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MitLinks Nr 26/2008 S. 13/1 - DIE LINKE. im Stadtrat München

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für ein solidarisches <strong>München</strong><br />

Zeitschrift aus der Politischen Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> –<br />

in Zusammenarbeit mit dem Forum Linke Kommunalpolitik <strong>München</strong><br />

i m S t a d t r a t m ü n c h e n<br />

Mehr auf Seite 6<br />

nr. <strong>26</strong><br />

Oktober<br />

<strong>2008</strong>


Politische Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> <strong>München</strong><br />

Anschrift: Politische Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong>,<br />

Rathaus, Z<strong>im</strong>mer <strong>Nr</strong>. 176, Marienplatz 8,<br />

80331 <strong>München</strong><br />

E-Mail: info@dielinke-muenchen-stadtrat.de<br />

Internet: www.dielinke-muenchen-stadtrat.de<br />

Telefon: 089 – 233-25235 Fax: 089 – 233-28108<br />

Sprechzeiten<br />

Orhan Akman Montag 17 Uhr – 18.30 Uhr<br />

Brigitte Wolf Donnerstag 17 Uhr – 18.30 Uhr<br />

Dagmar Henn Freitag 10.30 Uhr – 12 Uhr<br />

Ausschussmitgliedschaften:<br />

Orhan Akman: • Arbeit und Wirtschaft • Gesundheitsausschuss<br />

• Kreisverwaltungsausschuss • Verwaltungs-<br />

und Personalausschuss<br />

Dagmar Henn • Kinder- und Jugendhilfeausschuss<br />

• Kommunalausschuss • Umweltschutzausschuss •<br />

Schul- und Sportausschuss • Sozialausschuss<br />

Brigitte Wolf • Bauausschuss • Finanzausschuss<br />

• Kulturausschuss • Stadtentwässerungsausschuss<br />

• Stadtplanung und Bauordnung<br />

Das Forum Linke Kommunalpolitik <strong>München</strong> ist über das Büro<br />

der offenen Liste der <strong>LINKE</strong>N, Stadträtin Brigitte Wolf,<br />

zu erreichen. Es bietet Interessierten die Möglichkeit,<br />

sich mit Politik der <strong>LINKE</strong>N <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> kontinuierlich<br />

auseinanderzusetzen.<br />

Kreisverband der Partei <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>.<strong>München</strong><br />

Anschrift: <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>.<strong>München</strong>,<br />

Schwanthalerstr. <strong>13</strong>9, 80339 <strong>München</strong><br />

Telefon: 089 – 510 995-14 Fax: -16<br />

E-Mail: vorstand@dielinke-muc.de<br />

Internet: www.dielinke-muc.de<br />

r l s - w e r k s t a t t g e s p r ä c h e<br />

Immer <strong>im</strong> RLS- Regionalbüro Bayern, Westendstraße 19, 80339 <strong>München</strong>, Bayern<br />

Kontak t: RLS- Regionalbüro Bayern, Tel:089 / 51996353<br />

Hessische Verhältnisse: Herr Koch und die <strong>LINKE</strong>, werkstattgespräch<br />

no. 12 in <strong>München</strong> mit Janine Wissler MdL <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />

Hessen. Diskussion / Vortrag mit: Janine Wissler, MdL. Am 10.<br />

11.08., 18 Uhr bis 21 Uhr. ACHTUNG: Beginn schon um 18 Uhr<br />

Politik und Religion, werkstattgespräch no. <strong>13</strong> in <strong>München</strong>.<br />

Mit vorweihnachtlichen Kurzbeiträgen von Nicole Gohlke,<br />

Stefan Breit, Martin Fochler. Ohne Plätzchen, ohne Baum.<br />

Diskussion / Vortrag mit: Nicole Gohlke, Stefan Breit, Martin<br />

Fochler. Am 15.12.08. 19 Uhr bis 22 Uhr<br />

Studienreihe „Zivilgesellschaftliche Bewegungen – Institutionalisierte Politik“, Begleittexte.<br />

<strong>Nr</strong>. 8: Kulturkampf in Sendling ? – Eine Kampfabsage. Okt. <strong>2008</strong>.<br />

Inhalt<br />

• Moschee am Gotzinger Platz: Gleichberechtigung der Religionen – für <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />

eine Grundsatzfrage. Von Brigitte Wolf – Seite 1<br />

• Rechte Politik unter falscher Flagge – Baurechtliche Einwände als Vorwand kultureller<br />

Intoleranz. Von Martin Fochler – Seite 2<br />

• Stichwort: Religionsfreiheit <strong>im</strong> Grundgesetz. Von Johannes Kakoures – Seite 4<br />

• Gastbeitrag: Kölner bringen Anti-Islam-Konferenz zum Scheitern Von Benjamin Wernigk<br />

und Jörg Detjen – Seite 6<br />

Impressum: <strong>MitLinks</strong> <strong>Nr</strong>. 6, Oktober 008. Zeitschrift aus der Politischen Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> <strong>München</strong> – in Zusammenarbeit<br />

mit dem Forum Linke Kommunalpolitik <strong>München</strong>. Herausgeber: Orhan Akman, Dagmar Henn, Brigitte Wolf. E.i.S. Brigitte Wolf.<br />

Redaktion (verantwortlich): Martin Fochler, Geschäftsführung: Tino Krense. Anschrift: Politische Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong>,<br />

Rathaus, Marienplatz 8, 80331 <strong>München</strong>. Tel: 089 / 33 5 35. Fax: 089 / 33 8108. E-Mail: info@dielinke-muenchen-stadtrat.de. Beilage<br />

zu dieser Ausgabe: Studienreihe „Zivilgesellschaftliche Bewegungen – Institutionalisierte Politik“, Begleittexte. <strong>Nr</strong>. 8: Kulturkampf<br />

in Sendling ? – Eine Kampfabsage. Oktober 008<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong>, OktOber <strong>2008</strong><br />

Inhalt <strong>MitLinks</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>26</strong>, Oktober <strong>2008</strong><br />

S. 3. Aus der Vollversammlung und den Ausschüssen.<br />

Von Brigitte Wolf. Mit Kommentaren<br />

von Dagmar Henn und orHan<br />

akman. Illustriert von BernD Bücking<br />

S. 4. „Eine schwere Geburt“. Von Dagmar<br />

Henn<br />

S. 5. <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> lehnt „Durchstich Stäblistraße“<br />

ab. Von Brigitte Wolf<br />

S. 6. „Call-Center der Telekom in <strong>München</strong><br />

dürfen nicht geschlossen werden“. Von<br />

orHan akman<br />

S. 8. Kulturausschuss in tiefen Gründen. Von<br />

Brigitte Wolf<br />

S. 9. Bürgerversammlung Haidhausen: Nein<br />

zum zweiten S-Bahn-Tunnel. Von UlricH<br />

SeDlaczek<br />

S. 10 Von Tierhaltung und Kapazitäten – Warum<br />

das Grünwalder Stadion auf einmal<br />

nur noch die Hälfte der Zuschauer aufnehmen<br />

darf. Von Dr. markUS DreeS,<br />

Freunde des Sechz’ger Stadions e.V.<br />

S. 1 . Mietergemeinschaft Kafkastraße in Neuperlach<br />

wehrt sich. Von tino krenSe<br />

S. <strong>13</strong>. Ein heißes Thema: Demokratie in der<br />

Türkei. Ein Veranstaltungsbericht von<br />

JoHanneS kakoUreS<br />

S. 15. Stolpersteine für zwei Tschechen in <strong>München</strong>.<br />

Von renate Hennecke<br />

Karel Svatopluk Mervart. 1 .7.1918 –<br />

15.1.1945<br />

Gebhard Jiru. 0.1 .1908 – 6.4.1945<br />

S. 18. Kein Lob dem LoB: Kann Pädagogik<br />

gemessen werden? Von orHan akman<br />

S. 19 „Ob der Philipp heute still wohl bei Tische<br />

sitzen will?“Von eliSaBetH BaUmgartner<br />

S. 0 Veranstaltungsbericht zum Thema Gemeinschaftsschule.<br />

„Finnisch schlau oder<br />

bayerisch blöd?“ Von nataScHa eicHner<br />

S. 1 „Nazis raus aus den Köpfen“ … Wahlkampfeindrücke<br />

– Erfahrungsbericht einer<br />

nicht mehr ganz naiven Bürgerin<br />

S. Bezirkstag: SPD an CSU – Kaufen Posten,<br />

zahlen mit Demokratie. Von Dr. klaUS<br />

WeBer (Bezirksrat für <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>)<br />

