DIE WOHNPLÄTZE - Pipeline
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DER RELIEFSTEIN VON EISENBACH · DER TOUTONENSTEIN VON MILTENBERG<br />
Der Reliefstein von Rüdenau in<br />
der Nordwand der Kirche<br />
DER RELIEFSTEIN<br />
VON EISENBACH<br />
Das Kultobjekt aus Sandstein<br />
mit nur einer sitzenden Matrone<br />
ist stark verwittert und hat die<br />
Abmessungen von 90 Zentimetern<br />
Höhe und 60 Zentimetern<br />
Breite. Es ist in der äußeren<br />
Friedhofsmauer von Eisenbach<br />
im unteren Mümlingtal eingemauert.<br />
Ursprünglich war das<br />
Kultbild sicher aus einem Stein<br />
gehauen. Zerstörungen führten<br />
dazu, dass es mehrmals ausgebessert<br />
wurde. Die Darstellung<br />
zeigt eine mütterliche Frau, die<br />
eine Schüssel voller Früchte auf<br />
dem Schoß hält. Schwache<br />
Umrisse deuten an, dass sie mit<br />
einem langen Umhang bekleidet<br />
sein soll. Das Gesicht ist zerschlagen.<br />
Die langen wallenden<br />
Haare sind noch auszumachen.<br />
Damit hat das Relief, obwohl es<br />
nur aus einer Matrone besteht,<br />
sehr viel Ähnlichkeit mit dem<br />
Matronenbild von Mümling-<br />
38<br />
Das Standsteinrelief in der Friedhofsmauer<br />
Grumbach. Rätselhaft sind die<br />
beiden links und rechts neben<br />
der Figur stehenden verschiedenartigen<br />
Flaschengefäße. Über<br />
ihre Bedeutung ist nichts<br />
bekannt, doch ist anzunehmen,<br />
dass ihre gedachte Funktion in<br />
unmittelbarem Zusammenhang<br />
mit der Matronenverehrung zu<br />
sehen ist. Nach der gekonnten<br />
Steinmetzarbeit zu urteilen,<br />
müsste das Relief ebenfalls in<br />
der Römerzeit entstanden sein.<br />
DER TOUTONENSTEIN<br />
VON MILTENBERG<br />
Im Jahre 1878 fand man bei<br />
Miltenberg auf der benachbarten<br />
Anhöhe Greinberg im<br />
Außenbereich der keltischen<br />
Ringwallanlage eine fast fünf<br />
Meter lange, in zwei Teile zerbrochene<br />
Steinsäule. Die eher an<br />
einen Menhir erinnernde Felsnadel<br />
trägt eine Inschrift mit lateinischen<br />
Buchstaben. Dem Finder<br />
Conradi war sofort bewusst, dass<br />
die Beschriftung eine besondere<br />
Bedeutung haben musste und<br />
ließ den Stein sichern. Lange<br />
Jahre wurde die Steinsäule im<br />
Garten der Burg Miltenberg aufbewahrt,<br />
bis sie in jüngster Vergangenheit<br />
einen würdigen<br />
Platz im Miltenberger Schnatterloch-Museum<br />
fand. (15)<br />
Die in die Felsnadel mit lateinischen<br />
Buchstaben eingeschlagene<br />
Schrift ist noch heute für die<br />
Geschichtsforschung ein ungelöstes<br />
Rätsel.<br />
Unstrittig ist die Ausführung der<br />
lateinischen Buchstaben, nur was<br />
sie inhaltlich aussagen sollten, ist<br />
umstritten. Es ist anzunehmen,<br />
dass der Fundort auch einmal der<br />
ursprüngliche Standort des von<br />
Menschenhand errichteten Steines<br />
war. Er stand also im nordöstlichsten<br />
Grenzgebiet der römischen<br />
Provinz Obergermanien.<br />
Damit kann als gesichert ange-
Lange Jahre wurde der geschichtsträchige<br />
Stein im Garten der Burg<br />
Miltenberg aufbewahrt. Heute hat<br />
er einen würdigen Platz im Miltenberger<br />
Schnatterloch-Museum<br />
gefunden<br />
nommen werden, dass es sich um<br />
einen ehemaligen Grenzstein<br />
handelt. Da die Grenzmarkierung<br />
im Bereich der römischen Besatzung<br />
