführungen sind die gesetzlichen Bestimmungen. Bei mehreren in Betracht kommen<strong>de</strong>n<br />
Anspruchsgrundlagen gelten die bekannten Aufbaugrundsätze: Vertragliche<br />
Ansprüche sind vor gesetzlichen Anspruchsgrundlagen zu prüfen, weitergehen<strong>de</strong> vor<br />
weniger weitgehen<strong>de</strong>n Anspruchsgrundlagen, schlüssige vor unschlüssigen Anspruchsgrundlagen.<br />
Im Assessorexamen beson<strong>de</strong>rs wichtig ist, sich einerseits vor abstrakten Erörterungen<br />
von Rechtsfragen ohne Bezug zum konkreten Sachverhalt zu hüten. An<strong>de</strong>rerseits<br />
sollte, wenn <strong>de</strong>r Sachverhalt die Prüfung eines bestimmten Problems nahe legt,<br />
eine Erörterung <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Rechtsprechung vertretenen Meinung umfassend<br />
erfolgen. Höchstrichterliche Rechtsprechung ist dabei insofern beson<strong>de</strong>rs be<strong>de</strong>utsam<br />
als <strong>de</strong>r Richter in <strong>de</strong>r Praxis sich kritisch überlegen wird, ob die Argumente für eine<br />
abweichen<strong>de</strong> Meinung so gut und wichtig sind, dass er <strong>de</strong>n Parteien zumuten will, in<br />
einer nächsten Instanz - verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Mehrkosten - mögli-
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cherweise ein Urteil mit gegenteiligem Inhalt zu kassieren.<br />
Tatsächliche Anfor<strong>de</strong>rungen an eine schlüssige Klage<br />
Es stellt sich sowohl beim Kläger als auch beim Beklagten oftmals die Frage, welche<br />
Tatsachen von ihm für die Schlüssigkeit seines Vorbringens vorgetragen wer<strong>de</strong>n<br />
müssen. Grundsätzlich hat je<strong>de</strong> Partei die Tatbestandsmerkmale <strong>de</strong>r für sie günstigen<br />
Norm mit subsumtionsfähigen Tatsachen auszufüllen, <strong>de</strong>r Kläger also die anspruchsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Tatbestandsmerkmale, <strong>de</strong>r Beklagte die Tatbestandsmerkmale<br />
von Gegennormen (Einwendungen, Einre<strong>de</strong>n) vorzutragen. Die Darlegungslast<br />
entspricht <strong>de</strong>mnach grundsätzlich <strong>de</strong>r Beweislast.<br />
Von diesem Grundsatz gibt es aber zahlreiche gesetzliche (z.B. § 280 Abs. 1 S. 2<br />
BGB) und von <strong>de</strong>r Rechtsprechung entwickelte (z.B. Umkehr <strong>de</strong>r Darlegungs- und<br />
Beweislast bei groben ärztlichen Behandlungsfehlern) Ausnahmen, die noch im einzelnen<br />
bei <strong>de</strong>r Beweisstation erörtert wer<strong>de</strong>n.<br />
Wichtig ist aber bereits hier, dass die Parteien Tatsachen und keine Rechtsbegriffe<br />
vorzutragen haben. <strong>Das</strong> Gericht muss anhand <strong>de</strong>s tatsächlichen Vortrags <strong>de</strong>r Parteien<br />
subsumieren können, ob die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage erfüllt<br />
sind. Behauptet <strong>de</strong>r Kläger einen Mietvertrag mit <strong>de</strong>m Beklagten geschlossen zu haben,<br />
kann <strong>de</strong>r Richter dieses nicht subsumieren. Er hat nämlich keinen Tatsachenvortrag<br />
geliefert bekommen, aufgrund welchen Verhaltens die Parteien tatsächlich<br />
wann einen Vertrag geschlossen haben sollen. Der vom Kläger sogenannte Mietvertrag<br />
ist für <strong>de</strong>n Richter we<strong>de</strong>r bin<strong>de</strong>nd (es han<strong>de</strong>lt sich um eine rechtliche Würdigung,<br />
die nicht <strong>de</strong>r Disposition <strong>de</strong>r Parteien unterfällt!) noch überhaupt be<strong>de</strong>utsam (<strong>de</strong>nn<br />
die Voraussetzungen <strong>de</strong>s Kaufvertrags sind nicht dargelegt). Han<strong>de</strong>lt es sich rechtlich<br />
tatsächlich um einen Pachtvertrag, ist <strong>de</strong>r Richter und entsprechend auch <strong>de</strong>r<br />
Klausurbearbeiter gezwungen, dieses in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n zu berücksichtigen.<br />
Die Darlegungen <strong>de</strong>s Klägers können sich zunächst auf Haupttatsachen beschränken.<br />
Hat <strong>de</strong>r Kläger also einen Vertragsschluss mit Zeit, Ort und Inhalt <strong>de</strong>s Vertrages<br />
vorgetragen, so ist dieser Vortrag schlüssig. Ob unstreitige o<strong>de</strong>r noch zu beweisen<strong>de</strong><br />
Indizien für einen Beweis ausreichen, gehört in die Beweisstation. Die klägerischen<br />
Behauptungen wer<strong>de</strong>n also nicht auf Plausibilität o<strong>de</strong>r Beweisbarkeit überprüft. Im<br />
weiteren Verlauf <strong>de</strong>s Rechtsstreits hängt die Frage, wie <strong>de</strong>tailliert <strong>de</strong>r jeweilige tatsächliche<br />
Vortrag <strong>de</strong>r Parteien sein muss, sehr von <strong>de</strong>r Einlassung <strong>de</strong>r Gegenseite<br />
ab. In <strong>de</strong>r Klagschrift darf sich <strong>de</strong>r Kläger darauf beschränken, in dürren Worten die<br />
tatsächlichen Voraussetzungen <strong>de</strong>r Anspruchsnorm auszufüllen. Je konkreter und<br />
<strong>de</strong>taillierter <strong>de</strong>r Beklagte bestreitet, <strong>de</strong>sto konkreter und <strong>de</strong>taillierter muss <strong>de</strong>r Kläger<br />
"dagegenhalten" (und umgekehrt).<br />
Fehlt ein Vortrag <strong>de</strong>s Klägers zu einer Tatbestandsvoraussetzung, für die er darlegungspflichtig<br />
ist o<strong>de</strong>r ist sein Vortrag insofern nicht hinreichend substantiiert (konkret),<br />
so ist seine Klage unschlüssig. Gelegentlich kann <strong>de</strong>r Kläger bestimmte Tatsachen<br />
auch nicht genauer vortragen, weil hierzu erst ein wissenschaftliches Gutachten<br />
erfor<strong>de</strong>rlich ist o<strong>de</strong>r weil genauere Umstän<strong>de</strong> nur <strong>de</strong>r Gegenseite bekannt sind und<br />
daher nur Vermutungen bestehen. Unzulässig ist dann grundsätzlich mittels Beweisaufnahme<br />
erst die vermuteten Tatsachen feststellen zu lassen. Allerdings hat <strong>de</strong>r<br />
BGH nur vermutete Tatsachen als zulässige Behauptungen zugelassen, wenn je<strong>de</strong>nfalls<br />
eine gewisse Wahrscheinlichkeit für diese vorliege und erst wissenschaftliche<br />
Gutachten nähere Klärung bringen können. Eben dieses nahm <strong>de</strong>r BGH an für die<br />
Behauptung, die von <strong>de</strong>r Beklagten hergestellten Holzschutzmittel wür<strong>de</strong>n Gesund-
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heitsschä<strong>de</strong>n hervorrufen (BGH NJW 1995, 1160)<br />
Ebenso wenig ist eine Substantiierung erfor<strong>de</strong>rlich, wenn eine Tatsache behauptet<br />
wird, die außerhalb <strong>de</strong>r eigenen Sphäre <strong>de</strong>r Partei gelegen hat und zu <strong>de</strong>r <strong>de</strong>shalb<br />
konkrete Begleitumstän<strong>de</strong> nicht vorgetragen wer<strong>de</strong>n können. Hier obliegt es <strong>de</strong>r Gegenseite,<br />
substantiiert zu bestreiten und im einzelnen zu <strong>de</strong>m behaupteten Vorfall<br />
vorzutragen.<br />
1.5 Die förmliche Zustellung <strong>de</strong>r Klage (§§ 166 ff. ZPO) und <strong>de</strong>ren Wirkung<br />
Der Richter hat nach Prüfung <strong>de</strong>r Zulässigkeit und Schlüssigkeit <strong>de</strong>r Klage <strong>de</strong>ren Zustellung<br />
von Amts wegen zu veranlassen. Die Zustellung im Parteibetrieb, §§ 191 ff.<br />
ZPO bil<strong>de</strong>t die Ausnahme und hat Be<strong>de</strong>utung insbeson<strong>de</strong>re im Rahmen <strong>de</strong>r Vorschriften<br />
über <strong>de</strong>n Arrest und die einstweilige Verfügung (§§ 922 Abs. 2, 936 ZPO)<br />
und <strong>de</strong>r Zwangsvollstreckung (z.B. §§ 829 Abs. 2, 843, 845, 750, 751, 756, 765, 795,<br />
798 ZPO).<br />
Die Zustellung an eine nicht anwaltlich vertretene Partei erfolgt im allgemeinen mit<br />
Hilfe <strong>de</strong>r Post. Der Postbedienstete nimmt über die Zustellung unter Kostenberechnung<br />
(EUR 6,-- je Zustellung) eine Urkun<strong>de</strong> auf (§ 182 ZPO).<br />
Die Zustellung an einen Anwalt und an bestimmte Träger eines öffentlichen Amts und<br />
sonstige aufgrund ihres Berufes als zuverlässig gelten<strong>de</strong>n Personen (sicherlich auch<br />
Referendare )kann kostengünstiger durch ein mit Datum und Unterschrift versehenes<br />
(schriftliches) Empfangsbekenntnis (§ 174 ZPO) erfolgen.<br />
Zuzustellen sind von Amts wegen alle Schriftstücke, <strong>de</strong>ren Zustellung das Gesetz<br />
ausdrücklich vorschreibt, vgl. § 270 ZPO. <strong>Das</strong> sind alle Schriftstücke <strong>de</strong>r Parteien,<br />
die <strong>de</strong>n Streitgegenstand bestimmen, also insbeson<strong>de</strong>re:<br />
- Klage (§ 253 ZPO),<br />
- Schriftsätze mit Klagerweiterungen, Klagän<strong>de</strong>rungen,<br />
- Klagrücknahmen (allerdings nach § 269 Abs. 2 S. 3 nur dann, wenn für Wirksamkeit<br />
Zustimmung <strong>de</strong>s Beklagten erfor<strong>de</strong>rlich ist)<br />
- sonstige Sachanträge (§ 270 ZPO),<br />
- alle Verfügungen und Beschlüsse, die einen Termin bestimmen und eine Frist<br />
in Lauf setzen (§ 329 Abs. 2 S. 2 ZPO) wie Ladungen (Ausnahme § 497 ZPO)<br />
und Fristsetzungsverfügungen,<br />
- sowie Entscheidungen, die einen Vollstreckungstitel bil<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r sofortigen<br />
Beschwer<strong>de</strong> (§§ 567 ff., 569 ZPO) bzw. <strong>de</strong>r Erinnerung nach § 573 Abs. 1<br />
ZPO unterliegen (§ 329 Abs. 3 ZPO).<br />
Die ordnungsgemäße Zustellung hat entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung für <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>s<br />
Laufs von Notfristen (Berufung, Einspruch gegen Versäumnisurteil etc.). Notfristen<br />
sind nach § 224 Abs. 1 S. 2 ZPO solche, die im Gesetz ausdrücklich als Notfrist bezeichnet<br />
sind (z.B.: § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Zustellung ist auch für <strong>de</strong>n Beginn<br />
<strong>de</strong>r Rechtshängigkeit entschei<strong>de</strong>nd.<br />
1.6 Früher erster Termin und schriftliches Vorverfahren<br />
Mit Anordnung <strong>de</strong>r Zustellung bestimmt <strong>de</strong>r Richter zugleich, wie das Verfahren weiter<br />
geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n soll, nämlich durch <strong>de</strong>n frühen ersten Termin zur mündlichen<br />
Verhandlung (§ 275 ZPO) o<strong>de</strong>r durch das schriftliche Vorverfahren (§ 276 ZPO).
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Früher erster Termin zur mündlichen Verhandlung wird mit Zustellung <strong>de</strong>r Klagschrift<br />
bestimmt (§ 274 Abs. 2 ZPO). Zwischen Zustellung und <strong>de</strong>m Termin zur<br />
mündlichen Verhandlung muss ein Zeitraum von min<strong>de</strong>stens zwei Wochen liegen<br />
(§ 274 Abs. 3 ZPO).<br />
Im schriftlichen Vorverfahren wird zunächst nur die Klagschrift zugestellt. Dem Beklagten<br />
wer<strong>de</strong>n zu<strong>de</strong>m zwei Fristen gesetzt:<br />
- eine Frist von zwei Wochen, in <strong>de</strong>r er seine Verteidigungsbereitschaft anzeigen<br />
kann, § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO<br />
- und weitere Frist von min<strong>de</strong>stens zwei Wochen zur schriftlichen Klageerwi<strong>de</strong>rung<br />
§ 276 Abs. 1 S. 2 ZPO.<br />
Anschließend kann das Gericht weitere schriftliche Stellungnahmen <strong>de</strong>r Parteien einholen.<br />
Erst wenn die Sache umfassend schriftlich vorbereitet erscheint (also für entscheidungsreif<br />
gehalten wird o<strong>de</strong>r nun notwendig <strong>de</strong>r Beweisaufnahme bedarf) wird<br />
(ein möglichst abschließen<strong>de</strong>r) Termin zur mündlichen Verhandlung („Haupttermin“)<br />
bestimmt.<br />
Welche <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Verfahrensarten gewählt wird, steht im Ermessen <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong>n.<br />
Wichtiges Argument bei <strong>de</strong>r Entscheidung ist <strong>de</strong>r in § 272 Abs. 1 ZPO benannte<br />
Gedanke, dass die Erledigung <strong>de</strong>s Rechtsstreits in einem (Haupt)termin angestrebt<br />
wer<strong>de</strong>n sollte, § 272 Abs. 1 ZPO.<br />
Der frühe erste Termin hat also ebenso wie das schriftliche Vorverfahren <strong>de</strong>n Zweck<br />
einen abschließen<strong>de</strong>n Haupttermin so vorzubereiten, dass zu diesem alle etwaig erfor<strong>de</strong>rlichen<br />
Beweismittel verfügbar sind und hiernach ohne weitere Verzögerung<br />
entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann. <strong>Das</strong> prozessökonomisch sinnvollste Vorgehen kann dann<br />
mündlich mit <strong>de</strong>n Partei(vertretern) im ersten Termin besprochen wer<strong>de</strong>n.<br />
Zur Vorbereitung <strong>de</strong>s Haupttermins bei angeordneten schriftlichen Vorverfahren<br />
muss das Gericht <strong>de</strong>n Sachverhalt ebenfalls anhand <strong>de</strong>s Parteivortrags erarbeiten<br />
und nach Relationstechnik für sich begutachten, um sodann zu erkennen, welche<br />
Maßnahmen noch zu treffen sind, um nach einem abschließen<strong>de</strong>n Haupttermin in<br />
<strong>de</strong>r Sache entschei<strong>de</strong>n zu können. Dem Gericht stehen zur Vorbereitung die Maßnahmen<br />
<strong>de</strong>s § 273 ZPO zur Verfügung. Es besteht auch die Möglichkeit, schon vor<br />
<strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung einen Beweisbeschluss zu verkün<strong>de</strong>n und die Beweisaufnahme<br />
durchzuführen, § 358 a ZPO.<br />
Der protokollarische Ablauf <strong>de</strong>s Haupttermins inklusive Güteverhandlung sieht wie<br />
folgt aus:<br />
(1) Aufruf <strong>de</strong>r Sache, §§ 220 Abs. 1, 136 Abs. 1 ZPO<br />
(2) Feststellung <strong>de</strong>r Anwesenheit; im Falle <strong>de</strong>s (unentschuldigten) Nichterscheinens<br />
sind folgen<strong>de</strong> Konstellationen zu unterschei<strong>de</strong>n:<br />
- bei Nichterscheinen einer/bei<strong>de</strong>r Parteien kann ein Ordnungsgeld gegen<br />
sie festgesetzt wer<strong>de</strong>n, § 278 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. § 141 Abs. 3<br />
ZPO;<br />
- bei Nichterscheinen einer Partei soll sich die eigentliche mündliche<br />
Verhandlung unmittelbar anschließen, § 279 Abs. 1 S. 1 ZPO, z.B. mit<br />
<strong>de</strong>r Möglichkeit <strong>de</strong>s Erlasses eines Versäumnisurteils;<br />
- bei Nichterscheinen bei<strong>de</strong>r Parteien (auch nicht ihrer Prozessbevoll-
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mächtigten) ist das Ruhen <strong>de</strong>s Verfahrens anzuordnen, § 278 Abs. 4<br />
ZPO.<br />
(3) Erörterung <strong>de</strong>s Sach- und Streitstan<strong>de</strong>s; Gericht hat ggf. Fragen zu stellen,<br />
§ 278 Abs. 2 S. 2 ZPO; hier zeigt sich, dass Güteverhandlung nichts an<strong>de</strong>res<br />
ist, als eigentliche Erörterung <strong>de</strong>r Sach- und Rechtslage, <strong>de</strong>nn Gericht wird<br />
Güteverhandlung nicht von Erörterung <strong>de</strong>r Rechtsfragen trennen können<br />
(4) Parteien sollen persönlich angehört wer<strong>de</strong>n, § 278 Abs. 2 S. 2 ZPO<br />
(5) <strong>Das</strong> Ergebnis <strong>de</strong>r Güteverhandlung ist im Protokoll festzuhalten, § 160 Abs. 3<br />
Ziff. 10 ZPO<br />
(6) Im Falle <strong>de</strong>s Scheiterns <strong>de</strong>r Güteverhandlung ist in die mündliche Verhandlung<br />
überzugehen, § 279 Abs. 1 S. 1 ZPO<br />
(7) diese beginnt mit <strong>de</strong>m Stellen <strong>de</strong>r Anträge<br />
(8) sodann wird erneut die Sach- und Rechtslage erörtert, soweit nicht bereits in<br />
<strong>de</strong>r Güteverhandlung erfolgt; das Gericht wird hier auch die nach § 139 ZPO<br />
noch erfor<strong>de</strong>rlichen Hinweise erteilen, womöglich auch bereits seine Rechtsansicht<br />
mitteilen<br />
(9) <strong>de</strong>r Termin en<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r Regel mit Beschlüssen zu etwaig nachzulassen<strong>de</strong>n<br />
Schriftsatzfristen und <strong>de</strong>r Verkündung eines Entscheidungstermins<br />
2. Die Klagerwi<strong>de</strong>rung<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Richter die Klage zugestellt und das schriftliches Vorverfahren o<strong>de</strong>r<br />
einen frühen ersten Termin angeordnet hat, wird die Akte ihm in <strong>de</strong>r Regel von <strong>de</strong>r<br />
Geschäftsstelle wie<strong>de</strong>r vorgelegt wer<strong>de</strong>n, wenn ein Schriftsatz <strong>de</strong>s Beklagten eingeht.<br />
Dann stellt sich für ihn erneut die Frage, was zu veranlassen ist. Dieses kann er<br />
nur sachgerecht beantworten, wenn er <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Parteien vorgebrachten Sachvortrag<br />
tatsächlich richtig erfasst. Hierfür dienen die folgen<strong>de</strong>n Überlegungen:<br />
Im Zivilprozess bestimmen die Parteien (in erster Linie <strong>de</strong>r Kläger), ob, wann, worüber<br />
und wie lange prozessiert wird. <strong>Das</strong> Gericht darf <strong>de</strong>m Kläger we<strong>de</strong>r mehr noch<br />
etwas an<strong>de</strong>res zusprechen als er beantragt hat (§ 308 ZPO). Deshalb sind die zuletzt<br />
gestellten Anträge <strong>de</strong>r Parteien <strong>de</strong>r Ausgangspunkt für die Bearbeitung eines zivilrechtlichen<br />
Falles. Um sich einen Überblick über <strong>de</strong>n Verfahrensstand zu verschaffen<br />
sollte die Akte daher stets von hinten nach vorne gelesen wer<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> gleiche empfiehlt<br />
sich durchaus beim ersten Lesen <strong>de</strong>r Klausur. Sobald man auf diese Weise einen<br />
ersten Überblick über <strong>de</strong>n Verfahrensstand und die nun zu veranlassen<strong>de</strong> Verfügung<br />
erlangt hat, sollte ein Aktenauszug gefertigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Für diesen wird ein Blatt Papier in <strong>de</strong>r Mitte geknickt o<strong>de</strong>r zwei Blätter aneinan<strong>de</strong>rlegt.<br />
In <strong>de</strong>r linken Spalte wird das Vorbringen <strong>de</strong>s Klägers und in <strong>de</strong>r rechten Spalte<br />
das Vorbringen <strong>de</strong>s Beklagten stichwortartig notiert. Dabei wird das jeweilige Parteivorbringen<br />
zum selben Thema gegenüberstellt.<br />
Für die inhaltliche Erfassung <strong>de</strong>s Vorbringens <strong>de</strong>r Parteien ist folgen<strong>de</strong>s zu be<strong>de</strong>nken:<br />
Der Sachvortrag <strong>de</strong>r Parteien ergibt sich zunächst aus <strong>de</strong>ren Schriftsätzen. Diese<br />
sind wichtigste Quelle für das Tatsachenvorbringen <strong>de</strong>r Parteien. Nach <strong>de</strong>m Grundsatz<br />
<strong>de</strong>r Mündlichkeit gilt zwar nicht <strong>de</strong>r schriftliche, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Regel nur <strong>de</strong>r<br />
mündliche Parteivortrag; die vorbereiten<strong>de</strong>n Schriftsätze kündigen ihn lediglich an
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(§ 128 Abs. 1 ZPO). Doch wird das Mündlichkeitsprinzip dadurch unterlaufen, dass<br />
durch Antragstellung konklu<strong>de</strong>nt auf sämtliche eingereichten Schriftsätze Bezug genommen<br />
wird.<br />
Doch folgt aus Grundsatz <strong>de</strong>r Mündlichkeit eine an<strong>de</strong>re wichtige Konsequenz: In <strong>de</strong>r<br />
Entscheidung = Urteil kann nur <strong>de</strong>r Inhalt solcher Schriftsätze berücksichtigt wer<strong>de</strong>n,<br />
die vor o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r letzten mündlichen Verhandlung eingereicht wor<strong>de</strong>n sind (vorbereiten<strong>de</strong><br />
Schriftsätze, §§ 129, 137 ZPO). Nur unter bestimmten Bedingungen kann<br />
das Gericht einer Partei ausnahmsweise gestatten, nach <strong>de</strong>r letzten mündlichen Verhandlung<br />
einen Schriftsatz nachzureichen (nachgelassener Schriftsatz, § 283 ZPO).<br />
Der Inhalt von Schriftsätzen, die nach <strong>de</strong>r letzten mündlichen Verhandlung eingegangen<br />
und nicht nachgelassen wor<strong>de</strong>n sind, darf nicht in die Entscheidung eingehen<br />
(§ 296 a ZPO)! Einzelheiten hierzu können Sie in <strong>de</strong>m <strong>Skript</strong> Son<strong>de</strong>rkonstellationen<br />
im Kapitel Verspätung nachlesen.<br />
Die sich hieran anschließen<strong>de</strong> Frage, ob eine Partei mit einer bestimmten Tatsachenbehauptung<br />
(die nach Schluss <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung erfolgt ist) noch<br />
zuzulassen ist, stellt eine Rechtsfrage dar und ist in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n nicht<br />
aber in <strong>de</strong>r Sachverhaltsdarstellung = Tatbestand zu erörtern. Um die Grundlage für<br />
eine womöglich erfor<strong>de</strong>rliche Erörterung <strong>de</strong>s Verspätungseinwan<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>n E-<br />
Grün<strong>de</strong>n nicht aus <strong>de</strong>n Augen zu verlieren, sollte allerdings <strong>de</strong>r nach Schluss <strong>de</strong>r<br />
mündlichen Verhandlung eingegangene, nicht nachgelassene Vortrag im Aktenauszug<br />
gekennzeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Der gesamte Vortrag <strong>de</strong>r Parteien bil<strong>de</strong>t eine Einheit und zwar unabhängig davon,<br />
wann er in <strong>de</strong>n Schriftsätzen angekündigt und in welcher mündlichen Verhandlung<br />
darauf Bezug genommen wor<strong>de</strong>n ist. Was einmal als Prozessstoff in einem <strong>de</strong>r Termine<br />
in <strong>de</strong>n Prozess eingeführt wor<strong>de</strong>n ist, bleibt automatisch Prozessstoff in allen<br />
folgen<strong>de</strong>n Terminen, sofern es nicht wirksam wie<strong>de</strong>r fallen gelassen bzw. geän<strong>de</strong>rt<br />
wor<strong>de</strong>n ist. Einer Wie<strong>de</strong>rholung <strong>de</strong>s verhan<strong>de</strong>lten Vorbringens bedarf es selbst bei<br />
längerem Verfahrensstillstand nicht.<br />
Wenn es allerdings zu wi<strong>de</strong>rsprüchlichem Vortrag kommt, gilt – sofern dieser nicht<br />
unvereinbar ist und daher eine richterliche Hinweispflicht nach § 139 ZPO nach sich<br />
zieht – grundsätzlich <strong>de</strong>r aktuellste Vortrag und zuletzt gestellte Antrag als gegenwärtiger<br />
Sachvortrag.<br />
Häufig reichen die Parteien auch Anlagen zu ihren Schriftsätzen ein. Diese wer<strong>de</strong>n<br />
von <strong>de</strong>m Kläger fortlaufend gekennzeichnet mit Anlage K 1 <strong>bis</strong> x und vom Beklagten<br />
ebenfalls fortlaufend von B 1 <strong>bis</strong> B x. Es han<strong>de</strong>lt sich bei solchen Anlagen i.d.R. um<br />
Vertragsurkun<strong>de</strong>n, vorprozessuale Korrespon<strong>de</strong>nz, Privatgutachten o<strong>de</strong>r ähnliche<br />
Schriftstücke, die <strong>de</strong>n schriftsätzlichen Vortrag belegen sollen. Der Inhalt solcher Anlagen<br />
stellt ebenfalls Parteivorbringen dar, <strong>de</strong>ssen Auswertung man nicht vernachlässigen<br />
sollte. Zwar ist es nicht Aufgabe <strong>de</strong>s Gerichts, sich die notwendigen Informationen<br />
aus einem Wust von Anlagen selbständig zusammenzusuchen. Es kann<br />
von <strong>de</strong>n Parteien verlangen, dass sie in ihren Schriftsätzen genau angeben, auf welchen<br />
<strong>Teil</strong> <strong>de</strong>r beigefügten Schriftstücke sie zur Erläuterung welcher Tatsachenbehauptung<br />
Bezug nehmen wollen (§ 137 Abs. 3 ZPO). Doch ist das Gericht nicht gehin<strong>de</strong>rt,<br />
<strong>de</strong>n vorgelegten Anlagen Informationen zu entnehmen, die die betreffen<strong>de</strong><br />
Partei nicht schriftsätzlich hervorgehoben hat und die ihr vielleicht sogar ungünstig<br />
sind. Nicht selten liegt darin <strong>de</strong>r Schlüssel zur Lösung eines Falles.<br />
Gelegentlich wer<strong>de</strong>n in einem Zivilrechtsstreit auch Akten an<strong>de</strong>rer Gerichte (z.B.<br />
Strafakten), Sachakten von Behör<strong>de</strong>n (z.B. Bauakten) o<strong>de</strong>r eigene Sachakten <strong>de</strong>r
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Parteien (z.B. Krankenakten in einem Arzthaftungsprozess) beigezogen. Praktisch<br />
häufig kommt dieses bei Verkehrsunfällen vor, bei <strong>de</strong>nen in <strong>de</strong>r Regel die amtliche<br />
Bußgeldakte (unter Umstän<strong>de</strong>n auch von Amts wegen, wenn keine Partei sich darauf<br />
bezieht (§ 273 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO)) beigezogen wird. Die Beiziehung erfolgt allerdings<br />
in <strong>de</strong>r Regel auf Antrag einer Partei und damit zur Ergänzung ihres Parteivorbringens<br />
und nicht zu Beweiszwecken. Der Inhalt <strong>de</strong>r Beiakten gehört dann als Parteivortrag<br />
<strong>de</strong>r Partei, die sich auf die Akte bezieht, in <strong>de</strong>n Aktenauszug.<br />
Erklärungen, die <strong>de</strong>r Prozessbevollmächtigte für die Partei o<strong>de</strong>r die Partei persönlich<br />
(§ 141 ZPO) in <strong>de</strong>r Sitzung zur Sache abgegeben haben, gehören ebenfalls in <strong>de</strong>n<br />
Aktenauszug.<br />
Schil<strong>de</strong>rn Zeugen o<strong>de</strong>r Sachverständige im Rahmen <strong>de</strong>r Beweisaufnahme Tatsachen,<br />
die noch von nieman<strong>de</strong>m behauptet wor<strong>de</strong>n sind, so han<strong>de</strong>lt es sich zunächst<br />
nicht um Parteivorbringen. Die Parteien können sich <strong>de</strong>rartige Tatsachen aber ausdrücklich<br />
o<strong>de</strong>r stillschweigend zu eigen machen. Letzteres also stillschweigen<strong>de</strong>s<br />
Zueigenmachen ist nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BGH anzunehmen, wenn eine solche<br />
Tatsache für eine Partei ein<strong>de</strong>utig günstig ist. Im Zweifel muss das Gericht die<br />
Parteien fragen, ob sie die betreffen<strong>de</strong> Tatsache in ihr Vorbringen aufnehmen wollen<br />
(§ 139 ZPO).<br />
Der so erfasste Parteivortrag ist in eine systematische Ordnung zu bringen. Hierfür<br />
kann das im Aktenauszug zusammengetragene (und auf <strong>de</strong>m Papier nie<strong>de</strong>rgeschriebene)<br />
Parteivorbringen zunächst nach folgen<strong>de</strong>n Gesichtspunkten geordnet<br />
wer<strong>de</strong>n:<br />
Aktuelles und überholtes Parteivorbringen<br />
Es kommt häufiger vor, dass Parteien ihren ursprünglichen Vortrag fallen lassen o<strong>de</strong>r<br />
berichtigen (z.B. unter <strong>de</strong>m Eindruck eines vom Gegner vorgelegten Schriftstücks).<br />
Maßgeblich für die Entscheidung ist grundsätzlich nur <strong>de</strong>r Vortrag, an <strong>de</strong>m die Parteien<br />
in <strong>de</strong>r letzten mündlichen Verhandlung festgehalten haben. Nur für die Kostenentscheidung<br />
o<strong>de</strong>r für die Würdigung <strong>de</strong>s Parteivorbringens (Glaubhaftigkeit lei<strong>de</strong>t,<br />
wenn an entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Punkten wi<strong>de</strong>rsprüchlich vorgetragen wird) kann es gelegentlich<br />
auf fallengelassene o<strong>de</strong>r berichtigte Behauptungen ankommen. In allen an<strong>de</strong>ren<br />
Fällen ist überholtes Parteivorbringen aus <strong>de</strong>m Aktenauszug ersatzlos zu<br />
streichen!<br />
Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten<br />
Eine ganz wichtige Unterscheidung, auf die bei <strong>de</strong>r Korrektur viel Wert gelegt wird<br />
und die auch erhebliche praktische Be<strong>de</strong>utung hat, ist die zwischen Tatsachenvortrag<br />
und Rechtsansichten. Hier gilt die Regel: Parteien tragen Tatsachen vor, das<br />
Gericht würdigt diese rechtlich. Rechtsausführungen <strong>de</strong>r Parteien und von <strong>de</strong>ren Anwälte<br />
sind bloße Anregungen an das Gericht, ohne dass dieses hierdurch irgendwie<br />
gebun<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Im Prinzip brauchen Rechtsansichten <strong>de</strong>shalb im Sachbericht/Tatbestand<br />
gar nicht aufzutauchen; auch aus <strong>de</strong>m Aktenauszug könnte man sie<br />
theoretisch streichen.<br />
Praktisch allerdings ist es für das Verständnis <strong>de</strong>s Parteivorbringens hilfreich und<br />
zum <strong>Teil</strong> sogar erfor<strong>de</strong>rlich, auch die Rechtsansichten <strong>de</strong>r Parteien zu erwähnen.<br />
Dies gilt insbeson<strong>de</strong>re dann, wenn die Parteien nur über die rechtliche Bewertung<br />
eines unstreitigen Geschehens streiten. Ob ein solcher Fall vorliegt, lässt sich bei <strong>de</strong>r<br />
Erstellung <strong>de</strong>s Aktenauszugs noch nicht ohne weiteres absehen. Es empfiehlt sich<br />
<strong>de</strong>shalb, die Rechtsansichten im Aktenauszug zu belassen und nur durch Unterstrei-
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chung mit einem bestimmten Farbstift als Rechtsmeinungen zu kennzeichnen.<br />
In Klausuren gilt dies umso mehr als die dort geäußerten Rechtsansichten versteckte<br />
o<strong>de</strong>r offene Hinweise <strong>de</strong>s Klausurenstellers enthalten, welche rechtliche Diskussion<br />
von <strong>de</strong>m Bearbeiter erwartet wird! Be<strong>de</strong>nken Sie: Klausuren sind vom Prüfungsamt<br />
überarbeitete Originalfälle. Wenn ein Rechtsanwalt in <strong>de</strong>m Schriftsatz <strong>de</strong>r Klausur<br />
Rechtsausführungen macht, dann ist das kein Zufall, son<strong>de</strong>rn bewusst in <strong>de</strong>n Klausurtext<br />
aufgenommen wor<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Regel soll <strong>de</strong>r Bearbeiter hierdurch motiviert<br />
wer<strong>de</strong>n, das angesprochene Problem rechtlich zu würdigen!<br />
Die Abgrenzung <strong>de</strong>r Tatsachenbehauptungen von <strong>de</strong>n Rechtsansichten kann im Einzelfall<br />
durchaus schwierig sein. Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Testfrage lautet:<br />
„Kann die Wahrheit o<strong>de</strong>r Unwahrheit <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Parteivorbringens mit <strong>de</strong>n<br />
Beweismitteln <strong>de</strong>r ZPO festgestellt wer<strong>de</strong>n?“.<br />
Wenn ja, so han<strong>de</strong>lt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Wer hier unsorgfältig<br />
arbeitet, läuft Gefahr, entwe<strong>de</strong>r überflüssige und nutzlose Beweise über Rechtsansichten<br />
zu erheben o<strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rliche Beweiserhebungen über fälschlich als Rechtsansichten<br />
qualifizierte Tatsachenbehauptungen zu versäumen. Man sollte sich daher<br />
die Einordnung bei je<strong>de</strong>m einzelnen Element <strong>de</strong>s Parteivorbringens bewusst machen.<br />
Nur so lässt sich die erfor<strong>de</strong>rliche Routine gewinnen.<br />
Problematisch sind auch Grenzfälle zwischen Rechtsansicht und Tatsachenbehauptung:<br />
Ausnahmsweise nämlich können Rechtsbegriffe, die auch im täglichen Leben<br />
Verwendung fin<strong>de</strong>n, als Tatsachen vorgetragen wer<strong>de</strong>n (Beispiel: Kaufvertrag). Hier<br />
ist dann Vorsicht geboten, wenn die Gegenpartei <strong>de</strong>n Vorgang an<strong>de</strong>rs bewertet, z.B.<br />
bestreitet, dass ein Kaufvertrag geschlossen wor<strong>de</strong>n ist. In diesem Fall muss die an<strong>de</strong>re<br />
Partei <strong>de</strong>n Rechtsbegriff durch Tatsachen auffüllen. Sonst genügt bei Begriffen<br />
<strong>de</strong>s täglichen Lebens die Benennung <strong>de</strong>s Rechtsbegriffs, wobei bei <strong>de</strong>r Darstellung<br />
im Gutachten und Urteil im Tatbestand aber darauf geachtet wer<strong>de</strong>n sollte, <strong>de</strong>n<br />
Rechtsbegriff möglichst zu vermei<strong>de</strong>n.<br />
Weiter zu beachten ist folgen<strong>de</strong>s: Selbst wenn sich die Parteien über bestimmte<br />
Rechtsbegriffe einig sind, können sie <strong>de</strong>m Gericht keine <strong>de</strong>m Gesetz wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong><br />
Beurteilung aufzwingen. <strong>Das</strong> Gericht ist auch nicht bei Übereinstimmung <strong>de</strong>r Parteien<br />
über sogenannte normative Tatbestandsmerkmale (z.B. Sittenwidrigkeit, Verstoß<br />
gegen Treu und Glauben) an diese Einschätzung gebun<strong>de</strong>n. Vielmehr muss es<br />
eine eigene rechtliche Würdigung anstellen.<br />
Streitige und unstreitige Tatsachen<br />
Die verbleiben<strong>de</strong>n a) aktuellen und b) Tatsachenbehauptungen sind nun Punkt für<br />
Punkt danach durchzusehen, ob sie bestritten wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r nicht. Es empfiehlt sich<br />
auch hier, streitiges farblich zu kennzeichnen. Streitig ist i.d.R. je<strong>de</strong>nfalls das tatsächliche<br />
Vorbringen einer Partei, <strong>de</strong>ssen Richtigkeit von <strong>de</strong>r Gegenpartei grundsätzlich<br />
ausdrücklich in Abre<strong>de</strong> genommen wor<strong>de</strong>n ist, und zwar<br />
- in Verbindung mit einer abweichen<strong>de</strong>n Sachverhaltsdarstellung (substantiiertes<br />
o<strong>de</strong>r qualifiziertes Bestreiten)<br />
- ohne nähere Begründung (einfaches Bestreiten) o<strong>de</strong>r<br />
- durch Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO).<br />
Oft stellt sich die Frage, ob es zulässig ist, eine Tatsache einfach bzw. mit Nichtwissen<br />
zu bestreiten o<strong>de</strong>r ob von <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Partei eine abweichen<strong>de</strong> Sachver-
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haltsdarstellung erwartet wer<strong>de</strong>n muss. Wäre das einfache Bestreiten stets zulässig,<br />
könnte <strong>de</strong>r Prozess beliebig verschleppt wer<strong>de</strong>n, da <strong>de</strong>r Beklagte einfach je<strong>de</strong>n tatsächlichen<br />
Vortrag <strong>de</strong>s Klägers bestreitet, konsequenterweise daher über alles und<br />
je<strong>de</strong>n Beweis zu erheben wäre.<br />
Die Rechtsfrage, bei welchem Tatsachenvortrag welches Bestreiten zulässig ist, ist<br />
jedoch erst im Rahmen <strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong> bzw. eines Gutachtens aufzuwerfen<br />
und zu beantworten. Bei <strong>de</strong>r Erstellung <strong>de</strong>s Aktenauszugs und <strong>de</strong>s Sachberichts<br />
sollte man die betreffen<strong>de</strong> Behauptung im Zweifel als streitig einordnen.<br />
Nur die in vielen Schriftsätzen noch anzutreffen<strong>de</strong> „salvatorische Klausel"<br />
„Im Übrigen wird das Vorbringen <strong>de</strong>s Gegners bestritten, soweit<br />
es nicht ausdrücklich zugestan<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n ist“<br />
verstößt so offensichtlich gegen § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, dass sie von vornherein<br />
nicht beachtet wird.<br />
Schwierigkeiten kann die Einordnung bereiten, wenn sich die Gegenpartei zu <strong>de</strong>m<br />
tatsächlichen Vorbringen einer Partei überhaupt nicht äußert. Es fragt sich dann, ob<br />
sich aus <strong>de</strong>m Gesamtzusammenhang ein schlüssiges Bestreiten ergibt (vgl. § 139<br />
Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dabei ist <strong>de</strong>r gesetzliche Grundsatz <strong>de</strong>s § 138 Abs. 3 ZPO zu<br />
beachten: Nichtäußern be<strong>de</strong>utet in <strong>de</strong>r Regel Zugestehen <strong>de</strong>r Richtigkeit, es sei<br />
<strong>de</strong>nn die Absicht, die Tatsache bestreiten zu wollen, ergibt sich ausnahmsweise aus<br />
<strong>de</strong>m sonstigen Vortrag.<br />
Ist <strong>de</strong>r Sachvortrag erfasst, folgt die materiell rechtliche Begutachtung <strong>de</strong>s Sachverhalts,<br />
also die Erheblichkeitsprüfung. <strong>Das</strong> Grundproblem ist dabei, dass es nun in<br />
<strong>de</strong>r Regel zwei unterschiedliche Sachverhalte gibt, die rechtlich zu bewerten sind,<br />
nämlich zum einen <strong>de</strong>n Sachverhalt, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kläger behauptet und zum an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>n<br />
Sachverhalt, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Beklagte behauptet. Die Lösung folgt aus folgen<strong>de</strong>n Grundgedanken:<br />
Begrün<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r vom Kläger begehrte Anspruch we<strong>de</strong>r aus seinem behaupteten<br />
und <strong>de</strong>m vom Beklagten vorgebrachten unbestritten gebliebenen Sachverhalt noch<br />
aus <strong>de</strong>m vom Beklagten behaupteten Sachverhalt, kann ohne weitere Zwischenschritte<br />
entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n: Die Klage wird als unschlüssig abzuweisen sein. Begrün<strong>de</strong>t<br />
sich <strong>de</strong>r vom Kläger behauptete Anspruch hingegen sowohl aus seinem eigenen<br />
Vortrag als auch aus <strong>de</strong>m (womöglich tatsächlich abweichen<strong>de</strong>n) tatsächlichen<br />
Vorbringen <strong>de</strong>s Beklagten, vermag ebenso schnell entschie<strong>de</strong>n zu wer<strong>de</strong>n: Der<br />
Klage ist stattzugeben. Weitere Zwischenschritte sind nur erfor<strong>de</strong>rlich, wenn nach<br />
<strong>de</strong>m Vortrag <strong>de</strong>s Klägers ein Anspruch bestün<strong>de</strong>, nach <strong>de</strong>m tatsächlichen Vortrag<br />
<strong>de</strong>s Beklagten hingegen ein solcher zu verneinen wäre.<br />
Welche dieser Alternativen vorliegt, ist Prüfungsgegenstand <strong>de</strong>r sogenannten Erheblichkeitsprüfung,<br />
die durchzuführen ist, wenn die Klagerwi<strong>de</strong>rung eingeht. Im Prinzip<br />
ist zur Beantwortung <strong>de</strong>r Frage spiegelbildlich zur Klägerstation ein zweites Gutachten<br />
anzufertigen. Es sind nun aber nur noch die Ansprüche zu prüfen, welche nach<br />
<strong>de</strong>m Klägervorbringen aufgrund irgen<strong>de</strong>iner Rechtsnorm gegeben waren. War die<br />
Klage nur teilweise schlüssig, so kommt es auch nur insofern auf die Erheblichkeit<br />
