Kohäsion und Konvergenz: Wohlstandsunterschiede in der EU
Kohäsion und Konvergenz: Wohlstandsunterschiede in der EU
Kohäsion und Konvergenz: Wohlstandsunterschiede in der EU
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Aktuelle Themen<br />
<strong>Kohäsion</strong> <strong>und</strong> <strong>Konvergenz</strong>:<br />
<strong>Wohlstandsunterschiede</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>EU</strong><br />
Die <strong>Wohlstandsunterschiede</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>EU</strong>-15 s<strong>in</strong>d immer noch beträchtlich,<br />
auch wenn sie sich <strong>in</strong> den letzten Jahren tendenziell verr<strong>in</strong>gert haben.<br />
Disparitäten <strong>in</strong> ganz an<strong>der</strong>en Dimensionen werden auftreten, wenn die<br />
neuen Mitglie<strong>der</strong> aus Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa <strong>der</strong> <strong>EU</strong> angehören. Darauf<br />
weist die <strong>EU</strong> Kommission <strong>in</strong> ihrem zweiten Bericht zum wirtschaftlichen<br />
<strong>und</strong> sozialen Zusammenhalt (<strong>Kohäsion</strong>sbericht) h<strong>in</strong> <strong>und</strong> for<strong>der</strong>t, dass<br />
die Strukturpolitik den neuen Erfor<strong>der</strong>nissen im Zuge <strong>der</strong> Osterweiterung<br />
gerecht werden muss. Die Schlussfolgerungen des Berichts sollen<br />
dazu dienen, die geme<strong>in</strong>same Position <strong>der</strong> <strong>EU</strong> zur Regionalpolitik im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Beitrittsverhandlungen zu entwickeln.<br />
Gemischte Bilanz <strong>der</strong> Strukturpolitik<br />
Das Haupt<strong>in</strong>strument <strong>der</strong> <strong>EU</strong>-<strong>Kohäsion</strong>spolitik s<strong>in</strong>d die Strukturfonds,<br />
<strong>der</strong>en Transferleistungen v.a. die wirtschaftliche Entwicklung <strong>in</strong> rückständigen<br />
o<strong>der</strong> sich im Strukturwandel bef<strong>in</strong>denden Regionen vorantreiben<br />
sollen. Zwischen 1989 <strong>und</strong> 1999 hat sich die Ausstattung <strong>der</strong> Strukturfonds<br />
nahezu verdoppelt, was e<strong>in</strong>em Anstieg von 0,27% auf 0,46%<br />
des <strong>EU</strong>-BIP entsprach. Gut e<strong>in</strong> Drittel des jährlichen <strong>EU</strong>-Haushaltes entfällt<br />
auf die Ausgaben für die Strukturpolitik. Die Bilanz <strong>der</strong> För<strong>der</strong>politik<br />
des letzten Jahrzehnts kann aber bestenfalls als gemischt bezeichnet<br />
werden.<br />
Am erfolgreichsten war Irland, dessen Pro-Kopf-BIP <strong>in</strong>zwischen 14%<br />
über dem <strong>EU</strong>-Durchschnitt liegt. Das Pro-Kopf-BIP <strong>der</strong> drei Län<strong>der</strong>, die<br />
nach wie vor am Ende <strong>der</strong> Wohlstandsskala stehen – Griechenland,<br />
Portugal, Spanien –, stieg zwischen 1989 <strong>und</strong> 1999 von 68% auf 79%<br />
des <strong>EU</strong>-Durchschnitts. Im Falle Portugals verr<strong>in</strong>gerte sich die Kluft zum<br />
<strong>EU</strong>-Durchschnitt um fast 17%-Punkte, bei Spanien um knapp 10%-<br />
Punkte. Griechenland bleibt auch nach 20 Jahren Mitgliedschaft Schlusslicht<br />
<strong>der</strong> <strong>EU</strong>.<br />
Die Kluft zwischen armen (Pro-Kopf-BIP 40% unter <strong>EU</strong>-Durchschnitt)<br />
<strong>und</strong> reichen Regionen (Pro-Kopf-BIP 60% über <strong>EU</strong>-Durchschnitt) hat<br />
sich dagegen kaum verr<strong>in</strong>gert. War das Pro-Kopf-E<strong>in</strong>kommen <strong>in</strong> den<br />
reichsten <strong>EU</strong>-Regionen Ende <strong>der</strong> 80er Jahre noch 2,8 mal höher als <strong>in</strong><br />
den ärmsten, beträgt <strong>der</strong> Wert jetzt immerh<strong>in</strong> noch 2,6. Interessant mit<br />
