Umbruch 1 - WSL
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34 Forum für Wissen 2000<br />
einrichtungen zu überweisen, weil diese<br />
sonst nicht die betroffenen Forschungsgruppen<br />
erreichen. In den Ländern<br />
Mittel- und Osteuropas erfolgte<br />
der Geldtransfer meist auf Bankkonten<br />
der osteuropäischen Partner. In<br />
Bulgarien, Russland und der Ukraine<br />
wurden die Gelder nicht selten von einer<br />
am Projekt beteiligten Person persönlich<br />
überbracht, insbesondere nachdem<br />
die Bankensysteme in verschiedenen<br />
Ländern zusammengebrochen waren<br />
(Bulgarien: Frühjahr 1997, Russland:<br />
Sommer 1998). Relativ häufig wurde<br />
auch die Unterstützung der Schweizer<br />
Botschaften in diesen Ländern in Anspruch<br />
genommen. Es gibt aber auch<br />
verlässliche Bankverbindungen, die mit<br />
niedrigen Margen arbeiten.<br />
Infrastruktur<br />
Bezüglich Infrastruktur und Forschungsapparaturen<br />
sind die Forschungseinrichtungen<br />
sehr unterschiedlich ausgestattet.<br />
Einige sind adäquat ausgerüstet,<br />
andere haben grösste Probleme nur<br />
schon mit Wasser und Strom. In einigen<br />
Ländern (z.B. Ukraine) schien und<br />
scheint die Situation an einigen Forschungsinstituten<br />
derart prekär zu sein,<br />
dass selbst Routinearbeiten nicht möglich<br />
sind.<br />
Austausch von Material, Lieferungen<br />
von Apparaturen<br />
Ein grosser Teil der finanzierten Geräte<br />
betreffen Computer, die meist in den<br />
betreffenden Ländern gekauft werden.<br />
Kleinere Gegenstände werden häufig<br />
im persönlichen Gepäck transportiert.<br />
Grössere Materiallieferungen aus dem<br />
Ausland und Austausch von Material<br />
sind wegen Zollformalitäten und langen<br />
Transportzeiten aufwendig und<br />
schwierig und sollten möglichst frühzeitig<br />
angemeldet und mit Papieren der<br />
entsprechenden Botschaften versehen<br />
sein.<br />
Kulturelle Unterschiede<br />
Bei internationalen Forschungsprojekten<br />
und Partnerschaften wird von allen<br />
Partnern eine gewisse interkulturelle<br />
Kompetenz erwartet. Insbesondere in<br />
den Geistes- und Sozialwissenschaften,<br />
wo Sprache und unterschiedliche Wertsysteme<br />
mehr zum Tragen kommen als<br />
bei den Naturwissenschaften, ist ein<br />
sensibles Vorgehen angezeigt, um die<br />
Partner nicht zu verletzen und zu überfahren.<br />
2.4 Nutzen für Osteuropa und<br />
die Schweiz<br />
Osteuropa<br />
Bei vielen unterstützten Forschungsgruppen<br />
waren die finanziellen Mittel<br />
der Schweiz – und anderer internationaler<br />
Kooperation – ein wesentlicher,<br />
wenn nicht der massgebliche Betrag<br />
des Forschungsbudgets. Eine grosse<br />
Flexibilität bei der Verwendung der<br />
Gelder ist unabdingbar. Die Drittmittel<br />
erlauben den osteuropäischen Partnern<br />
wieder eine kurzfristige Planung,<br />
was mit den nationalen Mitteln nicht<br />
mehr gewährleistet ist. Neben dem finanziellen<br />
Aspekt wird häufig auch die<br />
moralische Unterstützung und das Gefühl,<br />
wissenschaftlich nicht isoliert zu<br />
sein, als positiver Punkt der Zusammenarbeit<br />
unterstrichen.<br />
Die Lebensunterhaltsbeiträge (= individual<br />
grants) des SNF, die zusätzlich<br />
zu den vom Staat bezahlten Salären<br />
entrichtet werden, erlauben den Forschenden,<br />
sich wieder mehr auf die<br />
Forschung zu konzentrieren. So wurden<br />
im Rahmen der gemeinsamen Forschungsprojekte<br />
