Rede Martin Dahinden - Deza
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Meine Damen und Herren,<br />
Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA<br />
Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA<br />
<strong>Rede</strong> <strong>Martin</strong> <strong>Dahinden</strong><br />
„Armut bekämpfen und Umwelt bewahren“<br />
Jahreskonferenz der Entwicklungszusammenarbeit 2009<br />
Zürich, 21. August<br />
Die Entwicklungszusammenarbeit hat eine Hauptaufgabe: die Armut zu bekämpfen. Sie<br />
leistet einen Beitrag dazu, dass es den Menschen in den armen und ärmsten Ländern<br />
besser geht, dass ihr Lebensumfeld ein Stück sicherer wird und sie aus der Globalisierung<br />
Nutzen ziehen können. Die Entwicklungszusammenarbeit und das Mandat der DEZA im<br />
Besonderen basieren auf dem Solidaritätsgedanken.<br />
Wir wollen lokal handeln, abgestimmt auf die jeweiligen Bedingungen vor Ort und die<br />
spezifischen Bedürfnisse der Menschen. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich aber die<br />
Komplexität der Herausforderungen stark erhöht. Diese Komplexität erfordert heute ein<br />
zeitgleiches Engagement auf lokalem, nationalem wie globalem Niveau. Entsprechend<br />
müssen wir uns anpassen und neue, innovative Wege beschreiten.<br />
Der Klimawandel ist das wohl eindrücklichste Beispiel. Er ist ein globales Phänomen, das<br />
uns klar vor Augen führt: Die Schicksale der Menschen im Süden wie im Norden, im Osten<br />
wie im Westen, hängen ganz entscheidend voneinander ab. Wo heute und in Zukunft<br />
Wassermangel herrscht, wo es Überschwemmungen gibt, wo Dürre die Ernten zerstören, wo<br />
Menschen flüchten müssen, ist eine Frage des Handelns und des Unterlassens in allen<br />
Ländern der Welt. Klar ist heute aber auch, dass die Bürde ungleich verteilt ist: Die ärmsten<br />
Länder der Welt haben am meisten an den Folgen des Klimawandels zu tragen. Aber auch<br />
in den Schwellenländern werden die ärmsten Bevölkerungsschichten starke Auswirkungen<br />
spüren.<br />
Dies hat Folgen für die Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit:<br />
Erstens: Es gibt heute keine Armutsbekämpfung ohne Klimaschutz. Und es gibt keinen<br />
Klimaschutz ohne Armutsbekämpfung. Sie haben an dieser Veranstaltung anhand vieler<br />
Beispiele erfahren, wie der Klimawandel zu noch mehr Armut führt, und wie umgekehrt
Armut das Klima gefährdet, etwa durch nicht nachhaltige Nutzung der natürlichen<br />
Ressourcen.<br />
Zweitens: Die Wahl, wo Entwicklungszusammenarbeit betrieben wird, hängt nicht nur davon<br />
ab, wo die armen und ärmsten Menschen leben. Entwicklungszusammenarbeit muss auch<br />
da ansetzen, wo die grössten Bedrohungen für das Klima liegen: Im Süden sind dies die<br />
Schwellenländer und die fortgeschrittenen Entwicklungsländer.<br />
Drittens: Entwicklungszusammenarbeit ist weit mehr als ein Akt der Solidarität mit den<br />
weniger Begüterten. Entwicklungszusammenarbeit ist eines unter vielen Instrumenten, um<br />
unsere Mitverantwortung für die Auswirkungen des Klimawandels wahrzunehmen und die<br />
negativen Auswirkungen des globalen Temperaturanstiegs für uns wie für andere<br />
einzuschränken.<br />
Was heisst dies konkret für die Arbeit der DEZA?<br />
Unser Fokus bleibt auch in Zukunft die Armutsbekämpfung. Bilaterale Zusammenarbeit mit<br />
den Ländern, so wie wir sie über mehrere Jahrzehnte praktiziert haben, bleibt weiterhin<br />
