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Der verdorrte Feigenbaum – Die Tempelreinigung - Diakonissen ...

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Morgenandacht am Freitag, 9. März 2012<br />

in der Mutterhauskapelle der <strong>Diakonissen</strong> Speyer-Mannheim<br />

Markus 11,12-19 - <strong>Der</strong> <strong>verdorrte</strong> <strong>Feigenbaum</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Tempelreinigung</strong><br />

12 Und am nächsten Tag, als sie von Betanien<br />

weggingen, hungerte ihn.<br />

13 Und er sah einen <strong>Feigenbaum</strong> von ferne, der<br />

Blätter hatte; da ging er hin, ob er etwas darauf<br />

fände. Und als er zu ihm kam, fand er nichts als<br />

Blätter; denn es war nicht die Zeit für Feigen.<br />

14 Da fing Jesus an und sprach zu ihm: Nun esse<br />

niemand mehr eine Frucht von dir in Ewigkeit! Und<br />

seine Jünger hörten das.<br />

15 Und sie kamen nach Jerusalem. Und Jesus ging<br />

in den Tempel und fing an, auszutreiben die<br />

Verkäufer und Käufer im Tempel; und die Tische der<br />

Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler<br />

stieß er um<br />

16 und ließ nicht zu, daß jemand etwas durch den<br />

Tempel trage.<br />

17 Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht<br />

geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein<br />

Bethaus heißen für alle Völker«? Ihr aber habt eine<br />

Räuberhöhle daraus gemacht.<br />

18 Und es kam vor die Hohenpriester und<br />

Schriftgelehrten, und sie trachteten danach, wie sie<br />

ihn umbrächten. Sie fürchteten sich nämlich vor ihm;<br />

denn alles Volk verwunderte sich über seine Lehre.<br />

19 Und abends gingen sie hinaus vor die Stadt.<br />

Wieder zwei kleine Geschichten, die berichten von<br />

dem Weg, den die Jünger mit Jesus gehen zum<br />

Kreuz.<br />

<strong>Die</strong> zweite erschließt sich uns vielleicht eher. <strong>Die</strong><br />