<strong>de</strong>s Beklagtenvorbringens an. Wo kein Angriff ist, bedarf es auch keiner Verteidigung.<br />
Verteidigt sich <strong>de</strong>r Beklagte lediglich mit Rechtsansichten, so sind diese übrigens<br />
bereits in <strong>de</strong>r Klägerstation zu prüfen gewesen. Denn <strong>de</strong>r tatsächliche Sachverhalt ist
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in dieser Konstellation unstreitig also nach Ansicht von Kläger und Beklagtem i<strong>de</strong>ntisch.<br />
Bei <strong>de</strong>r Erheblichkeitsprüfung ist dann nichts weiter zu erörtern. Ein zweites<br />
Gutachten ist nur dann erfor<strong>de</strong>rlich, wenn <strong>de</strong>r Beklagte abweichen<strong>de</strong> Tatsachenbehauptungen<br />
aufstellt, in<strong>de</strong>m er etwa das anspruchsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Vorbringen <strong>de</strong>s Klägers<br />
einfach in Abre<strong>de</strong> stellt (schlichtes Bestreiten) o<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Darstellung anspruchsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />
Tatsachen abgibt als <strong>de</strong>r Kläger (substantiiertes o<strong>de</strong>r qualifiziertes<br />
Bestreiten).<br />
Streitig ist nicht selten in welcher Form Tatsachen bestritten wer<strong>de</strong>n dürfen. Die in<br />
anwaltlichen Schriftsätzen häufig anzutreffen<strong>de</strong>n Formulierungen "Der Vortrag <strong>de</strong>s<br />
Klägers wird bestritten, soweit nicht nachstehend ausdrücklich Zugeständnisse erfolgen"<br />
o<strong>de</strong>r "Der Anspruch wird <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r Höhe nach bestritten" genügt<br />
je<strong>de</strong>nfalls nicht <strong>de</strong>r Substantiierungspflicht beim Bestreiten. Der Beklagte hat vielmehr<br />
seinerseits konkrete Tatsachen vorzutragen, aus <strong>de</strong>nen ersichtlich ist, inwieweit<br />
seine Darstellung von <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Klägers abweicht. Die mangeln<strong>de</strong> Substantiierung<br />
durch <strong>de</strong>n Beklagten führt nach § 138 Abs.3 ZPO dazu, das Vorbringen <strong>de</strong>s Klägers<br />
als zugestan<strong>de</strong>n anzusehen.<br />
Im Tatbestand <strong>de</strong>s Urteils ist bei einfachen Fällen das pauschal bestrittene Vorbringen<br />
<strong>de</strong>s Klägers als unstreitig darzustellen. In <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n ist dann<br />
unter Hinweis auf § 138 Abs.3 ZPO kurz zu begrün<strong>de</strong>n, warum <strong>de</strong>r Vortrag trotz <strong>de</strong>s<br />
Bestreitens als unstreitig behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n ist.<br />
In Fällen, in <strong>de</strong>nen es nicht ein<strong>de</strong>utig ist, ob <strong>de</strong>r Beklagte substantiiert bestritten hat,<br />
ist das Vorbringen <strong>de</strong>s Beklagten im Tatbestand im Zweifel als streitig darzustellen.<br />
Ebenso verhält es sich, wenn § 138 Abs.3 ZPO <strong>de</strong>r Kernpunkt <strong>de</strong>r Entscheidung ist<br />
In <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n ist dann herauszustellen, warum das Vorbringen <strong>de</strong>s<br />
Klägers im Ergebnis gleichwohl als unstreitig behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n ist.<br />
Zu beachten ist, dass unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 138 Abs.4 ZPO das pauschale<br />
Bestreiten ausreichen kann, nämlich dann, wenn es sich um eine Tatsache<br />
han<strong>de</strong>lt, die nicht <strong>de</strong>n Wahrnehmungsbereich <strong>de</strong>s Beklagten und <strong>de</strong>r ihm zugänglichen<br />
Sphäre unterfällt.<br />
Weitere Verteidigungsmöglichkeiten <strong>de</strong>s Beklagten außer <strong>de</strong>m Bestreiten sind die<br />
anspruchsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Tatsachen zwar zuzugestehen, aber zusätzliche Tatsachen<br />
zu behaupten, die ein Gegenrecht ausfüllen (Einre<strong>de</strong>n im prozessualen Sinne), und<br />
zwar in altbekannter Unterscheidung:<br />
- rechtshin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Einwendungen (z.B. Geschäftsunfähigkeit, Sittenwidrigkeit)<br />
- rechtsvernichten<strong>de</strong> Einwendungen (z.B. Erfüllung, Erlass, Rücktritt, Kündigung,<br />
Aufrechnung)<br />
- rechtshemmen<strong>de</strong> Einwendungen (Einre<strong>de</strong>n im bürgerlichrechtlichen Sinne,<br />
z.B. Verjährung, Stundung, Zurückbehaltungsrecht, Einre<strong>de</strong> <strong>de</strong>s nicht erfüllten<br />
Vertrages)<br />
In eben dieser Reihenfolge sollte <strong>de</strong>r Beklagtenvortrag auch unbedingt geprüft wer<strong>de</strong>n,<br />
wenn die Erheblichkeit <strong>de</strong>s Beklagtenvorbringens beurteilt wird. Denn rechtshin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />
Einwendungen haben für <strong>de</strong>n Beklagten weitergehen<strong>de</strong> Wirkungen als<br />
rechtsvernichten<strong>de</strong>, lassen ein bestimmtes Recht also gar nicht erst entstehen,<br />
schließen <strong>de</strong>swegen aber auch rechtsvernichten<strong>de</strong> aus. <strong>Das</strong> gleiche gilt im Verhältnis<br />
rechtsvernichten<strong>de</strong>r Einwendungen zu rechtshemmen<strong>de</strong>n Einwendungen. Ist ein<br />
Anspruch bereits vernichtet, vermag die rechtshemmen<strong>de</strong> Einwendung gar nicht
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mehr zu greifen.<br />
Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Erheblichkeitsprüfung spielt auch die kompliziert klingen<strong>de</strong>,<br />
tatsächlich aber schlicht handhabbare Theorie <strong>de</strong>s gleichwertigen (äquipollenten)<br />
Parteivorbringens eine Rolle. Sie betrifft <strong>de</strong>n Fall, dass <strong>de</strong>r Vortrag <strong>de</strong>s Beklagten<br />
für ihn selbst ungünstig ist und <strong>de</strong>r Klage zum Erfolg verhilft. Macht sich <strong>de</strong>r Kläger<br />
das ihm günstige Vorbringen <strong>de</strong>s Beklagten ausdrücklich auch (nur) hilfsweise zu<br />
eigen, so ist dieses Vorbringen auch darauf hin zu untersuchen, ob sich <strong>de</strong>r begehrte<br />
Anspruch bereits daraus begrün<strong>de</strong>t. Hat <strong>de</strong>r Kläger sich das streitige Vorbringen <strong>de</strong>s<br />
Beklagten hingegen nicht auch nur hilfsweise zu eigen gemacht, so kann nach <strong>de</strong>r in<br />
Schrifttum vertretenen Theorie <strong>de</strong>s gleichwertigen Parteivorbringens <strong>de</strong>r Klage <strong>de</strong>nnoch<br />
allein auf Grund <strong>de</strong>s Beklagtenvorbringens stattgegeben wer<strong>de</strong>n, sofern bei<strong>de</strong><br />
Parteien <strong>de</strong>nselben Lebensvorgang meinen. Denn auf Grund <strong>de</strong>s Vortrages <strong>de</strong>s Beklagten<br />
kann, da er letztlich dieselbe Rechtsfolge nach sich zieht, nicht von einem<br />
relevanten Bestreiten ausgegangen wer<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BGH<br />
hingegen muss das Vorbringen bei<strong>de</strong>r Parteien nicht nur <strong>de</strong>nselben Lebensvorgang<br />
betreffen, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Kläger muss sich das Vorbringen <strong>de</strong>s Beklagten wenigstens<br />
hilfsweise zu eigen machen, um von gleichwertigem Parteivorbringen ausgehen zu<br />
können. Auch nach <strong>de</strong>m BGH ist aber immer zu berücksichtigen, dass <strong>de</strong>r Kläger<br />
sich das Vorbringen <strong>de</strong>s Gegners auch konklu<strong>de</strong>nt zu eigen machen kann und im<br />
Zweifel machen wird, wenn es für ihn streitet. Die praktischen Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />
Ansichten sind daher minimal.<br />
3. Die Beweisstation<br />
Steht nach Klägerstation und <strong>de</strong>r Erheblichkeitsprüfung fest, dass es entscheidungserheblich<br />
darauf ankommt, ob eine bestimmte Behauptung <strong>de</strong>s Klägers o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Beklagten<br />
zutrifft, so ist über diese Behauptung womöglich Beweis zu erheben. Ob eine<br />
Beweisaufnahme durchzuführen ist, ist in <strong>de</strong>r sogenannten Beweisstation zu prüfen.<br />
Als erstes stellt sich dabei die Frage nach <strong>de</strong>r Beweisbedürftigkeit.<br />
3.1 Beweisbedürftigkeit<br />
Grundsätzlich bedürfen alle streitigen Tatsachen, auf die es für die Entscheidung <strong>de</strong>s<br />
Rechtsstreits ankommt, bedürfen <strong>de</strong>s Beweises. Ausnahmen bil<strong>de</strong>n insbeson<strong>de</strong>re<br />
die offenkundigen Tatsachen (§ 291 ZPO), d.h. allgemeinkundige und gerichtskundige<br />
Tatsachen. Allgemeinkundig sind solche Tatsachen, die einer beliebig großen Anzahl<br />
von Menschen bekannt o<strong>de</strong>r anhand allgemein zugänglicher Quellen zuverlässig<br />
wahrnehmbar sind, z.B.<br />
- historische Ereignisse, über die man sich anhand von Nachschlagewerken<br />
informieren kann,<br />
- <strong>de</strong>r Basiszinssatz (§ 247 Abs. 1 S. 1 BGB)<br />
- <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Fachpresse veröffentlichte monatliche In<strong>de</strong>xstand <strong>de</strong>r Lebenshaltungskosten<br />
Gerichtskundig sind solche Tatsachen, die das erkennen<strong>de</strong> Gericht o<strong>de</strong>r eines seiner<br />
Mitglie<strong>de</strong>r amtlich wahrgenommen hat, z.B. Erkenntnisse aus einer Ortsbesichtigung<br />
im Rahmen eines Parallelverfahrens bei Serienschä<strong>de</strong>n. Nicht hierher gehören allerdings<br />
nach ganz herrschen<strong>de</strong>r Meinung private Wahrnehmungen eines Gerichtsmitglieds,<br />
z.B. eine Ortsbesichtigung durch <strong>de</strong>n Richter auf <strong>de</strong>m Heimweg (wegen § 357<br />
Abs. 1 ZPO). Ein privater Augenschein eines Richters kann nur dann eine Beweisaufnahme<br />
ersetzen, wenn er dazu dient, sich über eine offenkundige Tatsache (z.B.
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Verlauf einer öffentlichen Straße) zu vergewissern. Im übrigen kann <strong>de</strong>r Richter versuchen,<br />
<strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Partei unter Hinweis auf seine privaten Wahrnehmungen<br />
ihr Bestreiten auszure<strong>de</strong>n.<br />
Wegen <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong>de</strong>s rechtlichen Gehörs muss das Gericht die Parteien regelmäßig<br />
nach § 139 ZPO darauf hinweisen, dass und welche Tatsachen als offenkundig<br />
behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n sollen, wenn die Parteien sich nicht auf sie berufen haben<br />
und auch nicht mit ihrer Berücksichtigung rechnen mussten.<br />
<strong>Das</strong> Beweisthema, worüber Beweis erhoben wer<strong>de</strong>n soll, muss <strong>de</strong>s weiteren von <strong>de</strong>r<br />
darlegungs- und beweisbelasteten Partei hinreichend bestimmt bezeichnet sein. Ein<br />
Beweisermittlungsantrag, bei <strong>de</strong>m die Beweisaufnahme <strong>de</strong>r Ausforschung dienen<br />
soll, genügt nicht. Ebenso muss die beweispflichtige Partei (also die, die die Beweislast<br />
trägt) <strong>de</strong>n Beweis angetreten bzw. angeboten haben. <strong>Das</strong> angebotene Beweismittel<br />
muss nach Art <strong>de</strong>s Verfahrens und <strong>de</strong>m konkreten Verfahrensstand auch zulässig<br />
sein (vgl. §§ 592, 595 II ZPO Urkun<strong>de</strong>nprozess, §§ 920 II, 936, 294 ZPO Arrest<br />
und einstweilige Verfügung). <strong>Das</strong> Beweismittel darf ferner nicht völlig ungeeignet<br />
sein; aber: eine Vorwegnahme <strong>de</strong>r Beweiswürdigung ist unzulässig. Der Beweisantritt<br />
darf nicht verspätet sein (§ 296 ZPO). Der Beweis darf auch nicht überflüssig<br />
sein. Er kann daher auch etwa dann abgelehnt wer<strong>de</strong>n, wenn das Gericht von <strong>de</strong>r zu<br />
beweisen<strong>de</strong>n Tatsache bereits überzeugt ist; einem Antrag auf Gegenbeweis muss<br />
natürlich stattgegeben wer<strong>de</strong>n.<br />
Wenn <strong>de</strong>mnach die Beweisbedürftigkeit einer streitigen Tatsache feststeht, stellt sich<br />
die nächste Frage, nämlich: Wie ist eigentlich Beweis zu erheben. Die Beantwortung<br />
<strong>de</strong>r Frage hängt ganz entschei<strong>de</strong>nd davon ab, wer darlegungs- und beweisbelastet<br />
ist, <strong>de</strong>r Kläger o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Beklagte:<br />
3.2 Beweislast<br />
Die Frage <strong>de</strong>r Beweislast prägt die gesamte Entscheidungsfindung und zwar auch<br />
dann, wenn tatsächlich Beweis gar nicht erhoben wer<strong>de</strong>n muss. Mit <strong>de</strong>r Verteilung<br />
<strong>de</strong>r Beweislast nämlich korrespondiert die Verteilung <strong>de</strong>r Darlegungslast. Was eine<br />
Partei nicht beweisen muss, muss sie auch nicht vortragen und schon gar nicht substantiieren.<br />
Von <strong>de</strong>r Beweislastverteilung ist also abhängig, welche Partei überhaupt<br />
was vorzutragen hat und welche Partei für welche Behauptung Beweis anzubieten<br />
hat. Eine Beweisaufnahme scheitert nicht selten daran, dass die eigentlich beweisbelastete<br />
Partei keinen geeigneten Beweis antreten kann. Tritt die beweisbelastete Partei<br />
nämlich keinen tauglichen Beweis an, so bleibt sie beweisfällig mit <strong>de</strong>r für sie negativen<br />
Konsequenz einer gegen sie gerichteten Entscheidung.<br />
Fehlt also ein geeignetes Beweisangebot <strong>de</strong>r beweisbelasteten Partei, ist die Tatsache<br />
nicht bewiesen. In <strong>de</strong>m Fall darf eine Beweisaufnahme auch auf keinen Fall erfolgen<br />
und zwar auch dann nicht, wenn die an<strong>de</strong>re <strong>Seite</strong> für <strong>de</strong>n Beweis <strong>de</strong>s Gegenteils<br />
bereits einen Zeugen benannt hat!<br />
Auf die Verteilung <strong>de</strong>r Beweislast kommt es im übrigen natürlich entschei<strong>de</strong>nd an,<br />
wenn nach Ausschöpfung aller Beweismittel die Richtigkeit einer für die beantragte<br />
Rechtsfolge maßgeblichen Behauptung we<strong>de</strong>r mit an Sicherheit grenzen<strong>de</strong>r Wahrscheinlichkeit<br />
festgestellt noch ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann, wenn also ein non liquet<br />
vorliegt. Die verbliebenen Zweifel wirken sich dann zu Lasten <strong>de</strong>sjenigen aus,<br />
<strong>de</strong>r die Beweislast trägt.<br />
Auch in Klausuren ist bereits bei <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rung und dortigen Begutachtung mitzube<strong>de</strong>nken,<br />
wer eigentlich welche Tatsache mit welchem Beweismittel zu beweisen
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hat. Die Frage, wer eigentlich was darzulegen und zu beweisen hat, beantwortet sich<br />
dabei nach <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Grundsätzen:<br />
Die nirgendwo ausdrücklich normierte, aber allgemein anerkannte Grundregel <strong>de</strong>r<br />
Beweislastverteilung lautet:<br />
Je<strong>de</strong> Partei trägt die - volle - Beweislast für das Eingreifen <strong>de</strong>r ihr günstigen Normen.<br />
Wer einen Anspruch geltend macht, muss also die anspruchsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Tatsachen<br />
beweisen, wer einem Anspruch entgegentritt, die anspruchshin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n, anspruchsvernichten<strong>de</strong>n<br />
und anspruchshemmen<strong>de</strong>n Tatsachen. Welche Tatsachen zur<br />
Begründung eines Anspruchs und welche zur Begründung einer Einre<strong>de</strong> gehören,<br />
ergibt sich aus <strong>de</strong>m materiellen Recht. Im Zweifel kann man sich anhand <strong>de</strong>r gängigen<br />
Kommentare zum materiellen Recht hierüber informieren. Als leicht zu merken<strong>de</strong><br />
Regel, die aber lei<strong>de</strong>r nicht immer gilt, kann sich gemerkt wer<strong>de</strong>n, dass grundsätzlich<br />
<strong>de</strong>r beweisbelastet ist, <strong>de</strong>r eine positive Tatsachenbehauptung aufstellt („<strong>Das</strong> ist passiert“).<br />
Derjenige hingegen, <strong>de</strong>r eine negative Tatsache behauptet („Ich bin am 5.<br />
Januar nicht in <strong>de</strong>m Lokal gewesen“) ist insoweit meist auch nicht beweisbelastet.<br />
Von <strong>de</strong>r regelmäßigen Beweislastverteilung gibt es wichtige Ausnahmen, die dazu<br />
führen, dass die eigentlich darlegungs- und beweisbelastete Partei im konkreten Fall<br />
gera<strong>de</strong> doch nicht darlegungs- und beweisbelastet ist. Diese Ausnahmen wer<strong>de</strong>n im<br />
folgen<strong>de</strong>n anhand <strong>de</strong>r in Betracht kommen<strong>de</strong>n Ausnahmegruppen dargestellt:<br />
3.2.1 Gesetzliche Beweislastumkehr<br />
Von Beweislastumkehr spricht man, wenn die - volle - Beweislast <strong>de</strong>m Gegner <strong>de</strong>r<br />
nach <strong>de</strong>r o.g. Grundregel an sich beweispflichtigen Partei aufgebür<strong>de</strong>t wird. Eine<br />
Reihe solcher Ausnahmen von <strong>de</strong>r normalerweise gelten<strong>de</strong>n Beweislastverteilung<br />
sind im materiellen Recht geregelt. Dies kann entwe<strong>de</strong>r durch die negative Formulierung<br />
von Tatbestandsmerkmalen geschehen. Eine <strong>de</strong>r praktisch wichtigsten Bestimmungen<br />
dieser Art stellt § 280 BGB dar, welcher lautet: <strong>Das</strong> an sich anspruchsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Merkmal <strong>de</strong>s Verschul<strong>de</strong>ns ist also ausnahmsweise nicht von <strong>de</strong>mjenigen<br />
darzulegen und zu beweisen, welcher einen Anspruch wegen einer Pflichtverletzung<br />
geltend macht. Vielmehr muss <strong>de</strong>r Anspruchsgegner sein fehlen<strong>de</strong>s Verschul<strong>de</strong>n<br />
darlegen und beweisen.<br />
Gesetzgeberisches Motiv für die genannte Regelung ist <strong>de</strong>r Gedanke <strong>de</strong>r Zumutbarkeit:<br />
Der Schuldner ist zur Aufklärung <strong>de</strong>r fraglichen Umstän<strong>de</strong> wegen seiner größeren<br />
Sachnähe eher in <strong>de</strong>r Lage als <strong>de</strong>r Gläubiger. Die Regel <strong>de</strong>s § 280 BGB betrifft<br />
sowohl vertragliche als auch gesetzliche Schuldverhältnisse (§ 311 Abs. 2, 241<br />
BGB).<br />
Mit <strong>de</strong>m neuen Schuldrecht ist durch § 476 BGB eine weitere wichtige Beweislastumkehr<br />
normiert wor<strong>de</strong>n. Zeigt sich beim Verbrauchsgüterkauf innerhalb von sechs<br />
Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird grundsätzlich vermutet, dass<br />
die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen ist. Aber Vorsicht: Die<br />
Vermutung greift nur, wenn die beweisbelastete Partei <strong>de</strong>n Vollbeweis zu erbringen<br />
vermag, dass die Sache überhaupt mangelhaft ist. Zeigt sich an <strong>de</strong>r verkauften Sache<br />
innerhalb von sechs Monaten ein Scha<strong>de</strong>n, enthält § 476 BGB noch keine Beweislastumkehr,<br />
dass die Sache auch mangelhaft ist (BGH NJW 2004, 2299).<br />
3.3.2.2 Umkehr <strong>de</strong>r Beweislast in <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />
Über die im Gesetz vorgesehenen Fälle hinaus, hat die Rechtsprechung eine Reihe<br />
weiterer Konstellationen herausgearbeitet, bei <strong>de</strong>nen Beweiserleichterungen <strong>bis</strong> hin
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zur Beweislastumkehr in Betracht kommen. Zu erwähnen sind zunächst die ursprünglich<br />
von <strong>de</strong>r Rechtsprechung entwickelten Regeln <strong>de</strong>r Beweislastumkehr im<br />
Bereich <strong>de</strong>r Produkthaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Diese haben mittlerweile allerdings<br />
Eingang in gesetzliche Regelungen gefun<strong>de</strong>n: § 1 Abs. 1 <strong>de</strong>s Produkthaftungsgesetzes<br />
etwa sieht eine Gefährdungshaftung vor, so dass <strong>de</strong>r Geschädigte ein<br />
Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Herstellers nicht zu beweisen braucht.<br />
Be<strong>de</strong>utsame Fälle <strong>de</strong>r richterrechtlichen Beweislastumkehr liegen im Bereich <strong>de</strong>r<br />
Arzthaftung. Die dort entwickelten Beweiserleichterungen betreffen hauptsächlich<br />
<strong>de</strong>n Nachweis <strong>de</strong>r haftungsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kausalität, also <strong>de</strong>r Ursächlichkeit <strong>de</strong>r<br />
ärztlichen Behandlung für einen Scha<strong>de</strong>n an Körper bzw. Gesundheit <strong>de</strong>s Patienten.<br />
Grundsätzlich ist es Sache <strong>de</strong>s Patienten, diese Ursächlichkeit wie alle an<strong>de</strong>ren Tatbestandsmerkmale<br />
<strong>de</strong>s von ihm geltend gemachten Anspruchs nachzuweisen. Ein<br />
solcher Nachweis ist allgemein schwierig, da die Reaktionen <strong>de</strong>s menschlichen Körpers<br />
auf eine ärztliche Behandlung nur selten mit letzter Sicherheit nachzuvollziehen<br />
sind. An sich erscheint es nicht unbillig, dass <strong>de</strong>r Patient das hiermit verbun<strong>de</strong>ne<br />
Beweisrisiko zu tragen hat, weil es sich um aus seiner (Körper-) Sphäre herrühren<strong>de</strong><br />
Unwägbarkeiten han<strong>de</strong>lt und <strong>de</strong>r Arzt in <strong>de</strong>r Regel nicht einen bestimmten Erfolg -<br />
etwa die Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r Gesundheit - schul<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn nur die hierauf gerichtete<br />
ärztliche Heilbehandlung nach medizinischem Standard. Unter <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />
Umstän<strong>de</strong>n können allerdings Beweiserleichterungen <strong>bis</strong> hin zur Beweislastumkehr<br />
gerechtfertigt sein:<br />
Wenn ein grober Behandlungsfehler vorliegt, so muss <strong>de</strong>r Arzt grundsätzlich für alle<br />
Schä<strong>de</strong>n einstehen, für <strong>de</strong>ren Herbeiführung <strong>de</strong>r Fehler geeignet erscheint, d.h. nicht<br />
nur für typische, naheliegen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r wahrscheinliche Folgen! Dabei kommt es nicht<br />
auf <strong>de</strong>n Grad <strong>de</strong>r subjektiven Vorwerfbarkeit (i.S. einer groben Fahrlässigkeit), son<strong>de</strong>rn<br />
auf die Ein<strong>de</strong>utigkeit <strong>de</strong>r objektiven Abweichung von <strong>de</strong>m gebotenen Vorgehen<br />
an. Ein grober Behandlungsfehler ist insbeson<strong>de</strong>re anzunehmen, wenn <strong>de</strong>r Arzt ein<strong>de</strong>utig<br />
gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln o<strong>de</strong>r gesicherte medizinische<br />
Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, <strong>de</strong>r aus objektiver Sicht<br />
nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen<br />
darf. Der Arzt kann sich dann nur entlasten, wenn er darlegt und beweist, dass<br />
ein Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsbeeinträchtigung<br />
im konkreten Fall ausgeschlossen o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st in hohem Maße unwahrscheinlich<br />
ist. Umgekehrt hat <strong>de</strong>r Arzt diesen Beweis erst zu führen, wenn <strong>de</strong>r Patient<br />
<strong>de</strong>n Beweis <strong>de</strong>s groben Behandlungsfehlers geführt hat<br />
Auch ein grober Diagnosefehler rechtfertigt eine Beweislastumkehr in Bezug auf die<br />
haftungsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kausalität. Ein solcher grober Diagnosefehler kommt etwa in<br />
Betracht, wenn erhobene Befun<strong>de</strong> in fundamentaler Weise fehlinterpretiert o<strong>de</strong>r<br />
wenn zweifelsfrei erfor<strong>de</strong>rliche Kontrollbefun<strong>de</strong> zum Behandlungsgeschehen nicht<br />
erhoben wur<strong>de</strong>n.<br />
Beweiserleichterungen für <strong>de</strong>n Patienten <strong>bis</strong> hin zur Beweislastumkehr können sich<br />
ferner aus Dokumentationsversäumnissen ergeben, wobei <strong>de</strong>r Grundgedanke <strong>de</strong>r<br />
geän<strong>de</strong>rten Risikoverteilung hinsichtlich <strong>de</strong>r Beweislast ähnlich wie beim Diagnosefehler<br />
ist: Zu dokumentieren sind die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen<br />
Maßnahmen (z.B. Diagnoseuntersuchungen, Funktionsbefun<strong>de</strong>, Medikation, ärztliche<br />
Anweisungen, Abweichen von Standardbehandlung) und Verlaufsdaten (Operationsbericht,<br />
Narkoseprotokoll, Zwischenfälle, Anfängerkontrolle, Intensivpflege, Verlassen<br />
<strong>de</strong>s Krankenhauses gegen ärztlichen Rat), nicht aber selbstverständliche Routine-
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handreichungen. Die Nichtdokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme<br />
indiziert ihr Unterbleiben. <strong>Das</strong> Gegenteil ist vom Arzt zu beweisen. Wenn dieser Gegenbeweis<br />
nicht angetreten wird o<strong>de</strong>r nicht gelingt und das indizierte Versäumnis als<br />
grober Behandlungs- o<strong>de</strong>r Diagnosefehler zu qualifizieren ist, kommt gemäß <strong>de</strong>n o-<br />
ben dargelegten Grundsätzen auch für die Frage <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsursächlichkeit eine<br />
Beweislastumkehr in Betracht.<br />
Alle diese Beweiserleichterungen sollen nicht als Sanktion für ein pflichtwidriges Verhalten<br />
<strong>de</strong>s Arztes im Rahmen <strong>de</strong>s Behandlungsgeschehens verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Vielmehr soll ihre Rechtfertigung darin bestehen, dass <strong>de</strong>m Patienten hierdurch <strong>de</strong>r<br />
Kausalitätsbeweis noch schwerer gemacht wur<strong>de</strong> als er ohnehin schon ist, weil ein<br />
beson<strong>de</strong>rs scha<strong>de</strong>nsgeneigter Behandlungsfehler das Spektrum <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Misserfolg<br />
in Betracht kommen<strong>de</strong>n Ursachen zu Lasten <strong>de</strong>s Patienten verbreitert o<strong>de</strong>r verschiebt.<br />
Aber Achtung: Mit <strong>de</strong>r Aus<strong>de</strong>hnung dieser Rechtsprechung auf weitere, <strong>bis</strong>her nicht<br />
allgemein anerkannte Fallgruppen ist Vorsicht geboten. Die Regelverteilung <strong>de</strong>r Beweislast<br />
dient einer Risikoverteilung zwischen <strong>de</strong>n Parteien und bewirkt einen Schutz<br />
vor vorschnellen, sachlich ungerechtfertigten Entscheidungen im Falle unaufklärbaren<br />
Sachverhalts. Eine Umkehr <strong>de</strong>r Beweislast kann daher nur dann erfolgen, wenn<br />
diese Regelverteilung ausnahmsweise zu evi<strong>de</strong>nt "ungerechten", sozial unerträglichen<br />
Ergebnissen führen wür<strong>de</strong>. Bloße Billigkeits- o<strong>de</strong>r Bequemlichkeitserwägungen,<br />
die allein darauf abstellen, welcher Partei ein Beweis eher möglich o<strong>de</strong>r zuzumuten<br />
ist, reichen hierfür nicht aus!<br />
3.2.3 Erleichterungen <strong>de</strong>r Beweislast durch gesetzliche Vermutungen<br />
Bei <strong>de</strong>r Beweisführung helfen <strong>de</strong>r beweisbelasteten Partei zum <strong>Teil</strong> auch Erfahrungssätze,<br />
die es erlauben, von einer bewiesenen o<strong>de</strong>r beweisbaren Tatsache (Anknüpfungstatsache)<br />
auf eine für die Subsumtion benötigte, aber nicht (ohne weiteres)<br />
beweisbare Tatsache (Haupttatsache) zu schließen.<br />
Derartige Erfahrungssätze können hinsichtlich ihrer Beweiskraft von verschie<strong>de</strong>ner<br />
Stärke sein. Manche Erfahrungssätze sind so elementar und / o<strong>de</strong>r praktisch be<strong>de</strong>utsam,<br />
dass sie Gegenstand einer gesetzlichen Vermutung gewor<strong>de</strong>n sind. Diese kann<br />
sich auf Tatsachen o<strong>de</strong>r auf Rechte beziehen. <strong>Das</strong>s aus <strong>de</strong>r Anknüpfungstatsache<br />
(Vermutungstatbestand) auf die Haupttatsache (Vermutungsfolge) zu schließen ist,<br />
ist dann nicht zu prüfen und zu begrün<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn aufgrund <strong>de</strong>r gesetzgeberischen<br />
Entscheidung zu unterstellen. Beispiele für solche gesetzlichen Vermutungen bil<strong>de</strong>n<br />
§ 443 Abs. 2 BGB o<strong>de</strong>r § 891 BGB.<br />
Die Partei, die sich auf eine gesetzliche Vermutung berufen kann, braucht die Vermutungsfolge,<br />
d.h. die als Tatbestandsmerkmal einer Anspruchsgrundlage relevante<br />
Haupttatsache (z.B. Eigentum bei einem Anspruch aus § 985 BGB) – das „dann“<br />
nicht darzulegen und zu beweisen. Es reicht vielmehr, wenn sie <strong>de</strong>n Vermutungstatbestand,<br />
d.h. die Anknüpfungstatsache für die gesetzliche Vermutung (z.B. Eigenbesitz<br />
i.S.d. § 1006 BGB) – das „wenn„ – darlegt und im Falle <strong>de</strong>s Bestreitens nach <strong>de</strong>n<br />
allgemeinen Regeln beweist. Aus ihrer Sicht tritt also eine Art Verlagerung <strong>de</strong>s Beweisthemas<br />
von <strong>de</strong>r Haupttatsache auf die Anknüpfungstatsache ein. Der Vorteil für<br />
die Partei besteht darin, dass sich die im Gesetz genannten Anknüpfungstatsachen<br />
in <strong>de</strong>r Regel einfacher beweisen lassen als die Haupttatsachen selbst.<br />
Steht <strong>de</strong>r Vermutungstatbestand fest, so ist es Sache <strong>de</strong>r Gegenpartei zu beweisen,<br />
dass die Vermutungsfolge im konkreten Fall ausnahmsweise nicht vorliegt (§ 292
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ZPO). Dabei reicht es nicht aus, die Vermutung bloß zu erschüttern. Erfor<strong>de</strong>rlich ist<br />
vielmehr <strong>de</strong>r Beweis <strong>de</strong>s Gegenteils, d.h. die Herbeiführung <strong>de</strong>r vollen Überzeugung<br />
<strong>de</strong>s Gerichts vom Gegenteil/<strong>de</strong>r Unwahrheit <strong>de</strong>r zu vermuten<strong>de</strong>n Tatsache. Es han<strong>de</strong>lt<br />
sich also um einen speziellen Fall <strong>de</strong>r Beweislastumkehr. So ist z.B. im Rahmen<br />
<strong>de</strong>s § 443 Abs. 2 BGB vom Verkäufer zu beweisen, dass die Kaufsache im Zeitpunkt<br />
<strong>de</strong>s Gefahrübergangs in Ordnung war und das Produkt die Dauer <strong>de</strong>r Garantiezeit<br />
ohne Schä<strong>de</strong>n übersteht, <strong>de</strong>r Mangel also aufgrund unsachgemäßer Behandlung/Beschädigung<br />
in <strong>de</strong>r Sphäre <strong>de</strong>s Käufers entstan<strong>de</strong>n ist.<br />
3.2.4 Erleichterungen <strong>de</strong>r Beweislast durch tatsächliche Vermutungen = Anscheinsbeweis<br />
Auch außerhalb <strong>de</strong>r gesetzlichen Vermutungen kommen Beweiserleichterungen in<br />
Betracht, nämlich dann, wenn nach <strong>de</strong>r Lebenserfahrung typischerweise eine bestimmte<br />
Tatsache mit einer an<strong>de</strong>ren Tatsache verknüpft ist. Es erscheint dann gerechtfertigt,<br />
von einem typischen Geschehensablauf erst einmal auszugehen, <strong>bis</strong> eine<br />
nähere Betrachtung <strong>de</strong>s konkreten Einzelfalls zeigt, dass es sich hier ausnahmsweise<br />
vielleicht doch an<strong>de</strong>rs verhält. Eine solche Beweisführung aufgrund tatsächlicher<br />
Vermutungen nennt man auch Anscheins- o<strong>de</strong>r prima-facie-Beweis.<br />
Beweisgegner<br />
Beweisführer<br />
Anschein<br />
Vollbeweis<br />
?<br />
Beispiel:<br />
Nach <strong>de</strong>n AGB-Banken übernimmt die Bank <strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r durch missbräuchliche<br />
Verwendung einer ec-Karte eintritt, es sei <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> han<strong>de</strong>lt selber grob<br />
fahrlässig o<strong>de</strong>r vorsätzlich. Beweisbelastet für das grob fahrlässige Verhalten <strong>de</strong>s<br />
Kun<strong>de</strong>n wäre nach <strong>de</strong>r gesetzlichen Beweislastverteilung die Bank.<br />
Aber: Wird die ec-Karte missbräuchlich eingesetzt, spricht nach BGH NJW 2004,<br />
3623 ein erster Anschein für grob fahrlässiges Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n! Denn es sei<br />
mathematisch ausgeschlossen, dass <strong>de</strong>r PIN Co<strong>de</strong> durch einen Unberechtigten geknackt<br />
wird, <strong>de</strong>r lediglich die Karte in die Hän<strong>de</strong> erhält. Typischerweise müsse er in<br />
diesen Fällen zusätzlich durch grob fahrlässiges Verhalten <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n – klassischer<br />
Fall: PIN-Nummer auf <strong>de</strong>r Karte notiert – Kenntnis von <strong>de</strong>m PIN-Co<strong>de</strong> erhalten haben.<br />
Auch wenn <strong>de</strong>r Zusammenhang nicht zwingend ist (die Kenntnis von <strong>de</strong>r PIN<br />
Nummer kann ja durchaus auch ohne Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n erlangt wor<strong>de</strong>n sein,<br />
etwa durch unbemerktes Ausspähen beim Abheben), darf in einem solchen Fall von<br />
<strong>de</strong>m Vorliegen <strong>de</strong>r einen Tatsache (Unberechtigtes Abheben mit einer durch PIN geschützten<br />
Karte) auf das Vorliegen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Tatsache (Kun<strong>de</strong> hat durch nicht
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ordnungsgemäßen Umgang mit <strong>de</strong>r Karte zur Kenntniserlangung durch <strong>de</strong>n Dritten<br />
grob fahrlässig beigetragen) geschlossen wer<strong>de</strong>n. Bei Vorliegen <strong>de</strong>r einen Tatsache<br />
(Unberechtigtes Abheben mit PIN geschützter Karte) ist das Vorliegen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Tatsache (Grob fahrlässiges Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>s Berechtigten) also zu vermuten.<br />
Ebenso wie bei einer gesetzlichen Vermutung ist beim Anscheinsbeweis zwischen<br />
<strong>de</strong>m Vermutungstatbestand und <strong>de</strong>r Vermutungsfolge zu unterschei<strong>de</strong>n. Die tatsächlichen<br />
Voraussetzungen <strong>de</strong>s Vermutungstatbestands (z.B.: Sicherheit <strong>de</strong>r PIN Karte<br />
bei ordnungsgemäßem Gebrauch) muss <strong>de</strong>rjenige darlegen und gegebenenfalls beweisen,<br />
<strong>de</strong>r sich auf <strong>de</strong>n Anscheinsbeweis beruft. An<strong>de</strong>rs als bei <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />
Vermutung muss <strong>de</strong>r tatsächlichen Vermutung im übrigen auch <strong>de</strong>r Satz <strong>de</strong>r Lebenserfahrung,<br />
welcher <strong>de</strong>n Schluss vom Vermutungstatbestand auf die Vermutungsfolge<br />
zulässt, vom Gericht festgestellt wer<strong>de</strong>n, im Beispielsfall also <strong>de</strong>r Erfahrungssatz,<br />
dass bei einer sicher codierten PIN-Karte eine unberechtigte Nutzung regelmäßig auf<br />
einem grob fahrlässigen Umgang <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Geheimnummer beruht.<br />
Freilich lassen sich hier oft viele tatsächliche Argumente fin<strong>de</strong>n, die gegen die angenommene<br />
Lebenserfahrung sprechen. So wird die ec-Karten Entscheidung <strong>de</strong>s BGH<br />
fortdauernd von Verbraucherschützern kritisiert. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-<br />
Westfalen hat erneut Musterklagen zu <strong>de</strong>r Problematik eingereicht. In <strong>de</strong>n Medien<br />
fin<strong>de</strong>n sich immer wie<strong>de</strong>r Veröffentlichungen, dass es trotz ordnungsgemäßer Nutzung<br />
und Verwahrung <strong>de</strong>r ec-Karte nach erfolgtem Diebstahl zu unberechtigten Barabhebungen<br />
gekommen sei.<br />
Vom Ergebnis her betrachtet, wird hier beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>r Zivilrechtsprozess<br />
im Einzelfall nicht immer zum richtigen Ergebnis führen kann. Die Wahrheit lässt<br />
sich nicht immer feststellen. Die Beweislastverteilung bietet die Möglichkeit, in <strong>de</strong>r<br />
Regel das richtige Ergebnis zu fin<strong>de</strong>n. Bei Anwendung <strong>de</strong>r Regeln über <strong>de</strong>n Anscheinsbeweis<br />
zugunsten <strong>de</strong>r Banken sind zwar die Kun<strong>de</strong>n individuell benachteiligt,<br />
die objektiv tatsächlich schuldlos an <strong>de</strong>r unberechtigten Barabhebung gewesen sind,<br />
etwa weil <strong>de</strong>r PIN-Co<strong>de</strong> bei Ihnen (ausnahmsweise) unerkannt ausgespäht, <strong>de</strong>r<br />
Diebstahl <strong>de</strong>r Karte dann aber erst einige Wochen später erfolgt ist. Bei Nichtanwendung<br />
<strong>de</strong>r Regeln aber wären im Einzelfall die Banken benachteiligt, nämlich dann,<br />
wenn <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Diebstahl seiner ec-Karte nur vortäuscht und sodann wahrheitswidrig<br />
eine unberechtigte Barabhebung behauptet. Da das Missbrauchsrisiko in<br />
<strong>de</strong>r zweiten Variante ungleich höher ist, überzeugt mich das Ergebnis <strong>de</strong>r vom BGH<br />
getroffenen Entscheidung.<br />
Gelingt <strong>de</strong>m Darlegungsbelasteten <strong>de</strong>r Nachweis von Vermutungstatbestand und<br />
typischem Zusammenhang also, so steht die Vermutungsfolge (hier Grobe Fahrlässigkeit)<br />
prima facie fest. Allerdings kann <strong>de</strong>r Beweisgegner die Beweiserleichterung<br />
einfacher wie<strong>de</strong>r aufheben als bei <strong>de</strong>r gesetzlichen Vermutung. Weil die Beweiserleichterung<br />
nicht auf einem gesetzlich vorgegebenen, son<strong>de</strong>rn nur auf einem <strong>de</strong>r Lebenserfahrung<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Zusammenhang beruht, steht sie gleichsam auf unsichereren<br />
Füßen. Der Beweisgegner braucht daher nicht <strong>de</strong>n vollen Beweis <strong>de</strong>s<br />
Gegenteils zu führen. Vielmehr genügt, wenn er die tatsächliche Vermutung erschüttert,<br />
in<strong>de</strong>m er darlegt, dass in <strong>de</strong>m zu entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Fall die ernsthafte Möglichkeit<br />
eines an<strong>de</strong>ren als <strong>de</strong>s typischen Geschehensablaufs besteht. Noch einmal auf <strong>de</strong>n<br />
