Februar - Der Fels
Februar - Der Fels
Februar - Der Fels
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Wanderer zwischen den Welten:<br />
Matussek verbindet Witz im Auftritt<br />
und Ernsthaftigkeit in der Sache<br />
Was soll da unklar sein? Die Karten<br />
liegen doch auf dem Tisch. Finanzkollaps,<br />
Klimakatastrophe, Terror,<br />
Konflikt der Atommächte Indien<br />
und Pakistan – was davon versteht<br />
di Lorenzo noch nicht?<br />
Kommen wir zu einem Ereignis,<br />
das erst im Januar 2009 rechtskräftig<br />
geworden ist: Die Wahl<br />
des amerikanischen Präsidenten.<br />
Sie haben sich intensiv mit den<br />
Kandidaten auseinander gesetzt.<br />
Was haben wir von Obama zu erwarten?<br />
Irgendeiner sagte ganz richtig:<br />
die Welt hat sich schon dadurch verändert,<br />
dass er gewählt wurde – nun<br />
muss er zeigen, ob er dem Job gewachsen<br />
ist. Er hat eine ganze Menge<br />
auf dem Teller liegen, siehe oben.<br />
Die Kabinettsumbildung sieht gut<br />
aus: lauter solide, erfahrene Gesichter.<br />
So groß wird der Unterschied<br />
zum Vorgänger übrigens nicht sein<br />
– auch Obama ist dazu gewählt worden,<br />
amerikanische Interessen zu<br />
vertreten und durchzusetzen.<br />
Was ist uns durch die Nicht-Wahl<br />
von John McCain erspart geblieben,<br />
was haben wir verpasst?<br />
Lediglich den psychologischen<br />
Schock, dass es nicht zum beschworenen<br />
„Neuanfang“ gekommen sei.<br />
Und ein Kurssturz des Dow Jones<br />
um 1000 Punkte.<br />
Russland hat auch einen neuen<br />
Staatschef, Medwedew. <strong>Der</strong> will<br />
Russland zu neuer Stärke führen.<br />
Sie sind ein Kind des Kalten Kriegs,<br />
ich ein Kind der Wende. Wessen<br />
Weltbild ist in 2009 brauchbarer?<br />
Das ist eine verdammt gute Frage.<br />
Im Rückblick war der kalte Krieg eine<br />
Weltordnung der Stabilität. Überschaubare<br />
zwei Blöcke hielten sich gegenseitig<br />
in Schach. Eine multipolare<br />
Welt voller atomar aufgerüsteter Nationen,<br />
die sich schnell gekränkt fühlen,<br />
ist wesentlich ungemütlicher. Damit zu<br />
leben haben wir beide nicht gelernt. Ich<br />
dachte, Westberlin bleibt auf ewig eine<br />
Insel, Sie dachten, Sie seien am Ende<br />
der Geschichte angelangt und alle gehen<br />
gemeinsam Eis essen. Wir müssen<br />
beide neu ansetzen.<br />
Wenn wir schon über Russland<br />
und USA gesprochen haben, kommen<br />
wir auch zu China und Indien.<br />
Sie waren kürzlich dort. Was<br />
werden uns die neuen Supermächte<br />
bringen?<br />
Indiens behauptete Supermacht<br />
Rolle halte ich für kompletten<br />
Nonsense. Das Land hat InfrastrukturProbleme<br />
aus der Hölle,<br />
Analphabetismus, hohe Säuglingssterblichkeit,<br />
religiösen Terror, die<br />
paar InternetKlitschen in Bangalore<br />
ändern daran wenig. In Mumbai sind<br />
85 % der Behausungen baufällig.<br />
Bangalore erstickt in Abgasen. Delhi<br />
allerdings hat jetzt eine UBahn. Das<br />
ist aber nicht genug, um aus einer<br />
zerrissenen Regionalmacht eine Superpower<br />
zu machen.<br />
In China sieht es sicher anders<br />
aus. Hier ist der Aufbau aggressiver<br />
und disziplinierter angegangen<br />
worden. Aber auch hier stinken die<br />
Umweltprobleme buchstäblich zum<br />
Himmel, auch hier ist der Lack ab,<br />
und wenn Amerika keine billigen<br />
PlasmaMonitore mehr kauft, weil<br />
es nicht kann, machen auch hier die<br />
Betriebe zu. Das ist einer der Effekte<br />
der Globalisierung: die Hochkonjunkturen<br />
schwappen genauso um<br />
den Globus wie die Verarmungswellen<br />
und die Katastrophen, und da gibt<br />
es buchstäblich kein Entrinnen mehr,<br />
wie noch zu Zeiten von Reagan und<br />
Breschnew.<br />
Jürgen Rüttgers sagt „Alles hängt<br />
mit allem zusammen“. Er hat damit<br />
bereits im Vorfeld die wohl<br />
treffendste Analyse der Finanzkrise<br />
geliefert. Ist der Kapitalismus<br />
am Ende? Werden Sie mit<br />
den Glaubenssätzen Ihrer bewegten<br />
68er-Jugend am Ende Recht<br />
haben?<br />
Immerhin haben wir damals erkannt,<br />
dass Reichtum allein nicht<br />
abendfüllend ist. Sicher haben wir<br />
das aus einer bequemen Wohlstandsverdrossenheit<br />
heraus gesagt, stimmen<br />
tut es trotzdem. Vergessen Sie<br />
DER FELS 2/2009 47