Sonstige Informationen - Buchhandel.de
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1 Wachstumsstrategien für Unternehmen<br />
Die überwiegen<strong>de</strong> Mehrheit explizit formulierter Unternehmensstrategien<br />
hat eines gemeinsam: Als Ziel wird das Wachstum <strong>de</strong>s Unternehmens<br />
festgelegt, das sich i.d.R. über eine Steigerung <strong>de</strong>s Umsatzes<br />
<strong>de</strong>finiert. I<strong>de</strong>alerweise sind solche Wachstumsstrategien mit <strong>de</strong>r Nebenbedingung<br />
<strong>de</strong>s profitablen Wachstums verknüpft, auf welche Weise auch<br />
immer die Profitabilität gemessen wird. So formuliert z.B. <strong>de</strong>r DAX-<br />
Konzern Lufthansa: „Chancen für profitables Wachstum … nutzen“. 1<br />
1.1 Produkt-Markt-Matrix<br />
Doch alleiniges Postulieren führt noch nicht zum Wachstum – es sollte<br />
auch spezifiziert wer<strong>de</strong>n, wo und womit man das Wachstum erzielen<br />
will. Die Unternehmen müssen dabei in <strong>de</strong>r Praxis fernab von Pressemitteilungen<br />
noch <strong>de</strong>utlich konkreter wer<strong>de</strong>n, um die operative Umsetzung<br />
von Wachstumsstrategien zu ermçglichen – sowohl „international“<br />
als auch „Zukunftsmarkt“ sind sehr <strong>de</strong>hnbare Begriffe. Ein Instrument<br />
zur Spezifikation strategischer Wachstumsfel<strong>de</strong>r ist Ansoffs Produkt-<br />
Markt-Matrix 2 (s. Abb. 1):<br />
Bestehen<strong>de</strong><br />
Märkte<br />
Neue<br />
Märkte<br />
Bestehen<strong>de</strong> Produkte Neue Produkte<br />
Marktdurchdringung Produktentwicklung<br />
Intensivierung <strong>de</strong>r<br />
Marktbearbeitung<br />
Relaunch<br />
Kosten- und Preissenkung<br />
…<br />
Markterweiterung<br />
Marktausweitung<br />
Neue Abnehmerschichten<br />
Neue Distributionskanäle<br />
Neue Verwendungszwecke<br />
…<br />
Abb. 1: Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff<br />
Völlig neue Produkte<br />
Neue Produktlinien<br />
Neue Produktversionen<br />
…<br />
Diversifikation<br />
Vertikale Integration<br />
Laterale Integration<br />
Produktinnovation<br />
1<br />
Vgl. http://investor-relations.lufthansa.com/fakten-zum-unternehmen/konzernstrategie/profitables-wachstum.html,<br />
Abrufdatum 30.01.2013.<br />
2<br />
Ansoff, Checklist for Competitive and Competence Profiles; Corporate Strategy, 1965,<br />
S 98–99.<br />
97<br />
Unternehmensstrategien<br />
Spezifizieren von<br />
Wachstumsfel<strong>de</strong>rn
WachstumsstrategieProduktentwicklung<br />
Umsetzung & Praxis<br />
Dabei wer<strong>de</strong>n Wachstumsstrategien in Form von Produkt-Markt-Kombinationen<br />
formuliert, wobei 4 Fälle zu unterschei<strong>de</strong>n sind:<br />
• Marktdurchdringung: Das Unternehmen strebt an, in einem bestehen<strong>de</strong>n<br />
Markt zu wachsen, in<strong>de</strong>m es <strong>de</strong>n Marktanteil bereits<br />
bestehen<strong>de</strong>r Produkte erhçht. Dies kann durch die Erhçhung <strong>de</strong>s<br />
Absatzes bei bestehen<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Verkauf <strong>de</strong>r Produkte an neue<br />
Kun<strong>de</strong>n in bestehen<strong>de</strong>n Märkten, die Gewinnung von Kun<strong>de</strong>n, die<br />
vorher bei <strong>de</strong>r Konkurrenz gekauft haben, o<strong>de</strong>r eine Kombination aus<br />
diesen Mçglichkeiten geschehen.<br />
