curt N/F/E #177 September 2013
Das Stadtmagazin für Nürnberg, Fürth, Erlangen: Netzwerk, Motor, Platzhirsch.
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Leib heraus auf den Boden tropfen lassen. Auch konnte<br />
ich bei einem versehentlichen Besuch eines Katholikentages<br />
anhand der Aromainseln in der Menge der gläubigen<br />
andere versierte Festivalgänger genau erkennen.<br />
Hier gilt es zu bemerken, dass Kirchentage und sonstige<br />
Christenversammlungen eine Ausnahme unter den<br />
Festivals darstellen. einerseits, weil die dort dargebotene<br />
Audiolandschaft überwiegend von minderer Qualität ist<br />
- formal wie auch inhaltlich. Andererseits sind dort oft<br />
annähernd so viele Toiletten wie Besucher vorhanden.<br />
Die Kopftuchfrauen allerdings sind hier nicht für die<br />
Verpflegung zuständig, sondern winken und singen und<br />
tanzen mit erleuchteten gesichtern und machen kleinen<br />
Kindern Angst ...<br />
genug in die Vergangenheit geblickt. Vor ein paar wochen<br />
hatte ich das Vergnügen, einige Tage lang auf einem<br />
biologisch konzipierten, atomstromfreien Festival mit<br />
leichten Tendenzen zum esoterischen selbst als Künstler<br />
aufzutreten. Dort besuchte mich mein onkel Hans,<br />
ein Metzgermeister im ruhestand, um mich einmal auf<br />
der Bühne zu beobachten. Bei einem rundgang über das<br />
Festivalgelände verschaffte er sich einen groben Überblick<br />
über das Angebot und nach dem Verzehr eines Bioobatzten,<br />
der von einheimischen Kopftuchfrauen zum<br />
aktuellen Tagesgoldpreis angeboten wurde, und der sich<br />
3 4 // G A S T K O L U M N E V O N P H I L I P P M O L L<br />
durch völlige geschmacksfreiheit und Armut an jeglicher<br />
Konsistenz auszeichnete, kam er mit leuchtenden Augen<br />
zu mir, um mich von einer brillanten geschäfts-idee in<br />
Kenntnis zu setzen. er werde seinem Sohn empfehlen,<br />
Vermarktungsstrategien aus dem Festivalgeschäft in<br />
seine Landmetzgerei zu übertragen und Fleisch und<br />
wurstwaren aus Hausschlachtungen nach Hildegard<br />
von Bingen anzubieten. Man müsse hierbei nur ein<br />
paar Dinge beachten. Zunächst sei es nötig, das Tier<br />
mit Lavendelwasser zu besprengeln und den weg zum<br />
Schlachthaus mit Thymianzweigen und Baldrian zu<br />
beräuchern. Das Schlachthaus sollte mit Lorbeer, Muskatblüten<br />
und allerlei Blumenwerk gezieret sein. Die<br />
Tiere dürften nicht mit Strom geschlachtet werden, sondern<br />
nur auf alte Art mit Messer, Hammer und Säge. Der<br />
geselle und der Lehrbube sollten unbedingt in den gröbsten<br />
rändern der gregorianik geschult sein, um dem Tier<br />
durch schütteren gesang den eingang in die ewigkeit mit<br />
einer Schönigkeit zu erleichtern. Die innenseiten der<br />
Schlachtschürzen und gummistiefel sollen mit ölen von<br />
Zitrusfrüchten ausgerieben werden und wacholder und<br />
nelken sollten den Atem der Metzger reinigen, damit die<br />
bösen worte, welchen ihnen gelegentlich entfleuchen,<br />
das Tier nicht erbosen. Denn nichts macht ein Fleisch<br />
so zäh, wie ein im Zustand der erbosung geschlachtetes<br />
Tier. Das Schlachthaus solle in sonnigen erdfarben geka-