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Carnap Tagebuch RC 025-82-01 - Digital Research Library

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<strong>Carnap</strong> <strong>Tagebuch</strong> <strong>RC</strong> <strong>025</strong>-<strong>82</strong>-<strong>01</strong><br />

Dec. 1935-Jan. 1944<br />

(15.)<br />

Mi 18<br />

Do 19<br />

1. Klasse, in der Mitte des Schiffes, C-Deck.<br />

------------------------------------------------------------------<br />

Mo 16 Vormittags Southampton; Wodanger [?] kommt nicht später kommt Telegr.<br />

von ihm. In der 1. Klasse treffen wir plötzlich Dr. Martin. Er fährt zu Patienten und<br />

Vorträgen herüber; wenn er Geld verdient, will er nach Mexiko reisen, wohin [part of<br />

page missing] die englische [unleserlich] für 6 Wochen eingeladen ist; er macht einen<br />

sehr [part of page missing] Eindruck. Dann abends Cherbourg, wir schicken die letzten<br />

Weihnachtsbriefe ab. Nach Cherbourg lasse ich mir andere Nachbar-Kabine geben<br />

(Zahlung nur Aufschlag für Aussenkabine: 2,50 $); jetzt haben wir 2 Zimmer, können<br />

getrennt schlafen.<br />

-------------------------------------------------------------------------<br />

Di 17. Es wird schöneres Wetter. Darum nehmen wir Deckstühle, liegen darin und<br />

lesen (englische Dramatik, Hitlers ―Mein Kampf").<br />

--------------------------------------------------------------------------<br />

Besichtigung des Schiffes; und der Brücke. Dort treffen wir wieder Dr. Martin.<br />

Er war 3 Tage lang seekrank in der Kabine gelegen.<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

Fr 20<br />

Sa 21<br />

Abends Abschieds- und Weihnachtsessen, mit Smoking. Ina packt freudig<br />

Koffer. Ich mache die letzte Arbeit an der englischen Syntax, werd aber nicht ganz<br />

fertig.<br />

---------------------------------------------------------------------------------<br />

Koffer gepackt. Wir liegen lange still in der Bucht vor New York, während die<br />

Post abgeholt wird. [Trinkgelder (reichlicher als Feigl angegeben hat): 2 Essstewards<br />

zusammen 15 M, Kabine kostet 15, mein Bad kostet 3, Stewardess (nur für Inas Bad) 5,<br />

Deck kostet (ausser 10 M für 2 Stühle mit Auflage) 5, Schuhputzer 2, zusammen 45 M].<br />

Kontrolle der Visa ist schnell und einfach, aber der Arzt notiert genau "defective<br />

vision". Endlich ½ 4 von Bord.<br />

1


New York. Auf dem Pier in der Gepäckhalle stehen Brodwin, Feilson [?] (die mich<br />

gleich mit Kuss empfangen, zu meiner grossen Überraschung), Nagel und Frau.<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

XII/ 1935<br />

(21) 1½ Stunden Zoll Revision. Im Auto nach New Rochelle, über den River Side<br />

Drive, schöner Blick auf die Lichter am Hudson. Brodwins haben ein nettes Haus. 3<br />

Kinder. Die schwarze Negerin. Gemütlicher Abend, aber schliesslich schrecklich<br />

müde. Erst gegen Mitternacht ins Bett.<br />

----------------------------------------------------------------------<br />

So 22<br />

Vormittags mit Brodwin zu Wertheims, wohnt mit Frau und 3 Kindern in<br />

New Rochelle; hat Professur an dem neuen Institut für soziologische Forschung; diese<br />

ist aber nicht für die Dauer gesichert. Er sagt, dass nur ganz wenige Immigranten eine<br />

Dauer Stellung gefunden haben. Er fragt, ob ich Fragen ablehne wie: Welche<br />

Bedingungen müssen erfüllt sein in der Welt, damit überhaupt Induktion und<br />

logische Operation möglich wird; es stellt sich heraus, dass es rein mathematische<br />

Fragen sind, aber er nimmt sie halb psychologisch, ohne es zu merken. Dann zum<br />

Lunch kommen Nagel und Frau, sie intelligent, ein wenig frech wie Kasperle. Es<br />

kommen andere Leute, und ich ziehe mich mit Nagel zurück. Er schenkt mir Buch<br />

über gegenwärtige Philosophie in Amerika. Dann Feilson [?] übersetzt ein Stück von<br />

Bert Brecht; wie mir scheint, gut.<br />

-------------------------------------------------------<br />

Mo 23<br />

Ich fahre mit Ina mit der Bahn zur Grand Zentral [sic] Station. Dort Nagel.<br />

Wir gehen zum Institute of International Education, Miss White [?]. Ich erkläre, daß<br />

die Frage nach Daten ganz dem Institut überlassen bleibt; auch über die Honorare will<br />

sie korrespondieren. Sie meint, so spät wie Mai wird keine Einladung von Berkeley<br />

mehr möglich sein. Ich sage ihr, dass ich in Cambridge, New York, Princeton einige<br />

Tage bleiben möchte, aber sie notiert nichts. Sie fragt ausführlich nach der<br />

politischen Lage in Europa. – Wir mit Nagel und Rosiger [?] zum Bahnhof. Er hat die<br />

Logistik schon für eine private Gruppe in Cambridge übersetzt (Sohn von Whitehead,<br />

Soziologe) (Quine sagt später, daß er Hilfshonorare bekommen hat); ich sage, daß ich<br />

2


manches ganz anders machen will. Er meint, es ist noch viel Zeit dazu. – Sie bringen<br />

mich zum Bahnhof. Ina bleibt in New York, um bei Lilian zu sein, und weil Kal[?]<br />

kommt. Ab 12,00 (Day coach). Boston an 5,05 p.m. Quine im Bahnhof. Mit<br />

Untergrund und Elektrischen nach Cambridge. Kein Taxi zu finden. Zu Fuss mit den<br />

Koffern zu seinem Haus. Naomi, und das Kind, ½ Jahre alt. Beide sind enttäuscht,<br />

daß Ina nicht mitkommt und wollen telegraphieren, aber ich sage, es geht nicht gut. -<br />

- 6½ Dinner in der Society of Fellows. Whitehead, mit dem ich meist spreche, am<br />

Kopf als Ältester, spricht sehr undeutlich. Scheint nicht gut auf Russell zu sprechen.<br />

Man fragt mich, was ich zu Heidegger denke. Vater und Sohn Birkhoff, beide<br />

Mathematiker. Der Sohn arbeitet über abstrakte logische Schemata für<br />

mathematische Diziplinen; Sprachformen [?] der Quantenmechanik, mit Neumann<br />

zusammen, usw; fährt im Sommer nach Oslo. Dann um 11 gehen wir nachhause. Um<br />

½ 1 endlich ins Bett.<br />

-------------------------------------------------------------------------------------<br />

Di 24<br />

Mit Quine Besorgungen, Universität besehen, [unleserlich]. Wir treffen den<br />

Psychologen Pratt, und Schäfer. -- Ich diskutiere mit Quine eine Menge logischer<br />

Fragen. Er hat mein MS für Dartmore erst gestern bekommen und in der Nacht (bis<br />

½ 3 !) korrigiert. Sein Freund McKinsey (Berkeley) hat Korr[ekturen] zur Syntax<br />

gemacht. -- 9 h abends gehen wir zum Beacon Hill Square. Grosse Volksmenge. Es<br />

werden Weihnachtschöre (mit schönen Melodien) gesungen. Die Häuser haben ihre<br />

Vorhänge offen, sodass man in alle Weihnachtszimmer sieht, mit Bäumen, und<br />

Kerzen im Fenster. Dann noch zu Quines Freund Faset (vom Technischen Institut),<br />

Weihnachtsbesuch. Um 12 zuhause. Sie schenken mir ein altes Buch von Tocke, und<br />

Päckchen für Ina; ich ihr ein Buch über moderne Architektur und ihm Russells Lob<br />

des Müsigganges. Wieder ½ 1 ins Bett! (Unruhig geschlafen).<br />

----------------------------------------------------------------------<br />

Mi 25 Weihnachten<br />

Ich lese Quine meinen Vortrag vor. -- Besuch kommt. Mit<br />

dem Baby werden unter dem Baum seine Geschenke ausgepackt. -- Mit Quine<br />

spazieren. Über eine widerspruchsfreie Möglichkeit der […] Zeitbeschau [?]. Über<br />

den Unterschied zwischen P- und L-Bestimmungen. -- Er sagt, dass die Mehrzahl der<br />

3


Logiker hier durch Modalitätslogik verseucht ist, unzählige Aufsätze über Implikation<br />

und neue Versuche einer verbesserten strikten (nicht immer autonymen) Implikation<br />

[unleserlich]; dabei immer Verwechslung zwischen Symbol und Bezeichnetem ('the<br />

symbolized'). Zu den wenigen guten Logikern rechnet er Church und seine Schüler<br />

Kleene und Rosser. -- 11 Uhr zu Bett.<br />

----------------------------------------------------------------------<br />

Do 26<br />

Vormittags Vorlesung für Kidmans [unleserlich]. Kidman mit Quine in<br />

eine Universitäts-Speisehalle zum Lunch. Dort treffen wir zufällig Prof. Prall und<br />

Skinner. Der letztere ist P[…] und Psychologe, arbeitet über Sprachreaktionen. Er<br />

nimmt uns nach dem Essen mit auf sein Zimmer; hat als Fellow 2 Zimmer und Bad.<br />

Spielt auf einem Harpsichord ein Präludium von Bach. -- 4-6 Tee bei Quines. Prof.<br />

Hocking, jetzt Head of Dept., [unleserlich]; seine Frau verwickelt mich in ein endloses<br />

Gespräch: Die Massnahmen des Präsidenten Roosevelt machen die Menschen weich<br />

und zerstören die alte Tugend; die Araber werden in Palästina ungerecht behandelt.<br />

Susanne Langer, fragt nach Frege; sie spricht gut Deutsch mit sächsischem Akzent<br />

(von ihrer Mutter). Die Mathematiker Birkhoff und Sohn. Huntington; ich erzähle<br />

von unserem Treffen New York 1923. Er weiss es nicht mehr. Er erzählt, um die<br />

Wichtigkeit von Esperanto zu zeigen: Whitehead kam zu Cot[…], aber sie konnten<br />

nichts sagen als guten Tag; er kam als ganz junger Mann zu Cot[…] und sprach einen<br />

ganzen Tag mit ihm in Esperanto. Hocking. Skinner. Prall. Prof. Demos<br />

(griechischer Abstammung). -- Abends mit Quine zu Whitehead. Dort noch Pric [?]<br />

(Journalist?). Quine kennt ihn nicht. Beide sind sehr freundlich. Viel über Politik.<br />

Ich: Warum haben England und Frankreich Hitlers Aufrüstung erlaubt? Wh: Man<br />

kann nicht eine ganze Nation unterdrücken. Ich: Ja, man hätte den Friedensvertrag<br />

revidieren müssen, als Deutschland noch eine Demokratie war; vielleicht wäre dann<br />

Hitler gar nicht zur Macht gekommen. Er stimmt zu. Nach dem Essen sind wir<br />

Männer unter uns. Whitehead bittet mich, die Grundgedanken des Positivismus<br />

darzulegen. Ich: Erst negative Aufgabe, gegen Metaphysik; dann positiv, logische<br />

Analyse der Wissenschaft; Sinn eines Satzes = Methode der […]; Physikalismus,<br />

Einheit der Wissenschaft, Enzyklopädie; Empirismus, Mathematik ist analytisch, nur<br />

4


Hilfsmittel. Er: Mit fast allem einverstanden; nur Erfahrung umfasst mehr als<br />

logischer Positivismus. Er scheint sehr befriedigt von meiner Darstellung. Wir gehen<br />

alle ins Wohnzimmer, offenes Feuer. Noch über Politik; ob man eine Tochter einen<br />

Mann andersfarbiger Rasse heiraten lassen soll. Beim Abschied sagt Frau Wh, ich soll<br />

unbedingt anrufen, sobald wir nach Cambridge kommen; beide scheinen wirklich<br />

sich zu freuen, mich dann wiederzusehen.<br />

----------------------------------------------------------------------------<br />

Fr 27<br />

Huntington holt uns im Auto zum Lunch in die Universität ab. Über<br />

Steuer-Gesetze; er ist gegen Schenkungs- und Erbes-Steuern; es sei eine Geldstrafe für<br />

erfolgreiche Arbeit. Über Korzybski; er rät mir, mit ihm mal zu diskutieren (er wohnt<br />

in Brooklyn), er sei sehr anregend und sicherlich sehr interessiert an meiner<br />

Sprachanalyse. Über korrekte und pädogisch gute Darstelllung der<br />

Differentialrechnung; Quine sagt: man muss gesamte Satz[punkte] für die gebundenen<br />

Variablen verwenden, um zu zeigen, dass die Operationen sich nicht auf Zahlen<br />

ausdrücken, sondern auf Variablen beziehen. --- Zu Henderson, mit Quine. Er liegt<br />

im Bett mit Magen-Geschwüren. Über die Soziologie in Deutschland. Er sagt, die<br />

hiesigen Soziologen seien zwar nicht so metaphysisch wie die Deutschen, aber andere<br />

Gefahr: Sie sammeln ungeheueres Material, ohne leitenden Gesichtspunkte. Über<br />

Pratts; seine Verbundenheit mit Freud [?]. Das ganze Gespräch geht nicht sehr tief.<br />

Er macht den Eindruck eines braven, die richtige Richtung sehenden Mannes, der<br />

aber nicht sehr exakt ist. --- Wir kommen um 4 Uhr nachhause. Da kommen auch<br />

schon die jungen Logiker. Dabei auch Skinner, Prof. Langer, Stevens, Prall und<br />

mehrere andere. Ich erkläre Unterscheidung zwischen logischen und deskriptiven<br />

Zeichen; dann zwischen L- und P-Bestimmungen. Auch etwas über a- und f-Begriffe.<br />

Tarskis Wahrheitsdefinition. Beziehung zwischen einer reinen Wissenschaft, die<br />

einfach ein Teil der Arithmetik ist, und der entsprechenden [unleserlich]<br />

Wissenschaft. Quine meint nachher, dass Langer Metaphysiker zu sein scheint; aber<br />

sie möchten in seiner Gruppe teilnnehmen. Bis 7h. — Frau Whitehead hat Naomi<br />

angerufen und ihr gesagt, wie sehr sie von mir angetan sei, und dass sie sie<br />

benachrichtigen soll, wenn ich wiederkomme. — Endlich mal wieder um 10 zu Bett.<br />

5


Sa 28<br />

7h Abfahrt. Wir frühstücken bei Goodman. In dessen Auto zusammen mit<br />

ihm, Quine, Prof. Prall, Leonard fahren wir los. Schöner sonniger Tag. In New<br />

Rochelle kommen Brodwins und Ina uns im Auto entgegen. Wir sind einige Minuten<br />

in ihrem Haus. Dann begleiten sie uns noch etwas im Auto. Ina will heute abend<br />

nach London, Kanada, fahren. — Wir fahren von New York (Riverside Drive) durch<br />

den Holland Tunnel unter dem Hudson, bis abends beinahe 10h, noch im Dunkeln.<br />

Goodman schreibt eine Dr. Thesis im Zusammenhang mit meinem Aufbau. Er<br />

berichtet darüber. Ansonsten wenig wissenschaftlichers Gespräch; leichte,<br />

[unleserlich] Unterhaltung, und die [unleserlich] Betrachtungen. Wir übernachten in<br />

West Chester (Pa.), West Chester Mansion House.<br />

So 29<br />

2 Stunden Fahrt nach Baltimore. Wir wohnen im Southern Hotel; da sind<br />

auch alle Kongress-Veranstaltungen (Meeting der Eastern Division der Philosophical<br />

Association). — Nachmittags 3 nicht wichtige Vorträge: Hillman (―Was ist eine<br />

Klasse‖, lauter Scheinprobleme, in Anlehnung an die von Russell und anderen), Baylis<br />

(Über Satz vom […] Dritter), Ushenko (―Sätze über Raum und Zeit‖; gegen meine<br />

Theorie der Pseudo-Objektsätze.) Ich ergreife das Wort, um mein Verständniss<br />

richtig zu stellen. Nachher noch privat mit ihm. Er will seine Veröffentlichung<br />

verschieben, bis er die Syntax in Englisch gelesen hat. Dann privat Diskussion mit<br />

Paul Weiss über Metaphysik; dabei Quine und andere. — Abends geselliges<br />

Beisammensein.<br />

Mo 30<br />

Symposium über Wahrscheinlichkeit: Morris Cohen, Northrop, Savery.<br />

Northrop über Heisenberg Unbeständigkeitsrelationen; er sagt, die Quantenmechanik<br />

behält die Kausalität bei, da ja die Wellenfunktion determiniert ist. Ich diskutiere zu<br />

Savery: Wir sind nicht solipistisch. — Mittags mit Ernst Joos. Er war sehr erstaunt,<br />

als ich gestern plötzlich anrief. Er ist Associate [?] Professor der Geologie [?] an der<br />

Universität, 3000 $ Gehalt, 2 Kinder, Haus gemietet ausserhalb der Stadt. Seit 5<br />

Jahren hier, fühlt sich wohl. — ½ 5 Tee. Dann Interview in meinem Zimmer,<br />

6


ausführlich unsere Grundgedanken erklärt, für ―Morning Sun‖. Dazu kommt Irving<br />

(Princeton), der mir hilft, die Beziehungen zur amerikanischen Philosophie<br />

anzugeben. Dann mit diesem Gespräch. Er interessiert sich sehr für logischen<br />

Positivismus, möchte mich zu Vorträgen nach Princeton haben, aber<br />

Geldschwierigkeiten. Ich sage, dass ich von New York leicht kommen kann. Er soll<br />

100 $ für 2 Vorträge vorschlagen; falls das nicht geht, halte ich 1 umsonst, und für den<br />

anderen 50 $. Falls sie aber die Reise bezahlen, komme ich doch für den Seminar-<br />

Vortrag; ob ich [?] dann den anderen halte, lasse ich offen. Er kann mich in der<br />

Universität unterbringen. Er sagt, daß Cohen, Lewis, Northrop usw. den Hegelismus<br />

bekämpfen, und daher Verbündete von uns sind, auch wenn sie noch etwas<br />

Metaphysik haben. — (Er sagt, daß Gödel kürzlich nach Wien zurück ist, nervöser<br />

Zusammenbruch; Veban [?] habe gesagt: zu viel Introspektion.) — Zum offiziellen<br />

Bankett (im Smoking; 2 $). Ich neben Kroner, mit dem ich aber nur sehr kurz spreche,<br />

und Murphy. Er fragt [genau?] über unseren neuen Metaphysikalismus. Er will<br />

darüber schreiben. Dann die Rede des Präsidenten Pratt über das Körper-<br />

Geist-Problem. Er bespricht die verschiedenen Lösungen, darunter auch unsere, aber<br />

wieder die alten Mißverständnisse.<br />

Di 31<br />

Zuerst unwichtiger Vortrag Burnham, Ursache in der Geschichte. Dann<br />

mein Vortrag ―Testability and Meaning‖ (einige Gedanken aus dem großen MS).<br />

Dann spricht Lovejoy (Programmänderung) ausführlich über mein gr. MS Testablity.<br />

Er meint, nun ist alles konventionell, und die Metaphysik können wir nicht mehr als<br />

sinnlos hinstellen. Ich antworte dann ausführlich auf ihn, sowie auf Bemerkungen<br />

von Demos, Weiss, Savery, und anderen. Bis ½ 1. Dann mit Quine, Coley u. a. zum<br />

Bahnhof. 1,19-1,57 nach Washington. Lunch im Bahnhof. Auto zum Flugplatz.<br />

Direktes Flugzeug (36$) nach Chicago, (American Airlines), 3,15-7,22 (C.T., also 5<br />

Stunden). Sehr angenehme, ruhige Fahrt. Großes Flugzeug mit 14 Sitzen; Stewardess<br />

(nimmt kein Trinkgeld an); Halt in Cincinnati und Indianapolis. Zuletzt gibt es<br />

Abendessen, unberechnet. Am Flugplatz Chicago Ina und Morris. Ina war kurz in<br />

London (Kanada), auch [unleserlich] heute Wohnungen angesehen. Wir zu<br />

7


Fr 3<br />

Morrisens. Seine Schwester ist auch da; der Physiker Eckert und Frau kommen.<br />

Abends gehen wir ins Hotel Harvard, 2 dürftige Zimmer.<br />

Mi 1 Neujahr<br />

Wir mit Frau Morris Wohnungen besehen: Wipples [?] Privat-<br />

Wohnung; Appartments in Ap. Hotels: Midway, [unleserlich], Windermere.<br />

Nachmittags mit Ina und Morris die Universitätsgebäude besehen, und in die<br />

philosophischen Gebäude und mein Office. Wir entscheiden uns für Midway,<br />

obwohl nicht vornehm; es ist ruhiger als [unleserlich] und nicht so übermäßig elegant<br />

wie Windermere; Wipples ist ruhig, wird aber erst Di. frei. Wir kommen nun endlich<br />

in die eigene Wohnung, Midway Apt. Hotel, 1535 E 60 th , Apt. 6<strong>01</strong>, ganz oben, helle<br />

Räume mit großen Fenstern, Blick auf den Park. Ein großes Zimmer mit<br />

Küchennische und großes Klappbett. Dahinter Badezimmer. Beim Eingang kleines<br />

Zimmer (jetzt 2 Betten; wir ändern: Schreibtisch und Tagesbett) und closet für Kleider.<br />

Leider in der Nacht Lärm der nahen Eisenbahn.<br />

Do 2<br />

10 h zur ersten Vorlesung. Auf Morris Rat nur 10 Minuten Lage-<br />

Vorbemerkungen; etwa 12-15 Hörer. — Nachmittags 2 ½ erstes Seminar, etwa 8-10<br />

Teilnehmer; nur ¼ Stunde Vorbemerkungen und Literatur.<br />

10-10,50 erste richtige Vorlesung. Dann zu Morris Office; Vorträge für April<br />

besprochen. ½ 1 Dept. Lunch. Der taube Prof. Svensson (Schwede), der in Baltimore<br />

war, spricht mit mir. Er ist sehr für [unleserlich], nennt ihn im Scherz den künftigen<br />