• Produktentwicklung: Das Unternehmen versucht, die Bedürfnisse<br />
seines bestehen<strong>de</strong>n Marktes mit komplett neuen Produkten (Innovationen)<br />
o<strong>de</strong>r durch die Entwicklung zusätzlicher Produktlinien,<br />
-varianten o<strong>de</strong>r neuer Produktgenerationen zu befriedigen.<br />
• Marktentwicklung: Das Unternehmen versucht, die Zielgruppe für<br />
bereits bestehen<strong>de</strong> Produkte durch Erschließung neuer Marktsegmente<br />
(kun<strong>de</strong>nbezogen) o<strong>de</strong>r neuer geografischer Regionen (regional,<br />
national, international) zu vergrçßern. Auch <strong>de</strong>r Einsatz neuer<br />
Distributionskanäle o<strong>de</strong>r neue Verwendungszwecke bestehen<strong>de</strong>r Produkte<br />
fallen in diesen Bereich.<br />
• Diversifikation: Die Produktdiversifikation ist die risikoreichste <strong>de</strong>r 4<br />
betrachteten Wachstumsstrategien: Sie erfor<strong>de</strong>rt nicht nur die Entwicklung<br />
eines neuen Produkts, son<strong>de</strong>rn gleichzeitig die Erschließung<br />
neuer Märkte. Abhängig vom Grad <strong>de</strong>r Risikobereitschaft kann man<br />
3 Typen <strong>de</strong>r Diversifikationsstruktur unterschei<strong>de</strong>n: horizontale, vertikale<br />
und laterale Diversifikation.<br />
Diese von Ansoff beschriebenen strategischen Stoßrichtungen schließen<br />
sich natürlich nicht gegenseitig aus – so kann ein Unternehmen eine<br />
Marktdurchdringungsstrategie in bestehen<strong>de</strong>n Märkten verfolgen, während<br />
zeitgleich in neuen geografischen Märkten eine Marktentwicklungsstrategie<br />
verfolgt wird.<br />
1.2 BCG-Matrix<br />
Dieser Beitrag betrachtet das Wachstum durch Neuprodukte (Produktentwicklung<br />
und Diversifikation) näher. Dabei stellt sich zunächst die<br />
Frage, für welche Unternehmen diese Art von Wachstumsstrategie<br />
beson<strong>de</strong>rs wichtig ist. Einen Anhaltspunkt dafür gibt die Produktlebenszyklusbetrachtung,<br />
die sich z.B. im bekannten Portfolio <strong>de</strong>r Boston<br />
Consulting Group (BCG-Matrix) manifestiert: Unternehmen, <strong>de</strong>ren<br />
Produkte einen endlichem Lebenszyklus durchlaufen, müssen ständig<br />
für einen „Nachschub“ neuer Produkte sorgen, man spricht hier auch<br />
von <strong>de</strong>r „Entwicklungspipeline“.<br />
98
Die Zeitachse ist hier stark branchenspezifisch: Während erfolgreiche<br />
Medikamente oft über viele Jahrzehnte vermarktet wer<strong>de</strong>n (wenn auch<br />
nach Ablauf <strong>de</strong>s Patentschutzes von vielen Unternehmen), ist es in vielen<br />
Bereichen <strong>de</strong>r Softwarebranche üblich, im Halbjahres- o<strong>de</strong>r Jahresrhythmus<br />
neue Versionen („Releases“) auf <strong>de</strong>n Markt zu bringen.<br />
In <strong>de</strong>r BCG-Matrix (s. Abb. 2) sind diese neu entwickelten Produkte die<br />
Fragezeichen, von <strong>de</strong>nen immer genug nachkommen müssen, was i.d.R.<br />
durch eigene Produktentwicklung geschieht, aber alternativ auch durch<br />
Einlizenzierung o<strong>de</strong>r eine Unternehmensübernahme erfolgen kann. Nur<br />
wenn Produkte einen sehr langen o<strong>de</strong>r praktisch unbegrenzten Produktlebenszyklus<br />
haben (z.B. Grundnahrungsmittel o<strong>de</strong>r Rohstoffe), spielt<br />
die Produktentwicklung eine untergeordnete Rolle. Doch wie kann eine<br />