S. 3 Die <strong>Stadtrat</strong>slinke in der Münchner<br />

Presse. Von UrSUla Stöger<br />

S. 4 Wie <strong>im</strong>mer: Millionäre auf der Messe –<br />

das Volk <strong>im</strong> Regen … Protest des Münchner<br />

Sozialforums gegen die Millionaire<br />

Fair<br />

Beilage: Studienreihe „Zivilgesellschaftliche Bewegungen<br />

– Institutionalisierte Politik“,<br />

Begleittexte. <strong>Nr</strong>. 8: Kulturkampf in Sendling<br />

? – Eine Kampfabsage. Oktober 008


Aus der Vollversammlung und den Ausschüssen<br />

Von brigitte Wolf. mit kommentaren von Dagmar Henn und Orhan Akman. illustriert von bernd bücking<br />

Besetzung weiterer <strong>Stadtrat</strong>sgremien. In der ersten<br />

Juli-Vollversammlung wurden weitere vom <strong>Stadtrat</strong><br />

gebildete Gremien besetzt, zudem die Vertretung<br />

der Stadt in den verschiedensten Vereinen und<br />

Verbänden. Nachdem die Bauleitplankommission<br />

auf 15 Mitglieder aus dem <strong>Stadtrat</strong> vergrößert wurde,<br />

erhielt auch die <strong>LINKE</strong> einen Sitz, den Brigitte<br />

Wolf wahrn<strong>im</strong>mt. Im Riembeirat vertritt uns Orhan<br />

Akman, bei der Volkshochschule und dem<br />

Deutschen Städtetag sind wir nicht vertreten. Neu<br />

ist, dass die Vielzahl von Verwaltungsbeiräten an<br />

Schulen und städtischen Einrichtungen diesmal<br />

nur zwischen den Fraktionen verteilt wurden. Dies<br />

entspricht zwar dem Wortlaut der Geschäftsordnung<br />

des <strong>Stadtrat</strong>es, wurde in den letzten Jahren<br />

jedoch anders gehandhabt. Damit gingen wir und<br />

alle anderen Einzelstadträte leer aus. Diesem Beschluss<br />

haben wir deshalb auch nicht zugest<strong>im</strong>mt.<br />

Abschlussbericht der Fluthilfe Batticaloa vorgelegt.<br />

Nach drei Jahren und dem Abschluss der dringendsten<br />

Maßnahmen in Batticaloa legte Bürgermeister<br />

Monatzeder einen Abschlussbericht vor. In<br />

der Dokumentation wird die Verwendung der städtischen<br />

Mittel und der eingegangenen Spenden belegt,<br />

die nach der Tsunamikatastrophe zum Jahreswechsel<br />

004/ 005 gesammelt wurden. Die Münchner<br />

Gelder gingen hauptsächlich in die Infrastruktur:<br />

Straßen, Häuser, Kanalisation.<br />

Olympiabewerbung 2018: Vorarbeiten laufen an.<br />

Die Stadt macht ernst mit der Olympiabewerbung:<br />

Im Juli beschloss der <strong>Stadtrat</strong> gegen <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />

die Gründung einer Bewerbungsgesellschaft<br />

(GmbH), an der neben <strong>München</strong> auch der Freistaat,<br />

Garmisch-Partenkirchen, der Landkreis Berchtesgadener<br />

Land und der Deutsche Olympische Sportbund<br />

beteiligt sind. Im Aufsichtsrat der GmbH besetzt<br />

<strong>München</strong> sechs Sitze: OB Ude, Bürgermeisterin<br />

Strobl und vier <strong>Stadtrat</strong>smitglieder. Die Grünen<br />

hielten an ihrer Idee einer „nachhaltigen Olympiade“<br />

fest, so forderten sie ein Olympisches Dorf <strong>im</strong><br />

Passivhausstandard. Für <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> ist die geforderte<br />

Nachhaltigkeit eine Sch<strong>im</strong>äre: Eine Winterolympiade<br />

in einer Region, die massiv von der Kl<strong>im</strong>aerwärmung<br />

betroffen sein wird, kann nur mit<br />

aufwändigster Technik sicher gestellt werden. Wo<br />

soll da die Nachhaltigkeit her kommen? In unseren<br />

Augen ist kein erfolgreiches Bewerbungskonzept in<br />

Sicht, deshalb bleiben wir dabei, dass dafür auch<br />

keine Ressourcen verwendet werden sollen.<br />

Ende Juli folgte die Fortsetzung: Eingerichtet wurde<br />

eine Projektgruppe und eine Stabsstelle, zusätzlich<br />

ein Beirat aus dem <strong>Stadtrat</strong>, <strong>im</strong> Beirat vertritt<br />

Brigitte Wolf <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>.<br />

Gemischte Nachrichten für Mieter. Der <strong>Stadtrat</strong> hat<br />

gegen unsere St<strong>im</strong>men erneut die Ausübung eines<br />

Vorkaufsrechts aus „wirtschaftlichen Erwägungen“<br />

verweigert, diesmal auf der Schwanthalerhöhe.<br />

Was noch gewichtiger ist: Das Kommunalreferat<br />

weigert sich weiterhin, seine Ausübungspraxis zu<br />

modifizieren, obwohl Anträge zweier Bezirksausschüsse<br />

vorlagen. Dies wird <strong>im</strong>mer unverständlicher,<br />

wenn man die aktuellen Entwicklungen berücksichtigt.<br />

Das Sozialreferat möchte künftig<br />

langfristige Belegungsrechte für einzelne Wohnungen<br />

oder ganze Häuser erwerben, da der Bestand<br />

an Sozialwohnungen rapide zurück gehen<br />

wird. Dafür sollen bis zu 750,- Euro je Quadratmeter<br />

Wohnfläche ausgegeben werden.<br />

Den Verlust, den das Kommunalreferat je<br />

Quadratmeter für ein ausgeübtes Vorkaufsrecht<br />

ausweist, liegt regelmäßig weit unter<br />

diesem Betrag. Und das, obwohl durch die<br />

Ausübung gleichfalls preisgünstiger Wohnraum<br />

erhalten bleibt.<br />

Im August wurde dann das Vorkaufsrecht für<br />

ein Teileigentum in Au-Haidhausen zwar<br />

ausgeübt, hier besteht jedoch die Gefahr, dass<br />

es wiederum zu einer erzwungenen Versteigerung<br />

kommt. Interessant dabei: Falls es<br />

dazu kommt, und die Stadt das Haus ersteigert,<br />

müsste sie es anschließend nicht privatisieren.<br />

Das wäre <strong>im</strong> Lichte der Belegrechtskäufe<br />

durch das Sozialreferat durchaus von<br />

Interesse.<br />

Fortsetzung Seite 4<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong> – OktOber <strong>2008</strong> 3


„Eine schwere Geburt“<br />

Von Dagmar Henn<br />

Nach überlanger Tragzeit des Sozialtickets haben<br />

bei der Landeshauptstadt doch noch die Wehen eingesetzt.<br />

Und schon scheint das Schicksal des Kindes<br />

wieder ungewiss.<br />

Die Forderung nach einem Sozialticket für <strong>München</strong><br />

wurde das erste Mal noch <strong>im</strong> Dezember 005<br />

gestellt. In der Folge gründete sich in der „Initiative<br />

IsarCardS“ ein breites Bündnis, das mit mehreren<br />

Aktionen und Veranstaltungen <strong>im</strong>mer wieder – erfolgreich<br />

– auf die Notwendigkeit eines Sozialtickets<br />

für <strong>München</strong> hinwies. Im November 008 nun<br />

soll dem Sozialausschuss ein Entwurf vorgelegt<br />

werden, wie ein solches Ticket tatsächlich aussehen<br />

soll.<br />

Grundlage dafür ist eine Marktforschungsstudie,<br />

die zu dem Schluss kam, auch arme Münchnerinnen<br />

und Münchner müssten sich durch die Stadt bewegen<br />

und würden zu diesem Zweck eine Monatskarte<br />

bevorzugen. Diese Studie (die dem <strong>Stadtrat</strong> wohl<br />

nicht <strong>im</strong> Detail vorgelegt werden wird) liefert insofern<br />

wenig Überraschendes; die finanziell<br />

Schwachen all jener Städte, die bereits längst ein<br />

Sozialticket anbieten, dürften sich nicht so grundsätzlich<br />

von Münchnerinnen und Münchnern unterscheiden.<br />

Allerdings hat die Marktforschungsstudie<br />

die Entscheidung über ein Sozialticket um<br />

Ebenfalls <strong>im</strong> August wurde dann das Vorkaufsrecht<br />

für ein leerstehendes Herbergshäusl in Haidhausen<br />

nicht ausgeübt – diesmal sogar das allererste<br />

Mal mit Zust<strong>im</strong>mung der St<strong>im</strong>me der <strong>LINKE</strong>N.<br />