Blick auf die Wirksamkeit <strong>der</strong> För<strong>der</strong>mitteln ist, dass sich zum e<strong>in</strong>en die<br />
regionalen Unterschiede <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Mitgliedslän<strong>der</strong> eher<br />
vergrößern, <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en die wirtschaftliche Entwicklung <strong>in</strong> rückständigen<br />
Regionen z.T. stagniert, wenn nicht sogar rückläufig ist. Dies<br />
gilt für Spanien, vor allem aber für Griechenland <strong>und</strong> Süditalien. In Portugal<br />
dagegen haben sich die regionalen Unterschiede auch <strong>in</strong>nerhalb<br />
des Landes verr<strong>in</strong>gert.<br />
Für die e<strong>in</strong>zelnen Empfängerlän<strong>der</strong> war das Volumen <strong>der</strong> Strukturhilfen<br />
beachtlich. Immerh<strong>in</strong> 3,3% des BIP o<strong>der</strong> rd. 14% <strong>der</strong> Investitionen haben<br />
die För<strong>der</strong>mittel <strong>der</strong> <strong>EU</strong> 1994/1999 für Portugal ausgemacht. Die Werte<br />
für Griechenland s<strong>in</strong>d ähnlich hoch. Die unterschiedliche wirtschaftliche<br />
Entwicklung dieser beiden <strong>Kohäsion</strong>slän<strong>der</strong>, die von gleichen Wohlstandsniveaus<br />
gestartet waren (1989: knapp 60% des <strong>EU</strong>-Durchschnitts;<br />
2000: Portugal 76%, Griechenland 67%) zeigt, das auch massive F<strong>in</strong>anztransfers<br />
verpuffen, wenn sie nicht <strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvolle Projekte fließen bzw.<br />
auf vernünftige wirtschaftspolitische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen treffen.<br />
Trotz <strong>der</strong> erheblichen Mittel <strong>und</strong> <strong>der</strong> seit Mitte <strong>der</strong> 80er Jahre z.T. deutlich<br />
über dem Durchschnitt <strong>der</strong> <strong>EU</strong> liegenden Wachstumsraten (Irland, Portu-<br />
Economics<br />
<strong>Kohäsion</strong>spolitik <strong>der</strong> <strong>EU</strong><br />
8. Februar 2001<br />
Strukturfonds (2000/2006: <strong>EU</strong>R 195 Mrd.)<br />
unterstützen wirtschaftsschwache Regionen.<br />
69,7% <strong>der</strong> Mittel fließen <strong>in</strong> Regionen mit Entwicklungsrückstand<br />
(weniger als 75% des<br />
durchschnittlichen Pro-Kopf-BIP <strong>der</strong> <strong>EU</strong>, <strong>der</strong>zeit<br />
<strong>EU</strong>R 20.213). Weitere Mittel werden für Gebiete<br />
mit Strukturwandel <strong>und</strong> für die Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
<strong>der</strong> Beschäftigungspolitik vergeben.<br />
<strong>Kohäsion</strong>sfond (2000/2006: <strong>EU</strong>R 18 Mrd.)<br />
unterstützt wirtschaftsschwache Mitgliedstaaten<br />
(mit e<strong>in</strong>em BSP unter 90 % des <strong>EU</strong>-<br />
Durchschnitts). Kern s<strong>in</strong>d Projekte zur Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Umweltsituation <strong>und</strong> <strong>der</strong> Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur.<br />
Die reichsten <strong>und</strong> ärmsten<br />
Regionen <strong>der</strong> <strong>EU</strong><br />
BIP pro Kopf (KKS)<br />
% des <strong>EU</strong>-Durchschnitts<br />
Regionen <strong>EU</strong>15 <strong>EU</strong>27<br />
1988 1998 1998<br />
10 % + 155,3 160,9 176,9<br />
10 % - 55,1 61,0 31,1<br />
ratio 2,8 2,6 5,7<br />
25 % + 134,1 137,1 152,0<br />
25 % - 66,6 68,3 44,3<br />
ratio 2,0 2,0 3,4<br />
10 % + <strong>und</strong> 25 % +: die Regionen mit dem<br />
höchsten Pro-Kopf-BIP (KKS), <strong>der</strong>en Anteil<br />
an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>EU</strong> 10 %<br />
bzw. 25 % beträgt.<br />
10 % - <strong>und</strong> 25 % -: die Regionen mit dem<br />
niedrigsten Pro-Kopf-BIP (KKS), <strong>der</strong>en Anteil<br />
an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>EU</strong> 10 %<br />
bzw. 25 % beträgt.<br />