Präsidenten. Morris sagt mir nachher, dasß Svensson 2 Professoren für Minnesota<br />

braucht; er selbst war dort beabsichtigt. Svensson sagt, ich soll dort einen Vortrag<br />

halten. — (Ina mit Frau Morris im Konzert).<br />

Sa 4<br />

So 5<br />

Ruhiger Tag zuhause. Englische Syntax fertig durchgesehen. Sachen gekramt.<br />

Mittags laden wir Morrisens ins International groß ein. Dann mit diesen<br />

hierher zum Tee. Dann Wohnungen gesucht (weil hier so viel Lärm von der<br />

Eisenbahn). Abends zu Morrisens. Er erklärt mir Einiges aus seiner Semiotik; frage,<br />

ob ein Zeichen sich selbst bezeichnen kann; ich sage: ja. Dort gegessen.<br />

8


Mo 6<br />

Di 7<br />

Vorlesung vorbereitet.<br />

10 Vorlesung. 11 mit Ina und Morris ruhige Wohnung in Kimbark Ave.<br />

besichtigt. Sie ist aber weniger nett als unsere jetzige. Mittag, ½ 1-½ 3 Lunch mit<br />

Garrison und McKeon, dem Dean der Division. Dieser ist noch ein junger Mann. Wir<br />

sprechen über Wittgenstein, meinen Aufbau und Garrisons Buch (er gibt zu, daß es<br />

Mischung von Psychologie und Philosophie ist, er werde künftig nur Philosophisches<br />

schreiben). Über Logik des 14. Jahrhunderts. — Flamingo Hotel besehen; schöne Lage<br />

und Einrichtung, aber teuer (3. Stock 115; 15. Stock 125) und weit von der Universität.<br />

— Wir bleiben zunächst doch in unserer Wohnung, weil hell und geräumig.<br />

Mi 8<br />

Do 9<br />

10 Vorlesung.<br />

10 Vorlesung. 2½ - 4½ erstes richtiges Seminar. Satz-Kalküle. Es geht ganz<br />

gut mit der Sprache. Morris ist sehr zufrieden. Etwas Diskussion. — 6½ - 11 großes<br />

Dinner der Trustees für die ganze Faculty. Smith stellt mich den Trustees vor. Mit<br />

Morris am Tisch. Allerhand Ansprachen, auch vom Präsidenten Hutchins über<br />

akademische Freiheit.<br />

Fr 10<br />

10 Vorlesung (Ina dabei). — ½1 Lunch. Danach mit Morris über seine<br />

Vorträge in der Di-Gruppe.<br />

Sa 11<br />

So 12<br />

Vormittags mit Morris im Park spazieren. Die Chancen meiner Berufung<br />

hierher. Es kann auch sein, daß es nur für 3 Jahre anstatt dauernd gemacht wird. — 5<br />

- 6 haben wir unseren ersten Besuch: der junge Professor Charles Perry und Frau. Er<br />

sehr schweigsam und [unleserlich]; erinnert an Otto Schöndube, wahrscheinlich<br />

mexikanisches Blut, stammt aus Texas. Etwas über soziologische Wissenschaften;<br />

Paretos.<br />

Mo 13<br />

Mittags werden wir Professoren Lanz mit Prof. Ralph Barton Perry aus<br />

Harvard, der für 2 Wochen hier ist [sic, verb missing]. Über Sprache; Notwendigkeit<br />

der ―Ilax- […] ―[…]‖ usw.<br />

9


Di 14<br />

4-6 Morris’ Gruppe für wissenschaftliche Logik, mein Vortrag ―America and<br />

Empirical Sequence‖; lebhafte Diskussion, besonders der Amerikaner Bliss (er sagt,<br />

trotz vieler Diskussionen habe ihn niemand überzeugen können, daß die<br />

gewöhnlichen Zahlen die Axiome von Peano befriedigen).<br />

Mi 15<br />

3 h ein Student hier, Schüler von Eck[...]; will Master-Arbeit machen,<br />

Anwendung der logischen Syntax auf Physik.<br />

Do 16<br />

2-4 Seminar. Diesmal auch Hartshorne und Link—4½ zur Komitee-Sitzung<br />

des Universitäts-Verlages. Ich soll über Enzyklopädie Auskunft geben. Ich schildere<br />

den allg. Plan. Man nimmt es anscheinend günstig auf, und meint, daß ein solcher<br />

Plan gerade in der Richtung der University Press läge.<br />

Fr 17<br />

Sa 18<br />

Universitäts-Bank. — Mittags Lunch mit Prof. Schultz, internationaler<br />

Ökonom. Er erzählt von einer Anwendung der Mathematik auf Ökonomie,<br />

Beziehungen zwischen Preis, Angebot und Nachfrage. Nachher zeigt er mir sein<br />

Institut mit feinen Rechenmaschinen und viele ausgerechnete Tabellen, um seine<br />

mathematisch formulierte Hypothese nachzuprüfen. Bis 4 h . — Abends Dinner des<br />

Dept. für uns, Prof. Perry (Harvard) und McKeon kommen. Ich zwischen Frau<br />

Morris und McKeon. Nachher mit Ina und Prof. Ames, über seine Kirche. Bis 11 h .<br />

So 19<br />

½6 Morris hier. ½7 wir und Morrisens bei Prof. Link und Frau. Er ist<br />

Pflanzen-Patologe, interessiert an Klärung biologischer Begriffe, sie Chemikerin<br />

(Prof.). Beide nett und nicht konventionell. Er zeigt Bilder aus den Bergen Kanadas,<br />

wo er immer den Sommer zubringt und klettert.<br />

Mo 20<br />

Nagels Freund Schapiro von Columbia hier. Kunsttheoretiker, aber an Logik<br />

und Wiener Kreis sehr interessiert; Kommunist. Interessanter Mann. [Prof. Kroner<br />

aus Kiel hält Vortrag; und ein Tee wird für ihn gemacht; ich nicht hin. [?]]<br />

Di 21<br />

Abends Vortrag von Perry-Harvard ―The First Person Plural, or the Noun of<br />

Reflective Argument‖; über das ―wir‖. Einiges ist interessant, aber zu wenig<br />

Mi 22<br />

10


Unterschiede zwischen der logischen Analyse der theoretischen Bedeutung von ―wir‖<br />

und der psychologischen Analyse der Begriffsvorstellung.<br />

Do 23<br />

Grausige Kälte: -20˚F = -29˚C! Ina bleibt zuhause. Ich gehe mit<br />

Ohrschützer-Band und Inas Skimütze (Mephisto Mütze) zur Vorlesung und zum<br />

Seminar. Abends mit Bloomfield, seiner Frau und Bruder essen im Sch[er?]land Hotel,<br />

dann zu ihm in die Wohnung; sie haben eigenes Haus, weiter nördlich. Er ist Linguist,<br />

auf behavioristischer Grundlage, Freund von Paul Weiss gewesen, schreibt klar,<br />

interessiert sich für unseren Physikalismus. Sie sammelt ―alte‖ Sachen, Möbel, usw.<br />

(40 Jahre alt). Bis 11 h . Sehr wenig wissenschaftliches Gespräch. Der Bruder ist<br />

Chemiker, war längere Zeit in Wien.<br />

Fr 24 Ina<br />

Sa 25<br />

So 26<br />

Nachmittags Frau Hartshorne hier; ich noch kurz dabei.<br />

Briefe geschrieben.<br />

Briefe geschrieben.—Nachmittags wir zu Morrisens. Ich mit Morris zum<br />

Konzert in die Universitätskirche, nur ½ Stunde dort geblieben: Chöre von Palestrina<br />

und Reger, Prälidium von Bach. Wieder zu Morrisens. Über seinen Brief an Neurath.<br />

Ich muss Trude erklären, warum ich sie ―irrational‖ genannt habe.<br />

Mo 27<br />

Di 28<br />

Mi 29<br />

Briefe geschrieben.<br />

Mit Ina zum ersten Mal in die Stadt Chicago (―Loop‖). Mit Trude Morris<br />

Inas Kleid. Dann mit Ina auf den Wrigley Tower; leider dunstig. Zum Postversand-<br />

Haus Montgomery; gr. Enttäuschung: nur Büros. Einiges noch eingekauft.<br />

Do 30<br />

Fr 31<br />

Nachmittags Seminar.<br />

Nachmittags ½ 3-½ 6 Klinik. Ich lasse ganze Untersuchung machen, ohne<br />

besonderen Anlass. Dr. Jados findet alles in Ordnung, will aber Brust und Zähne<br />

röntgen lassen.<br />

11


Sa 1. II<br />

Abends Morrisens zum Essen hier. Dann zusammen ins International<br />

House zum Kino ―Der letzte Mau[…] von Dreier [?]; sehr lustig. Und eine Menge<br />

Trickfilme<br />

So 2<br />

Nachmittags Seniors hier. Er Prof. der Chemie; sie ist Russin aus Wilma,<br />

macht Psychotherapie. Er will uns die Stadt zeigen, vielleicht nach Urbana fahren,<br />

usw. Sie lehnt auch die sinnlose Damen-Besucherei ab. Er erzählt von Afrika, wo er<br />

1 Jahr als Militär-Chemiker war; die Langsamkeit und Unzuverlässigkeit der<br />

Franzosen; analog zu den Wienern.<br />

Mo 3<br />

10-11 Klinik. Röntgenaufnahme der Zähne. Untersuchung des Rachens.<br />

Der Arzt rät Mandel-Operation! Die Mandeln infizieren den Körper; vielleicht sind<br />

sie Ursache des Rheumatismus und der Grippe.—Ina lässt einen Zahn ziehen, hat<br />

dann eine Woche lang Schmerzen.<br />

Di 4<br />

11 zu Senior; über Finitismus; Relationstheorie. – Abends ½ 7-10 Dinner bei<br />

Seniors. Ina geht nicht mit wegen Zahnschmerzen. Kurz noch Eckart und Frau; und<br />

Hamilton und Frau. Sie ist Tillys Schwester, das vermutete, als ich seinen Namen las.<br />

Sie war mit Tilly in Jena auf der [Laufen?]höhe. Letzen Sommer war sie 6 Wochen in<br />

Europa, davon 2 in Schweden, ―das ist ganz genug.‖ Hamilton scheint demokratisch<br />

und liberal. Wir sprechen über […] Englisch und künstliche Sprachen. Über<br />

Unterschied zwischen Harvard und hier. Hamilton war an beiden Plätzen, sagt: hier<br />

typischer Amerikanismus, Neutralitätspolitik, wenig Interesse an Europa, in Neu-<br />

England Blick nach Europa gerichtet.<br />

Mi 5<br />

11 zur Klinik; auf Grund des Röntgenbildes rät er, 4 Zähne ziehen zu<br />

lassen(!).—Lunch mit Hartshorne und Frank Knight. Dieser ist ein mürrischer,<br />

skeptischer internationaler Ökonom. Er macht Einwände gegen Physikalismus. Man<br />

könne Sozialwissenschaft nicht behavioristisch beschränken. Hartshorne hilft mir (!)<br />

auf Grund des Peirce’schen Nachprüfbarkeitsprinzip.<br />

Do 6<br />

4½-6 bei Hartshornes zum Tee, mit Ina. Es kommen auch: Wick,<br />

Robbins, . [sic] Ich über Möglichkeit, [….] in basic [?] oder in künstlicher<br />

Sprache zu machen. Die anderen bezweifeln, ob der richtige ―Einklang‖ nicht fehlt. –<br />

12


Nachher wir beide zu Morrisens, bleiben zum Essen. Ina ist übermütig, schüttelt und<br />

küsst Morris, weil er zu würdig aussieht. (Morris hat seiner Frau gesagt, daß er<br />

Inferioritätskomplexe bekomme und mich beneidet, wegen Seminar und Testability-<br />

Aufsatz (!).<br />

Mittags Professoren-Lunch. – 4 h zum Präsidenten Hutchins, Hartshorne<br />

führt mich ein und geht dann. Er spricht sehr freundlich mit mir über Organisation<br />

der Universität, Freiheit der Lehre, gesichert durch die Trustees gegen den Staat. Er<br />

weiss, daß Professoren in meinem Seminar sind. – Mit Morris über meine Chancen<br />

hier; und über Vortragstitel für Urbana und Columbia.<br />

Sa 8<br />

Nachmittags allein in die Stadt. Schneegestöber. Roebuck und allerhand<br />

Läden, aber kein Seckles [?] Laden. Im 10¢-Store lustiges Deutsch-Buch.<br />

So 9<br />

Mo 10<br />

Di 11<br />

Ina bleibt zu Bett wegen Zahn. – Di-Vortrag und Vorlesung vorbereitet.<br />

4-6: Morris Gruppe für Wissenschaftslogik, mein Vortrag ―Verification a.<br />

the Unity of Science‖. In der Diskussion macht McKeon falsch e Behauptungen über<br />

Umformung der Reduktionsformeln oder Definitionsformeln, und ich zeige, daß das<br />

nicht geht; er blamiert sich ziemlich; ob er das übel nimmt?<br />

Mi 12 Feiertag<br />

Do 13 2-4 Seminar. 4 zu Dr. Jacobs. Er rät auch, wie die Spezialisten: ―Zähne ziehen,<br />

Mandeln herausschneiden! Und in der linken Lunge oben seien immer noch Tub [?]-<br />

Prozesse; Sanatorium nicht nötig, aber vielleicht Ruhe, immer Liegen, gar keinen<br />

Sport treiben. Ina erfährt von Trude, daß Senior bei Morris war und sich ungünstig<br />

über mich geäussert hat!<br />

Fr 14<br />

Morris meint, die Äusserungen von Senior seien nur Stimmungssache,<br />

wechselnd und nicht ernst zu nehmen; aber mir scheint, er sagt mir nicht alles.<br />

Sa 15<br />

So 16<br />

Vortrag MS Unity gearbeitet.<br />

Nachmittags bei Morrisens. Ina macht Morris Vorwürfe, daß er nicht offen<br />

uns die Schwierigkeiten sagt, und daß er auf Trude böse ist, weil sie es uns gesagt hat.<br />

Abends geht er zu Senior (und mich hat Senior unter einem Vorwand wieder<br />

ausgeladen; er liest seine Übersetzung von Mengers Vortrag über moderne Logik vor).<br />

Wir mit Trude zum Abendessen.<br />

Mo 17 Ina<br />

13


Di 18<br />

Nach der Vorlesung mit Senior. Über räumliche Deutung der Atomstruktur<br />

molekularer Strukturen. – Briefe.<br />

Mi 19<br />

Do 20<br />

Nachmittags 3-4 Trude uns bei [sic].<br />

4-5 mit Schultz Tee in Harpers. Über Wittgenstein. Trennung von<br />

theoretischer und wertender internationaler Ökonomie wünschenswert. Er gibt das<br />

zu, und hier in Chicago bemüht sie sich darum. Aber es sei prinzipiell immer noch<br />

kombiniert. Über Wahrscheinlichkeitsbegriffe.<br />

Fr 21<br />

½ 12-½ 1 mit Morris und Frank Bruner über dessen MS zu ein [sic]<br />

verbessertes System der PM. Es scheint gut. Ich erkläre: die neuen Typen sind von<br />

transfiniter Stufe [?]. Ich erkläre die Unklarheiten seines Textes, wie bei Russell,<br />

durch Material der Beweise. – Professoren-Lunch. – 2-4 mit Morris und Eckart.<br />

Dieser hat Brief von Paul: Anwendung der symbolischen Logik auf Physik ist<br />

zwecklos; die Unbestimmtheitsrelation beruht auf der Beziehung zwischen Subjekt<br />

und Objekt; er philosophiert arg herum. Eckart ist klar in seinen Anschauungen, und<br />

will symbolische Logik anwenden. – 6 h mit Ina zu Morrisens. Morris sagt, daß Ames<br />

Lewis nochmal gefragt hat wegen Berufung hierher, obwohl das Dept. dachte, die<br />

Sache sei schon erledigt. Lewis hat eine Woche Bedenkzeit erbeten. – 8-10 mit<br />

Morrisens und Eckarts ins Kino International House. Interessanter abstrakter Film.<br />

Dann Don Quichotte, französischer Film, gut gespielt, aber keine Worte verstanden. –<br />

Nachher wir und Eckarts noch mit zu Morrisens für 1 Stunde. Über die Insel der<br />

Kinder [?] ohne Metaphysik. Ina untersucht. Findet bei allen Anwesenden innerlich<br />

beide eine ―Seele‖.<br />

Sa 22<br />

So 23ο<br />

Briefe.<br />

Nachmittags 4-7 Weinberg hier mit dem 18jährigen Thompson und dessen<br />

Freund, ein Rechtsanwalt. Weinberg kommt aus Zainesville, für mehrere Tage, um<br />

mit mir zu sprechen. Hat Logik nur durch Lesen gelernt, auch Syntax studiert. Ich<br />

erkläre ihm Gödels Satz. Er hat eine Doktorsthese über den logischen Positivismus<br />

geschrieben; ich schlage ihm vor, sie auf einen aktuellen Stand zu bringen, durch<br />

Berücksichtigung der neueren Veröffentlichungen, und dann erst zu veröffentlichen.<br />

14


Mo 24<br />

Di 25<br />

Mi 26<br />

Do 27<br />

Mit Weinberg 11-12½, dann mit ihm und Morris Lunch.<br />

Weinberg im Seminar (ich erkläre Gödel, dann 4 h mit zu uns. Er möchte<br />

Poppers Buch übersetzen. -- ½7.<br />

Fr 28<br />

Senior in meinem Office; mein Vorschlag zur Charakteristik der Gruppen<br />

durch Matrix mit Minimalzahlen. – Professoren-Lunch. – Nachher mit Tillich (und<br />

dem Freund Pick [?], deutscher Kirchengeschichtler, der hier unterrichtet). Tillich ist<br />

in New York an einem unionistischen Institut. Er hat Vortrag von Schlick gehört und<br />

2 von Dubislav, aber kaum etwas gelesen. Er meint, wir vernachlässigen den größten<br />

Teil der Wirklichkeit, nämlich die Sinnerfüllung in Geschichte und Menschenleben.<br />

Phänomenologie; er meint, das sei nicht metaphysisch, sondern empirisch; es ist aber<br />

arge Metaphysik. Es sei ein Fehler, daß wir die Begriffe eindeutig machen wollten;<br />

das dürfe man nicht in der Geschichte z.B., weil die Wirklichkeit ansonsten nicht<br />

erfasst werden könne. – Abends 6-10 (oder 11?) Dinner bei Morrisens mit Eckart.<br />

Nette Unterhaltung. Inas Theorie von den Seelen.<br />

Sa 29<br />

So 1. III.<br />

Vortrags-MS ―Unity‖ gearbeitet.<br />

Nachmittags Hamiltons hier. Er hat Interesse für Mathematik und Logik.<br />

Sie haben 2 gr. Töchter und 1 Sohn. Er ist nach Amerika gegangen, um mehr Zeit für<br />

Laborationsarbeit zu haben, und dabei doch gutes Einkommen. Über Inas<br />

Menschenscheu. – Nachher Hartshorne, Kurzbesuch. Er meint, Tillich sei der beste<br />

deutsche Theologe, beobachtet gut, mache gute Voraussagen über die Entwicklung in<br />

[?] z.B.<br />

Mo 2<br />

Di 3<br />

Mi 4<br />

Vortrag-MS gearbeitet. – Anfrage von Princeton!<br />

11-1 mit Senior und dem Mathematiker Lunt über meinen Vortrag zur<br />

Kennzeichnung endlicher Gruppen durch minimale Modalitätstafel. Es stellt sich<br />

heraus, daß es geht, und Senior ist sehr entzückt davon. (Er telefoniert das später an<br />

Morris und sagt, daß er es dem Präsidenten mitgeteilt habe (!)).<br />

15


Do 5<br />

Letzte Vorlesung. Jetzt beginnt der Leseperiode; ich täglich in meinem<br />

Office für die Studenten. -- ½ 5-7 mit Ina bei Perrys. Vorher fährt er uns im Auto<br />

zum Seeufer und Jackson Park. Gespräch mit ihm über seine Bedenken gegen<br />

Behaviorismus in der Sozialwissenschaft. Ich versuche klar zu machen, daß die<br />

―Interpretation‖ und das ―Verstehen‖ der Situation wovon er spricht, eine Funktion<br />

der physikalischen Beschaffenheit der Situation ist. – 7-9 zu Morrisens. Über<br />

Princeton; und McKeon. Dieser scheint nicht gewillt, dauernde Ernennung<br />

zuzugestehen, aber vielleicht zeitweise.<br />

Fr 6<br />

Sa 7<br />

10-12 erste Sprechstunde, kein Student kommt.<br />

Mit Ina Chic.-Englewood ab 11,41 (E.T.), Iowa City an 5,40 nachmittags,<br />

anstatt 4,02 (C.T.). Feigl holt uns ab. Wir wohnen in ihrem Bungalow, geräumig,<br />

nett eingerichtet. Wir kriegen sogar getrennte Zimmer, die von ihnen beiden. Der<br />

Sohn Eric, ―Hansi‖, liegt mit den Beinen im Gipsverband, ist aber meist vergnügt.<br />

So 8<br />

Vormittags mit Feigl in sein Office; 2 Professoren besucht über<br />

philosophische Fragen, und Ansichten in Amerika. Nachmittags im Radio Beethovens<br />

9. Symphonie. Der junge Psychoanalytiker Bill Woods, mit Kasperle befreundet, und<br />

ein junger Techniker aus Wien. Später Lewin und Frau. Mit ihm über seinen Aufsatz<br />

über den hodologischen Raum. Ich gebe einige Anregungen zu korrigierenden<br />

Definitionen; Unterschied zwischen Funktor und Prädikat.<br />

Mo 9<br />

Mit Kasperle. Sie klagt, daß es mit Feigl jetzt unerträglich sei. Sie selbst sei<br />

zum größten Teil Schuld. Aber nun müsse sie mal weg. Sie möchte nach Chicago,<br />

psychiatrische Fürsorge studieren. Feigl sei abgeneigt nicht für diesen Plan. Er wolle<br />

sich mit ihr ruhig sprechen; sehe sie nicht mehr als Frau an, usw. Zu Feigl ins Office;<br />

mit ihm 2 Professoren besucht. Dann zu Fuss zurück, und Ehe-Schwierigkeiten<br />

besprochen. Er meint, der Plan von Kasperle sei eine unbewußte Demonstration<br />

gegen ihn. Wenn sie sich freundlicher zu ihm einstellen und alles leichter nehmen,<br />

und nicht mehr so streng und vorwurfsvoll sein wollte, würde es schon gehen. –<br />

