„Ich habe Glück gehabt“ - Die Deutsche Bühne
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1 I Ingmar Bergman.<br />
M<br />
ein Metier ist das Theater“,<br />
das sagte der Filmregisseur<br />
Ingmar Bergman, der am 30.<br />
Juli im Alter von 89 Jahren gestorben<br />
ist, immer wieder. Er hat dieses Paradox<br />
auch erläutert: „Im Theater <strong>habe</strong><br />
ich meine Freunde kennengelernt,<br />
Strindberg, Macbeth, Faust, die mir<br />
mein ganzes Leben hindurch folgen.<br />
Im Theater übersetze ich die Vision eines<br />
anderen in Fleisch, Blut und sichtbares<br />
Material. Das ist eine der Wurzeln<br />
meiner Schöpfung. Aus diesen<br />
Wurzeln wächst ein Baum, das sind<br />
meine Filme. Der Film enthält eine<br />
persönliche Handschrift, er ist mein<br />
persönlicher Kontakt zum Publikum.“<br />
Auch sein künstlerisches Credo hat er<br />
von O‘Neill übernommen, einem Theaterautor:<br />
„Alle dramatische Kunst ist<br />
ohne Interesse, wenn sie sich nicht<br />
<strong>Die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Bühne</strong> 9 I 2007<br />
Foto: dpa / picture-alliance<br />
<strong>Die</strong> Wurzeln und<br />
der Baum<br />
Zum Tod von Ingmar Bergman<br />
über das Verhältnis des Menschen zu<br />
Gott beugt.“<br />
Bergmans Filme leben von dieser Nähe<br />
zum Theater, von der physischen<br />
Präsenz der Schauspieler, von Max von<br />
Sydow, Ingrid Thulin, Liv Ullmann oder<br />
Erland Josephson. Er <strong>habe</strong> keine besondere<br />
Methode der Schauspielerführung,<br />
er versuche einfach zu erreichen,<br />
„dass die Schauspieler sich geborgen<br />
fühlen.“ „Er war der aufmerksamste<br />
Beobachter und Zuhörer, den ich kenne“,<br />
erinnert sich Heinz Bennent, der<br />
in München mit ihm zusammenarbeitete.<br />
Ingmar Bergman hat schon vor dem<br />
ersten Film „Krise“ (1946) an verschiedenen<br />
<strong>Bühne</strong>n gearbeitet, das Theater<br />
blieb sein zweites Standbein, im Sommer<br />
drehte er Filme, den Winter verbrachte<br />
er am Theater. Film und Theater<br />
sind bei ihm eine Einheit, in beiden<br />
geht es ihm darum, den Rätseln des<br />
Lebens auf die Spur zu kommen. Vor<br />
allem am Dramaten in Stockholm war<br />
er lange als Regisseur und einige Jahre<br />
(1963 – 1966) auch als Direktor tätig, er<br />
inszenierte die dunklen, vergrübelten<br />
Werke: Strindbergs „Traumspiel“ und<br />
„Gespenstersonate“, Ibsens „Nora“<br />
und „Hedda Gabler“, aber auch Büchners<br />
„Woyzeck“ und Peter Weiss‘ „<strong>Die</strong><br />
Ermittlung“, später „<strong>Die</strong> Zeit und das<br />
Zimmer“ von Botho Strauß.<br />
Von den schwedischen Steuerbehörden<br />
vertrieben, hat er in den siebziger<br />
und achtziger Jahren auch in München<br />
am Residenztheater Regie geführt,<br />
beim „Traumspiel“, bei Tschechows<br />
„Drei Schwestern“ oder Gombrowicz‘<br />
„Yvonne, Prinzessin von Burgund“. Er<br />
hatte keine sehr gute Presse, er geriet<br />
zur Unzeit in die Blütezeit des deutschen<br />
Regietheaters. Georg Hensel<br />
aber hat 1978 „Drei Schwestern“ verteidigt,<br />
die Aufführung <strong>habe</strong> „Klarheit,<br />
Kraft und innere Glaubwürdigkeit“,<br />
Peymanns zeitgleiche Inszenierung<br />
dagegen nannte er „pathetisch oder<br />
sentimental“.<br />
Bergmans präzise Drehbücher über<br />
Existenzkrisen <strong>habe</strong>n neuerdings Regisseure<br />
verlockt, Filme von ihm für<br />
die <strong>Bühne</strong> zu bearbeiten. Bisher sind<br />
es Einzelfälle, Kaurismäki oder Fassbinder<br />
sind im Theater viel präsenter. Tom<br />
Kühnel inszenierte 2003 in Basel „Szenen<br />
einer Ehe“, er hat die beiden Protagonisten<br />
in mehrere Figuren aufgeteilt<br />
und so den individuellen Konflikt<br />
verallgemeinert und als Kontrastpaar<br />
zwei Puppen dagegengestellt. Um eine<br />
Paarkrise geht es auch in „Aus dem<br />
Leben der Marionetten“ (1980), die sich<br />
radikal zuspitzt, als der Mann eine Prostituierte<br />
ermordet. Andreas Kriegenburg<br />
machte im Thalia Theater im April<br />
2007 aus den Personen „eindrucksvolle<br />
Sprechmaschinen in der Endlosschleife<br />
der Ausweglosigkeit“ (<strong>Die</strong> <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Bühne</strong> 06/07).<br />
Am schönsten kann man heute und<br />
für alle Zeiten Bergmans Theaterbegeisterung<br />
in seiner Verfilmung der<br />
„Zauberflöte“ von 1970 erleben, die im<br />
Drottningholm Theater beginnt, die Illusionsmaschinen<br />
der Barockbühne und<br />
des Films miteinander verbindet und<br />
die Geschichte im Geiste Mozarts<br />
so human und sinnlich erzählt,<br />
dass es eine wahre Freude ist.<br />
SZENE t<br />
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WILHELM ROTH