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ZWISCHEN PATHOS UND NOT<br />
„Die fi<strong>de</strong>len Weinheimer“ von <strong>de</strong>m<br />
in Freiburg stationierten Gebirgsjäger-Regiment<br />
Nr. 3.<br />
Bild: privat<br />
Die Kriegsküche steht, wie die<br />
Kriegsschuhflickerei, unter <strong>de</strong>r<br />
Leitung von Ella Andreae (im weißen<br />
Kopftuch). Neben ihr ist die<br />
Hauswirtschaftslehrerin Fräulein<br />
Wahl zu sehen, die stellvertreten<strong>de</strong><br />
Leiterin <strong>de</strong>r Kriegsküche.<br />
Bild: Stadtarchiv<br />
10<br />
Die Notwendigkeit, Lebensmittelvorräte in Kriegsund<br />
Notzeiten gleichmäßig einzuteilen und zu verteilen,<br />
führt im Ersten Weltkrieg zu Gemeinschaftsküchen.<br />
Ein Pionier <strong>de</strong>r gemeinsamen Speisung<br />
ist die sogenannte Gulaschkanone. Ihr Erfolg<br />
ist so groß, dass sie <strong>de</strong>n Ansprüchen bald nicht<br />
mehr genügen kann. An ihre Stelle treten Volksund<br />
Mittelstandsküchen, in <strong>de</strong>nen nicht nur Speisen<br />
<strong>zum</strong> sofortigen Verzehr, son<strong>de</strong>rn auch <strong>zum</strong> Verbrauch<br />
im Haushalt ausgegeben wer<strong>de</strong>n. Im Herbst<br />
1916 richtet auch die Stadt Weinheim eine Kriegsküche<br />
ein, in <strong>de</strong>r Eintopfgerichte o<strong>de</strong>r eine kräftige<br />
Suppe gekocht und zu billigen Preisen abgegeben<br />
wer<strong>de</strong>n. Kartoffeln, Gemüse und Kräuter wer<strong>de</strong>n im<br />
Kriegsküchengarten angepflanzt. Dazu ist <strong>de</strong>r städtische<br />
Festplatz zwischen <strong>de</strong>m Wasserwerk und <strong>de</strong>m<br />
Schlachthof an <strong>de</strong>r Viernheimer Straße in einen<br />
Garten umgewan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n. Die städtische<br />
Kriegsküche wird mit Gemein<strong>de</strong>ratsbeschluss
vom 15. März 1920 wie<strong>de</strong>r eingestellt. Die Beschlagnahme<br />
fast aller Lebensmittel und Bekleidungsstücke<br />
durch die Heeresverwaltung und die<br />
gleichzeitige Unmöglichkeit, sich notwendige Dinge<br />
an<strong>de</strong>rs als auf Umwegen zu verschaffen, sorgen in<br />
<strong>de</strong>n harten Kriegsjahren zwischen 1916 und 1918<br />
für Preise, die für die meisten Bürger unerschwinglich<br />
sind. Konfirmationsstiefel kosten sündhaft<br />
teure 80 bis 100 Mark. Le<strong>de</strong>r ist zu Militärzwecken<br />
beschlagnahmt, und selbst die Einwohner Weinheims,<br />
das Sitz <strong>de</strong>r größten Le<strong>de</strong>r-Produktionsstätten<br />
ist, sind „schuhlos wie die Südseeinsulaner“<br />
(Chronik <strong>de</strong>r Kriegsschuhflickerei Weinheim, 1919).<br />
Da muss Abhilfe geschaffen wer<strong>de</strong>n. Ella Andreae,<br />
Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Ortsgruppe Weinheim im Badischen<br />
Verband für Frauenbestrebungen, grün<strong>de</strong>t dazu die<br />
Kriegsschuhflickerei. Von etwa 30 Frauen aus allen<br />
Gesellschaftsschichten wer<strong>de</strong>n aus geschenkten<br />
alten Stoffen Hausschuhe hergestellt. Gleichzeitig<br />
bessern sieben Kriegsgefangene aus Russland und<br />
Frankreich, im Zivilberuf Schuhmacher, Le<strong>de</strong>rschuhe<br />
und Stiefel aus. Später wird die Produktion auf<br />
Strohschuhe ausgeweitet. Mit Unterstützung <strong>de</strong>r<br />
Reichskontrollstelle, die Le<strong>de</strong>r und an<strong>de</strong>res Material<br />
zur Verfügung stellt, und mit motorgetriebenen<br />
Maschinen wird es schließlich möglich, 10.000<br />
Menschen mit <strong>de</strong>m Notwendigsten zu versorgen.Vorsitzen<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Trägervereins, <strong>de</strong>r mit seinem<br />
bürgerschaftlichen Engagement die Stadtkasse und<br />
<strong>de</strong>n städtischen Unterstützungsfonds für Familien<br />
von Kriegsteilnehmern und von Armen entlasten<br />
will, ist Frau Däublin, die Gattin <strong>de</strong>s evangelischen<br />
Dekans, kaufmännischer Berater ist Le<strong>de</strong>rfabrikant<br />
und Stadtrat Max Hirsch. 1919 stellt die Kriegsschuhflickerei<br />
ihre segensreiche Arbeit ein. Von<br />
ihrem Bankkonto können die heimkehren<strong>de</strong>n<br />
Kriegsgefangenen, die Frauenvereine, das Pilgerhaus<br />
und drei Kin<strong>de</strong>rgärten unterstützt wer<strong>de</strong>n.<br />
11<br />
ZWISCHEN PATHOS UND NOT<br />
In <strong>de</strong>n Werkräumen <strong>de</strong>r<br />
Le<strong>de</strong>rzurichterei Reinig arbeiten die<br />
Weinheimer Frauen.<br />
Bild: WN-Archiv