Geschichte von der <strong>Tempelreinigung</strong>, wie sie<br />

normalerweise in unseren Bibeln heißt, oder die<br />

Geschichte von der Austreibung der Händler aus<br />

dem Tempel.<br />

Eine Geschichte, die gelegentlich missverstanden<br />

wird. Und so, nämlich missverständlich und<br />

missverstanden, dann auch verwendet und<br />

gepredigt wird. Sie legt das fast ein bisschen nahe,<br />

gerade durch ihre Bildhaftigkeit.<br />

Jesus treibt die Händler aus dem Tempel hinaus.<br />

Das könnt ja heißen: Jesus hat etwas gegen die<br />

Händler. Jesus hat etwas gegen Menschen, die<br />

wirtschaftlich tätig sind, gegen Geschäftsleute,<br />

gegen solche, die Geld verdienen.<br />

Und Geld kann man immer nur verdienen, wenn der<br />

eine etwas bezahlt, weil er es braucht oder haben<br />

will, und beim andern bleibt mehr übrig, als er an<br />

Kosten hat, das zu besorgen oder herzustellen, was<br />

er verkauft. Davon lebt er dann, hat eine mehr oder<br />

weniger gute Bezahlung für das, was er tut, hat<br />

seinen Lebensunterhalt davon, Essen und Trinken<br />

und ein Dach über dem Kopf und vielleicht auch<br />

noch ein bisschen Luxus, einen Urlaub oder sonst<br />

etwas Schönes.<br />

Das genauer zu erklären wäre die Aufgabe anderer<br />

bei uns im Haus. Für solche Fragen sind<br />

Wirtschaftler, Volkswirte, Betriebswirte die<br />

Fachleute.<br />

Jeder von uns lebt irgendwie von solchen<br />

Zusammenhängen. Auch wenn wir nicht Tauben im<br />

Tempel verkaufen, handeln wir mit etwas, mit<br />

unserer Arbeitskraft und Lebenszeit, mit unserer<br />

Geschicklichkeit mit den Händen oder mit dem<br />

Mund, vielleicht auch mit dem Kopf, egal wie. Wir<br />

handeln mit unseren Gaben und kriegen Geld dafür,<br />

wir oder die Gemeinschaft, in der wir leben. Wir<br />

kriegen viel oder wenig, die einen ein bisschen<br />

mehr, die anderen ein bisschen weniger.<br />

Wir könnten sicher schnell zustimmen: Es sollte für<br />

alle genügend sein, für alle soviel, dass sie mit<br />

Anstand und Würde von ihrer Hände Arbeit leben<br />

können. Und wir können - mit Recht - uns aufregen,<br />

wenn es für manche, nein, eigentlich für viele in der<br />

Welt, nicht genug ist zum Leben und zum Sterben.<br />

2<br />

Nun könnte man, was Jesus tut, missverstehen als<br />

eine grundsätzliche Opposition zu allem<br />

wirtschaftlichen Handeln. So hören wir das<br />

gelegentlich. <strong>Die</strong> Geschäftemacherei, das<br />

Geschachere, die Beutelschneiderei. Manchmal von<br />

solchen gesagt, die durch einigermaßen komfortable<br />

Anstellungsverhältnisse die Gewähr für ein halbwegs<br />

ordentliches Auskommen haben, ohne dass sie<br />

selbst sich eben in solche Geschäftigkeit<br />

hineinbegeben müssen und sich darin bewähren,<br />

darin ihr Überleben und die Art ihres Lebens sichern<br />

müssen.<br />

Nicht dass es nicht stimmen würde, dass es auch<br />

eine Geschäftemacherei gibt, die alles andere als<br />

gut ist. Es gibt Wucher und Betrug und unanständige<br />

Geschäfte, vielleicht auch unanständige Gehälter.<br />

Das gibt es sicher. Und das ist nicht recht. Es gibt<br />

Wirtschaftsverhältnisse, wo die einen auf Kosten<br />

anderer leben, wo sie so leben und wirtschaften,<br />

dass das halbwegs ordentliche Leben anderer nicht<br />

mehr möglich ist.<br />

Aus einer solchen katastrophalen Lage heraus ist<br />

unser Haus entstanden. Weil es so viele arme<br />

Menschen gab, die sich eine gesundheitliche<br />

Betreuung nicht leisten konnten, die im elend<br />

gefangen waren und aus eigener Kraft nicht<br />

herausfinden konnten.