Quelle: Eurostat<br />
Ökonomische Bedeutung von Struktur-<br />
<strong>und</strong> <strong>Kohäsion</strong>sfondsmitteln<br />
GR IE ES PT<br />
<strong>in</strong> % des BIP<br />
1989-93 2,6 2,5 0,7 3,0<br />
1994-99 3,0 1,9 1,5 3,3<br />
2000-06 2,8 0,6 1,3 2,9<br />
<strong>in</strong> % <strong>der</strong> Bruttoanlage<strong>in</strong>vestitionen<br />
1989-93 11,8 15,0 2,9 12,4<br />
1994-99 14,6 9,6 6,7 14,2<br />
2000-06 12,3 2,6 5,5 11,4<br />
Quelle: Europäische Kommission;
8. Februar 2001<br />
Aktuelle Themen<br />
gal, Spanien) gestaltet sich <strong>der</strong> <strong>Konvergenz</strong>prozess <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>EU</strong> mühsam.<br />
Die Kommission geht davon aus, dass weitere 20 Jahre erfor<strong>der</strong>lich<br />
s<strong>in</strong>d, um das Wohlstandsgefälle <strong>in</strong> <strong>der</strong> heutigen <strong>EU</strong> zu beseitigen. Diese<br />
E<strong>in</strong>schätzung muss mit Blick auf die anstehende Osterweiterung zu<br />
denken geben.<br />
Osterweiterung verän<strong>der</strong>t För<strong>der</strong>landschaft<br />
In e<strong>in</strong>er <strong>EU</strong>-27 würden sich die E<strong>in</strong>kommensunterschiede aus heutiger<br />
Sicht verdoppeln, das durchschnittliche Pro-Kopf-E<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong> <strong>EU</strong><br />
würde um 18% s<strong>in</strong>ken:<br />
Die Disparitäten werden sich deutlich verschärfen. Während die rückständigen<br />
Regionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>EU</strong> 1998 e<strong>in</strong> Pro-Kopf-BIP von 66% des<br />
<strong>EU</strong>-Durchschnitts erreichten, wird dieser Wert unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> Bewerberlän<strong>der</strong> auf etwa 48% abs<strong>in</strong>ken.<br />
Der Anteil <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>in</strong> Regionen mit e<strong>in</strong>em Pro-Kopf-E<strong>in</strong>kommen<br />
von weniger als 75% des gegenwärtigen <strong>EU</strong>-Durchschnitts<br />
(Grenzwert für die höchste För<strong>der</strong>stufe <strong>der</strong> Strukturfonds) wird von<br />
19% auf 36% (174 Mio) <strong>der</strong> gesamten <strong>EU</strong>-27 Bevölkerung steigen<br />
bzw. auf 26%, wenn als Grenzwert das durchschnittliche Pro-Kopf-<br />
E<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong> <strong>EU</strong>-27 genommen wird.<br />
30% <strong>der</strong> Bevölkerung würden dann <strong>in</strong> Mitgliedslän<strong>der</strong>n mit e<strong>in</strong>em<br />
Pro-Kopf-E<strong>in</strong>kommen von weniger als 90% des <strong>EU</strong>-Durchschnitts<br />
(Grenzwert für Mittel aus dem <strong>Kohäsion</strong>sfonds) leben gegenüber<br />
rd. 15% <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>EU</strong>-15.<br />
Auch wenn sich das Wohlstandsniveau <strong>der</strong> Bewerberlän<strong>der</strong> bis zu ihrem<br />
tatsächlichen Beitritt noch erhöhen wird (v.a. <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n, die voraussichtlich<br />
deutlich später <strong>der</strong> <strong>EU</strong> beitreten werden wie Rumänien <strong>und</strong><br />
Bulgarien), werden mit wenigen Ausnahmen (z.B. Prag) alle dortigen<br />
Regionen Anspruch auf die höchste För<strong>der</strong>kategorie haben. Die Implikationen<br />
für die zukünftige Regionalför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>EU</strong>-27 s<strong>in</strong>d daher<br />
beachtlich: Entwe<strong>der</strong> wird die <strong>EU</strong> Strukturpolitik unter Effizienz- <strong>und</strong><br />
Kostenaspekten gr<strong>und</strong>legend reformiert <strong>und</strong> verfügbaren Mittel zu den<br />
künftigen Neumitglie<strong>der</strong>n umgeschichtet, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzbedarf steigt<br />
