09.10.2013 Aufrufe

Lernen lassen statt programmieren - Bachofen AG

Lernen lassen statt programmieren - Bachofen AG

Lernen lassen statt programmieren - Bachofen AG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Elektrotechnik_Robotik<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>lassen</strong> <strong>statt</strong><br />

<strong>programmieren</strong><br />

Herkömmliche Industrieroboter sind komplex und<br />

teuer. Einfache und weniger kostenintensive Roboter,<br />

die sich flexibel in die Fertigungsprozesse<br />

einbauen <strong>lassen</strong>, waren bisher auf dem Markt kaum<br />

erhältlich. Dies ändert sich nun mit dem Einsatz<br />

künstlicher Intelligenz zusehends.<br />

Industrieroboter haben in den<br />

letzten Jahrzehnten die Produktionswelt<br />

revolutioniert. In<br />

der Automobilindustrie sind sie<br />

nicht mehr wegzudenken und<br />

stehen Tag und Nacht im Einsatz.<br />

Solche herkömmlichen Roboter<br />

haben allerdings verschiedene<br />

Nachteile: Sie sind meist für<br />

hohe Losgrössen ausgelegt, arbeiten<br />

sehr schnell und müssen<br />

deshalb auf speziellen Sockeln fixiert<br />

und durch Schutzzäune abgetrennt<br />

werden. Dies macht sie<br />

vergleichsweise teuer und relativ<br />

unflexibel. Wo es darum geht,<br />

kleinere Losgrössen herzustellen,<br />

und wo Menschen mit Robotern<br />

interagieren müssen, fehlten bislang<br />

überzeugende und finanziell<br />

tragbare Lösungen.<br />

Flexible Integration<br />

Dies ändert sich nun dank neuer<br />

Technologien, die auf Ansätzen<br />

der künstlichen Intelligenz<br />

basieren. Sie machen Roboter<br />

und Roboterarme möglich, die<br />

SWISS ENGINEERING STZ JUNI 007<br />

mobil sind und sich flexibel in<br />

Produktionsprozesse integrieren<br />

<strong>lassen</strong>. Da sie mit sehr niedrigen<br />

Spannungen, mit limitierten<br />

Geschwindigkeiten und Kräften<br />

operieren, können sie ohne aufwendige<br />

Schutzvorrichtungen<br />

direkt im Umfeld von Menschen<br />

eingesetzt werden. Beispiele sind<br />

Qualitätsprüfungs-Labors und<br />

Arbeitsplätze, bei denen einzelne<br />

monotone Arbeitsgänge automatisiert<br />

werden.<br />

Welche Anforderungen müssen<br />

solche Robotik-Lösungen erfüllen,<br />

damit sie sich durchsetzen<br />

werden? Im Vordergrund stehen<br />

Flexibilität, eine einfache Montage<br />

und eine problemlose Bedienung.<br />

Ein Greifarm muss sich<br />

ohne grossen Aufwand für unterschiedliche<br />

Funktionen und<br />

Aufgaben umrüsten und um<strong>programmieren</strong><br />

<strong>lassen</strong>. Damit<br />

er flexibel einsetzbar ist, sollte<br />

er lernfähig sein und über eine<br />

hoch entwickelte Sensorik verfügen.<br />

Standardisierte Schnittstel-<br />

Neuronics<br />

len und der Einsatz öffentlich<br />

zugänglicher Programmkomponenten<br />

müssen dafür sorgen,<br />

dass sich ein intelligenter Roboter<br />

mit zusätzlichen Prozesskomponenten<br />

verbinden und in<br />

Arbeitsabläufe integrieren lässt.<br />

Wichtig ist zudem die Sicherheit<br />

für Mitarbeitende, die mit dem<br />

Roboter interagieren. Sind alle<br />

diese Voraussetzungen erfüllt,<br />

lässt sich die Lösung problemlos<br />

auch für kleine und oft wechselnde<br />

Losgrössen einsetzen und<br />

somit rasch amortisieren.<br />

Einer der ersten marktreifen<br />

intelligenten Roboter dieser Art<br />

ist der Greifarm «Katana» der<br />

Zürcher Firma Neuronics. Electrosuisse<br />

hat das Produkt einer<br />

umfassenden Risikoprüfung unterzogen.<br />

Katana darf ohne jegliche<br />

