PDF anzeigen - Beirat für Geschichte

29 Puhle, 159.
30 Vgl.Koppmann, Hansische Geschichtsblätter,16;
Lüthi, 1 6ff; Puhle,159ff; Zimmerling,
325f.
34 Petra Bauersfeld Die gesellschaftliche Bedeutung der Vitalienbrüder ]
idealenWelt sindallgemeine Gründe, warum Sagenerdacht underzählt
werden.Dazukommt eine Faszination durch dasAußergewöhnliche
undFremdartige.Bei der historischenSage wieder Störtebekersage
sindes die vergangene Zeitund ungewöhnlicheMenschen,die faszinieren,
und mit der Sage wirdversucht,dasVergangenein einem anschaulichenundlebendigen
Bildfestzuhalten. Dazu werdenEreignisse veranschaulicht
und das Schicksal oder die Taten vielerMenschenaufeine
einzelne,überlebensgroße Person übertragen. Dadurch wirddiese Personzueinem
Mythos.
Die Sage gibt keine historischbegründete Wahrheit und keinobjektives
Bild historischer Persönlichkeiten wieder, sondern siebietet vielmehr
vereinfachte Erklärungenunddarstellungenfür historische Ereignisse.
Wichtig ist bei der Sagealso, wie EreignisseundPersonen gesehen,überliefert
und mythisiert werden - denn in Sagenliegen die Wünsche
und Sehnsüchte vonMenschen undihrer Zeit verborgen.Undnicht
zu vergessenist,daß SageneinGefühl vonHeimat undVerbundenheit
zu einer Regionschaffen und das Landschaftsbildin eine „Sagenlandschaft"
verwandeln. 30
Auch in der Störtebekersagewerdenhistorische Geschehnisse veranschaulicht
- Störtebekerpersonifiziert hierbei die Seeräuber, die als
Vitalienbrüder die Ost- undNordseeunsicher machen. Diese Scharen
werdeninden Riesenkräften Störtebekers,seiner annähernden Unbesiegbarkeit
undseinen immensen Goldschätzen verbildlicht. Störtebeker
wirddamit zuetwasAußergewöhnlichem undzu einemMythos.An
die Stelle desursprünglichen Schrecken undBedrohlichkeit desNamens
„Störtebeker"tritt einanderes Bild: Störtebekerwirdzum Helden,
zu einem Symbol für Tapferkeit,Unerschrockenheit,Edelmut,ja sogar
für Mildtätigkeitund Gerechtigkeit.
Darüber hinausist Norddeutschland wirklich zu einem„Störtebekerland"
geworden.Nichtnur,daß einzelne Sagenüber Störtebeker,wie
z.B. dieüber seinen Geburtsortundseine Schlupfwinkel,an diejeweilige
Region „angepaßt" werden - solcheOrte werden dann auch nach
Störtebeker,bzw.nach den Seeräubernbenannt. So gibt es eine „Störtebekerhöhle"aufRügen,
Hiddensee undUsedom, das„Störtebekertief '
vor Marienhafe,„Störtebekersalten Hafen" beiRibnitz,die „Störtebekerkammer"
imTurm von Marienhafe,„StörtebekersTurm"auf Wangeroogund
vieleähnlich benannte Hügel, Strande, TeicheundGebäude,
oder besser,Überreste davon.
Warum aber ist es immer KlausStörtebeker,derin allen Sagenum
die Vitalienbrüder imMittelpunkt steht? Wo er doch zu Lebzeitennur
einer von vielen war, GödeckeMichelsin denQuellen viel häufiger erwähnt
wurdeund Sven Stureauf Gotlandeine viel wichtigereRolle
spielte.
Vielleicht liegt esan demNamen „Störtebeker"der soeigentümlich
und einprägsam ist,daß erim Gedächtnis vieler erhalten bleibt.Auch
ranken sicheinige Sagenum denNamen selbst,dereigentlich „Stürz
den Becher!"bedeutet.So sollKlaus Störtebekeraußerordentlich trinkfest
gewesenseinunddie Aufnahmeprüfung aufGödeckeMichels
Schiff einen riesigen Becherin einem Zugeauszutrinken,mit Leichtigkeitbewältigt
haben.Vielleicht war es aber auch StörtebekersHinrieh-