Warum das? Das Haus ist in meinen Augen für gesundes<br />

Wohnen nicht geeignet: die Deckenhöhe ist<br />

unter zwei Meter, es gibt lauter gefangene, winzige<br />

Räume, das Ganze steht unter Denkmalschutz. Ein<br />

echtes Liebhaberstück eben, das den/die Käufer<br />

noch viel Geld und Arbeit kosten wird.<br />

Kruzifixe in städtischen Schulen: Landtagswahlkampf<br />

<strong>im</strong> Rathaus. Die längste Debatte in der Vollversammlung<br />

am . Juli löste ein dringlicher Antrag<br />

der CSU aus mit der plakativen Forderung<br />

„Kruzifixe bleiben in Klassenz<strong>im</strong>mern städtischer<br />

Schulen hängen“. Ausgelöst hatte diesen Ausflug in<br />

den Landtagswahlkampf ein Parteitagsbeschluss<br />

der bayerischen Grünen, der sich gegen<br />

religiöse Symbole in Klassenz<strong>im</strong>mern wandte.<br />

Nach einer längeren Debatte, in der auch <strong>DIE</strong><br />

<strong>LINKE</strong> einen Änderungsantrag einbrachte,<br />

wurde der Vorschlag der Schulreferentin, bei<br />

der bisherigen Praxis zu bleiben, einst<strong>im</strong>mig<br />

angenommen. (zum Thema siehe auch: Änderungsantrag<br />

und Bericht auf unserer Internetseite,www.dielinke-muenchen-stadtrat.de/dokumentation/archiv/,<br />

Eintrag am . Juli, ferner<br />

die aktuelle Beilage dieser Zeitung).<br />

Bebauung „Thalkirchner Bahnhof“ auf den Weg<br />

gebracht. Nach einer längeren Debatte über die<br />

Dichte der Bebauung und die Höhe der Baukörper<br />

wurde der Bebauungsplan <strong>im</strong> Planungsausschuss<br />

mit großer Mehrheit genehmigt, in der<br />

Vollversammlung stand nur noch die Änderung<br />

4 mitlinks nr. <strong>26</strong>, OktOber <strong>2008</strong><br />

über ein Jahr hinausgezögert; damit aber auch aus<br />

einer Zeit sprudelnder Geldquellen in eine Zeit aufziehender<br />

Dürre verschleppt.<br />

Damit wird eine erfolgreiche Entbindung womöglich<br />

wieder in Frage gestellt. Denn es wird genug<br />

St<strong>im</strong>men geben, die ein Sozialticket für eine verzichtbare<br />

Wohltat halten, wenn die Gewerbesteuer<br />

absehbar knapp wird. Auch wenn sich die tatsächliche<br />

Not seit 005 deutlich verschärft hat (Wartelisten<br />

bei der Münchner Tafel sind ein deutliches<br />

Zeichen dafür), die Preissteigerungen seitdem be<strong>im</strong><br />

ALG II auf keine Weise aufgefangen wurden und<br />

jede wirtschaftliche Talfahrt für neuen Nachschub<br />

in den Reihen der Münchner Armen sorgen wird.<br />

Auch wenn die zunehmende prekäre Beschäftigung<br />

in der kommenden Krise die Zahl jener, die vom<br />

ALG I erst gar nicht leben können, nach oben treiben<br />

wird. Auch wenn spendenfinanzierte Unterstützungssysteme<br />

und Stiftungen, die bisher <strong>im</strong>mer<br />

die staatlich verordnete Not auffangen sollten, in<br />

einer tieferen Krise selbst in ihren Handlungsmöglichkeiten<br />

bedroht sind und am Ende öffentliche<br />

Leistungen die einzig verlässliche Lösung darstellen.<br />

Die Initiative IsarCardS wird hoffentlich bei der<br />

Entbindung Beistand leisten und nochmals deutlich<br />

zu Gehör bringen, dass ein Sozialticket keine<br />

Wohltat darstellt, sondern ein Grundbedürfnis<br />

deckt. Wir jedenfalls haben trotzig schon einmal<br />

die Gläser poliert und ein Tröpfchen aus dem Keller<br />

gehoben.<br />

des Flächennutzungsplans an. Wir blieben bei unserer<br />

Ablehnung, da die geplante „hochpreisige“<br />

Bebauung zu nahe an bereits bestehende Nutzungen<br />

heranreicht. Wir sehen dadurch die langfristige<br />

Existenz der Kanuvereine gefährdet, die oft zu<br />

nachtschlafender Zeit mit ihren Kanus rangieren<br />

müssen, um beispielsweise zu Wettbewerben aufzubrechen.<br />

Das wird zur Nachbarschaft einer „hochpreisigen<br />

Bebauung“ wahrscheinlich nicht lange<br />

gut gehen.<br />

Keine Gewinnausschüttungen bei GWG und GE­<br />

WOFAG. Eine in meinen Augen positive Auswirkung<br />

hat die Unternehmenssteuerreform 008 auf<br />

die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Da<br />

die vom <strong>Stadtrat</strong> gewünschte jährliche Gewinnausschüttung<br />

in Höhe mehrerer Millionen Euro in den


<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> lehnt „Durchstich Stäblistraße“ ab<br />

Von Brigitte Wolf<br />

Im Planungsausschuss am 16. Juli wurde der 40jährigen<br />

Planungsgeschichte der Stäblistraße ein<br />

neues Kapitel angehängt. Im Prinzip geht es um die<br />

geradlinige Verlängerung der Stäblistraße mit direktem<br />

Anschluss zur Autobahn nach Garmisch-<br />

Partenkirchen. Die Befürworter erhoffen sich eine<br />

Entlastung des Ortskerns Forstenried, während die<br />

Anwohner an der geplanten neuen Strecke natürlich<br />

Sturm laufen. Eine Verkehrsreduzierung wird<br />

nicht eintreten, sondern lediglich eine Verlagerung.<br />

Vor vielen Jahren wurde die Verlängerung der<br />

Stäblistraße bereits einmal vom Verwaltungsgericht<br />

gestoppt, Anwohner hatten dagegen geklagt.<br />

Dies wird wohl auch diesmal wieder der Fall sein,<br />

von der Stäblistraße wird man sicherlich noch öfter<br />

hören. Grüne, Freie Wähler und <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />

st<strong>im</strong>mten <strong>im</strong> Ausschuss gegen die Verlängerung.<br />

Wir haben zu diesem Thema folgende Stellungnahme<br />

abgegeben:<br />

Stellungnahme zum „Durchstich Stäblistraße“<br />

vom 25. Juni <strong>2008</strong><br />

1. <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> lehnt den Bebauungsplan zum<br />

„Durchstich Stäblistraße“ ab. Der Bau einer neuen<br />

Hauptverkehrsstraße durch ein (noch) dörfliches<br />

nächsten zehn Jahren eine überaus hohe Steuerbelastung<br />

(weit mehr als 50 Prozent) auslösen würde,<br />

verzichtet der <strong>Stadtrat</strong> auf den geplanten Konsolidierungsbeitrag.<br />