Schutzeinrichtungen eingesetzt<br />

werden. Das Produkt steht<br />

bereits bei vielen KMU und<br />

Grossfirmen im Einsatz. Katana<br />

arbeitet ähnlich wie ein Mensch<br />

und verfügt unter anderem über<br />

eine voll integrierte Leistungs-<br />

und Steuerelektronik.<br />

Künstliche Intelligenz<br />

Roboter müssen ihre Umgebung<br />

wahrnehmen, Gegenstände unterscheiden<br />

und sich im Raum<br />

bewegen können. War früher<br />

das Ziel der künstlichen Intelligenz<br />

der allwissende Computer,<br />

so geht es heute in diesem<br />

Forschungszweig darum, dem<br />

Roboter alltägliche Fähigkeiten<br />

beizubringen. Die «alte» künstliche<br />

Intelligenz versuchte allein,<br />

das Denken in Regeln zu simulieren,<br />

und brachte es beispielsweise<br />

zu Schachcomputern, die<br />

dem Menschen ebenbürtig sind.<br />

Die neuen Entwicklungen zielen<br />

nun darauf, Roboter zu entwickeln,<br />

die mit Menschen in einer<br />

gemeinsamen Umgebung zusammenarbeiten<br />

können.<br />

Der Katana-Roboterarm vereinigt<br />

verschiedene Algorithmen<br />

und Konzepte aus diesen neuen<br />

Ansätzen der künstlichen In-<br />

Die kleinen Roboter können<br />

direkt im Umfeld von Menschen<br />

eingesetzt werden. Sie arbeiten<br />

mit sehr niedrigen Spannungen,<br />

limitierten Geschwindigkeiten und<br />

geringen Kräften.<br />

telligenz. Neuronale Netzwerke<br />

erlauben dem Roboter, Muster<br />

selbst zu erkennen. Die Daten<br />

für die Muster aus seiner Umgebung<br />

bezieht Katana von seinen<br />

Sensoren. Die Signale der Kraft-,<br />

Infrarot- und Positionssensoren<br />

werden dem neuronalen Netzwerk<br />

zugeführt, welches daraus<br />

unterschiedliche Objekte kategorisiert<br />

und erkennt. Katana<br />

programmiert sich auf diese<br />

Weise selbst.<br />

Der Anwender muss nicht mehr<br />

ein Programm eingeben, das der<br />

Roboter dann Schritt für Schritt<br />

ausführt, bei Fehlern mühsam<br />

die Programmschritte durchgehen<br />

und vor dem nächsten Testlauf<br />

um<strong>programmieren</strong>. Bei Robotern<br />

wie Katana erfolgt das<br />

<strong>Lernen</strong> im direkten Dialog mit<br />

dem Anwender. Ob das Objekt<br />

richtig oder falsch erkannt wurde,<br />

kann der Benutzer entweder<br />

per Mausklick oder durch<br />

seine Stimme kundtun. Katana<br />

kann nicht nur Sprache verstehen,<br />

sondern ist auch fähig, selber<br />

zu sprechen, wenn dies gewünscht<br />

wird.<br />

Optimierung der Präzision<br />

Die Präzision eines Roboters<br />

zeigt sich bei der Ausführung<br />

seiner Arbeit. Der Paradigmenwechsel<br />

in der Robotertechnik<br />

wird hier besonders augenfällig.<br />

Früher glaubte man, der Roboter<br />

müsste sein Programm exakt<br />

ausführen, um die höchstmögliche<br />

Präzision zu erreichen.<br />

Eine steife und schwerfällige<br />

Technik der Greifarme sollte garantieren,<br />

dass das Programm<br />

möglichst genau befolgt wird.<br />

Hier haben die Fachleute von<br />

der Natur gelernt. Präzision ergibt<br />

sich neu durch das Zusammenspiel<br />

von Greifarmbewegungen,<br />

Wahrnehmung der<br />

Umgebung und Selbstkontrolle<br />

des Roboters. Diese sind intelligenter<br />

und die Greifarme leichter<br />

geworden.<br />

Zunächst wird Katana eine<br />

neue Arbeitsumgebung gezeigt,<br />

indem die Positionen der Eckpunkte<br />

des Rasters eingelesen<br />

werden. Der Greifarm kann<br />

dazu von Hand an die entsprechenden<br />

Stellen bewegt werden.<br />

Die einzelnen Punkte werden<br />

danach automatisch berechnet.


