Traumkulisse in Brandenburg - Andreas Tölke
Traumkulisse in Brandenburg - Andreas Tölke
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Die Front des um 1900 errichteten Gebäudes<br />
trägt deutliche Narben der Geschichte.<br />
Als Michael Hecken es entdeckte, war das<br />
e<strong>in</strong>stmals prächtige, von Karl Friedrich<br />
Sch<strong>in</strong>kel <strong>in</strong>spirierte Herrenhaus selbst nurmehr<br />
e<strong>in</strong>e völlig ausgebrannte Kulisse. Kunstliebhaber<br />
Hecken machte aus der Not e<strong>in</strong>e<br />
architektonische Installation: Er entsorgte<br />
die Ru<strong>in</strong>e bis auf Fassade und Seitenwände<br />
und komplettierte das Ganze durch e<strong>in</strong>en<br />
avantgardistischen Neubau .....................<br />
500
tRAUmKUliSSE<br />
Der Sche<strong>in</strong> trügt: Die FASSADE ist alles, was<br />
von dem idyllisch gelegenen Herrenhaus<br />
noch stehen blieb. Dah<strong>in</strong>ter steckt der coole<br />
weiße Wohncube e<strong>in</strong>es Kunstsammlers......<br />
FOTOS: PATRICIA PARINEJAD<br />
......BRANDENBURG<br />
501
BRANDENBURG......<br />
Diese Seite: Die Rückansicht des Hauses<br />
überrascht mit der sachlichen Formensprache<br />
e<strong>in</strong>es David Chipperfield. Wie e<strong>in</strong> <strong>in</strong> bei<br />
de Richtungen offener Guckkasten steht es im<br />
Grün der Parklandschaft. Die Sche<strong>in</strong>treppe<br />
schuf Kat<strong>in</strong>ka Pilscheur, Sab<strong>in</strong>e Groß warf<br />
den KunstKnochen <strong>in</strong> den Garten..........<br />
Rechte Seite: Die lichtdurchfluteten Räume<br />
lassen die Wände wie leichte Kulissen ersche<strong>in</strong>en.<br />
Raff<strong>in</strong>iert auch der Wechsel der<br />
Ebenen: Vom tiefer gelegten Atrium wird der<br />
Blick elegant aufs Niveau des Essbereichs<br />
gehoben. Die räumliche Großzügigkeit macht<br />
den Aufgang aus zartgrauem Naturste<strong>in</strong> zur<br />
Freitreppe. Im Vordergrund e<strong>in</strong> Beispiel<br />
für angewandte Kunst: Das bunte Gemälde<br />
vom Flohmarkt dient als Coffeetable ......<br />
502
© VG BILDKUNST, BONN, 2009 (1)<br />
Während der jährlichen SOMMERAUSSTELLUNG<br />
werden Wohnraum und Garten zur Galerie<br />
503
Der Hausherr steht nicht<br />
nur auf KUNST – er<br />
stylt und möbliert mit ihr<br />
auch die Räume .....<br />
MICHAEL HECKEN<br />
Se<strong>in</strong> größtes Vergnügen ist die Kunst. Er<br />
sammelt sie und lebt mit ihr, und im Grunde<br />
kam ihm die radikale Neukonzeption des<br />
Biesenthaler Hauses nur gelegen: So ließ<br />
sich die Architektur der Kunst anpassen.<br />
Michael Hecken (rechts) lebte neun Jahre <strong>in</strong><br />
London, wo er gleich nach dem BWL<br />
Studium mit e<strong>in</strong>er Software für die Gastronomie<br />
als Unternehmer durchstartete. Das<br />
<strong>Brandenburg</strong>er Bauabenteuer brachte ihn<br />
wieder nach Deutschland zurück. Se<strong>in</strong>e<br />
Inbalance GmbH <strong>in</strong> Biesenthal wickelt die<br />
Personalabrechungen für <strong>in</strong>ternationale<br />
Konzerne ab. Zusätzlich und aus Überzeugung<br />
vertreibt er emissionsarme Heizungen.<br />
In dem Berl<strong>in</strong>er Galeristen und Kurator<br />
Stephan Koal (l<strong>in</strong>ks) fand der 34Jährige<br />
e<strong>in</strong>en kongenialen und kompetenten Partner<br />
für se<strong>in</strong>en jährlichen AusstellungsEvent,<br />
der Biesenthal von Juli bis September zum<br />
Open House für die Kunst macht. Die<br />
Räume s<strong>in</strong>d auch für andere Veranstaltungen<br />
zu mieten. Infos: www.biesenthal.org.......<br />
504
© VG BILDKUNST, BONN, 2009 (1)<br />
......BRANDENBURG<br />
Das Schlafzimmer im ersten Stock liegt h<strong>in</strong>ter der<br />
Orig<strong>in</strong>alfassade, wie an den Fensternischen zu erkennen<br />
ist. Die Oberlichter waren e<strong>in</strong>st auf Höhe des<br />
Dachbodens. Das Futonbett stammt noch aus Michael<br />
Heckens Londoner Studienzeit. Die Kunst dagegen<br />
ist neu und wurde eigens für das Biesenthaler Haus <strong>in</strong><br />