ec-Fall angewandt: „Die Karte ist mir unmittelbar nach<strong>de</strong>m ich an einem Bankautomaten<br />
Geld abgehoben habe, gestohlen und sodann gleich wie<strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Unberechtigten<br />
eingesetzt wor<strong>de</strong>n.“.<br />
Die Umstän<strong>de</strong>, aus <strong>de</strong>nen diese ernsthafte Möglichkeit gefolgert wer<strong>de</strong>n soll, muss
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er allerdings wie<strong>de</strong>rum im Falle <strong>de</strong>s Bestreitens voll beweisen. Wenn ihm gelingt, die<br />
tatsächliche Vermutung zu erschüttern, ist die Sache für <strong>de</strong>n Beweisführer gleichwohl<br />
nicht verloren. Er kann nämlich nunmehr noch versuchen, die streitige Tatsache unabhängig<br />
von <strong>de</strong>r Vermutung zu beweisen, also <strong>de</strong>n eigentlichen Vollbeweis zu<br />
erbringen.<br />
Ein Erfahrungssatz, <strong>de</strong>r die Grundlage für einen Anscheinsbeweis darstellt, kann sich<br />
sowohl auf die Ursachen als auch auf die Wirkungen einer bestimmten Tatsache<br />
richten. Er kann also abstrakt lauten:<br />
„Wenn die Ursache A vorliegt, tritt erfahrungsgemäß (typischerweise, üblicherweise,<br />
gewöhnlich, häufig) die Folge B ein.“<br />
o<strong>de</strong>r<br />
„Wenn die Folge A eingetreten ist, so ist sie erfahrungsgemäß auf die Ursache B zurückzuführen.“<br />
Bei <strong>de</strong>r Formulierung und Feststellung bestimmter Erfahrungssätze kann und sollte<br />
man auf die in <strong>de</strong>r Rechtsprechung anerkannten und im Kommentar (Palandt) erwähnten<br />
Fallgruppen zurückgreifen. Lässt sich eine einschlägige Fallgruppe in <strong>de</strong>r<br />
Klausur nicht fin<strong>de</strong>n, ist Zurückhaltung angesagt. Viele Klausuren lei<strong>de</strong>n darunter,<br />
dass vorschnell ein Anscheinsbeweis angenommen wird, wo lediglich eine bestimmte<br />
Ursächlichkeit in Betracht kommt o<strong>de</strong>r als nicht unwahrscheinlich erscheint. Die Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>s Anscheinsbeweis aber sind sehr viel höher. Im Zweifel ohne Absicherung<br />
durch Kommentierung sollte es bei <strong>de</strong>r grundsätzlichen Beweisverteilung<br />
bleiben.<br />
Individuelle Verhaltensweisen wie etwa Vertragsgestaltungen bzw. die Schuldform<br />
(Vorsatz o<strong>de</strong>r Fahrlässigkeit) können in <strong>de</strong>r Regel nicht Gegenstand eines Vermutungssatzes<br />
sein, <strong>de</strong>nn die an allgemeinen Erkenntnissen orientierte Lebenserfahrung<br />
erlaubt in dieser Hinsicht keine Rückschlüsse<br />
Auch <strong>de</strong>r Anscheinsbeweis beeinflusst die Darlegungslast <strong>de</strong>r Parteien. Bereits <strong>de</strong>r<br />
Vortrag <strong>de</strong>s typischen Lebenssachverhaltes reicht aus, um <strong>de</strong>n Anspruch schlüssig<br />
darzulegen. Es bedarf dann keiner geson<strong>de</strong>rten Ausführung zum Verschul<strong>de</strong>n mehr<br />
WEITER<br />
3.2.5 Beweiserleichterungen wegen Beweisvereitelung<br />
Muss eine Partei eine Tatsache beweisen und wird ihr dies aufgrund eines <strong>de</strong>m Prozessgegner<br />
zurechenbaren Verhaltens unmöglich gemacht o<strong>de</strong>r erschwert, so wäre<br />
es unbillig, eine von <strong>de</strong>n Ursachen <strong>de</strong>r Beweisfälligkeit losgelöste reine Beweislastentscheidung<br />
zu treffen. Von <strong>de</strong>rartigen Konstellationen ist in <strong>de</strong>r ZPO an verschie<strong>de</strong>nen<br />
Stellen die Re<strong>de</strong> und zwar im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Urkun<strong>de</strong>nbeweis und<br />
<strong>de</strong>m Beweis durch Parteivernehmung, vgl. etwa § 427, § 441 III 3, § 444, § 446,<br />
§ 453 II, § 454 I ZPO.<br />
Allen diesen Regelungen ist gemeinsam, dass das Gericht das beweisvereiteln<strong>de</strong><br />
Verhalten zu Lasten <strong>de</strong>s Beweisgegners würdigen kann (nicht muss!). <strong>Das</strong> Gericht<br />
hat also trotz <strong>de</strong>r Beweisvereitelung weiterhin alle Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Falles zu berücksichtigen<br />
und in diesem Zusammenhang das unredliche Verhalten <strong>de</strong>s Vereiteln<strong>de</strong>n<br />
in seine Überlegungen mit einzubeziehen. In Anlehnung an die genannten Bestimmungen<br />
und unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s auch im Prozessrecht gelten<strong>de</strong>n Grundsat-
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zes von Treu und Glauben (§ 242 BGB analog) sowie <strong>de</strong>r Prozessför<strong>de</strong>rungspflicht<br />
<strong>de</strong>r Parteien (§ 282 ZPO) hat sich im Zivilprozess als Grundsatz ein allgemeines Institut<br />
<strong>de</strong>r Beweisvereitelung herausgebil<strong>de</strong>t. Für die jeweilige Folge <strong>de</strong>r Beweisvereitelung<br />
wird nach <strong>de</strong>m Grad <strong>de</strong>s Verschul<strong>de</strong>ns zu differenzieren sein: Hat die <strong>de</strong>n<br />
Beweis vereiteln<strong>de</strong> Partei vorsätzlich gehan<strong>de</strong>lt, so kann die zu beweisen<strong>de</strong> Tatsache<br />
auch ohne <strong>de</strong>n Beweis als wahr behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Erfolgte die Beweisvereitelung<br />
nur fahrlässig, so können - je nach <strong>de</strong>m Grad <strong>de</strong>r Fahrlässigkeit und nach <strong>de</strong>n<br />
Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls - zugunsten <strong>de</strong>s Beweisführers Beweiserleichterungen<br />
von <strong>de</strong>r Möglichkeit <strong>de</strong>r eigenen Parteivernehmung (vgl. zu <strong>de</strong>n insoweit engen Voraussetzungen<br />
§ 448 ZPO) auch gegen <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s Gegners über die Zulassung<br />
bloßer Glaubhaftmachung <strong>bis</strong> hin zur vollständigen Beweislastumkehr eingreifen. Es<br />
kommt jeweils auf <strong>de</strong>n Einzelfall an. Fehlt es vollkommen an einem Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
beweisvereiteln<strong>de</strong>n Partei, so dürfen aus ihrem Verhalten keine nachteiligen Folgen<br />
hergeleitet wer<strong>de</strong>n.<br />
WEITER ÜBERARBEITUNG<br />
3.3 Beweisführung<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>r Beweiswürdigung muss geklärt wer<strong>de</strong>n, ob <strong>de</strong>r beweispflichtigen<br />
Partei, also <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r die Beweislast trägt, <strong>de</strong>r ihr obliegen<strong>de</strong> Beweis gelungen ist.<br />
Dieses Ziel <strong>de</strong>r Beweisführung wird erreicht, wenn <strong>de</strong>r Richter zur freien Überzeugung<br />
gelangt, dass eine tatsächliche Behauptung für wahr o<strong>de</strong>r nicht wahr zu erachten<br />
sei (§ 286). Freie Überzeugung gem. § 286 be<strong>de</strong>utet nicht, dass die Würdigung<br />
<strong>de</strong>s Richters allein seinem subjektiven Ermessen überlassen bleibt. Dieser Grundsatz<br />
freier richterlicher Beweiswürdigung be<strong>de</strong>utet nur, dass er von strengen formellen<br />
Beweisregeln entbun<strong>de</strong>n ist.<br />
Hingegen darf <strong>de</strong>r Grundsatz freier richterlicher Beweiswürdigung nicht be<strong>de</strong>uten,<br />
dass die Entscheidung über die Frage, ob eine Tatsache im Prozess als bewiesen<br />
anzusehen ist, einem höchst persönlichen, rational nicht nachvollziehbaren Gefühlsprozess<br />
überlassen sein darf. Die Freiheit <strong>de</strong>s Richters bei <strong>de</strong>r Entscheidung ist immer<br />
durch gesicherte Erkenntnisse und Erfahrungen begrenzt. Allerdings ist <strong>de</strong>r Begrenztheit<br />
menschlicher Erkenntnis Rechnung zu tragen und <strong>de</strong>m Richter die Möglichkeit<br />
zu geben, danach zu entschei<strong>de</strong>n, was er für wahr hält. Es ist nämlich zu berücksichtigen,<br />
dass objektive Wahrheit praktisch dazu führen wür<strong>de</strong>, dass eine Überzeugung<br />
nur in seltensten Fällen vorhan<strong>de</strong>n wäre. Ein Mensch mit ausreichen<strong>de</strong>r<br />
Kritikfähigkeit wird nur in wenigen Fällen zu <strong>de</strong>r Feststellung gelangen, dass ein bestimmter<br />
Geschehensablauf nur so und nicht an<strong>de</strong>rs stattgefun<strong>de</strong>n haben kann<br />
Der Richter darf und muss sich daher nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BGH in Zivilsachen<br />
in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren<br />
Grad an Gewissheit begnügen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Zweifeln Schweigen bietet, ohne sie<br />
völlig auszuschließen.<br />
Diese Formulierung <strong>de</strong>s BGH ist jedoch für <strong>de</strong>n Einzelfall auch nicht son<strong>de</strong>rlich hilfreich.<br />
Denn es kann nicht quantifiziert wer<strong>de</strong>n, wie stark Zweifel sein müssen, um<br />
nicht über sie hinweggehen zu dürfen. Entschei<strong>de</strong>nd kommt es letztlich darauf an,<br />
dass die persönliche Überzeugung <strong>de</strong>s Richters bei Würdigung sämtlicher Umstän<strong>de</strong><br />
unter Heranziehung gesicherter naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, Denkgesetze<br />
und Regeln <strong>de</strong>r Lebenserfahrung vorhan<strong>de</strong>n ist. Wichtig ist auch, dass <strong>de</strong>r Richter<br />
dieses im Einzelnen in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n seines Urteils darlegen und nachvollziehbar<br />
machen muss, wie er zu <strong>de</strong>m Überzeugungsprozess gelangt ist.
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Die Beweiswürdigung selber glie<strong>de</strong>rt sich – wenn man sie strukturieren möchte - in<br />
vier <strong>Teil</strong>e<br />
Erfassen und Auslegen <strong>de</strong>s Inhalts<br />
z.B.: Was hat <strong>de</strong>r Zeuge ausgesagt?<br />
Der Inhalt <strong>de</strong>r zu würdigen<strong>de</strong>n Zeugenaussage ergibt sich i.d.R. aus <strong>de</strong>m Vernehmungsprotokoll<br />
(§ 160 III Ziff. 4 ZPO), bei Entbehrlichkeit eines Protokolls (§ 161 I<br />
ZPO) aus <strong>de</strong>n Notizen bzw. <strong>de</strong>r Erinnerung <strong>de</strong>s Gerichts<br />
Ergiebigkeit <strong>de</strong>s Beweismittels<br />
ist die Aussage <strong>de</strong>s Zeugen, das Gutachten u.s.w. inhaltlich ergiebig?<br />
Ergiebigkeit liegt nur vor, wenn das Beweismittel zur Klärung <strong>de</strong>r Beweisfrage etwas<br />
beigetragen hat, z.B. wenn <strong>de</strong>r Zeuge etwas zu <strong>de</strong>m Beweisthema hat sagen können.<br />
Bei Unergiebigkeit bedarf es keiner weiteren Prüfung, <strong>de</strong>r Beweis ist weiter nicht<br />
geführt.<br />
Überzeugungskraft <strong>de</strong>s ergiebigen Beweismittels<br />
Ist das ergiebige Beweismittel geeignet, das Gericht von <strong>de</strong>r streitigen Tatsache zu<br />
überzeugen?<br />
Wie bereits ausgeführt wird absolute Gewissheit nicht verlangt. Von einer ausreichen<strong>de</strong>n<br />
richterlichen Überzeugung ist auszugehen, wenn für das Beweisergebnis<br />
ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass vernünftigerweise in Betracht<br />
kommen<strong>de</strong> Zweifel ausgeschlossen sind<br />
Die beweisbelastete Partei führt <strong>de</strong>n ihr obliegen<strong>de</strong>n Beweis also grundsätzlich dadurch,<br />
dass sie die entscheidungserhebliche Tatsache zur Überzeugung <strong>de</strong>s Gerichts<br />
zutreffend erscheinen lässt. Doch kann <strong>de</strong>r Beweis ausnahmsweise auch dadurch<br />
gelingen, dass nicht die Haupttatsache selbst, son<strong>de</strong>rn verschie<strong>de</strong>ne Anhaltspunkte<br />
(Indizien) bewiesen wer<strong>de</strong>n, die in ihrer Gesamtschau wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>n Rückschluss<br />
zur Überzeugung <strong>de</strong>s Gerichts zulassen, dass die Haupttatsache zutreffen<br />
muss.<br />
Können nicht das Tatbestandselement selbst, son<strong>de</strong>rn nur an<strong>de</strong>re Tatsachen (Hilfstatsachen)<br />
bewiesen wer<strong>de</strong>n, aus <strong>de</strong>nen zusammen mit weiteren Anhaltspunkten<br />
mittelbar zu schließen ist, dass die zu subsumieren<strong>de</strong> Tatsache vorliegt, so han<strong>de</strong>lt<br />
es sich um einen Anzeichen- o<strong>de</strong>r Indizienbeweis. Ebenso wie bei <strong>de</strong>n tatsächlichen<br />
Vermutungen sind beim Anzeichen- o<strong>de</strong>r Indizienbeweis zwei Denkschritte zu unterschei<strong>de</strong>n:<br />
Zunächst muss sich das Gericht mit <strong>de</strong>r Frage auseinan<strong>de</strong>rsetzen, ob und<br />
gegebenenfalls welche <strong>de</strong>r vorgetragenen Hilfstatsachen <strong>de</strong>n Schluss auf die Haupttatsache<br />
zulassen. Es ist mithin zu prüfen, ob die Indizien, ihre Wahrheit unterstellt,<br />
überhaupt geeignet sind, <strong>de</strong>n Schluss auf die Haupttatsache zuzulassen. Ist das<br />
nicht <strong>de</strong>r Fall, bedürfen sie keiner weiteren Betrachtung und eine diesbezügliche Beweiserhebung<br />
kann abgelehnt wer<strong>de</strong>n. Ist es <strong>de</strong>r Fall, so ist über die streitigen Indizien<br />
Beweis zu erheben und zu prüfen, ob die betreffen<strong>de</strong>n Hilfstatsachen bewiesen<br />
sind.<br />
Bei <strong>de</strong>r erstgenannten Frage spielen - ebenso wie beim Anscheinsbeweis - Erfahrungssätze<br />
eine Rolle. An<strong>de</strong>rs als beim Anscheinsbeweis fehlt es aber beim Anzeichenbeweis<br />
an einem typischen Geschehensablauf, welcher gegebenenfalls Beweiserleichterungen<br />
rechtfertigen wür<strong>de</strong>. Vielmehr bleibt es hier Sache <strong>de</strong>s Beweisführers,<br />
unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelheiten <strong>de</strong>s Falles nachzuweisen,
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<strong>Teil</strong> 1: Grundlagen <strong>de</strong>r praktischen Tätigkeit<br />
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dass die Hilfstatsachen zu <strong>de</strong>m Schluss zwingen, die Haupttatsache sei wahr, alle<br />
an<strong>de</strong>ren Möglichkeiten seien ausgeschlossen. Dafür wird es meist mehrerer Indizien<br />
bedürfen.<br />
Wird Beweis über Indizien erhoben, da sie bestritten sind, so spricht man auch von<br />
einem indirekten o<strong>de</strong>r mittelbaren Beweis. Der Anzeichen- o<strong>de</strong>r Indizienbeweis führt<br />
also streng genommen nicht zu einer Beweiserleichterung, son<strong>de</strong>rn ist eine bestimmte<br />
Art <strong>de</strong>r Beweisführung. Allenfalls könnte man sagen, dass eine Beweiserleichterung<br />
darin besteht, dass das Beweisthema von einer - unbeweisbaren - Haupttatsache<br />
auf - beweisbare - Indizien verlagert wird. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang<br />
noch darauf, dass im Rahmen <strong>de</strong>r Würdigung von Indizien auch spätere Umstän<strong>de</strong><br />
und Verhaltensweisen <strong>de</strong>r Parteien heranzuziehen sind, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>ren<br />
womöglich wi<strong>de</strong>rsprüchlicher weiterer schriftsätzlicher Vortrag.<br />
Eine große praktische Be<strong>de</strong>utung hat <strong>de</strong>r Indizienbeweis beim Nachweis innerer Tatsachen<br />
(Kenntnisse, Absichten, Schuldformen), die nämlich streng genommen <strong>de</strong>m<br />
unmittelbaren Beweis nie zugänglich sind. Auch im Versicherungsrecht hilft man sich<br />
häufig mit Indizien. Für <strong>de</strong>n praktisch wichtigen Beweis <strong>de</strong>r Vortäuschung eines Verkehrsunfalls<br />
hat die Rechtsprechung beispielsweise die folgen<strong>de</strong>n Grundsätze entwickelt:<br />
<strong>Das</strong> Vorliegen eines scha<strong>de</strong>nsstiften<strong>de</strong>n Ereignisses, also eines Unfalls mit Fahrzeugberührung,<br />
muss <strong>de</strong>r klagen<strong>de</strong> Versicherungsnehmer beweisen. Dieser Beweis<br />
wird ihm auch bei vorgetäuschten Verkehrsunfällen i.d.R. gelingen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Zusammenstoß<br />
wird in solchen Fällen wirklich herbeigeführt. Der Versicherer trägt nun<br />
die Beweislast dafür, dass <strong>de</strong>r geschädigte Kläger in die Herbeiführung <strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>ns<br />
eingewilligt hat. Da eine <strong>de</strong>rartige Einwilligung auf einem persönlichen Entschluss<br />
beruht, kommt ein Anscheinsbeweis nicht in Betracht. Die folgen<strong>de</strong>n Gesichtspunkte<br />
sind daher als Indizien zu werten, <strong>de</strong>ren Vorliegen nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />
(weitere Nachweise bei Schnei<strong>de</strong>r, a.a.O., Rdn. 296) für die Annahme <strong>de</strong>r<br />
betreffen<strong>de</strong>n inneren Tatsache spricht, zum Nachweis müssen natürlich nicht alle<br />
vorliegen, an<strong>de</strong>rerseits wird ein einzelnes Indiz auch nicht genügen:<br />
-- ein Wagen <strong>de</strong>r Luxusklasse wird beschädigt;<br />
-- <strong>de</strong>r Schädiger benutzt ein geringwertiges Fahrzeug o<strong>de</strong>r ein Mietfahrzeug mit<br />
hoher Betriebsgefahr (Lkw), ohne <strong>de</strong>n Zweck <strong>de</strong>r Fahrt überzeugend erklären<br />
zu können;<br />
-- abgelegener Unfallort;<br />
-- Unfall zur Nachtzeit;<br />
-- keine neutralen Zeugen; Polizei wird nicht hinzugezogen;<br />
-- <strong>de</strong>r angebliche Unfallhergang und die behaupteten unfallbedingten Schä<strong>de</strong>n<br />
passen nicht zusammen;<br />
-- Unfallbeteiligte machen über die Scha<strong>de</strong>nshöhe unzutreffen<strong>de</strong> Angaben, Vorschä<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n verschwiegen;<br />
-- die Fahrzeugbesichtigung wird vereitelt;<br />
-- Unfallbeteiligte sind einan<strong>de</strong>r bekannt, was verschwiegen wird;<br />
-- wirtschaftlich <strong>de</strong>solate Lage zumin<strong>de</strong>st eines Unfallbeteiligten;<br />
-- Unfallbeteiligte sind schon in <strong>de</strong>r Vergangenheit einschlägig in Erscheinung
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getreten.<br />
In die Kategorie <strong>de</strong>s Anzeichenbeweises fällt auch die Rechtsprechung zur Beweisführung<br />
bei Ansprüchen aus Entwendungsversicherungen (z.B. Kaskoversicherung;<br />
Hausratversicherung; Reisegepäckversicherung). Allerdings kommen hier Beweiserleichterungen<br />
aus materiell-rechtlichen Grün<strong>de</strong>n hinzu: Nach allgemeinen Regeln<br />
trägt <strong>de</strong>r Versicherungsnehmer die (volle) Beweislast für <strong>de</strong>n Versicherungsfall. Häufig<br />
kann er aber nicht unmittelbar beweisen, dass ihm <strong>de</strong>r versicherte Gegenstand<br />
gestohlen wor<strong>de</strong>n ist, da insbeson<strong>de</strong>re Zeugen nicht vorhan<strong>de</strong>n sind. Auch ein typischer<br />
Geschehensablauf, <strong>de</strong>r auf einen Diebstahl schließen ließe und einen Anscheinsbeweis<br />
begrün<strong>de</strong>te, ist in <strong>de</strong>r Regel schon <strong>de</strong>shalb nicht gegeben, weil individuelle<br />
Verhaltensweisen (Redlichkeit <strong>de</strong>s Versicherungsnehmers) eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Rolle spielen. Die Rechtsprechung hilft hier, in<strong>de</strong>m sie davon ausgeht, dass <strong>de</strong>r<br />
Versicherer und <strong>de</strong>r Versicherungsnehmer nach <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>s Versicherungsvertrages<br />
<strong>de</strong>n Versicherungsfall schon bei hinreichen<strong>de</strong>r Wahrscheinlichkeit einer Entwendung<br />
als gegeben ansehen wollen. Hierfür genügt es insbeson<strong>de</strong>re, wenn <strong>de</strong>r<br />
Versicherungsnehmer Beweisanzeichen nachweist, <strong>de</strong>nen das äußere Bild eines<br />
bedingungsgemäß versicherten Diebstahls entnommen wer<strong>de</strong>n kann. <strong>Das</strong> äußere<br />
Bild eines Kfz-Diebstahls soll im allgemeinen schon dann vorliegen, wenn <strong>de</strong>r Versicherungsnehmer<br />
das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort<br />
abgestellt hat, an <strong>de</strong>m er es später nicht mehr vorfin<strong>de</strong>t. Entgegen <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />
mancher Instanzgerichte ist in diesem Zusammenhang nicht zu for<strong>de</strong>rn, dass<br />
sämtliche Originalschlüssel vorgelegt wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r das Fehlen eines Schlüssels plausibel<br />
erklärt wird.<br />
Beim Einbruchsdiebstahl ist - wenn kein Nachschlüsseldiebstahl in Betracht kommt -<br />
zusätzlich zu <strong>de</strong>m äußeren Bild <strong>de</strong>s einfachen Diebstahls noch erfor<strong>de</strong>rlich, aber<br />
auch ausreichend, dass sich Einbruchsspuren feststellen lassen. Eine hinreichen<strong>de</strong><br />
Wahrscheinlichkeit für eine versicherte Entwendung kann sich aber u.U. auch allein<br />
aus <strong>de</strong>n schlüssigen Behauptungen <strong>de</strong>s Versicherungsnehmers - ggfs. <strong>einschließlich</strong><br />
seiner ergänzen<strong>de</strong>n Angaben im Rahmen einer Parteianhörung gemäß § 141 ZPO<br />
ergeben, sofern dieser hinreichend glaubhaft erscheint. Wenn <strong>de</strong>r Versicherer einwen<strong>de</strong>n<br />
will, es han<strong>de</strong>le sich um <strong>de</strong>n Versuch eines Versicherungsbetrugs, so muss<br />
er konkrete Tatsachen beweisen, welche die Annahme einer Vortäuschung <strong>de</strong>s Versicherungsfalls<br />
zumin<strong>de</strong>st mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahe legen.<br />
Gegenstand häufiger Gegenbeweisversuche sind etwa:<br />
- auffällige Häufung ähnlicher Vorschä<strong>de</strong>n beim Versicherungsnehmer,<br />
- Ungewöhnlichkeit <strong>de</strong>s von ihm behaupteten Geschehens;<br />
- unrichtige o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsprüchliche Angaben <strong>de</strong>s Versicherungsnehmers bei <strong>de</strong>r<br />
Scha<strong>de</strong>nsabwicklung.<br />
In diese Gesamtschau kann das Fehlen eines Originalschlüssels beim angeblichen<br />
Kfz-Diebstahl als eines von mehreren Indizien einbezogen wer<strong>de</strong>n. Gelingt ein solcher<br />
Gegenbeweis, tritt die "beweisrechtliche Normalsituation" ein, d.h. <strong>de</strong>r Versicherungsnehmer<br />
muss nun nach allgemeinen Regeln <strong>de</strong>n vollen Beweis <strong>de</strong>s Eintritts <strong>de</strong>s<br />
Versicherungsfalls erbringen, also die Haupttatsache beweisen.<br />
Praktische Be<strong>de</strong>utung im Zusammenhang mit Beweisführung hat auch § 287 ZPO.<br />
Die Regelung gestattet <strong>de</strong>m Richter, seine Überzeugung vom Vorliegen o<strong>de</strong>r Nichtvorliegen<br />
bestimmter Tatsachen unter Abweichung von <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>s Vollund<br />
Strengbeweises auf eine Schätzung ohne eigentlich erfor<strong>de</strong>rliche Beweisauf-
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nahme zu stützen. Eine solche Schätzung kommt hinsichtlich <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Anspruchsgrundlagen<br />
bzw. Tatbestandsmerkmale in Betracht: Bei Scha<strong>de</strong>nsersatzansprüchen<br />
(egal, ob vertraglicher, <strong>de</strong>liktischer o<strong>de</strong>r quasi<strong>de</strong>liktischer Art) und - über<br />
<strong>de</strong>n Gesetzeswortlaut hinaus - bei Entschädigungsansprüchen (aus Enteignung o<strong>de</strong>r<br />
Aufopferung): Hinsichtlich <strong>de</strong>r haftungsausfüllen<strong>de</strong>n Kausalität, (z.B.: War <strong>de</strong>r Geschädigte<br />
infolge einer Unfallverletzung arbeitsunfähig und wenn ja wie lange?); hinsichtlich<br />
<strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>ns (z.B.: Nebenkostenpauschale im Verkehrsunfallrecht),<br />
außer<strong>de</strong>m bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten aller Art hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />
Höhe <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung, wenn die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgeben<strong>de</strong>n<br />
Umstän<strong>de</strong> mit Schwierigkeiten verbun<strong>de</strong>n ist, die zu <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s streitigen<br />
<strong>Teil</strong>es <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung in keinem Verhältnis stehen wür<strong>de</strong>n.<br />
Die durch § 287 ZPO ermöglichten Beweis- und an<strong>de</strong>ren Erleichterungen bestehen<br />
darin, dass die Parteien ihrer Darlegungslast genügen, wenn sie genügend Tatsachen<br />
vortragen, um <strong>de</strong>m Gericht Anhaltspunkte für eine Schätzung (gegebenenfalls<br />
eines Min<strong>de</strong>stscha<strong>de</strong>ns) zu bieten (BGH NJW-RR 1992, 202, 203) und dass das Gericht<br />
nach allerdings bestrittener Ansicht <strong>de</strong>r Rechtsprechung (BGH NJW-RR 1992,<br />
202, 203; dag.: Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl. 1997, § 287 Rdn. 28) seine Überzeugung<br />
auch auf solche Umstän<strong>de</strong> stützen darf, die nicht von <strong>de</strong>n Parteien vorgetragen<br />
wor<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn auf an<strong>de</strong>re Weise bekannt gewor<strong>de</strong>n sind. Weiter ergeben<br />
sich bei Vorliegen <strong>de</strong>r Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 287 ZPO folgen<strong>de</strong> Konsequenzen:<br />
<strong>Das</strong> Gericht ist nicht an Beweisanträge und das Verbot einer vorweggenommenen<br />
Beweiswürdigung gebun<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn kann nach pflichtgemäßem Ermessen<br />
bestimmen, ob angetretene Beweise erhoben wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r ob davon eine weitere<br />
Klärung nicht mehr zu erwarten ist, § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Eine Parteivernehmung<br />
<strong>de</strong>r beweisbelasteten Partei ist in Abweichung von §§ 447 f. ZPO unter vereinfachten<br />
Voraussetzungen zulässig, § 287 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Für die Überzeugung <strong>de</strong>s Gerichts<br />
genügt ein geringerer Grad an Wahrscheinlichkeit ("so wird es wohl gewesen<br />
sein"), § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO. <strong>Das</strong> Gericht muss in seinem Urteil nur die tatsächlichen<br />
Grundlagen <strong>de</strong>r Schätzung und die Grundzüge ihrer Auswertung begrün<strong>de</strong>n,<br />
eine lückenlose Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m Parteivorbringen und <strong>de</strong>n Beweismitteln<br />
ist noch weniger als im Rahmen <strong>de</strong>s § 286 ZPO erfor<strong>de</strong>rlich (BGHZ 6, 62 f.).<br />
<strong>Das</strong> Schätzungsverfahren ist allerdings nicht dazu bestimmt, <strong>de</strong>r Bequemlichkeit <strong>de</strong>s<br />
Richters zu dienen und ihn unter allen Umstän<strong>de</strong>n von seiner Aufklärungspflicht freizustellen.<br />
Wenn die Scha<strong>de</strong>nshöhe unschwer aufzuklären o<strong>de</strong>r gar unstreitig ist, darf<br />
von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n. In solchen Fällen wäre ein<br />
Verfahren nach § 287 ZPO keine pflichtgemäße Ermessensausübung, son<strong>de</strong>rn Willkür.<br />
Wenn § 287 ZPO in Betracht kommt, so muss die Schätzung so genau wie möglich<br />
sein. Es geht z.B. nicht an, <strong>de</strong>r Einfachheit halber mit run<strong>de</strong>n Summen zu rechnen,<br />
wenn eine Partei Unterlagen beibringt, die eine genaue Ermittlung <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>ns-<br />
o<strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rungshöhe gestatten. An<strong>de</strong>rerseits wäre es auch nicht statthaft, bei<br />
Vorliegen <strong>de</strong>r o.g. Voraussetzungen eine zulässige Schätzung nicht vorzunehmen,<br />
son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Rechtsstreit aufgrund <strong>de</strong>s in § 286 ZPO vorgesehenen Beweismaßes<br />
und <strong>de</strong>r gesetzlichen Darlegungs- und Beweislast zu entschei<strong>de</strong>n.<br />
Sieht das Gericht etwa die Entstehung eines Scha<strong>de</strong>ns als erwiesen an, dann darf es<br />
nicht von <strong>de</strong>r Zubilligung jeglichen Ersatzes absehen mit <strong>de</strong>r Begründung, es fehle<br />
an ausreichen<strong>de</strong>n Anhaltspunkten für die Schätzung <strong>de</strong>s vollen Scha<strong>de</strong>ns; in diesem<br />
Falle ist zu prüfen, ob und wie weit eine ausreichen<strong>de</strong> Grundlage für die Schätzung<br />
eines gewissen Min<strong>de</strong>stscha<strong>de</strong>ns vorhan<strong>de</strong>n ist. Nur wenn sich das Gericht trotz
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eingehen<strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit allen für die Schätzung in Betracht kommen<strong>de</strong>n<br />
Anhaltspunkten keine Überzeugung über die betreffen<strong>de</strong> Tatsache bil<strong>de</strong>n kann,<br />
ist es berechtigt auszusprechen, dass ein Beweis nicht zu führen sei.<br />
In je<strong>de</strong>m Fall ist nach Würdigung <strong>de</strong>s einzelnen Beweismittels noch eine Gesamtwürdigung<br />
vorzunehmen. Bei dieser ist <strong>de</strong>r Vortrag <strong>de</strong>r Parteien unter Berücksichtigung<br />
<strong>de</strong>s Ergebnisses <strong>de</strong>r Beweisaufnahme zu würdigen um sodann festzustellen,<br />
ob die zu beweisen<strong>de</strong> Tatsache zur Überzeugung <strong>de</strong>s Gerichts feststeht. Dabei sind<br />
nach einer wichtigen Grundsatzentscheidung <strong>de</strong>s BGH auch spätere Umstän<strong>de</strong> und<br />
Verhaltensweisen <strong>de</strong>r Parteien heranzuziehen und zwar alle, die <strong>bis</strong> zum Schluss <strong>de</strong>r<br />
mündlichen Verhandlung vorgetragen wor<strong>de</strong>n sind. In <strong>de</strong>m von BGH entschie<strong>de</strong>nen<br />
Fall war <strong>de</strong>r Abschluss eines Darlehensvertrages bestritten, das Berufungsgericht<br />
hatte, was <strong>de</strong>r BGH kritisierte, das Verhalten und <strong>de</strong>n Schriftwechsel <strong>de</strong>r Parteien<br />
nach <strong>de</strong>m angeblichen Vertragsschluss als irrelevant nicht berücksichtigt.<br />
Fehlt es an einem unmittelbaren Beweismittel, das die Überzeugungsbildung zulässt,<br />
vermag womöglich – wie gera<strong>de</strong> ausgeführt - eine Würdigung verschie<strong>de</strong>ner Indizien<br />
zu <strong>de</strong>m Schluss zu führen, dass <strong>de</strong>r Beweis geführt ist. An<strong>de</strong>rerseits vermag eine an<br />
sich überzeugen<strong>de</strong> Aussage durch die womöglich ebenfalls überzeugen<strong>de</strong> Aussage<br />
<strong>de</strong>s gegenbeweislich benannten Zeugen erschüttert zu wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Beweis also als<br />
nicht geführt angesehen zu wer<strong>de</strong>n. Die Beweiswürdigung kann letztlich zu drei verschie<strong>de</strong>nen<br />
Ergebnissen führen:<br />
- man hält die von <strong>de</strong>m Beweispflichtigen vorgetragene Tatsache für bewiesen<br />
(sog. positive Ergiebigkeit)<br />
- man ist von <strong>de</strong>m Gegenteil <strong>de</strong>ssen überzeugt, was <strong>de</strong>r Beweispflichtige vorgetragen<br />
hat, man hält die von <strong>de</strong>m Gegner vorgetragene Tatsache für bewiesen<br />
(sog. negative Ergiebigkeit)<br />
- es ist kein ein<strong>de</strong>utiges Ergebnis erzielt wor<strong>de</strong>n, man ist we<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Richtigkeit<br />
<strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>s Beweispflichtigen noch <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Gegners überzeugt<br />
(sog. non liquet)<br />
Beachte: Für die Entscheidung kommt es meist nicht auf die Frage an, ob <strong>de</strong>r Gegenbeweis<br />
geführt wor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r non liquet vorliegt. Je<strong>de</strong>nfalls nämlich liegt keine<br />
positive Ergiebigkeit vor, das heißt die beweisbelastete Partei hat <strong>de</strong>n Beweis <strong>de</strong>r<br />
entscheidungserheblichen Tatsache nicht geführt.<br />
3.4 Beweismittel<br />
Die ZPO sieht zur Feststellung streitiger entscheidungserheblicher Tatsachen fünf<br />
Beweismittel vor, nämlich<br />
- Beweis durch Sachverständige (§§ 402 ff., 144 ZPO)<br />
- Beweis durch Augenschein (§§ 371 ff., 144 ZPO)<br />
- Beweis durch Parteivernehmung (§§ 445 ff. ZPO)<br />
- Beweis durch Urkun<strong>de</strong>n (§§ 415 ff., 142 ZPO)<br />
- Beweis durch Zeugen (§§ 373 ff. ZPO).<br />
Die Beweismittel müssen in einem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren ausgewertet<br />
wer<strong>de</strong>n. Man nennt diese Beweisart wegen <strong>de</strong>r streng zu beachten<strong>de</strong>n Regelungen<br />
<strong>de</strong>n Strengbeweis<br />
3.4.1 Beweis durch Zeugen
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Der Zeugenbeweis ist in <strong>de</strong>r gerichtlichen Praxis <strong>de</strong>r häufigste und zugleich unzuverlässigste<br />
Beweis. Zeuge kann nicht sein die Partei selbst bzw. ihr gesetzlicher Vertreter<br />
(Komplementär, Geschäftsführer, Vorstandsmitglied, Konkursverwalter). Es wird<br />
allerdings lediglich auf die formale Rolle abgestellt. Zulässigerweise können <strong>de</strong>shalb<br />
nahe Verwandte, <strong>de</strong>r rechtsgeschäftliche Vertreter, <strong>de</strong>r allein die strittigen Verhandlungen<br />
geführt und abgeschlossen hat, <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m Geschäft wirtschaftlich Interessierte<br />
usw. als Zeugen benannt wer<strong>de</strong>n. Es obliegt dann <strong>de</strong>m Gericht im Einzelfall,<br />
die Glaubwürdigkeit <strong>de</strong>r Zeugen zu würdigen.<br />
Die Pflicht, als Zeuge zu erscheinen und auszusagen, stellt eine allgemeine Staatsbürgerpflicht<br />
dar. Diese Pflicht kann zwangsweise durchgesetzt wer<strong>de</strong>n (Ordnungsgeld<br />
bzw. Ordnungshaft bei Ausbleiben, § 380 ZPO, zwangsweise Vorführung). Gewissen<br />
Personen steht ein Zeugnisverweigerungsrecht zu (vgl. § 383 ff.), auf welches<br />
die Zeugen ausdrücklich vor ihrer Vernehmung hingewiesen wer<strong>de</strong>n müssen. Der<br />
Zeuge, <strong>de</strong>m ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, muss – an<strong>de</strong>rs als im Strafrecht!<br />
- nicht vor Gericht erscheinen, wenn er das Gericht entsprechend unterrichtet,<br />
d.h. mitteilt, dass er nicht aussagen wer<strong>de</strong>, § 386 Abs. 3 ZPO<br />
Die Beweisaufnahme erfolgt in <strong>de</strong>r Weise, dass die Zeugen jeweils einzeln und in<br />
Abwesenheit <strong>de</strong>r später anzuhören<strong>de</strong>n Zeugen vernommen wer<strong>de</strong>n, 394 ZPO. Die<br />
Vernehmung beginnt mit einer Belehrung über die Wahrheitspflicht (§ 395). Es folgen<br />
dann (vom Gericht abgefragte) Angaben zur Person und zur Sache. Der Zeuge soll<br />
zu <strong>de</strong>m Gegenstand seiner Vernehmung zunächst eine zusammenhängen<strong>de</strong> Schil<strong>de</strong>rung<br />
geben, um anschließend durch das Gericht, die Anwälte und die Parteien<br />
zusätzlich befragt zu wer<strong>de</strong>n. Ein <strong>de</strong>rart zusammenhängen<strong>de</strong>r Bericht ist als eine<br />
erhebliche intellektuelle Leistung anzusehen. Probleme ergeben sich hier zum einen<br />
aus <strong>de</strong>m Sprachverhalten <strong>de</strong>s jeweiligen Zeugen und seinen Möglichkeiten, gewisse<br />
Geschehensabläufe sprachlich differenziert wie<strong>de</strong>rzugeben. Zum an<strong>de</strong>ren sind aus<br />
<strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r Zeugen weitausholen<strong>de</strong> Erläuterungen erfor<strong>de</strong>rlich, die <strong>de</strong>m Gericht<br />
aus <strong>de</strong>r Akte bereits längst bekannt sind o<strong>de</strong>r für nicht entscheidungserheblich gehalten<br />
wer<strong>de</strong>n. Ferner trennen Zeugen sehr häufig nicht zwischen <strong>de</strong>m, was sie selbst<br />
wahrgenommen haben und Schlussfolgerungen, die sie selbst aus gewissen Umstän<strong>de</strong>n<br />
ziehen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kenntnis, die sie von Dritten erhalten haben. Bei <strong>de</strong>r Vernehmung<br />
von Zeugen ist es daher von großer Be<strong>de</strong>utung, dass die Vernehmungssprache<br />
einen möglichst geringen Abstraktionsgrad aufweist und <strong>de</strong>m Zeugen ver<strong>de</strong>utlicht<br />
wird, zu welchen Punkten er konkret aussagen soll, ohne ihn durch Suggestivfragen<br />
zu beeinflussen.<br />
Bei <strong>de</strong>r Würdigung <strong>de</strong>r Aussage von Zeugen sollte folgen<strong>de</strong>s bedacht wer<strong>de</strong>n: Es<br />
sollte bei wi<strong>de</strong>rsprüchlichen Zeugenaussagen nur mit großer Zurückhaltung angenommen<br />
wer<strong>de</strong>n, dass ein Zeuge bewusst die Unwahrheit sagt. An<strong>de</strong>rerseits sollte<br />
Zeugenaussagen durchaus mit Skepsis begegnet wer<strong>de</strong>n. Unterschiedliche Darstellungen<br />
<strong>de</strong>sselben Sachverhaltes nämlich berühren ein grundsätzliches Problem <strong>de</strong>r<br />
Wahrnehmungspsychologie. Untersuchungen haben immer wie<strong>de</strong>r gezeigt, dass<br />
Zeugen <strong>de</strong>nselben Vorgang ganz unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert<br />
haben. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass diejenigen Dinge, die <strong>de</strong>r Zeuge aufgenommen<br />
und behalten hat, in <strong>de</strong>r Regel im engen Zusammenhang stehen mit <strong>de</strong>m<br />
Grad von Aufmerksamkeit und Interesse, welches <strong>de</strong>r Zeuge gera<strong>de</strong> bestimmten<br />
Einzelheiten gegenüber aufgebracht hat. Hier spricht man von sog. selektiver Wahrnehmung.<br />