auf Produktentwicklung ausgerichtete Wachstumsstrategie wirksam<br />
umgesetzt und gesteuert wer<strong>de</strong>n?<br />
Abb. 2: BCG-Matrix und Produktlebenszyklus 3<br />
Produktinnovation<br />
3 Quelle: Müller-Stewens/Lechler, Strategisches Management: Wie strategische Initiativen<br />
zum Wan<strong>de</strong>l führen, 2005, S. 305.<br />
99<br />
BCG-Matrix
Schrittweises<br />
Vorgehen<br />
Kennzahlenbasierte<br />
Steuerung<br />
Projektportfolio<br />
Umsetzung & Praxis<br />
2 Neuproduktanteil am Umsatz<br />
Zur Umsetzung von Wachstumsstrategien durch Produktentwicklung<br />
empfiehlt sich eine Vorgehensweise in 5 Stufen (s.a. Abb. 3):<br />
n Schritt 1:<br />
Im Rahmen einer Wachstumsstrategie wer<strong>de</strong>n in aller Regel konkrete<br />
Umsatzziele für einzelne Produkte o<strong>de</strong>r Produktgruppen <strong>de</strong>finiert – oft<br />
auch noch spezifiziert für bestimmte Regionen o<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>ngruppen–,<br />
die zu einem bestimmten Zeitpunkt in <strong>de</strong>r Zukunft (abhängig vom<br />
Zeithorizont <strong>de</strong>r strategischen Planung) erreicht wer<strong>de</strong>n sollen.<br />
n Schritt 2:<br />
Diese Umsatz-„Fernziele“ wer<strong>de</strong>n auf die einzelnen Planjahre heruntergebrochen.<br />
Aus diesen Zielen lassen sich die Zielgrçßen für die Kennzahl<br />
„Neuproduktanteil“ anhand <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Formel berechnen:<br />
Neuproduktanteil =<br />
Umsatz Neuprodukte<br />
Gesamtumsatz<br />
Die exakte Definition, was ein Neuprodukt genau ist, hängt naturgemäß<br />
stark von <strong>de</strong>r jeweiligen Branche und <strong>de</strong>r Dauer <strong>de</strong>r Vermarktung ab. So<br />
<strong>de</strong>finiert z.B. das çsterreichische Beleuchtungsunternehmen Zumtobel<br />
Neuprodukte als Produkte, die nicht älter als 3 Jahre sind, und berichtet<br />
für das Geschäftsjahr 2011/12 Neuproduktanteile von 28,9 % im<br />
Leuchten- und 36,0 % im Komponentensegment. 4 Die Erreichung <strong>de</strong>r<br />
auf Basis dieser Kennzahl <strong>de</strong>finierten Ziele lässt sich dann im weiteren<br />
Verlauf <strong>de</strong>r Strategieumsetzung messen.<br />
n Schritt 3:<br />
Die Produkte, <strong>de</strong>ren Umsatz eingeplant wird, sind noch nicht einmal<br />
entwickelt – zunächst muss also <strong>de</strong>finiert wer<strong>de</strong>n, welche Projekte in<br />
Forschung & Entwicklung durch- o<strong>de</strong>r weitergeführt wer<strong>de</strong>n müssen, um<br />
die zur Erzielung zukünftiger Umsätze nçtigen Produkte zu entwickeln.<br />
Hier ist das Instrument <strong>de</strong>s Projektportfolios von großer Be<strong>de</strong>utung.<br />
n Schritt 4:<br />
Für die neu entwickelten Produkte müssen ausreichen<strong>de</strong> F&E-Projektbudgets<br />
bestimmt wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n gesamten Lebenszyklus ab<strong>de</strong>cken, aber<br />
innerhalb dieses Zyklus zeitlich unterglie<strong>de</strong>rt sind, sodass klar ist, wann<br />
4 Quelle: http://www.zumtobelgroup.com/<strong>de</strong>/4565.htm.<br />
100
welche Budgets bençtigt wer<strong>de</strong>n. Bei oft mehrjährigen Entwicklungsdauern<br />
ist eine reine Geschäftsjahresorientierung hier extrem stçrend.<br />
n Schritt 5:<br />