deutlich über die mit <strong>der</strong> Agenda 2000 vere<strong>in</strong>barte Budgetobergrenze<br />
von 1,27% des <strong>EU</strong>-BIP (Portugal z.B. erhält für 2000/2006 mit <strong>EU</strong>R<br />
348 pro Kopf <strong>und</strong> Jahr <strong>der</strong>zeit die höchste För<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>EU</strong>-15, se<strong>in</strong><br />
Pro-Kopf-E<strong>in</strong>kommen ist aber fast doppelt so hoch wie das Polens).<br />
Das Institut für Weltwirtschaft, Kiel, schätzt, dass sich bei Fortschreibung<br />
<strong>der</strong> bestehenden För<strong>der</strong>kriterien die Transfers um <strong>EU</strong>R 20 Mrd p.a. erhöhen<br />
müßten, was e<strong>in</strong>er Aufstockung <strong>der</strong> gegenwärtigen Mittel um<br />
75% entspräche.<br />
Rückständige Regionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>EU</strong><br />
<strong>EU</strong>15 <strong>EU</strong>26<br />
<strong>EU</strong>15=100 <strong>EU</strong>15=100 <strong>EU</strong>26=100<br />
Zahl <strong>der</strong> Regionen unter<br />
<strong>der</strong> 75%-Schwelle*<br />
46 97 70<br />
Bevölkerung <strong>in</strong> diesen Regionen<br />
(<strong>in</strong> Millionen)<br />
71 174 125<br />
Bevölkerungsanteil <strong>der</strong> <strong>EU</strong>15/26 19% 36% 26%<br />
BIP pro Kopf (KKS)<br />
<strong>in</strong> den Regionen unter <strong>der</strong> 75%-Schwelle<br />
66 48 46<br />
* 75 % des durchschnittlichen <strong>EU</strong>-BIP pro Kopf<br />
Quelle: Eurostat, <strong>EU</strong>26 ohne Malta, 1998<br />
Economics<br />
DK<br />
IE<br />
AT<br />
DE<br />
<strong>EU</strong><br />
ES<br />
PT<br />
SI<br />
GR<br />
CZ<br />
HU<br />
PL<br />
Wohlstandskluft <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
erweiterten <strong>EU</strong>*<br />
0 20 40 60 80 100 120 140<br />
*BIP pro Kopf, KKS, <strong>EU</strong>-15=100,<br />
Zahlen für 2000<br />
Quelle: DBR, eigene Berechnungen<br />
Erweiterte <strong>EU</strong> mit deutlich<br />
niedrigeren Pro-Kopf-E<strong>in</strong>kommen ...<br />
... <strong>und</strong> verschärften <strong>Wohlstandsunterschiede</strong>n<br />
Anteil <strong>der</strong> “ärmeren“ Bevölkerung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>EU</strong> steigt<br />
... mit entsprechenden Konsequenzen<br />
für den <strong>EU</strong>-Haushalt<br />
9
10<br />
Aktuelle Themen<br />
Zeitdruck zur Verständigung auf Reformen steigt<br />
Die Regionalpolitik gehört zusammen mit <strong>der</strong> Agrarpolitik zu den heikelsten<br />
Kapiteln <strong>in</strong> den Beitrittsverhandlungen. Der Verteilungskampf um<br />
die Regionalhilfen hat sich bereits auf dem <strong>EU</strong>-Gipfel <strong>in</strong> Nizza angedeutet,<br />
wo Spanien – mit <strong>EU</strong>R 45 Mrd für die Periode 2000/2006 <strong>der</strong><br />
Hauptnutznießer <strong>der</strong> Strukturpolitik – das E<strong>in</strong>stimmigkeitspr<strong>in</strong>zip bei<br />
strukturpolitischen Entscheidungen auch für die nächste För<strong>der</strong>periode<br />
2007/2013 durchgesetzt hat. Nach den Vorstellungen <strong>der</strong> Kommission<br />
soll über die Regionalpolitik mit den Beitrittslän<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Hälfte<br />
2002 verhandelt werden. Spätestens bis dah<strong>in</strong> müssen sich die <strong>EU</strong>-<br />
Mitglie<strong>der</strong> auf e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Verhandlungsposition gee<strong>in</strong>igt haben.<br />
Die Kommission hat im <strong>Kohäsion</strong>sbericht e<strong>in</strong>ige Diskussionsvorschläge<br />
bzw. Empfehlungen für die Reformdebatte gegeben:<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich sollte e<strong>in</strong>e Konzentration <strong>der</strong> knappen Mittel auf konvergenzför<strong>der</strong>nde<br />
Faktoren (im Wesentlichen Investitionen <strong>in</strong> Sach<strong>und</strong><br />