Zum an<strong>de</strong>ren kann sich nach Ablauf einer gewissen Zeit und einer mehrfach<br />
wie<strong>de</strong>rholten Schil<strong>de</strong>rung gewisser Vorgänge im Familien- und Bekanntenkreis<br />
das Erinnerungsbild <strong>de</strong>s Zeugen verschoben haben, so dass er später von Dritten
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bekun<strong>de</strong>te Tatsachen für eine eigene Wahrnehmung hält<br />
Mit <strong>de</strong>r Würdigung von Zeugenaussagen beschäftigt sich ein ganzer Wissenschaftsbereich.<br />
Um herauszufin<strong>de</strong>n, ob eine Zeugenaussage zutreffend ist, hat sich die Metho<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Aussagenanalyse durchgesetzt. Bei dieser wird <strong>de</strong>r Inhalt einer Zeugenaussage<br />
anhand bestimmter Kriterien, sog. Realitätskriterien und Phantasie- o<strong>de</strong>r<br />
Warnsignale, analysiert, ausgehend von <strong>de</strong>r Überlegung, dass jemand, <strong>de</strong>r eine reales<br />
Erlebnis schil<strong>de</strong>rt, es qualitativ an<strong>de</strong>rs tut und auch tun kann, als jemand, <strong>de</strong>r eine<br />
Phantasiegeschichte erzählt.<br />
Bei <strong>de</strong>r Beweiswürdigung darf nicht – wie aber in <strong>de</strong>r Praxis üblich – davon ausgegangen<br />
wer<strong>de</strong>n, dass eine Aussage zutreffend ist und Anhaltspunkte für eine fehlerhafte<br />
Aussage bestehen o<strong>de</strong>r nicht bestehen, son<strong>de</strong>rn, da – wie wissenschaftliche<br />
Untersuchungen gezeigt haben - nur 50 % <strong>de</strong>r Zeugenaussagen zuverlässig sind,<br />
müssen Merkmale gesucht wer<strong>de</strong>n, die die Zuverlässigkeit erhöhen und <strong>de</strong>n Schluss<br />
auf eine richtige/zuverlässige Aussage zulassen.<br />
Realitätskriterien kann man in drei Gruppen einteilen: Inhaltliche, strukturelle und<br />
Wie<strong>de</strong>rholungskriterien.<br />
Inhaltliche Kriterien sind: Detailkriterium, Individualitätskriterium. Der Grundgedanke<br />
ist: Wer etwas erlebt hat, kann auch etwas erzählen. Der Bericht ist farbig, lebendig,<br />
sachlich richtig, psychologisch stimmig, wirklichkeitsnah, konkret, nicht bloß<br />
zielgerichtet. Eine Aussage, die als zuverlässig beurteilt wer<strong>de</strong>n soll, sollte daher<br />
mehrere gute Details enthalten, vielleicht auch Re<strong>de</strong>wendungen, Gesprächsfetzen<br />
und Einzelheiten, die durch die konkrete Auskunftsperson, <strong>de</strong>ren Individualität, geprägt<br />
sind. Fehlen solche Details, so ist daraus aber nicht <strong>de</strong>r Schluss berechtigt, die<br />
Aussage sei nicht <strong>de</strong>r Wahrheit entsprechend. Vielmehr gibt es keine entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Realitätskritierien, die Aussage kann also weiterhin wahr o<strong>de</strong>r falsch sein<br />
Strukturelle Kriterien: Die Aussage bleibt unter inhaltlichen Gesichtspunkten (Detailreichtum,<br />
Individualität, Verflechtung) und unter sprachlichen Gesichtspunkten<br />
(Sprachfluss, Satzbau, Ausdrucksweise) während <strong>de</strong>r ganzen Aussage gleich. Gedanke:<br />
Der Lügner muss seine Aussage kontrollieren. Deshalb wird er sie chronologisch<br />
stimmig aufbauen und auf das Aussageziel hinsteuern. Gera<strong>de</strong> wenn die Aussage<br />
impulsiv, sprunghaft, assoziativ und nicht nur auf das Aussageziel hinsteuernd<br />
ist, sollte <strong>de</strong>r Vernehmen<strong>de</strong> nicht ungeduldig wer<strong>de</strong>n und versuchen, die Aussage zu<br />
lenken, da dann gera<strong>de</strong> ein Kriterium zur Überprüfung <strong>de</strong>r Aussage genommen wird<br />
Wie<strong>de</strong>rholungskriterien: Wer<strong>de</strong>n Auskunftspersonen/Zeugen mehrfach vernommen,<br />
so bleiben Wi<strong>de</strong>rsprüche zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Aussagen in <strong>de</strong>r Regel nicht<br />
aus. Die Aussage auf Grund solcher Wi<strong>de</strong>rsprüche abzuwerten, ist aber nicht richtig,<br />
im Gegenteil: Der für die Auskunftsperson damals - nicht später für das Gericht -<br />
zentrale Kern <strong>de</strong>s Ereignisses (Ort, Zeit, han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Personen) sollte - sinngemäß -<br />
gleich bleiben. Nebenumstän<strong>de</strong> können und sollten auch nach Zahl und Details gewisse<br />
Verän<strong>de</strong>rungen erfahren, da die menschliche Erinnerung nicht fehlerlos ist. So<br />
neigt <strong>de</strong>r Mensch z.B. dazu, wenn er nur Bruchstücke eines Ereignisses wahrgenommen<br />
hat, die Lücken mit Schlussfolgerungen zu schließen, um ein ganzheitliches<br />
Bild zu erhalten.<br />
In diesem Zusammenhang ist allerdings auch darauf hinzuweisen, dass <strong>de</strong>m Gedächtnis<br />
- wer<strong>de</strong>n neuere Forschungen herangezogen - häufig nicht getraut wer<strong>de</strong>n<br />
kann und <strong>de</strong>mzufolge die Theorien zur Beurteilung von Zeugenaussagen auch nur
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bedingt tauglich sein können, <strong>de</strong>nn Erinnerungen an tatsächlich Geschehenes können<br />
sich im Laufe <strong>de</strong>r Zeit durch Beeinflussung von außen än<strong>de</strong>rn<br />
3.4.2 Beweis durch Sachverständigen<br />
Der Sachverständigenbeweis spielt im Zivilprozess insbeson<strong>de</strong>re bei Bausachen,<br />
Kfz-Käufen, Straßenverkehrsunfällen und Arzthaftungsprozessen eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Rolle. Der Sachverständigenbeweis soll <strong>de</strong>m Gericht die fehlen<strong>de</strong> Kenntnis von<br />
abstrakten Erfahrungssätzen vermitteln. Er wirkt somit als Gehilfe <strong>de</strong>s Gerichts. In<br />
<strong>de</strong>r praktischen Wirklichkeit liegt es jedoch häufig so, dass <strong>de</strong>r Richter zwar berechtigt<br />
und verpflichtet ist, <strong>de</strong>m falschen, wi<strong>de</strong>rsprüchlichen o<strong>de</strong>r zweifelhaften Gutachten<br />
die Gefolgschaft zu verweigern. Dies zu erkennen, setzt jedoch in <strong>de</strong>r Regel spezifische<br />
Kenntnisse und lange Erfahrung voraus, so dass <strong>de</strong>r Richter häufig <strong>de</strong>m<br />
sachverständigen Gehilfen praktisch ausgeliefert ist. Entschei<strong>de</strong>nd kommt es daher<br />
darauf an, einen kompetenten Sachverständigen zu fin<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Praxis bil<strong>de</strong>n sich<br />
natürlich Erfahrungssätze, welcher Sachverständiger für welches Gebiet gut ist. Soweit<br />
das Gericht einen <strong>de</strong>rartigen Sachverständigen nicht aus eigener Kenntnis vorschlagen<br />
will, ergeht ein solcher Vorschlag von <strong>de</strong>r jeweiligen berufsständischen Organisation.<br />
Den Parteien muss Gelegenheit gegeben wer<strong>de</strong>n, zu <strong>de</strong>m in Aussicht<br />
genommenen Gutachter vorab Stellung zu nehmen<br />
Die Anordnung <strong>de</strong>s Sachverständigenbeweises erfolgt durch Beweisbeschluss. Obwohl<br />
in <strong>de</strong>r Praxis zumeist ein entsprechen<strong>de</strong>r Beweisantrag einer Partei vorliegt, ist<br />
er an sich nicht erfor<strong>de</strong>rlich, da <strong>de</strong>r Richter mangels eigener Sachkun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Unterstützung<br />
durch einen Sachverständigen bedarf (§ 144). <strong>Das</strong> Gericht kann somit<br />
Sachverständigenbeweis auch von Amts wegen erheben. Wichtig ist jedoch auch<br />
hier die Verteilung <strong>de</strong>r Beweislast, da die beweispflichtige Partei einen zumeist erheblichen<br />
Kostenvorschuss für <strong>de</strong>n Gutachter einzahlen muss. Der Gutachter erhält<br />
die gesamte Gerichtsakte zu seiner Verfügung. Er erstattet sodann in <strong>de</strong>r Regel ein<br />
schriftliches Gutachten. Wichtig ist für <strong>de</strong>n Gutachter, dass er <strong>de</strong>n Parteien in gleicher<br />
Weise wie das Gericht rechtliches Gehör einräumt, ihnen Termine zur Besichtigung<br />
<strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Beweisobjektes mitteilt und nicht einseitige Informationen von<br />
einer <strong>Seite</strong> entgegennimmt. Dies stellt nämlich in <strong>de</strong>r Regel einen Ablehnungsgrund<br />
dar. Es müsste bei Erfolg von diesem sodann ein neues Gutachten eingeholt wer<strong>de</strong>n.<br />
<strong>Das</strong> Gericht hat die Tätigkeit <strong>de</strong>s Sachverständigen zu leiten und kann ihm im Hinblick<br />
auf seine Tätigkeit auch Weisungen erteilen. Zentrale Norm ist § 404a ZPO, die<br />
die Befugnisse <strong>de</strong>s Gerichts näher festschreibt.<br />
<strong>Das</strong> schriftliche Gutachten wird im nächsten Termin zum Gegenstand <strong>de</strong>r mündlichen<br />
Verhandlung gemacht und dadurch in <strong>de</strong>n Prozess eingeführt. <strong>Das</strong> Gericht<br />
kann bei Kompliziertheit <strong>de</strong>r Materie o<strong>de</strong>r verbleiben<strong>de</strong>n Unklarheiten eine mündliche<br />
Erläuterung for<strong>de</strong>rn und das Erscheinen <strong>de</strong>s Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung<br />
anordnen (§ 411). <strong>Das</strong> Gericht muss dies zwingend tun, wenn eine Partei<br />
dies beantragt.<br />
Gelegentlich beantragt eine Partei ein neues Gutachten, wenn das erstellte Gutachten<br />
nachteilig für diese Partei ausgegangen ist. Eine wichtige Vorschrift stellt insoweit<br />
§ 412 dar, wonach ein weiteres Gutachten nur dann einzuholen ist, wenn das Gericht<br />
das Gutachten für ungenügend erachtet, also <strong>de</strong>n Gutachter für fachlich nicht kompetent<br />
hält o<strong>de</strong>r gravieren<strong>de</strong> Fehler festzustellen meint. Grundsätzlich ist damit klargestellt,<br />
dass in <strong>de</strong>r Regel ein weiteres Gutachten nicht verlangt wer<strong>de</strong>n kann
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Zum Sachverständigenbeweis sind grundlegen<strong>de</strong> Entscheidungen <strong>de</strong>s BGH (insbes.<br />
im Rahmen <strong>de</strong>r Arzthaftung) ergangen. So ist darauf hinzuweisen, dass ein Gericht<br />
einem Gutachten nicht <strong>de</strong>shalb die Gefolgschaft versagen darf, weil <strong>de</strong>r Sachverständige<br />
falsche Anknüpfungstatsachen zugrun<strong>de</strong> gelegt habe. Es ist die Pflicht <strong>de</strong>s<br />
Gerichts, <strong>de</strong>m Sachverständigen die richtigen Anknüpfungstatsachen an die Hand zu<br />
geben und im Wege eines Ergänzungsgutachtens o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Anhörung <strong>de</strong>s Sachverständigen<br />
<strong>de</strong>n (geän<strong>de</strong>rten) Sachverhalt und <strong>de</strong>ssen Auswirkungen auf das Gutachten<br />
mit <strong>de</strong>m Sachverständigen o<strong>de</strong>r einem weiteren Sachverständigen vor Schluss<br />
<strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung zu klären. Im einzelnen führt <strong>de</strong>r BGH aus: "Soweit <strong>de</strong>r<br />
Sachverständige Anknüpfungstatsachen wie medizinische Befun<strong>de</strong>, Zeugenaussagen<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>res zugrun<strong>de</strong> legt, <strong>de</strong>ren Berücksichtigung <strong>de</strong>r Tatrichter - etwa weil<br />
unbewiesen o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rlegt - für falsch hält, ist es Sache <strong>de</strong>s Tatrichters, <strong>de</strong>m Sachverständigen<br />
die richtigen Anknüpfungstatsachen an die Hand zu geben und im Wege<br />
eines Ergänzungsgutachtens o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Anhörung <strong>de</strong>s Sachverständigen <strong>de</strong>n aufgrund<br />
an<strong>de</strong>rer Anknüpfungstatsachen neuen Sachverhalt und <strong>de</strong>ssen Auswirkungen<br />
auf das Gutachten mit diesem o<strong>de</strong>r einem an<strong>de</strong>ren Sachverständigen vor Schluss<br />
<strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung zu klären. Der Tatrichter ist ohne eigene Sachkenntnis<br />
nicht befugt, seine eigene Wertung an die Stelle <strong>de</strong>rjenigen <strong>de</strong>s Sachverständigen zu<br />
setzen, und darf we<strong>de</strong>r selbst <strong>de</strong>n neuen Sachverhalt fachlich werten noch das Gutachten<br />
<strong>de</strong>s Sachverständigen <strong>de</strong>shalb ablehnen, weil die an<strong>de</strong>ren Anknüpfungstatsachen<br />
die Schlussfolgerung <strong>de</strong>s Sachverständigen nicht mehr tragen wür<strong>de</strong>n. Vielmehr<br />
fehlt es in einem solchen Falle an einem zu <strong>de</strong>m vom Tatrichter für richtig gehaltenen<br />
Sachverhalt erstatteten Gutachten. Eine Klagabweisung kommt in einem<br />
solchen Falle nicht in Betracht, solange die Frage - in Übereinstimmung mit <strong>de</strong>r seitens<br />
<strong>de</strong>s Tatrichters im Beweisbeschluss mitgeteilten Rechtsansicht - beweiserheblich<br />
geblieben ist“ (BGH Urteil vom 21.01.1997 - VI ZR 86/96; NJW 1997, 1446).<br />
Auch zur Frage, wann ein Gericht <strong>de</strong>n Feststellungen <strong>de</strong>n Sachverständigen ohne<br />
Einholung eines weiteren Gutachtens wi<strong>de</strong>rsprechen darf, gibt es Leitlinien <strong>de</strong>s BGH.<br />
Wenn das Gericht einem Sachverständigengutachten nicht folgen will, so muss im<br />
Rahmen <strong>de</strong>r Beweiswürdigung die Darlegung <strong>de</strong>r hierfür maßgeblichen Erwägungen<br />
erfolgen, und zwar im Rahmen einer einleuchten<strong>de</strong>n und nachvollziehbaren Begründung<br />
im Urteil, und das Gericht muss seine eigene entsprechen<strong>de</strong> Sachkun<strong>de</strong> ausweisen,<br />
die es in die Lage versetzt, <strong>de</strong>n gutachterlichen Feststellungen nicht zu folgen<br />
(BGH NJW 1997, 1446). Im übrigen darf eine vom Sachverständigengutachten<br />
abweichen<strong>de</strong> (medizinische) Beurteilung nicht erfolgen, ohne <strong>de</strong>n Sachverständigen<br />
zu befragen o<strong>de</strong>r ein Obergutachten einzuholen.<br />
Wenn ein Gutachten <strong>de</strong>n Streitstoff nicht vollständig und wi<strong>de</strong>rspruchsfrei erfasst,<br />
worauf das Gericht ein Gutachten von Amts wegen kritisch überprüfen muss, so<br />
muss die Unvollständigkeit <strong>de</strong>s Gutachtens durch Anhörung <strong>de</strong>s <strong>bis</strong>herigen Sachverständigen<br />
(§ 411 Abs. 3) o<strong>de</strong>r durch Einholung eines weiteren Gutachtens (§ 412)<br />
beseitigt wer<strong>de</strong>n (BGH NJW 1997, 803 (Arzthaftung)).<br />
Selbst wenn aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Gerichts die schriftliche Begutachtung überzeugend<br />
und ausreichend ist, muss <strong>de</strong>m Antrag einer Partei, <strong>de</strong>n Sachverständigen zur mündlichen<br />
Verhandlung zur Erläuterung seines Gutachtens zu la<strong>de</strong>n, entsprochen wer<strong>de</strong>n,<br />
§§ 397, 402 ZPO. Dieses Fragerecht <strong>de</strong>r Partei gegenüber <strong>de</strong>m Sachverständigen<br />
dient <strong>de</strong>r Gewährung rechtlichen Gehörs, <strong>de</strong>nn die Partei darf <strong>de</strong>m Sachverständigen<br />
diejenigen Fragen stellen, die sie zur Aufklärung <strong>de</strong>r Sache für erfor<strong>de</strong>rlich<br />
hält - in <strong>de</strong>n Grenzen <strong>de</strong>s Rechtsmissbrauchs (BGH NJW 1997, 802 f.)
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Auch muss das Gericht auf die Aufklärung von Wi<strong>de</strong>rsprüchen hinwirken, die sich<br />
sowohl innerhalb <strong>de</strong>r Begutachtung durch einen Sachverständigen als auch zwischen<br />
mehreren Sachverständigen als auch aus einem von <strong>de</strong>r Partei vorgelegten<br />
Privatgutachten ergeben können (BGH NJW 1997, 794 (795)).<br />
3.4.3 Beweis durch Augenschein<br />
Beim Augenscheinsbeweis verschafft sich das Gericht seine Überzeugung durch eigene<br />
sinnliche Wahrnehmung. Diese kann erfolgen:<br />
- mit <strong>de</strong>n Augen,<br />
z.B. durch Betrachten von Lichtbil<strong>de</strong>rn, Zeichnungen, o<strong>de</strong>r einer Örtlichkeit<br />
- mit <strong>de</strong>n Ohren<br />
z.B. durch Abhören eines Tonban<strong>de</strong>s, durch Lauschen auf <strong>de</strong>n Lärm aus einer<br />
Nachbarwohnung;<br />
- mit <strong>de</strong>m Tastsinn<br />
z.B. durch Befühlen <strong>de</strong>r Elastizität eines Werkstoffs;<br />
- mit <strong>de</strong>m Geschmackssinn<br />
z.B. durch eine richterliche Weinprobe<br />
- mit <strong>de</strong>m Geruchssinn<br />
z.B. durch Riechen <strong>de</strong>s stören<strong>de</strong>n Geruchs eines Katzenklos<br />
Kein Augenscheinsbeweis, son<strong>de</strong>rn ein Urkun<strong>de</strong>nbeweis liegt allerdings vor, wenn<br />
es nicht um die gegenständliche Existenz, son<strong>de</strong>rn um <strong>de</strong>n Inhalt eines Schriftstücks<br />
geht.<br />
Die Einnahme <strong>de</strong>s Augenscheins kann auf Antrag (§ 371 ZPO), aber auch von Amts<br />
wegen (§ 144 ZPO) erfolgen. Häufig, etwa bei <strong>de</strong>r Ortsbesichtigung einer Unfallstelle<br />
o<strong>de</strong>r eines Bauwerks, ist es sinnvoll, das persönliches Erscheinen <strong>de</strong>r Parteien anzuordnen<br />
(§ 141 ZPO) sowie Zeugen bzw. Sachverständige vor Ort zu la<strong>de</strong>n. Es ist<br />
aber auch zulässig, die Einnahme eines Augenscheins von vornherein einem Sachverständigen<br />
zu überlassen, <strong>de</strong>r dann über das Ergebnis im Rahmen seines Gutachtens<br />
berichtet.<br />
3.4.4 Beweis durch Parteivernehmung<br />
Bei <strong>de</strong>r Parteivernehmung wird die Aussage <strong>de</strong>s Klägers o<strong>de</strong>r Beklagten nicht nur -<br />
wie bei <strong>de</strong>r Parteianhörung gemäß § 141 ZPO - zur Ergänzung <strong>de</strong>s Sachvortrags<br />
son<strong>de</strong>rn zum Beweis einer streitigen Tatsache zugelassen. Von allen Beweismitteln<br />
<strong>de</strong>r ZPO hat die Parteivernehmung <strong>de</strong>n geringsten Beweiswert. Zu <strong>de</strong>n Schwächen<br />
<strong>de</strong>s Personalbeweises kommt das eigene Interesse <strong>de</strong>r Parteien am Ausgang <strong>de</strong>s<br />
Rechtsstreits hinzu. <strong>Das</strong> Gesetz lässt <strong>de</strong>n Beweis durch Parteivernehmung daher<br />
auch nur unter engen Voraussetzungen zu. Hierzu gehört, dass eine Parteivernehmung<br />
erst in Betracht kommt, wenn alle an<strong>de</strong>ren Möglichkeiten <strong>de</strong>s Beweises ausgeschöpft<br />
wur<strong>de</strong>n, dass also entwe<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Beweismittel nicht zur Verfügung stehen<br />
o<strong>de</strong>r keinen Beweis erbracht haben (vgl. §§ 445 Abs. 1, 450 Abs. 2 ZPO). Wenn<br />
überhaupt, ist ohne weiteres lediglich die Vernehmung <strong>de</strong>s Gegners <strong>de</strong>r beweisbelasteten<br />
Partei (§ 445 Abs. 1 ZPO) zulässig, welche aber selten beantragt wird, weil<br />
sich die beweisbelastete Partei hiervon i.d.R. keinen Erfolg verspricht<br />
Die eigentlich für <strong>de</strong>n Beweisführer naheliegen<strong>de</strong> Vernehmung von sich selbst ist nur
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statthaft, wenn entwe<strong>de</strong>r die an<strong>de</strong>re Partei zustimmt (§ 447 ZPO), was sie im eigenen<br />
Interesse kaum tun wird, o<strong>de</strong>r wenn die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung<br />
von Amts wegen vorliegen (§ 448 ZPO). Nach § 448 ZPO kann das Gericht<br />
auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast die Vernehmung<br />
einer o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>r Parteien anordnen, wenn das Ergebnis <strong>de</strong>r Verhandlungen<br />
und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von <strong>de</strong>r<br />
Wahrheit o<strong>de</strong>r Unwahrheit einer zu erweisen<strong>de</strong>n Tatsache zu begrün<strong>de</strong>n. Die ganz<br />
herrschen<strong>de</strong> Meinung entnimmt daraus, dass aufgrund einer vorausgegangenen<br />
Beweisaufnahme o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s sonstigen Verhandlungsinhalts eine gewisse, nicht notwendig<br />
hohe Wahrscheinlichkeit für die zu beweisen<strong>de</strong> Tatsache sprechen muss<br />
(BGH NJW 1999, 363, 364). Mit an<strong>de</strong>ren Worten: es muss einiger, wenn auch noch<br />
nicht ausreichen<strong>de</strong>r Beweis für die betreffen<strong>de</strong> Tatsache erbracht wor<strong>de</strong>n sein. Die<br />
Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>r Richtigkeit <strong>de</strong>r Behauptung muss <strong>de</strong>mnach höher liegen als<br />
50 %.<br />
Auch eine formlose Parteianhörung gemäß § 141 ZPO o<strong>de</strong>r die "Lebenserfahrung"<br />
kann ausreichen, um "einigen Beweis" i.S.d. § 448 ZPO zu erbringen. Grundsätzlich<br />
aber ist Zurückhaltung angebracht. Im praktisch vielleicht häufigsten Fall Aussage<br />
gegen Aussage ohne vorhan<strong>de</strong>ne Beweismittel auf bei<strong>de</strong>n <strong>Seite</strong>n, kommt Parteivernehmung<br />
je<strong>de</strong>nfalls wohl nicht in Betracht<br />
Statt § 448 ZPO wird praktisch oft § 141 ZPO genutzt, wenn die hohen Voraussetzungen<br />
<strong>de</strong>s § 448 ZPO nicht vorliegen. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich um keine Parteivernehmung,<br />
son<strong>de</strong>rn nur eine Ergänzung <strong>de</strong>s Parteivortrages, nämlich die persönliche<br />
Anhörung <strong>de</strong>r Parteien. Auch wenn die Vernehmung nach § 141 ZPO keine Beweisaufnahme<br />
ist, darf das Gericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung nach § 286<br />
ZPO die Aussage einer Partei als glaubwürdig erachten und ihr folgen, selbst wenn<br />
Zeugen an<strong>de</strong>re Bekundungen gemacht haben.<br />
Eine unzuträgliche Situation kann sich ergeben, wenn über einen beweiserheblichen<br />
Umstand nur zwei Personen aussagen können, die eine Person aber Partei <strong>de</strong>s<br />
Rechtsstreits ist (Kläger bzw. gesetzlicher Vertreter) und damit als Zeuge ausschei<strong>de</strong>t,<br />
die an<strong>de</strong>re Person aber als Bevollmächtigter o<strong>de</strong>r bloßer Angestellter eine Zeugenaussage<br />
machen kann. In gleicher Weise gilt dies, wenn eine Vertragspartei ihre<br />
Ansprüche an Dritte abgetreten hat und damit als Zeuge auftreten kann o<strong>de</strong>r wenn<br />
bei einem Verkehrsunfall in <strong>de</strong>m einen Fahrzeug die Ehefrau sitzt, <strong>de</strong>r Unfallgegner<br />
aber alleine fuhr. Hier hat <strong>de</strong>r Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg<br />
eine weitreichen<strong>de</strong> Entscheidung zur Waffengleichheit im Prozess getroffen<br />
(EMRK NJW 1995, 1413). Der Entscheidung <strong>de</strong>s EMRK lag ein Sachverhalt zugrun<strong>de</strong>,<br />
in welchem für <strong>de</strong>n Inhalt eines Gespräches <strong>de</strong>r Geschäftsführer <strong>de</strong>r klagen<strong>de</strong>n<br />
GmbH als Zeuge nicht in Betracht kam, die beklagte Bank ihren Filialleiter hingegen<br />
als Zeugen benennen konnte. Der EMRK sah die Waffengleichheit verletzt und verlangt<br />
von <strong>de</strong>n nationalen Rechtsordnungen eine vernünftige Beweismöglichkeit ohne<br />
substantielle Benachteiligung. Generell wird daraus je<strong>de</strong>nfalls gefolgert, eine Anhörung<br />
nach § 141 im Lichte <strong>de</strong>r Waffengleichheit aufzuwerten. Der BGH eröffnet die<br />
Möglichkeit, <strong>de</strong>m Gebot <strong>de</strong>r prozessualen Waffengleichheit entwe<strong>de</strong>r durch eine Parteivernehmung<br />
o<strong>de</strong>r durch Anhörung gemäß § 141 ZPO Rechnung zu tragen (in<br />
NJW 1999, 363), d.h. <strong>de</strong>r BGH stellt bei<strong>de</strong> Möglichkeiten als gleichwertig dar. <strong>Das</strong><br />
<strong>de</strong>ckt sich mit einer Entscheidung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts NJW 2001, 2531.<br />
Achtung: Um aber Parteivernehmung zu Beweiszwecken (§ 448) von <strong>de</strong>r Parteianhörung<br />
zwecks Ergänzung <strong>de</strong>s Parteivorbringens (§ 141) formell unterschei<strong>de</strong>n zu kön-
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nen, muss erstere zwingend durch einen förmlichen Beweisbeschluss angeordnet<br />
wer<strong>de</strong>n (§ 450 Abs. 1 ZPO). Eines solchen förmlichen Beweisbeschlusses bedarf es<br />
sonst grundsätzlich nicht!<br />
3.4.5 Beweis durch Urkun<strong>de</strong>n<br />
Urkun<strong>de</strong>n i.S.d. ZPO sind - an<strong>de</strong>rs als im StGB - nur ohne Hilfsmittel lesbare, schriftlich<br />
verkörperte Gedankenerklärungen, z.B. Vertragstexte, vorprozessuale Korrespon<strong>de</strong>nz,<br />
Zustellungsurkun<strong>de</strong>n, Aktenbestandteile aus an<strong>de</strong>ren Gerichtsverfahren<br />
wie etwa Vernehmungsprotokolle und schriftliche Gutachten, schriftlich erteilte amtliche<br />
Auskünften, nicht aber Grenzsteine, Computerdisketten etc., die <strong>de</strong>m Augenscheinsbeweis<br />
zugänglich sind.<br />
Der Beweis wird durch Vorlage <strong>de</strong>r Urkun<strong>de</strong> angetreten (§ 420 ZPO), soweit sich<br />
diese nicht im Besitz einer Behör<strong>de</strong> (dann: § 432 ZPO), <strong>de</strong>s Gegners (dann: §§ 421-<br />
427 ZPO) o<strong>de</strong>r eines Dritten (dann: §§ 428-431 ZPO) befin<strong>de</strong>t. Die bloße Ankündigung<br />
<strong>de</strong>r Vorlage einer Urkun<strong>de</strong> (z.B. "Beweis: Zinsbescheinigung <strong>de</strong>r Hausbank") ist<br />
kein zulässiger Beweisantritt! Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für die Einreichung von Fotokopien<br />
(vgl. § 435 ZPO). Wenn mit einem Schriftsatz Fotokopien von Urkun<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>n Akten<br />
gereicht wer<strong>de</strong>n, han<strong>de</strong>lt es sich zunächst nur um - substantiierten - Parteivortrag.<br />
Meist wird dann allerdings nicht mehr bestritten, dass die mit <strong>de</strong>r Fotokopie belegte<br />
Erklärung abgegeben wor<strong>de</strong>n ist, so dass sich Beweisaufnahme hierüber dann<br />
erübrigt.<br />
In eingeschränktem Maße besteht auch eine Berechtigung, von Amts wegen Urkun<strong>de</strong>n<br />
vorlegen zu lassen (§ 142 ZPO) und zwar auch von am Rechtsstreit unbeteiligten<br />
Dritten. Voraussetzung dafür ist, dass eine <strong>de</strong>r Parteien ihren Sachvortrag auf die<br />
anzufor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Urkun<strong>de</strong> bezogen hat.<br />
Bei <strong>de</strong>r Würdigung <strong>de</strong>s Urkun<strong>de</strong>nbeweises sind - an<strong>de</strong>rs als bei <strong>de</strong>n übrigen Beweismitteln<br />
– wichtige gesetzliche Beweisregeln zu beachten, die <strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>r<br />
freien Beweiswürdigung einschränken: Zunächst ist zu prüfen, ob die Urkun<strong>de</strong> echt<br />
ist o<strong>de</strong>r nicht, da nur echten Urkun<strong>de</strong>n Beweiskraft zukommen kann. Han<strong>de</strong>lt es sich<br />
um öffentliche Urkun<strong>de</strong>n, d.h. sind sie von einer Behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r einer Person öffentlichen<br />
Glaubens (Notar, Gerichtsvollzieher, Postbeamter) errichtet wor<strong>de</strong>n, so wird die<br />
Echtheit wi<strong>de</strong>rleglich vermutet (§ 437 ZPO). Wer die Echtheit einer öffentlichen Urkun<strong>de</strong><br />
bestreitet, muss also vollen Beweis für das Vorliegen einer Fälschung führen.<br />
Umgekehrt verhält es sich bei <strong>de</strong>n Privaturkun<strong>de</strong>n: Ist <strong>de</strong>ren Echtheit bestritten, so<br />
trifft die Beweislast <strong>de</strong>njenigen, welcher sich auf die Echtheit beruft (§ 439 f. ZPO).<br />
Der Beweis <strong>de</strong>r Echtheit o<strong>de</strong>r Unechtheit kann u.a. mittels Schriftvergleichung geführt<br />
wer<strong>de</strong>n (§§ 441 f. ZPO). Steht die Echtheit fest, so hängt die Beweiskraft öffentlicher<br />
Urkun<strong>de</strong>n von ihrem Inhalt ab. Han<strong>de</strong>lt es sich um eine Erklärung einer Privatperson,<br />
die von einer Person öffentlichen Glaubens aufgenommen wor<strong>de</strong>n ist (z.B. notariell<br />
beurkun<strong>de</strong>ter Kaufvertrag), so ist <strong>de</strong>r volle Beweis <strong>de</strong>s beurkun<strong>de</strong>ten Vorgangs geführt<br />
(§ 415 Abs. 1 ZPO).<br />
Es ist also davon auszugehen, dass die in <strong>de</strong>r Urkun<strong>de</strong> bezeichnete Person zur angegebenen<br />
Zeit eine Erklärung <strong>de</strong>s wie<strong>de</strong>rgegebenen Inhalts gegenüber <strong>de</strong>r Person<br />
öffentlichen Glaubens abgegeben hat. Ob die Erklärung (z.B. das Vorliegen einer<br />
zugesicherten Eigenschaft) inhaltlich zutrifft, ist dagegen nicht bewiesen.<br />
Öffentliche Urkun<strong>de</strong>n über eigene Willenserklärungen einer Behör<strong>de</strong> (z.B. Urteile,<br />
Verwaltungsakte) beweisen, dass, durch wen und wann eine entsprechen<strong>de</strong> Entscheidung<br />
ergangen (z.B. ein Strafurteil gegen <strong>de</strong>n Beklagten erlassen wor<strong>de</strong>n),
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nicht aber, dass sie richtig (<strong>de</strong>r Beklagte also <strong>de</strong>r Täter gewesen) ist (§ 417 ZPO).<br />
Öffentliche Urkun<strong>de</strong>n über eigene Wahrnehmungen und Handlungen einer Behör<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r Urkundsperson (z.B. Zustellungsurkun<strong>de</strong>) beweisen die Richtigkeit <strong>de</strong>r darin<br />
bezeugten Tatsachen (z.B. dass das zuzustellen<strong>de</strong> Schriftstück <strong>de</strong>m Empfänger persönlich<br />
übergeben wor<strong>de</strong>n ist, § 418 ZPO). Der Gegenbeweis <strong>de</strong>r Falschbeurkundung<br />
ist zulässig (vgl. §§ 415 Abs. 2, 418 Abs. 2 ZPO)<br />
Echte Privaturkun<strong>de</strong>n erbringen nur Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen<br />
vom Aussteller abgegeben wur<strong>de</strong>n (§ 416 ZPO). Nicht bewiesen ist damit,<br />
wann, wie und wo sie abgegeben wur<strong>de</strong>n, dass sie <strong>de</strong>m Empfänger zugegangen,<br />
dass sie inhaltlich richtig o<strong>de</strong>r wirksam sind. All dies muss gegebenenfalls nach<br />
§ 286 ZPO geson<strong>de</strong>rt bewiesen wer<strong>de</strong>n. Allerdings spricht nach Rechtsprechung<br />
eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die echte unterschriebene Urkun<strong>de</strong> inhaltlich<br />
richtig und vollständig ist, wobei diese Beweisregel sich nur auf das bezieht, was<br />
über <strong>de</strong>r Unterschrift steht. Behauptet also jemand eine mündliche Vereinbarung, die<br />
wi<strong>de</strong>rsprüchlich zum Inhalt <strong>de</strong>r Urkun<strong>de</strong> ist, hat er die Unrichtigkeit o<strong>de</strong>r Unvollständigkeit<br />
<strong>de</strong>r Urkun<strong>de</strong> zu beweisen.<br />
3.5. Der Beweisbeschluss<br />
<strong>Das</strong> Gericht hat die Möglichkeit, eine Beweisaufnahme entwe<strong>de</strong>r förmlich anzuordnen,<br />
nämlich durch Beweisbeschluss, §§ 358, 359 ZPO o<strong>de</strong>r formlos durch schlichte<br />
Vernehmung <strong>de</strong>r gela<strong>de</strong>nen Zeugen o<strong>de</strong>r Sachverständigen. Notwendig ist ein formeller<br />
Beweisbeschluss nur in drei Fällen:<br />
- im schriftlichen Vorverfahren nach § 358a ZPO wenn zur Vorbereitung <strong>de</strong>s<br />
Termins noch vor diesem Beweisaufnahme erfolgen soll<br />
- bei <strong>de</strong>r Parteivernehmung (§ 450 Abs. 1 S. 1 ZPO)<br />
- wenn Beweisaufnahme ein beson<strong>de</strong>res Verfahren erfor<strong>de</strong>rt, was <strong>de</strong>r Fall ist,<br />
wenn Beweis durch beauftragten o<strong>de</strong>r ersuchten Richter erhoben wer<strong>de</strong>n soll<br />
(§§ 372 Abs. 2, 375 ZPO)<br />
Der Inhalt <strong>de</strong>s Beweisbeschluss ist in § 359 ZPO benannt: Beweisthema, Beweismittel<br />
und Beweisführer. Beweisthema ist die streitige entscheidungserhebliche Tatsache.<br />
In <strong>de</strong>r Praxis wird hier relativ wenig Aufwand betrieben, bei Verkehrsunfällen<br />
etwa Beweis erhoben über <strong>de</strong>n Unfallhergang. Dieses ist formell nicht richtig, muss<br />
das Beweisthema doch wenigstens Zeit, Ort und Beteiligte benennen. Doch sind Beweisbeschlüsse<br />
unanfechtbar, so dass mit unbestimmten Beweisbeschluss keine<br />
rechtlichen Konsequenzen verbun<strong>de</strong>n sind.<br />
Die Formulierung <strong>de</strong>s Beweisbeschlusses folgt im Übrigen immer <strong>de</strong>m gleichen Muster:<br />
Es soll Beweis erhoben wer<strong>de</strong>n<br />
Über die Behauptung <strong>de</strong>s ... (beweisbelastete Partei)<br />
er habe am ... (konkrete Bezeichnung <strong>de</strong>r streitigen, beweiserheblichen<br />
Behauptung)<br />
durch... (Bezeichnung <strong>de</strong>s Beweismittels)<br />
3.6 Die Beweisaufnahme<br />
Die Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung erfolgt regelmäßig mündlich, das<br />
Gericht kann aber auch anordnen, dass <strong>de</strong>r Zeuge die Beweisfragen schriftlich be-
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antworten soll (§ 377 III ZPO). Die schriftliche Aussage wird sodann im nächsten<br />
Termin zum Gegenstand <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung gemacht und dadurch in <strong>de</strong>n<br />
Prozess eingeführt. Meist wird <strong>de</strong>r Zeuge aber im Rahmen einer mündlichen Verhandlung<br />
vor <strong>de</strong>m Prozessgericht vernommen, da wenige Zeugen in <strong>de</strong>r Lage sind<br />
die erfor<strong>de</strong>rlichen Angaben schriftlich zu tätigen, ohne dass Nachfragen nötig sind.<br />
Die mündliche Zeugenvernehmung läuft wie folgt ab:<br />
Belehrung <strong>de</strong>s Zeugen, § 395 Abs. 1 ZPO<br />
Der Zeuge wird zur Wahrheit ermahnt und auf die Möglichkeit <strong>de</strong>r Beeidigung seiner<br />
Aussage hingewiesen. Er wird über die Strafbarkeit einer falschen Aussage belehrt.<br />
Vernehmung zur Person, § 395 Abs. 2 ZPO<br />
Abzufragen sind Vor- und Zuname, Alter, Beruf, Wohnort und ob <strong>de</strong>r Zeuge verwandt<br />
o<strong>de</strong>r verschwägert mit einer Partei ist. Gegebenenfalls folgt sodann eine weitere Belehrung<br />
nach §§ 383 ff. ZPO, nämlich ein Hinweis auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.<br />
Er ist zu fragen, ob er davon Gebrauch machen möchte.<br />
Vernehmung zur Sache, § 396 ZPO<br />
Sodann ist ein möglichst zusammenhängen<strong>de</strong>r Bericht <strong>de</strong>s Zeugen zu veranlassen.<br />
Die Einleitungsfrage sollte entsprechend offen formuliert sein: Erinnern sie sich? Wie<br />
ist das gewesen?<br />
Im Zivilrecht hat <strong>de</strong>r Richter die Aussage <strong>de</strong>s Zeugen in ihren wesentlichen Kernpunkten<br />
sodann zu Protokoll zu diktieren. Es ist Geschmacksache, ob nach je<strong>de</strong>m<br />
Satz <strong>de</strong>s Zeugen diktiert wird o<strong>de</strong>r am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schil<strong>de</strong>rung aufgrund gemachter<br />
Aufzeichnungen ein Gesamtdiktat versucht wird.<br />
Befragung durch Parteien und -vertreter, § 397 ZPO<br />
Nach <strong>de</strong>m Gericht ist zunächst <strong>de</strong>r Beweisführer dran, Fragen zu stellen, dann die<br />
Gegenseite. Manchmal muss hier vom Vorsitzen<strong>de</strong>n eingegriffen wer<strong>de</strong>n, wenn Fragen<br />
beanstan<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, beispielsweise als Suggestivfragen o<strong>de</strong>r bereits beantwortete<br />
Fragen. Wichtig ist hier, dass nur Fragen zum Beweisthema erlaubt sind. Ein<br />
Ausforschungsbeweis ist unzulässig, daher ist die Beweisaufnahme auf die eigentlich<br />
streitentschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n streitigen Tatsache beschränkt; manche Anwälte aber<br />
versuchen von <strong>de</strong>m Zeugen etwas heraus zu bekommen, worüber Beweis gera<strong>de</strong><br />
nicht erhoben wer<strong>de</strong>n sollte. Sagt Zeuge nämlich erst einmal etwas, muss dieses bei<br />
Entscheidung mitberücksichtigt wer<strong>de</strong>n, auch wenn es gar nicht Beweisthema war.<br />
Genehmigung <strong>de</strong>r Protokollierung durch <strong>de</strong>n Zeugen, § 162 ZPO<br />
Am En<strong>de</strong> seiner Aussage wird <strong>de</strong>r zeuge gefragt, ob alles richtig aufgenommen wor<strong>de</strong>n<br />
ist o<strong>de</strong>r ob seine Aussage ihm womöglich noch einmal vorgelesen/abgespielt<br />
wer<strong>de</strong>n soll.<br />
Ggfs. Beeidigung, § 391 ZPO<br />
In aller Regel wird im Zivilrecht nicht beeidigt. An<strong>de</strong>rs als im Strafrecht nämlich liegt<br />
die Beeidigung <strong>de</strong>s Zeugen im Ermessen <strong>de</strong>s Gerichts. Nur wenn es das Gericht für<br />
geboten hält, ist <strong>de</strong>r Zeuge zu vereidigen. Glaubt das Gericht <strong>de</strong>m Zeugen ohnehin<br />
nicht, bedarf es auch keiner Beeidigung, da die Aussage ohnehin be<strong>de</strong>utungslos ist.<br />
Glaubt das Gericht <strong>de</strong>m Zeugen hingegen, tut es dieses auch ohne Eid. Die Entscheidung<br />
<strong>de</strong>s Gerichts, ob es vereidigen lässt, ist auch nicht anfechtbar.<br />
Zeugen wird schließlich mit Dank entlassen und noch darüber informiert wo er seine
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<strong>Teil</strong> 1: Grundlagen <strong>de</strong>r praktischen Tätigkeit<br />
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Auslagen erstattet erhält (Zeugenentschädigung § 401 ZPO).<br />
Beweiswürdigung<br />
Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Beweisaufnahme ist mit <strong>de</strong>n Parteivertretern über das Ergebnis <strong>de</strong>r<br />