Aus <strong>de</strong>n F&E-Projektbudgets, die eine zeitliche Zuordnung <strong>de</strong>r Budgetpositionen<br />
beinhalten, lassen sich die F&E-Jahresbudgets und die<br />
F&E-Quote <strong>de</strong>s Unternehmens ableiten.<br />
F&E-Quote =<br />
F&E-Jahresbudget<br />
Jahresumsatz<br />
Hier zeigt sich, dass die weitverbreitete F&E-Budgetierung nach <strong>de</strong>m<br />
Tragfähigkeitsprinzip auf Basis <strong>de</strong>r F&E-Quote im Sinne einer Strategieumsetzung<br />
nicht zielführend ist: Die in vielen Unternehmen im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r Budgetierung geplanten, oft über die Jahre sehr konstanten<br />
F&E-Quoten stehen i.d.R. in keinem ursächlichen Zusammenhang mit<br />
<strong>de</strong>n strategischen Wachstumszielen durch neue Produkte. Eine ausreichen<strong>de</strong><br />
Versorgung strategisch be<strong>de</strong>utsamer F&E-Projekte mit Ressourcen<br />
ist somit nicht gewährleistet.<br />
Strategische<br />
Planung<br />
Wachstumsziele:<br />
Umsatz pro …<br />
… Produktbereich<br />
… Region<br />
… Kun<strong>de</strong>ngruppe<br />
…<br />
Neuproduktanteil<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1 2 3 4 5<br />
Jahr<br />
Für die geplanten<br />
Umsätze benötigte<br />
F&E-Projekte<br />
F&E-Projektbudgets<br />
6.184 7.892 7.330 7.795 29.201<br />
6.184 7.892 7.330 7.795 29.201<br />
17 17 17 17 68<br />
277 235 245 165 922<br />
370 230 183 133 916<br />
375 1.095 160 410 2.040<br />
205 205 155 115 680<br />
402 622 527 1.017 2.568<br />
4.538 5.488 6.043 5.938 22.007<br />
6.184 7.892 7.330 7.795 29.201<br />
6.184 7.892 7.330 7.795 29.201<br />
17 17 17 17 68<br />
277 235 245 165 922<br />
370 230 183 133 916<br />
375 1.095 160 410 2.040<br />
205 205 155 115 680<br />
402 622 527 1.017 2.568<br />
4.538 5.488 6.043 5.938 22.007<br />
Operative<br />
Planung<br />
F&E-Gesamtbudget<br />
F&E-Quote<br />
6.184 7.892 7.330 7.795 29.201<br />
6.184 7.892 7.330 7.795 29.201<br />
17 17 17 17 68<br />
277 235 245 165 922<br />
370 230 183 133 916<br />
375 1.095 160 410 2.040<br />
205 205 155 115 680<br />
402 622 527 1.017 2.568<br />
4.538 5.488 6.043 5.938 22.007<br />
6.184 7.892 7.330 7.795 29.201<br />
6.184 7.892 7.330 7.795 29.201<br />
17 17 17 17 68<br />
277 235 245 165 922<br />
370 230 183 133 916<br />
375 1.095 160 410 2.040<br />
205 205 155 115 680<br />
402 622 527 1.017 2.568<br />
4.538 5.488 6.043 5.938 22.007<br />
1 2 3 4 5<br />
Abb. 3: Neuproduktanteil in <strong>de</strong>r strategischen Planung 5<br />
Dabei stellt sich die Frage, auf Basis welcher Kriterien zu entwickeln<strong>de</strong><br />
Produkte im Rahmen <strong>de</strong>s Strategieprozesses ausgewählt wer<strong>de</strong>n. An<br />
dieser Stelle kommt häufig die Portfoliotechnik zum Einsatz: Ein<br />
5 Vgl. Schmitt, Controller Magazin 2/2012, S. 58–62.<br />
Produktinnovation<br />
101<br />
Projektauswahl<br />
und -bewertung
Ausgewogene<br />
Mischung<br />
Umsetzung & Praxis<br />
Plan-Projektportfolio legt fest, mit welchen Arten von F&E-Projekten<br />
das Unternehmen sich beschäftigen muss, um die strategischen Wachstumsziele<br />
in <strong>de</strong>n einzelnen Planjahren zu erreichen (s. Abb. 4).<br />
hoch<br />
Technologisches Risiko<br />
gering<br />
früh<br />
( Forschung)<br />
Kreisgröße: geschätzter Wertbeitrag<br />
Stadium<br />
Abb. 4: Beispiel für ein F&E-Projektportfolio<br />
spät<br />
( Entwicklung)<br />