Nachmittags kleiner Spaziergang mit Feigl. Über die unterschiedlichen Leute, die für<br />

Prag in Betracht kommen. – 6-8 großes Dinner, von Feigls eingeladen, in der Union,<br />

16


mit 20 Personen. Mir gegenüber der Dean Seashore, alter Mann, der mich sehr nach<br />

Prag und Europa ausfragt. 8 h mein Vortrag ―Unity of Science‖, über 100 Leute. Ich<br />

lese ab; dann etwas Diskussion.<br />

(Ina sagt: Wenn schon so ein ruhiges Kind so viel Störung in der Nacht<br />

macht, dann vielleicht doch lieber kinderlos!). Ich telegraphiere an Morris:<br />

Sprechstunde verlegt; Kasperle möchte, daß ich noch bleibe, um noch zu besprechen.<br />

10-12 Konferenz; dabei mein Vortrag ―Log. Math. a. Emp. Sc.‖, frei gehalten. Geht<br />

gut. 1 Stunde Diskussion. – Frau Dr. Kosteletz, Bekannte von Lewins, berichtet mir<br />

über die Dubislav-Sache, wobei sie Zeugin war. Er ist mehrere Monate frei gewesen,<br />

bevor er verhaftet wurde; trotz allem Drängen wollte er nicht weg. Er könnte nach<br />

Russland, wurde als Dozent genommen. Hat sicher unter der ganzen Sache gelitten.<br />

– Nachmittags mit Kasperle spazieren. Nachher sage ich Feigl, daß sie mit ihm und<br />

mir alles besprechen möchte. Er will es aber lieber mit ihr alleine, und nötigenfalls<br />

Bill hinzuziehen, als Analytiker. Darauf wird sie sehr heftig und böse, weil sie glaubt,<br />

er will der Aussprache wieder ausweichen. Abends weint sie viel; schwierig, sie zu<br />

beruhigen.<br />

Mi 11<br />

9 (C.T.) Iowa C. ab, 3,15 (E.T.) in Chic. 4-5 Sprechstunde, kein Student<br />

kommt. Morris berichtet von heftigen Auseinandersetzungen des Departments mit<br />

McKeon. Vielleicht wird es Kampf geben, obwohl die Gegenseite die besseren<br />

Chancen hat. Auf 1-Jahr-Einladung wollen sie nicht eingehen, weil das als<br />

Zustimmung gedeutet werden würde, daß eine weitere Probezeit nötig wäre. – Mit<br />

Ina kurz zu Schultz. –<br />

Do 12<br />

Sprechstunde, zum ersten Mal 1 Student. – Letztes Seminar. Der Pfarrer<br />

Kurins macht zum Schluß eine Dankansprache. – Zu Dr. Wells. 2 Zähne gezogen, 1<br />

mit drei Vorzähl[…?] geht schwierig.<br />

Fr 13<br />

Vormittags Sprechstunde. Die Studenten liefern term papers ab.—<br />

Nachmittags in die Stadt, zu Dr. West, Freund von Morris, alter Zahnarzt; auch er rät,<br />

obwohl konservativ, die 4 Zähne auszuziehen, die auf dem Röntgenbild markiert sind!<br />

Fordwagen besichtigt. – Abends 7-10 mit Ina zu Morrisens. Morris will mit seinen 20<br />

Sa 14<br />

17


―Nachtreitern‖ den Kampf mit dem Präsidenten aufnehmen; zunächst um den Einfluß<br />

im College.<br />

Zu Dr. Kelly. Er rät, nach der Rückkehr von Urbana 2 Goldkronen<br />

herauszunehmen. — ½ 3-5 mit Perry und Ina gebrauchte Autos besichtigt. Wir<br />

werden ganz verwirrt durch die Fülle der Auswahl. -- 6½-11½ Dinner bei McKeon.<br />

Nur Männer: Hartshorne, Perry, Thurstone, Barnary [?], Schultz. Barnary ist<br />

Professor der Mathematik, war in meinem Seminar, ist an Logik interessiert, hat<br />

Sachen von von Moore [?] herausgegeben. Thurstone fragt nach der Definition der<br />

Messung; ich erkläre die 5 Regeln. Perry über ―analytisch‖; man diskutiert darüber<br />

sehr unklar. Schultz fragt, wo die Fakten ihren Platz in unserer Philosophie haben; er<br />

meint die Verifikation.<br />

So 15ο<br />

Mo 16<br />

Vortrag für morgen vorbereitet. – Briefe.<br />

Angebot von Princeton! – Chicago ab 2,11 (E.T.), Champaign-Urbana an<br />

3,30 (C.T.). Prof. Morrow holt mich im Auto ab. Rundfahrt durch den Campus,<br />

riesiger Komplex von Gebäuden. Die Bibliothek, schön und bequem eingerichtet. In<br />

eine […] Stube. Dann zum University Club, dort bekomme ich ein Zimmer mit Bad.<br />

6 h einfaches Dinner mit dem Dean McLeone (?) und 2 anderen Professoren, einer von<br />

Princeton (Emeritus). 7:30 mein Vortrag ―Scient. Philos. in Contemp. Europe‖,<br />

großer Saal, viele Zuhörer. Stellenweise vielleicht zu schwierig; besonders das über<br />

Lewis (was Feigl suggeriert hatte). Keine Diskussion. Bis 10 h im Hause des Deans mit<br />

vielen Leuten. Ein wenig unterhalten.<br />

Di 17<br />

Vormittags Hempels MSe und Chicago term papers gelesen. – Mittags<br />

Lunch mit allerhand Leuten. Nachher Diskussion mit Morrow über Auffassung der<br />

Werte. – Etwas geschrieben. Spaziergang. Morris ist hier, 6 h Dinner mit den<br />

Professoren. Morris erzählt über Kongress und Enzyklopädie. 7:30 mein 2. Vortrag<br />

―Logic, Mathematics and Empirical Science‖. Nur 50 Minuten, weil ich schnell und<br />

lebhaft spreche; es geht gut.<br />

Mi 18 Ina<br />

Vormittags mit Morris spazieren. Über mein Princeton Offer. Mittags mit<br />

Morris, McLeons, Morrow und Frau. Über analytische Sätze. McLeons fragt, wieso<br />

ich, von deutscher Herkunft, die deutsche traditionelle Philosophy ablehne. 4 h<br />

18


3.Vortrag ―Unity of Science‖, abgelesen. Morrow sagt, das sei der beste gewesen. Er<br />

bringt mich an die Bahn. Dort Morris. Mit ihm zurückgefahren. Champaign ab 6,05<br />

Chic. And (9,10 C.T.), 10,10 E.T.<br />

Do 19<br />

Fr 20<br />

10½-12 Office. Studenten bekommen term papers zurück.<br />

10-12 ― ― ― ― ― ―<br />

Damit ist das Winter Quarter fertig. Mittags letztes Professoren-Lunch. Dabei Prof.<br />

Götz (Ästhetik), früher Berlin, seit 2 Jahren Amerika. 4-6¼ in Morris Gruppe mein<br />

Vortrag ―Die neue Logik‖ mit netter, lebhafter Diskussion, auch über<br />

Wahrscheinlichkeit und Sicherheitsgrad.<br />

Sa 21<br />

10-1 mit dem jungen Bray Auto gefahren, weit hinaus nach Süden. Es geht<br />

ganz gut, aber noch unsicher. – Nachmittags 4-10 Ursula Kaufmann hier. Sie wohnt<br />

bei ihrem Großonkel; ein junger Verwandter, Medizinstudent, kommt für kurze Zeit<br />

mit, spricht etwas Deutsch. Sie erzählt sehr lebhaft. Findet alles ―fabelhaft‖. Sie<br />

möchte noch ein Jahr bleiben, in einem College in Florida, wo sie teilweise eingeladen<br />

ist (Rollins College).<br />

So 22<br />

10½-12½ Auto gefahren, mit Bray. Im Stadtverkehr, auch den Southern<br />

Drive herunter. – Nachmittags zu Hamiltons. Wir beschließen, selbst zu fahren.<br />

Zum ersten Mal ohne Lehrer! Schwieriger Start, schwierige Umwege. Dort<br />

Thurstone und Frau. Mit ihm und Hamilton über psychologische Tests usw. Ina<br />

langweilt sich mit den Frauen. Die Tochter erinnert mich an Tillys kleine Schwester.<br />

Die Wohnung ist mit Schwedenmöbel sehr konservativ und familienhaft eingerichtet.<br />

– Bei der Rückfahrt stosse ich rechts an einen anderen Wagen an und zerstosse<br />

meinen hinteren rechten Flügel! Thurstone kommt und fährt uns bis Morris. Morris<br />

fährt mit mir etwas herum. Dort zu Abend. Morris meint, McKeon scheint einlenken<br />

zu wollen. Aber sie möchten nicht auf einen Kuhhandel (gegen Buchanan [?])<br />

eingehen. Abends kommt Morris mit, ich fahre in die Garage, 59 th St.<br />

Auto Mo 23<br />

mit Bray.)<br />

MS für Vortrag ―Philosophie und logische Analyse‖ gearbeitet. (Ina fährt<br />

19


Di 24<br />

MS gearbeitet. – 6½ Dinner mit Morrisens, Eckart, und Pauli und Frau. Im<br />

Club; dann zu Eckarts. Paulis waren ½ Jahr in Princeton am Institut, kehren im April<br />

nach Zürich zurück; nehmen ihr Auto mit. Er spricht ziemlich schlecht Englisch.<br />

Nachher lebhafte Diskussion.1) Es muß sinnvoll sein, zu sagen, daß die Seele eines<br />

Verstorbenen noch lebt; ich stimme zu. 2) Zweifel am Satz der Anwendung der Logik<br />

auf Physik. Ich erkläre: Sprachanalyse, exakt machen der Wörter in den Gesetzen;<br />

Übersetzungsregeln zwischen physikalischen und Dingsprachen; dem stimmt Pauli<br />

dann zu. 3) Seine ―Anti[onie?]‖ oder ―fundamentale Schwierigkeit‖: Gegensatz<br />

Subjekt-Objekt stecke in jedem Satz und könne doch nicht scharf gemacht werden.<br />

Wir erklären (Morris behavioristisch), daß hier keine fundamentale Schwierigkeit<br />

vorliegt.<br />

III 1936<br />

Mi 25<br />

Vormittags MS. – Nachmittags 5-6 mit Morris Auto gefahren (Ina 4-5). 6½-<br />

10½ Ursula Kaufmann hier. Sie erzählt lebhaft von ihren Eindrücken. Wir zeigen<br />

Photos. Sie bittet sehr, sie im College zu besuchen.<br />

Do 26<br />

Fr 27<br />

MS fertig gemacht. – Nachmittags 2 Stunden mit Morris Auto gefahren.<br />

Vormittags 2 Stunden mit dem Lehrer Auto gefahren, im Stadtverkehr.<br />

Michigan Ave., hinunter, am Wrigley Tower vorbei, nach Norden in den Park, und<br />

ebenso zurück. Allmählich fühle ich mich schon ziemlich sicher. – Mittags Lunch,<br />

letztes, mit den Professoren. Benjamin [?] ist dabei, von der Weltreise zurück.<br />

Diskussion mit Hartshorne über ―Zukunft‖, ―Zeit‖, ―Kausalität‖, auch Morris. –<br />

Nachmittags Briefe.<br />

Sa 28<br />

Abschiedslunch bei Hartshornes. – Nachmittags geschrieben und gekramt.<br />

– 7-11¾ ! Dinner bei Schultz. Dabei noch Prof. Arstade [?] und Frau. Er ist von<br />

spanischer Herkunft; studiert Indianersprachen in Guatemala und Mexico. Berichtet<br />

interessante [Züge?]; will alles empirisch fundieren; grammatische Kategorien ―Verb‖<br />

usw. allegemein definieren. Schultz sagt mir, daß er mein dauerndes Herkommen<br />

unterstützen möchte; ich soll bei McKeon am Montag möglichst viel verlangen.<br />

So 29<br />

20


Nachmittags 3-4 Vince hier, Ernis Freund, [Engländer?], Sozialist. –<br />

Abschiedsbesuch bei Perrys und Seniors (sie laden uns ein, wenn wir durchreisen, bei<br />

ihnen zu wohnen!). Abends bei Morris.<br />

Mo 30<br />

11-11½ bei McKeon; er macht Offer: permanent (!), 5500, nur 6 Stunden.<br />

Und wenn ich mit spezieller Arbeit beschäftigt, soll ich mich an ihn wenden, um<br />

Dimens [?] von 1 oder mehr 2 Kursen [sic], oder 1 Quarter frei für Europareise und<br />

dergleichen. Wenn günstigere ökonomische Verhältnisse, Gehaltserhöhung. – Zu<br />

Morris; über künftige Kurse. Mit ihm und Schultz Lunch. Nachmittags gepackt. Ina<br />

tut fast alles. Trude kommt und hilft ihr etwas. – Abends kommen Morris, Perry und<br />

Smith zu einem Glückwunschtrunk.<br />

Di 31<br />

Wir werden mit Packen erst mittags fertig. Abfahrt im Auto 1 h . Es macht<br />

viel Spaß. Ich fahre meist, Ina beobachtet die Karten und die Routenbeschreibung.<br />

Zuletzt fährt Ina. Es wird dunkel. In den Pokagon State Park, Ind. Beim Einfahren<br />

in die Garage verkratze ich einen Fender.<br />

Mi 1. IV<br />

Wir besehen im Park die Büffel und Rentiere. Dann im Auto weiter. 2 h<br />

Ann Arbor, Hotel Allenell [unleserlich] dürftig. Wir sind sehr müde, schlafen etwas.<br />

Dann etwas geschrieben. Abends Kino, Film ―Modern Times‖, Chaplin, gefällt uns<br />

gut.<br />

Do 2<br />

Prof. Wibbert kommt ins Hotel, wir machen Verabredungen. Etwas<br />

geschrieben. – 4 mein Vortrag ―Philosophy and Logical Analysis‖ (aber auf Morris Rat<br />

mit dem Unity-Vortrag als Haupteil). Wibbert zeigt uns nette ruhige Zimmer im<br />

Club ―Michigan Union‖; es ist zu spät zum Umziehen; hätte er das doch morgens<br />

gesagt! 6:30 Dinner mit den Professoren. Sellars sagt (auf meine Frage!) ich möchte<br />

abends nochmal sprechen, vielleicht über Mathematik. Ich setzte mich 10 Min. allein.<br />

Überlege. 7:30 mein Vortrag ―Mathematische und empirische Wissenschaft‖, mit<br />

Diskussion. Sie haben Schwierigkeiten mit einigen Punkten im Satzkalkül, und mit<br />

der leeren Satzklasse. – 9 h . Dann zu Sellars, dort viele Leute. Mit Wibbert über<br />

politische Lage in Europa. Dann mit Frau Wibbert. Ich bin sehr müde. 10½ nach<br />

Hause.<br />

21


Fr 3<br />

12½ Lunch mit Professoren. Über Gestaltpsychologie und Psycho-<br />

physikalische Probleme. Über europäische Politik. Brief von Chicago: permanente<br />

Professur! – 4 h Professor Wibbert fährt uns im Auto durch den Campus und zeigt uns<br />

einige Gebäude. Dann Tee bei Wibberts mit allerhand Professoren, Nicht-<br />

Philosophen. – Ina müde, geht nach Hause. Ich 7-11½ (!) zu Höxter; Miss Ambrose<br />

und 2 Studenten. Sie erzählt viel von Wittgenstein, auch Kritik an ihm, ist aber doch<br />

sehr beeindruckt von seiner Persönlichkeit. Nach dem Dinner über Logik: was ist<br />

eine Sprache; was ist ein Word [sic]; wodurch ist es bestimmt, daß ein Wort die<br />

Bedeutung eines Prädikates hat (nämlich in den Fakten); usw. Sie wissen anscheinend<br />

noch fast nichts von der Syntax, obwohl Ambrose sie zum Teil gelesen hat; wollen<br />

aber die englische Übersetzung eifrig studieren.<br />

Sa 4<br />

Abfahrt kurz vor 11. Wir passieren Detroit, dichter Straßenverkehr.<br />

Durch den Tunnel nach Kanada. In Chatham besucht Ina eine Klosterfrau. 6 h in<br />

London, Brescia Hall. Wir besuchen Mutter Felicita. Es ist ein Kloster der<br />

Ursulinerinnen, mit einem College für Studentinnen. – Hotel London, fein.<br />

So 5<br />

Nach Niagara Falls. Im Air-Car über den Whirl-Pool. Die Fälle besehen.<br />

Leider zu spät für den Tunnel, der unter die Fälle führt. Im Regen und später im<br />

Dunkeln nach Buffalo. Hotel Lenox, North Str., feine 2 Zimmer mit Bad.<br />

Mo 6<br />

Briefe. – 4 h kommt Fritz Machlup aus Wien. Jetzt Professor of Economy<br />

hier, holt uns im Auto ab; zu sich. Seine Frau ist einfach, lieb, nicht intelektuell, fühlt<br />

sich nicht wohl in Amerika; 2 Kinder. Sie haben ein Häusschen, nett eingerichtet. Er<br />

scheint sehr zu sparen, will erst in 2 Monaten neue Schreibmaschine kaufen (für $50).<br />

6:30 mit Machlup zu Prof. Farber zum Dinner. Er hat bei Husserl in Freiburg<br />

gearbeitet, ist aber jetzt nicht ganz mit ihm einverstanden, auch verschiedenes von<br />

mir gelesen. Dabei Prof. Boynton (?). 8 mein Vortrag ―Unity‖. Nicht viele Leute.<br />

Ein wenig Diskussion.<br />

Di 7<br />

Wir fahren hinaus, frühstücken bei Machlups. Heute und morgen große<br />

Strecke zu fahren. Nachmittags schneit es, der Wischer klebt immer, schlecht und<br />

langsam zu fahren. Daher kommen wir nur bis Bridgewater New Hibbard’s Hotel.<br />

Billige Zimmer, teueres Essen.<br />

Mi 8<br />

22


Alles verschneit. Wir müssen langsam fahren. Im nassen Schnee kommt der<br />

Wagen mal ins Querrutschen. Wir kommen nicht bis Cambridge. Nach einiger Zeit<br />

dunkel fahren bin ich müde. Wir stoppen in Waltham. Einfache Puristenzimmer.<br />

Do 9 Ina<br />

Nach Cambridge, ½Stunde, zu Quines. Zu Brattle Inn. 2 Zimmer mit Bad,<br />

im Nebenhaus, für $3. Mit Quine zum Mittagessen. – 4 h mein Vortrag ―Unity‖;<br />

Huntington, Bridgeman, Hocking sind da. Ein wenig Diskussion. 6 h Dinner mit den<br />

Professoren, auch Quine dabei. Dann Diskussion am Tisch, mit Lewis, Hocking, Prall,<br />

über Positivismus und Metaphysik, Sprache über Eigenpsychisches usw. Die<br />

Diskussion ist ganz gut; ich glaube, sie verstehen mich jetzt besser. – Quine sagt mir,<br />

daß Prall dem Dept. vorgeschlagen hat, mich zu berufen. Er hat ihm jetzt vom<br />

Chicagoer Offer gesagt, und Prall hat es Hocking gesagt. Für dieses Jahr kommt aber<br />

wohl kaum mehr in Betracht; überhaupt scheinen nicht alle sehr dafür zu sein. Die<br />

Möglichkeit einer [floating?] Professorship, die vielleicht im Herbst eingerichtet,<br />

bleibt offen; das wäre dann für 1937.<br />

Fr 10<br />

Lunch bei Quines. Nachmittags mit ihm über sein neues MS: Eine<br />

Klassentheorie ohne Typenregel. Meine Bedenken: 1) Ob vielleicht semantische<br />

Antinomien konstruierbar, weil ―wahr‖ ausdrückbar; 2) Ob die Allsätze über<br />

Realitätszahlen sich nur auf die definierbaren beziehen. Die Form- und<br />

Umformungsbestimmungen sind noch nicht formuliert. Wir essen noch bei ihnen zu<br />

Abend.<br />

Sa 11<br />

Briefe. 1-3 Lunch bei Hockings. Sie ist rührend, hat uns schon zweimal<br />

Blumen gebracht, geht einem aber auf die Nerven. Huntington und Bridgeman sind<br />

da (Lewis war verhindert). Bei Tisch setzt Hocking seine Auffassung auseinander:<br />

über Robot, Leben, Bewußtsein usw. Ich sage wenig dazu. Bridgeman stellt<br />

vernünftige Fragen: ob der Robot mit gleicher Atomkonstellation sich gleich<br />

verhalten würde wie ein Mensch, usw. – 4 h mit Quine in unserem Auto nach Marble<br />

Head. Schon am Meer, auf einer felsigen Halbinsel. Quine möchte vom Juni ab hier<br />

eine Cottage mieten, rät uns, im Sommer hierher zu ziehen. Es wäre aber 50 Min.<br />

Autofahrt! Wir schlagen vor, etwas näheres zu suchen. – Zurück nach Boston. Zu<br />

Pironi; wir essen Muscheln, Hummer, usw.<br />

23


Mo 13<br />

Di 14<br />

Mi 15<br />

Do 16<br />

So 12<br />

Fr 17<br />

Gepackt. ½12 ab zu Quines. Dann durch Boston (zum ersten Mal verfahren:<br />

Route 1 nicht gefunden). 2 h in Norton, Wheaton College. Ursula Kaufmann, sie hat<br />

ein nettes Zimmer; große Gebäude, [unleserlich]. In der Inn [sic] gegessen. Im Wald<br />

spazieren. Ursula möchte auf jeden Fall in Amerika bleiben, studieren, Beruf ausüben,<br />

lieber als nach Deutschland. Ina schlägt ihr vor, bei uns in Chicago zu wohnen (!).<br />

Nach dem Jahr in Rollins, das aber noch nicht ganz gesichert ist, wird sie den B.A.<br />

machen. 5 h weiter gefahren. Etwas im Dunkeln gefahren. 7h in Narraganset Pier.<br />

Die Hotels sind zu, nur im Sommer auf; Seebadeort. 2 einfache Zimmer in einer [sic]<br />

Inn. Ein alter Mann macht uns Abendessen.<br />

Zuweilen durch Städte (Providence, New Haven), zuweilen mit Regen. Zwischen<br />