Humankapital) <strong>und</strong> Projekte von geme<strong>in</strong>schaftlichem Interesse<br />
erfolgen.<br />
Die E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> neuen Mitglie<strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e Überprüfung<br />
<strong>der</strong> För<strong>der</strong>kriterien für die rückständigen Regionen, für <strong>der</strong>en Neufestsetzung<br />
verschiedene Optionen denkbar s<strong>in</strong>d (vgl. Kasten).<br />
H<strong>in</strong>sichtlich des Gesamtvolumens <strong>der</strong> Strukturhilfen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er erweiterten<br />
Union legt die Kommission den Mitgliedstaaten nahe, das 1999<br />
erreichte Niveau von 0,46% des <strong>EU</strong> BIP beizubehalten.<br />
Der <strong>Kohäsion</strong>sfonds sollte bei den neuen Mitglie<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> höheres<br />
Gewicht gegenüber den Strukturfonds erhalten (gegenwärtig etwa<br />
18% an den gesamten Strukturausgaben <strong>in</strong> den <strong>Kohäsion</strong>slän<strong>der</strong>n,<br />
denkbar wären 30%).<br />
Die Kommission schlägt e<strong>in</strong>e Überprüfung sowohl <strong>der</strong> Kof<strong>in</strong>anzierungsquote<br />
(d.h. des Anteils, den die <strong>EU</strong> bei Projekten mitf<strong>in</strong>anziert)<br />
sowie <strong>der</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>barten „Deckelung“ <strong>der</strong> Transfers aus den<br />
Struktur- <strong>und</strong> <strong>Kohäsion</strong>sfonds <strong>in</strong> die Mitgliedstaaten (4% des nationalen<br />
BIP), vor, da diese Beschränkungen dem enormen Entwicklungsbedarf<br />
<strong>der</strong> Bewerberstaaten zuwi<strong>der</strong>laufen könnten.<br />
Zwischen Solidarität <strong>und</strong> Wettbewerb<br />
Auch nach e<strong>in</strong>er gewissen Neuordnung im Rahmen <strong>der</strong> Agenda 2000<br />
s<strong>in</strong>d viele Kritikpunkte an <strong>der</strong> <strong>EU</strong>-Strukturpolitik bestehen geblieben,<br />
die im Zuge <strong>der</strong> Osterweiterung noch wichtiger werden. Sie reichen<br />
von <strong>der</strong> gr<strong>und</strong>sätzlichen Frage nach dem „europäischen Mehrwert“ e<strong>in</strong>er<br />
<strong>EU</strong>-Strukturpolitik (Problem <strong>der</strong> Mitnahmeeffekte, d.h. <strong>EU</strong>-Hilfen lösen<br />
ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Wachstumsimpulse aus) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vergabe nach dem<br />
Gießkannenpr<strong>in</strong>zip (gut 40% <strong>der</strong> <strong>EU</strong> Bevölkerung leben <strong>in</strong> För<strong>der</strong>regionen)<br />
über das Entstehen e<strong>in</strong>er „rent-seek<strong>in</strong>g“ Mentalität bei den Empfängern<br />
bis zu gravierenden Effizienzdefiziten bei <strong>der</strong> Verteilung, beim<br />
E<strong>in</strong>satz <strong>und</strong> beim Controll<strong>in</strong>g <strong>der</strong> Mittel (die seit längerem vom Europäischen<br />
Rechnungshof bemängelt werden).<br />
E<strong>in</strong>e zukunftsorientierte Strukturpolitik sollte folgende Kriterien erfüllen:<br />
Konzentration <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung auf die am meisten bedürftigen Regionen<br />
<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Personengruppen. Aus ökonomischer Sicht zu rechtfertigen<br />
ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> umfangreichen För<strong>der</strong>kulisse dabei nur die Entwicklung<br />
rückständiger Regionen. Die Bewältigung des strukturellen Wandels<br />
<strong>und</strong> v.a. die Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit sollten dem Subsidiaritätspr<strong>in</strong>zip<br />
entsprechend auf nationaler Ebene geregelt werden.<br />
Economics<br />
8. Februar 2001<br />