Beweisaufnahme zu verhan<strong>de</strong>ln, § 285 Abs. 1 ZPO, das heißt eine erste vorläufige<br />
Würdigung ist durch das Gericht vorzunehmen. In <strong>de</strong>r Praxis wird diese erneute Verhandlung<br />
und Würdigung oft sehr kurz gehalten, kann allerdings auch einen weiteren<br />
Ansatz bieten, doch noch einen Vergleich zu fin<strong>de</strong>n (worauf das Gericht immer noch<br />
hinzuwirken hat, § 278 Abs. 1 ZPO<br />
4. Die Relation<br />
Die Relation verfolgt <strong>de</strong>n inhaltlichen Zweck, <strong>de</strong>n Parteivortrag in bestimmter Weise<br />
zu ordnen; und zu ermitteln, welche Elemente <strong>de</strong>s Parteivortrags rechtlich erheblich<br />
sind. Denn nur diese sind erfor<strong>de</strong>rlichenfalls im Rahmen einer Beweisaufnahme festzustellen<br />
und <strong>de</strong>r Entscheidung zugrun<strong>de</strong> zu legen. Eine Relation besteht aus zwei<br />
groben <strong>Teil</strong>en, nämlich korrespondierend aus <strong>de</strong>m Sachbericht und <strong>de</strong>m Gutachten.<br />
<strong>Das</strong> oberste Gebot <strong>de</strong>r Relation ist die Zweckdienlichkeit und damit die Verständlichkeit.<br />
Die nachfolgend dargestellte Struktur ist daher <strong>de</strong>r Grundfall, ohne dass dieser<br />
stets so eingehalten wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Gesetzliche Regelungen, die sich auf eine Relation beziehen, existieren nicht. Fragen<br />
<strong>de</strong>r Relationstechnik selber sind im Rahmen eines Relationsgutachtens nicht zu<br />
erörtern. Vielmehr darf und muss man darauf vertrauen, dass eine zweckmäßige Arbeitsmetho<strong>de</strong><br />
für sich spricht. Mit an<strong>de</strong>ren Worten: In einer Relation sollte nie ein<br />
Wort zur Begründung <strong>de</strong>s Aufbaus geschrieben wer<strong>de</strong>n!<br />
Zum einen ist die Relation also eine bereits inhaltlich geordnete Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>s<br />
Sachverhalts (<strong>de</strong>r Sachbericht), zum an<strong>de</strong>ren ist die Relation eine materielle Begutachtung<br />
<strong>de</strong>s selber strukturierten, praktisch als Aufgabentext vorgegebenen Sachverhalts<br />
(Gutachten). Der Sachbericht <strong>de</strong>r Relation ist fast <strong>de</strong>ckungsgleich mit <strong>de</strong>m<br />
Tatbestand eines Urteils, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen wer<strong>de</strong>n<br />
kann. <strong>Das</strong> Relationsgutachten ähnelt vom Ansatz her <strong>de</strong>m Gutachten im Referendarexamen.<br />
Konkreter als dort lautet die zu prüfen<strong>de</strong> Frage allerdings nicht: "Wie ist<br />
die Rechtslage?", son<strong>de</strong>rn "Ist <strong>de</strong>r Antrag <strong>de</strong>s Klägers gerechtfertigt?".<br />
Um diese Frage zu beantworten sind zunächst alle ernsthaft in Betracht kommen<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r vom Kläger erwähnten Anspruchsgrundlagen zu erörtern. Die Darstellung erfolgt<br />
dabei im Gutachtenstil, also:<br />
Fragestellung<br />
„Der Kläger könnte einen Anspruch gegenüber <strong>de</strong>m Beklagten<br />
auf Zahlung von EUR 1.200,00 aus Kaufvertrag<br />
haben.“<br />
Abstrakte Voraussetzungen<br />
„Voraussetzung hierfür ist, dass ein solcher zwischen <strong>de</strong>n<br />
Parteien geschlossen wor<strong>de</strong>n ist...“.<br />
Subsumtion<br />
„Der Kläger hat <strong>de</strong>m Beklagten vorliegend am 15.05.2001<br />
angeboten, die Uhr für EUR 1.200,00 kaufen zu können.<br />
Der Beklagte hat dieses Angebot unverzüglich, nämlich
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Ergebnis:<br />
mündlich vor Ort angenommen“<br />
„Demnach haben die Parteien einen Kaufvertrag über die Uhr<br />
zum Preis von EUR 1.200,00 geschlossen“.<br />
Diese gewählten Formulierungen wer<strong>de</strong>n sich so allerdings in einer guten Relation<br />
nicht fin<strong>de</strong>n. Denn diese zeichnet sich durch eine richtige Schwerpunktsetzung aus.<br />
Soweit einzelne Tatbestandsmerkmale unzweifelhaft erfüllt sind, genügt es, <strong>de</strong>ren<br />
Vorliegen knapp festzustellen, z.B.:<br />
"Die Parteien haben einen Kaufvertrag geschlossen, in<strong>de</strong>m<br />
sie sich am 15.05.2001 darüber geeinigt haben, dass<br />
<strong>de</strong>r Beklagte <strong>de</strong>m Kläger die in Frage stehen<strong>de</strong> Uhr zu einem<br />
Preis von EUR 1.200,00 überlässt. Fraglich aber ist,<br />
ob ... "<br />
Die eigentliche Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s Relationsgutachtens besteht darin, dass in <strong>de</strong>r<br />
Praxis nicht ein feststehen<strong>de</strong>r Sachverhalt zu untersuchen ist, son<strong>de</strong>rn zwei in <strong>de</strong>r<br />
Regel nicht <strong>de</strong>ckungsgleiche Sachverhaltsdarstellungen zu betrachten sind, nämlich<br />
die <strong>de</strong>s Klägers und die <strong>de</strong>s Beklagten. Theoretisch könnte man nun stets zunächst<br />
versuchen, durch eine Beweiserhebung zu klären, welche <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Sachverhaltsschil<strong>de</strong>rungen<br />
zutrifft. <strong>Das</strong> aber wäre mit erheblichen Kosten und Zeitaufwand für alle<br />
Verfahrensbeteiligten und <strong>de</strong>m Risiko verbun<strong>de</strong>n, die Wahrheit trotz aller Bemühungen<br />
doch nicht herauszufin<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m stün<strong>de</strong> <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Dispositionsgrundsatz<br />
entgegen. Die wesentliche Fragestellung <strong>de</strong>s Relationsgutachtens ist inhaltlich daher,<br />
ob und inwiefern es für die Entscheidung <strong>de</strong>s Rechtsstreits also das materielle<br />
Ergebnis überhaupt darauf ankommt, welcher behauptete Sachverhalt <strong>de</strong>r Richtige<br />
ist. Eben dies geschieht durch folgen<strong>de</strong> Denkschritte ("Stationen"):<br />
Klägerstation<br />
Ist <strong>de</strong>r Klaganspruch auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s unstreitigen Sachverhalts und <strong>de</strong>s streitigen<br />
Klägervortrags gerechtfertigt?<br />
Wenn nein: Die Klage ist abzuweisen. Einer Erörterung <strong>de</strong>s Beklagtenvorbringens<br />
und/o<strong>de</strong>r einer Beweisaufnahme bedarf es nicht.<br />
Wenn ja: Weiter mit <strong>de</strong>r ...<br />
Beklagtenstation<br />
Ist <strong>de</strong>r Klaganspruch auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s unstreitigen Sachverhalts und <strong>de</strong>s streitigen<br />
Beklagtenvortrags immer noch gerechtfertigt?<br />
Wenn ja: Die Klage ist begrün<strong>de</strong>t. Einer Beweisaufnahme bedarf es nicht.<br />
Wenn nein: Weiter mit <strong>de</strong>r ...<br />
Beweisstation<br />
Auf welche Tatsachen kommt es an?<br />
Welche stehen bereits ohne Beweisaufnahme fest?<br />
Welche sind noch beweisbedürftig?<br />
Hat eine Beweisaufnahme über die streitigen Tatsachen, auf die es für die Entscheidung<br />
ankommt, bereits stattgefun<strong>de</strong>n?<br />
Wenn ja: Was ist danach erwiesen? Wer trägt im Falle eines offenen Beweisergebnisses<br />
die Beweislast? Ergebnis: Vorschlag eines Urteils.<br />
Wenn nein: Hat die beweisbelastete Partei einen zulässigen Beweis angetreten? Ist
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die Beweisaufnahme erfor<strong>de</strong>rlich?<br />
Wenn ja: Vorschlag eines Beweisbeschlusses<br />
Wenn nein: Vorschlag eines Urteils.<br />
Aus diesen Denkschritten begrün<strong>de</strong>n sich die zwei gängigen Aufbauschemata eines<br />
Relationsgutachtens also nach Darstellung <strong>de</strong>s Sachberichts:<br />
einheitlicher Aufbau<br />
getrennter Aufbau<br />
1. Entscheidungsvorschlag 1. Entscheidungsvorschlag<br />
2. Auslegung <strong>de</strong>s Klagantrags 2. Auslegung <strong>de</strong>s Klagantrags<br />
Entfällt<br />
3. Prozessstation<br />
3. Klägerstation<br />
a. zur Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage<br />
4. Klägerstation<br />
zur Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Klage<br />
b. zur Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Klage<br />
4. Beklagtenstation<br />
a. zur Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage<br />
5. Beklagtenstation<br />
zur Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Klage<br />
b. zur Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Klage<br />
5. Beweisstation 6. Beweisstation<br />
6. Tenorierungsstation 7. Tenorierungsstation<br />
Der einheitliche Aufbau bietet sich ausnahmsweise an, wenn zur Frage <strong>de</strong>r Zulässigkeit<br />
<strong>de</strong>r Klage streitiger Tatsachenvortrag vorliegt. Sonst ist <strong>de</strong>r getrennte Aufbau das<br />
Standardschema <strong>de</strong>r Relation. Aber auch hier gilt, dass Abweichungen von <strong>de</strong>m<br />
Standardschema zulässig sind, wenn dies <strong>de</strong>r Verständlichkeit <strong>de</strong>s Gutachtens dient.<br />
<strong>Das</strong> Gutachten wird also eingeleitet mit <strong>de</strong>m Entscheidungsvorschlag. Dessen<br />
Sinn liegt darin, <strong>de</strong>m Leser eine grobe Orientierung zu geben, was das wesentliche<br />
Ergebnis <strong>de</strong>r Begutachtung sein wird. Hier ist also nicht schon die komplette Entscheidungsformel<br />
mitzuteilen. Formulierungsbeispiele sind:<br />
Ich schlage vor, die Klage abzuweisen.<br />
Ich schlage vor, <strong>de</strong>r Klage <strong>bis</strong> auf einen <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>r Zinsfor<strong>de</strong>rung<br />
stattzugeben.<br />
Ich schlage vor, einen Beweisbeschluss zu erlassen.<br />
Sodann ist zu prüfen, ob es womöglich <strong>de</strong>r Auslegung <strong>de</strong>s Klageantrags bedarf. Es<br />
ist keinesfalls erfor<strong>de</strong>rlich, in je<strong>de</strong>m Gutachten <strong>de</strong>n Klageantrag auszulegen. Dieser<br />
Glie<strong>de</strong>rungspunkt wird vielmehr nur angesprochen, wenn <strong>de</strong>r Klageantrag ausnahmsweise<br />
unklar o<strong>de</strong>r falsch formuliert wor<strong>de</strong>n ist. Bevor überprüft wer<strong>de</strong>n kann,<br />
ob die Klage zulässig und begrün<strong>de</strong>t ist, muss in solchen Fällen überhaupt erst festgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n, was <strong>de</strong>r Kläger eigentlich begehrt. Unbedingt zu vermei<strong>de</strong>n ist, dass<br />
<strong>de</strong>m Kläger ein Klageantrag untergeschoben wird, an <strong>de</strong>n er gar nicht gedacht hat<br />
und zwar und gera<strong>de</strong> auch dann nicht, wenn seine Klage damit bessere Aussichten<br />
auf Erfolg hätte. An<strong>de</strong>renfalls nämlich läge eine Verstoß gegen die Dispositionsmaxime<br />
vor. Der Kläger bestimmt <strong>de</strong>n Verfahrensgegenstand!
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Bei <strong>de</strong>r Prozessstation ist zu beachten, dass die Prüfung <strong>de</strong>r Zulässigkeit Vorrang<br />
vor Prüfung <strong>de</strong>r (materiellen) Schlüssigkeit hat. Der Grund hierfür liegt im Umfang <strong>de</strong>r<br />
Rechtskraftwirkung. Die materielle Rechtskraftwirkung entfaltet sich nicht bei Abweisung<br />
einer Klage als unzulässig.<br />
Eine Zulässigkeitsprüfung hat auch dann zu erfolgen, wenn die Parteien übereinstimmend<br />
von <strong>de</strong>r Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage ausgehen. Denn bei <strong>de</strong>r Zulässigkeit gilt<br />
ausnahmsweise die Offizialmaxime, was aus einer analogen Anwendung <strong>de</strong>s § 56<br />
ZPO hergeleitet wird. Aber Achtung: Die Prüfung <strong>de</strong>r Zulässigkeit wird in erster Linie<br />
im Kopf stattfin<strong>de</strong>n! In Klausuren sind Zulässigkeitsfragen grundsätzlich nur anzusprechen,<br />
wenn eine <strong>de</strong>r Parteien ausdrücklich Be<strong>de</strong>nken wegen <strong>de</strong>r Zulässigkeit<br />
erhebt. Nur ausnahmsweise wir es in einer Klausur auf eine Zulässigkeitsfrage ankommen,<br />
die von keiner <strong>Seite</strong> problematisiert ist. Es ist stets gründlich zu prüfen, ob<br />
es auf die Zulässigkeitsfrage für die Entscheidung überhaupt ankommt. <strong>Das</strong> ist nur<br />
dann <strong>de</strong>r Fall, wenn sich <strong>de</strong>r Zulässigkeitsmangel irgendwie auf die Entscheidung<br />
auszuwirken vermag. Häufig wer<strong>de</strong>n prozessuale Fehler bereits durch rügelose Einlassung<br />
<strong>de</strong>r Parteien geheilt. <strong>Das</strong> be<strong>de</strong>utet, die Parteien verhan<strong>de</strong>ln mündlich zur<br />
Hauptsache, ohne <strong>de</strong>n Fehler geltend zu machen. Verhan<strong>de</strong>ln be<strong>de</strong>utet dabei das<br />
Stellen <strong>de</strong>r Anträge, vgl. § 137 Abs. 1 ZPO. Beson<strong>de</strong>rer Erwähnung wert sind in diesem<br />
Zusammenhang etwa § 39 ZPO (Zuständigkeit); s. aber § 504 ZPO bei Amtsgericht<br />
und § 267 ZPO (Klagän<strong>de</strong>rung). Ist hier eine rügelose Einlassung erfolgt,<br />
erübrigen sich alle weitergehen<strong>de</strong>n Überlegungen zur Zulässigkeitsproblematik.<br />
Des weiteren gibt es eine Vielzahl <strong>de</strong>nkbarer Verfahrensfehler, die nur eine einzelne<br />
Prozesshandlung betreffen, die Zulässigkeit <strong>de</strong>s ganzen Verfahrens aber nicht gefähr<strong>de</strong>n.<br />
Auch diese sind in <strong>de</strong>r Prozessstation nicht zu erwähnen.<br />
Sind <strong>de</strong>mnach keine Ausführungen zur Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage erfor<strong>de</strong>rlich, entfällt die<br />
Prozessstation ganz. Überflüssig ist eine Prozessstation, die nichts als die Floskel<br />
enthält: "Gegen die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage bestehen keine Be<strong>de</strong>nken".<br />
Die hieran anschließen<strong>de</strong> Klägerstation ist eine reine Schlüssigkeitsprüfung. Untersucht<br />
wird also, ob <strong>de</strong>r Klaganspruch auf Grundlage <strong>de</strong>s unstreitigen Vortrags bei<strong>de</strong>r<br />
Parteien und <strong>de</strong>m streitigen Vortrag <strong>de</strong>s Klägers begrün<strong>de</strong>t ist. Zu prüfen sind dabei<br />
sämtliche ernsthaft in Betracht kommen<strong>de</strong>n Anspruchsgrundlagen.<br />
Bei <strong>de</strong>r Formulierung ist <strong>de</strong>r streitige Vortrag <strong>de</strong>s Klägers so zu behan<strong>de</strong>ln, als sei er<br />
unstreitig. Für <strong>de</strong>n Aufbau ist wichtig, dass wie im Referendarexamen mit <strong>de</strong>r Anspruchsgrundlage<br />
beginnend umfassend erörtert wird, welcher Anspruch <strong>de</strong>m Kläger<br />
aufgrund <strong>de</strong>s unstreitigen Sachvortrags bei<strong>de</strong>r Parteien und <strong>de</strong>m streitigen Vorbringen<br />
<strong>de</strong>s Klägers zusteht. Erweist sich das Klägervorbringen als unschlüssig, lautet<br />
das Zwischenergebnis also, dass <strong>de</strong>r Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt<br />
einen Anspruch gegenüber <strong>de</strong>m Beklagten hat, folgt als nächstes die Tenorierungsstation<br />
(zu dieser weiteres unten). An<strong>de</strong>renfalls ist zur Beklagtenstation überzugehen<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>r Beklagtenstation wird untersucht, ob <strong>de</strong>r schlüssige Anspruch <strong>de</strong>s<br />
Klägers auch dann noch begrün<strong>de</strong>t ist, wenn <strong>de</strong>r streitige Tatsachenvortrag <strong>de</strong>s Beklagten<br />
(und nicht mehr <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Klägers) <strong>de</strong>r Wahrheit entsprechen sollte. Im Prinzip<br />
ist also spiegelbildlich zur Klägerstation ein zweites Gutachten anzufertigen. Dieses<br />
wird aber kürzer ausfallen als das Schlüssigkeitsgutachten. Es sind nämlich grundsätzlich<br />
nur noch die Ansprüche zu prüfen, die nach <strong>de</strong>m Klägervorbringen aufgrund<br />
irgen<strong>de</strong>iner Rechtsnorm überhaupt gegeben waren. War die Klage nur teilweise<br />
schlüssig, so kommt es auch nur insofern auf die Erheblichkeit <strong>de</strong>s Beklagtenvor-
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bringens an.<br />
Eine Ausnahme hiervon bil<strong>de</strong>t die unter <strong>de</strong>m Stichwort <strong>de</strong>s gleichwertigen (äquipollenten)<br />
Parteivorbringens diskutierte Beson<strong>de</strong>rheit, bei <strong>de</strong>r erst <strong>de</strong>r streitig Beklagtenvortrag<br />
<strong>de</strong>n Klägeranspruch schlüssig macht. Nach herrschen<strong>de</strong>r Ansicht macht<br />
<strong>de</strong>r Kläger sich hier im Zweifel <strong>de</strong>n streitigen Vortrag <strong>de</strong>s Beklagten zu eigen, <strong>de</strong>r ihm<br />
aus an<strong>de</strong>rem Rechtsgrund <strong>de</strong>n Anspruch begrün<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>n er mit seiner Klage begehrt.<br />
Da Rechtsansichten <strong>de</strong>s Beklagten bereits während <strong>de</strong>r Klägerstation zu würdigen<br />
sind (sie beruhen ja auf <strong>de</strong>m unstreitig vorgetragenen Sachverhalt <strong>de</strong>s Klägers) bedarf<br />
es eines zweiten Gutachtens ohnehin überhaupt nur dann, wenn <strong>de</strong>r Beklagte<br />
abweichen<strong>de</strong> Tatsachenbehauptungen aufstellt, in<strong>de</strong>m er etwa das anspruchsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Vorbringen <strong>de</strong>s Klägers einfach in Abre<strong>de</strong> stellt (schlichtes Bestreiten),<br />
eine an<strong>de</strong>re Darstellung anspruchsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Tatsachen abgibt als <strong>de</strong>r Kläger<br />
(substantiiertes o<strong>de</strong>r qualifiziertes Bestreiten) o<strong>de</strong>r die anspruchsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Tatsachen<br />
zwar zugesteht, aber zusätzliche (vom Kläger bestrittene) Tatsachen behauptet,<br />
die ein Gegenrecht ausfüllen (Einre<strong>de</strong>n im prozessualen Sinne). Als solche<br />
Gegenrechte in Betracht kommen rechtshin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Einwendungen (z.B. Geschäftsunfähigkeit,<br />
Sittenwidrigkeit), rechtsvernichten<strong>de</strong> Einwendungen (z.B. Erfüllung, Erlass,<br />
Rücktritt, Kündigung, Aufrechnung) und rechtshemmen<strong>de</strong> Einwendungen (Einre<strong>de</strong>n<br />
im bürgerlichrechtlichen Sinne, z.B. Verjährung, Stundung, Zurückbehaltungsrecht,<br />
Einre<strong>de</strong> <strong>de</strong>s nicht erfüllten Vertrages).<br />
Bei <strong>de</strong>m Gutachten in <strong>de</strong>r Beklagtenstation sollte darauf geachtet wer<strong>de</strong>n, dass das<br />
Klägergutachten nicht langatmig wie<strong>de</strong>rholt wird. So genügt es z.B. zu schreiben:<br />
Der Anspruch ist gemäß ... entstan<strong>de</strong>n. Er könnte aber wie<strong>de</strong>r<br />
erloschen sein, weil ... (streitige Behauptung <strong>de</strong>s Beklagten).<br />
Bei Bestreiten <strong>de</strong>s Sachvortrags <strong>de</strong>s Klägers bietet sich folgen<strong>de</strong> Formulierung an:<br />
Wenn ... (streitige Behauptung <strong>de</strong>s Beklagten) könnte <strong>de</strong>r Anspruch<br />
aus § ... (schlüssig dargelegte Anspruchsgrundlage)<br />
insgesamt entfallen (o<strong>de</strong>r: in Höhe von ... erloschen sein etc.),<br />
weil ... (rechtliche Begründung)<br />
Ganz wichtig ist dabei, dass stets eine rechtliche Begründung folgen muss, aus welchem<br />
Rechtsgrund <strong>de</strong>r Vortrag <strong>de</strong>s Beklagten erheblich sein könnte. Auch in Urteilsklausuren<br />
wird häufig eine tatsächliche Behauptung vom Beklagten in <strong>de</strong>n Sachverhalt<br />
hineingenommen, die sodann rechtlich zu würdigen ist. Der Klausurtext aber verrät<br />
nicht, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt die Behauptung Relevanz besitzen<br />
kann. Diesen rechtlichen Bezug müssen Sie als Bearbeiter dann notwendig<br />
gleich im einleiten<strong>de</strong>n Obersatz herstellen!<br />
Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Beklagtenvorbringens steht sodann wie<strong>de</strong>rum eine Zusammenfassung<br />
<strong>de</strong>s Zwischenergebnisses. Sie kann etwa lauten:<br />
Keine <strong>de</strong>r Behauptungen <strong>de</strong>s Beklagten ist erheblich. Damit ist<br />
die Klage begrün<strong>de</strong>t.<br />
<strong>Das</strong> Vorbringen <strong>de</strong>s Beklagten ist erheblich gegenüber <strong>de</strong>r Anspruchsgrundlage<br />
..., wenn ...(streitige Behauptung <strong>de</strong>s Beklagen)<br />
Hat die Prüfung ergeben, dass Entscheidung <strong>de</strong>s Rechtsstreits davon abhängt, ob
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eine streitige Behauptung <strong>de</strong>s Klägers o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Beklagten zutrifft, ist das Relationsgutachten<br />
mit <strong>de</strong>r Beweisstation fortzusetzen. An<strong>de</strong>renfalls folgt bereits hier die Tenorierungsstation.<br />
Befin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r Akte/Klausur bereits ein Protokoll, aus <strong>de</strong>m sich ergibt, dass eine<br />
Beweisaufnahme statt gefun<strong>de</strong>n hat, so wird klausurtaktisch davon auszugehen sein,<br />
dass es auf Tatsache, über die Beweis erhoben wor<strong>de</strong>n ist, auch streitentschei<strong>de</strong>nd<br />
ankommt Ist in <strong>de</strong>r Klausur eine Beweisaufnahme nicht durchgeführt wor<strong>de</strong>n, wird es<br />
in <strong>de</strong>r Regel auf die Beweisstation nicht ankommen o<strong>de</strong>r wird es an einem hinreichen<strong>de</strong>m<br />
Beweisangebot <strong>de</strong>r beweisbelasteten Partei fehlen. Die Klausur nämlich<br />
wäre sonst nicht lösbar.<br />
Lediglich bei <strong>de</strong>r vom Ausbil<strong>de</strong>r erhaltenen Akte ist <strong>de</strong>nkbar, dass es nach <strong>de</strong>m Ergebnis<br />
<strong>de</strong>r Kläger- und Beklagtenstation nun tatsächlich <strong>de</strong>r Beweisstation bedarf<br />
und <strong>de</strong>r Entscheidungsvorschlag womöglich darin bestehen muss, Beweis über eine<br />
bestimmte Behauptung zu erheben.<br />
Hier ist zunächst die Frage zu beantworten, ob die entscheidungserhebliche Tatsache<br />
überhaupt beweisbedürftig ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass alle<br />
streitigen Tatsachen, auf die es für die Entscheidung <strong>de</strong>s Rechtsstreits ankommt, <strong>de</strong>s<br />
Beweises bedürfen. Eine Ausnahme hiervon bil<strong>de</strong>n aber etwa offenkundige Tatsachen<br />
(§ 291 ZPO). Auch bedarf es <strong>de</strong>r Beweisaufnahme nicht, wenn die beweisbelastete<br />
Partei keinen zulässigen Beweis angetreten hat. Eine Beweiserhebung<br />
kommt nur in Betracht, wenn zumin<strong>de</strong>st auch die beweisbelastete Partei Beweis angetreten<br />
hat. Die Beweislast ist dabei ein Spiegelbild <strong>de</strong>r Darlegungslast. Grundsätzlich<br />
hat je<strong>de</strong> Partei die Tatbestandsmerkmale <strong>de</strong>r für sie günstigen Norm mit subsumtionsfähigen<br />
Tatsachen auszufüllen, <strong>de</strong>r Kläger also die anspruchsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Tatbestandsmerkmale, <strong>de</strong>r Beklagte die Tatbestandsmerkmale von Gegennormen<br />
(Einwendungen, Einre<strong>de</strong>n).<br />
Des weiteren lässt die ZPO zur Feststellung <strong>de</strong>r beweisbedürftigen Tatsachen nur<br />
bestimmte Beweismittel zu, nämlich Sachverständigengutachten (§§ 402 ff, 144<br />
ZPO), Augenscheinseinnahme (§§ 371 ff., 144 ZPO), Parteivernehmung (§§ 445 ff.<br />
ZPO), Urkun<strong>de</strong>nbeweis (§§ 415 ff. ZPO) und Zeugenvernehmung (§§ 373 ff. ZPO).<br />
Ist eine streitige Tatsache erheblich und beweisbedürftig und liegt ein zulässiger Beweisantritt<br />
<strong>de</strong>r beweisbelasteten Partei vor, so en<strong>de</strong>t die Beweisstation bei noch nicht<br />
durchgeführter Beweisaufnahme mit <strong>de</strong>r Feststellung, dass ein Beweisbeschluss (§§<br />
359 ff. ZPO) zu erlassen ist. Alternativ ist zu erörtern, ob ein gerichtlicher Hinweis auf<br />
das Fehlen eines zulässigen Beweisantritts erfolgen soll (§ 139 ZPO).<br />
Wenn kein weiterer Hinweis mehr in Betracht kommt und die entscheidungserhebliche<br />
Tatsache nicht beweisbedürftig ist, ist ein klagabweisen<strong>de</strong>s Urteil zum Nachteil<br />
<strong>de</strong>r beweisbelasteten Partei vorzuschlagen.<br />
Enthält die Klausur bzw. die Akte hingegen das Protokoll über eine bereits stattgefun<strong>de</strong>ne<br />
Beweisaufnahme, so wird als Ergebnis <strong>de</strong>r Kläger und Beklagtenstation<br />
festzustellen sein, auf welche streitige Tatsache es warum für die Lösung <strong>de</strong>s<br />
Rechtsstreits ankommt. In <strong>de</strong>r Beweisstation ist dann eine Beweiswürdigung vorzunehmen.<br />
Auszugehen ist bei dieser von <strong>de</strong>r auch die Begründung einleiten<strong>de</strong>n Frage:<br />
Hat die beweisbelastete Partei die streitige Tatsachenbehauptung bewiesen?<br />
War die Beweisaufnahme für das Beweisthema überhaupt ergiebig?<br />
Wird die Frage verneint, ist nicht von <strong>de</strong>m von <strong>de</strong>r beweisbelasteten Partei behaupteten<br />
Sachverhalt auszugehen. Wird die Ergiebigkeit bejaht ist weiter zu fragen, ob
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Zweifel an <strong>de</strong>r Richtigkeit <strong>de</strong>s Ergebnisses bestehen. Welche Beweismittel überzeugen?<br />
Welche <strong>de</strong>r Zeugen sind etwa persönlich glaubwürdig, welche Aussagen sachlich<br />
glaubhaft? Es ist ferner zu prüfen ob Gegenbeweis angeboten und womöglich<br />
geführt wor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r es insoweit einer ergänzen<strong>de</strong>n Beweisaufnahme bedarf.<br />
Spätestens im Anschluss an die Beweisstation folgt die Tenorierungsstation, bei<br />
<strong>de</strong>r es um die Frage geht, wie <strong>de</strong>r Tenor <strong>de</strong>r Entscheidung zu lauten hat und zwar in<br />
<strong>de</strong>r Regel in <strong>de</strong>r Hauptsache, hinsichtlich <strong>de</strong>r Kosten und hinsichtlich <strong>de</strong>r Entscheidung<br />
über die vorläufige Vollstreckbarkeit.<br />
Erschließt sich die Tenorierung nicht von selbst, ist diese (an<strong>de</strong>rs als im Urteil) zu<br />
begrün<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r Kostenentscheidung genügt zur Begründung in einfachen Fällen<br />
die Erwähnung <strong>de</strong>s einschlägigen Paragraphen. Kompliziertere Kostenentscheidungen<br />
müssen hingegen vorgerechnet wer<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> gleiche gilt für die Entscheidung<br />
über die vorläufige Vollstreckbarkeit (Rechtsgrundlage; Berechnung <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung).<br />
Die Tenorierungsstation wird abgeschlossen mit <strong>de</strong>m Satz:<br />
Ich schlage daher folgen<strong>de</strong> Entscheidung vor: ...<br />
Es folgt dann die vollständige Urteilsformel eines sich anschließen<strong>de</strong>n Urteilsentwurfs<br />
bzw. die Erwähnung von Beweisthema und Beweismittel eines sich anschließen<strong>de</strong>n<br />
Entwurfs eines Beweisbeschlusses.<br />
Der letzte <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>r Relation besteht schließlich in <strong>de</strong>m kompletten Entwurf <strong>de</strong>r Entscheidung<br />
(Urteil, Beweisbeschluss, Hinweisbeschluss).<br />
5. Der Haupttermin<br />
Erscheint <strong>de</strong>r Rechtsstreit nach <strong>de</strong>m Ergebnis <strong>de</strong>r auch vom Richter zumin<strong>de</strong>st im<br />
Kopf stets durchzuführen<strong>de</strong>n relationsmäßigen Begutachtung <strong>de</strong>s Falles ohne weitere<br />
Hinweise entscheidungsreif o<strong>de</strong>r muss Beweis erhoben wer<strong>de</strong>n, wird Haupttermin<br />
anzuberaumen sein. <strong>Das</strong> Gesetz geht dabei von <strong>de</strong>m Regelfall aus, dass ein abschließen<strong>de</strong>r<br />
Haupttermin stattfin<strong>de</strong>t (vgl. § 279 ZPO). Gemäß § 128 Abs. 1 ZPO<br />
verhan<strong>de</strong>ln die Parteien über <strong>de</strong>n Rechtsstreit in diesem vor <strong>de</strong>m erkennen<strong>de</strong>n Gericht<br />
mündlich. Die <strong>bis</strong> dahin eingereichten Schriftsätze dienen nur <strong>de</strong>r Vorbereitung<br />
<strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung, § 129 ZPO. Gemäß § 297 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind die<br />
Anträge aus <strong>de</strong>n vorbereiten<strong>de</strong>n Schriftsätzen zu verlesen. In § 137 Abs. 2 ZPO<br />
heißt es zu<strong>de</strong>m, dass die Vorträge <strong>de</strong>r Parteien in freier Re<strong>de</strong> zu halten sind und das<br />
Streitverhältnis in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung zu umfassen haben.<br />
Die Rechtswirklichkeit <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung in Zivilsachen sieht aber an<strong>de</strong>rs<br />
aus. Die Verlesung <strong>de</strong>r Anträge und <strong>de</strong>r Parteivortrag in freier Re<strong>de</strong> können nämlich<br />
dadurch ersetzt wer<strong>de</strong>n, dass die Parteien auf ihre Schriftsätze Bezug nehmen,<br />
§§ 297 Abs. 2, 137 Abs. 3 ZPO. Diese Möglichkeit wird <strong>bis</strong> an die Grenzen <strong>de</strong>s Möglichen<br />
genutzt. Durch die - auch konklu<strong>de</strong>nt mögliche - Bezugnahme auf die Schriftsätze<br />
wird <strong>de</strong>r <strong>bis</strong> zum Termin angefallene Akteninhalt zum Gegenstand <strong>de</strong>r mündlichen<br />
Verhandlung.<br />
Der Grund für die so entwickelte Praxis liegt darin, dass Zivilrechtsstreitigkeiten oft so<br />
komplex und technisch kompliziert sind, dass eine mündliche Erörterung <strong>de</strong>r entscheidungserheblichen<br />
Umstän<strong>de</strong> nicht praktikabel ist. Zu<strong>de</strong>m droht bei hauptsächlich<br />
mündlichem Vortrag, dass unerhebliche Argumente nicht richtig gewichtet wer<strong>de</strong>n<br />
können und <strong>de</strong>r Termin daher unnütz aberunbemerkt in eine falsche Richtung<br />
läuft. An<strong>de</strong>rs als im Strafrecht geht es eben nicht nur um die Frage, ob jemand eine
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bestimmte Norm verwirklicht hat und ihm dieses bewiesen wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Der nach <strong>de</strong>r ZPO vorgesehene Ablauf <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung – <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />
Praxis nicht immer so eingehalten wird und <strong>de</strong>ren formelle Nichteinhaltung nicht<br />
rechtsmittelfähig ist – sieht wie folgt aus:<br />
(1) Aufruf <strong>de</strong>r Sache, §§ 220 Abs. 1, 136 Abs. 1 ZPO<br />
(2) Feststellung <strong>de</strong>r Anwesenheit, vgl. § 160 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO<br />
(3) Anträge <strong>de</strong>r Parteien, §§ 297, 137 Abs. 1 ZPO<br />
(4) Einführung in <strong>de</strong>n Sach- und Streitstand durch <strong>de</strong>n Vorsitzen<strong>de</strong>n, § 278 Abs. 1<br />
Satz 1 ZPO<br />
(5) Erörterung <strong>de</strong>r Sache mit <strong>de</strong>n Parteien bzw. <strong>de</strong>ren Vertretern, insbeson<strong>de</strong>re<br />
Hinweise zur Einschätzung <strong>de</strong>r Sach- und Rechtslage §§ 136 Abs. 3, 139, 278<br />
Abs. 3, 137 Abs. 4 ZPO<br />
(6) Anhörung gegebenenfalls erschienener Parteien, §§ 278 Abs. 1 Satz 2, 141<br />
ZPO<br />
(7) Gegebenenfalls Beweisaufnahme mit nachfolgen<strong>de</strong>r erneuter Erörterung <strong>de</strong>s<br />
Sach- und Streitstands mit <strong>de</strong>n Parteien, §§ 278 Abs. 2, 355 ff. ZPO<br />
Während <strong>de</strong>r gesamten mündlichen Verhandlung zu beachten ist gemäß § 278 Abs.<br />
1 ZPO, dass das Gericht in je<strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>s Verfahrens auf eine gütliche Beilegung<br />
<strong>de</strong>s Rechtsstreits o<strong>de</strong>r einzelner Streitpunkte bedacht sein muss. Ein vom Gericht<br />
protokollierter Vergleich stellt - ebenso wie ein Urteil - einen Vollstreckungstitel dar,<br />
§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO. Der Vergleich liegt dabei auch im Interesse <strong>de</strong>s Richters.<br />
Der Zeitaufwand für einen solchen ist in <strong>de</strong>r Regel nämlich sehr viel weniger als <strong>de</strong>r<br />
für ein lang begrün<strong>de</strong>tes Urteil.<br />
Kommt es während <strong>de</strong>r Verhandlung nicht zu einem Vergleich, so hat <strong>de</strong>r Richter am<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung zu beschließen, wie weiter verfahren wer<strong>de</strong>n soll.<br />
Bei noch nicht entscheidungsreifen Sachen kommen als Möglichkeiten in Betracht:<br />
- eine Vertagung, § 278 Abs. 4 ZPO (neuer Termin)<br />
- die Anordnung <strong>de</strong>s Ruhens <strong>de</strong>s Verfahrens, § 251 Abs. 1 ZPO (z.B. wegen<br />
schweben<strong>de</strong>r Vergleichsverhandlungen)<br />
- die Ankündigung, dass weitere prozessleiten<strong>de</strong> Anordnungen (z.B. nach weiterem<br />
Parteivortrag ein Beweisbeschluss) von Amts wegen ergehen<br />
An<strong>de</strong>renfalls ist ein Urteil (o<strong>de</strong>r Beweisbeschluss) zu verkün<strong>de</strong>n. Dies kann in <strong>de</strong>m<br />
Termin geschehen, in <strong>de</strong>m die mündliche Verhandlung geschlossen wird, § 310 Abs.<br />
1 Satz 1 Alt. 1 ZPO (sog. Stuhlurteil). An<strong>de</strong>rs als im Strafverfahren ist dies aber die<br />
absolute Ausnahme. Normalerweise wird ein geson<strong>de</strong>rter Verkündungstermin anberaumt,<br />
§ 310 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO. Zu diesem Termin dann muss das Urteil in<br />
vollständiger Form schriftlich abgefasst sein, § 310 Abs. 2 ZPO.<br />
Die Verkündung erfolgt durch <strong>de</strong>n Vorsitzen<strong>de</strong>n, § 136 Abs. 4 ZPO und sieht meist<br />
so aus, dass mit <strong>de</strong>m Satz „In <strong>de</strong>r Sache ... wird ein Urteil verkün<strong>de</strong>t.“ auf die Urteilsformel<br />
Bezug genommen wird, § 311 Abs. 4 ZPO. Den Parteien wird sodann durch<br />
die Geschäftsstelle eine Ausfertigung <strong>de</strong>s verkün<strong>de</strong>ten Urteils zugestellt, § 317 ZPO.<br />
Mit Zustellung beginnt die Rechtsmittelfrist von einem Monat zu laufen<br />
6. <strong>Das</strong> Urteil
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Der notwendige Inhalt <strong>de</strong>s Urteils ist durch § 313 Abs. 1 ZPO bestimmt. Aus diesem<br />
lässt sich folgen<strong>de</strong>r Urteilsaufbau ableiten:<br />
Rubrum<br />
(1) Bezeichnung <strong>de</strong>r Parteien und <strong>de</strong>r gesetzlichen Vertreter u. Prozessbevollmächtigten;<br />
(2) Bezeichnung von Gericht und mitwirken<strong>de</strong>n Richtern,<br />
(3) Angabe <strong>de</strong>s Zeitpunktes <strong>de</strong>s Schlusses <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung, Datum<br />
und Ort <strong>de</strong>r Entscheidung<br />
Tenor (=Urteilsformel)<br />
(1) Entscheidung in <strong>de</strong>r Hauptsache<br />
(2) Kostenentscheidung<br />
(3) Vorläufige Vollstreckbarkeit (evtl. Schutzanordnungen)<br />
Tatbestand (vgl. §§ 313 Abs.2, 313a, 313b, 314 ZPO)<br />
= Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>s gesamten Sach- und Streitstan<strong>de</strong>s zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r letzten<br />
mündlichen Verhandlung in gebotener Kürze (vgl. § 313 Abs.2 ZPO) mit <strong>de</strong>r Maßgabe,<br />
dass nur und je<strong>de</strong>nfalls diejenigen <strong>Teil</strong>e <strong>de</strong>s Sach- und Streitstan<strong>de</strong>s darzustellen<br />
sind, die als Grundlage <strong>de</strong>r Entscheidung dienen, die also in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n<br />
rechtlich gewürdigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Entscheidungsgrün<strong>de</strong> (§ 313 Abs. 3, 313 a, 313 b ZPO)<br />
= „kurze“ Zusammenfassung <strong>de</strong>r maßgeblichen Erwägungen, auf <strong>de</strong>nen die Entscheidung<br />
in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.<br />
Im Einzelnen:<br />
<strong>Das</strong> Rubrum<br />
<strong>Das</strong> Rubrum besteht aus folgen<strong>de</strong>n <strong>Teil</strong>en:<br />
Urteilskopf<br />
- gerichtliches Aktenzeichen, das sich nach § 4 AktO bestimmt und aus Abteilung<br />
Sache aus Jahr zusammensetzt<br />
- Bezeichnung <strong>de</strong>s Gerichts, z.B. Amtsgericht o<strong>de</strong>r Landgericht Hamburg<br />
- Dem Begriff „Urteil“<br />
bestimmte Urteile sind als solche zu bezeichnen, z.B.:<br />
<strong>Teil</strong>urteil (§ 301 ZPO)<br />
Vorbehaltsurteil (§§ 302, 599 ZPO)<br />
Zwischenurteil (§§ 280, 303 ZPO)<br />
Versäumnisurteil (§ 313 b Abs. 1 S. 2 ZPO)<br />
Anerkenntnisurteil (§ 313 b Abs. 1 S. 2 ZPO)<br />
Verzichtsurteil (§ 313 b Abs. 1 S. 2 ZPO)<br />
Urteil im schriftlichen Verfahren (§ 128 Abs. 2 ZPO)<br />
- und <strong>de</strong>m anschließen<strong>de</strong>n Satz:„Im Namen <strong>de</strong>s Volkes“ (§ 311 Abs. 1 ZPO)
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- weiter geht es mit: „In <strong>de</strong>m Rechtsstreit“ und <strong>de</strong>r<br />
- genauen Bezeichnung <strong>de</strong>r Parteien, § 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO<br />
Die Bezeichnung ist sehr wichtig, da das Rubrum Grundlage <strong>de</strong>r<br />
Zwangsvollstreckung ist; die Parteien müssen daher so genau bezeichnet<br />
wer<strong>de</strong>n, dass Verwechslungen vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und Zustellungen<br />
möglich sind. An<strong>de</strong>renfalls ist das Urteil für <strong>de</strong>n das Urteil erstreiten<strong>de</strong>n<br />
mangels Vollstreckbarkeit nichts wert. Maßgeben<strong>de</strong>r Zeitpunkt für die<br />