Auftrag gegeben: Rechts an der Wand hängt<br />
e<strong>in</strong>e Arbeit von Sab<strong>in</strong>e Groß, ihr Gegenüber stammt<br />
von Via Lewandowsky......................................<br />
505
BRANDENBURG......<br />
506
Diese Seite oben: Die Stühle, Abschlussarbeit e<strong>in</strong>es Designstudenten, entdeckte Hecken auf e<strong>in</strong>em londoner Flohmarkt. Die Fotoserie<br />
”Somatolyse” nahm Bett<strong>in</strong>a Khano hier im Park auf. Dort steht auch Raul Walchs Golfcaddie aus Saunaholz (rechts) ........<br />
Unten: Fabian Reimanns Alu-Skulpturen schlagen auf dem Gelände wie Blitze e<strong>in</strong> (Foto l<strong>in</strong>ks), und Carsten Kraemer brachte über<br />
die ganze l<strong>in</strong>ke Hausseite kunstvoll geordnet die Farben zum laufen ..........................................................................<br />
L<strong>in</strong>ke Seite: Das m<strong>in</strong>otti-Sofa steht fast schon im Grünen und passt sich geschmackvoll dem grauen Boden aus Pietra Serena an –<br />
der ideale Untergrund für das zum tisch umfunktionierte Bild. Durch bodentiefe Fenster fällt der Blick auf die alte mühle............<br />
507
508<br />
i WOHLFÜHL-TIPPS VON MICHAEL HECKEN<br />
1........ E<strong>in</strong>zigartigkeit. Nach e<strong>in</strong>em Aufenthalt im<br />
Kloster habe ich gelernt, auch <strong>in</strong> Bezug auf die<br />
Wohnsituation im Hier und Jetzt zu denken. Auf e<strong>in</strong>en<br />
moment h<strong>in</strong> zu planen, der vielleicht irgendwann<br />
kommt, macht meist ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n ...........................<br />
2........ Konzentration. E<strong>in</strong> Haus wird zum Heim,<br />
wenn es e<strong>in</strong> Rückzugsort ist, der entlastet. So e<strong>in</strong>fach<br />
es sich anhört: weniger ist mehr. Viel Stauraum lässt<br />
Alltagsgegenstände verschw<strong>in</strong>den und im Gegenzug<br />
bekommt man viel Fläche für optische Ruhe ...........<br />
3........ Aussicht. Die schlimmste Vorstellung für mich<br />
ist, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Käfig zu wohnen. Das m<strong>in</strong>imum zum<br />
Wohlfühlen s<strong>in</strong>d Ausblicke <strong>in</strong> zwei Richtungen – e<strong>in</strong><br />
uraltes Feng-Shui Pr<strong>in</strong>zip, das se<strong>in</strong>e Berechtigung<br />
hat, denn Energie muss fließen können .................<br />
VON VORNE GLEICHT ES e<strong>in</strong>em Herrenhaus des frühen 20.<br />
Jahrhunderts im Sch<strong>in</strong>kel-Stil. Von h<strong>in</strong>ten ist es e<strong>in</strong> cooler Kubus<br />
im Look des neuen Jahrtausends. Und dr<strong>in</strong>nen ersetzen<br />
zeitgeistige Kunstwerke das fast nicht vorhandene Mobiliar. Das<br />
ist ke<strong>in</strong> Rätsel, sondern Michael Heckens bislang aufregendstes<br />
Wohnabenteuer. Doch immer schön der Reihe nach.<br />
Auf e<strong>in</strong>er Fahrt durchs verregnete <strong>Brandenburg</strong> entdeckte der<br />
Unternehmer das stattliche Haus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Naturschutzgebiet<br />
bei Biesenthal, e<strong>in</strong>em Ausflugsziel für Insider, 40 M<strong>in</strong>uten östlich<br />
von Berl<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e alte Mühle war auch dabei. Und e<strong>in</strong> 70<br />
Hektar großer Park. Hecken, nach neun Jahren London metropolenmüde,<br />
kaufte, ohne zu zögern. Er suchte ohneh<strong>in</strong> schon<br />
seit längerem nach e<strong>in</strong>em größeren Objekt, um se<strong>in</strong>e wachsende<br />
Kunstsammlung unterzubr<strong>in</strong>gen. Und London war e<strong>in</strong>fach un-<br />
”Nachgebauten Disney-Kitsch<br />
wie das Berl<strong>in</strong>er STADTSchLOSS<br />
wollte ich auf gar ke<strong>in</strong>en Fall“<br />
bezahlbar. Dafür stellte sich se<strong>in</strong> Biesenthaler Traum als im<br />
wahrsten S<strong>in</strong>ne hohl heraus: Das Herrenhaus war <strong>in</strong>nen völlig<br />
ausgebrannt und jenseits aller Sanierbarkeit. E<strong>in</strong>e Ru<strong>in</strong>e. Das<br />