stand, könnte er von ihnen<br />
aufgestellt oder zumindest von<br />
ihnen geduldet worden sein.<br />
Der italienische Altertumsforscher<br />
Santo Mazzarino, ein anerkannter<br />
Antikwissenschaftler,<br />
hat sich mit der geheimnisvollen<br />
Botschaft auf der Felsnadel von<br />
Miltenberg befasst. Nach seiner<br />
Interpretation sind die sechs<br />
Inschriftzeilen eine in lateinischen<br />
Buchstaben ausgefertigte<br />
keltische Inschrift (Die Kelten<br />
hatten keine eigene Schrift). Wie<br />
39<br />
bekannt, war das Gebiet rechts<br />
des Rheines freies keltisch-germanisches<br />
Gebiet, was auch der<br />
römische Geschichtsschreiber<br />
Tacitus bezeugt.<br />
Als nun unter Kaiser Domitian<br />
ab 80 n. Chr. die römische Provinz<br />
weiter nach Osten mit dem<br />
Bau des Odenwaldlimes ausgedehnt<br />
wurde, weisen keinerlei<br />
Spuren mehr auf das Vorhandensein<br />
eines keltischen Stammes<br />
der Toutonen im Bereich<br />
Miltenbergs hin. Also, folgert<br />
Mazzarino, muss der Grenzstein<br />
schon in vorrömischer Zeit<br />
errichtet worden sein. Darauf<br />
deutet auch die archaische Form<br />
DER TOUTONENSTEIN VON MILTENBERG<br />
Schautafel über dem Toutonenstein Inschrift auf dem Stein<br />
der Buchstaben hin, was auch<br />
von anderen Altertumsforschern<br />
anerkannt wird. Die Buchstaben<br />
und ihre Bedeutung sind laut<br />
Mazzarino wie folgt zu interpretieren:<br />
Die Worte INTER und TOUTO-<br />
NOS sind voll ausgeschrieben.<br />
Das im Lateinischen oft gebrauchte<br />
Wort INTER findet<br />
sich auch in keltischen sprachlichen<br />
Zusammenhängen und ist<br />
mit „zwischen oder innerhalb“<br />
zu übersetzen. Die Umschrift in<br />
der zweiten Reihe ist durch<br />
einen Doppelpunkt getrennt<br />
und liest sich eindeutig als<br />
TOUTONOS. Dieses Wort ist kel-
<strong>DIE</strong> <strong>WOHNPLÄTZE</strong> DER KELTEN · DER HEILIGENBERG BEI HEIDELBERG<br />
tischen Ursprungs und weist auf<br />
einen keltischen Volksstamm.<br />
Damit ist der Eingangstext mit<br />
„Innerhalb (des Gebietes der)<br />
Toutonen“ aufzulösen. Besondere<br />
Aufmerksamkeit widmet<br />
Mazzarino den untereinander<br />
geschriebenen Buchstaben der<br />
Reihen drei bis sechs. Er widerspricht<br />
anderen Deutungen, welche<br />
die Buchstaben C; A; H; I;<br />
als Anfangsbuchstaben der Keltenstämme<br />
Cimbern, Ambronen,<br />
Haruden und I (ussu) auf die<br />
anwesende römische Autorität<br />
beziehen könnten. Ein gemeinsamer<br />
Grenzstein für drei Keltenstämme<br />
ist unwahrscheinlich,<br />
da, wie die Geschichte lehrt, die<br />
Kelten untereinander ständig in<br />
Streit lebten. Mazzarino liest die<br />
Buchstaben von oben nach<br />
unten als Wort CAHI. In dieser<br />
Worthülse, so glaubt er, steckt<br />
als Wurzel das keltische Hauptwort<br />
CAGIO, mit der Bedeutung<br />
„Umfriedeter Bezirk oder Territorium“.<br />
Damit hätte der Monolith<br />
als Grenzstein auf den<br />
Hoheitsanspruch der angrenzenden<br />
Toutonen hinzuweisen. Der<br />
Stamm der Toutonen könnte<br />
eine kleine Volksgruppe mit Sitz<br />
im Raume Miltenberg gewesen<br />
sein und darf nicht mit dem<br />
bekannteren Stamm der Teutonen<br />
verwechselt werden. Sollte<br />
diese Annahme stimmen, so<br />
könnten die Toutonen auch die<br />