Das Geld soll jetzt in den Unternehmen<br />

bleiben und für weiteren Wohnungsbau,<br />

energetische Sanierung <strong>im</strong> Bestand und den Kauf<br />

von Belegrechten genutzt werden. Ein Wermutstropfen<br />

bleibt aber: die Gewinne müssen weiterhin<br />

von den Mietern aufgebracht werden, das frühere<br />

Konzept der Sozialen Mietobergrenzen wurde nicht<br />

wieder in Kraft gesetzt. Deshalb bleibt <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />

weiterhin bei der Ablehnung der Zielvorgaben für<br />

die beiden Gesellschaften. Die FDP lehnt diese<br />

Zielvorgaben ebenfalls ab, allerdings aus anderen<br />

Gründen. Sie möchte die Gesellschaften verkaufen.<br />

Neue Planungen für ehemalige<br />

Werkbundsiedlung. Den Eckdatenbeschluss<br />

für das erweiterte<br />

Gelände der ehemaligen Werkbundsiedlung<br />

nutzte die CSU<br />

dazu, erneut den Sakamoto-Entwurf<br />

in die Diskussion zu werfen.<br />

Mit einem Änderungsantrag<br />

wollten sie erreichen, dass die<br />

geförderten Wohnungen nicht<br />

mehr <strong>im</strong> bisherigen Planungsbereich<br />

zu realisieren wären, sondern<br />

vollständig in der Erweiterung<br />

zur Dachauer Straße hin.<br />

Das hätte bedeutet, den Sakamoto-Entwurf<br />

vollständig freizugeben<br />

für freifinanzierten Wohnungsbau.<br />

Dies hätte zwar Nachforderungen<br />

des Bundes für das<br />

Wohngebiet passt nicht mehr in die heutige Zeit.<br />

Die Planung wird angesichts der geltenden Richtlinien<br />

zum Schutz vor Lärm- und Feinstaubbelastung<br />

auch keinen Bestand haben können.<br />

. Die vorliegende Planung ist unverträglich für<br />

Forstenried, die Belastung durch den Durchgangsverkehr<br />

wird einfach nur verlagert, statt reduziert.<br />

Im Gegenteil, laut den Prognosen wird sogar noch<br />

mehr Verkehr ins Viertel gezogen. Nötig wären Planungen,<br />

die das Gegenteil bewirken.<br />

3. Der Durchstich wird nicht nur örtlich Forstenried<br />

in zwei Teile trennen, sondern auch eine andauernde<br />

Spaltung der betroffenen Menschen bewirken.<br />

Denn die Entlastung der Einen erfolgt nur<br />

durch Belastung der Anderen. Es muss eine Lösung<br />

gefunden werden, die allen Betroffenen hilft, auch<br />

den Menschen, die an der Liesl-Karlstadt-Straße<br />

unter der Verkehrsbelastung leiden.<br />

4. Bis zur Beschlussfassung <strong>im</strong> Juli sollten sich SPD<br />

und CSU, vor allem deren örtliche Vertreter, eines<br />

Besseren besinnen. Es wäre schade, wenn den Betroffenen<br />

nach einem Beschluss des Planungsausschusses<br />

nur noch der mühsame und langwierige<br />

Weg vor die Gerichte bliebe, um dieses menschenunverträgliche<br />

Vorhaben zu stoppen.<br />

ehemalige Kasernengelände ausgelöst – das focht<br />

CSU und FDP jedoch nicht an. Nach einem längeren<br />

Schlagabtausch der verschiedenen Positionen<br />

fand der CSU-Antrag lediglich die Unterstützung<br />

der FDP – es bleibt also bei der geplanten Wohnund<br />

Gewerbenutzung. Im nächsten Schritt wird<br />

jetzt wiederum ein städtebaulicher Wettbewerb<br />

ausgeschrieben.<br />

Keine Fortbildungsreise ohne Berichterstattung.<br />

Die Kommission für Kunst am Bau möchte auf eine<br />

Fortbildungsreise gehen, unter anderem nach Rotterdam.<br />

Bereits in der vorherigen Amtsperiode hatte<br />

ich <strong>Stadtrat</strong>sreisen häufig abgelehnt mit der Begründung,<br />

dass der Öffentlichkeit nichts von den<br />

Ergebnissen berichtet wird. Diesmal hatte ich <strong>im</strong><br />

Fortsetzung Seite 7<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong> – OktOber <strong>2008</strong> 5


„Call-Center der Telekom in <strong>München</strong> dürfen<br />

nicht geschlossen werden“ Von Orhan Akman<br />

Mit diesem dringlichen Antrag hatte <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />

<strong>im</strong> Münchner Rathaus sich an die Vollversammlung<br />

des <strong>Stadtrat</strong>es am 8.10. 008 gewandt. Denn die<br />

Telekom AG plant die Schließung von mehreren<br />

Call-Center Standorten bis zum Jahr 010, darunter<br />

auch den Standort <strong>München</strong> in der Dingolfinger<br />

Straße mit insgesamt 438 Arbeitsplätzen. 60 Prozent<br />

( 56 Arbeitsplätze) der durch die Auflösung<br />

des Münchner Telekom-Standorts betroffenen Beschäftigten<br />

sind Frauen, 15 Prozent (63 Arbeitsplätze)<br />

sind Schwerbehinderte und 30 Prozent (1 8<br />

Arbeitsplätze) sind Teilzeitbeschäftigte. Für viele<br />

dieser Beschäftigten bedeutet der Verlust ihres Arbeitsplatzes<br />

in Folge der geplanten Standortschließung<br />

eine unzumutbare Härte. Das Angebot der<br />

Telekom an Ersatzarbeitsplätzen an anderen Telekom-Standorten<br />

in Traunstein, Kempten und Augs-<br />

burg ist für viele Beschäftigte ein Scheinangebot,<br />

da sie aufgrund ihrer familiären Situation oder<br />

aufgrund ihrer Behinderung in ihrer Mobilität eingeschränkt<br />

sind und nicht noch längere Fahrtwege<br />

in Kauf nehmen können, als sie dies bereits jetzt<br />

tun.<br />

Die Telekom AG begründet ihre Schließungspläne<br />

ausdrücklich damit, dass es aus Effizienzgründen<br />

erforderlich ist, wirtschaftlich unrentable, kleinere<br />

Call-Center zu schließen und stattdessen größere<br />

Einheiten aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grunde<br />

verwundert es doch sehr, dass ausgerechnet der<br />

Münchner Standort geschlossen werden soll, da er<br />

der zweitgrößte in Bayern ist. Zudem wurde das<br />

Münchner Call-Center erst in jüngster Zeit aufwendig<br />

modernisiert.<br />

Bürgermeister Monatzeder hatte sich am 5. August<br />

008 mit einem Brief an die Telekom-Chefs<br />

gewandt und darin die Erwartung formuliert, dass<br />

die Telekom von ihren Plänen Abstand n<strong>im</strong>mt und<br />

das Service-Centers in <strong>München</strong> weiterhin betreibt.<br />

Da diese Aufforderung bis ohne Erfolg blieb, stellte<br />

<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> das Thema mit ihrem Antrag auf die<br />

Tagesordnung der Vollversammlung, um die<br />

Schließung des Call-Centers zu verhindern.<br />

6 mitlinks nr. <strong>26</strong>, OktOber <strong>2008</strong><br />

In ihrem Antrag forderte <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>:<br />

„Der <strong>Stadtrat</strong> möge deshalb beschließen:<br />

1. Der <strong>Stadtrat</strong> stellt sich hinter die Position („Im<br />

Interesse der betroffenen Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter, aber auch in dem Bewusstsein, dass ein<br />

Verbleib dieser Einrichtung auch für den Wirtschaftsstandort<br />

<strong>München</strong> von großer Bedeutung<br />

ist, möchte ich Ihnen gegenüber die Erwartung der<br />

Stadtspitze zum Ausdruck bringen, dass Sie – getreu<br />

Ihrem selbstgewählten Motto ‚Umbau ist Verantwortung‘<br />

– von einer Schließung des Callcenters<br />

in <strong>München</strong> absehen.“) von Bürgermeister Monatzeder.<br />

. Die Stadtspitze wird beauftragt, umgehend Gespräche<br />

mit dem Vorstand und der Geschäftsleitung<br />

der Telekom AG aufzunehmen und darauf<br />

hinzuwirken, dass die Schließung<br />

des Münchner Call-Centers<br />

sowie auch der anderen<br />

Call-Center abgewendet wird.<br />

3. Der <strong>Stadtrat</strong> beschließt, bis<br />

zur Klärung des Sachverhalts<br />

alle vorhandenen Verträge der<br />

Landeshauptstadt <strong>München</strong> sowie<br />

der städtischen Unternehmen<br />

mit der Telekom zu überprüfen<br />

und soweit dies rechtlich<br />

möglich ist, diese auf „Eis“ zu<br />

legen, um damit Druck auf die<br />

Verantwortlichen bei der Telekom<br />

auszuüben.<br />

4. Der <strong>Stadtrat</strong> macht seine Solidarität<br />

mit den Telekom-Beschäftigten<br />

und seine Missbilligung<br />

der Schließungspläne der<br />

Telekom AG in geeigneter Weise in der Öffentlichkeit<br />

bekannt.“<br />

<strong>Stadtrat</strong>smehrheit verweigert mögliche<br />

Hilfestellung<br />

Doch der zuständige Referent beantragte in seiner<br />

schriftlichen Vorlage für die Vollversammlung nur<br />

dem Punkt 1. des Antrages der <strong>LINKE</strong>N zuzust<strong>im</strong>men.<br />

