09.10.2013 Aufrufe

Traumkulisse in Brandenburg - Andreas Tölke

Traumkulisse in Brandenburg - Andreas Tölke

Traumkulisse in Brandenburg - Andreas Tölke

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die Front des um 1900 errichteten Gebäudes<br />

trägt deutliche Narben der Geschichte.<br />

Als Michael Hecken es entdeckte, war das<br />

e<strong>in</strong>stmals prächtige, von Karl Friedrich<br />

Sch<strong>in</strong>kel <strong>in</strong>spirierte Herrenhaus selbst nurmehr<br />

e<strong>in</strong>e völlig ausgebrannte Kulisse. Kunstliebhaber<br />

Hecken machte aus der Not e<strong>in</strong>e<br />

architektonische Installation: Er entsorgte<br />

die Ru<strong>in</strong>e bis auf Fassade und Seitenwände<br />

und komplettierte das Ganze durch e<strong>in</strong>en<br />

avantgardistischen Neubau .....................<br />

500


tRAUmKUliSSE<br />

Der Sche<strong>in</strong> trügt: Die FASSADE ist alles, was<br />

von dem idyllisch gelegenen Herrenhaus<br />

noch stehen blieb. Dah<strong>in</strong>ter steckt der coole<br />

weiße Wohncube e<strong>in</strong>es Kunstsammlers......<br />

FOTOS: PATRICIA PARINEJAD<br />

......BRANDENBURG<br />

501


BRANDENBURG......<br />

Diese Seite: Die Rückansicht des Hauses<br />

überrascht mit der sachlichen Formensprache<br />

e<strong>in</strong>es David Chipperfield. Wie e<strong>in</strong> <strong>in</strong> bei­<br />

de Richtungen offener Guckkasten steht es im<br />

Grün der Parklandschaft. Die Sche<strong>in</strong>treppe<br />

schuf Kat<strong>in</strong>ka Pilscheur, Sab<strong>in</strong>e Groß warf<br />

den Kunst­Knochen <strong>in</strong> den Garten..........<br />

Rechte Seite: Die lichtdurchfluteten Räume<br />

lassen die Wände wie leichte Kulissen ersche<strong>in</strong>en.<br />

Raff<strong>in</strong>iert auch der Wechsel der<br />

Ebenen: Vom tiefer gelegten Atrium wird der<br />

Blick elegant aufs Niveau des Essbereichs<br />

gehoben. Die räumliche Großzügigkeit macht<br />

den Aufgang aus zartgrauem Naturste<strong>in</strong> zur<br />

Freitreppe. Im Vordergrund e<strong>in</strong> Beispiel<br />

für angewandte Kunst: Das bunte Gemälde<br />

vom Flohmarkt dient als Coffeetable ......<br />

502


© VG BILD­KUNST, BONN, 2009 (1)<br />

Während der jährlichen SOMMERAUSSTELLUNG<br />

werden Wohnraum und Garten zur Galerie<br />

503


Der Hausherr steht nicht<br />

nur auf KUNST – er<br />

stylt und möbliert mit ihr<br />

auch die Räume .....<br />

MICHAEL HECKEN<br />

Se<strong>in</strong> größtes Vergnügen ist die Kunst. Er<br />

sammelt sie und lebt mit ihr, und im Grunde<br />

kam ihm die radikale Neukonzeption des<br />

Biesenthaler Hauses nur gelegen: So ließ<br />

sich die Architektur der Kunst anpassen.<br />

Michael Hecken (rechts) lebte neun Jahre <strong>in</strong><br />

London, wo er gleich nach dem BWL­<br />

Studium mit e<strong>in</strong>er Software für die Gastronomie<br />

als Unternehmer durchstartete. Das<br />

<strong>Brandenburg</strong>er Bauabenteuer brachte ihn<br />

wieder nach Deutschland zurück. Se<strong>in</strong>e<br />

Inbalance GmbH <strong>in</strong> Biesenthal wickelt die<br />

Personalabrechungen für <strong>in</strong>ternationale<br />

Konzerne ab. Zusätzlich und aus Überzeugung<br />

vertreibt er emissionsarme Heizungen.<br />

In dem Berl<strong>in</strong>er Galeristen und Kurator<br />

Stephan Koal (l<strong>in</strong>ks) fand der 34­Jährige<br />

e<strong>in</strong>en kongenialen und kompetenten Partner<br />

für se<strong>in</strong>en jährlichen Ausstellungs­Event,<br />

der Biesenthal von Juli bis September zum<br />

Open House für die Kunst macht. Die<br />

Räume s<strong>in</strong>d auch für andere Veranstaltungen<br />

zu mieten. Infos: www.biesenthal.org.......<br />

504


© VG BILD­KUNST, BONN, 2009 (1)<br />

......BRANDENBURG<br />

Das Schlafzimmer im ersten Stock liegt h<strong>in</strong>ter der<br />

Orig<strong>in</strong>alfassade, wie an den Fensternischen zu erkennen<br />

ist. Die Oberlichter waren e<strong>in</strong>st auf Höhe des<br />

Dachbodens. Das Futonbett stammt noch aus Michael<br />

Heckens Londoner Studienzeit. Die Kunst dagegen<br />

ist neu und wurde eigens für das Biesenthaler Haus <strong>in</strong><br />

Auftrag gegeben: Rechts an der Wand hängt<br />

e<strong>in</strong>e Arbeit von Sab<strong>in</strong>e Groß, ihr Gegenüber stammt<br />

von Via Lewandowsky......................................<br />

505


BRANDENBURG......<br />

506


Diese Seite oben: Die Stühle, Abschlussarbeit e<strong>in</strong>es Designstudenten, entdeckte Hecken auf e<strong>in</strong>em londoner Flohmarkt. Die Fotoserie<br />

