Die legendären Nagra-Geräte: Ein Einblick in die ... - AAA Switzerland

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Technik und Tipps
Die legendären Nagra-Geräte:
Ein Einblick in die Geschichte des Unternehmens und seiner Produkte
Ein Beitrag von Andreas Kuhn
Nagra-Tonbandgeräte sind
berühmt – und die Nachfrage
nach Occasionsgeräten
ist heute unter Liebhabern
immer noch gross. Dieser
Artikel vermittelt einen kleinen
Überblick über die ersten
rund 30 Jahre Geschichte
der Bandmaschinen
von Nagra.
Der Firmengründer und Nagra-Erfinder,
Stefan Kudelski, wurde am
27. Februar 1929 in Warschau, Polen
geboren. Im Zweiten Weltkrieg
floh seine Familie vor den Nazis
nach Ungarn und von dort nach
Frankreich, bevor sie später in der
Schweiz Asyl fand. Während seines
im Jahre 1948 aufgenommenen Studiums
an der Eidgenössischen Technischen
Hochschule in Lausanne
baute er sein erstes Tonbandgerät.
Bereits im Jahre 1951 gründete er
seine eigene Firma und begann mit
der Produktion des ersten transportablen
Tonbandgerätes für Radioreporter
mit der Bezeichnung Nagra I.
Der Begriff Nagra leitet sich übrigens
vom Polnischen ab und heisst
soviel wie «etwas aufnehmen».
Nagra SNN
AAA-Bulletin Ausgabe Frühling 2007
Die mit dem damaligen Stand
der Technik erreichte Tonqualität bei
Magnetaufzeichnungen war auch
mit einer Nagra I begrenzt, die Radiostationen
jener Tage empfanden
die Qualität jedoch als annehmbar.
Das Problem waren die Tonhöhenschwankung
(Wow&Flutter) in der
Bandaufzeichnung, weshalb im Jahre
1953 zur entscheidenden Verbesserung
dieser Schwankungen
mechanische Filter eingebaut wurden,
um diese entsprechend zu glätten.
Dies war die Geburtstunde der
Nagra II, die sogleich das grosse
Interesse der Filmindustrie weckte.
Ab 1956 forschte
Kudelski nach einer
Möglichkeit, einen
Magnetband Rekorder
mit geregeltemGleichstrommotor
herzustellen und
somit die Probleme
der ersten Serien zu
beheben.
Die Nagra III,
die 1958 auf den
Markt kam, stellte einen Durchbruch
dar, welcher die portable Tonaufnahme
revolutionieren sollte. Sie
war klein, konnte mit einem Tragegurt
getragen werden und besass
alles, was man für den synchronen
Filmton benötigte. Sie war nun völlig
mit Germanium Transistoren bestückt,
in Modultechnik aufgebaut,
und das Messinstrument mit dem
Namen «Modulometer» gehörte
ebenfalls zum Standard. Zudem
konnte sie mit handelsüblichen Typ
D-Batterien angetrieben werden.
Die Aufträge hierfür liessen nicht lange
auf sich warten und Ende 1958
waren über 240 Stück davon gebaut
und verkauft. Das eingeführte
Film-Synchronverfahren mit dem Na-
men Neo-Pilot setzte einen Meilenstein
im Filmtongeschäft. Dieser Erfolg
ermöglichte der Kudelski-Organisation
sich von einem fachkundigen
elektrotechnischen Labor zu einer
echten industriellen Einrichtung
zu entwickeln.
Der Nachfolger der Nagra III
war dann im Jahre 1968 die Nagra
IV. Stefan Kudelski selbst interessierte
sich sehr für Jazz und klassische
Musik, was sicherlich ebenfalls
einen guten Antrieb für exzellente
Audioqualität darstellte. Auch die
Fotografie und der Film (16mm) hatten
es ihm angetan. Für seine Reisen
Nagra E
benutzt er übrigens oft eine zweimotorige
Cessna, war er doch im
Besitz eines Pilotenscheins für Instrumentenflug.
Bei einer Filmtagung in
Hollywood/USA unterhielt er sich
bei einem Mittagessen mit Direktoren
und Ingenieuren der Filmindustrie
über die Tonqualität von Film
und Fernsehen. Er referierte ausführlich
über die Entwicklung, die in seiner
Firma in Bezug auf die Aufnahmeausrüstung
stattgefunden habe
und seine weitreichenden Zielsetzungen
seien es, einen Recorder zur
Verfügung zu stellen, der viele Jahre
ohne grösseren Service zuverlässig
laufe. Um dies entsprechend zu gewährleisten,
schloss er den zunehmenden
Gebrauch von Siliziumtran-

sistoren, Tantalkondensatoren und die Beseitigung aller
Riemen mit ein. Alle seine Bandmaschinen waren ab
jetzt voll Silizium transistorisiert und dies sparte wiederum
Strom, was sich in wesentlich verbesserten Akkulaufzeiten
niederschlug.