In der Vollversammlung forderte <strong>Stadtrat</strong><br />

Orhan Akman (<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>) den <strong>Stadtrat</strong> auf, den<br />

Antrag in der ursprünglichen Fassung zu verabschieden.<br />

Dies wurde von der <strong>Stadtrat</strong>smehrheit<br />

abgelehnt. Auch SPD und Grüne haben geschlossen<br />

gegen diesen Antrag gest<strong>im</strong>mt. Die Stadtspitze mit<br />

einem Gespräch mit der Telekom zu beauftragen,<br />

selbst das wurde durch die <strong>Stadtrat</strong>smehrheit abgelehnt.<br />

Damit hat der Münchner <strong>Stadtrat</strong> seinen<br />

Einfluss bei den Verantwortlichen der Telekom AG<br />

nicht geltend gemacht und somit den Beschäftigten<br />

eine machbare Hilfestellung verweigert.<br />

Die Beschäftigten der Telekom AG halten jeden<br />

Montag eine Protestkundgebung ab, um die Schließung<br />

des Call-Centers zu verhindern und damit<br />

ihre Arbeitsplätze zu retten. „Es gilt hierbei nach<br />

wie vor: Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt.“


Fortsetzung vom Seite 5<br />

Bauausschuss beantragt, dass nach der Reise dem<br />

<strong>Stadtrat</strong> und der Öffentlichkeit Bericht zu erstatten<br />

sei. Dies war dort von allen Parteien ohne Diskussion<br />

abgelehnt worden. Nach der erneuten Thematisierung<br />

in der Vollversammlung griff OB Ude ein<br />

und las dem versammelten <strong>Stadtrat</strong> die Leviten bezüglich<br />

der Verwendung öffentlicher Mittel und<br />

Rechenschaftspflicht. Anschließend stellte er meinen<br />

Antrag erneut zur Abst<strong>im</strong>mung, und diesmal<br />

st<strong>im</strong>mten alle Stadträte und –rätinnen zu.<br />

Haushalt 2009: Planung <strong>im</strong> Angesicht der weltweiten<br />

Finanzkrise. Im Juli lag der Eckdatenbeschluss<br />

dem <strong>Stadtrat</strong> zur Beschlussfassung vor, am 8. Oktober<br />

wurde der Haushalt 009 dann vom Oberbürgermeister<br />

eingebracht. Kurz davor nahm die Finanzkrise<br />

dramatische Ausmaße ein. Dennoch unterscheiden<br />

sich Eckdatenbeschluss und eingebrachter<br />

Haushalt von den Daten her kaum. Auf<br />

welcher Grundlage hätte dies auch geschehen sollen?<br />

Im vorgeschlagenen Zahlenwerk ist aus Sicht der<br />

Kämmerei noch alles in Ordnung: <strong>München</strong> investiert<br />

viel, baut Schulden ab und wird zudem noch<br />

reicher als es schon ist. Im Juli kündigte sich zwar<br />

schon leise eine konjunkturelle Abkühlung ab, die<br />

Ereignisse der letzten Wochen konnte aber keiner<br />

vorhersehen.<br />

Einig sind sich alle: die Finanzkrise hat die Realwirtschaft<br />

bereits erreicht, das Ausmaß wird man<br />

aber erst in den nächsten Wochen absehen können.<br />

Die Auswirkungen z.B. auf die Gewerbesteuer sind<br />

völlig unklar. Alles hofft, dass das Kredit- und<br />

Bankensystem nicht vollständig zusammenkracht.<br />

Ein seltsames Bild gab OB Ude ab. Er erklärte unseren<br />

Geschäftsordnungsantrag, vor der Haushaltseinbringung<br />

die Bekanntgabe über die bisher<br />

bekannten Auswirkungen der Finanzkrise auf den<br />

Münchner Stadthaushalt zu behandeln, für unzulässig.<br />

Er stehe nicht auf der Tagesordnung des<br />

ersten Plenums, sondern erst auf dem zweiten. Und<br />

diese Bekanntgabe wurde erst als Tischvorlage <strong>im</strong><br />

Plenum verteilt, so dass der <strong>Stadtrat</strong> teilweise ins<br />

Blaue hinein diskutierte. Natürlich haben sich in<br />

der Debatte dann trotzdem alle auf diese Vorlage<br />

Die Haushaltsreden von Brigitte Wolf<br />

sind <strong>im</strong> Internet abrufbar<br />

8. Oktober <strong>2008</strong>, Rede zur Haushaltseinbringung<br />

23. Juli <strong>2008</strong>, Position zum Eckdatenbeschluss für den<br />

Haushalt 2009<br />

www.dielinke-muenchen-stadtrat.de/dokumentation/archiv/<br />

bezogen – was auch sonst?<br />

Die Stadtkämmerei hat bisher 4 Mio. Euro bei der<br />

Pleite der Lehman Brothers verloren, mehr war bis<br />

zum 8. Oktober nicht vorgekommen. Tagesgeld in<br />

Höhe von 50 Mio. Euro war gerade einige Tage vor<br />

der Pleite der Bank „Lehman Brothers“ noch rechtzeitig<br />

zurück geholt worden. Der Chef der Stadtsparkasse,<br />

Herr Strötgen, konnte den <strong>Stadtrat</strong> <strong>im</strong>merhin<br />

insoweit beruhigen, dass bei ihnen keine<br />

Abschreibungen erforderlich sein werden. Bei den<br />

Kosten für die HRE-Bürgschaft ist die Sparkasse<br />

mit ca. 5 Mio. Euro dabei, die Rettungsaktion für<br />

die Bayerische Landesbank wird max<strong>im</strong>al 108 Mio.<br />

Euro kosten. Das sind Beträge, die die Stadtsparkasse<br />

<strong>München</strong> nicht gefährden – auch wenn der<br />

Gewinn wohl geringer ausfallen wird als in den<br />

letzten Jahren. Andererseits entdecken jetzt viele<br />

Anleger die Sparkasse als sicheren Hafen, so dass<br />

die Sparkasse <strong>im</strong> Moment keinen Liquiditätsengpass<br />

hat.<br />

Unsere Forderung an OB Ude, die sozialen Leistungen<br />

der Stadt zu garantieren, wurde von diesem<br />

leider nicht aufgegriffen. Die Gefahr ist groß, dass<br />

hier wieder als erstes gespart werden wird. Wachsamkeit<br />

ist erforderlich.<br />

Nach mehrstündigen Aussprachen gelangte<br />

schließlich ein Haushalt zur Beratung in die Ausschüsse,<br />

von dem alle wissen, dass er <strong>im</strong> Dezember<br />

so wohl nicht verabschiedet werden kann. Der Investitionsplan<br />

008 bis 01 wurde gleichfalls von<br />

der <strong>Stadtrat</strong>smehrheit beschlossen.<br />

Zentrenbildung der Kliniken beeinflusst Pflegebereich.<br />

Im medizinischen Bereich der städtischen<br />

Kliniken werden vermehrt „Zentren“ gebildet, dies<br />

führt zu Änderungen <strong>im</strong> Pflege- und Servicemanagement.<br />

Diese Änderungen wurden dem <strong>Stadtrat</strong><br />

vorgestellt. Die CSU verlangte, dass der <strong>Stadtrat</strong><br />

über diese grundlegende Unternehmensstruktur<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong> – OktOber <strong>2008</strong> 7