Erbauer der gewaltigen Ring-<br />
Auf dem Greinberg, etwa 100<br />
Meter südlich der historischen<br />
Ringwallanlage, befindet sich der<br />
Ort, an dem im Jahre 1878 der<br />
berühmte Toutonenstein gefunden<br />
wurde. Dereinst haben ihn vorzeitliche<br />
Steinhauer von einem<br />
gewachsenen Sandsteinfelsen<br />
abgetrennt. Noch heute sind die<br />
Spuren der Steinmetzarbeiten am<br />
Felsspalt zu sehen. Auf der Steinoberfläche<br />
hat der Finder, vermutlich<br />
der Geschichtsforscher Conradi,<br />
folgende Schrift einmeißeln<br />
lassen:<br />
„HIER STAND DER RÖMISCH-<br />
DEUTSCHE GRENZSTEIN TEUTO-<br />
NENSTEIN.“<br />
wallanlagen auf dem Greinberg<br />
und auf dem benachbarten<br />
Wannenberg gewesen sein.<br />
Zusammenfassend kann gesagt<br />
werden, dass die lateinische<br />
Umschrift auf der Steinsäule<br />
sehr wahrscheinlich keltischen<br />
Ursprungs ist und übersetzt<br />
bedeutet:<br />
„Im Bereich der Toutonon, ein<br />
begrenzter, umfriedeter Bezirk!“<br />
40<br />
<strong>DIE</strong> <strong>WOHNPLÄTZE</strong><br />
DER KELTEN<br />
In der berühmten „Palatinatus<br />
ad Rhenum“ (die Pfalz beim<br />
Rhein) einer kolorierten Kupferstich-Landkarte<br />
mit lateinischer<br />
Beschreibung aus dem Jahr um<br />
1600 n. Chr. wird die Stadt Heidelberg<br />
wie folgt beschrieben:<br />
„Der Name Heidelberg stammt<br />
von den Heiden, die im Deutschen<br />
„Heyden“ genannt werden,<br />
dass sie also gleichsam<br />
„Berg der Heiden“ heißt. Die<br />
Stadt selbst ist groß und außergewöhnlich.<br />
Das benachbarte<br />
Ackerland ist fruchtbar an allen<br />
zum Leben notwendigen Dingen,<br />
da die Berge voll sind von Weinbergen<br />
und Kastanien, das<br />
Ackerland voller Saat, die Wälder<br />
voller Tiere, die Flüsse voller<br />
Fische und die Täler voller Quellen...“<br />
Bei diesen günstigen Voraussetzungen<br />
nimmt es nicht Wunder,<br />
dass der Kulturraum in und um<br />
Heidelberg schon seit Urzeiten<br />
bevorzugt von Menschen besiedelt<br />
wurde.<br />
DER HEILIGENBERG BEI<br />
HEIDELBERG<br />
Der nördlich von Heidelberg<br />
gelegene Höhenzug dürfte zu<br />
den ältesten Wohnstätten in<br />
Mitteleuropa, weit über den<br />
Odenwald hinaus, zu zählen<br />
sein. Spuren menschlicher<br />
Besiedlung können durchgängig<br />
von der Steinzeit bis heute nachgewiesen<br />
werden. Bandkeramische<br />
Gefäßscherben, Steinbeile<br />
und Steinmesser wurden hier<br />
gefunden und beweisen, dass<br />
sich Menschen schon zur Steinzeit<br />
hier aufgehalten haben. Die<br />
Bronzezeit ist durch den Fund<br />
einer Ziernadel und einer Hornstein-Pfeilspitze<br />
belegt. Aus der<br />
Epoche der Urnenfelderzeit haben<br />
sich reichlich Gefäßscherben<br />
mit den typischen Fingerdruck-<br />
Verzierungen der Zeit gefunden.<br />
Da diese Scherben nachweislich<br />
aus Fehlbränden stammen, muss<br />
auf dem Berg eine Tonwarenproduktion<br />
mit entsprechender<br />
Besiedelung bestanden haben.<br />
Die Kelten der Eisenzeit siedelten<br />
dort und schützten sich<br />
gegen feindliche Angriffe durch<br />
gewaltige Ringwallanlagen. Am<br />
höchsten Punkt des Berges richteten<br />
sie ihr Heiligtum ein, das<br />
auch später noch von den neuen<br />
Herrn, den Römern, genutzt<br />
wurde. Die Römer erkannten die<br />
strategische Bedeutung des