Programmheft "Die Blutnacht auf dem Schreckenstein" - Dachau
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PAPIERFABRIK DACHAU<br />
1862 gründete sich die „München-<strong>Dachau</strong>er-Aktiengesellschaft<br />
für Maschinenpapierfabrikation“. 1871 wird die Papierfabrik<br />
Steinmühle gebaut, die unter Louis Weinmann („Vater der<br />
Arbeiter“) sukzessive erweitert wird und 1905 einen Industrie-<br />
gleisanschluss erhält. Zuletzt im Besitz des finnischen<br />
Familienunternehmens Myllykoski endet die gewerbliche Nutzung<br />
des ca. 17ha großen Geländes der MD-Papierfabrik im Juni<br />
2007. Für die Eigentümerfamilie verwaltet heute die <strong>Dachau</strong><br />
Entwicklungsgesellschaft mbH das Papierfabrik-Gelände.<br />
DIE BLUTNACHT AUF DEM SCHRECKENSTEIN<br />
Wer heute von der Aufführung der „<strong>Blutnacht</strong> <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Schrekkenstein“<br />
im Juni 1943 <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> „Kleinen Appellplatz“ des KZ<br />
<strong>Dachau</strong> liest, fragt sich unweigerlich, wie die Häftlinge die<br />
verdeckte Hitler-Persiflage verstehen konnten, während sie<br />
den anwesenden SS-Leuten verschlossen blieb. Dass die SS-Leute<br />
vielleicht nicht besonders schlau waren, mag sein; auch<br />
dass nicht sein konnte, was nicht sein durfte, zumal der<br />
SS-Schulungsleiter den Text und der Lagerkommandant die<br />
Aufführungen genehmigt hatten. Doch hatten Rudolf Kalmar und<br />
die Schauspieler den Theatertext auch geschickt codiert, so<br />
dass nicht eindeutig klar sein konnte, dass sich hinter der<br />
Ritterposse eine Persiflage und hinter <strong>dem</strong> Ritter Adolar kaum<br />
ein anderer als Adolf Hitler verbarg.<br />
„<strong>Die</strong> <strong>Blutnacht</strong> <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Schreckenstein“ lehnt sich in Form und<br />
Handlung an die Pradler Ritterspiele an, ein österreichisches<br />
Traditionstheater aus Tirol, das bekannt für grotesk-grausame<br />
Köpfungen und Tötungen aller Art im Stile des französischen<br />
Grand Guignol war. Schon die „<strong>Blutnacht</strong>“ im Titel ist eine<br />
Anspielung, nämlich <strong>auf</strong> die „<strong>Blutnacht</strong> von Wöhrden“, eine von<br />
den Nazis propagandistisch ausgeschlachtete Auseinandersetzung<br />
zwischen Kommunisten und SA in einem dithmarschen Dorf<br />
im Jahr 1929. <strong>Die</strong> böhmische Burg Schreckenstein war Inspirations-<br />
quelle für Richard Wagners „Tannhäuser“, der „Schreckenstein“<br />
kann aber auch als Synonym für das KZ <strong>Dachau</strong> gelesen werden.<br />
Leopold, Adolars Knappe und Hausmeister <strong>auf</strong> Schreckenstein,<br />
verkörpert – nach <strong>dem</strong> Häftlingsmotto „Nicht <strong>auf</strong>fallen!“ – den<br />
sich durch alles Unbill lavierenden Funktionshäftling. Einige<br />
der Mitwirkenden von 1943 waren als Funktionshäftlinge (Capo,<br />
Block- oder Stubenältester) im KZ <strong>Dachau</strong> eingesetzt und<br />
wussten um die Schwierigkeit, ihre Funktion so auszufüllen,<br />
dass sie gegenüber den Mithäftlingen „sauber bleiben“ konnten.<br />
Gustav Eberle etwa, der bei der Aufführung von 1943 Leopold<br />
darstellte, war Capo der Lagerfeuerwehr. <strong>Die</strong> Figur Leopold<br />
beschreibt sich ebenfalls als „von der Feuerwehr“ und muss<br />
ständig seinem Herrn Adolar und dessen Frauengeschichten<br />
hinterher „löschen“. Das ganze Stück hindurch spielen Leopolds<br />
Repliken immer wieder <strong>auf</strong> den Lageralltag der <strong>Dachau</strong>-Häftlinge<br />
an. „<strong>Die</strong> Männer im Zuschauerraum wurden immer ganz still,<br />
wenn der Gustl ihnen mit aller Bitterkeit das eigene Schicksal<br />
vorspielte. Er war so komisch dabei, dass ihm jedes Mal die<br />
Tränen in den Augen standen. Manchmal weinten ein paar, als<br />
sie gerade <strong>auf</strong>lachen wollten. Das Lager und sein Theater hatten<br />
ihre eigene Resonanz“ (Rudolf Kalmar).<br />
Ritter Adolar – dies liegt <strong>auf</strong> der Hand – verweist unmissverständlich<br />
<strong>auf</strong> Adolf Hitler. Den Namen Adolar könnte Rudolf<br />
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