Kulturausschuss in tiefen Gründen Von Brigitte Wolf<br />

Im Kulturausschuss am 17. Juli zeigten sich gravierende<br />

Meinungsverschiedenheiten zwischen <strong>Stadtrat</strong><br />

und Kunstszene in Bezug auf die Fragestellung:<br />

Was ist ein Kunstwerk?<br />

Was ist ein Denkmal?<br />

Einmal ging es dabei um die Arbeit der Fachkommission,<br />

die einen Wettbewerb für ein „Denkmal<br />

für Demokratie“ vorbereiten sollte. Statt einem traditionellen<br />

Denkmal hatte sich die Kommission bereits<br />

auf ein „Kunstwerk für Demokratie“ geeinigt.<br />

Für einen Teil der Fachjuroren war aber ein dauerhaftes<br />

Kunstwerk zu diesem Thema nicht vorstellbar,<br />

so dass sich die Debatten laut Schilderungen<br />

<strong>im</strong>mer wieder <strong>im</strong> Kreis drehten. Letzten Endes<br />

stellte die Kommission dann die Arbeit ergebnislos<br />

ein.<br />

Georg­Elser­Denkmal<br />

Zweiter Punkt war das Georg-Elser-Denkmal, das<br />

am Georg-Elser-Platz an der Türkenschule entstehen<br />

soll. Das Jury-Ergebnis fand nicht die Zust<strong>im</strong>mung<br />

der CSU und unseres kunstsinnigen Oberbürgermeisters.<br />

Prämiert wurde eine Kunstinstal-<br />

beschließen müsse, während die rot-grüne Mehrheit<br />

darauf beharrte, dass es sich bei diesen Änderungen<br />

um Teile des operativen Geschäfts handele,<br />

in das der <strong>Stadtrat</strong> nicht eingreife. <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />

lehnt das Konzept ab, weil die Arbeitnehmerwünsche<br />

bei der Dienstplangestaltung nicht mehr zur<br />

Kenntnis genommen würden, zudem sei der Betriebsrat<br />

nicht einverstanden mit der Umstellung.<br />

Gegen die St<strong>im</strong>men von CSU und <strong>LINKE</strong> wurden<br />

die vorgestellten Änderungen vom <strong>Stadtrat</strong> zur<br />

Kenntnis genommen.<br />

Stadtwerke <strong>München</strong>: Weiter auf dem Weg zu einem<br />

internationalen Konzern. Zur Erreichung des<br />

<strong>Stadtrat</strong>sziels, 0 Prozent des Stroms aus regenerativen<br />

Energien zu erzeugen, steigen die Stadtwerke<br />

bei Photovoltaikparks und Windparks ein – zumindest<br />

bemühen sie sich darum. Dafür holten sie be<strong>im</strong><br />

<strong>Stadtrat</strong> die prinzipielle Genehmigung ein – allerdings<br />

wiederum ohne dem <strong>Stadtrat</strong> die erforderlichen<br />

Kontrollrechte einzuräumen. Deshalb blieben<br />

wir bei unserer prinzipiellen Ablehnung. Im<br />

Oktober wurde dann einer Ausweitung der Erdgasförderung<br />

in Norwegen gegen unsere St<strong>im</strong>men zugest<strong>im</strong>mt.<br />

Auch diese „Upstream-Aktivitäten“ der<br />

Stadtwerke können vom <strong>Stadtrat</strong> nicht kontrolliert<br />

werden. Teilweise liegt dies daran, dass norwe-<br />

8 mitlinks nr. <strong>26</strong>, OktOber <strong>2008</strong><br />

lation, wo jeden Abend zum Zeitpunkt des gescheiterten<br />

Attentats auf Hitler ein Neonblitz für eine<br />

Minute aufleuchtet, der die Bombenexplosion <strong>im</strong><br />

Bürgerbräusaal nachempfinden soll. Damit wird<br />

auch die Tat <strong>im</strong> Leben Georg Elsers gewürdigt, für<br />

die er uns heute noch <strong>im</strong> Gedächtnis ist. Obwohl<br />

SPD, Grüne, <strong>LINKE</strong> und der Kulturreferent für das<br />

Kunstwerk votierten, wurde die Beschlussfassung<br />

nach der Intervention des OB in die Vollversammlung<br />

verlegt, und von dort zurück in den Kulturausschuss<br />

am . Oktober. Dort wurde der Jury-Vorschlag<br />

nach erneuter Debatte gegen die St<strong>im</strong>men<br />

der CSU gebilligt.<br />

Interkulturelle Kulturarbeit wird<br />

(hoffentlich) gestärkt<br />

Auf unseren Antrag hin ergänzte Kulturreferent<br />

Küppers die <strong>Stadtrat</strong>sziele des Kulturreferats für<br />

009 um das Thema „Interkulturelle Kulturarbeit“.<br />

Sie soll als „Querschnittsthema“ <strong>im</strong> Kulturreferat<br />

verankert werden. Wir bezogen uns mit diesem Antrag<br />

auf Anregungen aus dem Ausländerbeirat, der<br />

ein neues Konzept der „Migrantenkulturarbeit“<br />

beantragt hatte.<br />

gisches bzw. dänisches Recht gilt, andererseits auch<br />

daran, dass der <strong>Stadtrat</strong> sich nicht darum bemüht,<br />

die Kontrolle zurück zu gewinnen. Es wird zwar<br />

regelmäßig gemault, aber Ernst macht die rot-grüne<br />

<strong>Stadtrat</strong>smehrheit nicht.<br />

Sommergewitter: Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe<br />

von Beraterverträgen. Im August wurde in der<br />

Presse groß über Unregelmäßigkeiten bei der städtischen<br />

Vergabe von Beraterverträgen berichtet,<br />

Stichwort „Beratersumpf“ – ohne dass der <strong>Stadtrat</strong><br />

bisher einen Bericht erhalten hatte. Wie kam es dazu?<br />

Im Juli erhielt der Rechnungsprüfungsausschuss<br />

(RPA) einen Bericht über die Prüfung von 41<br />

Beraterverträgen mit einem Vergabevolumen von<br />

1,3 Mio. Euro aus dem Zeitraum 1998 bis 003. Der<br />

RPA vertagte die Behandlung in die Oktobersitzung,<br />

<strong>im</strong> Sommerloch und Landtagswahlkampf<br />

wurde der Bericht an die Presse gespielt und führte<br />

zu den obigen Schlagzeilen. Die FDP nutzte dies,<br />

sich in Form eines dringlichen Antrags zu profilieren,<br />

und sprach von „korruptionsanfälligen Beraterverträgen“.<br />

Laut Kurzbericht des Revisionsamtes lag allerdings<br />

kein kr<strong>im</strong>inelles Verhalten vor, sondern das Wissen<br />

fehlte bei den Sachbearbeitern, dass das Vergaberecht<br />

auch für Beraterverträge einzuhalten ist. Der<br />

OB ordnete die stichprobenartige Überprüfung aktuellerer<br />

Vergabefälle an, der Bericht des RPA<br />

kommt <strong>im</strong> Herbst in den <strong>Stadtrat</strong>, dann werden<br />

auch wir hoffentlich mehr erfahren.<br />

Neues Stadtviertel Freiham: Nachhaltiges Energiekonzept<br />

mit Geothermie. Im nächsten Jahrzehnt<br />

soll in Freiham nördlich der S-Bahn ein ganzes<br />

Stadtviertel neu entstehen. Zur Energieversorgung<br />

ist ein einzigartiges Konzept geplant: Die Grundlast<br />

soll über Geothermie abgedeckt werden, die ein<br />

Niedrigtemperaturnetz mit Wärme versorgt. Dieses<br />

Niedrigtemperaturnetz wird dem bereits vorhan-


denen Fernwärmenetz nachgeschaltet, da dieses<br />

mit einer höheren Temperatur arbeitet. Spitzen <strong>im</strong><br />

Wärmebedarf sollen durch ein Gasheizkraftwerk<br />

abgedeckt werden, das mit Kraft-Wärme-Kopplung<br />

arbeitet. Gebaut und betrieben wird das Ganze<br />

durch die Stadtwerke, eine Ausschreibung ist<br />

wohl nicht nötig, da hier das „Bergrecht“ gilt.<br />

Voraussetzung: Es wird zumindest <strong>im</strong> ersten Realisierungsabschnitt<br />