Optionen für die Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong><br />
höchsten För<strong>der</strong>kategorie nach 2006<br />
– Anwendung des jetzigen Grenzwertes von<br />
75 % des <strong>EU</strong>-Durchschnitts, unabhängig von<br />
<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Beitritte (damit würden alle<strong>in</strong><br />
27 Regionen <strong>der</strong> <strong>EU</strong>-15 mit <strong>in</strong>sgesamt 49 Mio.<br />
E<strong>in</strong>wohner aus <strong>der</strong> höchsten För<strong>der</strong>kategorie<br />
fallen).<br />
– Gleicher Ansatz, zusätzlich erhalten alle Regionen<br />
über dem Grenzwert, die <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
höchsten För<strong>der</strong>kategorie s<strong>in</strong>d, befristete<br />
Unterstützung (Auslaufphase).<br />
– Festlegung e<strong>in</strong>es Grenzwertes für das Pro-<br />
Kopf-BIP, <strong>der</strong> über 75 % des Durchschnittswertes<br />
liegt, so dass <strong>der</strong> Ausschluss <strong>der</strong> bisher<br />
geför<strong>der</strong>ten Regionen <strong>der</strong> <strong>EU</strong>-15 (<strong>der</strong> sich<br />
alle<strong>in</strong> aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Verr<strong>in</strong>gerung des durchschnittlichen<br />
BIP <strong>der</strong> <strong>EU</strong> durch die Erweiterung<br />
ergibt) vermieden wird.<br />
– Die Festlegung von zwei Grenzwerten für<br />
die För<strong>der</strong>fähigkeit (e<strong>in</strong>er für die Regionen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>EU</strong>15 <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er für die Bewerberlän<strong>der</strong>),<br />
was de facto zu zwei Kategorien von rückständigen<br />
Regionen führen würde.<br />
Vorschläge <strong>der</strong> <strong>EU</strong>-Kommission<br />
zur Reform <strong>der</strong> Strukturpolitik<br />
Was wird durch die<br />
Strukturfonds geför<strong>der</strong>t?<br />
Sachkapital<br />
34.8%<br />
Sonstiges<br />
7.0%<br />
Humankapital<br />
23.9%<br />
Programmperiode 2000-2006<br />
Infrastruktur<br />
34.3%
8. Februar 2001<br />
Aktuelle Themen<br />
Das Kriterium <strong>der</strong> Bedürftigkeit sollte durch e<strong>in</strong>e „Erfolgskomponente“<br />
bei <strong>der</strong> Strukturpolitik ergänzt werden. Damit soll verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />
werden, dass die Empfänger von F<strong>in</strong>anztransfer nicht konsequent<br />
genug die Überw<strong>in</strong>dung von Strukturmängeln angehen, um<br />
nicht aus <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung herauszufallen. Dem wie<strong>der</strong>spricht nicht,<br />
dass es e<strong>in</strong>e gewisse Abfe<strong>der</strong>ung für die Regionen geben sollte,<br />
die aus <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung „herauswachsen“.<br />
Ökonomische Effizienz beim E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Mittel muss gegeben se<strong>in</strong>.<br />
Die Kommission hat <strong>in</strong> ihrem <strong>Kohäsion</strong>sbericht zwar e<strong>in</strong>ige Punkte angerissen,<br />
z.B. e<strong>in</strong>e stärkere Konzentration <strong>der</strong> Mittel <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>haltung<br />
objektiver Vergabekriterien, <strong>und</strong> kritische Leitfragen für die kommende<br />
Debatte gestellt. Gleichzeitig gehen aber e<strong>in</strong>ige ihrer Empfehlungen <strong>in</strong><br />
die falsche Richtung. So können es ke<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvollen Optionen se<strong>in</strong>,<br />
das För<strong>der</strong>kriterium für die rückständigen Regionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er erweiterten<br />
<strong>EU</strong> so zu modifizieren, dass alle bisherigen För<strong>der</strong>regionen abgedeckt<br />
