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Zwei Liedzyklen

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18 Hindemiths große Vokalwerke<br />

Klienten zum Abstieg in sein Reich bittet, einzelne Menschen zu dem in<br />

Hoftänzen der Renaissance üblichen paarweisen Schreiten; in anderen sieht<br />

man übermütige Gespenster, die zwar allerlei Schabernack treiben, die<br />

Musik – oder den Höllenlärm – jedoch lieber selbst machen, als dass sie<br />

sich im Takt dazu bewegen.<br />

Besonders berühmt wurde der um 1440 entstandene Baseler Totentanz,<br />

dessen fast lebensgroße Figuren eine 60 Meter lange Friedhofsmauer<br />

schmückten. Diese Fresken, die Holbein zu seiner Holzschnittserie inspirierten,<br />

gehörten allerdings keiner der beiden genannten Traditionen an,<br />

sondern repräsentierten einen dritten Ansatz. Jede Szene zeigte einen noch<br />

durchaus lebendigen Menschen, den sein individueller Tod charmant oder<br />

auch unerbittlich zum Mitkommen auffordert.<br />

Weder in Frankreich noch in Deutschland, der Schweiz, Italien und<br />

Spanien, wohin sich das Genre bald ausbreitete, bildete die Wandmalerei<br />

das einzige Medium für den Totentanz. Es gab Malerei auf Holz, Stein<br />

oder Leinwand, Glasfenster, Skulpturen, Stickereien, Wandteppiche, Stiche,<br />

Radierungen und Holzschnitte sowie Gedichte, Prosawerke und Dramen.<br />

Auch kam die Produktion dieser Darstellungen mit dem Zurückweichen<br />

der Pest nicht völlig zum Stillstand. Noch lange nach deren Höhepunkt<br />

frischten Goethes Ballade vom Todtentanz und Walter Scotts “The Dance<br />

of Death” die Faszination auf, die von den makabren Mitternachtslustbarkeiten<br />

ausging; im 19. Jahrhundert schufen Komponisten wie Liszt und<br />

Saint-Saëns musikalische Versionen. Unter den Künstlern, die sich im 20.<br />

Jahrhundert dem Thema gewidmet haben, sind Ernst Barlach, Otto Dix,<br />

HAP Grieshaber, Alfred Hrdlicka, Horst Janssen und Edvard Munch im<br />

Bereich der bildenden Kunst zu nennen, Charles Baudelaire, Anatole France,<br />

Bertolt Brecht, Thomas Mann, Rainer Maria Rilke, Friedrich Dürrenmatt<br />

und August Strindberg im Bereich der Literatur sowie Ingmar Bergmann,<br />

dessen Totentanzszene im Film Das siebte Siegel aus dem Jahr 1956 die<br />

zentralen Motive der mittelalterlichen Tanzaufführungen meisterlich zusammenführt.<br />

Die alte Humanistenstadt Basel beherbergte für längere Zeit gleich<br />

zwei Freskenzyklen. Der etwas frühere sogenannte Kleinbaseler Totentanz<br />

schmückte eine Wand im Kloster der Augustinerinnen im Vorort Klingenthal;<br />

nur etwa die Hälfte der Fresken überlebte bis in die Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts, als das ehemalige Kloster schließlich abgerissen wurde. Der<br />

zweite Zyklus, als Großbaseler Totentanz bekannt, entstand als Kopie des<br />

ersten auf der Friedhofsmauer des Dominikanerklosters und wurde ein von<br />

den Bürgern geschätztes Wahrzeichen der Stadt. Als er der modernen

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