4 und 5 in New Rochelle. Zu Brodwein. Er kommt später aus dem Geschäft. Lilian<br />

ist in California, mit Bräder [?], Geld für Anti-Faschisten sammeln. Sie wollen dann<br />

zusammen nach Mexico.<br />

Wir fahren mit dem Auto über den Riverside Drive, 1 Stunde zu Nagels. Mit ihm<br />

zu Prof. Coss; gemütlicher Herr, redet nichts Philosophisches. Er zeigt mir alle<br />

Gebäude. 4½ mein 1. Vortrag ―Philosophy and Logical Analysis‖. Nachher der alte<br />

Prof. Keyser, mit junger Frau; er erinnert sich noch an meinen Besuch 1923; sehr<br />

freundlich. Malisoff. Brodwein kommt und fährt uns hinaus.<br />

Mittags zu Nagels. 4:30 mein Vortrag ―Mathematics and Empirical Science‖, frei<br />

gesprochen. Mit Brodwein und Nagel im japanischen Restaurant.<br />

Wir fahren ins Hotel King’s Crown, 420 W116 th Str., New York, 2 nette<br />

Einzelzimmer, mit Bad, inkl. Frühstück $5. Ruhig. Sehr preiswert (aber Mahlzeiten<br />

ziemlich teuer). – 4:30 mein 3. Vortrag ―Unity of Science‖. Nachher Diskussion,<br />

geleitet von Nagel. – Nagels mit uns zu Abend.<br />

Lunch mit Malisoff. Er will mein MS ―Testability‖ ganz in Juli-Nummer bringen;<br />

die ist für Harvard Tercentary. Ich soll die meisten Formeln in Fußnoten oder<br />

Kleindruck bringen. Er muß das MS bis 1. Juni haben. – Nachmittags Philosophy<br />

Club, in Faculty Men’s Club. 5 h Tee, 6 h mein Vortrag ―Mathematik und empirische<br />

Wissenschaft‖ (sie stimmen beim Tee ab, und ziehen dies der ―Unity‖ vor, weil einige<br />

das letztere gehört haben, und andere es in Yale hören werden). 7h Diskussion, sehr<br />

24


schlecht organisiert. Gewöhnlich spricht jeder der Mitglieder kurz, und erst zuletzt<br />

wieder der Vortragende. Auf meine Bitte erlaubt man mir, auf jede Bemerkung gleich<br />

zu antworten. Jedes Mitglied darf 4 Min. sprechen (!), dann ich kurz erwidern. Eine<br />

Diskussion gibt es überhaupt nicht. Nur einige Mitglieder erlauben sich, dann<br />

nochmal was zu sagen. Dewey, Montague, Morris Cohen, Schneider, von Yale:<br />

Northrop, Urban, im ganzen 10 oder 12 Leute. Cohen wird sehr aufgeregt, seine<br />

Hände zittern; meine Ausführungen seien nicht nur falsch, sondern widersprechen<br />

sich, usw. Ich erwidere sachlich; werde nur schärfer, als er auf seinem Irrtum besteht,<br />

daß die Anzahl endlicher Kombinationen von endlich vielen Symbolen endlich ist. 8 h<br />

Zimmer. Ich erzähle von der Autoreise. Montague erzählt die Geschichte von der<br />

spiritistischen Studentin, und das Rätsel von den 3 Männern. Im Ganzen ist der Club<br />

eine große Enttäuschung für mich. Ich habe nicht Zustimmung erwartet, aber<br />

wenigstens einiges Verständinis. Die Leute sind anscheinend zu alt dazu.<br />

Lunch mit Nagels, Hook, Schapiro. – 4-7 Diskussion in Nagels Gruppe, dabei<br />

Hook, sonst meist Studenten. Ich erkläre, was bei der Aufstellung einer<br />

Sprachwissenschaft konventionell ist, und was empirisch abhängig; Beispiel der<br />

Struktur des Reimes. Lebhafte, verständnissvolle Diskussion. Dann über Ethik; die<br />

verschiedenen empiristischen ge[sehenen?] Interpretationen, und andererseits die<br />

absoluten Normen, ohne Erkenntnisgehalt. – Diese Diskussion ist sehr erfreulich,<br />

besonders im Gegensatz zur gestrigen. Nagel sagt, daß diese jungen Leute sehr wenig<br />

Ermutigung im Studium dieser Probleme von den Professoren bekommen.<br />

So 19<br />

Mittags mit Nagels bei Prof. Keyser. Sehr freundlicher alter Herr. Er schlägt<br />

vor, daß ich meinen Vortrag dem ―S[…] Matematica‖ gebe; nachher könnte sie dann,<br />

wie sein Büchlein, [unleserlich] erscheinen. Er hat schon mit dem Herausgeber der<br />

Zeitschrift darüber gesprochen. Ich soll ihm jedenfalls darüber schreiben. Die<br />

Zeitschrift bemühe sich, die Isolation der Mathematik zu überwinden, sie enthält<br />

immer auch Aufsätze für interessierte Laien. – 4 h Mia Sasse kommt ins Hotel. Wir<br />

machen Spaziergang am Hudson entlang, dann zusammen Dinner im Hotel. Sie<br />

arbeitet im Lloyd, hat $160 monatlich. Kann davon nichts sparen, hat mit 3<br />

Freundinnen zusammen eine Wohnung. Ihre Schwester Hanna unterrichtet in<br />

25


Vassar Pok[…?]. Sie hat auch da studiert und fährt oft hin, kennt Geiser gut. Hanna<br />

ist für 2 Jahre in Deutschland. Sie spricht wenig von sich persönlich. Sie ist gegen<br />

Hitler, beklagt sich aber doch, daß die Juden in New York so viel Propaganda gegen<br />

Hitler ―und gegen Deutschland überhaupt‖ machen, und ihnen mehrmals die Fenster<br />

eingeworfen hätten. – Mit Mia Dinner im Hotel. Dann kommt Ina; zusammen auf<br />

unserem Zimmer bis ½10. Dann beschließen wir Mia im Auto nach Hause zu<br />

bringen. Ich fahre zum ersten Mal in die Unterstadt, und dazu im Dunkeln! Es geht<br />

gut, und sogar ohne besondere Aufregung. Bis 11 h .<br />

Mo 20<br />

Vormittags im Auto nach New Rochelle. Zu Wertheimers. Seine nette<br />

lebhafte Frau, in Hose. 3 Kinder kommen aus der Schule. Wir lunchen ein wenig mit.<br />

– Dann in Brodweins Haus. Abends mit ihm.<br />

Di 21<br />

Ich wollte eine Bahn nehmen, weil weniger anstrengend. Da schlägt<br />

Brodwein vor, mit mir zu kommen und nachts Auto [sic] zurückzufahren. Ich hole<br />

ihn um 2 h bei Larchmont Station ab; zusammen in unserem Auto nach New Haven-<br />

Yale, an 5 h . Zu Northrops Office, dann zusammen zu seinem Haus. Er wollte mich<br />

für die Nacht da behalten, sogar mit Ina. 6:30 in der Universität zu Dinner mit<br />

Professoren: Physiker Mardani [?], Psychologe Hull, Philosoph Urban und andere.<br />

Hull sagt, ich solle gelegentlich wieder kommen, er möchte gerne mit mir sprechen<br />

über empiristische Methoden der Psychologie. 8 h mein Vortrag ―Unity of Sc.‖ im<br />

Philosophie Club, Vorsitzender Champion Ward, ein Graduate Student. 9-11 lebhafte<br />

Diskussion; aber zu lang. Ich bin sehr müde. Brodwein fährt den ganzen Weg zurück,<br />

in zunehmenden Tempo. 1 h in N. Rochelle.<br />

Mi 22<br />

Gepackt. Im Auto ab 12h. Lunch mit Edith Nagel; bei ihr ausgeruht. Dann<br />

weiter, durch Holland Tunnel, schöne Straße nach Princeton, 5 h . Zu Irving in den<br />

Turm. Mit ihm zum Hotel Nassau Inn (1 Vorderzimmer mit Balkon $2; die<br />

Hinterzimmer mit Bad $2.50). – Irving und Spaulding holen uns ab; 8 h mein Vortrag<br />

―Philosophy and Logical Analysis‖ (in der geänderten Fassung, mit ―Unity‖, gekürzt,<br />

als Haupteil). Ich sitze am Tisch und lese ab; dazu (sehr wenig) an die Wandtafel<br />

geschrieben. Dann lebhafte Diskussion. Dabei Weyl (ich spreche ihn zum ersten<br />

Mal!). Scoon, freundlicher weißhaariger Mann (seine Frau ist plötzlich operiert<br />

26


worden). Bernays, spricht schreckliches Englisch, und nicht sehr klar; die Studenten<br />

applaudieren ihm, weil es ihnen Spass macht. Bähr und Frau.<br />

Do 23<br />

Wir etwas spazieren. Mittags wir zusammen Lunch mit Scoon in der [sic]<br />

Peacock Inn. Dann in seinen Office Besprechung mit ihm, Spaulding und Stace über<br />

das Offer. Ich gebe die Bedingungen von Chic. an. Er will den Präsidenten fragen<br />

wegen permanent, Gehalt, Stunden; meint, es wird nicht unter 8 Stunden gehen. Er<br />

erklärt meinen Lehrplan. Ich äußere Bedenken wegen der 5 Stunden Diskussion über<br />

Plato. – Im Hotel etwas ausgeruht. – ½ 5 mit Ina und Scoon in die Fine Hall. Tee.<br />

Frau Weyl, Ladenburg, Neumann. 5-6 mein Vortrag ―Mathematics and Empirical Sc.‖,<br />

veranstaltet vom philosophischen und mathematischen Department, geleitet von<br />

Dean Eisenhart. Anwesend noch: Bernays, Neumann; Weyl kommt erst ganz spät. –<br />

6 h Dinner in der Graduate School; ich trage schwarzen Gown; feierlicher Kirchensaal,<br />

aber zum Glück hell erleuchtet. Prof. Green, der Freund von McKeon (er wollte<br />

früher diesen nach Princeton bringen), diskutiert mit mir über Wert der Geschichte<br />

der Philosophie für die Ausbildung der Studenten. Ich sage: wichtiger das<br />

Systematische zuerst; und zur Charakterisierung der Denkweise besser Geschichte der<br />

Wissenschaft. – Im Gastzimmer des Turms eine ½ Stunde geruht. Dann in der<br />

Graduate School Diskussion 8-10. Einstein (ich spreche ihn zum erstenmal) diskutiert<br />

eifrig mit, aber in sehr schlechtem Englisch. Über Mach und die Unterschiede<br />

unserer Auffassung von ihm. Ich erkläre meine Auffassung über Hypothesen, gegen<br />

Induktionsprinzip (erwähne frühere Diskussion mit Bernays in Paris); hier stimmen<br />

wir ganz überein. Auch, daß es für die Nachprüfung der Physik genügt, auf<br />

Denksprache zurückzugehen anstatt auf Phänomene oder Sinnesdaten. Er vertritt<br />

energisch die Auffassung, daß zwischen Dingen und Sinnesdaten eine Kluft ist, die<br />

logisch nicht vollständig überbrückt werden kann (es ist nicht ganz klar). Auch<br />

Studenten diskutieren heute eifrig mit. Scoon fragt, ob wir nicht Ontologie machen.<br />

Fr 24<br />

Wir gehen zum Lunch zu Bährs. Sie wohnen in einer netten, hellen Wohnung.<br />

6-jähriger Sohn Klaus. Er ist für 2 Jahre im Institut, möchte dann in Amerika bleiben,<br />

war 2 Jahre in Manchester, hat Dauervisum. Er sagt, für einen Mathematiker ist<br />

Princeton jetzt der ideale Platz in der Welt. Ich bezweifle, ob auch für einen Logiker.<br />

27


Er gibt zu, das bei den Mathematikern jetzt eine gewisse ―Grundlagenmüdigkeit‖<br />

herrscht, wie in Griechenland nach der Zeit von Zeno. Dabei ist der Mathematiker<br />

Kuratowski aus Warschau, der für einige Zeit im Institut war und Tarski kennt. Bähr<br />

sagt, dass im Institut keine Lehrverpflichtung besteht, aber die meisten einen Kurs<br />

oder Seminar abhalten. Guter Kontakt gegenseitig: Sie besuchen gegenseitig die Kurse,<br />

treffen sich jeden Tag nachmittags beim Instituts-Tee kurz, suchen sich auf, wenn sie<br />

eine Frage haben, weil für jede Frage ein kompetenter Mann da ist. Die offizielle Zeit<br />

ist nur Okt-April! Weyl usw. bekommen sehr hohe Gehälter (15 T.$); er selbst nur<br />

1500 $ für das Jahr. – Im Hotel Brief von Scoon: Die Bedingungen können nicht<br />

verbessert werden; er gratuliert zu Chic. 4 h kommt Irving; er sagt, daß Scoon trotz<br />

der Meinungsverschiedenheiten, es für richtig hält, dem Positivismus einen Platz hier<br />

zu geben, und sich ernstlich bemühmt habe, mich herzubringen. Spaulding habe<br />

auch Kritik und Einwände gegen den vielen Plato-Unterricht; er werde meine<br />

Einwände künftig zitieren, man habe schon oft überlegt, den Plan zu ändern, aber<br />

sich nicht einigen können. Mit Ina und ihm spazieren, zum See. Er unterstützt die<br />

sozialistische Partei; die Kommunisten haben keineAussicht hier; er bedauert deshalb,<br />

daß Bromberg ihr seine ganze Zeit widmet. Wir sprachen über andere Kanditaten für<br />

die Professur. Nagel, Feigl, (und Tarski) kommen nicht in Betracht, weil Scoon (nicht<br />

von sich aus, sondern wegen der Fakultät) keine Juden herberufen würde; daher auch<br />

Bedenken gegen Reichenbach. Quine hat früher abgelehnt. Ich rühme Hempel sehr.<br />

Er lädt uns zum Dinner in die [sic] Princeton Orange Inn ein. Wir fahren alle im<br />

Auto zur Graduate School; ich nehme das schöne Gästezimmer dort, weil es im Hotel<br />

so laut war. Ina bleibt im Hotel, geht zu Fuß dorthin zurück. Geräumiges schönes<br />

Zimmer oben im Turm, mit Bad. – Endlich ein ruhiger alleiniger Abend. Die Tage in<br />

Yale und Princeton haben mich sehr angestrengt.<br />

Sa 25<br />

Vormittags wir mit Irving auf den Turm, und in den Dix [?] Garten. Dann mit<br />

Irving ans Institut, zu Church. Er war in meinem Vortrag, hat auch mal eine Frage<br />

gestellt, ist aber sehr zurückhaltend und hat sich nur vorgestellt. Ich frage, ob seine<br />

Methode nicht ähnlich der von Chawilek[?] und Levi ist. Er meint: Nein; aber sein<br />

System erlaubt, die Nummerierung der Ausdrücke auszudrücken (?). Mit Irving zu<br />

28


Neumann. Über unentscheidbare Sätze; und daß jeder Satz entweder analytisch oder<br />

konstru[… ?] ist; er bezweifle, dass man noch eine Zweiteilung machen kann. Mit<br />

ihm und Ina zu seinem Haus; Landhaus im Englischen Sil, weite Räume. Kleines Kind<br />

(1 Jahr), alte Nurse, Negerdiener. Lunch. Dann im Garten spazieren. Über Frank: Er<br />

sei als solider Mathematiker bekannt, aber nicht erstklassig, habe früher Gutes<br />

geleistet, in den letzten Jahren keine originalle Arbeiten; aber bekannt durch<br />

Handbuch. Schwierig, ihn nach Amerika zu bringen. Über Tarski: Rockefeller gibt<br />

jetzt kaum mehr was für die Mathematik, vielleicht könnte er als Logiker kommen.<br />

Er will sehen, vielleicht mal ans Institut (das sagt er so nebenbei, wohl kaum ernst<br />

gemeint). Er hat mit dem jungen Birkhoff ein Sprachsystem für Quantentheorie<br />

ausgearbeitet, wird bald veröffentlicht: der Satzkalkül ist geändert [?], das<br />

Distributivgesetz wird aufgegeben; auf meine Frage: die Satzverknüpfung wird keine<br />

Wahrheitsfunktion; aber er meint, dies sei die Sprache mit der geringsten möglichen<br />

Änderung. Die Folgebestimmungen sind definitiv; die Hauptänderungen sind in den<br />

Umformungesbestimmungen. Der neue Satzkalkül entspricht der projektiven<br />

Geometrie. – Seine Frau ist sehr verwöhnt und anspruchsvoll; auch er persönlich<br />

nicht sehr sympathisch. 5 h ins Institut; Einstein hat die Verabredung vergessen, er<br />

glaubte, es sei heute erst Freitag. Ich rufe die Wohnung an, Frau Einstein sagt, wir<br />

sollen zum Tee kommen. Dort auch Professer Lipschitz aus Berlin, jetzt New York, er<br />

Arzt, nicht sympathisch, geht nach dem Tee weg. Mit Einstein im Garten spazieren,<br />

dann oben in seinem Zimmer. Über Mach, seine Bedeutung und Fehler. Einstein sagt,<br />

daß er, in der Relativitätstheorie sehr von Mach beeinflußt war, und auch Hume<br />

daher gelesen hatte. Ich frage nach seinen Einwänden gegen Wiener Kreis, er lehnt<br />

ab, es seien eigentlich keine Einwände da, er habe nur den Eindruck gehabt, wir<br />

wollten die Gesetze aus den Beobachtungssätzen ableiten. Das war richtiger Eindruck<br />

für die erste Zeit in Wien, von Mach beeinflußt, aber jetzt nicht mehr. Ich frage ihn,<br />

ob er nicht zu tolerant gegenüber Metaphysik ist, wenn er nur sagt, er versteht sie<br />

nicht, und nur gradueller Unterschied zu physikalischen Theorien. Er sagt: das<br />

Letztere ist nicht ganz ernst gemeint; es ist nur, um den nicht-induktiven Charakter<br />

der physikalischen Theorien zu betonen. – Auch über Realitätssystem. – Über<br />

29


metaphysische Bedürfnisse; Ehrfurcht und religiöse Gefühle. Ich sage, daß dies alles<br />

berechtigt, und in Kunst ausdrückbar, aber schlecht in Pseudotheorien. – Ina spricht<br />

mit Frau Einstein. Sie sagt, er habe sich auf meinen Besuch gefreut, weil menschlich<br />

guter Eindruck (nur von der Diskussion vorgestern!): bescheiden und so. Er habe<br />

kaum persönlichen Kontakt mit den Leuten im Institut, habe keine Assistenten mehr,<br />

man schätze ihn hier nicht hoch, auch weil Snob[?] (!). Er unterstützt allerhand arme<br />

Verwandte, die er hat nach New York kommen lassen. Er überlegt, ob er nicht<br />

wieder in die Technik zurückgehen solle (!). Sie sagt zu Ina, ob wir nicht doch<br />

Princeton annehmen wollten, er würde sich freuen, persönlich erfreulichen Kontakt<br />

zu haben! ½ 6 - ½ 8 (!) – Wieder in das Gastzimmer im Turm der Graduate School.<br />

So 26<br />

1 Stunde mit Irving über einen MS Entwurf, Erwiderung auf Northrop; es ist<br />

im Ganzen vernünftig aber nicht sehr klar und exakt. Mit ihm im Hotel Frühstück.<br />

Abfahrt. 1 h New York, Lunch mit Nagels; ausgeruht. Nachmittags bei ihm. Mit<br />

Nagel über logische Fragen: Toleranzprinzip; Typentheorie;<br />

Widerspruchsfreiheitsbeweise nach Matrixmethode usw. Mit ihm zum Dinner. ½ 8<br />

Abfahrt, ½ 9 New Rochelle, zuletzt im Dunkeln. Bei Brodwein. Er fährt Ende der<br />

Woche nach Mexico.<br />

Mo 27<br />

Di 28<br />

Ab 11 h ; ½ 7 in Providence, Hotel New Crown, teuer.<br />

Ab 11h. 11¾ Norton. Mit Ursula Lunch. Dann in den Wald gefahren und auf<br />

einer Decke gelegen. Wir erzählen von Einstein. Rätsel und sowas. Über Alberfelder<br />

[?] Konto. Sie reist mit Europa 21. Juni ab. Kommt Ende Sept. wieder. 5 h ab, ½ 7<br />

Cambridge, Bratl […?] Inn; eine Wohnung Parterre im 3. Haus. Nach dem Essen<br />

fahren wir zu Quines. Später kommen Goodman und Leonard. Rätsel und<br />

dergleichen. Im Dunkeln zurückgefahren. – (Nachts stören wir schnarchenden<br />

Nachbarn).<br />

Mi 29<br />

Geschrieben. – Nachmittags mit Quine zu Dr. Yeats, Zahnarzt vom Hygiene<br />

Institut. Er sagt, daß das Röntgenbild meiner Zähne keinen schlechten Zustand<br />

aufzeigt; er selbst hält das Nervtöten nicht für schlecht und tut es selbst; ich soll von<br />

Zeit zu Zeit wieder Röntgenaufnahmen machen lassen; wichtig ist, ob die Symptome<br />

fortschreiten oder nicht. – Mit Quines (und dem Baby) im Auto nach Arlington, auf<br />

30


Do 30<br />

Fr 1 V<br />

Sa 2<br />

den höchsten Hügel der Umgebung von Cambridge. Schöne Lage, aber keine<br />

geeignete Wohnung für den Sommer zu finden.<br />

Geschrieben. Mittags mit Quine. – Nachmittags mit Quine nach Boston, zu Dr.<br />

Cahill, der beste Mann für Kehle, Ohren, usw. Er untersucht die Mandeln; sie sind<br />

bedeckt mit etwas (?); er meint, augenblicklich nicht rausnehmen, sondern nur, wenn<br />