”Somatolyse” nahm Bett<strong>in</strong>a Khano hier im Park auf. Dort steht auch Raul Walchs Golfcaddie aus Saunaholz (rechts) ........<br />

Unten: Fabian Reimanns Alu-Skulpturen schlagen auf dem Gelände wie Blitze e<strong>in</strong> (Foto l<strong>in</strong>ks), und Carsten Kraemer brachte über<br />

die ganze l<strong>in</strong>ke Hausseite kunstvoll geordnet die Farben zum laufen ..........................................................................<br />

L<strong>in</strong>ke Seite: Das m<strong>in</strong>otti-Sofa steht fast schon im Grünen und passt sich geschmackvoll dem grauen Boden aus Pietra Serena an –<br />

der ideale Untergrund für das zum tisch umfunktionierte Bild. Durch bodentiefe Fenster fällt der Blick auf die alte mühle............<br />

507


508<br />

i WOHLFÜHL-TIPPS VON MICHAEL HECKEN<br />

1........ E<strong>in</strong>zigartigkeit. Nach e<strong>in</strong>em Aufenthalt im<br />

Kloster habe ich gelernt, auch <strong>in</strong> Bezug auf die<br />

Wohnsituation im Hier und Jetzt zu denken. Auf e<strong>in</strong>en<br />

moment h<strong>in</strong> zu planen, der vielleicht irgendwann<br />

kommt, macht meist ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n ...........................<br />

2........ Konzentration. E<strong>in</strong> Haus wird zum Heim,<br />

wenn es e<strong>in</strong> Rückzugsort ist, der entlastet. So e<strong>in</strong>fach<br />

es sich anhört: weniger ist mehr. Viel Stauraum lässt<br />

Alltagsgegenstände verschw<strong>in</strong>den und im Gegenzug<br />

bekommt man viel Fläche für optische Ruhe ...........<br />

3........ Aussicht. Die schlimmste Vorstellung für mich<br />

ist, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Käfig zu wohnen. Das m<strong>in</strong>imum zum<br />

Wohlfühlen s<strong>in</strong>d Ausblicke <strong>in</strong> zwei Richtungen – e<strong>in</strong><br />

uraltes Feng-Shui Pr<strong>in</strong>zip, das se<strong>in</strong>e Berechtigung<br />

hat, denn Energie muss fließen können .................<br />

VON VORNE GLEICHT ES e<strong>in</strong>em Herrenhaus des frühen 20.<br />

Jahrhunderts im Sch<strong>in</strong>kel-Stil. Von h<strong>in</strong>ten ist es e<strong>in</strong> cooler Kubus<br />

im Look des neuen Jahrtausends. Und dr<strong>in</strong>nen ersetzen<br />

zeitgeistige Kunstwerke das fast nicht vorhandene Mobiliar. Das<br />

ist ke<strong>in</strong> Rätsel, sondern Michael Heckens bislang aufregendstes<br />

Wohnabenteuer. Doch immer schön der Reihe nach.<br />

Auf e<strong>in</strong>er Fahrt durchs verregnete <strong>Brandenburg</strong> entdeckte der<br />

Unternehmer das stattliche Haus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Naturschutzgebiet<br />

bei Biesenthal, e<strong>in</strong>em Ausflugsziel für Insider, 40 M<strong>in</strong>uten östlich<br />

von Berl<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e alte Mühle war auch dabei. Und e<strong>in</strong> 70<br />

Hektar großer Park. Hecken, nach neun Jahren London metropolenmüde,<br />

kaufte, ohne zu zögern. Er suchte ohneh<strong>in</strong> schon<br />

seit längerem nach e<strong>in</strong>em größeren Objekt, um se<strong>in</strong>e wachsende<br />

Kunstsammlung unterzubr<strong>in</strong>gen. Und London war e<strong>in</strong>fach un-<br />

”Nachgebauten Disney-Kitsch<br />

wie das Berl<strong>in</strong>er STADTSchLOSS<br />

wollte ich auf gar ke<strong>in</strong>en Fall“<br />

bezahlbar. Dafür stellte sich se<strong>in</strong> Biesenthaler Traum als im<br />

wahrsten S<strong>in</strong>ne hohl heraus: Das Herrenhaus war <strong>in</strong>nen völlig<br />

ausgebrannt und jenseits aller Sanierbarkeit. E<strong>in</strong>e Ru<strong>in</strong>e. Das<br />

zwang den f<strong>in</strong>digen Unternehmer zu e<strong>in</strong>em Akt kreativer Notwehr,<br />

wie er sagt: ”Restaurieren konnte man das Gebäude ohneh<strong>in</strong><br />

nicht mehr. Und nachgebauten Disney-Kitsch wie das Berl<strong>in</strong>er<br />