einen Anschlusszwang geben,<br />

lediglich Passivhäuser und Häuser mit noch besserem<br />

energetischen Standard sind davon ausgenommen.<br />

In allen Wohnungen muss eine Fußbodenheizung<br />

eingebaut werden, hoher Aufwand für Wärmedämmung<br />

ist erforderlich, damit mit der niedrigen<br />

Temperatur eine ausreichende Raumwärme<br />

erreicht wird.<br />

Nach einer längeren Debatte <strong>im</strong> Ausschuss und einer<br />

kleinen Änderung verabschiedete die Vollversammlung<br />

dieses Konzept einst<strong>im</strong>mig.<br />

Ackermannbogen: Einkaufszentrum jetzt doch in<br />

zentraler Lage. Ein Antrag auf einer Bürgerversammlung<br />

und das unablässige Engagement des<br />

zuständigen Bezirksausschusses waren der Anlass<br />

für eine erneute Befassung des <strong>Stadtrat</strong>s mit der<br />

Situierung des Einkaufszentrums <strong>im</strong> Neubaugebiet<br />

am Ackermannbogen. Eine Mehrheit von CSU und<br />

Grüne hatten letztes Jahr mit knapper Mehrheit die<br />

Verlegung an die Schwere-Reiter-Straße durchgesetzt.<br />

Bei der Kommunalwahl hat die CSU allerdings so<br />

viele Mandate verloren, dass eine Mehrheit aus CSU<br />

und Grüne alleine nicht mehr möglich ist. So erhielt<br />

der Änderungsantrag der SPD, das Einkaufszentrum<br />

wieder in die Mitte des Baugebiets zu verlegen,<br />

diesmal eine deutliche Mehrheit aus SPD mit Oberbürgermeister,<br />

<strong>LINKE</strong>, 4 St<strong>im</strong>men aus der FDP,<br />

aus der CSU und <strong>Stadtrat</strong> Richter. Hauptargument<br />

für die Mittellage ist in unseren Augen die Rücksichtnahme<br />

auf die angrenzenden Wohnviertel,<br />

dort soll die Nahversorgung nicht gefährdet werden.<br />

Zudem ist sie für die Nahversorgung des neuen<br />

Viertels in fußläufiger Entfernung besser geeignet.<br />

Die Planänderung wird laut Referat zu keinen Verzögerungen<br />

bei der Bebauung führen. Für die meisten<br />

Anwohner ist das wahrscheinlich das Wichtigste.<br />

Städtepartnerschaft mit Harare wird fortgesetzt.<br />

Einst<strong>im</strong>mig sprach sich die Vollversammlung für<br />

eine Fortsetzung der Städtepartnerschaft mit Harare<br />

aus. Bürgermeister Chiroto von der Oppositionsbewegung,<br />

der <strong>im</strong> Frühjahr dieses Jahres gewählt<br />

worden war, hatte mit überzeugenden Worten<br />

für die Weiterführung und die Beendigung des<br />

„Einfrierens“ geworben. Die offizielle Städtepartnerschaft<br />

hatte <strong>München</strong> schon lange aufgekündigt,<br />

den Kontakt zu zivilgesellschaftlichen Bewegungen<br />

jedoch nicht abreißen lassen. Nachdem sich<br />

jetzt eine Verbesserung der politischen Lage abzeichnet,<br />

soll die Zusammenarbeit mit dem <strong>Stadtrat</strong><br />

von Harare vorsichtig wieder aufgenommen<br />

werden. Allerdings hat er bisher noch keinerlei<br />

Exekutivrechte zurück erhalten, dies ist ein wichtiges<br />

Ziel. Dagmar Henn hat in ihrem Redebeitrag<br />

darauf hingewiesen, dass eine solche Städtepartnerschaft<br />

durchaus beiden Seiten nützen kann.<br />

Harare beispielsweise möchte das Instrument eines<br />

Bürgerhaushalts einführen – davon könnte auch<br />

<strong>München</strong> profitieren.<br />

bürgerversammlung<br />

Haidhausen: nein zum<br />

zweiten s-bahn-tunnel<br />

Von Ulrich sedlaczek<br />

Fast 400 Menschen drängten sich trotz 30 Grad Außentemperatur<br />

am 30.7. 008 <strong>im</strong> Saal des Hofbräukellers<br />

am Wiener Platz. Dort fand die außerordentliche<br />

Bürgerversammlung zum Thema zweiter<br />

S-Bahn-Tunnel und seine Auswirkungen auf Haidhausen.<br />

Nach der Begrüßung durch Bürgermeisterin Strobel<br />

versuchte Albert Scheller (Leiter der DB-Projektbau<br />

GmbH) mit vielen Schaubildern der derzeitigen<br />

Stand der Planungen zu erläutern. Bis 0 0<br />

soll in Haidhausen gebaut werden. Der Bau soll<br />

009 beginnen. Der erste Ast vom Hauptbahnhof<br />

zum Leuchtenbergring soll bis 016 fertiggestellt<br />

sein, der zweite zum Ostbahnhof dann bis 0 0.<br />

Zum Vergleich: Der Bau der ersten Stammstrecke<br />

wurde von 1966 bis 1971 in nur fünf Jahren durchgeführt.<br />

Die geplante lange Bauzeit von elf Jahren<br />

hat wohl weniger technischen Ursachen. In erster<br />

Linie geht es wohl darum, die Kosten auf mehrere<br />

Jahre zu verteilen. Ansonsten erklärte Herr<br />

Scheller in welcher Tiefe die S-Bahn-Tunnel liegen<br />

sollen, wo die Rettungsschächte geplant sind, wie<br />

der Aushub abtransportiert werden soll usw. Was er<br />

wieder nicht erklärte, war das Betriebskonzept für<br />

den S-Bahn-Verkehr nach Fertigstellung der zweiten<br />

Tunnelröhre. Er ging auch nicht auf die Befürchtungen<br />

ein, dass die Taktfrequenzen auf der<br />

bisherigen Stammstrecke verringert werden müssten,<br />

da die Außenstrecken nach dem Leuchtenbergring<br />

bzw. Ostbahnhof ja nicht wesentlich mehr Züge<br />

verkraften könnten als bisher. Da die S-Bahnen<br />

auf der neuen Stammstrecke nur einen einzigen<br />

Halt zwischen Hauptbahnhof und Leuchtenbergring/Ostbahnhof<br />

am Marienhof vorsehen, würde<br />

dies für wesentliche Bereiche der Innenstadt eine<br />

Verschlechterung der Anbindung an die S-Bahn<br />

bedeuten.<br />

Nach Schellers Ausführungen bekam zunächst die<br />

BI Tunnelaktion Haidhausen für insgesamt 10 Minuten<br />

das Wort um ihre Argumente zusammenhängend<br />

darzustellen. Sie kritisierten die Belastungen<br />

für die Bewohner Haidhausens stellten aber vor<br />

allem auch in Frage, ob der Verwirklichung der<br />

vorliegenden Planungen eine wirkliche Verbesserung<br />

des öffentlichen Nahverkehrs in <strong>München</strong><br />

bringen würden. „Wir brauchen keine S-Bahn, die<br />

an den Fahrgästen vorbeifährt“, rief Ingeborg Michelfeit<br />

von der BI ins Mikrofon.<br />

Doch die BI hat auch eine Alternative zum mindestens<br />

1,6 Mrd. € teuren Tunnelbau parat. Den Teilausbau<br />

des Südrings. Dieser kostet nicht nur deutlich<br />

weniger Geld, sondern erschließt auch neue<br />

Fahrverbindungen, die in einigen Fällen zu wesentlich<br />

kürzeren Fahrzeiten führen. Demgegenüber<br />

werden die Fahrzeiten <strong>im</strong> zweiten Tunnel der parallel<br />

zur ersten Stammstrecke verläuft, nur durch<br />

den Wegfall von Haltestellen verkürzt.<br />

Der Verfasser dieser Artikels hat als Ergänzung zu<br />

diesen Forderungen der BI auf dieser Bürgerver-<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong> – OktOber <strong>2008</strong> 9