Rheumatismus oder Halsschmerzen kommen; dann neue Untersuchung nötig; die<br />

augenblicklichen Kreuzschmerzen vielleicht nur vorrübergehende Erkältung; erst 1<br />

oder 2 Wochen abwarten; wenn die Schmerzen nicht verschwinden,<br />

Rheumatismusverdacht; dann Mandeln operieren. Wegen der früheren<br />

Lungengeschichte solle man jetzt vorsichtig sein mit Operationen, wegen Äther; ich<br />

frage: lokale Anästhesie; er: ja, geht aber schwerer.<br />

Korrektur Syntax. Korrektur Pariser Vorträge gelesen. – Wir ziehen in die<br />

obere Wohnung; kleiner, aber ruhiger.<br />

Korrektur Syntax. – Nachmittags zu Quine; da Goodman und Leonard über<br />

deren System; ―realistisch‖ im Gegensatz zum ―nominalistischen‖ Aufbau, [unleserlich]<br />

eine Qualität eines Dinges ist ein Teil von ihm. – Abends wir bei Quines.<br />

So 3<br />

Mo 4<br />

Quines ―Vortrag über <strong>Carnap</strong>‖ gelesen. – Mittags mit Quine im ―Adams House‖<br />

gegessen, wo er seine Mahlzeiten hat. Zu Quine. Ausgeruht. Mit ihm über<br />

Listverzeichnis zur Syntax. Und über seine Vorträge und seinen Aufsatz<br />

―Konventionelle Charakter der Mathematik‖. Unterschied zwischen Logik und<br />

deskriptiven Zeichen.<br />

Mittags Dental Klinik, Dr. Yeats. Er hat mit den Kollegen über das Röntgenbild<br />

meiner Zähne gesprochen. Sie meinen auch, daß gegenwärtig nichts notwendig ist.<br />

Nur 1 ist besonders verdächtig (er markiert ihn); wenn ich wieder Rheumatismus<br />

kriege und sonst keine Ursache zu finden, solle dieser gezogen werden. Ferner soll<br />

ich im August oder Sept. wieder zu ihm kommen, und nochmal Röntgenaufnahmen<br />

machen; es ist wichtig, die zeitliche Änderung zu beobachten. Er meint, daß die<br />

Leute in Chic. ―hasty‖ [?] gearbeitet haben; Mandeln könne man noch eher entbehren;<br />

aber nicht Zähne, man werde ein ―Zahnkrüppel‖; man solle die Zähne so lange as<br />

möglich erhalten. Auch jetzt keine Krone unternehmen, solange keine besonderen<br />

31


Schmerzen oder Rheumatismus oder sonstige Symptome auftreten. – 6:30 Dinner in<br />

der Society of Fellows. Ich sitze bei Henderson und Birkhoff. Birkhoff bezweifelt den<br />

Wert der Logik für die Mathematiker, aber Henderson hilft mir und Quine, ihn zu<br />

verteidigen. Lange mit Birkhoff und seinem Sohn und Quine über die Art logischer<br />

Probleme; er meint, sie seien subjektiv oder willkürlich. Mit Henderson und Skinner<br />

über Behaviorism. Skinner will die alten Theoreme ―Denken‖ usw. ausschalten,<br />

Henderson möchte sie behalten; ich versuche, die Vorteile und Nachteil zu klären.<br />

Di 5<br />

Nachmittags Quine und Mac Lane hier. Junger, begabter Mann, diskutiert klar.<br />

Über Verhältnis von Objektsprache und Syntaxsprache; ob nicht immer die letzte<br />

Sprache verstanden und daher nicht-formalisiert sein müsste; ich versuche, das zu<br />

unterscheiden. Er war einige Jahre in Göttingen, ist daher etwas von Bernays<br />

beeinflußt, kritisiert aber auch die Unbeständigkeit im Begriff ―Fi..[?]‖. Er fordert<br />

mich im Auftrage von Prof. Curry auf, am 1. Sept. hier einen allgemeinen Vortrag (40<br />

Min.) zu halten, für die Versammlung der neuen Association for Symbolic Logic. Ich<br />

sage zu. Es soll kein neuer Beitrag sein, sondern Übersicht; kann technisch sein;<br />

Quine meint: Vielleicht über Unterscheidung zwischen ―analytisch‖ und ―beweisbar‖<br />

usw. – 8 h wir mit Quine zu Whiteheads. Frau Birkhoff, später auch Birkhoff.<br />

Diesmal ziemlich langweilig. Ina ist entsetzt über die alten, leblosen Leute. Frau<br />

Birkhoff ist zwar lebhaft, aber konventionell und markiert heiteres Interesse an allem.<br />

Birkhoff selbst ist konventionell und eng. Whitehead alt und weise, den anderen sehr<br />

überlegen; schwer zu verstehen. Man macht allerhand Vorschläge für unsere<br />

Wohnung im Sommer.<br />

Mi 6<br />

Frau Quine fährt mit dem Auto gegen Baum (mit Ina). Sie ist sehr bestürzt<br />

und will sogar bezahlen. Wir versuchen, sie zu trösten. – Lit. Verzeichnis für Syntax<br />

fertig gemacht. Vorwort für englische Ausgabe geschrieben. – Abends vergeblich zu<br />

Quines, sie sind nicht zu Hause.<br />

Do 7<br />

Briefe. – 5 Quine hier. 6 h – 8½ mit ihm zu einem Dinner für Kuratowski, der<br />

hier Vortrag über Sch…[?] mengen gehalten hat; Einladung von Birkhoff jr.<br />

Mathematiker und Logiker: Mac Lane, Rosser, Ulam (Pole). Birkhoff behauptet, er<br />

habe früher schon das Problem der Anzahl der Realstrukturen, und der Anzahl der<br />

32


Fr 8<br />

Transitive [?] usw. Für n-Elemente ausführlich untersucht, aber keine allg. Lösung<br />

gefunden, höchstens Regeln für n+1. Kuratowski erzählt von Bernays Vorlesung,<br />

über AS der Mengenlehre ohne Typen.<br />

Sa 9 Ina<br />

Syntax II, Korrekturen fertig gemacht; Bibliographie.<br />

Mittags kommt Quine in Eile auf dem Rad, um mir bei der Bank zu helfen.<br />

Wir mit ihm im Adams House gegessen. – Nachmittags kommt Ursula, sie hat in<br />

einem Frauenclub einen Vortrag über Frauenarbeit in Deutschland gehalten. Mit ihr<br />

das Haus von Hendersons in Francis Ave. (von Machlup empfohlen) besichtigt. Aber<br />

es ist nicht so schön wie das von Smith. Daher beschließen wir, das letztere zu<br />

nehmen. Mit Ursula zu Quines. Ein letztes kurzes wissenschaftliches Gespräch mit<br />

Quine; während dieser ganzen Tage sind wir nicht viel zu Gesprächen gekommen.<br />

Letzter [?] Abend mit Ursula; sie bleibt in [Brattley ?] Inn. Sie will im Sept. zu den<br />

Ceremonies kommen und bei uns wohnen.<br />

So 10<br />

11 Uhr im Auto von Cambridge, mit Ursula. Wir bringen sie nach Norton; sie<br />

hat für das Exam viel Arbeit. Lunch mit ihr dort, wir fahren weiter, über Providence<br />

nach Winsted, 6 h . Mürrischer Hotelwirt. Nach 7 kein Essen mehr! Schnelle<br />

Sandwiches und ins Kino; ―Desire‖ mit Marlene Dietrich; und ein wilder Wild West<br />

Film.<br />

Mo 11<br />

Ab 10h. Bei Kingston über den Hudson, auf Fähre. Nach Woodstock, zu<br />

Byrdcliffe Estate; Brodwein hat einen Sommer dort in einem Cottage gewohnt.<br />

Schöne Stelle hoch im Wald gelegen. Heiß, viele Moskitos. Wir besehen 2 Cottages;<br />

1 sehr primitiv, 1 größer und nett, elektrisches Licht, Kochherd mit<br />

Warmwasserversorgung. Die kleine $125, das große 250 für die ganze Saison. Wir<br />

sprechen den Eigentümer [?] Whitery [?] und den Verwalter Edwards. Sie wollen<br />

aber nichts für 1 Woche vermieten. Weiter in die Catskills. – Big Indian von der<br />

Hauptstraße ab nach Oliverea, im Mountain Club nehmen sie nur Mitglieder (Arier!),<br />

weiter zum Norweger Haaland. Wir sind die einzigen Gäste im großen Haus.<br />

Zimmer mit fließendem Wasser auf der Rückseite des Hauses. Das Auto direkt vor<br />

dem Zimmer. Das Wasser wird für uns angestellt, der Alte bemüht sich sehr, uns<br />

dazubehalten.<br />

33


Di 12 Vormittags in den Wald hinauf spazieren. Sehr warm, wir sind froh, aus der<br />

Stadt heraus zu sein. – Nachmittags am Bach. – Abends das Tal hinab, zum Haus von<br />

Andrews, auch nur für Arier; feiner als Holland, $20 für die Woche.<br />

Mi 13 Regen. Englische Syntax. Nachmittags Hagelgewitter, es wird sehr kalt.<br />

Do 14 Mit Holland zum neugeborenen Kalb; es ist in der Nacht ohne Hilfe draußen<br />

im Kalten geboren, und kann jetzt schon munter laufen! – Englische Syntax. –<br />

Nachmittags in das Seitental, immer über den Bach geturnt. – Holland macht den<br />

ganzen Tag Feuer im Kamin im Wohnzimmer oben.<br />

Fr 15 Den ganzen Tag Ausflug: im Auto 4 m zum Winnisook Lake, dann zu Fuß 1½<br />

oder 2 Stunden hinauf zum Gipfel des Slide Mt. (4200 ft.), Aussichtsturm. Aussicht<br />

über die ganzen Catskills, lauter bewaldete Berge. Im Wald gelesen, Sonnenbad,<br />

gelesen. Steil hinunter. 2 Stachelschweine (Porkupine) gesehen.<br />

Sa 16 Auf den Hügel. – Viele Wissenschaftler [?] gekommen: 2 Forscherleute,<br />

Hollands Tochter und Schwiegersohn (Dean) und 3 Freunde, Deutsche, die zusammen<br />

in NY arbeiten. Die 3 sind Kommunisten, arbeiten als Techniker, einer hat ein Auto,<br />

singen viel und machen Spaß. Der Dunkle (Jude?) ist 1933 aus Deutschland weg,<br />

möchte wieder dorthin, tätig sein. Er spielt in NY in einer deutschen Spielgruppe,<br />

Stücke von Brecht usw. – Wir fahren zur Post hinunter. – Einer der 3 probiert unser<br />

Auto, weil das Gas Geräusch macht; er meint, es ist nichts. – Abends kalt. Oben Feuer<br />

im Kamin. Alle beisammen, singen usw. Wir ½ 11 zu Bett. Die anderen noch bis ½<br />

2.<br />

So 17 Mit den 5 jungen Leuten zum Wasserfall, und am Bach entlang hinunter. ½ 3<br />

ab. Sehr warm. 7 h (Ortszeit 6 h ) in Binghampton, NY. Hotel Carlton ([unleserlich]<br />

Hotel, wie King’s [?] Club in NY); jeder ein Zimmer mit Toilette und schöner Shower,<br />

$2; Garage $0.50.<br />

34


Mo 18 Einkäufe (Schuhe usw.). 12-2 nach Ithaca NY, Cornell University. Wir<br />

wohnen in Willard Straight Hall, 2 nette kleine Zimmer mit Bad dazu. Nachmittags<br />

kommt Prof. Sabine und Frau, Prof. Cunningham und Frau, Prof. Birk und Frau, und<br />

andere. Birk war Lehrer von Morris, und von Weinberg; er schwatzt Ina allerhand<br />

vor über meine Berühmtheit usw., macht aber sonst einen intelligenten und netten<br />

Eindruck. Nachher Besichtigung einer Ausstellung von Bildern von Künstlern aus<br />

Ithaca. 8 ½ mein Vortrag ―Unity‖. Nachher Diskussion; man weiß anscheinend meist<br />

nicht viel von diesen Dingen [?]; aber einige Studenten scheinen sehr interessiert,<br />

diskutieren nachher noch privat.<br />

Di 19 In Ithaca zur Bank, und zum Autoclub. 12 h ab. 7 h abends Mountain Spring<br />

Hotel, schön gelegen am Susquahanna; wir fahren lange Zeit am Ufer dieses schönen<br />

Stromes entlang nach Süden zu. Erst im letzten Moment in Ithaca haben wir uns<br />

entschlossen, nach Süden zu fahren und nicht in die Adirondacks; weil Regen und<br />

kalt. – Einfaches Hotel, pro Person $1.50.<br />

Mi 20 Über Harrisburg nach Front Royal, Va. Jetzt sind wir in den Südstaaten, im<br />

historischen Virginia! Hotel Afton [?], einfach.<br />

Do 21 10 h ab auf die Shenandoah Berge, der erste Teil. Neue Bergstrecke ist noch<br />

nicht fertig, mit lockerem Schotter, 31 m., 2½ Stunden! Lunch im Panorama Hotel,<br />

klein [?], am Eingang der Hauptstrecke; sie haben nette Zimmer, aber zu nah vom<br />

Restaurantraum. Dann schöne Hauptstrecke des Skyline Drive; Blick ins Shenadoah<br />

Tal, und zuweilen auf die andere Seite hinunter. Waldige Berge, nur zuweilen<br />

kucken Felsen heraus. Rote Azaleen blühen. 1½ Skyland, etwas abseits der<br />

Hauptstraße. Viele Cottages; Essen im Hauptgebäude. Wir wählen eine Hütte mit<br />

Wohnzimmer und 2 Schlafzimmern und Bad; elektrisches Licht, fließendes kaltes und<br />

warmes Wasser. Das Heißwasser ist vom Kaminfeuer im Wohnzimmer geheizt.<br />

Hinter dem Haus eine porch, schöne Sonnenveranda. – Nachmittags über Felsen<br />

hinauf zum Gipfel. Stony Man Cliffs. – Der jüngere Bruder des Managers hat uns die<br />

35


Hütte gezeigt: Simonpietri [?], hat in Rom in Psychologie einen Dr. gemacht, dann in<br />

Paris internationales Recht studiert, und einige Zeit in Wien, stammt von Korsika. –<br />

Bei Tag strahlende Sonne, warm; abends kalt; lustiges Kaminfeuer. Schöner Blick<br />

hinaus, die Lichter im Tal, klarer Sternenhimmel.<br />

Fr 22 Spazieren. – Korrektur englische Syntax. – Sonnenbad.<br />

Sa 23 Mittags kommen Sterner und Frau in unser Cottage. Wir flüchten den ganzen<br />

Nachmittag in den Wald. Abends mit ihnen am Kamin. Er war Borsch…[?], kam<br />

zufällig nach Amerika, ist internationaler Ökonom, arbeitete als Statistiker in einer<br />

Kinder-Hilfsorganisation, jetzt in der Regierung in Washington, für statistische<br />

Erhebungen über wirtschaftliche Lage, Lebenskünstler usw. Die Frau ist sehr still; sie<br />

schreibt Gedichte; hat früher Bücher in ―In….[?]‖ rezensiert. Sie kampieren oft im<br />

Zelt.<br />

So 24 Mit Sterners im Auto über den Skyline Drive und hinunter nach Luray, und<br />

zurück. Nachmittags arbeite ich MS ―Testability‖ im Schatten neben dem Haus.<br />

Sterners bitten uns sehr, sie in Washington aufzusuchen. – Abends im Mondschein<br />

spazieren; unten die Lichter von Luray im Tal.<br />

Mo 25 MS Testability – nachmittags plötzlich starker Wind, Regen und Hagel. Es<br />

tropft durch die Dachlöcher, Ina stellt Vase unter.<br />

Di 26 Kühl, regnerisch. – MS und Briefe.<br />

Mi 27 Urlaubsgesuch nach Prag geschrieben; noch nicht Entlassung, um noch<br />

Neurath als Supplement (?) vorschlagen zu können. Dazu Dubislav. Brief von Morris:<br />

McKeon behauptet, sein Offer wäre nicht permanent gewesen!<br />

Do 28 MS und Briefe. Wir müssen morgen uas der Hütte ―Applecore‖ [?].<br />

Außderdem sehr kalt. Wir überlegen, ob wir weiter fahren wollen, in die Smokey<br />

Mountains.<br />

Fr 29 Wir ziehen um in die Hütte ―Gray Cone‖, netter, hellere Räume, aber Porch<br />

nach Norden hat nur Sonne am späten Nachmittag. Wir wollen nun bleiben,<br />

mindestens bis MS fertig ist. Die Hütte liegt am Fahrweg; Blick vom der Porch auf<br />

den Stony Man und auf andere Berge. Ich schreibe an einem Tisch, den wir draußen<br />

zwischen den Büschen aufstellen. Ina richtet die Hütte nett her.<br />

36


Sa 30 Im Freien gesonnen, am MS gearbeitet. – Dekorations-Tag; viele Gäste hier,<br />

großer Trubel.<br />

So 31o MS gearbeitet.<br />

Mo I. VI An Malsoff geschrieben: kann MS jetzt in Physik machen.<br />

Dio 2 Korrektur Syntax. – MS Frank gelesen.<br />

Mi 3 ″ .<br />

Do 4 Korrektur Buchanan [?]. – Nachmittags im Auto zum White Oak Canyon. Da 4<br />

Kinder unterwegs mitgenommen; sie wohnen irgendwo im Wald, der Vater macht<br />

Körbe, zuletzt betteln sie um Geld. Schöner Wasserfall, Felswände. Da der steile<br />

Weg schlüpfrig ist, gelingt es trotz aller Versuche nicht, wieder hinaufzukommen. Es<br />

wird uns ungemütlich. Wir fahren über die kleine Holzbrücke und den Weg auf der<br />

anderen Seite, und kommen zum Drive hinauf.<br />

Fr 5 Ina Briefe.<br />

Sa 6 ″ .<br />

So 7 Fauler Tag. Zeitschrift gelesen.<br />

Mo 8 Brief an McKeon.<br />

Di 9 Briefe.<br />

Mi 10 Arbeit am MS Testability wieder aufgenommen. – Morris schickt die<br />

Korrekturen zu Präsident und Smith. – Aus Prag kommt Ernennung [?].<br />

Do 11 Fleißig am MS Testability, meist auf unserer Porch.<br />

Fr 12<br />

Sa 13 Wir lernen Leute kennen: Mr. Oldenburg aus Danzig, 10 Jahre in NY, aber mit<br />

So 14<br />

Mo 15<br />

Di 16<br />

Mi 17<br />

Do 18<br />

Fr 19<br />

Sa 20<br />

schrecklicher Aussprache, will gerne mit uns allen Deutsch sprechen; schizo [?]<br />

und eigensinning; seine Frau, katholisch, sehr zornig auf die Neger, die alle<br />

Verbrecher seien, zyklo [?]; deren Schwester, mit schweigsamen Mann.<br />

Oldenburg hat Installationsgeschäft in NY. Wir geben den Plan der Smoky<br />

Mountains auf, weil die Zeit zu kurz geworden ist, und Erholung wichtiger als<br />

viel sehen.<br />

So 21 Das neue MS Testability ist fertig. Viel länger geworden, aber auch besser.<br />

37


Mo 22 Endlich mal richtiger Ferientag. Vormittags spazieren, Passamaquoddy.<br />

Nachmittags im Auto den Drive südwärts (weil wir später nach Norden abreisen<br />

werden).<br />

Di 23 An McKeon geschrieben: Annahme des 3 Jahr-Angebotes.<br />

Mi 24 Einleitung zu MS Testability neu geschrieben.<br />

Do 25 Vormittags auf Hawksbill (4049 ft.) höchster Berg in Kette.<br />

Fr 26 MS Testability durchgesehen.<br />

Sa 27 Vortragsabstrakt für 1. Sektion geschrieben. – Auf den Stony Man.<br />

So 28 11 h Abfahrt von Skyland. Sehr heiß. Über Panorama, Sperryville, Washington.<br />

Vor dem Kapitol auf dem Rasen gelegen und ausgeruht. Weiter nach Baltimore.<br />

Zuerst Cloos; bei ihm Rosental, ein deutscher Student, Physiker, will später<br />

wiederkommen un in [unleserlich] Expert-Arbeit machen; Miss Pabst, Bibliothekarin,<br />

schweigsam, um ihretwillen sprechen wir Englisch. Das Haus ist weit draußen, aber<br />

dicht an der Elektrischen. Ernst Frau und Kinder sind in Deutschland. Er lädt uns<br />

ein, bei ihm zu übernachten. Leider zu sehr Lärm von der Straße. Ernst ist sehr<br />

kritisch gegen die Nazi. Gibt dem Studenten das braune [?] Buch usw.; will aber doch<br />

einige Sachen, die sie gut gemacht hätten, anerkennen.<br />

Mo 29 10 h Abfahrt. Über Camden (bei Philadelphia) – Holland Tunnel nach New<br />

York; wieder ins Kings Club Hotel, 116 Stock. Abends zu Nagels. Er hat den<br />

Zeitungsausschnitt von Schlicks Ermordung (wir hatten nur die unklare Andeutung<br />

in dem Brief von Frau Hertz). Ich erzähle von der McKeon Geschichte. Er sagt, daß<br />

McKeon hier im März einem Freund gesagt hat, er möchte mich nicht nach Ch<br />

bekommen, ich würde das Department beherrschen.<br />

38


Di 30 Frau Hertz kommt ins Hotel. Sie hat Kindertransport aus Deutschland<br />

gebracht, muß bald wieder zurück, möchte aber im Herbst herkommen, für soziale<br />

Arbeit; ihr jüngster Sohn kommt hier zu einem Onkel in die Bank. – Mit Nagels in die<br />

Radio City; Studiotour: interessant, die Überwachungsschalttische. – 6 h zu Nagels. Ich<br />

rede ihm zu, systematische Arbeiten zu machen anstatt der geplanten [Rastur?]; Ina<br />

lädt ihn ein, in Cambridge bei uns zu wohnen.<br />

Mi I. VII Ina Mit dem Auto in die Stadt. 12-2½ mit Brodwins Lunch; in Lilians Office<br />

(Anti-Nazi Komitee). – Nachmittags 1 Stunde zu Nagels; er will nach Cambridge<br />

kommen. – Nach New Rochelle. Brodwins kommen erst nach 8 h . Brodwins Vater.<br />

Gegen 10 h kommt noch Besuch: ein Publicity-Man, der uns vieles erklärt über Politik,<br />

und seine Frau (war mit Brodwins in Mexiko). Es wird wieder sehr spät.<br />

Do 2 Lilian bleibt vom Office weg; Ina besucht sie am Bett. Der Aufbruch wird spät,<br />

11:30. Über Providence (diesmal über die bessere Straße IA). Cabins besichtigt an<br />

einem See. Schließlich um 8¾ beschließen wir, doch noch nach Cambridge zu<br />

fahren. Auf der glänzenden Straße I fahre ich lange (vielleicht eine ¼ Stunde) mit ca.<br />