Und solche elenden Verhältnisse sind bis heute nicht<br />

überwunden, weltweit nicht.<br />

Wir kriegen’s ja immer wieder vor Augen gemalt und<br />

erschrecken darüber. Manchmal haben wir selbst ein<br />

schlechtes Gewissen, wenn wir uns<br />

vergegenwärtigen, wie gut es uns geht.<br />

Manchmal kommt uns die Frage im Blick auf unser<br />

eigenes Werk entgegen: Warum betreibt ihr die<br />

<strong>Diakonissen</strong>anstalt als ein Unternehmen? Wolltet ihr<br />

nicht Menschen helfen? Dürft ihr da kalkulieren?<br />

Müsst ihr da jeden Cent abknapsen an den Kosten?<br />

Sollte euch die personelle Ausstattung in der Pflege<br />

nicht mehr Wert sein? Müsst ihr am Ende eines<br />

Jahres Geld übrig haben, zur Investition, wie ihr<br />

sagt, oder reicht es nicht, wenn einfach alles null auf<br />

null aufgeht?<br />

Keine leichten Fragen, ich weiß. Manchmal sehe und<br />

höre ich das Klappern der umgestoßenen Tische im<br />

Tempel von Jerusalem hinter solchen Argumenten.<br />

3<br />

Dennoch meine ich: Ein Missverständnis dieser<br />

Geschichte. Denn Jesus sagt nicht: Das<br />

Wirtschaften ist verkehrt, ist vom Teufel, darf unter<br />

Christenmenschen und Gotteskindern nicht sein.<br />

Nein, Jesus spricht vom Tempel, von Gottes Tempel,<br />

von dem Ort, an dem nach den Überlieferungen der<br />

Propheten Gott am Ende der Tage von allen Völkern<br />

angebetet wird. Das ist Gottes Haus. Und da soll das<br />

Geschäft nicht Platz haben.<br />

Wenn man so will: In der Kirche soll es nicht ums<br />

Geld gehen. Mit Religion soll niemand Geschäfte<br />

machen. Aber dann wären wir ja fast schon bei der<br />

Frage, ob man mit Religion Geld verdienen darf oder<br />

ob man nicht lieber Zeltmacher sein sollte...<br />

Jesus geht es darum, dass Gott verehrt wird. Er<br />

weist darauf hin, dass Gott seinen Raum haben will<br />

im Leben seiner Menschen, seinen Ort und seine<br />

Zeit. Weil es uns Menschen gut tut, zu wissen, dass<br />

wir Gott über uns haben und wir seine Kinder sind,<br />

Menschen, die er leibt und an die er seine<br />

Erwartungen hat.<br />

4<br />

So geht es nicht um Handel und Wirtschaft. Sondern<br />

um den Raum für Gott in unserem Leben. <strong>Der</strong> darf<br />

nicht zur Räuberhöhle verkommen. Dafür setzt er<br />

sich ein.<br />

Selbst auf die Gefahr hin, dass er sich damit anlegt<br />

mit den Mächtigen im Tempel, mit den<br />

Religionsdienern, wie in der Aufklärung auch die<br />

Pfarrer hierzulande genannt wurden. <strong>Die</strong> reagieren,<br />

wie Menschen reagieren, wenn sie angegriffen<br />

werden, gar wenn ihre wirtschaftliche Existenz<br />

angegriffen wird, und der Opfertierverkauf und das<br />

Geldwechseln waren für die Tempelpriester und die<br />

Hohenpriester das, was heute die Kirchensteuer bei<br />

uns ist: Finanzierung des Tempels und seines<br />

Personals.<br />

Selbst dieses Risiko des Angriffs nimmt Jesus in<br />

Kauf, weil er sagen will: Haltet Gott einen Raum frei<br />

in eurem Leben, eine Zeit und einen Ort. Damit er<br />

euch begegnen kann. Damit ihr erfahren könnt, was<br />

er für euch ist, was er für euch tut und was er von<br />

euch erwartet. Darum geht es, um den Raum für<br />

Gott. <strong>Der</strong> soll geschützt sein. Weil ihr das braucht.<br />

5<br />

Und die Geschichte vom <strong>Feigenbaum</strong>, der verdorrt?<br />

Vielleicht ein Hinweis darauf, dass der Tempel, also<br />

der äußere Ort der Gegenwart Gottes, verdorrt,<br />

zerstört wird, wie es im Jahr 70 geschah. Ein<br />

Hinweis darauf dann auch, dass es nicht um den<br />

äußeren Ort zu tun ist, nicht um die Kirche und<br />

Kapelle und die Orgel und die Kerzen, sondern um<br />

die Offenheit, Gott zu begegnen, an welchem Ort<br />

und zu welcher Zeit auch immer. Aber eben: Gott zu<br />

begegnen.<br />

wieder einmal zwei kleine Geschichten, die auch uns<br />

meinen. Offen sein für Gott, nicht alles zum Geschäft<br />

machen, sondern offen sein für Gottes Einladung, in<br />

seiner Welt in Dankbarkeit und Liebe zu leben.<br />

Vielleicht ist es das, was die beiden Geschichten<br />

heute sagen.<br />

Werner Schwartz,<br />

<strong>Diakonissen</strong> Speyer-Mannheim

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