aktuell und notwendig. Ebenso müssen die Instrumente zum Klimaschutz und zur<br />
Anpassung an den unvermeidlichen Klimawandel nicht alle neu erfunden werden. Bei der<br />
Kombination unserer Instrumente und Partnerschaften müssen wir aber innovative Wege<br />
beschreiten. Denn was sich mit dem Klimawandel verstärkt hat, ist die Verknüpfung der<br />
Probleme und auch der Lösungsansätze: Entwicklungspolitische Massnahmen müssen<br />
klimaverträglich sein, und umgekehrt: Klimapolitik muss entwicklungsverträglich sein. Wir<br />
können es uns weder leisten, dass Schwellenländer ihr Wachstum um jeden Preis<br />
fortsetzen, noch können wir Entwicklungsländern den Weg aus der Armut verschliessen. Das<br />
Klima ist zu einem beschränkten Gut geworden, welches dem Wachstum weltweit<br />
Schranken setzt.<br />
Ich möchte die Evolution unserer Arbeit an einem Beispiel illustrieren: Schon vor drei oder<br />
vier Jahrzehnten hat sich die DEZA lokal für Aufforstung und ressourcenschonende<br />
Waldnutzung eingesetzt. Später wurden diese Bestrebungen mit nationalen Programmen<br />
ergänzt, also etwa durch Einflussnahme auf die Forstpolitik. Im Falle des Klimawandels<br />
gehen wir nun noch einen Schritt weiter:<br />
Mit der Schaffung eines Globalprogramms Klimawandel wollen wir unsere Anstrengungen im<br />
Bereich Klima bündeln: Dieses Programm ergänzt die verschiedenen bestehenden<br />
Instrumente der DEZA für Klimaaktivitäten: Mit zusätzlicher Expertise, mit gezielten Klima-<br />
Partnerschaften, aber auch mit Projekten. Das Programm verfolgt zwei Hauptziele:<br />
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Erstens: Das Unbeherrschbare vermeiden: Nur wenn es der Staatengemeinschaft gelingt,<br />
ein wirksames Post-Kyoto-Klimaabkommen zu verabschieden, kann der weltweite<br />
Temperaturanstieg im Zaum gehalten werden. Die DEZA beteiligt sich aktiv im nationalen<br />
und internationalen Politikdialog. Sie bringt dabei auch die Perspektive der<br />
Entwicklungsländer ein, deren Stimme in diesem Dialog oft zu kurz kommt. Ein weiteres<br />
wichtiges Gebiet ist das Waldmanagement. Es geht einerseits darum, die Abholzung der<br />
Wälder zu vermeiden und gleichzeitig Aufforstung zu fördern. Der Wald spielt bei der<br />
Bewältigung des CO2-Problems eine Schlüsselrolle. Das Unbeherrschbare vermeiden heisst<br />
auch, dass wir kohlenstoffarme Energieproduktion ermöglichen wollen. Die<br />
Energieproduktion und Nutzung sind im Klimaschutz zentrale Faktoren. Hier rücken<br />
Schwellenländer wie Indien und China in den Vordergrund, denn deren Energiehunger ist<br />
enorm.<br />
Wenn wir in solchen Ländern mittels Technologietransfer die Nutzung erneuerbarer Energien<br />
fördern, bedeutet dies keine Abkehr vom Prinzip, den Armen und Ärmsten zu helfen. Nur<br />
wenn wir die enormen Emissionen in den Industrie- und Schwellenländern einschränken,<br />
haben wir eine reelle Chance, die unbeherrschbare Klimaerwärmung zu vermeiden und in<br />
Ländern wie Bangladesh das Schlimmste abzuwenden. Das Schlimmste heisst: Überflutung,<br />
Zerstörung von Hab und Gut, Krankheiten und Massenflucht.<br />
Indien ist ein Beispiel dafür, wie die Entwicklungszusammenarbeit sich an neue<br />
Herausforderungen anpasst: Auf Grund der positiven Entwicklungen, die Indien gemacht hat,<br />
zieht sich die DEZA nach 40 Jahren aus dem Schwerpunktland Indien zurück. Indien bliebt<br />