53 m/h. Es wird dunkel. Cambridge 9:30. Goheens sind nicht zuhause! Wir müssen<br />

in die Br[?] Inn. (Ich habe in Brodwins Garten Inas Handtasche stehen lassen; und da<br />

sind alle unsere Kofferschlüssel drin; wir rufen Carry an).<br />

Fr 3 In Smith Haus, 7 Francis Ave. Goheens helfen uns mit den Koffern. Gekramt.<br />

Sa 4 Unabhängigkeitstag Gekramt. – Korrektur Syntax.<br />

So 5 Sonderdrucke geordnet. – Vorlesungen vorbereitet.<br />

Mo 6 1. Vorlesung, nur Vorbemerkungen.<br />

1 h Lunch aller Lehrer. Mit Prall; er sagt, er ist meinetwegen hiergeblieben, und hat<br />

Kurse übernommen. – 7-8 Kino im geographischen Institut: ―Walzerkrieg‖ (Lauer-<br />

Strauß).<br />

Di 7 Erste reguläre Vorlesungen. Gut besucht. – Nachmittags und Abends Quine hier.<br />

Mi 8 Abends Konzert der Sommerschule: Klavier Trio und Klavier Quartett von<br />

Brahms. Seit vielen Jahren zum ersten Mal ein Konzert!<br />

Schrecklich heiß.<br />

Do 9<br />

39


Fr 10<br />

Sa 11 MS Testability durchgearbeitet.<br />

So 12 ″ ; Ina fängt an, die neue, längere Fassung ganz neu zu tippen.<br />

Mo 13 Korrektur Syntax. – Abends wir mit Quine zu Lowe; er ist ―Philosoph‖, in<br />

einem fortgeschrittenen Kurs; sie ist Romanschriftstellerin (…Lincoln), von Quines<br />

sehr geschätzt. Ziemlich langweilig. Zum Glück kommt spät noch Prof. Perry. Er<br />

hat in Princeton den Ehren-Doktor bekommen. Er sagt, man bedauere sehr, daß ich<br />

abgelehnt habe. Er sagt, daß die Psychologen hier gesagt haben, daß sie auf meiner<br />

Basis sich jetzt besser einigen, weil das eine Art Behaviorismus ist, der die<br />

Introspektion auch anerkennt, aber die Begriffe behavioristisch definiert; ich soll mal<br />

mit Prof. Pratt sprechen. Ich sage ihm, das Chic. nicht, wie ich anfangs geglaubt hätte,<br />

permanent ist, sondern 3 Jahres-Kontrakt, und die anderen nur 1 Jahr. Er stimmt mir<br />

zu, daß das keine gute Methode ist, und die Professoren abhält, Opposition gegen den<br />

Präsidenten zu machen. Aber er meint, Hutchins schätzt offene Gegnerschaft; wenn<br />

er, Perry, etwas gegen Hutchins Maßnahmen habe, würde er immer zu ihm gehen<br />

und das ganz offen sagen.<br />

Di 14 Wieder sehr heiß. Korrektur Syntax.<br />

Mi 15 ″<br />

Do 16<br />

(Er wohnt bei Laundeison [?])<br />

Fr 17 Feigl erscheint im 2. Kurs. Mittags mit ihm und seinen 2 Studenten Lunch.<br />

Nachmittags kommt Nagel, wohnt bei uns. Feigl auch hier. Feigl fährt in unserem<br />

Auto mit seinen Studenten zum Konzert.<br />

Sa 18 Mit Nagel ―Testability‖ verglichen. (Feigl war Weekend weg)<br />

So 19 ″<br />

Mo 20 ″<br />

Di 21<br />

Mi 22 Nachmittags 4-6 Diskussion in privatem Zirkel, Quine, Prall und seine Freunde,<br />

etwa 15. McLane spricht einleitend über empirischen Gehalt der Mathematik. Da er<br />

aber zugibt, daß Mathematik analytisch ist, wird nicht recht klar, was er unter<br />

empirischen Gehalt versteht.<br />

40


Do 23 ½6 Quine hier. Dann mit ihm zum Pasteur-Film; zu viel Dialog; und Film<br />

eines französischen Benediktiner-Klosters, malerisch.<br />

Fr 24<br />

Sa 25 Wir beide mit Nagel im Auto an die See, nordwärts. Über Marblehead hinüber<br />

nach Magnolia. Zu kühl zum Baden. An verschiedenen Stellen auf Klippen gesessen;<br />

auch etwas Sonne. Sehr wohltuend nach den 3 Wochen Sommerschule. 8¾ wieder<br />

zuhause.<br />

So 26o Feinkorrektur der englischen Syntax fertig (außer Register).<br />

Mo 27 (Nachts Moskitos. Sehr wenig geschlafen)<br />

Di 28 Mit Feigl zu den Psychologen: Prof. Pratt. Dann Prof. Boring; dieser ist ein<br />

lustiger Zykliker [?], hat Feigl begeistert über seinen psychologischen Aufsatz<br />

geschrieben, stellt allerhand Fragen in sehr unexakter Formulierung; will mit uns und<br />

Brunswik Diskussion machen. Er vertritt einen Operationism, will den gegen<br />

William Sterns ―verstehende Psychologie‖ verteidigen.<br />

Mi 29 Ina<br />

Do 30<br />

Fr 31 Im elementaren Kurs unoffizielles Examen: 5 Fragen, davon 3 schriftlich zu<br />

beantworten. (Goheen hält das Examen ab, für mich, um 9 h ). – Abends 6½ Edith<br />

Nagel kommt an. Ich hole sie mit Nagel im Auto ab. (Im Gedränge mache ich Beule<br />

in den Vorderfender, zum Glück der schon beschädigte linke). Sie ist sehr angetan<br />

vom Ferienkurs von Fermi über Quantenphysik.<br />

Sa 1. VIII Ich schreibe ersten Entwurf für ―Logik‖, den Harvard-Vortrag, unter<br />

Verwendung von Feigls Notizen. – Abends kommen Brodwins, sind in 6 Stunden<br />

hergefahren.<br />

So 2 Wir mit Brodwins und Nagels in Braudwins [sic] Auto hinausgefahren, ans Meer,<br />

Nordseite [?]. Lynn zur Insel Nahant hinüber. Dort am Strand gebadet. Sand sehr<br />

heiß, Wasser sehr kalt. Nach dem Essen finden wir keinen schattigen Platz; ein<br />

Polizist scheucht uns von einem ―private ground‖. Wir fahren in den Lynn-Park und<br />

ruhen uns im Wald aus. Dann nachhause. (Wieder wenig geschlafen, und nachts<br />

Kopfschmerzen).<br />

41


Mo 3 4-6 Diskussion mit ca 18 Leuten über MS Testability; dabei auch Misses Langer.<br />

Leonard berichtet über Versuch, Reduktion durch Definition zu ersetzen, mit<br />

semantischen Begriffen, die sämtliche diskrete Grundbegriffe der Physik voraussetzen.<br />

Di 4 Nachmittags 6½ Sommerschulfilm ―Gulliver‖, russischer Film; sehr nett.<br />

Mi 5 11-12 Rosser, erklärt mir seinen Beweis über Ergänzung einer Sprache (nach Art<br />

der Regel UF2 für I.). – Angefangen, M5 für Vortrag ―Logik‖ auszuarbeiten, in<br />

Deutsch.<br />

Do 6 Abends mit Ina ins Kino ―Fury‖, über Lynchen, gut und [aufregend?], aber mit<br />

sentimentalem Happy End.<br />

Fr 7 Dental Klinik, X-ray Aufnahme, auch für Ina. 4-½9 mit Feigl zu den<br />

Psychologen: Schenk, der uns eingeladen hat, Brunswik, Pratt, Stevens. Schenk und<br />

besonders Stevens Vertreter des Operationalismus, gegen Brunswik, der aber auch<br />

versucht, mit uns einig zu gehen, und die anderen, die teilweise arge Philosophie<br />

hineinbringen. Im Ganzen sehr gute, fruchtbare Unterhaltung. Wird beim<br />

Abendessen (im Club) fortgesetzt.<br />

Sa 8<br />

So 9 Wir mit Nagel und Goheens vormittags mit unserem Auto hinausgefahren in<br />

den Wald am See, Middlesex Fells Reservation. Kurz, aber gute Entspannung.<br />

Mo 10 Dental Klinik, Dr. Yeats. Auf Grund der neuen Aufnahme rät er mir, doch<br />

den einen Zahn, den er schon damals angemerkt hat, ziehen zu lassen (der jetzt letzte<br />

rechts unten); im übrigen jedes Jahr Aufnahme machen zu lassen. –<br />

4-6 Diskussion in unserer Gruppe über MS ―Testability‖. Ich zeige, daß Leonards<br />

Definition doch nicht funktioniert. Mc Gill verteidigt Realismus. Goodman<br />

verteidigt die Psychologie-Begriffe als Basis, da subjektive Sprache, wie im ―Aufbau‖,<br />

dann später zum Intersubjektiven übergehend. (Feigl leider nicht da, noch an der See;<br />

die Diskussion ist nicht sehr lebhaft; anscheinend zu viele Leute, da sind sie scheu).<br />

Di 11 Vormittags Zahnarzt.<br />

Mi 12 4-½7 Tee hier, mit Goheens und Nagel. Es kommen: Quines, Lewis,<br />

Gerschnawitz [?] (Nagels Freunde), Feigl mit 2 Kindern (Schmidt und Miss<br />

Rosenbaum), Machlup. – Abends zum letzten Mal mit Nagel spazieren. Sein<br />

42


Hauptergebnis hier: Er hat gesehen, daß seine Logikkenntnisse, aus Selbstunterricht<br />

gewonnen, sehr gut sind, und daß er die Dinge besser versteht als die meisten hier in<br />

der angesehenen Hochburg der Logik. Ich ermutige ihn, doch über die Dinge zu<br />

schreiben, die ihm so klar sind. Er meint, daß sei dann nicht original genug. Ich:<br />

Wenn man Bericht geben will, merkt man, daß von selbst Eigenes hinzukommt. – Ina<br />

versucht vergeblich, ihm für die englische Übersetzung meines Vortrages (für die<br />

Konferenz) $10 zu geben; er will durchaus nicht. (Auch für die Syntax-Revision hat<br />

er nichts angenommen). Es wird vereinbart, daß er bei solchen Arbeiten künftig $3<br />

für die Stunde nehmen will.<br />

Do 13 9-11 letzte Vorlesungen. Nagel reist ab (die Frauen fahren ihn zum Bahnhof).<br />

– In Bibliothek. – Gespräch mit Brunswik. Er will den intentionalen Gegenstand<br />

physikalisch definieren: Als Koppelung von bestimmter Struktur zu physikalischem<br />

Gegenstand und den Reaktionen der Personen. – Mittags mit Machlupp, im Club. (Er<br />

hat in Buffalo nominell 6500 Gehalt! Wegen Kr[...] reduziert auf 5400. Die<br />

Sommerschule hier gibt den amerikanischen Professoren einen bestimmten Bruchteil<br />

ihres Jahresgehalts (vielleicht 2/11 oder 2/13), bei ihm etwas mehr als 900).<br />

Fr 14 2 h Examen des 1. Kurses. Ich bringe die gedruckten Fragen hin (10, davon 6 zur<br />

Auswahl). – Zahnarzt. – Bibliothek. – Diskussion mit Wohlstätter. Er interessiert sich<br />

sehr für Syntax, Semantik; möchte Analyse der Ethik versuchen. Und darüber<br />

schreiben. – Dann mit Waters. Er doziert in Ohio-State University, Columbus. Fragt,<br />

wie man den Lehrplan verbessern sollte. Er ist sehr an Testability interessiert. Er hat<br />

mit Weinberg und anderen einen „<strong>Carnap</strong>-Zirkel― gehalten.<br />

Sa 15 9:15 Exam des 2. Kurses, nur 2 Teilnehmer. 12 h die Papers abgeholt. – 3 h wir<br />

mit Feigl in unserem Auto abgefahren. Straße Nr 1, 16 über Portsmouth nach<br />

Conway. Übernachtet in Bigelow Lodge.<br />

So 16 In die White Mountains weiter gefahren. Über Glen, Jackson, Glen House<br />

(hier geht die Autostraße auf den Mt. Washington ab), Gorham-Randolph. Wir sehen<br />

das Haus von Smith, und seine 5 Kinder vorbeifahren. Wir lesen zufällig [?] den<br />

Namen Bridgemans. Wir fragen ihn um Auskunft. Seine Frau kommt mit und zeigt<br />

uns einige Cottages, es ist aber nichts Geeignetes dabei. Prof. Mayer aus Princeton ist<br />

43


auch in der Nähe. Wir fahren weiter, schmale Waldstraße, zur Base Station der Mt.<br />

Washington Bahn. Wir nehmen eine kleine 2 Zimmer-Cottage ($4).<br />

Mo 17 Es regnet. Darum lassen wir den Plan fallen, auf den Berg zu gehen (Feigl zu<br />

Fuß, wir mit der Bahn). Wir fahren über Bretton Woods und Fabian [sic] (hier sind<br />

alle Hotels zu vornehm), vorbei an Echo-Lake und Profile Lake zur Franconia Notch.<br />

Wir steigen durch die felsige Schlucht „The Flume―. Dann fahren wir zurück<br />

nordwärts, am Echo-Lake vorbei nach Franconia bei Sugar Hill. Schöne Lage, aber<br />

Hotels zu vornehm. Zurück nach Franconia, und die kleine Straße hinaus zum Berg-<br />

Plateau, in Richtung Bethlehem. Bei W.S. Phillips’ Store, oberhalb von Bethlehem,<br />

nehmen wir ein nettes einfaches Cottage „Stone Camp―. Der Wohnraum, darin<br />

schläft Feigl; darin erhöht Küche mit Eßtisch, dahinter Bad; und 2 Schlafzimmer.<br />

Elektrisches Licht. Pro Tag $3. Höhe 1760 ft.; nur wenige Hotels in diesem Gebirge.<br />

Liegen so hoch. – Abends in Bethlehem gegessen und Voräte eingekauft.<br />

Di 18 Vormittags zu Fuß auf den Mt. Agassiz; die Zollstraße beginnt gerade hier.<br />

Oben Aussichtsturm, sehr schöner Rundblick auf die ganzen White Mountains; der<br />

Mann bläst Trompete für das Echo. Im Wald Sonnenbad. – Nachmittags über<br />

Maplewood zum Burns Lake; geschwommen; und zum Forest Lake. Zurück über<br />

Littleton.<br />

Mi 19 Autofahrt, zur Erkundung anderer Unterkunftsplätze. Über Bretton Cottage,<br />

zur Crawford Notch. Das Crawford-House scheint uns zu elegant. Hinunter nach<br />

Notchland, dort Inn Unique. Sie scheint nett; aber für uns viel zu niedrig gewesen.<br />

Von Bartlett die Waldstraße (Bear Mt. Road) nach Passaconaway. Das liegt sehr<br />

schön auf einer Hochfläche und baut gerade die Straße, die später nach Waterville<br />

Valley durchgehen soll. Die Inn hat leider kein elektrisches Licht, und der Bagger in<br />

der Nähe macht Lärm. Darum wollen wir nicht hin. Gravelstraße hinunter nach<br />

Conway; über Glen nach Jackson. Wir erkunden einige höher gelegene Plätze. Dabei<br />

Nordic Farm, von Machlup empfohlen. Da sind uns zu viele Leute, und doch nicht<br />

hoch genug. Ebenso Fernald Cottage, liegt noch tiefer. Wir fahren deshalb zurück:<br />

Über Glen, Bartlett, Crawford Notch, Fabian [sic], nach Bethlehem zurück.<br />

44


Do 20. Zu Fuß spazieren nach Süden und Westen. – Nachmittags fährt Feigl zum<br />

Schwimmen. Wir beide hier (o).<br />

Fr 21 Etwas geschrieben, gepackt. Nachmittags Abfahrt. Bei Bridgemans in<br />

Randolph 2 Stunden geblieben. Er arbeitet in einer kleinen Hütte im Wald. Das<br />

Haus hat er selbst aus einem alten Stall gemacht; verschiebbare Wände. Mit Frau und<br />

Töchter. Ich sage, daß ich glaube, man könne die ganze Cantorsche Mengenlehre<br />

rigoros darstellen; auf Grund der Verbesserungen von Russell und Fränkel. Dann<br />

fuhren wir weiter. Wir verlassen die weißen Berge; es ist zu trübe, sonst wären wir<br />

gerne noch auf den Mt. Washington gefahren. Wir übernachten in Rumford; Hotel<br />

Rumford.<br />

Sa 22 Nach Rangeley am Rangeley Lake. Wir fahren herum, um Cottage zu suchen.<br />

Zuerst zu den höher gelegenen Seen; aber da ist alles besetzt. Endlich finden wir eins:<br />

Rangeley Manor Camp (anscheinend war früher auch ein Hotel dabei). Sehr nettes<br />

Haus aus ungestrichenem Holz; eisener Feuerplatz; 3 getrennte Zimmer; Bad.<br />

So 23o Vormittags Examens-Papers korrigiert. – Nachmittags mit Ina allein spazieren.<br />

Sie ist schon etwas nervös auf Feigl geworden, weil wir nie für uns allein sind; und<br />

durch die schlechten Nächte, besonders durch sein Schnarchen. Wir quartieren Feigl<br />

in der Nachbar-Hütte ein.<br />

Mo 24 Vormittags an den Mooselookmeguntic See. Schöner Klippen-Vorsprung,<br />

nordischer Charakter. Nachmittags mit Feigl spazieren. Über seine Ehe; und<br />

allgemein Menschliches.<br />

Di 25 Wir gehen immer mittags zum Essen aus, sorgen morgens und abends für uns<br />

selbst. – Wir fahren auf die Südseite des Sees und gehen weiter bis zum Nibogan<br />

Camp; nett und einsam gelegen, aber kein elektrisches Licht. – Abends ins Kino Viel<br />

Post; nachmittags Briefe. – Abends Kino.<br />

Mioi 26 Wir fahren von Rangeley die Straße nach Norden, über Stratton nach dem<br />

Bigelow Brook Pond am Bigelow Mountain. Wir bleiben dort in der Einsamkeit,<br />

essen Obst, machen Sonnenbad. Ina und ich liegen im Wald. Wir rudern in einem<br />

Kanu, der dort liegt, etwas den Fluß hinauf. Am See sind alte verfallene Jagdhütten.<br />

Nicht mehr in Benutzung, da jetzt Wildreservat. Abends zurück.<br />

45


Do 27 Ina Geschrieben.<br />

Fr 28 Mit Feigl kurz Rundflug im offenen Wasserflugzeug (8 Minuten für je $1.50)<br />

über den See. Sehr schön. – Vormittags Vortrag „Wahrheit in Logik und<br />

Mathematik― vorbereitet. – Nachmittags englische Syntax. – Mit Ina spazieren.<br />

Sa 29 Regen. – Geschrieben. – Nachmittags MS „Testability― für Druck bearbeitet<br />

(Nagels Korrekturen).<br />

So 30 Abfahrt im Auto, 11½. In Portland, an der Küste, beschließen wir, doch bis<br />

Cambridge durchzufahren. Cambridge 9½.<br />

Mo 31 Besorgungen. – MS „Testability― bearbeitet. – Vortrag vorbereitet. – Interview<br />

über morgigen Vortrag.<br />

Di I. XI 10:45 mein Vortrag „Truth in Math. and Logic―, in der gemeinsamen Tagung<br />

der Mathematiker und Logiker. In der „New Lecture Hall―, sehr großer Saal. 350<br />

Zuhörer! 3 Mikrofone; der Vortrag wird durch Rundfunk verbreitet, und sogar auf<br />

Kurzwelle nach Europa geschickt. Ich spreche frei, 40 (ansonsten 30) Minuten; es<br />

gelingt gut, obwohl in der letzten Zeit nur Deutsch gesprochen. – Dann 4 kleine<br />

Referate, je 10 Minuten. – Copeland getroffen; geraten, MS in Journal Symbolic Logic<br />

zu veröffentlichen. – Logiker Lunch. Ich sitze neben Langford, sehe ihn zum ersten<br />

Mal. Er war 1 Jahr in Europa, meist in England; hat 6 Wochen bei Wittgenstein<br />

Vorlesungen gehört. Ich frage ihn, welchen Vorteil er glaubt, daß Lewis Methode der<br />

strikten em[?] vor der syntaktischen hat; er: der Vorteil ist auf der anderen Seite (!),<br />

aber Lewis will ein Kriterium für Inconsistenz aufstellen, das in der empirischen<br />

Wissenschaft angewendet werden kann. – Ferner Ducasse, der Vorsitzende und<br />

Begründer der logischen Wissenschaft. – Nach dem Lunch redet Whitehead etwa 1<br />

Stunde über die Entstehung und die Entwicklung der symbolischen Logik, sehr<br />

persönlich und eindrucksvoll. Die orginellste Idee sei: Freges Definition für „etc―. –<br />

Nachmittags MS „Testability― für Druck fertig gemacht. – Abends 8:30 (!) – 11:30 bei<br />

Struik, Holländer, am MIT, kennt Frank gut. Die Frau ist Pragerin, nach fragt nach<br />

allen Leuten dort, hat bei Frank studiert. Sie wollten Ina auch kennen lernen, haben<br />

vergessen, sie einzuladen. Dort ist Cartau aus Paris, spricht sehr wenig Englisch.<br />

Courant, ist an der N.Y.U., Head of Department, sehr eifrig im Neuaufbau und<br />

46


Erweiterung tätig. Wohnt in New Rochelle, mit 4 Kindern; schon 3 Jahre hier, gerne<br />

hier; will für den Liberalismus eintreten. Ich äußere Skepsis, kulturelle Freiheit<br />

retten zu können, solange die jetztige wirtschaftliche Ordnung besteht, die so etwas<br />

wie Hearst Press zulässt usw. Er sagt, daß doch manche Geldleute und Industrielle<br />

Verantwortungsbewußtsein haben. Und schließlich stimmt er zu, daß später doch<br />

eine Umstellung der Wirtschaftsordnung kommen muß. Er meint: hier ohne<br />

Faschismus und Erschütterungen. Auch das Nazi-Regime bereitete die Mentalität für<br />

zentralistische Eingriffe in die Wirtschaft, also den Kommunismus, indirekt vor.<br />