Die Auswahl <strong>de</strong>r Achsen wird dabei flexibel gestaltet: Neben <strong>de</strong>n in<br />
Abb. 4 dargestellten Achsen „Technologisches Risiko“ und „Entwicklungsstadium“<br />
wer<strong>de</strong>n häufig<br />
• <strong>de</strong>r Umsatz- o<strong>de</strong>r Wertbeitrag <strong>de</strong>r Projekte,<br />
• <strong>de</strong>r Ressourcenbedarf,<br />
• die relative Wettbewerbsposition o<strong>de</strong>r<br />
• <strong>de</strong>r zu erzielen<strong>de</strong> Kun<strong>de</strong>nutzen<br />
eingesetzt. Ziel ist ein ausgewogenes Portfolio, wie das in Abb. 4 gezeigte<br />
Beispiel ver<strong>de</strong>utlicht; das technologische Risiko soll ausgewogen sein. Da<br />
technologisch riskante F&E-Projekte ein grçßeres Risiko <strong>de</strong>s Scheiterns<br />
(aber auch hçhere potenzielle Wertbeiträge) mit sich bringen, streben<br />
viele Unternehmen an, eine ausgewogene Mischung technologisch<br />
riskanter und weniger riskanter Projekte durchzuführen.<br />
Genauso ausgewogen soll das Entwicklungsstadium sein: Um in <strong>de</strong>r<br />
BCG-Matrix immer genug zukünftige Fragezeichen zu erzeugen, müssen<br />
in je<strong>de</strong>m Entwicklungsstadium von <strong>de</strong>r frühen Forschung bis zur späten<br />
Entwicklung Projekte im Portfolio vorhan<strong>de</strong>n sein. Ansonsten drohen<br />
Geschäftsjahre, in <strong>de</strong>nen die Ziele, <strong>de</strong>n Umsatz durch Neuprodukte zu<br />
steigern, verfehlt wer<strong>de</strong>n. Um <strong>de</strong>r Ausfallwahrscheinlichkeit von F&E-Projekten<br />
Rechnung zu tragen, wird angestrebt, in <strong>de</strong>n frühen Phasen mehr<br />
Projekte ins Portfolio einzubringen.<br />
102
Produktinnovation<br />
3 Erfolgswahrscheinlichkeit und Projektausfallrate<br />
F&E-Projekte sind in allen Phasen risikobehaftet: Von <strong>de</strong>r Validierung <strong>de</strong>r<br />
ursprünglichen I<strong>de</strong>e über die Umsetzung in Form eines Prototypen, eine<br />
eventuelle notwendige behçrdliche Genehmigung bis zur Akzeptanz am<br />
Markt gibt es viele Hür<strong>de</strong>n, an <strong>de</strong>nen ein F&E-Projekt scheitern kann. Es<br />
führt daher kein Weg daran vorbei: Viele einmal begonnene F&E-Projekte<br />
wer<strong>de</strong>n scheitern. Das ist auch gut so: Rechtzeitig gestoppte Projekte<br />
setzen Ressourcen für an<strong>de</strong>re erfolgversprechen<strong>de</strong>re Projekte frei.<br />
Die Projektabbruchquote wird hierbei durch 2 Aspekte bestimmt:<br />
• Eine mçglichst hohe Trefferquote bei <strong>de</strong>r ursprünglichen Projektauswahl.<br />
Dies erfor<strong>de</strong>rt eine gute Kenntnis <strong>de</strong>r Marktanfor<strong>de</strong>rungen<br />
und ein gutes Gespür für das technologisch Machbare.<br />
• Definition passen<strong>de</strong>r Projektabbruchkriterien: Viele Unternehmen<br />
sind unzufrie<strong>de</strong>n, da sie <strong>de</strong>n Eindruck haben, immer die falschen<br />
Projekte zu stoppen. Tatsächlich ist ein Projektabbruch in F&E meist<br />
eine Gratwan<strong>de</strong>rung, da die Ergebnisse oft nicht ein<strong>de</strong>utig sind. So<br />
läuft man ständig Gefahr, erfolgversprechen<strong>de</strong> Projekte abzubrechen<br />
o<strong>de</strong>r wenig erfolgversprechen<strong>de</strong> Projekte weiterzuführen. Vorab<br />
<strong>de</strong>finierte Projektabbruchkriterien („Go/No Go“) an Meilensteinen<br />
