Ängste im Kindes- und Jugendalter - Friedrich von Hardenberg Institut
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PÄDAGOGISCHE AKADEMIE<br />
A M H A R D E N B E R G I N S T I T U T<br />
H E I D E L B E R G<br />
Bericht über den Akademietag mit<br />
Henning Köhler - <strong>Ängste</strong> <strong>im</strong> <strong>Kindes</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendalter</strong><br />
am 22.10.2011 in Hamburg, Freie Waldorfschule Wandsbek/Farmsen<br />
Mathias Vierl <strong>und</strong> Britta Lichtenberg vom Akademiekreis <strong>und</strong> Lehrer der Schule begrüßen<br />
die ca. 120 Besucher, bestehend aus Eltern, Lehrern <strong>und</strong> weiteren Interessierten.<br />
Henning Köhler beginnt mit einem aktuellen Thema: Jugendproteste in Europa - Proteste<br />
gegen Banken <strong>und</strong> Kapital. Es herrscht eine weit verbreitete Ratlosigkeit. In den Protesten<br />
scheint die Hoffnung auf Weltveränderung auf. Junge Menschen, die Generation der Internetkultur,<br />
haben ein erstaunliches Vertrauen in die Welt, auch in die Medienwelt. Hier scheint<br />
die Welt „gestaltbar“.<br />
Hinter den Erscheinungsformen des Jugendprotestes stehen Formen <strong>von</strong> Angst, wie Henning<br />
Köhler sie auch <strong>im</strong> ungebremsten Profitstreben der Banken erkennt. Die <strong>im</strong>mensen Geldbeträge,<br />
um die es dabei geht, sind <strong>im</strong>aginäre Größen, Illusionen. Es sei eine "lebensleitende<br />
Angst", die ein Angstkl<strong>im</strong>a über unseren Planeten breitet.<br />
Woher kommen das mangelnde Daseinsvertrauen <strong>und</strong> die wachsende Angst? Der Kern dieser<br />
Frage lautet: Warum sind wir nicht glücklich, obwohl wir <strong>im</strong> Überfluss leben? Die einfache<br />
Antwort lautet: Wir müssen lernen, uns mit weniger zu bescheiden.<br />
Das Angstproblem wird zu einer zentralen Frage der Pädagogik. Wie können wir die Jugendlichen,<br />
die uns anvertraut sind, für das Leben bereit <strong>und</strong> zuversichtlich in die Welt entlassen?<br />
Wir brauchen Herzenswärme, gute Ideen, Menschen die zusammenarbeiten.<br />
"Spielen" <strong>und</strong> "Kunst" seien die zentralen zeitgemäßen Begriffe, die „großen“ Worte der<br />
Pädagogik.<br />
Die Mission der <strong>Ängste</strong><br />
<strong>Ängste</strong> gehören zur Entwicklung des Menschen dazu, sie haben mit Grenzsituationen zu tun:<br />
Angst vor Ichverlust - Angst vor Autonomie - Angst vor Ungeborgenheit - Angst vor<br />
Wandlung - Angst vor dem Notwendigen. Man sollte sie daher nicht verdammen.<br />
Es gibt einen Verlust <strong>von</strong> Wirklichkeit <strong>im</strong> Zusammenhang mit den rasanten zivilisatorisch<br />
technischen Veränderungen (virtuelle Welten). Der Kontakt zur Schöpfung scheint verloren<br />
zu gehen. Vernünftige Gegengewichte müssen den Kontakt zu dem tragenden Daseinsgr<strong>und</strong><br />
bilden. Die Sinne müssen wirklich ernährt werden, sie brauchen die ihnen gemäßen<br />
Betätigungsfelder, sonst schwindet die Daseinssicherheit.<br />
1
In diesem Zusammenhang schildert Henning Köhler Stufen der Daseinsvergewisserung: Im<br />
elementaren Bereich (1. - 4. Lebens-jahr), ästhetischen Bereich (5. - 8. Lebensjahr), kreativen<br />
Bereich (9. - 12. Lebensjahr) <strong>und</strong> <strong>im</strong> geistigen Bereich (13. - 16. Lebensjahr).<br />
Die Entwicklung des <strong>Kindes</strong> ist nicht mehr so, wie sie früher war. Die Pädagogik scheint<br />
ratlos, Eltern <strong>und</strong> Lehrer geben sich wechselseitig die Schuld. Es ist erforderlich, das Kind<br />
mehr seinen eigenen Kräften zu überlassen, damit es he<strong>im</strong>isch werden kann in der Welt.<br />
Parallel zu den Altersstufen der Daseinsvergewisserung beschreibt Henning Köhler be<strong>im</strong><br />
Kinde auftretende Stufen der Angst.<br />
Wir müssen Vertrauenskräfte entwickeln, die die jeweilige Angst zähmen, aber nicht<br />
beseitigen soll. <strong>Ängste</strong> machen uns vorsichtig <strong>und</strong> wachsam. Die Entwicklung des Menschen<br />
ist ein Lehrpfad durch die verschiedenen Gr<strong>und</strong>formen der Angst, mit denen wir lernen<br />
müssen umzugehen.<br />
Fragen der Daseinsvergewisserung<br />
1. Wer bin ich? Bin ich oder träume ich mich? Was soll ich in der Welt? (entspricht<br />
Angstform des 1. - 4. Lebensjahres)<br />
2. Werde ich wahrgenommen? Wie werde ich wahrgenommen? Bin ich schön? Bin ich<br />
eine schöne Seele? Sieht jemand mich, wie ich wirklich bin? (5. - 8. Lebensjahr)<br />
3. Was vermag ich? Wozu tauge ich? Was kann ich anfangen in der Welt? Habe ich<br />
nennenswerte Fähigkeiten? (9. - 12. Lebensjahr)<br />
Jugendliche müssen in der Pubertät auf eine neue Weise die <strong>Ängste</strong> der Kindheit noch<br />
einmal durchleben. Sie erscheinen jetzt bewusst mit einer Fragestellung.<br />
4. Sinnfrage: Wohin will ich? Was will ich werden? Wie will ich werden? (13 -16<br />
Lebensjahr)<br />
Im Anschluss beschreibt er Gr<strong>und</strong>orientierungen, Gr<strong>und</strong>motivationen der menschlichen Seele<br />
in den verschiedenen Lebensaltern der Heranwachsenden <strong>im</strong> Zusammenhang mit parallel<br />
dazu verlaufenden <strong>Ängste</strong>n. Wie Erwachsene innerlich <strong>und</strong> äußerlich dabei helfend begleiten<br />
kann bildete den Abschluss seiner Vorträge.<br />
Die moderierten Gespräche in Gruppen schärften den Blick auf die eigene pädagogische<br />
Haltung <strong>und</strong> bereiteten weitere Blickrichtungen für das Abschluss-Plenum mit Henning<br />
Köhler vor, in welchem er ausführlich darauf eingehen konnte.<br />
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S<strong>im</strong>one Kraus, 01.12.2011