Mi 2 Mittags Behr und Frau zum Lunch hier. Er trägt an der NYU vor, aber ohne<br />

Bezahlung, von Princeton aus. – Abends 7-9 ich zum Dinner bei Präs. Conant. Ein<br />

junger Mann empfängt mich und stellt mich den anderen vor. Nachher erfahre ich<br />

erst, daß das Präs. C. selbst ist. Expert, reper[...] Physiker Lyman; er will mir später<br />

mit Bridgeman das Labor zeigen. Mathematischer Physiker Wilson, hat 1900<br />

symbolische Logik doziert, mit Peanos Buch.<br />

Do 3 Abends 7-11 Mathematiker Dinner; Ina und ich eingeladen als Gäste, am<br />

Vorstandstisch. Ich spreche mit Frau Cairns und Prof. Richardson, Sekretär der<br />

Mathematiker; er wird 1940 den Internationalen Mathematiker Congress organisieren.<br />

Er möchte, daß ich mal nach Brown University zum Vortrag komme. Hardy,<br />

Lefschatz und andere machen Toast. Dann bis über eine Stunde! Ina spricht mit dem<br />

Londoner Statistiker Fischer, der sehr naiv seine Nazi-Sympathien äußert.<br />

Fr 4 Nachmittags Vortrag Eddington, Diskussionsvortrag Ahi [?]. Über Beziehung<br />

zwischen kosmischer und atomarer Konstante. Nachher mit Mather [?] Gespräch, er<br />

will Radio-Gespräch mit mir arrangieren. 6:30-9 Prof. Perry bei uns zum Essen. Ich<br />

frage ihn, wie McKeons Entschlußänderung zu erklären ist. Er hat über mich mit<br />

Präs. Hutchinsons gesprochen, und dieser sei gar nicht gegen meine Ernennung<br />

gewesen. Dieser habe wahrscheinlich McK. umgestimmt. – 9 h Vortrag Dewey über<br />

„Autorität und soziale Änderung―. Ziemlich langweilig.<br />

Sa 5 11 h zu Dr. Mather, mit ihm die Radio-Konversation besprochen. Er hat sie<br />

aufgesetzt, seine Fragen so formuliert, daß er meine Antworten aus meinem MS<br />

nehmen könnte; besonders die Geschichte von den Hottentotten. In höchster Eile<br />

47


nach Boston, zur Rundfunk-Station. 12 h -12,15 unser Gespräch; internationaler<br />

Broadcast, sog. blaues Netz [?], über 40 Stationen im ganzen Land. – 3½-6 Curry hier.<br />

Er stellt allerhand Fragen zur Syntax und über sein System mit lauter Konstanten,<br />

durch die Variablen entbehrlich werden. Für das Aussagenkalkül hat er ein System,<br />

das syntaktische Begriffe mit hinein nimmt. Er meint, der Unterschied zwischen<br />

Objektsprache und syntaktischer Sprache wäre doch nicht ganz scharf. Er scheint<br />

ganz scharfsinning[es?] System aufzustellen; aber seine Fragen sind nicht ganz klar,<br />

d.h. ich weiß nur wo[?] er im Ganzen hinaus will. – 6½ wir zu Quines zum Essen.<br />

Dann wir mit Quines und Gohens nach Boston zum Kino. „Meine amerikanische<br />

Frau―, nur halb gesehen. „Girls dormitory―, eine rührende Geschichte aus einer<br />

Salzburger Schule. Nachher noch wieder mit zu Quines, bis ½1!<br />

Mo 7 Harvard Konferenz, Symposium ―Factors determining human behavior‖,<br />

vormittags 4 Vorträge: 1) Adrian-Cambridge, Physiologe, über Nervensystem; 2)<br />

Collip, über Hormone, spricht zu schnell und undeutlich; 3) Piaget, Kinderpsychologe,<br />

Genf; über Entwicklung des Kindes, unter dem Gesichtspunkt der Konservation,<br />

psychologische Konstantentheorie, einiges interessant; 4) Jung, Zürich, über<br />

psychologische Faktoren, etwas zu metaphysisch. Wir Harvard-Gäste sitzen auf dem<br />

Podium, hinter dem Redner; ist dadurch schlecht verstanden. Spemann ist da; er sagt,<br />

daß Merten [?] jetzt Studienrat in Lad-Teiningen [?] ist, betrübt, weil keine<br />

Verbindung mit der Universität mehr möglich; anfangs war seine Stellung gefährdet,<br />

Speemann habe für ihn gesprochen. Pannekoek kennengelernt; er hat mal für<br />

Erkenntnis geschrieben. – Nachmittags Fortsetzung: 1) Janet, über psychologische<br />

Kräfte und Schwächen, einige Punkte klingen ganz behavioristisch, spricht sehr<br />

lebhaft, 2) mein Vortrag „Logik― (als Faktor det. human behavior), ich lese ihn ab.<br />

Darin die Hottentotten-Geschichte, alle lachen und verstehen es., 3) Lowell, der<br />

frühere Harvard-Präsident, über Geschichte, englische Par[?], liberalistisch (gegen<br />

wirtschaftliche Planung). Nachher Kelsen getroffen, und Haas. Dann mit Feigl und<br />

Psychologen im Fogg Museum beim Tee diskutiert: Brunswik, Tolman, Boring,<br />

Wertheimer. Dieser noch mit zu uns. Im Garten mit Feigl und ihm gesprochen. Er<br />

sagt, daß jetzt moralische Werte und Wahrheit oft relativiert werden; das sei große<br />

48


Gefahr. Wir geben es für Wahrheit zu. – Abends gehen die anderen zum Vortrag<br />

Malinowski, ich bleibe zuhause, um auszuruhen.<br />

Di 8 Mittags wir drei Lunch im Georgian mit Senior. Er sagt, mein Kontrakt mit<br />

Chicago sei sehr zufriedenstellend; die damalige Schwierigkeit sei nicht aus<br />

Böswilligkeit, sondern Unfähigkeit (McKeons) zurückzuführen, das habe er auch dem<br />

Präsidenten gesagt. – 4-7 Strunk und Frau hier. Feigl und ich mit ihm über<br />

dialektischen Materialismus. Er schreibt Buch über Dialektik der Mathematik;<br />

gemeint ist aber: der Geschichte der Mathematik. Er hat jetzt Hegel gründlich<br />

studiert, weil Lenin dazu auffordert. Wir sagen ihm, daß die dialektischen<br />

Formulierungen, z.B. Umformen der Quantität in Qualität, sehr schlecht sind,<br />

Schlagworte, keine Gesetze; daß heute Lektüre Hegels nutzlos ist und besser moderne<br />

Logik studiert wird. – Abends ich (Ina fühlt sich nicht wohl) mit Quines und Gohens<br />

zu Whiteheads. Frau Wh. leidet sehr unter den Vorgängen in Europa und der<br />

Kriegsgefahr. Ich spreche mit ihm über seine Rede beim Logiker-Lunch, über Frege<br />

usw. Ich berühre auch die Frage der Klasse und das „together―, komme aber nicht<br />

dazu, ihm unsere Auffassung der Überflüssigkeit der Klassenzeichen darzulegen, weil<br />

er selbst allerhand erzählt. Miss Amet, aus New Castle [?], hat Buch über Whitehead<br />

geschrieben, war beim Prager Kongress.<br />

Mi 9 – Nachmittags hier Diskussion mit Quine, Leonard, Mudman [?] und Feigl. Erst<br />

über deren Definition, die die Reduktion ersetzt, mit „P-ableitbar―. Dann über deren<br />

Konstitutionssystem; Feigl und sie möchten Eigenpsyche[?]basis, ich Dingsprache als<br />

Basis.<br />

Do 10 Mittags zum Lunch im Commander-Hotel mit dem Direktor Weaver der<br />

Rockefeller foundation. Er war in Kopenhagen, etwas enttäuscht, weil die Diskussion<br />

über die Unbestimmtheitsrelation mit zu vielen Begriffen der traditionellen<br />

Philosophie arbeitete. Er ist Mathematiker-Physiker. Er sagt, er sympathisiert mit<br />

unserer Bewegung, hat verschiedenes von mir gelesen, kann sie aber im Allgemeinen<br />

nicht von der Stiftung aus unterstützen. Sie beschränken sich ganz auf Biologie, und<br />

Physik, Mathematik, Logik, soweit sie der Biologie dienen. Besonders Woodger,<br />

Wrinch, Rashevsky. Ich spreche über Hempel und Popper; rühme Hempel sehr; er<br />

49


könnte Biologie-Physik lernen und dabei schon Logik helfen, z.B. in Philosophie. Mit<br />

Rashevsky und mir zusammen. Popper müsste eine Stelle für sich bekommen, ist<br />

individualistisch. – Nachmittags zum Tee. Astronom Pannekoek. Watson, der junge<br />

Mann aus NY, schreibt Buch über Methode der Literaturwissenschaft, will es nicht<br />

auf Sätze und Rationales beschränken. – Abends wir mit Quines im Auto nach Boston,<br />

zu Curtis und Frau. Zuerst 7¾ Dinner im Summerset Club, dann in ihre Wohnung<br />

auf Beacon Hill. Er hat etwas Syntax gelesen, ist begeistert davon, ohne viel zu<br />

verstehen, symphatisiert mit der Anti-Metaphysik, hat viel erwirkt für meine<br />

Einladung hierher. Er spricht über die Einheit zwischen scholastischem Denken und<br />

dem üblichen Denken der Rechtsanwälte und Richter. Wir vergessen die Zeit,<br />

plötzlich ist es fast 1 h !<br />

Fr 11 Vormittags mit Feigl über meine Logik-Vorlesung, die er endlich so machen<br />

will; und über Erkenntnisproblem.—Nachmittags 4-6 Quine hier. Über Chwisteks<br />

Brief, über seine Misverständnisse, sein Nicht-Erkennen-Können der Notwendigkeit<br />

der Anführungszeichen.<br />

Über Quines neues System (in Journ., Heft 2), aus Zermelos entwickelt; ähnlich dem<br />

jetzigen Tarski-System. Es will nicht eine geläufige Sprache geben, sondern wie das<br />

von Tarski, ein möglichst einfaches System für formale Untersuchungen über<br />

Widerspruchsfreiheit und Entscheidungsverfahren usw. Es ist vielleicht tatsächlich<br />

das einfachste bisherige System! – Abends alle 70 Gäste zum Dinner des Präsidenten<br />

im Lowell-Haus. Ich sitze mit Kelsen am Tisch, setze mich später auch zu ihm.<br />

Geheimrat Wenger, römisches Recht, aus Wien. Kelsen wird im Oktober in Prag<br />

anfangen, aber vielleicht Genfer Stellung halbjährig beibehalten. Er erklärt mir die<br />

Entstehung des Kausalgedankens aus dem Widervergeltungsprinzip; er hat das in<br />

vielem etnologischen Material bestätigt gefunden; will das für Erkenntnis schreiben,<br />

interessante Idee. Aber er lehnt ab, daß die Gesetze für Voraussagen da seien; das sei<br />

ein Rest der Auffassung der Natur für den Nutzen des Menschen. Speeches von Präs.<br />

Conant, Ho[...], Rappard (sehr fein über geistige Freiheit, nötiges Ventil, um soziale<br />

Erschütterung zu vermeiden), Svedberg+. Nachher mit Rappard Gespräch, spricht<br />

fließend Englisch und Deutsch, ist Kelsens Chef in Genf, lebhaft und anziehend. – Ina<br />

50


ist gleichzeitig beim Dinner von Frau Conant. Dort singen die dann zusammen<br />

Volkslieder (!). —<br />

Sa 12 Zahnarzt. – Mit Feigl über Physikalismus. Er unterscheidet 2 Themen: 1)<br />

Einheit der Sprache, 2) „Identität― als Forschungsprinzip, d.h. Erklärung der<br />

Gehirnvorgänge durch Physiologie und schließlich Physik. – Briefe.<br />

So 13o Nachmittags mit Ina in die Middlesex Fells Reservation. Dort<br />

Vormittags: Feigl reist ab; Kasperle wünscht baldige Rückkehr,<br />

um Chic. zu beschließen [?].<br />

um See spazierengegangen, und auf einen Aussichtsturm. – (Nancy Gohen ist sehr<br />

verliebt in Ina.<br />

Mo 14 Nachmittags Zahnarzt: Zahn gezogen (unten rechts der letzte).<br />

Di 15 Nachmittags 5 h Ursula Kaufmann am Südbahnhof abgeholt, sie wohnt bei uns.<br />

Mi 16 3 h Empfang der 500 Delegierten in Sanders Theatre. Fast alle haben<br />

akademische Talare, auch Prof. Tomičak von der tschechischen Universität Prag, und<br />

Prof. Hüttig von der deutschen Technischen Hochschule Prag (er hat Prorektors Robe<br />

genommen); ich schwarzen Anzug. Wir marschieren auf die Bühne, geordnet nach<br />

dem Alter der Institution, Prag. Nr. 8 und 9. Dann Ansprache von Präsident Conant,<br />

und Antwort von Cartan. Danach Tee im Memorial Delta [?]. Dazu kommt Ursula<br />

und später Ina. Prall bringt mich zu Prof. , Head der University of Liverpool<br />

(England), der den starken Einfluß des Positivismus auf die jungen Leute in England<br />

und Amerika bedauert. Ich erkläre ihm die unhistorische, systematische Einstellung.<br />

Prall macht mich mit Hu Shih bekannt, Universität Peking, sehr einflußreich in<br />

China. Zuletzt treffen wir Hockings. Frau Hockings findet es unfair von mir, daß ich<br />

Tales’ [?] Beispiel im Vortrag (Liebe und Haß der [unleserlich]) genommen habe, was<br />

keiner sehr glaubt, anstatt modernes. Ich sage, das ist doch einfacher, und kränkt<br />

niemanden. Hocking sagt, er bedauert, daß ich so weit weg sein werde in Chic (!).<br />

Do 17 1:30 Lunch für die Delegierten in Memorial Hall. Ich neben einem Mexikaner,<br />

Delegierter eines College von Guadalajara. Neben dem sitzt Lewis. Nachher lädt er<br />

und seine Frau uns für Sa ein. 4 Nachmittags Konzert: Bach, Haydn, Mozart, sehr<br />

schön; Boston Symphonieorchester. Ich habe auch Karten beschafft für: Quine<br />

Gohens, Ursula, Naomi Quine. – Ursula bringt einen Austausch-Studenten John; er<br />

51


wohnt eine Nacht bei uns; Jurist, sehr junger, naiver Jüngling [?]. – Abends zum<br />

Feuerwerk am Fluß. Ich mit Ina; Ursula mit John, sie kommen erst ½1 heim und<br />

können die Tür nicht öffnen.<br />

Fr 18 Haupttag der Celebration. Wir versammeln uns in Widener <strong>Library</strong>. Ich habe<br />

gown und cap geliehen, die schützen mich gegen den Regen. Im Harvard Yard ist<br />

großes Theater aufgebaut. Wir marschieren hindurch und sitzen auf der Tribüne.<br />

Zuerst regnete es immerzu, nachher hört es auf. Allerhand Reden und Chorgesänge.<br />

Präsident Conant spricht eindrucksvoll über akademische Freiheit. Dann Verleihung<br />

der Ehren-Doktorate an uns 62. Der Präs. Conant liest jeden Namen und dazu einen<br />

Spruch. Dabei steht der Betreffende auf. Dann bringt ein Helfter ihm das Diplom.<br />

Ina sitzt unten im Regen und friert, nachher ganz erkältet. Auch Gohen. Ich erst<br />

einige Tage später. Nachher Lunch mit Selbstbedienung in Memorial Hall. Ich mit<br />

Prof. Perry. Er erzählt, daß die deutschen Professoren ursprünglich Delegierte sein<br />

sollten. Dann aber haben sie eine Weisung aus Berlin erhalten, nur privatim<br />

aufzutreten. Nur Finger-München (Chemie) hat sie nicht bekommen; so war er der<br />

einzige Delegierte Deutschlands.— Anschließend 2:30 nachmittags Versammlung,<br />

hauptsächlich für die Alumni. Wegen Regen im Sanders Theater, so daß die meisten<br />

nicht zuhören können. Sehr entschiedene und offene Rede für Lehrfreiheit von<br />

Präsident Angell von der Yale University. Auch Präs. Rosevelt, der auch vormittags<br />

schon beiwohnte, hält eine Rede; für Freiheit. – 6 h mit Ina zu Quines. Morgen ist ihr<br />

6-jähriger Hochzeitstag. Ich frage Quine, ob die Candidaten für die University-<br />

Professorship (Conant hat nachmittags mitgeteilt, daß 500000 $ dafür gestiftet worden<br />

sind) schon früher bestimmt sind oder ob ich vielleicht noch Chancen habe. Er weiß<br />

es nicht, meint, Henderson sei wohl in Aussicht genommen; vielleicht sei noch<br />

Chance da.<br />

Sa 19 Geschrieben. Ina packt. Wir fahren nachmittags 4-6 zu Lewis nach Lexington<br />

hinaus. Er ist sehr zurückgezogen, konservativ. Über Philosophie nur wenig, er<br />

möchte erst englische Syntax lesen. Aber etwas über Atomsätze. Ich erkläre, daß wir<br />

absolute Atomfakten ablehnen, und wir kommen hier zu Einigung im grössen[?]. Er<br />

hat in Colorado unterrichtet, sagt daß ihn der alte Pioniergeist sehr anzieht, und in<br />

52


den Westen getrieben hat. – Abends, schon im Bett (im Arbeitszimmer unten), bitte<br />

ich Nancy für einen Augenblick zu kommen. Ich sage ihr, sie soll nicht so traurig sein;<br />

sie war den ganzen Tag dem Weinen nahe und wünschte sehr, wir führen erst<br />

Montag ab, was aber Ursulas wegen nicht möglich war. Ich sage, sie würde Ina nicht<br />

verlieren, und wir sehen uns mal wieder. Sie hatte gefürchtet, ich wolle keine<br />

Treffen mehr, aus Eifersucht. Ich tröste sie, und küsse sie. Sie ist so rührend kindlich,<br />

besonders jetzt in ihren starken Gefühlen für Ina.<br />

So 20 Gepackt, Ursula hilft Bücher packen.—Mittags wir mit Ursula und Gohens<br />

Abschiedsessen im St. Engler [?]. Ausgeruht. 3 h Abfahrt aus Cambridge, mit Ursula,<br />

die wir nach Kingston in ihr neues College bringen wollen.—Charlemont (N.Y.?)<br />

Mass., „The Inn.―<br />

Mo 21 Durch die Adirondacks, über Tupper Lake. Sehr schöne Landschaft mit<br />

großen Seen.—Potsdam N.Y., Hotel...<br />

Di 22 Fähre über den St. Laurenz-Strom: Ogdensburg-Prescott. Bei der Weiterfahrt<br />

durch Canada sprechen wir auch über [unleserlich] und Politik. Ursula sehr naiv.<br />

Irgendetwas müssten wir doch glauben. Wir fragen, was sie glaubt. Sie sagt, nicht<br />

wie die Kirche, aber: an ein Schicksal oder Vor[...?] (z.B.: sie hat beim Skilaufen ein<br />

Bein gebrochen; und vorher hatte sie geahnt, daß sie schlecht fahren würde), und an<br />

die Natur (!); alles sehr unklar, sie kann es auch nicht erklären, es sind mehr bloße<br />

Gefühle. Im Politischen [?] glaubt sie nicht, daß die Zeitungen in Deutschland lügen;<br />

die Kriegsgefahr käme nicht durch Hitler. Der habe in Deutschland doch endlich<br />

wieder Ordnung und Einigkeit geschaffen, dagegen die schrecklichen Streiks in<br />

Frankreich; das seien keine fairen politische Mittel (!die Fabrikantentochter!). –<br />

Mittags in Kingston. Zuerst in die ... Hall, zur Dean of Women. Sie ist noch sehr jung,<br />

freundlich, ich erkläre Ursulas Wünsche: sie möchte B.A. machen (das hängt von<br />

ihren Vorkenntnissen ab und kann heute nicht entschieden werden) und als Graduate<br />

Student behandelt werden (das geht vielleicht). Sie bekommt ein kleines<br />

Mansardenzimmer, ist nicht sehr entzückt davon. Nach dem Lunch ich mit Ursula<br />

zum Deutsch-Professor Hähnel aus Frankfurt; er und seine Frau haben meinen<br />

Vortrag in Cambridge gehört; er war enttäuscht, daß nicht mehr Gelegenheit zur<br />

53


Diskusssion da war, hat aber Goseben [?] besichtigt usw. Sie sind vor 4 Jahren<br />

hergekommen; seine Frau hat bei Tillich studiert, kennt auch Wertheimer ein wenig.<br />

Ich überlasse die weiteren Beratungen Ursula; sie weiß genau was sie will. – Wir<br />

alleine weitergefahren, sind sehr froh, endlich wieder ganz unter uns zu sein. – Port<br />

Hope am Ontario-See. Beide sehr müde.<br />

Mi 23o Ina Weiter gefahren. Gestern und heute legen wir uns draußen nach Lunch<br />

zum Ausruhen ins Grass; sonnige Tage des „Indian Summer―. 5½h London. Zuerst<br />

Brescia Hall. Ina bleibt dort bei Mutter Felicita; sie hat sonst nicht Besuch und freut<br />

sich sehr. 8 h hole ich sie wieder ab. – Auto in Ford-Garage; das Klapper-Geräusch<br />

bleibt weg, als ich mit dem Mann probefahre.<br />

Do 24 Ich bringe Ina 10½ ins Kloster und hole sie 1 h wieder ab. Sitz im Hotel;<br />

geschrieben. – 3 h Abfahrt nach Chatham. In die Klosterschule „The Pines―, Mutter<br />

Ursula. Sie zeigt uns den Klostergarten, und lädt Ina, die Nacht dort zu bleiben. Ich<br />

nehme Zimmer im feinen Hotel William Patt (2,50 mit Shower).<br />

Fr 25 Wir fahren über Detroit (Ambassador Bridge) nach Pokagon State Park, Ind.<br />

wo wir Anfang April waren.<br />

Sa 26 Regnerisch. Einige Spaziergänge. (Abends viel Krach, weil Mädchengruppe,<br />

die eine Tagung da haben).<br />

So 27 Spazieren; teilweise wieder im Regen.<br />

Mo 28 10 h ab. 3 h nachmittags Chicago. Zu Morris, Ich hole ihn im Auto vom Office.<br />

