Diese Seite oben: Die Stühle, Abschlussarbeit e<strong>in</strong>es Designstudenten, entdeckte Hecken auf e<strong>in</strong>em londoner Flohmarkt. Die Fotoserie ”Somatolyse” nahm Bett<strong>in</strong>a Khano hier im Park auf. Dort steht auch Raul Walchs Golfcaddie aus Saunaholz (rechts) ........ Unten: Fabian Reimanns Alu-Skulpturen schlagen auf dem Gelände wie Blitze e<strong>in</strong> (Foto l<strong>in</strong>ks), und Carsten Kraemer brachte über die ganze l<strong>in</strong>ke Hausseite kunstvoll geordnet die Farben zum laufen .......................................................................... L<strong>in</strong>ke Seite: Das m<strong>in</strong>otti-Sofa steht fast schon im Grünen und passt sich geschmackvoll dem grauen Boden aus Pietra Serena an – der ideale Untergrund für das zum tisch umfunktionierte Bild. Durch bodentiefe Fenster fällt der Blick auf die alte mühle............ 507
508 i WOHLFÜHL-TIPPS VON MICHAEL HECKEN 1........ E<strong>in</strong>zigartigkeit. Nach e<strong>in</strong>em Aufenthalt im Kloster habe ich gelernt, auch <strong>in</strong> Bezug auf die Wohnsituation im Hier und Jetzt zu denken. Auf e<strong>in</strong>en moment h<strong>in</strong> zu planen, der vielleicht irgendwann kommt, macht meist ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n ........................... 2........ Konzentration. E<strong>in</strong> Haus wird zum Heim, wenn es e<strong>in</strong> Rückzugsort ist, der entlastet. So e<strong>in</strong>fach es sich anhört: weniger ist mehr. Viel Stauraum lässt Alltagsgegenstände verschw<strong>in</strong>den und im Gegenzug bekommt man viel Fläche für optische Ruhe ........... 3........ Aussicht. Die schlimmste Vorstellung für mich ist, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Käfig zu wohnen. Das m<strong>in</strong>imum zum Wohlfühlen s<strong>in</strong>d Ausblicke <strong>in</strong> zwei Richtungen – e<strong>in</strong> uraltes Feng-Shui Pr<strong>in</strong>zip, das se<strong>in</strong>e Berechtigung hat, denn Energie muss fließen können ................. VON VORNE GLEICHT ES e<strong>in</strong>em Herrenhaus des frühen 20. Jahrhunderts im Sch<strong>in</strong>kel-Stil. Von h<strong>in</strong>ten ist es e<strong>in</strong> cooler Kubus im Look des neuen Jahrtausends. Und dr<strong>in</strong>nen ersetzen zeitgeistige Kunstwerke das fast nicht vorhandene Mobiliar. Das ist ke<strong>in</strong> Rätsel, sondern Michael Heckens bislang aufregendstes Wohnabenteuer. Doch immer schön der Reihe nach. Auf e<strong>in</strong>er Fahrt durchs verregnete <strong>Brandenburg</strong> entdeckte der Unternehmer das stattliche Haus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Naturschutzgebiet bei Biesenthal, e<strong>in</strong>em Ausflugsziel für Insider, 40 M<strong>in</strong>uten östlich von Berl<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e alte Mühle war auch dabei. Und e<strong>in</strong> 70 Hektar großer Park. Hecken, nach neun Jahren London metropolenmüde, kaufte, ohne zu zögern. Er suchte ohneh<strong>in</strong> schon seit längerem nach e<strong>in</strong>em größeren Objekt, um se<strong>in</strong>e wachsende Kunstsammlung unterzubr<strong>in</strong>gen. Und London war e<strong>in</strong>fach un- ”Nachgebauten Disney-Kitsch wie das Berl<strong>in</strong>er STADTSchLOSS wollte ich auf gar ke<strong>in</strong>en Fall“ bezahlbar. Dafür stellte sich se<strong>in</strong> Biesenthaler Traum als im wahrsten S<strong>in</strong>ne hohl heraus: Das Herrenhaus war <strong>in</strong>nen völlig ausgebrannt und jenseits aller Sanierbarkeit. E<strong>in</strong>e Ru<strong>in</strong>e. Das zwang den f<strong>in</strong>digen Unternehmer zu e<strong>in</strong>em Akt kreativer Notwehr, wie er sagt: ”Restaurieren konnte man das Gebäude ohneh<strong>in</strong> nicht mehr. Und nachgebauten Disney-Kitsch wie das Berl<strong>in</strong>er Stadtschloss wollte ich auf ke<strong>in</strong>en Fall.” Er ließ das Gebäude bis auf die Fassade und die Seitenwände abtragen und beauftragte das junge Berl<strong>in</strong>er Architekturbüro Zanderroth, das Ganze mit e<strong>in</strong>em Neubau zu komplettieren. 700 Tonnen Schutt wurden entsorgt, um auf zwei Etagen 320 qm Wohnfläche frei zu schaufeln. Im Erdgeschoss öffnen sich jetzt 160 qm offener Wohnraum, der den urbanen Charme e<strong>in</strong>es New Yorker Lofts entfaltet. Wären da nicht die Panoramafenster, die ke<strong>in</strong>en Zweifel daran lassen, dass man sich <strong>in</strong>mitten e<strong>in</strong>er ländlichen Idylle bef<strong>in</strong>det. Für Michael Hecken das ultimative Wohngefühl: ”Ich habe ke<strong>in</strong>en Fernseher, ich höre ke<strong>in</strong>e Musik. Wenn ich zu Hause b<strong>in</strong>, lese ich und schaue <strong>in</strong> die Natur.” Die Fassade aber wollte er als Geschichtsdenkmal um jeden Preis erhalten – <strong>in</strong> all ihrer Abgenutztheit: ”Kaiserzeit, Drittes Reich, DDR und Wende haben sich hier so richtig <strong>in</strong> den Ste<strong>in</strong> gefressen.” Die Idee, se<strong>in</strong> Gesamtkunstwerk auch fürs Publikum zu öffnen, ergab sich eher zufällig. Kat<strong>in</strong>ka Pilscheur, e<strong>in</strong>e befreundete Künstler<strong>in</strong>, machte ihn auf das Potential der Location aufmerksam: e<strong>in</strong> Haus wie e<strong>in</strong>e Galerie, mit der Möglichkeit, auch den Park mit e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den. Dazu noch die reizvolle Lage: Avantgarde-Kunst nach Gutsherrenart. So fand vor drei Jahren erstmals die ”Art Biesenthal” statt – als sommerliches Kunstpicknick, zu dem Michael Heckens Privatsammlung für drei Monate e<strong>in</strong>er Ausstellung neuer Kunst weicht. Seit e<strong>in</strong>em Jahr unterstützt ihn der Galerist und professionelle Kurator Stephan Koal bei Konzeption und Auswahl. Kriterium ist e<strong>in</strong> Bezug zur Architektur des Hauses und se<strong>in</strong>er Umgebung. Wie e<strong>in</strong> Lauffeuer hat es sich <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Kunstszene herumgesprochen. Und so werden dieses Mal vom 5. Juli bis Ende September Freunde und Fremde durchs Haus schlendern und zu Würstchen mit Kraut die Kunst genießen, die zum Teil eigens für Biesenthal geschaffen wird. ”Hier wird geheiratet, gefeiert, diskutiert, musiziert, erfunden, entwickelt”, sagt der Gastgeber stolz über die gelungene Transformation se<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigartigen Ru<strong>in</strong>e. ANDREAS TÖLKE.........................