führen zu einem effizienten Ressourceneinsatz in F&E.<br />
Während in Organisationen mit geringer Projektmanagementreife Projekte<br />
meist nach wenig rationalen Kriterien wie z.B. nach verlorenen<br />
innerbetrieblichen Machtkämpfen abgebrochen wer<strong>de</strong>n, setzt ein geordneter<br />
Projektabbruch ein strukturiertes Projektmanagement voraus:<br />
Schon vor Beginn <strong>de</strong>s Projekts muss klar festgelegt wer<strong>de</strong>n, welche<br />
technischen und wirtschaftlichen Produktspezifikationen an welchem<br />
Meilenstein erreicht sein müssen. Bei klarem Verfehlen wird das Projekt<br />
sofort abgebrochen, bei knappem Verfehlen kann es sinnvoll sein<br />
nachzuarbeiten. Gera<strong>de</strong> in sehr technisch orientierten Abteilungen wie<br />
F&E ist es wichtig, dass nicht nur technische Abbruchkriterien <strong>de</strong>finiert<br />
wer<strong>de</strong>n – auch eine gesenkte Absatzprognose kann ein F&E-Projekt<br />
unwirtschaftlich machen.<br />
Bei<strong>de</strong> Aspekte sind eher eine Kunst als eine exakte Wissenschaft, sodass<br />
hier kein einzelnes Controllinginstrument <strong>de</strong>n Sachverstand und das<br />
Gespür <strong>de</strong>s Managements ersetzen kann. Dennoch hat <strong>de</strong>r F&E-Controller<br />
seine Rolle wahrzunehmen: Ohne die disziplinieren<strong>de</strong> Wirkung<br />
eines <strong>de</strong>taillierten Projektcontrollings, gera<strong>de</strong> an Meilensteinen mit<br />
„Go/No Go“-Entscheidungen, wür<strong>de</strong>n in vielen F&E-Abteilungen zu<br />
viele Projekte „durchgeschleppt“ wer<strong>de</strong>n, da die Fachabteilungen oft viel<br />
„Herzblut“ in die Projekte stecken und ein Projektabbruch meist nicht<br />
sehr populär ist.<br />
103<br />
Projektrisiken<br />
Geordneter<br />
Projektabbruch<br />
Rolle <strong>de</strong>s<br />
Controllers
Gefährdung <strong>de</strong>r<br />
Wachstumsstrategie<br />
Profitables<br />
Wachstum<br />
Lebenszyklusbetrachtung<br />
Umsetzung & Praxis<br />
Die Auswirkungen einer „schlechten“, d.h. zu riskanten Projektauswahl<br />
sind offensichtlich: Nicht nur wer<strong>de</strong>n wertvolle Ressourcen für Projekte<br />
verschwen<strong>de</strong>t, die man gar nicht hätte starten sollen, son<strong>de</strong>rn die ganze<br />
Wachstumsstrategie <strong>de</strong>s Unternehmens gerät in Gefahr, wenn die<br />
zukünftigen Umsatzbringer, eventuell nach jahrelanger Entwicklung, an<br />
technischen Schwierigkeiten o<strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>r Marktakzeptanz scheitern.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>r langen Reaktionszeiten in <strong>de</strong>r Produktentwicklung ist hier<br />
auf die Schnelle kein Ersatz zu fin<strong>de</strong>n, die strategischen Ziele wer<strong>de</strong>n<br />
zunächst einmal verfehlt.<br />
4 Wertbeitrag<br />
Eine beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung kommt bei <strong>de</strong>r Projektauswahl natürlich <strong>de</strong>m<br />
eingangs erwähnten „profitablen Wachstum“ zu. Dieses ist zwar eine<br />
wichtige Richtschnur, aber in dieser Formulierung zu allgemein, um<br />
damit wirklich die Produktentwicklung und spätere Vermarktung<br />
steuern zu kçnnen. Doch wie soll im Kontext von Forschungs- und<br />
Entwicklungsprojekten, die zunächst über lange Zeit nur Kosten verursachen,<br />