Wir rufen verschiedene Apartmenthotels an, meist nichts frei. Wir gehen auf die<br />

Suche in einem nördlichen, meist jüdischem Viertel. Um 8 h Abends finden wir The<br />

Standish Apartmenthotel, 5110 Kenwood, nahe Hyde Park Boulevard. Apartment im<br />

10. Stock, keine Wohnung mehr darüber, nach Süden, schöne helle Zimmer. Das<br />

Schlafzimmer hat 2 große Fenster, soll als Study hergerichtet werden. Wir sind froh,<br />

eine Wohnung gefunden zu haben. Obwohl 25 Min. von der Universität, hell und<br />

ruhig. Wir müssen sie für 2 Monate fest nehmen; monatliche Kündigung.<br />

Di 29 Mit Housekeeper [?] später Möbel-Änderung besprochen. Mittags zu<br />

Morrisens. Inas Studienpläne besprochen, Social Sciences. Nachher mit Morris über<br />

classes für 1939 und über Neuraths Kommen im Oktober. 5-9 mit Ina zu Kasperle ins<br />

54


International House. Wir helfen im Auto umziehen aus dem Mayflower Hotel (dort<br />

einfaches Zimmer mit Badezimmer $1.50!). Sie will doch nicht im Social Service<br />

studieren, sondern Psychologie! in Verbindung mit dem Institut für Juvenile <strong>Research</strong>.<br />

Es fällt ihr schwer, alleine zu arbeiten, das Kind zu verlassen, ganz auf sich gestellt zu<br />

sein. Sie bezahlt die teueren Universitätskosten von ihrem Geld, aus Stunden geben<br />

($1 für 1 Stunde); im übrigen gibt Feigl ihr Geld dazu (anscheinend 3 oder 400$).<br />

Mi 30 Mit Ina Studienpläne besprochen. Nachmittags Vorlesung vorbereitet.<br />

Do 1. X. 10 h erste Vorlesung ―Einführung in symbolische Logik‖, etwa 10 Hörer, nur<br />

ganz wenige von den alten.<br />

Fr 2 10 Vorlesung. McKeon. Er apologized, daß er sich damals nicht klar<br />

ausgedrückt habe. Ich sage, daß wir die alte Sache als erledigt betrachten wollen. Er<br />

sagt, daß er als sicher annimmt, daß [unleserlich] ich in Wirklichkeit [?] dauerhaft da<br />

bin; und er hoffe, noch vor Ablauf der 3 Jahre den Vertrag ändern zu können<br />

(anscheinend meint er: permanent Sache), und auch höherem Gehalt. Wenn die<br />

ökonomische Lage sich bessere, werde der Präsident individuelle Anträge für<br />

Permanenz an die Trustees stellen! Er wisse nur einen Fall, wo eine Anstellung nicht<br />

verlängert worden sei, das war nur wegen immoralischen Verhaltens. Politische<br />

Ansichten kämen nicht in Betracht. Die Trustees hätten mal Schwierigkeiten<br />

gemacht wegen 2 Professoren hier wegen kommunistischen Ansichten; aber der<br />

Präsident habe sie gegen die Trustees geschützt. Auch wenn er und der Präsident<br />

jemanden für inkompetent halten würden, würden sie keinen Weg sehen, etwas<br />

gegen ihn zu unternehmen. Wenn eine sehr schwere ökonomische Krise einträte,<br />

würde man nicht Professoren abbauen, sondern lieber gleichmäßig die Gehälter<br />

kürzen. – Mittags Lunch im Club mit dem Dept. Über die Vorlesung für nächstes<br />

Quarter. – Abends ½7-9 zu Morris. Auch Kasperle.<br />

Sa 3<br />

So 4O Nachmittags Besuche: (Perrys nicht zu Hause); zu Eckarts. Über<br />

erkenntnistheoretische Fragen der Physik.<br />

Mo 5 Mittags werden wir neuen Professoren (Jäger usw.) fotographiert. Jäger fährt<br />

für 2 Monate nach Schottland zu Vorlesungen; Frau und Kinder sind hier. – 6-9<br />

55


Faculty Dinner; die Neuernannten werden vorgestellt; sehr viele (über 30). (Kasperle<br />

bei Ina)<br />

Di 6 Vorlesung. Mit Morris meinen Plan für weitere Vorlesungen, auch für nächstes<br />

Jahr, besprochen. Er sagt, daß ich im allg. nicht 200-Kurse lesen bräuchte. Zwar ist<br />

gewöhnlich Mangel an solchen; aber von mir hatten sie von vorneherein 300 erwartet.<br />

Mi 7 11 h zum Präsident Hutchins. Er ist sehr freundlich; wir berühren die früheren<br />

Schwierigkeiten und den 3-Jahres-Vertrag nicht. Zum Schluß fragt er, ob er noch<br />

irgend etwas helfen kann; da frage ich ihn wegen Zuschuß zur Übersiedlung der<br />

[unleserlich] und wegen freier Tuition für Ina. Ich soll melden, was die Übersiedlung<br />

kosten würde. Er will sehen, was er tun kann, obwohl es nicht üblich sei. – 3½ erstes<br />

Seminar. Aarons aus Berkeley ist für kurze hier, berichtet, daß der Einfluß von<br />

Schlick noch sehr lebending ist, und daß meine Veröffentlichungen ausführlich<br />

diskutiert werden. Besonders Dennes pflege diese Probleme.<br />

Do 8 Korrektur Testability.<br />

Fr 9 Beim Lunch schlage ich dem Department vor, das Lunch anderswo zu machen,<br />

damit nicht alle, besonders die jüngeren, gezwungen sind, Mitglieder zu sein. Aber<br />

außer Osborne wollen alle doch auf jeden Fall Mitglied bleiben. Ich beschließe<br />

deshalb, auch einzutreten.<br />

Sa 10 Nachmittags Trude Morris hier. Abends mit Ina Kino „Mary of Scotland‖,<br />

packend.<br />

So 11 Mittags Kasperle hier. Sie will wahrscheinlich nach einem Quarter wieder<br />

nach Iowa, weil dort der Dr. in Psychologie viel leichter als hier (!). – Nachmittags<br />

Besuch bei Perry, Senior, Frau Smith.<br />

Mo 12O Ina geht vom Dept. Soc. Sc. zum Social Service über.<br />

Di 13<br />

Mi 14 3½ Seminar; 17 Teilnehmer. Nach kurzem Referat sehr lange und teilweise<br />

heftige Diskussion (über Geom).<br />

Do 15<br />

Fr 16 Mittags Dept. Lunch; Besprechung über die Papers für Vorexamen; Zulassung<br />

von Harzel zweifelhaft.<br />

56


Sa 17 11 h Sitzung der Humanities Division. Morris wird in das Komitee für Policy<br />

gewählt. – Lunch mit Morris und Thurstone. Wir berichten ihm von Hempels Buch.<br />

So 18 Wir fahren zum Indiana State Dune Park, 1 Stunde, 20 Min. Sonnig und schön,<br />

aber Wind. Mittags zum Picknick-Platz; dabei auch gelegen, aber Mücken.<br />

Nachmittags Hartshornes besucht, in ihrem Cottage; klein und dürftig. Er hat nur 1<br />

Seminar; die College-Vorlesung ist wegen Mangel an Registranten (nur 4 Leute)<br />

abgesagt worden. Er beobachtet die Vögel durch sein Fenster. – Heimfahrt zuletzt im<br />

Dunkeln.<br />

Mo 19O<br />

Di 20<br />

Mi 21 Ina Nachmittags Seminar. Lebhafte Diskussion über Charakter der Sätze der<br />

Ethik; über Semantik und Syntax. Mit ziemlich gutem Verständnis. 11 Teilnehmer;<br />

ich sage, daß ich über die Anwesenden berichten muß, und jetzt aber noch nicht tue.<br />

Do 22<br />

Fr 23 Mittags Department Lunch. Über Harzel; Smith und ich dagegen, Morris dafür,<br />

aber mit Warnung; Hartshorne kann es nicht entscheiden.<br />

Sa 24 Autofahrt zur Nordseite von Chic., NW University, Evanston, Kenilworth; sehr<br />

schöne Gegend, viele Gärten, Badestrand. Wie schade, daß unsere Universität nicht<br />

dort in der Nähe ist!<br />

So 25 Gearbeitet (Umarbeitung des Abriß der Logistik, für die englische Ausgabe).<br />

Mo 26<br />

Di 27 Neurath kommt an. Wir bekommen Telegram zu spät, holen ihn spät am<br />

Englewood ab; wegen Privatbad will er nicht ins International House; Hotel<br />

Mayflower. Er berichtet von großen Erfolgen. Hat gleich in der ersten Zeit in NY<br />

Aufträge für über 1000$ bekommen; ist für 1 Monat, vielleicht auch länger, Berater<br />

für die Worldsfeier 1939; hat verschiedene Möglichkeiten, hier im Lande zu bleiben;<br />

sagt aber, er möchte das nicht (!!), weil es hier bald schlimm werden würde, weil<br />

immer gleich geschossen wird. Ich sage, daß Prag sicher schlimmer ist; schon jetzt:<br />

Studentenunruhen in Kelsens Vorlesung. Wir fahren ihn und Morris in die Stadt, wo<br />

er bei einem Lunch der Social Workers Lichtbilder vorführt.—Wir sofort nach<br />

57


Hause.—4-6 N in der Gruppe für wissenschaftliche Logik vor etwa 15 Professoren<br />

über Kopenhagener Kongress und Enzyklopädie.—Mit N und Morris im Club; dann<br />

bei Morris.<br />

Mi 28 11 h mit N und Morris zur Univ. Press. Wir schlagen vor: Zunächst nur 20<br />

Broschüren in 2 Bänden, in 2 Jahren; fertig [?] vor dem Kongress 1939 in Harvard.<br />

Die Press steht diesem Projekt sehr günstig gegenüber. – Lunch im Club mit 10<br />

Professoren. – 3:30-5:30 N Vortrag und Diskussion bei Social Scientists; Vorsitz Wirth.<br />

Dieser sagt zum Schluß, ob ich nicht mit ihnen arbeiten will, um sie in logischer<br />

Analyse zu trainieren. – 6:30 wir mit N zum Essen bei Morris. Auch Kasperle.<br />

Nachher kommen Eckart, Senior und die [unleserlich] [unleserlich] und Bloomfield.<br />

Wir sprechen über die Enzyklopädie. Diese wollen umarbeiten. (N hat 10h noch<br />

Besprechung!).<br />

Do 29 (N ist in der Stadt bei [unleserlich] Organisation). N kommt 4 h . Heftige<br />

Diskussion über Tarskis Wahrheitsbegriff, den ich verteidige. N liest mir eine Menge<br />

Stellen aus Tarskis Buch vor, die höchst bedenklich sein sollen, aber fast alle harmlos<br />

sind. Ich gebe aber zu, daß es sein kann, daß dahinter eine nicht ausgesprochene<br />

Metaphysik steckt; N behauptet, die werde später deutlich herauskommen, wie bei<br />

Weil [?]. Über Anteil der Warschauer und Wiener an der Gedankenentwicklung. N<br />

liest mir aus einem MS von Arne Naess vor, gegen Physikalismus. Die Einwände sind<br />

richtig, aber nur gegen die alten Formulierungen. Abends kommt Ina aus der<br />

Vorlesung. Ich gebe N $10 für Hotel und sonstiges. Wir besuchen um 10 h noch<br />

Morris für ½ Stunde. Dann bringen wir N zur Bahn (Woodlawn, 63 rd Street).<br />

Fr 30 Mittags Department Lunch. – Nachmittags Seminar (anstatt Mi, wegen<br />

Neurath).<br />

Sa 31<br />

So 1.XI O Vormittags fahren wir zum South Shore Drive und sehen Häuser dort und<br />

beim Country Club an; es ist aber ziemlich weit, und wir finden nichts besonders<br />

Verlockendes.<br />

Mo 2 Entwurf für Neurath: ―Vorschlag einer normierten logistischen Symbolik‖.<br />

58


Di 3 Mit Leng (University Press) über Übersetzung des Abriß, er will das MS von<br />

Rosinger kommen lassen. – Abends 7:30 – nach 10: Morris im Thurstone Seminar, in<br />

dessen Wohnung, über logische Analyse, und Hempels Buch. Mit Diskussion.<br />

Mi 4 Gestrige Wahl: Roosevelt mit überwältigender Mehrheit gewählt.<br />

Mi 5 11 in Eckarts Office mit ihm über sein MS: Messung der Quantenmechanik,<br />

ohne logistische Symbolik.<br />

Fr 6 (Auto zur Winter-Umstellung.)<br />

Sa 7<br />

So 8O Mittags Morrisens hier zum Lunch. Über Bruner. – Nachmittags Eckarts hier.<br />

Mo 9 Nachmittags große [?] Lebensversicherung abgeschlossen ($12000).<br />

Di 10 Arzt kommt hierher, für Versicherung. – 4 h unsere Professorengruppe. Bliss<br />

über reine und angewandte Mathematik. Wenn auch Verschiedenes nicht ganz klar,<br />

so werden wir doch in den Hauptpunkten einig. Er betont: Theorie exakt,<br />

Anwendung unexakt und auf Endliches beschränkt.<br />

Mi 11<br />

Do 12 Briefe (endlich mal) an Eli [?] und Neurath.<br />

Fr 13<br />

Sa 14 Nachmittags mit Ina ins Federal Theatre: Lewis, It can’t happen here. Sehr<br />

packend; für uns mehr als für die Amerikaner, denen es wahrscheinlich zu seltsam<br />

und unglaubwürdig erscheint. Es fehlt in dem Stück: 1) die große Wirkung der<br />

Vogelscheuche Kommunismus, wodurch viele gewonnen werden; 2) die positive<br />

Wirkung auf die Gebildeten (es werden nämlich nur die Gewalttaten betont); 3) die<br />

Rolle des Proletariats als Hauptgegner (hier hat ein liberaler bürgerlicher Herausgeber<br />

eine geheime Druckerei in seinem Keller). –<br />

So 15O Mittags Kasperle hier; macht Intelligenztests mit Ina. – Abriß gearbeitet. –<br />

Briefe.<br />

Mo 16 Ina Abriß. Briefe.<br />

Di 17 Abends Ernis Vetter Löwenberg aus Memphis (Tenn.) hier, es scheint, daß sie<br />

Ernis Kommen sehr wohlwollend unterstützen wollen. Wir betonen aber, daß sie<br />

kein Geld braucht, sondern eine Stelle.<br />

59


Mi 18 Im Seminar ist Parschell [?] böse über Apustes [?] vorlautes Wesen. Er und<br />

andere beklagen sich bei Morris.<br />

Do 19 University Press: Besprechung wegen Abriß der Logistik. Ich sage, daß<br />

Rosingers Übersetzung gut ist. Noch keine Entscheidung.<br />

Fr 20<br />

Sa 21 11 Senatssitzung, nur 10 Minuten. – Mit Hartshorne über sein MS, das Kapitel<br />

über Positivismus. Er ist sehr unklar. – Lunch mit Morris. Er erzählt über die Klage<br />

der Studenten gegen die Adler-Leute (Aristoteles- und Toman-Anhänger), die ―Juden‖;<br />

die Studenten scheinen sehr übertrieben zu haben.<br />

So 22 Feigl ist fürs Weekend hier, mit Lewin gekommen. Gestern hatten sie<br />

Diskussion mit den Psychoanalytikern. Ich hole ihn um 10 am Hotel ab, zuerst zu<br />

Morris. Über Enzyklopädie. Über Tarskis Semantik. Morris scheint von Neuraths<br />

Bedenken angesteckt, hält die Begriffe, auch meine Erklärung, für Metaphysik, er<br />

möchte andere ―Semantik‖(?). Mittags beide Feigls bei uns. Nachmittags mit Feigl<br />

etwas diskutiert über Physikalismus und anderes. Um 6 bringen Ina und ich ihn in<br />

die Stadt; dort noch die Stunde zusammen; dann fährt er mit anderen im Auto ab.<br />

Mo 23O Neuen Abriß.<br />

Di 24 11 Senior, über Schema in Enzyklopädie. Er macht Vorschläge für<br />

methodologische Fragen; vielleicht will er doch selbst schreiben. Oder vorher Lewis<br />

fragen, sobald wir weiteres Program für die ersten 2 Bände haben.<br />

Mi 25 Nachmittags Seminar. Parschell berichtet weiter; die anderen sind einmal<br />

zurückhaltender.<br />

Do 26 Feiertag: Thanksgiving Abriß: MS.<br />

Fr 27 Beim Department-Lunch: Vorlesungsplan für sechstes akademisches Jahr.<br />

Sa 28 Abriß-MS.<br />

So 29 Nachmittags wir im Auto zum Palos Park, SW von Chicago, an 7.<br />

Skisprunghügel. Bei gutem Schnee kann man vielleicht etwas auf dem dortigen<br />

Hügeln laufen.<br />

Mo 30 Vorlesung vorbereitet.<br />

Di 1. XII o Abriß<br />

60


Mi 2<br />

Do 3 5 Schilpp holt mich ab zur North-Western University, dort Dinner mit dem<br />

Department: Morris, Schaupp, Howard (Head of Department). Dann mein Vortrag<br />

―Verification and the Unity of Science‖. Nachher Diskussion in Howards Zimmer.<br />

Alle sind sehr interessiert. Schilpp bringt mich wieder zurück; mit seiner Frau.<br />

Fr 4<br />

Sa 5 Abriß<br />

So 6 Mittags Kasperle hier. – Autotürschloß eingefroren! Wir stehen bei arger Kälte<br />

lange auf der Straße, bis ein Mann kommt. Er kann es nicht öffnen. Weiter<br />

vergeblich auf anderen gewartet. Dann zu Fuß zu Benjamins, Supper. Dort auch<br />

Osborne.<br />

Mo 7 Auto wird geöffnet. In Garage neues Schloß eingesetzt.<br />

Di 8O 4-6 unsere Gruppe, Vortrag Raschefsky ―Biologie und Physik‖. Sehr<br />

interessante mathematische Analyse. Vortrag zu lang und zu technisch.<br />

Mi 9<br />

Do 10<br />

Fr 11 Ina Beim Lunch Department gefragt wegen früherem Schluß im Januar, um<br />

Dampfer ―Bremen‖ zu kriegen. Smith sagt ― sind doch freie Leute, machen es nach<br />

unserem Gewissen‖. Perry sagt, daß das jeder selbst entscheiden muß; alle sagen,<br />

wegen solchen Fragen geht man nicht zum Dean. Da Perry Sekretär sein wird, ist<br />

damit die Frage gelöst. – Ich erzähle aus Franks Brief: Dubislav als Vertreter abgelehnt,<br />

wachsende Gleichschaltung. Über faschistische Gefahr in Amerika; ich sage, daß sie<br />

größer ist, als die meisten hier glauben.<br />

Sa 12 Abriß.<br />

So 13 Nachmittags: Ina bleibt zu Hause, ich 3½ zu Morris. 5 mit Morrisens zu<br />

Benjamins, Abschiedstee für Hartshornes; er geht für 2 Quarter an die Stanford<br />

University. Frau Hartshornes Vater, ihr ähnlich, mit weissen Haaren, [unleserlich]<br />

Mann, früherer Englisch-Professor, sagt, ich soll Gödels[?] Meaning[?]-Frage in<br />

Ordnung bringen und Analyse der Sprache. Er schätzt Richards sehr. – Mit<br />

Hartshorne etwas [unleserlich].<br />

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Mo 14 Abriß. – Nachmittags wir mit Morrisens ins Kino International House: Skifilm<br />

―Der weiße Rausch‖, verlockend und lustig. Ich kannte ihn schon.<br />

Di 15 (Vorlesung lasse ich ausfallen). Abriß. [unleserlich]<br />

Mi 16 (Nachmittags zum Seminar kommt nur Schmaude; fällt daher aus.)<br />

Do 17<br />

Fr 18 1 Stunde Examen (schriftlich) in symbolischer Logik. – Mittags letztes Dept.<br />

Lunch. Hartshorne geht für 2 Quarter nach Standford.<br />

Sa 19O Abriß.<br />

So 20 1-4 bei Morrisens.<br />

Mo 21 Briefe. – Wir sind schon entschlossen, neue Skier und Skisachen zu kaufen, da<br />

kommt Brief aus NY: die Sachen aus Prag sind da!<br />

Di 22 Mit Ina in die Stadt, Weihnachtstrubel in den Läden. Skijacke für mich gekauft.<br />

– AE wegen der Prager Sendung.<br />

Mi 23 Briefe.<br />

Do 24 (Ina) Mit Ina in die Stadt. AE: die Skier und Sachen sind da, aber das Zollamt<br />

schliesst bis So! So können wir nicht zum Skilaufen fahren. – Abends 7-10 bei<br />

Morrisens. Über Kommunismus, Strucheds[?] Aufsatz. – Zuhause Tannenzweige auf<br />

den Tisch, mit Kerzen.<br />

Fr 25 Keine Weihnachtspost, weil alle Schiffe durch Sturm verspätet. – Zeitschriften<br />

gelesen.<br />

Sa 26 MS Abriß. – Wir haben keinen Baum, aber Tannenzweige mit Kerzen auf dem<br />

Eßtisch.<br />

So 27 Briefe.<br />

Mo 28 Nachmittags zum AE und Zollamt. Nach vieler Mühe bekommen wir<br />

Handkoffer mit Skianzügen und Skier heraus. Abends bei der Heimkehr heftige<br />

Rückenschmerzen im Kreuz; ins Bett gelegt. Morris und Neurath kommen, bis ½11.<br />

Über Enzyklopädie.<br />

Di 29 Nun müssen wir die endlich er[…] Skifahrt aufgeben! Dr. Hatcher, von<br />

[unleserlich], Instruktor für orthopädische Chirugie, kommt. Sagt: Nichts Ernstes,<br />

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aber im Bett bleiben, später X-Aufnahmen machen. Hart liegen. Im Wohnzimmer<br />

Matratze auf Fußboden.<br />

Mi 30 Immer noch sehr schmerzhaft. Ina wälzt mich immer von der einen auf die<br />

andere Seite.<br />

Do 31 Noch keine Besserung. – Neurath und Morris nochmal hier. N muß schon<br />

abreisen.<br />

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