Bei der Herstellung von Implantaten für Blutgefässe oder Luftröhren<br />

(Stents) werden Arbeitsschritte mit dem Roboter Katana automatisiert.<br />

Selbstkontrolle der Roboter<br />

Nun stimmen aber nicht alle<br />

Punkte genau, weil sich verschiedene<br />

Fehlerquellen aufsummieren<br />

können, mit denen<br />

die «alte» Robotertechnik nur<br />

schwer umgehen konnte: Die<br />

Schwerkraft bewirkt eine leichte<br />

Abweichung von der vermeintlichen<br />

Position im Koordinatensystem.<br />

Die Antwort<br />

hiess früher: möglichst steife<br />

Greifarme und starke Motoren.<br />

Auch das Raster selbst kann<br />

kleine Abweichungen aufweisen.<br />

Die Programmierung stiess<br />

hier an ihre Grenzen. Eine weitere<br />

Fehlerquelle: Der Greifarm<br />

ist nicht genau vertikal zur<br />

Unterlage montiert. Die Roboterarme<br />

mussten deshalb auf<br />

schwere Sockel montiert werden.<br />

Schliesslich kann die Parametrisierung<br />

des Roboterarmes<br />

nicht genau genug sein. Solche<br />

Fehler waren früher durch Neuprogrammierung<br />

zu beheben<br />

– insgesamt viel Aufwand, um<br />

möglichst starre, vorprogrammierte<br />

Bewegungen exakt ausführen<br />

zu können.<br />

Die neueste Robotergeneration<br />

arbeitet mit der Selbstkontrolle.<br />

Der Roboter führt nicht einfach<br />

ein vorgegebenes Programm<br />

möglichst starr aus, sondern<br />

er ist fähig, sich zu korrigieren:<br />

Durch das künstliche neuronale<br />

Netzwerk erkennt Katana<br />

den Fehler selbst. Er vergleicht<br />

die gemessene Position mit<br />

der gewünschten und kann so<br />

Abweichungen automatisch bestimmen.<br />

Im Trainingsverfahren<br />

Neuronics<br />

kann Katana gelehrt werden, wie<br />

gross die Abweichung maximal<br />

sein darf, damit die Anforderungen<br />

an die Prozesssicherheit<br />

und an die Präzision der Arbeitsschritte<br />

erfüllt sind.<br />

Intelligenz dank Sensorik<br />

Die neuen Roboter haben sehen<br />

gelernt, während sich die<br />

alte Generation sozusagen wie<br />

ein blinder Elefant im Porzellanladen<br />

bewegte. Die neue Intelligenz<br />

ist schlauer – nicht weil<br />

sie noch exakter denkt, sondern<br />

weil sie auch sieht. In der Praxis<br />

meldet ein Sensor, wenn der<br />

Greifarm danebengreift. Der<br />

Roboter hat seine Sinne beisammen<br />

und sieht dank einer kleinen<br />

Kamera die Abweichung. Er<br />

kennt und sieht den Ort, wo er<br />

zugreifen soll. Im Training mit<br />

dem Roboter wird erreicht, dass<br />

der Roboter an die gewünschte<br />

Stelle fährt, obwohl sie nicht der<br />

Zielkoordinate entspricht, die<br />

ihm das theoretisch perfekte Koordinatensystem<br />

vorgibt. Katana<br />

bewegt sich im realen Raum<br />

und glaubt nicht einfach bloss<br />

am richtigen Ort zu sein. Denn<br />

dank der Sensoren kann er seine<br />

Bewegungen überprüfen und im<br />

Training korrigieren. Mittels der<br />

Sensoren nimmt er zudem wahr,<br />

in welcher Umgebung er sich<br />

befindet. So kann er sich an verschiedene<br />

Arbeitsumgebungen<br />

erinnern: Sobald der Roboter in<br />

den Bereich eines optimierten<br />

Rasterbereiches fährt, wird das<br />

entsprechende neuronale Netzwerk<br />

aktiviert.<br />

Die Lernfähigkeit mittels Sensorik<br />

erlaubt dem Roboter auch,<br />

die von Hand gezeigten Wege zu<br />