ganze Forschungsteams<br />
finanziert.<br />
In den meisten Projekten treffen sich<br />
die Partner mindestens einmal pro Jahr<br />
persönlich. Die Wissenschafter aus der<br />
Schweiz verbringen meist nur wenige<br />
Tage im Osten, während die osteuropäischen<br />
Wissenschafter häufig für einige<br />
Wochen in der Schweiz weilen<br />
und die Zeit nutzen, neue Techniken<br />
zu lernen, technisch aufwendige Forschungsarbeiten<br />
durchzuführen und<br />
Literaturrecherchen zu machen.<br />
Da bei allen bi- und multilateralen<br />
Forschungskooperationen die wissenschaftliche<br />
Qualität das Hauptkriterium<br />
bei der Evaluation der eingereichten<br />
Forschungsprojekte ist, hat die internationaleForschungszusammenarbeit<br />
den Nebeneffekt, dass ein Teil der<br />
qualitativ hochstehenden und aktiven<br />
Forschungsgruppen und -institutionen<br />
in den Partnerländern identifiziert wird.<br />
Häufig gewinnen diese Institute national<br />
an Reputation und erhalten in der<br />
Folge mehr Mittel aus nationalen Quellen.<br />
Nutzen für die Schweiz<br />
Die Länder Osteuropas und der GUS<br />
verfügen über viele hochqualifizierte<br />
Wissenschafterinnen und Wissenschafter,<br />
die ein einmaliges Spezialwissen<br />
besitzen, so dass sie auch für die Forschungsgruppen<br />
im Westen interessant<br />
sind. Zudem bietet sich in einigen Disziplinen<br />
Zugang zu neuem Untersuchungsmaterial<br />
(z.B. soziale Forschung,<br />
medizinische Forschung u.a.). Schliesslich<br />
sind gemäss Aussagen der schweizerischen<br />
Koordinatoren die Solidarität,<br />
das trotz schwierigen Rahmenbedingungen<br />
beeindruckende Engagement<br />
der osteuropäischen Forschenden<br />
sowie die neuen Erfahrungen Beweggründe<br />
für die Zusammenarbeit.<br />
3 Aussichten<br />
Stefanie Gronwald von der Ruhr-Universität<br />
Bochum hat bei einem Rückblick<br />
auf die knapp zehn Jahre Kooperation<br />
zwischen Russland und Deutschland<br />
drei Phasen der Zusammenarbeit<br />
ausgemacht, die auch für die Ostzusammenarbeit<br />
anderer Länder gelten<br />
dürften (GRONWALD 2000). Die erste<br />
Phase («Pionierphase») war durch eine<br />
euphorische Aufbruchstimmung – vor<br />
allem im Westen – gekennzeichnet. Die<br />
zweite Phase («Blütephase») ist durch<br />
viel Input sowohl materieller als auch<br />
ideeller Natur charakterisiert. Die dritte<br />
Phase («Fazitphase») bezeichnet die<br />
gegenwärtige Zeit, in der man die einstigen<br />
Erwartungen mit den erlangten<br />
Ergebnissen und Fortschritten abgleicht.<br />
Die Bilanzen, die gezogen werden,<br />
sind jedoch nicht für alle Länder<br />
Osteuropas dieselben.<br />
3.1 Mitteleuropa<br />
In der neuen Programmperiode 2000–<br />
2003 sind Polen, die Slowakei, die<br />
Tschechische Republik und Ungarn<br />
nicht mehr teilnahmeberechtigt. Die<br />
Staaten Mitteleuropas sind im Transformationsprozess<br />
am weitesten fortgeschritten.<br />
Sie beteiligen sich mit Erfolg<br />
an vielen europäischen Initiativen.<br />
Die Bedeutung der Grundlagenforschung<br />
ist in den meisten Ländern erkannt<br />
und es werden – im Umfang des<br />
Möglichen – entsprechend Mittel bereitgestellt.<br />
In den meisten Ländern<br />
sind neue Förderorganisationen entstanden,<br />
die Forschungsmittel auf Basis<br />
von Wettbewerb und Peer Review<br />
vergeben.<br />
3.2 Südosteuropa<br />
Zur Zeit finden auf mehreren Ebenen<br />
(Europarat u.a.) Überlegungen statt,