korrekte Bezeichnung ist <strong>de</strong>r Schluss <strong>de</strong>r mündlichen Verhandlung<br />
Anzugeben sind; Vor- und Familienname, Geburtsname, Adresse, Parteistellung<br />
(Kläger, Beklagter), ggf. sodann auch Bezeichnung <strong>de</strong>s gesetzlichen<br />
Vertreters mit vollständigem Namen und Anschrift<br />
- es folgt die Bezeichnung <strong>de</strong>s Prozessbevollmächtigten mit genauer Namensund<br />
Adressenangabe<br />
- schließlich ist das Gericht, <strong>de</strong>r Richter und das Datum <strong>de</strong>s Schlusses <strong>de</strong>r<br />
mündlichen Verhandlung anzuführen; bei Urteilen im schriftlichen Verfahren<br />
gem. § 128 Abs. 2 ZPO heißt es abweichend:<br />
„...hat das Amtsgericht Hamburg, Abt. ..., durch <strong>de</strong>n Richter... aufgrund <strong>de</strong>r am<br />
….. geschlossenen Verhandlung“<br />
bei Urteilen im schriftlichen Verfahren gem. § 495 a ZPO: schließlich:<br />
„ ...hat das Amtsgericht Hamburg, Abt. ..., durch <strong>de</strong>n Richter ... im schriftlichen<br />
Verfahren gem. § 495 a ZPO für Recht erkannt“<br />
Die Urteilsformel (Tenor)<br />
Der Tenor ist <strong>de</strong>r Kern <strong>de</strong>s Urteils; in einer kurzen, präzisen Formel umschreibt er die<br />
richterliche Entscheidung. Dazu gehören i.d.R.:<br />
- Entscheidung in <strong>de</strong>r Hauptsache (Haupt- und Nebenfor<strong>de</strong>rungen)<br />
- Kostenentscheidung<br />
- Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit.<br />
Wegen seiner beson<strong>de</strong>ren Wichtigkeit wird <strong>de</strong>r Tenor üblicherweise durch Einrücken<br />
hervorgehoben. Bei <strong>de</strong>r Fassung <strong>de</strong>s Tenors in <strong>de</strong>r Hauptsache sind folgen<strong>de</strong><br />
Grundsätze zu beachten: knapp, ein<strong>de</strong>utig und vollstreckungsfähig.<br />
(z.B. nicht: „...wird verurteilt, die laufen<strong>de</strong> Miete zu zahlen“, „<strong>de</strong>r Beklagte hat die<br />
Klage i.H.v. 1.000,- anerkannt“, „<strong>de</strong>r Klage wird stattgegeben“, „die Klage ist i.H.v.<br />
1.000,- begrün<strong>de</strong>t“)<br />
Aus <strong>de</strong>m Tenor muss sich ohne Rückgriff auf irgendwelche an<strong>de</strong>ren Unterlagen ergeben,<br />
was konkret <strong>de</strong>r Beklagte zu tun / leisten hat. Der Tenor muss erschöpfend<br />
sein, d.h. durch <strong>de</strong>n Tenor müssen alle zuletzt gestellten Anträge erledigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Spricht das Gericht <strong>de</strong>m Kläger auch nur einen Cent weniger zu als beantragt, ist die<br />
Klage im Übrigen abzuweisen!<br />
Begrenzt ist <strong>de</strong>r Urteilsausspruch durch <strong>de</strong>n Antrag er Parteien, § 308 Abs. 1 ZPO.<br />
<strong>Das</strong> Gericht darf keiner <strong>Seite</strong> mehr und nichts an<strong>de</strong>res zusprechen als sie beantragt<br />
hat!!<br />
Bei klageabweisen<strong>de</strong>n Urteilen lautet <strong>de</strong>r Tenor immer:
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„Die Klage wird abgewiesen“<br />
Wird die Klage nur zum <strong>Teil</strong> abgewiesen heißt <strong>de</strong>r Tenor:<br />
„Im Übrigen wird die Klage abgewiesen“<br />
Warum sie abgewiesen wird (als unzulässig, als unbegrün<strong>de</strong>t, als <strong>de</strong>rzeit unbegrün<strong>de</strong>t),<br />
kommt im Tenor nicht zum Ausdruck, nur in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n. Eine<br />
Ausnahme hiervon bil<strong>de</strong>t § 597 Abs. 2 ZPO, also <strong>de</strong>r Urkun<strong>de</strong>nprozess. Hier lautet<br />
<strong>de</strong>r Tenor:<br />
„Die Klage wird als im Urkun<strong>de</strong>nprozess unstatthaft abgewiesen“<br />
Wenn vor <strong>de</strong>r En<strong>de</strong>ntscheidung ein Versäumnisurteil o<strong>de</strong>r ein Vollstreckungsbescheid<br />
ergangen war und Klage nach Einspruch nun doch abgewiesen wird, muss im<br />
Tenor zugleich <strong>de</strong>r Vollstreckungstitel aufgehoben wer<strong>de</strong>n:<br />
„<strong>Das</strong> VU / <strong>de</strong>r VB vom ... wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen“<br />
Bei klagestattgeben<strong>de</strong>n Urteilen ist zu beachten, dass <strong>de</strong>r Tenor aus sich heraus<br />
verständlich sein muss. Die Zwangsvollstreckung wird durchgeführt mit einer vollstreckbaren<br />
Ausfertigung <strong>de</strong>s Urteils, die nur Rubrum, Tenor und Unterschriften enthält,<br />
also keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgrün<strong>de</strong>. Es muss sich aus <strong>de</strong>m<br />
Tenor daher ein<strong>de</strong>utig ergeben, wer zu welcher Leistung an wen verurteilt wird. Je<br />
nach Urteilsart gilt dabei folgen<strong>de</strong>s:<br />
Leistungsurteile:<br />
„Der Beklagte wird verurteilt, ...“<br />
Falsch und ein schwerer Fehler wäre hingegen die Formulierung: „Der Klage wird<br />
stattgegeben“. Auch <strong>de</strong>r Anspruchsgrund darf nicht erwähnt wer<strong>de</strong>n, falsch wäre<br />
also etwa auch die Formulierung „... an <strong>de</strong>n Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. .....<br />
zu zahlen“, „... an <strong>de</strong>n Kläger die geliehene Uhr ... herauszugeben“<br />
Bei einer Verurteilung zur Zinszahlung muss das Datum angegeben wer<strong>de</strong>n, ab <strong>de</strong>m<br />
Zinsen zu zahlen sind. Falsch ist daher: „Der Beklagte wird verurteilt, an <strong>de</strong>n Kläger <br />
... nebst 5 % Zinsen über <strong>de</strong>m Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen“. <strong>Das</strong><br />
Datum <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit gehört statt<strong>de</strong>ssen in <strong>de</strong>n Tenor!<br />
<strong>Das</strong> Haftungsverhältnis bei mehreren Schuldnern muss im Tenor klargestellt wer<strong>de</strong>n,<br />
z. B.<br />
„Die Beklagten wer<strong>de</strong>n als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger<br />
als Gesamthandsgläubiger<br />
Feststellungsurteile:<br />
„Es wird festgestellt, dass ...“<br />
Falsch sind Formulierungen, die nicht erkennen lassen, ob es sich um ein Leistungso<strong>de</strong>r<br />
um ein Feststellungsurteil han<strong>de</strong>lt, z.B. „Der Beklagte hat an <strong>de</strong>n Kläger .... DM<br />
zu zahlen“.<br />
Die Kostenentscheidung<br />
Je<strong>de</strong>s Urteil, welches die Instanz abschließt, enthält eine Kostenentscheidung (also<br />
nicht z.B. <strong>Teil</strong>-Urteile, § 301 ZPO, und Grund-Urteile, § 304 ZPO). Die Kostenent-
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scheidung ergeht von Amts wegen, § 308 Abs.2 ZPO also auch ohne Antrag <strong>de</strong>r Parteien.<br />
Es han<strong>de</strong>lt sich um eine Entscheidung <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach, d.h. sie regelt, wer<br />
die Prozesskosten <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach zu tragen und insoweit <strong>de</strong>m Gegner zu erstatten<br />
hat. In welcher Höhe Kosten angefallen und zur zweckentsprechen<strong>de</strong>n Rechtsverfolgung<br />
bzw. Rechtsverteidigung notwendig gewesen sind, wird erst nach Erlass<br />
<strong>de</strong>s Urteils im Kostenfestsetzungsverfahren durch <strong>de</strong>n Rechtspfleger geprüft, §§ 103<br />
ff. ZPO. Als Ergebnis dieser Prüfung <strong>de</strong>s Rechtspflegers ergeht ein Kostenfestsetzungsbeschluss.<br />
<strong>Das</strong> Urteil selber kann nur in <strong>de</strong>r Hauptsache als Vollstreckungstitel<br />
dienen, nicht aber im Kostenpunkt. Vielmehr kann wegen <strong>de</strong>r Kosten erst aufgrund<br />
<strong>de</strong>s Kostenfestsetzungsbeschlusses vollstreckt wer<strong>de</strong>n, § 794 Abs.1 Ziff.2<br />
ZPO.<br />
Zu <strong>de</strong>n Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits gehören die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen)<br />
und die außergerichtlichen Kosten <strong>de</strong>r Parteien. Die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits<br />
trägt letztlich <strong>de</strong>r Verlierer <strong>de</strong>s Rechtsstreits. Wer <strong>de</strong>r Verlierer ist, weiß man<br />
natürlich erst am En<strong>de</strong>. Bereits mit <strong>de</strong>r Einleitung und Durchführung <strong>de</strong>s Rechtsstreits<br />
aber fallen Kosten an. Es bedarf also einer Regelung, wer diese Kosten vorfinanzieren<br />
soll. Der Merksatz dabei lautet: Wer die Musik bestellt hat, muss sie auch<br />
bezahlen! Also: Wer sich einen Anwalt nimmt, verpflichtet sich <strong>de</strong>m Anwalt gegenüber,<br />
seine Gebühren und Auslagen zu erstatten (§§ 675, 612 BGB). Wer ein Parteigutachten<br />
in Auftrag gibt, schul<strong>de</strong>t <strong>de</strong>m Sachverständigen <strong>de</strong>ssen Vergütung (§§ 631<br />
BGB).<br />
Und: Wer die Instanz beantragt (z.B. Klage erhebt), schul<strong>de</strong>t <strong>de</strong>m Justizfiskus die<br />
drei vollen Gebühr für das Verfahren im allgemeinen (§ 22 Absatz 1 GKG). Diese<br />
Gebühren wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Einreichung <strong>de</strong>r Klagschrift fällig (§ 6 Abs. 1 GKG). Erst<br />
wenn die Gebühr vorausgezahlt ist, soll die Klagschrift zugestellt wer<strong>de</strong>n, § 12 Abs. 1<br />
GKG sofern nicht eine <strong>de</strong>r in § 12 Abs. 2 GKG geregelten Ausnahmen vorliegt.<br />
Wird die Vornahme einer Handlung beantragt, mit <strong>de</strong>r Auslagen verbun<strong>de</strong>n sind, so<br />
hat <strong>de</strong>r Antragsteller in <strong>de</strong>r Regel einen zur Deckung <strong>de</strong>r Auslagen hinreichen<strong>de</strong>n<br />
Vorschuss einzuzahlen. Die Partei, welche eine Beweisaufnahme begehrt (z.B. einen<br />
Zeugen benennt o<strong>de</strong>r die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt),<br />
muss also einen Vorschuss auf die zu erwarten<strong>de</strong>n Auslagen nach <strong>de</strong>m ZuSEG an<br />
<strong>de</strong>n Justizfiskus leisten, § 17 Abs. 1 GKG. Zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Abfassung eines Urteils<br />
haben <strong>de</strong>mnach normalerweise aufgebracht:
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Der Kläger<br />
Drei volle Gerichtsgebühr ---<br />
Gegebenenfalls Auslagenvorschuss für<br />
Zeugen und Sachverständige<br />
Gebühren und Auslagen <strong>de</strong>s eigenen<br />
Anwalts<br />
Gegebenenfalls auch eigene Auslagen<br />
Der Beklagte<br />
Gegebenenfalls Auslagenvorschuss für<br />
Zeugen/Sachverständige<br />
Gebühren und Auslagen <strong>de</strong>s eigenen<br />
Anwalts<br />
Gegebenenfalls eigene Auslagen<br />
Die Kostenentscheidung im Urteil wird auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r §§ 91 ff. ZPO getroffen.<br />
Im Wesentlichen hängt die Entscheidung davon ab, welche Partei in welchem Umfang<br />
in <strong>de</strong>m Rechtsstreit unterlegen ist. Grundsätzlich gilt <strong>de</strong>r Grundsatz <strong>de</strong>r Einheit<br />
<strong>de</strong>r Kostenentscheidung, d.h. es wird grundsätzlich einheitlich über alle Kosten <strong>de</strong>s<br />
Rechtsstreits unabhängig von einzelnen Prozesshandlungen und Prozessabschnitten<br />
entschie<strong>de</strong>n, also z.B.:<br />
• keine Trennung nach Haupt- und Hilfsantrag<br />
• bei teilweiser Erledigung <strong>de</strong>s Rechtsstreits kein geson<strong>de</strong>rter Beschluss<br />
gemäß § 91 a ZPO<br />
• keine Trennung nach Kosten <strong>de</strong>r Klage und Wi<strong>de</strong>rklage<br />
• keine Trennung bei teilweiser Klagerücknahme<br />
In all diesen Fällen lautet Kostenentscheidung: Von <strong>de</strong>n Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits<br />
trägt <strong>de</strong>r Kläger … % und <strong>de</strong>r Beklagte … %. Es han<strong>de</strong>lt sich also jeweils um die Gesamtkostenquote.<br />
Ausnahmsweise aber kommt auch Kostentrennung in Betracht, d.h. unabhängig<br />
vom Ausgang <strong>de</strong>s Rechtsstreits wird über einzelne Prozesshandlungen o<strong>de</strong>r Prozessabschnitte<br />
geson<strong>de</strong>rt von <strong>de</strong>n übrigen Kosten entschie<strong>de</strong>n. Praktisch be<strong>de</strong>utsam<br />
ist dieses etwa bei <strong>de</strong>n §§ 344, 95 ZPO (Versäumniskosten). Die Formulierung lautet<br />
hier:<br />
„Die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits trägt <strong>de</strong>r Kläger mit Ausnahme<br />
<strong>de</strong>r durch Säumnis <strong>de</strong>s Beklagten im Termin vom … entstan<strong>de</strong>nen<br />
Kosten. Diese trägt <strong>de</strong>r Beklagte“.<br />
Gleiches gilt etwa bei § 96 ZPO (erfolgloses Verteidigungsmittel). Die Kostenentscheidung<br />
hier lautet etwa:<br />
„Der Beklagte trägt die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits mit Ausnahme <strong>de</strong>r Kosten die durch<br />
Einholung <strong>de</strong>s Gutachtens <strong>de</strong>s Sachverständigen … entstan<strong>de</strong>n sind. Diese wer<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>m Beklagten auferlegt.“.<br />
Als weitere wichtige Ausnahmen seien angeführt: § 238 Abs. 4 ZPO (Kosten <strong>de</strong>r<br />
Wie<strong>de</strong>reinsetzung) o<strong>de</strong>r § 281 Abs. 3 S. 2 ZPO (Kosten bei Anrufung <strong>de</strong>s unzuständigen<br />
Gerichts).<br />
Kostenentscheidung bei vollem Unterliegen einer Partei, § 91 ZPO<br />
Unterliegt eine Partei voll, hat sie grundsätzlich nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sämtliche<br />
Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits (nicht <strong>de</strong>s Verfahrens = inkl. Zwangsvollstreckung) zu tra-
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<strong>Teil</strong> 1: Grundlagen <strong>de</strong>r praktischen Tätigkeit<br />
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gen. Hat die Klage in vollem Umfang Erfolg, lautet die Kostenentscheidung daher:<br />
„Der Beklagte hat die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits zu tragen“.<br />
Wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen, lautet die Kostenentscheidung entsprechend:<br />
„Der Kläger hat die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits zu tragen“.<br />
Ausnahmen von <strong>de</strong>m Grundsatz, dass die unterlegene Partei die gesamten Kosten<br />
<strong>de</strong>s Rechtsstreits zu tragen hat, sind in <strong>de</strong>n gera<strong>de</strong> besprochenen Beispielsfällen<br />
und abschließend in <strong>de</strong>n §§ 93-96, 97 Abs.2, Abs.3 und in <strong>de</strong>n §§ 238 Abs. 4, 281<br />
Abs. 3 Satz 2, 344 ZPO enthalten.<br />
Kostenentscheidung nach § 92 ZPO<br />
Bei teilweisem Obsiegen und Unterliegen <strong>de</strong>r Parteien ist eine Kostenentscheidung<br />
ausschließlich nach § 92 ZPO zu treffen und zwar auch bei einem ganz geringfügigen<br />
Unterliegen (z.B. Abweisung <strong>de</strong>r Klage wegen Zinsen für einen Tag!). § 91 fin<strong>de</strong>t<br />
dann keine Anwendung mehr. Der Umfang <strong>de</strong>s <strong>Teil</strong>-Unterliegens richtet sich nach<br />
seinem Verhältnis zum Gebührenstreitwert, für das richtige Quotieren ist also die<br />
Kenntnis <strong>de</strong>s Streitwertes erfor<strong>de</strong>rlich.<br />
Bei einem <strong>Teil</strong>-Unterliegen gibt es nach § 92 ZPO drei mögliche Kostenfolgen:<br />
(1) § 92 Abs.1 Satz 1 ZPO: Verhältnismäßige <strong>Teil</strong>ung (Quotierung)<br />
In diesem Fall lautet die Kostenentscheidung:<br />
„Von <strong>de</strong>n Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits hat <strong>de</strong>r Kläger x/y-tel (bzw.<br />
x%) und <strong>de</strong>r Beklagte y/y-tel (bzw. y%) zu tragen.“<br />
(2) § 92 Abs.1 Satz 1, 2.Halbsatz ZPO: Kostenaufhebung<br />
Obsiegen bzw. unterliegen bei<strong>de</strong> Parteien ungefähr zur Hälfte, so hat das Gericht die<br />
Wahl, ob es die Kosten gegeneinan<strong>de</strong>r aufhebt o<strong>de</strong>r in Quoten verhältnismäßig teilt.<br />
Kostenaufhebung im Gegensatz zur Formulierung „Die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits tragen<br />
die Parteien je zur Hälfte“ be<strong>de</strong>utet, dass die Gerichtskosten geteilt wer<strong>de</strong>n und<br />
je<strong>de</strong> Partei ihre außergerichtlichen (= Rechtsanwalts-) Kosten selbst trägt, und zwar<br />
gleichgültig, ob sie ebenso hoch sind wie die <strong>de</strong>s Gegners o<strong>de</strong>r höher (etwa, weil nur<br />
eine Partei einen Rechtsanwalt hatte). Der Kostentenor lautet dann:<br />
„Die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits wer<strong>de</strong>n gegeneinan<strong>de</strong>r aufgehoben“.<br />
Einen Kostenerstattungsanspruch <strong>de</strong>r Parteien gegeneinan<strong>de</strong>r gibt es dann überhaupt<br />
nur hinsichtlich <strong>de</strong>r jeweils bereits verauslagten Gerichtskosten.<br />
(3) § 92 Abs.2 ZPO: Volle Kostenlast einer Partei<br />
Auch nach § 92 Abs. 2 ZPO kann trotz teilweisem Verlierens die Folge sein, dass<br />
eine Partei alle Kosten zu tragen hat. Bei geringfügigem <strong>Teil</strong>unterliegen nämlich kann<br />
das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen <strong>de</strong>r einen Partei die gesamten Prozesskosten<br />
auferlegen. Voraussetzungen (kumulativ!!) sind: Geringfügige Zuvielfor<strong>de</strong>rung<br />
bzw. geringfügiges Verlieren. Diese Voraussetzung ist nach verbreiteter<br />
Meinung erfüllt, wenn das Verlieren weniger als 10% <strong>de</strong>r Hauptfor<strong>de</strong>rung beträgt und<br />
keine o<strong>de</strong>r nur geringfügig höhere Kosten veranlasst wor<strong>de</strong>n sind.<br />
Rechtsprechung zu dieser weiteren Voraussetzung ist <strong>bis</strong>lang rar. Es lässt sich aber<br />
bereits die Ten<strong>de</strong>nz erkennen, dass hinsichtlich <strong>de</strong>r geringfügig höheren Kosten
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<strong>Teil</strong> 1: Grundlagen <strong>de</strong>r praktischen Tätigkeit<br />
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auch hier auf die 10% Grenze abzustellen ist. Geringfügig höher sind die Mehrkosten<br />
also dann, wenn sie weniger als 10 % <strong>de</strong>r (auszurechnen<strong>de</strong>n) Gesamtkosten betragen.<br />
<strong>Das</strong> be<strong>de</strong>utet, dass bei geringen Streitwerten in <strong>de</strong>r Regel wie <strong>bis</strong>her ein durch<br />
die Zuvielfor<strong>de</strong>rung veranlasster Gebührensprung eine Anwendbarkeit von § 92 Abs.<br />
2 ZPO ausschließt.<br />
Kostenentscheidung nach § 93 ZPO<br />
In <strong>de</strong>r Praxis nicht ganz ohne Be<strong>de</strong>utung ist auch die Kostenregelung in § 93 ZPO.<br />
Danach können <strong>de</strong>m Kläger bei vollem Obsiegen abweichend von § 91 Abs.2<br />
1. Halbsatz die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits auferlegt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Beklagte <strong>de</strong>n<br />
Anspruch sofort anerkennt und keine Veranlassung zur Klagerhebung gegeben hat.<br />
Kostenentscheidung bei teilweiser Klagerücknahme<br />
Die Klage o<strong>de</strong>r ein <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>r Klagefor<strong>de</strong>rung kann <strong>bis</strong> zur mündlichen Verhandlung<br />
je<strong>de</strong>rzeit ohne weitere Voraussetzungen zurückgenommen wer<strong>de</strong>n. Merkt <strong>de</strong>r Kläger,<br />
dass seine Klage zum <strong>Teil</strong> keinen Erfolg haben wird, kann er durch <strong>Teil</strong>rücknahme<br />
– wie sich gleich zeigen wird – RA Kosten ersparen. Grundsätzlich gilt: Nimmt<br />
<strong>de</strong>r Kläger die Klage zurück, muss er nach § 269 Abs.3 Satz 2 ZPO die Kosten <strong>de</strong>s<br />
Rechtsstreits (bei <strong>Teil</strong>rücknahme anteilig) tragen. Auch bei einer <strong>Teil</strong>klagrücknahme<br />
gilt Grundsatz <strong>de</strong>r Kosteneinheit. Daher darf nicht tenoriert wer<strong>de</strong>n: „Der Kläger trägt<br />
die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits, soweit er die Klage zurückgenommen hat; die übrigen<br />
Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Beklagten auferlegt“. Es ist vielmehr eine Kostenquote<br />
zu bil<strong>de</strong>n. er die gesamten Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits <strong>einschließlich</strong> <strong>de</strong>r Kosten,<br />
die auf <strong>de</strong>n zurückgenommenen <strong>Teil</strong> entfallen, ist einheitlich durch das Urteil zu<br />
entschei<strong>de</strong>n.<br />
Für die Berechnung <strong>de</strong>r Kostenquote gibt es zwei vertretbare Wege<br />
Beispiel: Kläger klagt 5.000,-- ein. Vor mündlicher Verhandlung nimmt er die Klage<br />
in Höhe von 2.500,-- zurück. Der Beklagte wird zur Zahlung von 2.500,-- verurteilt.<br />
Falsch wäre hier, <strong>de</strong>m Kläger die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits zu ½ aufzuerlegen, <strong>de</strong>nn<br />
dabei wür<strong>de</strong> unberücksichtigt bleiben, dass die Terminsgebühr <strong>de</strong>r Rechtsanwälte<br />
nur noch nach <strong>de</strong>m infolge <strong>de</strong>r teilweisen Klagrücknahme verringerten Streitwert anfallen<br />
und in Höhe von EUR 5.000,00 auch lediglich eine Gerichtsgebühr und lediglich<br />
in Höhe weiterer EUR 2.500,- zwei weitere Gerichtsgebühren angefallen sind<br />
1. Metho<strong>de</strong>: sog. Quotenmetho<strong>de</strong><br />
Prozesskosten Streitwert Betrag Verlustquote Kläger<br />
Gerichtskosten<br />
3 x Nr. 1210<br />
Anwaltsgebühren<br />
<strong>de</strong>s Klägervertreters:<br />
1,3 Verfahrensgebühr<br />
MwSt<br />
Summe<br />
-------------------------<br />
5.000,- 363 ½ = 181,50 <br />
5.000,- <br />
--------------------------<br />
391,30 <br />
62,61 <br />
453,91<br />
--------------------------<br />
½ = 226,96 (<strong>Teil</strong>rücknahme)<br />
---------------------------
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<strong>Teil</strong> 1: Grundlagen <strong>de</strong>r praktischen Tätigkeit<br />
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1,2 Terminsgebühr<br />
Pauschale<br />
MwSt.<br />
Gesamtsumme<br />
2.500,- 193,20 <br />
20,00 <br />
34,11 <br />
701,22<br />
---<br />
Anwaltsgebühren<br />
<strong>de</strong>s Beklagtenvertreters:<br />
s.o.<br />
701,22,- 226,96 ,s.o.<br />
Gesamtsummen: 1.765,44 635,42 <br />
Von <strong>de</strong>n Gesamtkosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits in Höhe von 1.765,44 ist <strong>de</strong>r Kläger also<br />
nur mit 635,42 zu beteiligen; das entspricht einer Quote von lediglich 36% (635,42<br />
./. 1.765,44 * 100). Die Kostenentscheidung lautet dann:<br />
„Die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits hat <strong>de</strong>r Kläger zu 36% und <strong>de</strong>r<br />
Beklagte zu 64% zu tragen.“<br />
2. Metho<strong>de</strong>: Mehrkostenmetho<strong>de</strong><br />
Bei dieser wer<strong>de</strong>n die Mehrkosten, die auf <strong>de</strong>n zurückgenommenen <strong>Teil</strong> entfallen,<br />
errechnet und dann in Relation zu <strong>de</strong>n tatsächlich entstan<strong>de</strong>nen Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits<br />
gesetzt. <strong>Das</strong> be<strong>de</strong>utet im Beispielsfall:<br />
Tatsächlich entstan<strong>de</strong>ne Prozesskosten: 1.765,44 , s.o. Folgen<strong>de</strong> Kosten wären<br />
nicht entstan<strong>de</strong>n, wenn von vornherein nur 2.500,- eingeklagt wor<strong>de</strong>n wären: Die<br />
dreifache Gerichtsgebühr hätte 243,- und nicht 363,- betragen, Differenz also<br />
120,- .<br />
Anwaltskosten: 1,3 Verfahrensgebühr hätte 209,30 und nicht 391,30 betragen,<br />
Mehrkosten bei 2 Anwälten also 2 x 182 = 364,- . Die Mehrkosten für <strong>de</strong>n zurückgenommenen<br />
<strong>Teil</strong> haben also insgesamt 484,- betragen. Diese tatsächlich entstan<strong>de</strong>nen<br />
Mehrkosten hat <strong>de</strong>r Kläger zu tragen. Die Kostenquote <strong>de</strong>s Klägers beträgt<br />
<strong>de</strong>mnach 27 % (484,- ./. 1.765,44 ). Die Kostenentscheidung lautet bei dieser<br />
Metho<strong>de</strong>:<br />
„Die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits hat <strong>de</strong>r Kläger zu 27% und <strong>de</strong>r<br />
Beklagte zu 73% zu tragen.“<br />
Bei<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>n sind vertretbar und müssen in Klausur nicht geson<strong>de</strong>rt begrün<strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Begründung <strong>de</strong>r Kostenentscheidung erfolgt im Urteil in aller Regel<br />
(Ausnahme: § 91a und 93 ZPO) durch Benennung <strong>de</strong>r §§ - es gibt nicht die korrekte<br />
Berechnung, es geht bei <strong>de</strong>r Kostenentscheidung stets um eine ungefähre Annäherung.<br />
Kostenentscheidung bei Streitgenossenschaft<br />
Schwieriger ist di Kostenentscheidung oftmals bei <strong>de</strong>r Beteiligung mehrerer Kläger<br />
und/o<strong>de</strong>r Beklagter, Anwendung fin<strong>de</strong>t dann die Baumbach`sche Kostenformel.<br />
Der Gesetzliche Ausgangspunkt und Grundsatz lautet:<br />
§ 100 Abs. 1 ZPO: Haftung für Kostenerstattung grundsätzlich nach Kopfteilen<br />
§ 100 Abs. 4 ZPO: Haftung mehrerer Beklagter für die Kostenerstattung als Ge-
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<strong>Das</strong> be<strong>de</strong>utet:<br />
samtschuldner, wenn in Hauptsache als Gesamtschuldner verurteilt<br />
Zwei Kläger erheben Klage gegen einen<br />
Beklagten. Die Klage wird abgewiesen.<br />
Die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits tragen die<br />
Kläger zu je ½.<br />
Ein Kläger erhebt Klage gegen zwei Beklagte.<br />
Die Beklagten wer<strong>de</strong>n in vollem<br />
Umfang verurteilt.<br />
Ein Kläger erhebt Klage gegen zwei Beklagte<br />
als Gesamtschuldner. Die Beklagten<br />
wer<strong>de</strong>n in vollem Umfang als Gesamtschuldner<br />
verurteilt.<br />
Ein Kläger erhebt Klage gegen zwei Beklagte.<br />
Der Beklagte zu 1. wird in vollem Umfang<br />
verurteilt.<br />
Gegen <strong>de</strong>n Beklagten zu 2. wird die Klage<br />
abgewiesen.<br />
§ 100 Abs. 1 ZPO<br />
Die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits tragen die<br />
Beklagten zu je ½.<br />
§ 100 Abs. 1 ZPO<br />
Die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits tragen die<br />
Beklagten als Gesamtschuldner.<br />
§ 100 Abs. 4 ZPO<br />
Baumbach’sche Kostenformel:<br />
Die Gerichtskosten haben <strong>de</strong>r Kläger und<br />
<strong>de</strong>r Beklagte zu 1. je zur Hälfte zu tragen.<br />
Die außergerichtlichen Kosten <strong>de</strong>s Beklagten<br />
zu 2. trägt <strong>de</strong>r Kläger;<br />
die <strong>de</strong>s Klägers tragen <strong>de</strong>r Beklagte zu 1.<br />
und <strong>de</strong>r Kläger je zur Hälfte;<br />
die außergerichtlichen Kosten <strong>de</strong>s Beklagten<br />
zu 1. trägt dieser selbst.<br />
§ 92 Abs. 1 ZPO<br />
Die Baumbach`schen Kostenformel gilt für <strong>de</strong>n Fall, dass <strong>de</strong>r Kläger bei einer gesamtschuldnerischen<br />
Inanspruchnahme mehrerer Beklagter in unterschiedlichem<br />
Umfang obsiegt. Die Überlegung dabei ist: Je<strong>de</strong> Partei soll nur in <strong>de</strong>m Umfang mit<br />
Kosten belastet wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m sie unterlegen ist. Am einfachsten zu ver<strong>de</strong>utlichen<br />
ist die Berechnung an Beispielen, die sich so mit Formulierungen ähnlich auch im<br />
Thomas/Putzo fin<strong>de</strong>n und damit im Ernstfall in <strong>de</strong>r Klausur als Formulierungsbeispiel<br />
dienen:<br />
Beispiel:<br />
Kläger verklagt A (Beklagter zu 1) und B (Beklagter zu 2) als Gesamtschuldner<br />
auf Zahlung von 10.000,- . A. wird zur Zahlung von 5.000,- <br />
verurteilt, im Übrigen wird die Klage abgewiesen.<br />
Ermittlung <strong>de</strong>r Kostenquote:<br />
• außergerichtliche Kosten <strong>de</strong>s Beklagten zu 1 (RA) tragen <strong>de</strong>r Beklagte zu 1 und<br />
<strong>de</strong>r Kläger je zur Hälfte, <strong>de</strong>nn: A. ist im Verhältnis zum Kläger zur Hälfte unterlegen
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• außergerichtliche Kosten <strong>de</strong>s Beklagten zu 2) trägt <strong>de</strong>r Kläger alleine, da er im<br />
Verhältnis zu B. 2) voll unterlegen geblieben ist<br />
• Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten <strong>de</strong>s Klägers?<br />
Anspruch gegen A.<br />
10.000,- <br />
Anspruch gegen B<br />
10.000,- <br />
Kostenquote:<br />
Der Kläger begehrte<br />
mit seinen bei<strong>de</strong>n<br />
Angriffen fiktiv<br />
20.000,- <br />
(tatsächlicher<br />
Streitwert natürlich<br />
nur EUR 10.000)<br />
Verlustquote = eigene<br />
Kosten und<br />
Gerichtskosten:<br />
Kläger verliert A. verliert B. verliert<br />
5.000,- 5.000,- 0 EUR<br />
10.000,- 0 EUR 0 EUR<br />
¾ 1/4 Nichts<br />
Kostenentscheidung in Worte übersetzt lautet daher:<br />
„Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten <strong>de</strong>s<br />
Klägers hat <strong>de</strong>r Kläger zu ¾ und <strong>de</strong>r Beklagte zu 1) zu ¼ zu<br />
tragen.<br />
Die außergerichtlichen Kosten <strong>de</strong>s Beklagten zu 1) haben <strong>de</strong>r<br />
Kläger und <strong>de</strong>r Beklagte zu 1) je zur Hälfte zu tragen.<br />
Die außergerichtlichen Kosten <strong>de</strong>s Beklagten zu 2) trägt <strong>de</strong>r<br />
Kläger.“<br />
Es geht aber auch noch etwas komplizierter:<br />
Beispiel:<br />
Kläger verklagt A. (Beklagter zu 1) und B. (Beklagter zu 2) als Gesamtschuldner<br />
auf Zahlung von 10.000,- . Die Beklagten wer<strong>de</strong>n als Gesamtschuldner<br />
verurteilt, an <strong>de</strong>n Kläger 5.000,- zu zahlen, A. wird<br />
darüber hinaus verurteilt, weitere 2.500,- an <strong>de</strong>n Kläger zu zahlen.<br />
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.<br />
Ermittlung <strong>de</strong>r Kostenquote:<br />
• außergerichtliche Kosten <strong>de</strong>s Beklagten zu 1) trägt <strong>de</strong>r Kläger zu 1/4 (Abweisung)<br />
und <strong>de</strong>r Beklagte zu 1 selbst zu 3/4 (Verlust beim diesbezüglichen Einzelangriff<br />
über 2.500 und über EUR 5.000 als Gesamtschuldner)<br />
• außergerichtliche Kosten <strong>de</strong>s Beklagten zu 2 tragen <strong>de</strong>r Kläger und <strong>de</strong>r Beklagte<br />
zu 2 je zur Hälfte<br />
• Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten <strong>de</strong>s Klägers:
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Anspruch gegen A.<br />
10.000,- <br />
Anspruch gegen B.<br />
10.000,- <br />
Kläger verliert Beklagte A. und B.<br />
als Gesamtschuldner<br />
verlieren<br />
A. allein verliert<br />
2.500,- 5.000,- 2.500,- <br />
5.000,- 5.000,- 0<br />
Gesamtverluste: 7.500,- 10.000,- 2.500,- <br />
Kostenquote bei<br />
fiktivem Gesamtangriff<br />
von EUR<br />
3/8 (37,5 %)<br />
20.000,00<br />
4/8 (50%) 1/8 (12,5%)<br />
Verlust ./. fiktiven<br />
Streitwert i.H.v.<br />
20.000,- <br />
Die Kostenentscheidung lautet also:<br />
„Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten <strong>de</strong>s<br />
Klägers haben <strong>de</strong>r Kläger zu 37,5%,<br />
die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 50%<br />
und <strong>de</strong>r Beklagte zu 1) allein zu 12,5% zu tragen.<br />
Die außergerichtlichen Kosten <strong>de</strong>s Beklagten zu 1) trägt dieser<br />
selbst zu 75% und <strong>de</strong>r Kläger zu 25%,<br />
die außergerichtlichen Kosten <strong>de</strong>s Beklagten zu 2) tragen <strong>de</strong>r<br />
Kläger und <strong>de</strong>r Beklagte zu 2) je zur Hälfte.“<br />
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit<br />
Grundsätzlich muss je<strong>de</strong>s Endurteil (auch <strong>Teil</strong>urteil) von Amts wegen für vorläufig<br />
vollstreckbar erklärt wer<strong>de</strong>n (§§ 708, 709 ZPO). Dadurch kann noch vor Rechtskraft<br />
(also auch bei womöglich anhängigen Berufungsverfahren) <strong>de</strong>r Gewinner <strong>de</strong>r ersten<br />
Instanz aus seinem Zwischenerfolg vollstrecken. Der Ausspruch <strong>de</strong>r vorläufigen Vollstreckbarkeit<br />
im Urteil ist notwendig. Denn nach § 704 Abs. 1 ZPO fin<strong>de</strong>t die<br />
Zwangsvollstreckung aus Endurteilen nur statt, wenn sie rechtskräftig o<strong>de</strong>r für vorläufig<br />
vollstreckbar erklärt wor<strong>de</strong>n sind. Ausnahmen sieht das Gesetz nur in folgen<strong>de</strong>n<br />
Son<strong>de</strong>rkonstellationen vor:<br />
- Urteile in Ehe- und Kindschaftssachen, § 704 Abs. 2 ZPO<br />
- Urteile, durch die ein Arrest o<strong>de</strong>r eine einstweilige Verfügung angeordnet o<strong>de</strong>r<br />
bestätigt wird, §§ 922, 925 Abs. 2, 936 ZPO (da von Natur aus vorläufig vollstreckbar)<br />
- Urteile, die mit ihrem Erlass (Verkündung o<strong>de</strong>r Zustellung) rechtskräftig wer<strong>de</strong>n<br />
(z.B. Berufungsurteil <strong>de</strong>s Landgerichts, § 545 Abs. 1 ZPO, Revisionsurteile<br />
<strong>de</strong>s BGH, Berufungsurteile <strong>de</strong>s OLG bei Arrest und einstweiliger Verfügung,<br />
§ 545 Abs. 2 ZPO)
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit umfasst zum einen die Hauptsache,<br />
sofern sie vollstreckbar ist (insbeson<strong>de</strong>re Urteile, die zu einer Leistung – Handlung,<br />
Duldung, Unterlassung - verurteilen) und zum an<strong>de</strong>ren stets auch die Kostenentscheidung<br />
(nur hinsichtlich <strong>de</strong>r Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar sind<br />
z.B. Feststellungsurteile, Gestaltungsurteile, Urteile auf Abgabe einer Willenserklärung,<br />
klageabweisen<strong>de</strong> Urteile).<br />
Die Möglichkeit einer vorläufigen Vollstreckung aus noch nicht rechtskräftigen Urteilen<br />
dient auf <strong>de</strong>r einen <strong>Seite</strong> <strong>de</strong>n Interessen <strong>de</strong>r obsiegen<strong>de</strong>n Partei. Sie soll, nach<strong>de</strong>m<br />
ein Gericht die Berechtigung ihrer For<strong>de</strong>rung festgestellt hat, <strong>de</strong>n Anspruch nun<br />
auch kurzfristig durchsetzen können.<br />
Es müssen auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren <strong>Seite</strong> aber auch die Interessen <strong>de</strong>r unterliegen<strong>de</strong>n Partei<br />
gewahrt wer<strong>de</strong>n. Denn es ist <strong>de</strong>nkbar, dass das Urteil in <strong>de</strong>r nächsten Instanz aufgehoben<br />
o<strong>de</strong>r abgeän<strong>de</strong>rt wird. Dafür sieht § 717 Abs. 2 ZPO vor, dass <strong>de</strong>r Vollstreckungsgläubiger,<br />
also <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel bereits die<br />
Zwangsvollstreckung betreibt, <strong>de</strong>m Vollstreckungsschuldner zum Ersatz <strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>ns<br />
verpflichtet ist, <strong>de</strong>r durch die vorläufige Vollstreckung <strong>de</strong>s Urteils entstan<strong>de</strong>n ist.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re hat er das aus <strong>de</strong>r Vollstreckung Erlangte zurückzugewähren, wenn<br />
<strong>de</strong>r Vollstreckungstitel nachträglich entfällt. Diese Scha<strong>de</strong>nsersatzpflicht aber nützt<br />
<strong>de</strong>m Vollstreckungsschuldner nur dann etwas, wenn gewährleistet ist, dass sie vom<br />
Gläubiger noch erfüllt wer<strong>de</strong>n kann. Deshalb sieht das Gesetz vor, dass <strong>de</strong>rjenige,<br />
welcher vorläufig vollstrecken will, <strong>de</strong>m Gegner unter bestimmten Voraussetzungen<br />
eine Sicherheit zu leisten hat, die <strong>de</strong>mjenigen, gegen <strong>de</strong>n vollstreckt wird, Gewähr<br />
bietet, bei Abän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Urteils wie<strong>de</strong>r an sein Geld zu kommen<br />
Die Sicherheitsleistung besteht dabei im Allgemeinen in <strong>de</strong>r Hinterlegung von Geld<br />
o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Beibringung einer Bankbürgschaft (§ 108 ZPO). Für <strong>de</strong>n Vollstreckungsausspruch<br />
gibt es zwei Grundfälle: § 708 ZPO und § 709 ZPO, die stets nur alternativ<br />
Anwendung fin<strong>de</strong>n können. Immer zuerst zu prüfen ist, ob <strong>de</strong>r Fall unter § 708 ZPO<br />
fällt. § 709 ZPO setzt nämlich voraus, dass keiner <strong>de</strong>r Fälle <strong>de</strong>s § 708 ZPO vorliegt!<br />
(„An<strong>de</strong>re Urteile“ i.S.d. § 709 ZPO = an<strong>de</strong>re als in § 708 ZPO genannte Urteile.)<br />
In allen Fällen <strong>de</strong>s § 708 ZPO lautet <strong>de</strong>r Tenor:<br />
„<strong>Das</strong> Urteil ist vorläufig vollstreckbar.“<br />
In <strong>de</strong>n Fällen § 708 Nr. 4–11 kommt noch ein Ausspruch über die Vollstreckungsabwendung<br />
gem. § 711 ZPO hinzu. Der Tenor lautet dann also zusätzlich<br />
Der Kläger/Beklagte (Vollstreckungsschuldner) kann die Vollstreckung<br />
durch Sicherheitsleistung in Höhe von ... abwen<strong>de</strong>n,<br />
wenn nicht <strong>de</strong>r Beklagte/Kläger (Vollstreckungsgläubiger)<br />
vor <strong>de</strong>r Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.“<br />
Der praktisch wichtigste und häufigste Fall ist § 708 Nr. 11 ZPO. Der Grundgedanke<br />
von diesem lautet: Bei verhältnismäßig geringen Summen, die zu vollstrecken sind,<br />
bedarf es eines geringeren Schutzes <strong>de</strong>s Schuldners. Hier soll also zugunsten <strong>de</strong>s<br />
Gläubigers (also <strong>de</strong>sjenigen <strong>de</strong>r die Vollstreckung betreibt) unter bestimmten Voraussetzungen<br />
eine Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung möglich sein.<br />
§ 708 Nr. 11 ZPO regelt dabei zwei Fallgruppen:<br />
• Verurteilung <strong>de</strong>s Beklagten in <strong>de</strong>r Hauptsache <strong>bis</strong> 1.250,- . „Hauptsache“ heißt<br />
hier ohne Zinsen und sonstige Nebenfor<strong>de</strong>rungen.