Stadtschloss wollte ich auf ke<strong>in</strong>en Fall.” Er ließ das Gebäude<br />

bis auf die Fassade und die Seitenwände abtragen und beauftragte<br />

das junge Berl<strong>in</strong>er Architekturbüro Zanderroth, das Ganze mit<br />

e<strong>in</strong>em Neubau zu komplettieren. 700 Tonnen Schutt wurden<br />

entsorgt, um auf zwei Etagen 320 qm Wohnfläche frei zu schaufeln.<br />

Im Erdgeschoss öffnen sich jetzt 160 qm offener Wohnraum,<br />

der den urbanen Charme e<strong>in</strong>es New Yorker Lofts entfaltet.<br />

Wären da nicht die Panoramafenster, die ke<strong>in</strong>en Zweifel daran<br />

lassen, dass man sich <strong>in</strong>mitten e<strong>in</strong>er ländlichen Idylle bef<strong>in</strong>det.<br />

Für Michael Hecken das ultimative Wohngefühl: ”Ich habe ke<strong>in</strong>en<br />

Fernseher, ich höre ke<strong>in</strong>e Musik. Wenn ich zu Hause b<strong>in</strong>,<br />

lese ich und schaue <strong>in</strong> die Natur.” Die Fassade aber wollte er als<br />

Geschichtsdenkmal um jeden Preis erhalten – <strong>in</strong> all ihrer Abgenutztheit:<br />

”Kaiserzeit, Drittes Reich, DDR und Wende haben<br />

sich hier so richtig <strong>in</strong> den Ste<strong>in</strong> gefressen.”<br />

Die Idee, se<strong>in</strong> Gesamtkunstwerk auch fürs Publikum zu öffnen,<br />

ergab sich eher zufällig. Kat<strong>in</strong>ka Pilscheur, e<strong>in</strong>e befreundete<br />

Künstler<strong>in</strong>, machte ihn auf das Potential der Location aufmerksam:<br />

e<strong>in</strong> Haus wie e<strong>in</strong>e Galerie, mit der Möglichkeit, auch den<br />

Park mit e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den. Dazu noch die reizvolle Lage: Avantgarde-Kunst<br />

nach Gutsherrenart. So fand vor drei Jahren erstmals<br />

die ”Art Biesenthal” statt – als sommerliches Kunstpicknick, zu<br />

dem Michael Heckens Privatsammlung für drei Monate e<strong>in</strong>er<br />

Ausstellung neuer Kunst weicht. Seit e<strong>in</strong>em Jahr unterstützt ihn<br />

der Galerist und professionelle Kurator Stephan Koal bei Konzeption<br />

und Auswahl. Kriterium ist e<strong>in</strong> Bezug zur Architektur<br />

des Hauses und se<strong>in</strong>er Umgebung. Wie e<strong>in</strong> Lauffeuer hat es sich<br />

<strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Kunstszene herumgesprochen. Und so werden<br />

dieses Mal vom 5. Juli bis Ende September Freunde und Fremde<br />

durchs Haus schlendern und zu Würstchen mit Kraut die Kunst<br />

genießen, die zum Teil eigens für Biesenthal geschaffen wird.<br />

”Hier wird geheiratet, gefeiert, diskutiert, musiziert, erfunden,<br />

entwickelt”, sagt der Gastgeber stolz über die gelungene Transformation<br />

se<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigartigen Ru<strong>in</strong>e. ANDREAS TÖLKE.........................


......BRANDENBURG<br />

Großes Foto: Die zeitgenössische Kunst im<br />

Hause Hecken macht vor ke<strong>in</strong>em Wohnbereich<br />

Halt, auch nicht vor der Küche, die<br />

vom großen Wohnraum nur durch e<strong>in</strong>e<br />

halbe Wand getrennt ist. Die Stadtimpression<br />

fotografierte Noshe, e<strong>in</strong> Shoot<strong>in</strong>g­Star der<br />

Szene. Das Spielzeugauto aus den 50ern ist<br />

e<strong>in</strong> Trödelfund. Auf dem Küchenblock von<br />

ewe hat D. Murigneux’ Hammer­und­Sichel­<br />

Rem<strong>in</strong>iszenz schon kunstvoll Rost ange­<br />

setzt. Die Küchenbänke s<strong>in</strong>d von Metrofarm.<br />

Kle<strong>in</strong>es Foto: Nur die paar Stufen vom alten<br />

Hause<strong>in</strong>gang hoch – schon bef<strong>in</strong>det man<br />

sich auf dem Niveau der Jetztzeit. Den<br />

Garderobenständer entwarf Designer<strong>in</strong> Ayla<br />

Yilmaz für den Hausherrn ....................<br />

509

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!