die Profitabilität gemessen wer<strong>de</strong>n?<br />
4.1 Lebenszyklusbetrachtung<br />
In <strong>de</strong>r Praxis ist hier die Lebenszyklusbetrachtung zu entwickeln<strong>de</strong>r<br />
Produkte weit verbreitet, bei <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kapitalwert eines zukünftigen<br />
Produkts ermittelt wird. Neben <strong>de</strong>n F&E-Kosten und <strong>de</strong>n zukünftigen<br />
Selbstkosten für Herstellung und Vertrieb sind hier vor allem die<br />
erwarteten Umsatzerlçse für <strong>de</strong>n Kapitalwert ausschlaggebend (s.<br />
Abb. 5) – Wachstumsstrategien sollten offensichtlich auf Produkte mit<br />
hohen Umsatzerwartungen setzen. Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Lebenszyklusbetrachtung<br />
in F&E wird auch durch <strong>de</strong>n in einigen Branchen verbreiteten<br />
Einsatz von Target-Costing- o<strong>de</strong>r Life-Cycle-Costing-Ansätzen ver<strong>de</strong>utlicht.<br />
6<br />
6 vgl. Schmitt, Berücksichtigung von Vorleistungen in <strong>de</strong>r Kalkulation am Beispiel <strong>de</strong>r<br />
F&E-Kosten, in: Gleich/Klein (Hrsg.), Der Controlling-Berater, Band 22, 2012,<br />
S. 175–189.<br />
104
Einzahlungen<br />
Finanzlücke<br />
Markteintritt<br />
F&E-<br />
Kosten<br />
Auszahlungen<br />
Umsatzerlöse<br />
Selbstkosten<br />
Marktaustritt<br />
Finanzlücke<br />
Entwicklung Vermarktung Entsorgung<br />
Abb. 5: Zahlungsstrçme im Lebenszyklus eines Produkts<br />
4.2 Kapitalwertberechnung<br />
Produktinnovation<br />
Der Kapitalwert wird dabei nicht nur in <strong>de</strong>r Projektauswahl- bzw.<br />
Projektgenehmigungsphase eingesetzt, son<strong>de</strong>rn auch zur kontinuierlichen<br />
Projektbewertung und -steuerung. So kann bei je<strong>de</strong>r Anpassung <strong>de</strong>s Projektplans,<br />
sei es bezüglich <strong>de</strong>r Hçhe <strong>de</strong>r Cashflows o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Timings, <strong>de</strong>r Einfluss<br />
dieser Anpassung auf <strong>de</strong>n Kapitalwert <strong>de</strong>s Projekts bestimmt wer<strong>de</strong>n.<br />
Auch <strong>de</strong>r Vergleich verschie<strong>de</strong>ner Handlungsoptionen o<strong>de</strong>r Szenarien ist<br />
über <strong>de</strong>n Kapitalwert mçglich. Dies funktioniert beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>shalb so gut,<br />
da 2 häufig monierte Schwächen <strong>de</strong>r Kapitalwertmetho<strong>de</strong> bei einer<br />
relativen, vergleichen<strong>de</strong>n Betrachtung zweier Projektpläne (vorher/nachher<br />
o<strong>de</strong>r Variante A/B) unerheblich sind, nämlich die Unsicherheit über<br />
<strong>de</strong>n Diskontierungszinssatz und die Unsicherheit über Betrag und Timing<br />
einzelner Zahlungsstrçme (beson<strong>de</strong>rs aus Umsatzerlçsen). Denn selbst<br />
wenn man sich mit <strong>de</strong>m Diskontierungszinssatz o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Umsatz-Forecast<br />
unsicher ist, ist die Aussage über Steigerung o<strong>de</strong>r Senkung <strong>de</strong>s<br />
Kapitalwerts aus <strong>de</strong>m Vergleich zweier Entwicklungsszenarien zur Projektsteuerung<br />
sehr wertvoll: Eine Steigerung <strong>de</strong>s Kapitalwerts um x % ist<br />
unabhängig vom absoluten Ausgangswert positiv zu beurteilen.<br />
105<br />
Zeit<br />
Projektsteuerung