Der Traum aller Filmtonleute folgte dann im Jahre
1971 in Form der Nagra 4.2, die eine überarbeitete
und verbesserte Version der Nagra IV darstellte und an
Finesse und Robustheit kaum noch zu übertreffen war.
Genauso präzise wie die Nagras selber waren übrigens
auch die Beschreibungen der Geräte in den Bedienungsanleitungen.
Nagra 4.2
Kudelski hatte immer auch während den erwähnten
Baureihen Sonderbauformen entwickelt und den Anforderung
entsprechend modifiziert. Kurze Zeit später,
aber noch im selben Jahr erschien die Stereoversion in
Form der IV-S, die von der Film- und Schallplattenindustrie
mit sehr grosser Begeisterung aufgenommen wurde.
Die Leute um Kudelski hatten ein Genie, und das war
der Chef, und dieser hatte Visionen und er hatte Erfolg
damit. Er erhielt im Laufe seines Schaffens diverse Auszeichnungen
und Preise, darunter sogar dreimal den
Oskar (1965/1977/1978) in der Kategorie «Scientific
or Techical Awards (Class II) für die Entwicklung
und Konstruktion der Nagra Bandmaschinen.
Nagra Geräte kosteten damals wie heute richtig viel
Geld (!) und es gab teilweise lange Wartelisten. Kudelski
und seine Firma hatten keinen Druck im Bezug
auf die Stückzahlen, wie dies etwa bei Uher und Grundig
der Fall war. Die Firma Nagra Kudelski war im Vergleich
zu andern – man denke etwa an die ehemalige
Grundig oder an AEG/Telefunken – in ihrer Firmengrösse
immer auf dem Boden geblieben.
Eine andere Schweizer Firma namens Stellavox war
Nagra Kudelski zum Beispiel sehr ähnlich, gerade von
den Produkten her, und sie beide bedienten einen ganz
kleinen hochsensiblen Markt der absoluten Profis.
Während die Firma Kudelski den einbrechenden Ma-
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gnettonbandmarkt überlebt hat, ist Stellavox heute Geschichte.
Eine traurige Erfolgsgeschichte eines ebenfalls
«genialen» Entwicklers und vieles erinnert an den Studenten
Kudelski oder auch an Willi Studer. Alle diese
Personen kamen (fast) aus dem Nichts und haben Weltgeschichte
in der Tontechnik geschrieben. Kudelski hat
zwar ebenfalls das analoge Tonbandsegment verlassen,
aber aus einem unternehmerischen Antrieb, einer
Kultur, die auf Talente und Fähigkeiten gerichtet und gebaut
ist, hat die Firma sich in den beiden Sparten «Nagra
Audio» und «Nagravision» einen weitreichenden
Namen gemacht. Der Firmensitz ist in Cheseaux-sur-Lausanne,
der Geschäftsführer ist seit 1991 André Kudelski,
er ist der Sohn des Firmengründers.
Heute, nach nun mehr als 40 Jahren, leisten die analogen
Nagra Geräte noch immer gute Dienste in den
unterschiedlichsten Institutionen von Film bis Rundfunk,
obschon auch dort die Zeichen der Zeit ihre unaufhaltsamen
Spuren in Form des Digitalen hinterlassen.
Die Firma revidiert übrigens auf Anfrage auch heute
noch ihre damaligen Bandgeräte der meisten Serien
und hat die entsprechenden, hierfür benötigten Ersatzteile
zur Hand. Der Service ist vorzüglich, ich selbst habe
im letzten Jahr mehrere Geräte von der Nagra 4.2
bis zur T-Audio revidieren lassen, was übrigens seinen
Preis hat. Diese Geräte sind nun für die vielen kommenden
Jahre voll einsatzfähig und klanglich – ob Mono
oder Stereo – eine wahre analoge Freude.
Ein Auszug aus der Produktion der analogen
Nagra-Bandgeräte:
1951: Nagra: erster Prototyp
1952: Nagra I: mit Uhrwerksmotor und komplett in
Röhrentechnik
1953: Nagra II: wie Nagra I aber mit Modulometer
1955: Nagra II CI: wie Nagra II jedoch erstmals
mit gedruckten Schaltungen
1957: Nagra III: erstmals mit Gleichstrom-Servo
Motor und Germanium Transistoren
1960: Nagra SN Serie Noire (Prototyp)
1962: Nagra III NP: gleich wie NAGRA III aber
mit «NEOPILOT Synchronisation»
1968: Nagra IV: erster Rekorder mit Silizium-Transistoren
1970: Nagra SNN: kleinster Spionagerekorder
der Welt, bekannt aus vielen Filmen
1971: Nagra 4.2: verbesserte Version der IV
1971: Nagra IV-S: wie Version IV aber in Stereo
1976: Nagra-E: wie Economy
1981: Nagra T-Audio, Twin Capstan Recorder