aber ein wichtiger Partner für die Bewältigung globaler Probleme wie dem Klimawandel.<br />
Zweitens: Das Unvermeidliche beherrschen: In Peru führt die DEZA ein Programm zur<br />
Anpassung an den Klimawandel durch. Dieses Programm vereint eine ganze Reihe von<br />
Herausforderungen, die allesamt mit dem Klimawandel zu tun haben: Wasserversorgung,<br />
Risiken durch Naturkatastrophen und Ernährungssicherheit. Mit gezielten Massnahmen<br />
wollen wir die Verletzlichkeit der Bevölkerung vermindern. Dazu gehört ein verbessertes<br />
Wassermanagement, der Anbau resistenter Pflanzensorten, oder Massnahmen zur<br />
Verminderung der Risiken von Naturkatastrophen. Auch hier ist Innovation gefragt: Lokales<br />
Wissen wie auch internationale wissenschaftliche Erkenntnisse werden miteinander vereint.<br />
In vielen anderen Ländern sind wir bestrebt, die laufenden Programme auf die<br />
Klimaproblematik auszurichten, gerade im Bereich des Managements von Naturkatastrophen<br />
aber auch über politische Sensibilisierung für die Herausforderungen, die mit dem<br />
Klimawandel verbunden sind. Diese Sensibilisierung ist eine Grundlage, um nationale<br />
Klimaschutzstrategien überhaupt in Gang zu bringen.<br />
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Innovation bei der Wahl und der Kombination der Instrumente bedeutet auch, dass wir auf<br />
differenzierte Partnerschaften setzen müssen. Nur so kann die globale Herausforderung des<br />
Klimawandels angegangen werden. Zu unseren Partnern gehören unsere<br />
Schwerpunktländer genauso wie die multilateralen Organisationen und eine lange Reihe von<br />
schweizerischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen. Im Bereich des<br />
Technologietransfers kommen Public-Private-Partnerships zum Zuge. Weiter wollen wir die<br />
Süd-Süd-Kooperation fördern, also die Zusammenarbeit zwischen Schwellen- und<br />
Entwicklungsländern. Sie haben an dieser Veranstaltung das Beispiel der<br />
Backsteinfabrikation in Südasien gesehen. Das know-how für die energieeffizientere und<br />
damit umweltfreundlichere Produktionstechnologie kommt nicht nur in Indien zur<br />
Anwendung, sondern wurde auch nach Nepal, Pakistan, Afghanistan sowie nach<br />
Lateinamerika weitergegeben.<br />
Meine Damen und Herren,<br />
Lassen Sie mich zum Schluss auf die Finanzfrage zu sprechen kommen. Klimaschutz und<br />
die Anpassung an den Klimawandel kosten Geld. Die Entwicklungsländer sind bei weitem<br />
nicht in der Lage, diese Mittel alleine aufzubringen. Die Industrieländer, einschliesslich der<br />
Privatwirtschaft, werden also entscheidende Beiträge leisten müssen.<br />
Ich möchte es nochmals betonen: Klimaschutz und Armutsbekämpfung sind keine<br />
Alternativen. Sie gehören zusammen. Das haben die verschiedenen Beiträge heute klar<br />
gezeigt. Es ist wichtig, dass der Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel nicht<br />
auf Kosten der Entwicklungszusammenarbeit gehen. Vielmehr müssen zusätzliche Mittel<br />
mobilisiert werden.<br />
Was wir heute und morgen in Indien, in Peru oder anderswo in die<br />
Entwicklungszusammenarbeit und in den Klimaschutz investieren, kommt nicht nur diesen<br />
Ländern, sondern uns allen zugute. Wir haben nur ein Klima. Dazu Sorge zu tragen und<br />
Armut zu verringern liegt in unserer Verantwortung.<br />
Ich danke Ihnen.<br />
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