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• Nur die Kostenentscheidung ist vollstreckbar, <strong>de</strong>r darauf gegrün<strong>de</strong>te Kostenerstattungsanspruch<br />
überschreitet 1.500,- nicht.<br />
In diesen Fällen also ist die vorläufige Vollstreckbarkeit auszusprechen, ohne dass<br />
zusätzlich eine Sicherheitsleistung durch <strong>de</strong>n Gläubiger vor Vollstreckung anzuordnen<br />
ist, aber § 708 Nr. 11 ist immer im Zusammenhang mit § 711 ZPO zu lesen! In<br />
<strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 708 Nr. 4-11 ZPO muss das Gericht nämlich gem. § 711 S. 1 ZPO<br />
zugunsten <strong>de</strong>s Vollstreckungsgläubigers eine Abwendungsbefugnis aussprechen.<br />
<strong>Das</strong> be<strong>de</strong>utet die Möglichkeit für <strong>de</strong>n Schuldner bei Furcht sein Geld vom Gläubiger<br />
nicht wie<strong>de</strong>rzubekommen die Vollstreckung dadurch abzuwen<strong>de</strong>n, dass er einen bestimmten<br />
Betrag als Sicherheit für <strong>de</strong>n Gläubiger bei öffentlicher Stelle hinterlegt. Die<br />
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit lautet daher bei § 708 Nr. 11, 711<br />
grundsätzlich:<br />
„<strong>Das</strong> Urteil ist vorläufig vollstreckbar.<br />
Der Kläger/Beklagte (Vollstreckungsschuldner) kann die Vollstreckung<br />
durch Sicherheitsleistung i.H.v. ... abwen<strong>de</strong>n, wenn<br />
nicht <strong>de</strong>r Beklagte/Kläger (Vollstreckungsgläubiger) vor <strong>de</strong>r<br />
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.“<br />
Von <strong>de</strong>r Abwendungsbefugnis <strong>de</strong>s § 711 nun gibt es wie<strong>de</strong>rum eine wichtige immer<br />
im Zusammenhang mit § 711 zu lesen<strong>de</strong> Ausnahme, nämlich § 713 ZPO. Ist das Urteil<br />
für bei<strong>de</strong> Parteien nicht rechtsmittelfähig (§ 511 a ZPO: 600,- sowie keine Zulassung<br />
<strong>de</strong>r Berufung durch das erstinstanzliche Gericht), lautet <strong>de</strong>r Vollstreckungsausspruch<br />
nur:<br />
„<strong>Das</strong> Urteil ist vorläufig vollstreckbar.“<br />
<strong>Das</strong> noch nicht rechtskräftige Urteil wird nämlich in diesem Fall aller Voraussicht<br />
nach rechtskräftig wer<strong>de</strong>n, so dass es keines Schutzes <strong>de</strong>s Schuldners bedarf!<br />
Die Höhe <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung (die im Tenor grundsätzlich zu benennen ist, zumin<strong>de</strong>st<br />
aber bestimmbar bezeichnet sein muss) bemisst sich nach <strong>de</strong>m Wert <strong>de</strong>r<br />
vollstreckbaren Haupt- und Nebenansprüche (z.B. Zinsen, Mahnkosten) zzgl. <strong>de</strong>r<br />
erstattungsfähigen Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits (das sind die von <strong>de</strong>m Vollstreckungsgläubiger<br />
verauslagten Prozesskosten). Der Sinn hiervon liegt darin, dass Sicherheitsleistung<br />
eben das ist, was <strong>de</strong>r Gläubiger aufgrund <strong>de</strong>s Urteils alles an Zahlung<br />
von <strong>de</strong>m Schuldner erwarten kann. Um <strong>de</strong>ssen Insolvenzrisiko nicht zu tragen, soll<br />
die geleistete Sicherheit diesen Betrag umfassen, damit <strong>de</strong>r Gläubiger sich nach<br />
Rechtskraft aus <strong>de</strong>r Sicherheit befriedigen kann. Obsiegt z. B. <strong>de</strong>r Kläger mit einer<br />
Leistungsklage, so setzt sich die Höhe <strong>de</strong>r Sicherheit konkret folgen<strong>de</strong>rmaßen zusammen:<br />
- Hauptfor<strong>de</strong>rung<br />
- Nebenfor<strong>de</strong>rungen, insbeson<strong>de</strong>re Zinsen <strong>bis</strong> zum mutmaßlichen Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />
vorläufigen Vollstreckung (3-6 Monate nach Verkündung <strong>de</strong>s Urteils)<br />
- vom Kläger verauslagte Kosten, nämlich<br />
- Gebühren für das gerichtliche Verfahren)<br />
- Auslagenvorschüsse für Zeugen, Sachverständige (ergeben sich aus Akte)<br />
- Kosten <strong>de</strong>s Anwalts <strong>de</strong>s Klägers
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Bei einem klageabweisen<strong>de</strong>n Urteil bestimmt sich die Höhe <strong>de</strong>r Sicherheit danach,<br />
was <strong>de</strong>r Beklagte für Kosten verauslagt hat, was er also voraussichtlich <strong>de</strong>m Kläger<br />
gegenüber vollstrecken kann:<br />
- Auslagenvorschüsse für Zeugen, Sachverständige<br />
- Kosten seines Anwalts<br />
Zu beachten sind nun aber die Vereinfachungsvorschriften <strong>de</strong>r §§ 709 S. 2, 711 S. 2<br />
ZPO: Danach gilt § 709 S. 2 ZPO bei § 711 ZPO entsprechend,<br />
„für <strong>de</strong>n Schuldner jedoch mit <strong>de</strong>r Maßgabe, dass Sicherheit in<br />
einem bestimmten Verhältnis zur Höhe <strong>de</strong>s aufgrund <strong>de</strong>s Urteils<br />
vollstreckbaren Betrages zu leisten ist“<br />
„..mit <strong>de</strong>r Maßgabe..“ be<strong>de</strong>utet, dass <strong>de</strong>r Schuldner stets die volle Sicherheit zu leisten<br />
hat, <strong>de</strong>r Gläubiger hingegen nur in Höhe <strong>de</strong>r von ihm beabsichtigten Vollstreckung.<br />
Die Musterformulierung für die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 708 Nr. 11,<br />
711 S. 2 ZPO lautet daher:<br />
„Der Beklagte wird verurteilt, an <strong>de</strong>n Kläger … nebst Zinsen<br />
....zu zahlen.<br />
Die Kosten <strong>de</strong>s Rechtsstreits trägt <strong>de</strong>r Beklagte.<br />
<strong>Das</strong> Urteil ist vorläufig vollstreckbar.<br />
Der Beklagte (Schuldner, also <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r zahlen muss) kann die<br />
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % (o<strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>rer Prozentsatz > 100%) <strong>de</strong>s (insgesamt <strong>einschließlich</strong><br />
Kosten vom Rechtspfleger zu errechnen<strong>de</strong>n) vollstreckbaren<br />
Betrages abwen<strong>de</strong>n, falls nicht <strong>de</strong>r Kläger vor <strong>de</strong>r Vollstreckung<br />
Sicherheit in Höhe von 110 % <strong>de</strong>s (von ihm womöglich auch nur<br />
teilweise aufgrund <strong>de</strong>s Urteils) jeweils zu vollstrecken<strong>de</strong>n Betrages<br />
leistet.“<br />
„An<strong>de</strong>re Urteile“, also alle Urteile, die nicht unter § 708 ZPO fallen, sind nur gegen<br />
Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Der Tenor lautet dann:<br />
„<strong>Das</strong> Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für <strong>de</strong>n (Gläubiger) gegen<br />
Sicherheitsleistung in Höhe von ... .“<br />
Nach § 709 S. 2 ZPO braucht das Gericht die Höhe einer Sicherheitsleistung nicht<br />
mehr in Euro zu errechnen, son<strong>de</strong>rn darf sich – bei Geldfor<strong>de</strong>rungen (allerdings auch<br />
nur bei diesen!) - damit begnügen, ein „bestimmtes Verhältnis zur Höhe <strong>de</strong>s jeweils<br />
zu vollstrecken<strong>de</strong>n Betrages“ anzugeben; Musterformulierung:<br />
„<strong>Das</strong> Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für <strong>de</strong>n (Kläger) gegen Sicherheitsleistung<br />
in Höhe von 110 % (o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer Prozentsatz<br />
> 100%) <strong>de</strong>s jeweils zu vollstrecken<strong>de</strong>n Betrages.“<br />
Durch die Formulierung („...jeweils..“) wird <strong>de</strong>m Gläubiger auch eine <strong>Teil</strong>vollstreckung<br />
ermöglicht: Nur bezogen auf <strong>de</strong>n tatsächlich zu vollstrecken<strong>de</strong>n <strong>Teil</strong>betrag ist die Sicherheit<br />
(100% + x) durch <strong>de</strong>n Gläubiger zu leisten. Bei an<strong>de</strong>ren Hauptfor<strong>de</strong>rungen<br />
als Geldfor<strong>de</strong>rungen (z.B. Herausgabeanspruch) gilt alleine § 709 S. 1 ZPO; da aber<br />
eine Kostenentscheidung auch dort vorhan<strong>de</strong>n ist, kann § 709 S. 1 mit § 709 S. 2<br />
ZPO ggf. auch kombiniert wer<strong>de</strong>n;
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Bsp.:<br />
„<strong>Das</strong> Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich <strong>de</strong>s Anspruchs<br />
auf Herausgabe <strong>de</strong>s .... jedoch nur gegen Sicherheitsleistung<br />
in Höhe von ...., hinsichtlich <strong>de</strong>r Kostenentscheidung gegen<br />
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % <strong>de</strong>s jeweils zu vollstrecken<strong>de</strong>n<br />
Betrages.“<br />
Sind mehrere Vollstreckungsgläubiger vorhan<strong>de</strong>n (z.B. <strong>de</strong>r Klage wird z.T. stattgegeben,<br />
z.T. wird sie abgewiesen), ist für je<strong>de</strong>n getrennt zu prüfen, ob eine Vollstreckung<br />
mit (§ 709 ZPO) o<strong>de</strong>r ohne Sicherheitsleistung (§ 708 ZPO, ggf. mit Abwendungsbefugnis,<br />
§ 711 ZPO) auszusprechen ist und dieses dann auch zu tenorieren.<br />
Der Tatbestand <strong>de</strong>s Urteils<br />
An <strong>de</strong>n Tenor schließt sich (in <strong>de</strong>r Regel, Ausnahme § 313a) <strong>de</strong>r Tatbestand an. Gesetzlich<br />
ist <strong>de</strong>r Inhalt in § 313 ZPO grob bestimmt. Enthalten sein sollen je<strong>de</strong>nfalls<br />
folgen<strong>de</strong> Informationen:<br />
- Was wollen die Parteien (Anträge)?<br />
- Welche Tatsachen behaupten sie (Angriffs- und Verteidigungsmittel)?<br />
- Über welche Tatsachen sind sie sich einig (Sachstand)?<br />
- Welche Tatsachen sind noch streitig (Streitstand)?<br />
- Welche angebotenen Beweise wur<strong>de</strong>n erhoben?<br />
- Welche Beweisangebote zu streitigen Behauptungen sind noch nicht erledigt?<br />
Die Darstellung erfolgt aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r Parteien. An<strong>de</strong>rs als im Strafurteil ist also<br />
nicht zu schil<strong>de</strong>rn, wie sich <strong>de</strong>r Sachverhalt nach <strong>de</strong>r Überzeugung <strong>de</strong>s Gerichts zugetragen<br />
hat, son<strong>de</strong>rn wie ihn die Parteien vortragen. Rechtliche Bewertungen <strong>de</strong>s<br />
Gerichts gehören nicht in <strong>de</strong>n Tatbestand! <strong>Das</strong> ist nicht immer ganz einfach und zum<br />
<strong>Teil</strong> praktisch auch kaum einhaltbar, da Begriffe <strong>de</strong>s täglichen Lebens rechtliche<br />
Subsumtion beinhalten, z.B. „Der Kläger wohnte bei <strong>de</strong>m Beklagten zur Miete“. Aber<br />
gleichwohl: Juristisch besetzte Begriffe sollten soweit wie möglich vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Hintergrund hiervon ist <strong>de</strong>r Gedanke, dass Rechtsbegriffe nicht zur Disposition <strong>de</strong>r<br />
Parteien stehen: Auch <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>rseitig als Mietvertrag bezeichnete Pachtvertrag ist in<br />
<strong>de</strong>n E-Grün<strong>de</strong>n als Pachtvertrag zu behan<strong>de</strong>ln. Ein erlaubter Kunstgriff <strong>de</strong>r Formulierung<br />
ist dann etwa: Mit von <strong>de</strong>n Parteien als Mietvertrag bezeichneter Vereinbarung<br />
vom verpflichtete sich …<br />
Der Zweck <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s liegt darin, einem mit <strong>de</strong>r Akte nicht vertrauten Leser in<br />
objektiver und knapper Form mitzuteilen, worüber die Parteien eigentlich streiten,<br />
was also <strong>de</strong>r wesentliche Inhalt <strong>de</strong>s Rechtsstreits ist. „Wesentlich“ ist dabei, was die<br />
Parteien für wesentlich halten, nicht aber unbedingt was das Gericht in seinen Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n<br />
für wesentlich hält. Auch wenn er <strong>de</strong>r materiellen Entscheidung<br />
<strong>de</strong>s erkennen<strong>de</strong>n Gerichts nicht folgt, soll <strong>de</strong>r Leser in die Lage versetzt wer<strong>de</strong>n, allein<br />
anhand <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>n Fall rechtlich beurteilen zu können.<br />
Entschei<strong>de</strong>t das erkennen<strong>de</strong> Gericht beispielsweise, dass ein Scha<strong>de</strong>nsersatzanspruch<br />
aus § 823 Abs. 1 BGB mangels Verschul<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>s Beklagten schon <strong>de</strong>m<br />
Grun<strong>de</strong> nach nicht besteht, wird es im Tatbestand gleichwohl <strong>de</strong>n Tatsachenvortrag<br />
<strong>de</strong>s Klägers zu Art und Höhe <strong>de</strong>s erlittenen Scha<strong>de</strong>ns wie<strong>de</strong>rzugeben haben.
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Im Tatbestand müssen sich also zum einen all die tatsächlichen Informationen wie<strong>de</strong>r<br />
fin<strong>de</strong>n, auf die in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r rechtlichen Würdigung Bezug<br />
genommen wird. Zum an<strong>de</strong>ren müssen aber auch all die Tatsachen erwähnt<br />
wer<strong>de</strong>n, auf die es aus Sicht <strong>de</strong>s entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Gerichts nicht ankommt, die in <strong>de</strong>n<br />
Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n also womöglich gar nicht erörtert wer<strong>de</strong>n, die aber für das<br />
Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel <strong>de</strong>r Partei aus <strong>de</strong>ren Sicht wesentlich sind. Freilich<br />
wird das Gericht hier beson<strong>de</strong>rs von <strong>de</strong>r Möglichkeit <strong>de</strong>r konkreten Bezugnahme<br />
Gebrauch machen können und <strong>de</strong>n (aus seiner Sicht irrelevanten) Tatsachenvortrag<br />
<strong>de</strong>r vortragen<strong>de</strong>n Partei recht grob umreißen können.<br />
Überhaupt soll wegen <strong>de</strong>r näheren Einzelheiten <strong>de</strong>s Sach- und Streitstan<strong>de</strong>s aus<br />
Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r gebotenen Kürze auf <strong>de</strong>n Akteninhalt Bezug genommen wer<strong>de</strong>n, d.h.<br />
es soll auf Schriftsätze, Protokolle und an<strong>de</strong>re Unterlagen verwiesen wer<strong>de</strong>n (§ 313<br />
Abs. 2 S. 2 ZPO). Allerdings gilt auch: Der Tatbestand muss aus sich heraus verständlich<br />
bleiben. Kommt es daher z.B. auf einen bestimmten Passus eines Vertrages<br />
entschei<strong>de</strong>nd an, sollte dieser wörtlich zitiert wer<strong>de</strong>n;<br />
Formulierungsbeispiel für konkrete Bezugnahme:<br />
Der Kläger behauptet, ihm sei aus <strong>de</strong>m Unfall ein Scha<strong>de</strong>n in<br />
Höhe <strong>de</strong>r Klagfor<strong>de</strong>rung entstan<strong>de</strong>n. Wegen <strong>de</strong>r Einzelheiten<br />
<strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsberechnung wird auf die <strong>Seite</strong>n 5 <strong>bis</strong> 7 <strong>de</strong>r Klagschrift<br />
verwiesen.<br />
In § 14 <strong>de</strong>s Mietvertrages ist die Durchführung von Schönheitsreparaturen<br />
durch die Beklagte geregelt. Wegen <strong>de</strong>r Einzelheiten<br />
<strong>de</strong>r Regelung wird auf § 14 <strong>de</strong>s Mietvertrages, Bl. 8 d.A.,<br />
Bezug genommen.<br />
Bezugnahmen sind auch zulässig, wenn es um das Ergebnis einer Beweisaufnahme<br />
geht, die Formulierung kann dann etwa lauten:<br />
<strong>Das</strong> Gericht hat Beweis erhoben über <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r Schlägerei<br />
am 03.12.1999 durch Vernehmung <strong>de</strong>s Zeugen Ernst August<br />
von Hameln. Wegen <strong>de</strong>s Ergebnisses <strong>de</strong>r Beweisaufnahme<br />
wird auf das Sitzungsprotokoll vom 05.04.2000, Bl. 38 ff.<br />
d.A., Bezug genommen.<br />
in <strong>de</strong>r Praxis ist darüber hinaus sehr umstritten, ob auch generelle Bezugnahmen<br />
zulässig und wünschenswert sind. So wer<strong>de</strong>n viele Urteilstatbestän<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Satz<br />
abgeschlossen: „Wegen <strong>de</strong>r weiteren Einzelheiten <strong>de</strong>s Sach- und Streitstan<strong>de</strong>s wird<br />
auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen“. Tatsächlich aber dürfte<br />
dieser Satz keine praktische Be<strong>de</strong>utung haben, kann daher auch weggelassen wer<strong>de</strong>n.<br />
Denn ein unrichtiger weil zu kurzer Tatbestand wird nicht dadurch gerettet wer<strong>de</strong>n<br />
können, dass ja auf alles Bezug genommen wor<strong>de</strong>n ist. In <strong>de</strong>r Klausur lauten<br />
die Anweisungen an <strong>de</strong>n Prüfer im Übrigen sogar, dass pauschale Bezugnahmen<br />
unzulässig sind!<br />
Im Tatbestand ganz weggelassen wer<strong>de</strong>n können im Übrigen Tatsachen, auf die es<br />
unter keinem <strong>de</strong>nkbaren rechtlichen Gesichtspunkt ankommen kann und die von <strong>de</strong>n<br />
Parteien selber bei einer gedachten Schlussdarstellung auch nicht mehr erwähnt<br />
wür<strong>de</strong>n.<br />
Oberstes Gebot bei <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>s Sachverhalts bleibt bei allem das <strong>de</strong>r Verständlichkeit.<br />
Ergibt sich bei kritischer Prüfung, dass <strong>de</strong>r Standardaufbau für eine
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verständliche Darstellung <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Falls nicht taugt, so sollte man davon<br />
abweichen! In <strong>de</strong>r Praxis hat sich – unter Beachtung dieser Vorbemerkung - für <strong>de</strong>n<br />
Tatbestand folgen<strong>de</strong>r Standardaufbau bewährt:<br />
Einleitungssatz<br />
Kurzer aber nicht all zu pauschaler Überblick für Leser, worum es im Prozess geht,<br />
etwa:<br />
„Der Kläger verlangt als Erbe <strong>de</strong>s im Juli 1998 verstorbenen<br />
Hans Meyer von <strong>de</strong>m Beklagten die Herausgabe eines angeblich<br />
zum Nachlass gehören<strong>de</strong>n Grundstücks.“<br />
„Der Kläger begehrt Anspruch auf Maklerprovision wegen <strong>de</strong>s<br />
Nachweises eines Grundstücks“<br />
„Der Kläger for<strong>de</strong>rt die Herausgabe seines an <strong>de</strong>n Beklagten<br />
verliehenen Fernsehers.“<br />
„Die Parteien streiten um ...“<br />
Unstreitiger Sachverhalt<br />
Unstreitiges ist übereinstimmend Vorgetragenes, die Behauptungen, die <strong>de</strong>r Gegner<br />
ausdrücklich zugesteht, § 288 Abs. 1 ZPO, tatsächliche Behauptungen, die nach<br />
§ 138 Abs. 3 ZPO als zugestan<strong>de</strong>n gelten, weil <strong>de</strong>r Gegner sie we<strong>de</strong>r ausdrücklich<br />
bestreitet noch sich ein Bestreiten aus <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n ergibt. Unstreitig ist in <strong>de</strong>r<br />
Regel nicht das Ergebnis <strong>de</strong>r Beweisaufnahme<br />
Die Zeitform im unstreitigen <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s ist Indikativ; Imperfekt und für gegenwärtige<br />
Zustän<strong>de</strong> Präsens, bei „Rückblen<strong>de</strong>n“ Plusquamperfekt.<br />
Die Schil<strong>de</strong>rung sollte in konzentrierter, aber <strong>de</strong>nnoch möglichst plastischer Form<br />
erfolgen. Der Aufbau kann historisch (chronologisch) o<strong>de</strong>r in bestimmter an<strong>de</strong>rer logischer<br />
Reihenfolge gewählt wer<strong>de</strong>n, je nach<strong>de</strong>m, wie es für <strong>de</strong>n Leser verständlicher<br />
ist. Aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Verständlichkeit kann es auch zweckmäßig sein, eine unstreitige<br />
Tatsache erst im Rahmen <strong>de</strong>s streitigen Vortrags zu erwähnen. Wür<strong>de</strong> man<br />
sie nämlich bereits im unstreitigen <strong>Teil</strong> bringen, wäre sie womöglich aus <strong>de</strong>m Zusammenhang<br />
gerissen und damit unverständlich. Entschei<strong>de</strong>t man sich für diesen<br />
Weg, muss man sie im streitigen <strong>Teil</strong> aber als unstreitig kennzeichnen<br />
Bsp.:<br />
Die Beklagte ist <strong>de</strong>r Ansicht, sie sei berechtigt gewesen, die Schenkung<br />
wegen groben Undanks zu wi<strong>de</strong>rrufen, weil die Klägerin sie – was zwischen<br />
<strong>de</strong>n Parteien unstreitig ist – am ... u.a. mit <strong>de</strong>n Worten ... beschimpft<br />
habe.<br />
Manchmal ist es gut für die Verständlichkeit, wenn bereits im unstreitigen Sachverhalt<br />
ange<strong>de</strong>utet wird, dass eine bestimmte Tatsache zwischen <strong>de</strong>n Parteien streitig<br />
ist<br />
Bsp.:<br />
Die Beklagte ist Eigentümerin eines Gebäu<strong>de</strong>s, in <strong>de</strong>m sich das Ortsamt<br />
befin<strong>de</strong>t. Die Klägerin brach sich ein Bein. Ob sich <strong>de</strong>r Unfall im<br />
Ortsamt ereignete und wie es dazu kam, ist zwischen <strong>de</strong>n Parteien<br />
streitig. Infolge ihrer Verletzung entstan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Klägerin Aufwendungen<br />
in Höhe <strong>de</strong>r Klagfor<strong>de</strong>rung.<br />
Im streitigen <strong>Teil</strong> folgt dann die genaue Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Unfallhergangs aus Sicht<br />
<strong>de</strong>r jeweiligen Partei
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Streitiger Klägervortrag<br />
Die Zeitform ist nun (ausschließlich) Konjunktiv, Perfekt und für gegenwärtige Zustän<strong>de</strong><br />
Präsens. Der Beginn <strong>de</strong>s streitigen Klägervortrags erfolgt stets durch ein<strong>de</strong>utige<br />
Absetzung zum Unstreitigen durch folgen<strong>de</strong>n Einleitungssatz:<br />
„Der Kläger behauptet, ...“, nämlich dann wenn es eine streitige Tatsachenbehauptung<br />
ist und<br />
„Der Kläger ist <strong>de</strong>r Ansicht/meint ...“, wenn es um eine streitige Rechtsansicht geht<br />
Die Unterscheidung ist nicht nur von formeller Be<strong>de</strong>utung. Während das Gericht bei<br />
unterschiedlichem Tatsachenvortrag gegebenenfalls Beweis erheben muss ist es an<br />
die Rechtsansichten <strong>de</strong>r Parteien in keiner Weise gebun<strong>de</strong>n und entschei<strong>de</strong>t selbst<br />
Tatsachenbehauptungen also wer<strong>de</strong>n stets eingeleitet mit: „Der Kläger behauptet ...“<br />
bei Rechtsansichten wird formuliert: „Der Kläger meint...; ist <strong>de</strong>r Auffassung...; vertritt<br />
die Ansicht...“.<br />
Den blassen Ausdruck "trägt vor", <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>s be<strong>de</strong>uten kann, sollte man aus Grün<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Selbstkontrolle nicht verwen<strong>de</strong>n . Er wird von <strong>de</strong>n Prüfern auch häufig als zu<br />
unscharf kritisiert. Allerdings sollte auch nicht je<strong>de</strong>r Satz im streitigen <strong>Teil</strong> mit „<strong>de</strong>r<br />
Kläger behauptet“ o<strong>de</strong>r „<strong>de</strong>r Kläger ist <strong>de</strong>r Ansicht“ begonnen wer<strong>de</strong>n; wenn möglich,<br />
sollten erst alle streitigen Tatsachen unter <strong>de</strong>m einen Obersatz „<strong>de</strong>r Kläger behauptet“<br />
schil<strong>de</strong>rn und dann die Rechtsansichten unter <strong>de</strong>m einen Obersatz „<strong>de</strong>r Kläger<br />
meint“ bringen.<br />
Rechtsansichten sind zurückhaltend zu erwähnen und wenn, dann nur kurz, nämlich<br />
dann, wenn eigentlicher Streit <strong>de</strong>r Parteien (auch) über eine Rechtsfrage geht. Außer<strong>de</strong>m<br />
gilt im Zweifel, die Rechtsansicht nur bei <strong>de</strong>m zu bringen, <strong>de</strong>r mit seiner Ansicht<br />
nicht durchdringt. Er soll nämlich wenigstens im Tatbestand lesen können, dass<br />
das Gericht seine Argumentation durchaus zur Kenntnis genommen hat. Die Partei,<br />
die gewinnt, erfährt das ja bereits daraus, dass in <strong>de</strong>n Urteilsgrün<strong>de</strong>n sich die eigene<br />
Argumentation sich als tragen<strong>de</strong>r Grund wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>t.<br />
Der Parteivortrag sollte im Übrigen strukturiert wer<strong>de</strong>n, sachlich Zusammengehöriges<br />
sollte im Zusammenhang gebracht wer<strong>de</strong>n, das streitige Vorbringen <strong>de</strong>r jeweiligen<br />
Partei sollte auch möglichst „in einem Rutsch“ geschil<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />
Und noch was wichtiges: Wenn Kläger und Beklagter einen bestimmten Vorgang unterschiedlich<br />
darstellen (substantiiertes o<strong>de</strong>r qualifiziertes Bestreiten), sind bei<strong>de</strong><br />
Versionen im Rahmen <strong>de</strong>s jeweiligen streitigen Parteivorbringens zu schil<strong>de</strong>rn. Wenn<br />
eine Tatsache hingegen nur einfach bestritten wird („stimmt nicht“, „weiß ich nicht,<br />
bestreite ich daher mit Nichtwissen“) sollte <strong>de</strong>r streitige Vortrag nur bei <strong>de</strong>r positiv<br />
behaupten<strong>de</strong>n Partei im Konjunktiv gebracht wer<strong>de</strong>n, nicht auch noch bei <strong>de</strong>r bestreiten<strong>de</strong>n<br />
Partei! Durch die Erwähnung <strong>de</strong>r Tatsache im streitigen <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s<br />
<strong>de</strong>s Behaupten<strong>de</strong>n wird bereits hinreichend <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>r Gegner sie bestritten<br />
hat.<br />
Prozessgeschichte 1<br />
Prozessgeschichte umschreibt <strong>de</strong>n Tatsachenvortrag, <strong>de</strong>r sich auf die Geschichte<br />
<strong>de</strong>s anhängigen Prozesses und die dortigen formellen Handlungen bezieht. Es sind<br />
hier also die Daten zum Ablauf <strong>de</strong>s Prozesses: z.B. Zeitpunkt <strong>de</strong>r Klagzustellung,<br />
Inhalt eines ehemals angekündigten Antrags, im Prozess bereits ergangene Entscheidungen<br />
zu benennen, die für die Entscheidungsgrün<strong>de</strong> be<strong>de</strong>utsam sind.