zwang den f<strong>in</strong>digen Unternehmer zu e<strong>in</strong>em Akt kreativer Notwehr,<br />
wie er sagt: ”Restaurieren konnte man das Gebäude ohneh<strong>in</strong><br />
nicht mehr. Und nachgebauten Disney-Kitsch wie das Berl<strong>in</strong>er<br />
Stadtschloss wollte ich auf ke<strong>in</strong>en Fall.” Er ließ das Gebäude<br />
bis auf die Fassade und die Seitenwände abtragen und beauftragte<br />
das junge Berl<strong>in</strong>er Architekturbüro Zanderroth, das Ganze mit<br />
e<strong>in</strong>em Neubau zu komplettieren. 700 Tonnen Schutt wurden<br />
entsorgt, um auf zwei Etagen 320 qm Wohnfläche frei zu schaufeln.<br />
Im Erdgeschoss öffnen sich jetzt 160 qm offener Wohnraum,<br />
der den urbanen Charme e<strong>in</strong>es New Yorker Lofts entfaltet.<br />
Wären da nicht die Panoramafenster, die ke<strong>in</strong>en Zweifel daran<br />
lassen, dass man sich <strong>in</strong>mitten e<strong>in</strong>er ländlichen Idylle bef<strong>in</strong>det.<br />
Für Michael Hecken das ultimative Wohngefühl: ”Ich habe ke<strong>in</strong>en<br />
Fernseher, ich höre ke<strong>in</strong>e Musik. Wenn ich zu Hause b<strong>in</strong>,<br />
lese ich und schaue <strong>in</strong> die Natur.” Die Fassade aber wollte er als<br />
Geschichtsdenkmal um jeden Preis erhalten – <strong>in</strong> all ihrer Abgenutztheit:<br />
”Kaiserzeit, Drittes Reich, DDR und Wende haben<br />
sich hier so richtig <strong>in</strong> den Ste<strong>in</strong> gefressen.”<br />
Die Idee, se<strong>in</strong> Gesamtkunstwerk auch fürs Publikum zu öffnen,<br />
ergab sich eher zufällig. Kat<strong>in</strong>ka Pilscheur, e<strong>in</strong>e befreundete<br />
Künstler<strong>in</strong>, machte ihn auf das Potential der Location aufmerksam:<br />
e<strong>in</strong> Haus wie e<strong>in</strong>e Galerie, mit der Möglichkeit, auch den<br />
Park mit e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den. Dazu noch die reizvolle Lage: Avantgarde-Kunst<br />
nach Gutsherrenart. So fand vor drei Jahren erstmals<br />
die ”Art Biesenthal” statt – als sommerliches Kunstpicknick, zu<br />
dem Michael Heckens Privatsammlung für drei Monate e<strong>in</strong>er<br />
Ausstellung neuer Kunst weicht. Seit e<strong>in</strong>em Jahr unterstützt ihn<br />
der Galerist und professionelle Kurator Stephan Koal bei Konzeption<br />
und Auswahl. Kriterium ist e<strong>in</strong> Bezug zur Architektur<br />
des Hauses und se<strong>in</strong>er Umgebung. Wie e<strong>in</strong> Lauffeuer hat es sich<br />
<strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Kunstszene herumgesprochen. Und so werden<br />
dieses Mal vom 5. Juli bis Ende September Freunde und Fremde<br />
durchs Haus schlendern und zu Würstchen mit Kraut die Kunst<br />
genießen, die zum Teil eigens für Biesenthal geschaffen wird.<br />
”Hier wird geheiratet, gefeiert, diskutiert, musiziert, erfunden,<br />
entwickelt”, sagt der Gastgeber stolz über die gelungene Transformation<br />
se<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigartigen Ru<strong>in</strong>e. ANDREAS TÖLKE.........................
......BRANDENBURG<br />
Großes Foto: Die zeitgenössische Kunst im<br />
Hause Hecken macht vor ke<strong>in</strong>em Wohnbereich<br />
Halt, auch nicht vor der Küche, die<br />
vom großen Wohnraum nur durch e<strong>in</strong>e<br />
halbe Wand getrennt ist. Die Stadtimpression<br />
fotografierte Noshe, e<strong>in</strong> Shoot<strong>in</strong>gStar der<br />
Szene. Das Spielzeugauto aus den 50ern ist<br />
e<strong>in</strong> Trödelfund. Auf dem Küchenblock von<br />
ewe hat D. Murigneux’ HammerundSichel<br />
Rem<strong>in</strong>iszenz schon kunstvoll Rost ange<br />
setzt. Die Küchenbänke s<strong>in</strong>d von Metrofarm.<br />
Kle<strong>in</strong>es Foto: Nur die paar Stufen vom alten<br />
Hause<strong>in</strong>gang hoch – schon bef<strong>in</strong>det man<br />
sich auf dem Niveau der Jetztzeit. Den<br />
Garderobenständer entwarf Designer<strong>in</strong> Ayla<br />
Yilmaz für den Hausherrn ....................<br />
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