werden o<strong>der</strong> unterschiedliche För<strong>der</strong>kriterien für alte <strong>und</strong> neue Mitglie<strong>der</strong><br />
zu etablieren. Die f<strong>in</strong>anzielle Eigenbeteiligung <strong>der</strong> Mitgliedslän<strong>der</strong><br />
sollte zudem eher erhöht werden, um gemäß dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> fiskalischen<br />
Äquivalenz die Kosten-/Nutzenaspekte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Strukturför<strong>der</strong>ung<br />
zu erhöhen. Zur Schärfung des Kostenbewusstse<strong>in</strong>s würde auch beitragen,<br />
die För<strong>der</strong>ung vermehrt als (z<strong>in</strong>slose) Kredite <strong>und</strong> Garantien denn<br />
als Zuschüsse zu geben.<br />
E<strong>in</strong>e am BIP orientierte Deckelung <strong>der</strong> gesamten Transfers <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Mitgliedsland<br />
sollte beibehalten werden, da nach den Erfahrungen <strong>in</strong> den<br />
<strong>Kohäsion</strong>slän<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle Überför<strong>der</strong>ung schnell zur adm<strong>in</strong>istrativen<br />
Überfor<strong>der</strong>ung wird. Überlegenswert ersche<strong>in</strong>t es dagegen, für<br />
die Bewerberlän<strong>der</strong> das Gewicht des <strong>Kohäsion</strong>sfonds gegenüber den<br />
Strukturfonds zu stärken. Die Mittel aus dem <strong>Kohäsion</strong>sfonds fließen<br />
<strong>in</strong> den Aufbau transeuropäischer Verkehrsnetze <strong>und</strong> die Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Umwelt <strong>und</strong> schaffen damit e<strong>in</strong>en Mehrwert für die <strong>EU</strong> <strong>in</strong>sgesamt.<br />
Gleichzeitig liegt die Kof<strong>in</strong>anzierungsquote <strong>der</strong> <strong>EU</strong> bei bis zu 85% <strong>der</strong><br />
erfor<strong>der</strong>lichen öffentlichen Ausgaben <strong>und</strong> berücksichtigt damit die beschränkten<br />
fiskalischen Möglichkeiten <strong>der</strong> neuen Mitglie<strong>der</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
stehen gerade beim Ausbau <strong>der</strong> Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur mit dem Instrument<br />
<strong>der</strong> Public-Private-Partnership den öffentlichen Haushalt entlastende<br />
alternative F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten zur Verfügung.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt: E<strong>in</strong>e konsequente Orientierung an den oben genannten<br />
Kriterien (für <strong>der</strong>en praktische Ausgestaltung es e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />
von konkreten Vorschlägen gibt) würde sicherstellen, dass sich die bisher<br />
Begünstigten <strong>der</strong> Strukturpolitik nicht weitgehend zu Lasten <strong>der</strong> neuen<br />
Mitglie<strong>der</strong> ihre Besitzstände sichern <strong>und</strong> dass die <strong>Kohäsion</strong>spolitik auch<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> erweiterten Union bezahlbar bleibt. Ob sich dafür aber politische<br />
Mehrheiten, genauer e<strong>in</strong> Konsens (E<strong>in</strong>stimmigkeitspr<strong>in</strong>zip) auf europäischer<br />
Ebene f<strong>in</strong>den lässt, ist eher fraglich.<br />
Barbara Böttcher, +49 69 910-31787 (barbara.boettcher@db.com)<br />
Economics<br />
Anreize zur Überw<strong>in</strong>dung von<br />
Strukturmängeln schaffen<br />
Empfehlungen <strong>der</strong> Kommission<br />
gehen z.T. <strong>in</strong> die falsche Richtung<br />
<strong>Kohäsion</strong>sfonds 2000-2006<br />
<strong>EU</strong>R 18 Mrd. für Verkehr <strong>und</strong> Umwelt<br />
Anteile <strong>der</strong> Empfängerlän<strong>der</strong><br />
PT<br />
17%<br />
GR<br />
17%<br />
IE<br />
4%<br />
ES<br />
62%<br />
Konsens für Reformen fraglich<br />
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