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Gibraltarstrasse - MAZ

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Arbeitsauftrag im Rahmen des <strong>MAZ</strong>/PHZ-Spezialisierungsstudiums Journalismus und<br />

Medien, Modul A, im April 2007<br />

Ruhig wie in einer Wohnsiedlung mit Innenhof, aber viel interessanter<br />

Portrait einer facettenreichen Luzerner Strasse mit historischem Namen.<br />

„Stopp!“, David Hürlimann, Sozialpädagoge bei Jobdach, macht gerade bei einem<br />

Selbstverteidigungskurs mit.<br />

In der <strong>Gibraltarstrasse</strong> in der Stadt Luzern, unterhalb des Gütsch, läuft die Zeit<br />

langsamer. Viele Häuser sind renovationsbedürftig. Dafür leben hier die<br />

verschiedensten Menschen beisammen – und fühlen sich wohl.<br />

Von Ernst Lagler, ernst.lagler@stud.phz.ch.<br />

David Hürlimann, gelernter Tiefbauzeichner und Sozialpädagoge, sitzt vor dem Eingang der<br />

Notschlafstelle an der Sonne und dreht sich eine Zigarette. „Es ist eine sehr interessante<br />

Strasse“, sagt er, nachdem ich mich ihm vorgestellt habe, „ich habe bis vor kurzem selber hier<br />

gewohnt.“ Der 43-jährige arbeitet bei Jobdach in der <strong>Gibraltarstrasse</strong>. Er erzählt mir begeistert<br />

von seiner damaligen Dreizimmerwohnung. Das WC war im Gang und der Vormieter hat in<br />

der Küche eine Sitzbadewanne eingebaut. Keine Wohnung war gleich wie die andere in den<br />

abbruchreifen Häusern der Nummern 12, 14 und 16, aber natürlich günstig: 390 Franken<br />

Miete. Nun stehen sie leer. Die Behindertenstiftung Bürozentrum an der <strong>Gibraltarstrasse</strong> 34<br />

möchte dort einen grossen modernen Wohnblock bauen und selbst ins Erdgeschoss einziehen.<br />

Das will ich genau wissen und gehe gleich vorbei. An der Rezeption treffe ich auf Trudi


Scodeller. Sie hat eine leichte geistige Behinderung und arbeitet zu 60% als Telefonistin für<br />

die Stiftung. Es ist halb eins, Mittagszeit. Eigentlich hätte sie Pause, das Büro öffnet offiziell<br />

erst um halb zwei. Sie macht also Überstunden. Es gefalle ihr sehr gut, betont sie. Besonders<br />

dass sie ihren Hund zur Arbeit mitnehmen kann. Die 1988 gegründete Stiftung übernimmt für<br />

andere Firmen das Sekretariat, Telefondienste, Verpackungsarbeiten oder weitere<br />

Büroaufgaben und sie bietet betreute Wohnungen für Angestellte oder andere Menschen mit<br />

Behinderungen an.<br />

Wieder auf der angenehm ruhigen, fast menschenleeren Strasse treffe ich unverhofft auf eine<br />

Studienkollegin: Sonja Töller, Studentin an der PHZ Luzern, teilt sich hier mit zwei<br />

Freundinnen eine Wohnung. Alle drei kommen aus Davos, sind Wochenaufenthalter in<br />

Luzern und studieren an der PHZ im gleichen Jahr. Auch ihr gefällt es hier sehr gut. Ihre 90<br />

Quadratmeter grosse Vierzimmerwohnung ist mit 1'340 Franken zwar nicht mehr ganz so<br />

billig wie die von David, aber die Lage ist wirklich ruhig und sehr zentral. Coop, Migros, die<br />

Post und Bushaltestellen sind zu Fuss schnell erreicht. Ein Hochschulgebäude der PHZ<br />

befindet sich in der Nahe gelegenen Sentimatt. Und ein Gebäude der Uni Luzern (für<br />

Theologie) befände sich sogar direkt in der <strong>Gibraltarstrasse</strong>.<br />

Es hat auch viele kleine und mittlere Firmen hier. 32 findet man im Telefonbuch. Eines davon<br />

ist die Sportmonnaie AG, ein offenbar sehr günstiges Sportfachgeschäft. Obwohl an dieser<br />

Strasse kaum Passanten durchlaufen, geht das Geschäft gut, erklärt mir Christof Künzler,<br />

Verkäufer von Sportmonnaie; der Chef sei gerade in den Ferien. Sein Kollege testet ein<br />

Mountainbike indem er die Strasse rauf und runter fährt – auf dem Hinterrad! Um den<br />

Verkehr muss er sich nicht sorgen. Tatsächlich fahren kaum Autos durch die Strasse. Das<br />

liegt daran, dass sowohl von der Baselstrasse wie auch von der Klosterstrasse her Einbahn ist<br />

– in entgegen gesetzte Richtungen, das heisst, man kann nicht durchfahren, aus beiden<br />

Richtungen ist Sackgasse. Das war nicht immer so, weiss Rolf Stocker, 60 Jahre, der hier mit<br />

einer Berufskollegin zusammen ein grafisches Atelier betreibt. Bevor in den 80er Jahren diese<br />

Einbahnstrasse umgestellt wurde, war dies ein viel befahrener Schleichweg. Aber jetzt<br />

geniesst auch er die Ruhe bei der Arbeit unter dem berühmten Luzerner Hügel, dem<br />

Schweizer Gibraltar, wie er die Herkunft des Strassennamens als einziger der Befragten<br />

richtig gedeutet hatte.<br />

(Kontextueller Artikel)<br />

Gütsch, der Schweizer Gibraltar<br />

Gibraltar (arabisch: Djabal At-Tariq, Berg des Tariq) heisst der berühmte Fels des<br />

gleichnamigen Stadtstaates auf der iberischen Halbinsel im Süden von Spanien. Im Jahre 711<br />

von den Arabern eingenommen steht der Berg seit dem 18. Jahrhundert unter britischer<br />

Flagge. Nach Auskunft des Stadtarchivs Luzern lautet die vorherrschende These über die<br />

Herkunft der <strong>Gibraltarstrasse</strong>, dass der Gütsch im Spanienfreundlichen Luzern des 19.<br />

Jahrhunderts den Übernamen „Gibraltar“ erhielt. 1811 würde die <strong>Gibraltarstrasse</strong> erstmals auf<br />

einer Luzerner Stadtkarte so bezeichnet; davor hiess sie „Obere Bruchstrasse“.<br />

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