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Also: Prozessgeschichte wird nur dann in <strong>de</strong>n Tatbestand aufgenommen, wenn sie<br />
für die Begründung <strong>de</strong>r Entscheidung – und sei es auch nur für die Kostenentscheidung<br />
– Relevanz hat.<br />
Die Zeitform <strong>de</strong>r Prozessgeschichte ist stets Perfekt Indikativ – diese Zeitform ist <strong>de</strong>r<br />
Prozessgeschichte ausschließlich vorbehalten! Die Prozessgeschichte hat keinen<br />
festen Platz im Tatbestand / Sachbericht. Grundsätzlich gehört sie an das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Tatbestan<strong>de</strong>s (z.B. erfolgte Beweisaufnahmen in <strong>de</strong>r Regel zum Schluss erwähnen).<br />
Doch gilt bei ihr ganz beson<strong>de</strong>rs das Gebot <strong>de</strong>r Verständlichkeit: Eine fast schon zur<br />
Regel gewor<strong>de</strong>ne Ausnahme ist die Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Prozessgeschichte vor <strong>de</strong>n Anträgen,<br />
wenn diese ansonsten nämlich nicht verständlich wären. Si ist beispielsweise<br />
bei vorausgegangenem Versäumnisurteil unmittelbar vor <strong>de</strong>n Anträgen folgen<strong>de</strong>s<br />
darzustellen: “Mit Versäumnisurteil vom ... ist <strong>de</strong>r Beklagte verurteilt wor<strong>de</strong>n, an <strong>de</strong>n<br />
Kläger ... Gegen dieses ihm am ... zugestellte VU hat <strong>de</strong>r Beklagte mit Schriftsatz<br />
vom ..., eingegangen bei Gericht am ..., Einspruch eingelegt.“<br />
Anträge <strong>de</strong>r Parteien<br />
Zeitform: Präsens. Wichtig: Maßgeblich sind nur die in <strong>de</strong>r letzten mündlichen Verhandlung<br />
gestellten aktuellen Anträge. Nur diese sind eingerückt darzustellen. Überholte<br />
Anträge können zwar Be<strong>de</strong>utung für die Kostenentscheidung haben und sind<br />
dann im Tatbestand auch zu benennen, sie stellen dann aber Prozessgeschichte<br />
dar.<br />
Die aktuellen Anträge sind in aller Regel wörtliche wie<strong>de</strong>rzugeben. Eine etwaig erfor<strong>de</strong>rliche<br />
Auslegung unklarer Anträge gehört in die Entscheidungsgrün<strong>de</strong>, nicht in <strong>de</strong>n<br />
Tatbestand. Nur die folgen<strong>de</strong>n Korrekturen dürfen bereits im Tatbestand und zwar<br />
ohne Kommentar vorgenommen wer<strong>de</strong>n:<br />
- Einfügung <strong>de</strong>s entsprechen<strong>de</strong>n Datums, wenn x % Zinsen ab Rechtshängigkeit<br />
verlangt wer<strong>de</strong>n<br />
- Berichtigung offensichtlicher sprachlicher Fehler<br />
- wenn Kläger bei vorausgegangenem Mahnverfahren in <strong>de</strong>r Anspruchsbegründung<br />
<strong>de</strong>n „Antrag aus <strong>de</strong>m Mahnbescheid“ stellt, muss <strong>de</strong>r Antrag im Tatbestand<br />
anhand <strong>de</strong>r Daten aus <strong>de</strong>m Mahnbescheid formuliert wer<strong>de</strong>n<br />
überflüssige Anträge sind – ebenfalls ohne weitere Erläuterung – wegzulassen. insbeson<strong>de</strong>re<br />
Kostenanträge und Anträge zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gemäß §§<br />
708, 709 und 711 Satz 1 ZPO (aber nicht zu §§ 710, 711 Satz 3, 712, 714 ZPO!) sind<br />
unnötig, weil diese Entscheidungen kraft Gesetzes auch ohne Antrag zu treffen sind.<br />
Formell sind die jeweiligen Anträge hervorzuheben, § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO. Dies geschieht<br />
üblicherweise dadurch, dass sie von <strong>de</strong>m vorangehen<strong>de</strong>n Text abgesetzt und<br />
eingerückt wer<strong>de</strong>n:<br />
Der Kläger beantragt,<br />
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.000,- nebst 5 % Zinsen über <strong>de</strong>m Basiszinssatz<br />
seit <strong>de</strong>m 26. Oktober 2001 zu zahlen.<br />
Die Beklagte beantragt,<br />
die Klage abzuweisen.<br />
Streitiger Beklagtenvortrag<br />
Entspricht <strong>de</strong>m streitigem Klägervortrag mit dortigen Grundsätzen
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Prozessgeschichte 2<br />
Entspricht <strong>de</strong>n obigen Grundsätzen zur Prozessgeschichte 1. Wenn aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Verständlichkeit die Prozessgeschichte nicht dort darzustellen ist, dann muss dieses<br />
nun hier erfolgen.<br />
Nochmals sei auch in diesem Zusammenhang wie<strong>de</strong>rholt: Der Tatbestand ist ein<br />
neutraler Bericht über <strong>de</strong>n Sach- und Streitstand. Er darf keine (rechtlichen o<strong>de</strong>r<br />
sonstigen) Wertungen enthalten. Diese sind erst in <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n vorzunehmen.<br />
<strong>Das</strong> gilt auch und insbeson<strong>de</strong>re für die Prozessgeschichte, namentlich ob<br />
Fristen gewahrt sind o<strong>de</strong>r wie zweifelhafte Prozesserklärungen auszulegen sind.<br />
Auch „schiefe" Anträge sind also – soweit es sich nicht nur um offensichtliche sprachliche<br />
Fehler han<strong>de</strong>lt – wörtlich in <strong>de</strong>n Tatbestand zu übernehmen und erst in <strong>de</strong>n<br />
Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n zu korrigieren.<br />
Entscheidungsgrün<strong>de</strong><br />
Diese sind geprägt durch <strong>de</strong>n Urteilsstil. Der Sinn von diesem besteht darin, die Parteien<br />
durch die Entscheidungsgrün<strong>de</strong> zu überzeugen. Der Urteilsstil ist <strong>de</strong>r Stil <strong>de</strong>r<br />
(gedachten) "Denn"- o<strong>de</strong>r "Weil"-Sätze: Zuerst wird das Ergebnis genannt, dann folgt<br />
die Begründung. Je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r nachfolgen<strong>de</strong>n Sätze muss also mit einem "Denn", "Weil"<br />
o<strong>de</strong>r "Da" beginnen können und die Begründung für die vorangehen<strong>de</strong>n Sätze enthalten.<br />
Wichtig ist dabei insbeson<strong>de</strong>re folgen<strong>de</strong>s:<br />
Wie im Gutachten müssen notwendig Obersätze gebil<strong>de</strong>t und sodann das dort genannte<br />
Ergebnis abgearbeitet wer<strong>de</strong>n. Wie im Gutachten beginnt man daher auch<br />
mit <strong>de</strong>r AGL, nur eben nicht in Frage son<strong>de</strong>rn in Ergebnisform<br />
Bsp.: „Der Kläger hat Anspruch gegenüber <strong>de</strong>m Beklagten auf Zahlung von EUR<br />
100,00 aus Kaufvertrag, § 433 BGB. Zwischen <strong>de</strong>n Parteien ist ein Kaufvertrag<br />
zustan<strong>de</strong> gekommen. Der Kläger hat durch sein Schreiben vom 5.1.2003<br />
<strong>de</strong>m Beklagten angeboten 25 Flaschen Dornheimer zu einem Stückpreis von<br />
EUR 4,00 zu kaufen. Der Beklagte hat durch sein Schweigen hierauf das Angebot<br />
auch angenommen. Zwar ist Schweigen grundsätzlich keine Willenserklärung,<br />
§ 151 BGB. Doch gilt ausnahmsweise etwas an<strong>de</strong>res, wenn zwei<br />
Personen im geschäftlichen Verkehr ...“<br />
Durch Obersätze wird Leser strukturiert durch die Entscheidung geführt. Fast noch<br />
wichtiger als im ersten Examen ist die <strong>de</strong>m Leser vermittelte Struktur <strong>de</strong>r Begründung.<br />
Schlusssätze müssen vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, was nicht immer einfach ist. Je<strong>de</strong>s<br />
„also“, „daher“, „mithin“ ist falsch, <strong>de</strong>nn es be<strong>de</strong>utet Gutachtenstil.<br />
Die Grün<strong>de</strong> sollten <strong>de</strong>s weiteren zielstrebig formuliert wer<strong>de</strong>n. Zweifelssätze und<br />
Möglichkeitsformen sollten vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Worte wie „dürfte“ „sollte“ u.s.w. gehören<br />
nicht in ein gutes Urteil. Von <strong>de</strong>n Zweifeln, die im Rahmen <strong>de</strong>s Gutachtens und<br />
auch noch bei <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Entscheidung ihren wichtigen Platz haben, muss<br />
man sich bei <strong>de</strong>r Formulierung eines Urteils frei machen. Es nutzt hier nichts mehr zu<br />
zeigen, son<strong>de</strong>rn scha<strong>de</strong>t, dass man ein Problem gesehen hat, wenn man sich nicht<br />
zu einer Lösung durchringen kann. Auch Formulierungen wie "es ist allerdings fraglich,<br />
ob ..." haben im Urteil nichts zu suchen.<br />
Ebenso sind allerdings auch scheinbar bekräftigen<strong>de</strong> Wendungen wie "offenbar" und<br />
"zweifelsfrei" oft nur ein Indiz dafür, dass <strong>de</strong>r Verfasser doch noch Zweifel hatte, die<br />
er mit inhaltlichen Argumenten nicht überwin<strong>de</strong>n konnte. Also sollten auch solche<br />
Bekräftigungen weggelassen wer<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> Motto lautet: Möglichst schlicht und be-
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stimmt schreiben und mit Sachargumenten das gefun<strong>de</strong>ne Ergebnis begrün<strong>de</strong>n,<br />
insbes. sich mit <strong>de</strong>m Vortrag <strong>de</strong>r verlieren<strong>de</strong>n Partei auseinan<strong>de</strong>rsetzen, <strong>de</strong>nn die<br />
muss überzeugt wer<strong>de</strong>n. Der Gewinner wird im Zweifel auch ohne eingehen<strong>de</strong> Begründung<br />
von <strong>de</strong>r Richtigkeit <strong>de</strong>s Urteil überzeugt sein.<br />
In <strong>de</strong>n Entscheidungsgrün<strong>de</strong>n sind nur die tragen<strong>de</strong>n Erwägungen darzustellen.<br />
Alle Ausführungen, die nicht geeignet sind, die getroffene Entscheidung zu stützen,<br />
sind fehl am Platz. Solche überflüssigen Erwägungen verstecken sich häufig in Halbsätzen,<br />
die mit <strong>de</strong>m Wort "zwar" beginnen. Grdstl. (Ausnahme gleich) falsch ist daher<br />
z.B. die Formulierung:<br />
„Die zulässige Klage ist begrün<strong>de</strong>t. Zwar kann <strong>de</strong>r geltend gemachte<br />
Anspruch nicht auf § 823 BGB gestützt wer<strong>de</strong>n, weil insofern<br />
die Einre<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verjährung durchgreift. Unverjährt ist jedoch<br />
<strong>de</strong>r Anspruch aus § 280 BGB... ).“<br />
Schwerer Fehler wäre es z.B., wenn bei einer Scha<strong>de</strong>nsersatzklage erst über mehrere<br />
<strong>Seite</strong>n die Beweislage hinsichtlich <strong>de</strong>r Täterschaft <strong>de</strong>s Beklagten erörtert wür<strong>de</strong><br />
und es dann hieße:<br />
„In<strong>de</strong>s kommt es hierauf nicht an, weil die For<strong>de</strong>rung verjährt<br />
ist.“<br />
Wenn die Parteien allerdings gera<strong>de</strong> über eine im Ergebnis irrelevante Tat- o<strong>de</strong>r<br />
Rechtsfrage streiten, kann es zweckmäßig sein, kurz zu erwähnen, dass und warum<br />
es hierauf nicht ankommt, in<strong>de</strong>m man etwa schreibt:<br />
„Die Klage auf Zahlung eines Schmerzensgel<strong>de</strong>s ist unbegrün<strong>de</strong>t.<br />
Dabei kann offen bleiben, ob <strong>de</strong>r Beklagte die Tat überhaupt<br />
begangen hat. Je<strong>de</strong>nfalls greift die von ihm erhobene<br />
Einre<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verjährung durch.“<br />
Die zwar aber Formulierung ist im übrigen auch geeignetes Stilmittel, die Partei, die<br />
verliert, dadurch zu überzeugen, dass man kurz <strong>de</strong>utlich macht <strong>bis</strong> wohin man ihrer<br />
Argumentation folgt, dann aber aufzeigt, welche weitere Voraussetzung als nicht erfüllt<br />
angesehen wird.<br />
Weiter zu beachten ist, dass schlicht und klar formuliert wer<strong>de</strong>n sollte. Unabhängig<br />
davon, ob man sich als Leser eine rechtsunkundige Partei o<strong>de</strong>r einen Anwalt<br />
bzw. Oberrichter vorstellt: Keine verschachtelten Sätze bil<strong>de</strong>n, keine Leerformeln<br />
verwen<strong>de</strong>n, juristische Fachausdrücke nur in Maßen verwen<strong>de</strong>n.<br />
Anzuraten ist auch ein sachlicher Stil, z.B. keine herabsetzen<strong>de</strong>n Äußerungen über<br />
Rechtsansichten <strong>de</strong>r Parteien ("abwegig") und über <strong>de</strong>ren Verhalten ("unmoralisch")<br />
Unbedingt zu vermei<strong>de</strong>n sind Wie<strong>de</strong>rholung <strong>de</strong>s Sachverhalts, <strong>de</strong>n kennt <strong>de</strong>r Leser<br />
bereits aus <strong>de</strong>m Tatbestand<br />
Aufbau <strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong>:<br />
Einleitungssatz<br />
Zunächst wird das Gesamtergebnis <strong>de</strong>s Prozesses kurz zusammenfasst, z.B.:<br />
"Die Klage ist zulässig und begrün<strong>de</strong>t"<br />
„Die zulässige Klage hat <strong>bis</strong> auf eine geringfügige Zuvielfor<strong>de</strong>rung<br />
von Zinsen auch in <strong>de</strong>r Sache Erfolg"
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"Die zulässige Klage ist nur hinsichtlich <strong>de</strong>s Hilfsantrages begrün<strong>de</strong>t"<br />
„Die Klage ist unzulässig“<br />
Der Auslegung <strong>de</strong>s Klageantrag bedarf es ausnahmsweise dann, wenn dieser unklar<br />
geblieben ist<br />
Zulässigkeit <strong>de</strong>r Klage<br />
Auch Ausführungen zur Zulässigkeit sind nur dann angebracht, wenn hierfür nach<br />
<strong>de</strong>m Prozessverlauf Anlass besteht. Nur die Sachurteilsvoraussetzungen dürfen angesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n, die wirklich problematisch o<strong>de</strong>r umstritten sind. Lediglich bei<br />
Feststellungsklagen bedarf das Feststellungsinteresse stets <strong>de</strong>r (kurzen!) Erörterung,<br />
§ 256 I ZPO, sonst bestehen im Zweifel keine Zweifel an <strong>de</strong>r Zulässigkeit<br />
Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Klage<br />
in 99 % aller Arbeiten (Klausur/Praxis) bil<strong>de</strong>t die Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Klage <strong>de</strong>n absoluten<br />
Schwerpunkt <strong>de</strong>r Bearbeitung<br />
Obersatz, Rechtssatz<br />
Der erste Satz ist die Benennung <strong>de</strong>r Anspruchsgrundlage, die entwe<strong>de</strong>r erfüllt ist<br />
(Klage erfolgreich) o<strong>de</strong>r nicht erfüllt ist (Klage wird abgewiesen), z.B.:<br />
"Dem Kläger steht aus GoA (§§ 677, 683, 670 BGB) gegen <strong>de</strong>n<br />
Beklagten ein Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen<br />
i.H.v. 1.000,-- zu."<br />
"Der Beklagte ist gem. § 985 BGB zur Herausgabe <strong>de</strong>s PKW an<br />
<strong>de</strong>n Kläger verpflichtet."<br />
Bei umfangreichen Urteilen kann es nützlich sein, in einer Art Einleitung vorab die<br />
innere Systematik <strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rungspunkten<br />
mitzuteilen, z.B.:<br />
„Die zulässige Klage ist nur in <strong>de</strong>m aus <strong>de</strong>m Tenor ersichtlichen<br />
Umfang gerechtfertigt. Dem Kläger steht <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach ein<br />
Scha<strong>de</strong>nsersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB gegen <strong>de</strong>n<br />
Beklagten zu (I). Der Beklagte schul<strong>de</strong>t ihm <strong>de</strong>shalb ein<br />
Schmerzensgeld, wobei allerdings ein geringerer als <strong>de</strong>r vom<br />
Kläger begehrte Betrag angemessen erscheint (II). Ein materieller<br />
Scha<strong>de</strong>n ist dagegen nicht nachvollziehbar dargetan (III). Im<br />
Einzelnen ergibt sich dieses aus folgen<strong>de</strong>n Erwägungen: ...“<br />
In <strong>de</strong>r Klausur wird es in <strong>de</strong>r Regel dieses skizzieren<strong>de</strong>n Überblicks allerdings nicht<br />
bedürfen, <strong>de</strong>nn dort sind keine komplizierten schwer zu überblicken<strong>de</strong>n Sachverhalte<br />
zu beurteilen.<br />
Wichtig sowohl in Klausur als auch in Praxis ist die saubere Subsumtion <strong>de</strong>s konkreten<br />
Sachverhalts unter die im Obersatz angegebene Rechtsnorm. Um Struktur und<br />
Überblick zu behalten ist Glie<strong>de</strong>rung (auch bezifferte, Bezifferung kann dann in Nie<strong>de</strong>rschrift<br />
beibehalten wer<strong>de</strong>n sollte aber nicht zu kleinbeziffert sein) sehr sinnvoll;<br />
Man geht bei <strong>de</strong>r Ausformulierung <strong>de</strong>r Begründung in 3 Denkschritten vor:<br />
(1) Obersatz<br />
„Dem Anspruch steht auch nicht <strong>de</strong>r Einwand <strong>de</strong>r Verwirkung
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(2) Definition<br />
gem. § 242 BGB entgegen.“<br />
„Ein solcher Einwand setzt nämlich u.a. voraus, dass seit <strong>de</strong>r<br />
Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit vergangen<br />
ist ... (es folgt nähere Begründung <strong>de</strong>s Zeitmoments)<br />
(3) Subsumtion <strong>de</strong>s Sachverhalts<br />
„Vorliegend hat <strong>de</strong>r Beklagte jedoch lediglich (folgt Auswertung<br />
<strong>de</strong>s Sachverhalts)<br />
Die unproblematischen Tat- und Rechtsfragen sind dabei nur kurz „abzuhaken“, die<br />
problematischen hingegen sind schwerpunktmäßig zu erörtern. Wichtig dabei ist<br />
auch: Zitate aus Literatur (z.B. Kommentar) und Rechtsprechung ersetzen nicht die<br />
eigene Begründung <strong>de</strong>s Urteils durch das Gericht! Es muss zusätzlich argumentiert<br />
wer<strong>de</strong>n. Viele Klausuren sind so angelegt, dass es im Ergebnis auf Generalklauseln<br />
ankommt, z.B. Treu und Glauben, Wegfall <strong>de</strong>r Geschäftsgrundlage, entgangene Urlaubsfreu<strong>de</strong>n<br />
– hier ist dann mit konkretem Klausurtext eine möglichst eigene individuelle<br />
Argumentation innerhalb <strong>de</strong>r (weiten) rechtlichen Grenzen zu fin<strong>de</strong>n. Dabei<br />
sollte auch hier daran gedacht wer<strong>de</strong>n: Nur die Anspruchsgrundlagen bzw. Tatbestandsmerkmale<br />
ansprechen, auf die es für die aus <strong>de</strong>m Tenor ersichtliche Rechtsfolge<br />
ankommt, d.h.: bei einer unzulässigen Klage nur die Sachurteilsvoraussetzung<br />
abhan<strong>de</strong>ln, an <strong>de</strong>r es fehlt, bei einer unbegrün<strong>de</strong>ten Klage alle ernsthaft in Betracht<br />
kommen<strong>de</strong>n Anspruchsgrundlagen erwähnen und dabei jeweils das Tatbestandsmerkmal<br />
abhan<strong>de</strong>ln, an <strong>de</strong>m es fehlt.<br />
Bei einer begrün<strong>de</strong>ten Klage genügt die Erörterung <strong>de</strong>r Anspruchsgrundlage, die am<br />
umfassendsten und offensichtlichsten durchgreift, wobei sämtliche Tatbestandsmerkmale<br />
dieser Anspruchsgrundlage zu prüfen sind (unproblematische nur kurz<br />
„abhaken“). Klausur- und auch urteilstaktisch kann in diesen Fällen allerdings geboten<br />
sein, <strong>de</strong>n Anspruch auch mittels einer an<strong>de</strong>ren AGL zu begrün<strong>de</strong>n, die ebenfalls<br />
erfüllt ist. <strong>Das</strong> Urteil wird dadurch noch überzeugen<strong>de</strong>r, die Klausur bringt dadurch<br />
noch mehr zutreffen<strong>de</strong> Ausführungen.<br />
Ist die Klage unschlüssig, ist ausschließlich <strong>de</strong>r Klägervortrag abzuhan<strong>de</strong>ln, also nur<br />
darzulegen, dass die Klage schon nach <strong>de</strong>m eigenen Vortrag <strong>de</strong>s Klägers keinen<br />
Erfolg hat – auf Vortrag <strong>de</strong>s Beklagten ist nicht einzugehen<br />
Nebenfor<strong>de</strong>rungen<br />
Auch diese müssen begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, allerdings können die Ausführungen hier in<br />
aller Regel kurz sein. Also insbeson<strong>de</strong>re: Zinsen, vorgerichtliche Mahnkosten. Bei<br />
Zinsen genügt i.d.R. <strong>de</strong>r Hinweis auf die Norm (z.B. § 291 BGB).<br />
Nebenentscheidungen<br />
wer<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Urteils zwingend ebenfalls begrün<strong>de</strong>t, also Kosten und vorläufige<br />
Vollstreckbarkeit. i.d.R. genügt auch hier §§ zu benennen:<br />
„Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung<br />
über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf <strong>de</strong>n §§ 708<br />
Nr. 11, 711 ZPO.“
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Einer umfassen<strong>de</strong>ren Begründung bedarf es allerdings bei teilweiser Erledigungserklärung,<br />
da die Kostenentscheidung sich dann nach § 91a ZPO richtet.<br />
Die Darstellung <strong>de</strong>r Beweiswürdigung im Urteil, Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s BGH:<br />
„Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind in <strong>de</strong>m Urteil die Grün<strong>de</strong> anzugeben, die für<br />
die richterliche Überzeugung "leitend" gewesen sind. Danach genügt eine formelhafte<br />
Begründung nicht; Unstimmigkeiten dürfen nicht durch einen bloßen Hinweis auf<br />
eine "persönliche Überzeugung" abgetan wer<strong>de</strong>n; an<strong>de</strong>rerseits ist es aber auch nicht<br />
erfor<strong>de</strong>rlich, auf alle Beweismittel ausführlich einzugehen. Vielmehr hat <strong>de</strong>r Tatrichter<br />
die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung nachvollziehbar<br />
darzulegen (BGH NJW 1991, 1894, 1895).“<br />
An welcher Stelle <strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong> die Beweiswürdigung darzustellen ist,<br />
ergibt sich aus <strong>de</strong>m Aufbau <strong>de</strong>r zu erörtern<strong>de</strong>n Anspruchsgrundlagen. Dort, wo es<br />
bei <strong>de</strong>r konkreten Subsumtion auf die Frage ankommt, welche streitige Behauptung<br />
die richtige ist, muss die Beweiswürdigung erfolgen. Nicht die einzelnen Beweismittel<br />
sind nacheinan<strong>de</strong>r abzuhan<strong>de</strong>ln, son<strong>de</strong>rn die Behauptungen <strong>de</strong>r Parteien. Wenn also<br />
eine Beweisaufnahme zu mehreren streitigen Tatsachen erfolgt ist, muss ggf. an<br />
mehreren Punkten <strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong> eine Würdigung <strong>de</strong>s Beweisergebnisses<br />
stattfin<strong>de</strong>n. Entsprechend <strong>de</strong>m Urteilsstil ist jeweils das Ergebnis <strong>de</strong>r Beweiswürdigung<br />
voranzustellen und zwar möglichst so formuliert, dass gleich erkennbar wird,<br />
wer die Beweislast trägt, etwa:<br />
o<strong>de</strong>r:<br />
Der Kläger hat nicht bewiesen, dass ....<br />
Der Beklagt hat <strong>de</strong>n Beweis geführt, dass. Zur Überzeugung <strong>de</strong>s Gerichts<br />
nämlich steht nach <strong>de</strong>m Ergebnis <strong>de</strong>r Beweisaufnahme fest...<br />
Die Formulierung <strong>de</strong>r Ausgangsfrage folgt also <strong>de</strong>r Beweislast, ohne dass es zu dieser<br />
in <strong>de</strong>r Regel näherer Ausführungen bedürfte. Allerdings ist die Verteilung <strong>de</strong>r Beweislast<br />
anzusprechen, wenn diese im konkreten Fall ausnahmsweise fraglich sein<br />
sollte o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Parteien unterschiedlich gesehen wird. Die weitere Darstellung<br />
hängt von <strong>de</strong>m zu begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Ergebnis (bewiesen o<strong>de</strong>r nicht) ab. Hier sollte darauf<br />
geachtet wer<strong>de</strong>n, nicht die Aussage <strong>de</strong>r Zeugen wörtlich zu wie<strong>de</strong>rholen und gegenüber<br />
zu stellen, son<strong>de</strong>rn das Ergebnis <strong>de</strong>r Aussage zu würdigen, das bringt<br />
Punkte! Sind mehrere Beweismittel herangezogen wor<strong>de</strong>n, so empfiehlt sich zunächst<br />
eine gedankliche Strukturierung:<br />
1. Beweismittel, die positiv ergiebig sind (durch sie wird die Beweisfrage positiv<br />
beantwortet).<br />
2. Beweismittel, die unergiebig sind<br />
3. Beweismittel, die zwar negativ ergiebig sind (durch sie wird <strong>de</strong>r Vortrag <strong>de</strong>s<br />
Gegners bestätigt), jedoch die Überzeugungsbildung nicht hin<strong>de</strong>rn.<br />
4. Beweismittel, die negativ ergiebig sind und die die Überzeugungsbildung hin<strong>de</strong>rn.<br />
Will man begrün<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Beweis geführt ist, fängt man am besten mit <strong>de</strong>r Darstellung<br />
<strong>de</strong>r positiv ergiebigen und überzeugungskräftigen Beweismittel an und erörtert<br />
dann die unergiebigen und nicht überzeugungskräftigen negativen, z.B.:
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„Aufgrund <strong>de</strong>r Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt,<br />
dass ....<br />
Der Zeuge ... hat ausgesagt, .... Die Bekundungen <strong>de</strong>s Zeugen<br />
sind glaubhaft, weil ....<br />
Die Aussage <strong>de</strong>s Zeugen ... ist nicht erschüttert wor<strong>de</strong>n durch<br />
die Aussage <strong>de</strong>s Zeugen .... Zwar hat <strong>de</strong>r Zeuge ... bekun<strong>de</strong>t,<br />
.... Es ist jedoch <strong>de</strong>utlich gewor<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Zeuge <strong>de</strong>n Vorfall<br />
nicht aufmerksam beobachtet hat / die Unwahrheit gesagt hat /<br />
bei <strong>de</strong>m Vorfall selbst nicht dabei war, son<strong>de</strong>rn nur Zeuge vom<br />
Hören-Sagen ist ....“<br />
Bei <strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>s Fehlens einer Überzeugung ist die Reihenfolge beliebiger.<br />
Hier kann man entwe<strong>de</strong>r zunächst die positiv ergiebigen Beweismittel darstellen und<br />
dann ihren Beweiswert anhand <strong>de</strong>r negativen Beweismittel entkräften o<strong>de</strong>r die Argumente<br />
gegen eine Überzeugungsbildung voranstellen und dann ausführen, warum<br />
diese nicht erschüttert wer<strong>de</strong>n konnten.<br />
Ist das Gericht von einem bestimmten Beweisergebnis überzeugt, so erübrigen sich<br />
ohnehin jegliche Ausführungen zur Beweislast. Dies gilt in erster Linie für <strong>de</strong>n Fall,<br />
dass die beweisbelastete Partei ihren Beweis geführt hat. Denkbar ist ferner, dass<br />
ein<strong>de</strong>utig das Gegenteil <strong>de</strong>r Behauptungen <strong>de</strong>r beweisbelasteten Partei festgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Auch dann braucht die Beweislastfrage nicht beantwortet zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Allerdings ist ein solcher ein<strong>de</strong>utiger Beweis <strong>de</strong>s Gegenteils i.d.R. schwieriger zu begrün<strong>de</strong>n<br />
als die Beweislastverteilung. Es genügt ja (wie bereits erörtert), dass die<br />
<strong>de</strong>m Kläger günstige Tatsache nicht erwiesen ist. Man kann sich daher im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r Entscheidungsgrün<strong>de</strong> auf die Feststellung beschränken, dass <strong>de</strong>r Vortrag <strong>de</strong>r<br />
beweisbelasteten Partei je<strong>de</strong>nfalls nicht bestätigt wor<strong>de</strong>n ist, also ein sog. non liquet<br />
vorliegt, und <strong>de</strong>mentsprechend nach <strong>de</strong>r Beweislast entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Bsp.:<br />
„Der Kläger hat nicht beweisen können / ist beweisfällig geblieben<br />
für seine Behauptung, dass ... Nach <strong>de</strong>m Ergebnis <strong>de</strong>r Beweisaufnahme<br />
ist das Gericht we<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Richtigkeit <strong>de</strong>r<br />
Behauptung <strong>de</strong>s Klägers noch von <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Beklagten überzeugt.<br />
Der Zeuge ... hat bekun<strong>de</strong>t ... Hingegen hat <strong>de</strong>r Zeuge ...<br />
bekun<strong>de</strong>t .... Die Aussage <strong>de</strong>s Zeugen .... ist nicht weniger<br />
glaubhaft als die <strong>de</strong>s Zeugen .... Bei<strong>de</strong> Zeugen haben ihre Aussage<br />
ruhig, sachlich, klar und in sich wi<strong>de</strong>rspruchsfrei gemacht<br />
und haben auf sämtliche Fragen spontan und in sich stimmig<br />
geantwortet. Es liegt daher ein sog. non liquet vor, das zu Lasten<br />
<strong>de</strong>s beweispflichtigen Klägers geht.“<br />
ist eine Bewertung von Tatsachen vorzunehmen, z.B. Zeugenaussagen, darf man<br />
sich nicht hinter Leerformeln verschanzen. Unzureichend ist z.B., lediglich zu schreiben:<br />
„Aufgrund <strong>de</strong>r glaubhaften Aussage <strong>de</strong>s Zeugen X steht zur Überzeugung <strong>de</strong>s<br />
Gerichts fest, dass <strong>de</strong>r Beklagte von <strong>de</strong>m Kläger arglistig getäuscht wor<strong>de</strong>n ist.“ Solche<br />
Sätze eignen sich nur als Einleitung, <strong>de</strong>r eine konkrete Begründung folgen muss<br />
(was hat <strong>de</strong>r Zeuge gesagt, warum glaubt man ihm, wie bewertet man seine Bekundungen).<br />
7. Der Aktenvortrag
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Die praktische Notwendigkeit eines Aktenvortrags besteht bei Kollegialgerichten. Für<br />
je<strong>de</strong> Akte gibt es einen (für diese verantwortlichen) Berichterstatter. Dieser hat <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren Richtern (und Referendaren) mündlich zusammen zu fassen, welcher Fall<br />
zu behan<strong>de</strong>ln ist und wie mögliche Entscheidung aussehen könnten. Dabei soll sein<br />
Vortrag ausreichen<strong>de</strong> Grundlage sein, juristisch gemeinsam über <strong>de</strong>n Fall diskutieren<br />
zu können.<br />
Im Examen hat <strong>de</strong>r Aktenvortrag in <strong>de</strong>r mündlichen Prüfung Be<strong>de</strong>utung, die mit diesem<br />
eingeleitet wird. Auch bei <strong>de</strong>m Ausbil<strong>de</strong>r wird und sollte <strong>de</strong>r Aktenvortrag Thema<br />
sein.<br />
Die Zeitvorgabe im Examen für <strong>de</strong>n Vortrag lautet 10 Minuten. Daran sollte sich auch<br />
bei Vorträgen gegenüber <strong>de</strong>m Ausbil<strong>de</strong>r orientiert wer<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> ist wenig Zeit. Deswegen<br />
ist die Konzentration auf das Wesentliche, nämlich auf die eigentlichen Probleme<br />
<strong>de</strong>s Falles, ganz entschei<strong>de</strong>nd für einen guten Vortrag.<br />
Der schulmäßige Aufbau ist im Regelfall wie folgt:<br />
(1) Einleitung<br />
Mit <strong>de</strong>m ersten Einleitungssatz wird <strong>de</strong>m Zuhörer vermittelt, worum es eigentlich<br />
geht:<br />
(2) Sachbericht,<br />
„Ich berichte von einem Rechtsstreit, <strong>de</strong>r im Jahre ... beim AG<br />
... anhängig war.“<br />
„Der Kläger Ludwig Meyer begehrt von <strong>de</strong>m Beklagten Karl Moser<br />
Zahlung von EUR 350,00 für ein gebrauchtes Kfz.“<br />
Es folgt die Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>s Sachverhalts im Sachbericht. Zeitlich gilt die Vorgabe,<br />
dass dieser etwa 1/3tel und die Begründung 2/3tel <strong>de</strong>r Vortragszeit in Anspruch<br />
nehmen soll. Der Sachbericht entspricht im wesentlichen <strong>de</strong>m Tatbestand <strong>de</strong>s Urteils.<br />
Es kann daher hier für Einzelheiten auf <strong>de</strong>n dortigen Aufbau verwiesen wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Grobstruktur lautet: Unstreitiger Vortrag, streitiger Klägervortrag, Anträge, streitiger<br />
Beklagtenvortrag, Prozessgeschichte.<br />
Allerdings ist zu Be<strong>de</strong>nken, dass <strong>de</strong>r Sachbericht nur mündlich erfolgt. Daher ist noch<br />
mehr als beim schriftlich ausformulierten Tatbestand auf Verständlichkeit zu achten.<br />
Daten sollten sehr sparsam mitgeteilt wer<strong>de</strong>n, nämlich nur wenn es unbedingt auf<br />
<strong>de</strong>n konkreten Zeitpunkt für die Entscheidung ankommt.<br />
Wer<strong>de</strong>n eine Vielzahl von Gegenstän<strong>de</strong>n herausverlangt o<strong>de</strong>r sind viele einzelne<br />
Mängel einer Mietsache o<strong>de</strong>r Bausache streitig (Punktesachen) ist dieses nur thematisch<br />
zu umschreiben. Wegen genauer Einzelheiten ist auf die Grün<strong>de</strong> zu verweisen:<br />
„Der Kläger verweigert die Schlusszahlung mit <strong>de</strong>r Begründung,<br />
die Werkleistung sei mit etlichen Mängeln behaftet, zum<br />
Beispiel am Fußbo<strong>de</strong>n und an <strong>de</strong>n Fenstern. Auf die<br />
Einzelheiten komme ich später zurück.“<br />
Bei beson<strong>de</strong>rs wichtigen Details im Sachbericht, sollte die Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r Zuhörer<br />
auf diese gelenkt wer<strong>de</strong>n:<br />
„Im April 2003 kaufte <strong>de</strong>r Kläger bei <strong>de</strong>m Beklagten einen<br />
Frack, ein Paar Schuhe und – darauf wird es später noch<br />
beson<strong>de</strong>rs ankommen – einen Papagei <strong>de</strong>r sprechen kann“
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Die Anträge sind wortgenau wie<strong>de</strong>rzugeben. Dabei ist zulässig, die Anträge aus <strong>de</strong>r<br />
Akte (Klausur) vorzulesen.<br />
Bei <strong>de</strong>r Gewichtung, inwieweit streitiger Kläger o<strong>de</strong>r Beklagtenvortrag gebracht wer<strong>de</strong>n<br />
sollte, ist das Ergebnis <strong>de</strong>r Begutachtung schon mitzube<strong>de</strong>nken. Ist die Klage<br />
also etwa bereits unschlüssig, sollte <strong>de</strong>r streitige Beklagtenvortrag nur knapp gebracht<br />
wer<strong>de</strong>n, womöglich auch mit <strong>de</strong>m Zusatz:<br />
„Auf all das wird es letztlich jedoch nicht ankommen.<br />
Gegebenenfalls komme ich hierauf im Einzelnen noch zurück“<br />
Bei Beweisaufnahmen ist die Darstellung im Sachbericht ähnlich wie im Tatbestand.<br />
Es wird mitgeteilt, dass sie stattgefun<strong>de</strong>n hat und verweist wegen <strong>de</strong>s Ergebnisses<br />
auf die spätere Begründung:<br />
„<strong>Das</strong> Gericht hat zum Unfallhergang Beweis erhoben durch<br />
gemäß Beweisbeschluss vom 25.2.2004 durch Vernehmung<br />
<strong>de</strong>r Zeugen.... Auf das Ergebnis <strong>de</strong>r Beweisaufnahme komme<br />
ich später bei <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>theit zurück.“<br />
Allerdings darf man natürlich nicht auf <strong>de</strong>n Akteninhalt Bezug nehmen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>n<br />
kennt <strong>de</strong>r Zuhörer ja gera<strong>de</strong> nicht.<br />
(4) Entscheidungsvorschlag<br />
Die eigentliche Begründung beginnt mit einem Entscheidungsvorschlag. Dabei ist<br />
nicht die genaue Tenorierung im Wortlaut zu benennen, son<strong>de</strong>rn das wesentliche<br />
Ergebnis <strong>de</strong>r Entscheidung zu umreißen. Der Sinn liegt darin, dass die Aufmerksamkeit<br />
<strong>de</strong>s Zuhörers erhöht wird, wenn er von vornherein die Frage beantwortet erhält,<br />
was das Ergebnis <strong>de</strong>r Prüfung sein wird:<br />
(5) Begründung<br />
„Ich schlage vor, die Klage abzuweisen.“<br />
„Ich schlage vor, <strong>de</strong>r Klage in vollem Umfang statt zu geben.“<br />
„Ich schlage vor, <strong>de</strong>r Klage in Höhe von rund EUR 14.000,00<br />
statt zu geben und sie im Übrigen abzuweisen“<br />
„Ich schlage vor, Beweis (durch Vernehmung <strong>de</strong>s Zeugen<br />
Krohn) zu erheben“<br />
Die Begründung ist <strong>de</strong>r Schwerpunkt <strong>de</strong>s Aktenvortrags. Die Begründung erfolgt formal<br />
als Mischung zwischen Urteilstil und Gutachten. Anteilsmäßig wird <strong>de</strong>r Urteilsstil<br />
hauptsächlich verwen<strong>de</strong>t. Zweifelsfragen aber o<strong>de</strong>r solche, bei <strong>de</strong>nen geteilte Ansichten<br />
gut vertretbar sind, sind jedoch im Gutachtenstil zu berichten:<br />
„Der Anspruch <strong>de</strong>s Klägers begrün<strong>de</strong>t sich aus § 433 BGB.<br />
Zwischen <strong>de</strong>n Parteien ist ein Kaufvertrag geschlossen wor<strong>de</strong>n.<br />
Der Kläger hat <strong>de</strong>m Beklagten das Fahrrad gemäß § 929 BGB<br />
auch zu Eigentum übertragen. Der Beklagte hat <strong>de</strong>n Kaufpreis<br />
von EUR 400,00 noch nicht gezahlt. All das ist unstreitig. Fraglich<br />
allerdings ist, ob <strong>de</strong>r Kaufpreisanspruch <strong>de</strong>s Klägers durch<br />
erklärte Aufrechnung nach § 389 ZPO untergegangen ist...“<br />
Stilistisch sollte darauf geachtet wer<strong>de</strong>n, soweit wie möglich <strong>de</strong>n gesetzlichen Bezug<br />
herzustellen, also bei allen Ober- und Untersätzen die gesetzliche Vorschrift hinzuzufügen<br />
aus <strong>de</strong>r sich die jeweilige Behauptung begrün<strong>de</strong>t. <strong>Das</strong> ist im mündlichen Vor-
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trag noch entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r als in <strong>de</strong>r schriftlichen Klausur. Ist im Sachbericht eine Beweisaufnahme<br />
erwähnt wor<strong>de</strong>n, wird sie in <strong>de</strong>r Begründung an <strong>de</strong>r Stelle aufgegriffen<br />
an <strong>de</strong>r sie für die Subsumtion Relevanz hat; hier ist dann auch noch mal auf das Ergebnis<br />
näher einzugehen:<br />
<strong>Das</strong> wür<strong>de</strong> voraussetzen, dass eine Aufrechnungslage gemäß<br />
§ 387 ZPO bestan<strong>de</strong>n hat. Der Beklagte hat in <strong>de</strong>r Tat eine Gegenfor<strong>de</strong>rung<br />
in überschießen<strong>de</strong>r Höhe gegenüber <strong>de</strong>m Kläger,<br />
nämlich aus Werkvertrag, § 631 BGB. Nach<strong>de</strong>m Ergebnis <strong>de</strong>r<br />
Beweisaufnahme steht dieses zur Überzeugung <strong>de</strong>s Gerichts<br />
fest. Der Zeuge Krohn hat in seiner Vernehmung bekun<strong>de</strong>t, ...<br />
Diese Bekundungen sind glaubhaft ... Ihnen steht auch nicht<br />
entgegen, dass ...“<br />
In Punktesache sollte das voran gestellt wer<strong>de</strong>n, was allen zu behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Punkten<br />
gemein ist. Sodann ist nach und nach je<strong>de</strong>r Einzelpunkt abzuhan<strong>de</strong>ln, so als<br />
wenn es sich um eigene Miniklagen han<strong>de</strong>ln wür<strong>de</strong>. Dabei ist darauf zu achten, dass<br />
<strong>de</strong>r genaue Sachverhalt im Sachbericht ja noch nicht geschil<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist, hier also<br />
einleitend gebracht wer<strong>de</strong>n muss:<br />
Der Kläger behauptet, die Lötstellen <strong>de</strong>r Dachrinnen seien undicht,<br />
das Wasser tropfe gegen das Mauerwerk. Zum Beweis<br />
hierfür hat er Sachverständigengutachten angeboten. Über diese<br />
Behauptung wird Beweis zu erheben sein. Beweispflichtig ist<br />
...<br />
Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Begründung sollte noch daran gedacht wer<strong>de</strong>n, dass auch die Nebenentscheidung<br />
<strong>de</strong>r (kurzen) Begründung bedürfen. Auch hier sollte <strong>de</strong>r systematische<br />
Anknüpfungspunkt unbedingt das Gesetz sein.<br />
(6) Konkreter Entscheidungsvorschlag<br />
Der Aktenvortrag schließt mit einem ausführlichen Entscheidungsvorschlag. Je nach<br />
Sachverhalt kann dieses eine En<strong>de</strong>ntscheidung o<strong>de</strong>r ein Zwischenbeschluss sein.<br />
Beim Urteil ist vollständig zu tenorieren. Ein Beweisbeschluss ist auszuformulieren.<br />
Stilistisch darf <strong>de</strong>r ausformulierte Entscheidungsvorschlag abgelesen wer<strong>de</strong>n.<br />
Wie bereits ausgeführt ist bei Aktenvorträgen für <strong>de</strong>n Ausbil<strong>de</strong>r damit zu rechnen,<br />
dass Termin erst ansteht o<strong>de</strong>r die Sache noch nicht entscheidungsreif erscheint. Der<br />
konkrete Vorschlag wird dann häufig darin liegen, entwe<strong>de</strong>r einen rechtlichen Hinweis<br />
nach § 139 ZPO zu erteilen o<strong>de</strong>r einen Beweisbeschluss zu verkün<strong>de</strong>n. Doch<br />
bedarf es auch in diesen Fällen einer sauberen Begründung, warum das Ergebnis<br />
gera<strong>de</strong> wie vorgeschlagen lautet. Dabei ist auch hier zur Begründung grundsätzlich<br />
im Urteilsstil vorzutragen und bei Problemen in <strong>de</strong>n Gutachtenstil über zu gehen:<br />
„Der Krohn hat Anspruch auf Zahlung von EUR 400,00 aus<br />
Kaufvertrag § 433 Abs. 2 gegenüber Bohne. Denn.. Allerdings<br />
könnte <strong>de</strong>r Anspruch durch die von Bohne nach § 389 BGB erklärte<br />
Aufrechnung untergegangen sein. Fraglich ist, ob Aufrechnungslage<br />
bestan<strong>de</strong>n hat, § 387 BGB. Der Bohne behauptet,<br />
er habe am 24.3.2003 seinerseits auf Bestellung <strong>de</strong>s Krohn<br />
25 Dachlatten an diesen geliefert ohne dass die <strong>bis</strong> heute bezahlt<br />
wor<strong>de</strong>n wären. Krohn bestreitet <strong>de</strong>n Erhalt. Bohne hat<br />
Beweis für die Lieferung angeboten. Sollte sich seine Behauptung<br />
bestätigen, stün<strong>de</strong> ihm eine zur Aufrechnung geeignete
© RiAG Dr. Buhk<br />
<strong>Teil</strong> 1: Grundlagen <strong>de</strong>r praktischen Tätigkeit<br />
www.matthias-<strong>buhk</strong>.<strong>de</strong><br />
Version 1.4<br />
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Gegenfor<strong>de</strong>rung zu. Es ist daher Beweis zu erheben über diese<br />
entscheidungserhebliche Behauptung <strong>de</strong>s Bohne durch Vernehmung<br />
<strong>de</strong>r Zeugin Langbein.“