optimieren. Ein entsprechendes<br />

Programm filtert alle Zitterstörungen<br />

heraus und ge<strong>statt</strong>et,<br />

den Weg vor- und rückwärts in<br />

verschiedenen Geschwindigkeiten<br />

abzufahren.<br />

Breites Anwendungsgebiet<br />

Spezialisten sehen für intelligente<br />

Roboter wie Katana zurzeit<br />

ein breites Anwendungsgebiet:<br />

industrielle Pick-and-Place-,<br />

Montage- und Prüfaufgaben,<br />

sowie Servicerobotik, Forschung<br />

und Didaktik. Typische<br />

Pick-and-Place-Anwendungen<br />

finden sich etwa im Umfeld<br />

von Schweiss-, Stanz-, Dreh-,<br />

Biege-, Etikettier-, Schleif- und<br />

Spritzgussanlagen, in denen der<br />

Roboter das bisher oft noch von<br />

Hand ausgeführte Einlegen und<br />

Entnehmen von Teilen übernimmt.<br />

Katana wird beispielsweise<br />

bei der Laserbeschriftung<br />

von Abdeckgehäusen verwendet.<br />

Da das Schriftbild verändert<br />

werden musste, wäre die Arbeit<br />

von Hand nicht mehr rationell<br />

auszuführen gewesen. Der intelligente<br />

Greifarm wurde in das<br />

bestehende Laserbeschriftungssystem<br />

integriert und bietet<br />

nun eine Lösung, die mit relativ<br />

geringem Aufwand realisiert<br />

werden konnte.<br />

Für Prüfaufgaben eignen sich<br />

Roboter bestens, weil es sich um<br />

monotone Arbeiten handelt, die<br />

Menschen nur über kurze Zeit<br />

voll konzentriert ausführen können.<br />

Intelligente Roboter können<br />

sowohl Voll- als auch Auswahlprüfungen<br />

vornehmen und<br />

zwischen guten und schlechten<br />

Proben fehlerfrei unterscheiden.<br />

In der Servicerobotik sind<br />

mobile Roboteranwendungen<br />

ebenfalls stark im Kommen, sei<br />

dies in der Logistik bei Dienstleistungen<br />

oder für den Einsatz<br />

in medizinischen Einrichtungen.<br />

Grosses Potenzial<br />

Die Katana-Technologie ermöglichte<br />

unter anderem, eine vollautomatische<br />

Prüfstation für Sicherheitsventile<br />

einzurichten,<br />

bei der diese geprüft und auf einen<br />

Nenndruck eingestellt werden<br />

müssen. Vier verschiedene<br />

Robotik_Elektrotechnik<br />

Ventiltypen durchlaufen die Station<br />

in Losgrössen von wenigen<br />

100 bis einigen 1000 Stück.<br />

Auch hier konnte der bestehende,<br />

bewährte Abgleichautomat<br />

mit dem flexiblen Katana ideal<br />

kombiniert werden. Der Produktionsprozess<br />

konnte an die<br />

höheren Stückzahlen dank positiver<br />

Absatzentwicklung angepasst<br />

und erfolgreich von einer<br />

Teilautomatisierung zu einer<br />

Vollautomatisierung umgestellt<br />

werden.<br />

Zusätzliche Einsatzgebiete für<br />

intelligente Roboter sind Forschung<br />

und Entwicklung, Schulungen<br />

sowie der IT-Bereich, in<br />

dem monotone Arbeiten, etwa<br />

das Auswechseln von Sicherungsdisketten,<br />

automatisiert werden.<br />

Damit ist das Potenzial aber noch<br />

lange nicht ausgeschöpft. Technologische<br />

Fortschritte werden<br />

weitere neue Anwendungsgebiete<br />

erschliessen.<br />

Christoph Staub, Leiter Marketing<br />

& Verkauf Neuronics <strong>AG</strong><br />

Ein neuronales Netzwerk erlaubt<br />

dem Roboter, seine Positionen und<br />

Fahrwege selber zu überprüfen.<br />

SWISS ENGINEERING STZ JUNI 007<br />

Neuronics

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!