sammlung noch den Antrag eingebracht, dass der<br />

<strong>Stadtrat</strong> aufgefordert wird, umgehend die konkreten<br />

Planungen für die Verlängerung der U 5 vom<br />

La<strong>im</strong>er Platz nach Pasing in Angriff zu nehmen.<br />

Damit könnte mit vergleichsweise geringen Kosten<br />

eine zweite durchgehende Schnellbahnverbindung<br />

zwischen Ostbahnhof und Pasing hergestellt werden.<br />

Bei Störungen auf der bisherigen S-Bahn-<br />

Stammstrecke gäbe es damit eine Ausweichroute<br />

<strong>im</strong> Schnellbahnnetz. Dieser Antrag wurde ebenso<br />

wie die Anträge der BI mit großer Mehrheit angenommen.<br />

Ein Gesamtplan für den ÖNPV in der<br />

Region <strong>München</strong> wird gebraucht<br />

Andreas Bohl von den Haidhauser Nachrichteten<br />

brachte das Kernproblem dieser Veranstaltung auf<br />

den Punkt: „Ein Skandal, dass niemand von der<br />

Staatsregierung auf der Bühne sitzt, soll das die<br />

Diskussion sein, die uns <strong>im</strong>mer in Aussicht gestellt<br />

wurde?“ Kritik übt er auch an der Landeshauptstadt:<br />

„Warum lässt sich die Stadt nicht zu einer<br />

klaren Stellungnahme hinreißen?“<br />

Die Region <strong>München</strong> bräuchte dringend eine integrierte<br />

Planung für den Ausbau des öffentlichen<br />

Nahverkehrs. Die Verantwortlichen vom Freistaat<br />

Bayern, Stadt <strong>München</strong> und den umliegenden<br />

Landkreisen müssten sich zusammensetzen und<br />

entscheiden, was wann gebaut wird. Dabei gehört<br />

auch das Thema Flughafenanbindung auf den<br />

Tisch. Wie nötig dies ist, macht auch ein Bericht in<br />

der SZ vom .9. 008 über eine Sitzung des Bezirksausschuss<br />

Pasing-Obermenzing deutlich. Dort<br />

brachte der BA-Vorsitzende und SPD-<strong>Stadtrat</strong><br />

Christian Müller den Antrag ein, vor der Verlängerung<br />

der U 5 nach Pasing zunächst noch einmal die<br />

Wirtschaftlichkeit dieser U-Bahn-Trasse zu überprüfen.<br />

Seine Argumentation: „Mit der zweiten Stammstrecke<br />

würden die S-Bahnen in Zukunft <strong>im</strong> Zehn-Minuten-Takt<br />

verkehren, das Verkehrsangebot in<br />

Richtung Innenstadt würde deutlich besser. Deshalb<br />

sei es sinnvoll zu prüfen, wie sich die zweite<br />

Stammstrecke auf das Erschließungspotential der<br />

U-Bahn auswirken würde. Unterstützung bekam<br />

die SPD von Romanus Scholz (Grüne): ‚Wir wollen<br />

eine Gesamtbetrachtung.‘ Mit der zweiten<br />

Stammstrecke sei seiner Meinung nach die U-Bahn<br />

nach Pasing hinfällig.“ (SZ vom .9. 008). Dieser<br />

Antrag wurde zwar mit einer Mehrheit von CSU,<br />

FDP und einigen St<strong>im</strong>men aus der SPD abgelehnt.<br />

Er macht aber das Dilemma der Projekte zum Ausbau<br />

des ÖNPV <strong>im</strong> Großraum <strong>München</strong> deutlich.<br />

Wie schon bei den Planungen für den Transrapid<br />

verhindert das Festhalten an unsinnigen milliardenschweren<br />

Großprojekten die Realisierung sinnvoller<br />

Ausbaumaßnahmen mit überschaubaren<br />

Kosten. Aber vielleicht ist das Abst<strong>im</strong>mungsergebnis<br />

<strong>im</strong> BA Pasing-Obermenzing ja auch ein gutes<br />

Zeichen für ein Umdenken in der neuen Bayerischen<br />

Staatsregierung von CSU und FDP.<br />

10 mitlinks nr. <strong>26</strong>, OktOber <strong>2008</strong><br />

Wie berichtet, hatte der Sportausschuss des<br />

Münchner <strong>Stadtrat</strong>s <strong>im</strong> April 008 Modernisierungen<br />

<strong>im</strong> Stadion an der Grünwalder Straße in<br />

Höhe von 800.000 EUR genehmigt, um die Auflagen<br />

des DFB für die neue Dritte Liga zu erfüllen. Diese<br />

Maßnahmen betrafen ausschließlich Sicherungsanlagen<br />

(Kameras, Beschallungsanlagen), polizeiliche<br />

Einrichtungen (Kommandocontainer, Arrestzellen)<br />

und den Einbau neuer Zäune in die Blöcke G/H und<br />

Q.<br />

Als die Umbauten Ende Juli fertig waren, rechtzeitig<br />

zum Giesinger He<strong>im</strong>atabend (Freundschaftsspiel<br />

1860–1. FC Kaiserslautern), gab man überdies<br />

eine Reduzierung des Fassungsvermögens des Stadions<br />

von bisher 1. 7 auf 10. 40 bekannt, also auf<br />

die Hälfte der bisherigen Kapazität. Interessant ist<br />

dabei, dass die Kapazität je nach Gastgeber-Verein<br />

auf andere Blöcke verteilt wird: Neben den Sitzplätzen<br />

auf Gegen- und Haupttribüne sind als<br />

Stehplätze be<strong>im</strong> FC Bayern die Blöcke P und Q1/Q<br />

(ca. 3.500 Zuschauer) als He<strong>im</strong>kurve, sowie für die<br />

Gästefans die beiden neu entstandenen Blöcke G<br />

und H (ca. 1.000 Zuschauer) verfügbar. Be<strong>im</strong> TSV<br />

1860 ist als He<strong>im</strong>kurve die komplette Westkurve<br />

mit den Blöcken F1/F /G/H (ca. 3.500 Plätze) geöffnet,<br />

während sich die Gäste mit den Blöcken Q1<br />

und Q begnügen müssen (ca. 1.000 Zuschauer).<br />

Man erkennt dadurch, dass die Kapazitätsverringerung<br />

somit keine baulichen Gründe besitzt. Außerdem<br />

können die Vereine eine Sondergenehmigung<br />

beantragen, wenn höhere Zuschauerzahlen erwartet<br />

werden. Be<strong>im</strong> Spiel FC Bayern II – Dynamo<br />

Dresden wurde beispielsweise die gesamt Westkurve<br />

geöffnet, um die 4.000 Dresdner Fans aufnehmen<br />

zu können.<br />

Daraufhin recherchierten Mitglieder der Freunde<br />

des Sechz’ger Stadions e.V. nach den Gründen dieser<br />

Reduzierungsmaßnahme. Als niedergeschriebene<br />

Quellen dienten dabei sowohl die am 1.1. 008<br />

in Kraft getretene neue Bayerische Versammlungsstättenverordnung<br />

wie auch die entsprechende<br />

DFB-Richtlinie „Verbesserung der Sicherheit bei<br />

Bundesspielen“, die auch für die neue Dritte Liga<br />

und die Regionalliga Gültigkeit besitzt. Hier wurde<br />

die max<strong>im</strong>ale Größe eines Stehplatzsektors mit<br />

.500 angegeben, also einer Größe, die bereits mit<br />

den Umbauten zur Zweitligasaison 004/ 005 und<br />

der Einteilung des Blocks F in F1 und F erzeugt<br />

wurde. Die Blöcke Q und G/H boten bis zum jetzigen<br />

Umbau weniger oder gleich .500 Zuschauern<br />

Platz, hätten also eigentlich nicht nochmals verkleinert<br />

werden müssen. Dies ist <strong>im</strong> Einklang mit<br />

der DFB-Richtlinie sowie mit der Bayerischen Versammlungsstättenverordnung,<br />

die für bestehende<br />

Sportanlagen keinerlei Einteilungen vorschreibt,<br />

sondern nur für Neubauten. Die aufgewendeten<br />

Mittel für die Zäune wären also so gut wie zum<br />

Fenster hinausgeschmissenes Geld.<br />

Ein anderer Treppenwitz ist die Einrichtung des


Von tierhaltung und kapazitäten<br />

Warum das Grünwalder stadion auf einmal nur<br />

noch die Hälfte der Zuschauer aufnehmen darf<br />

Von Dr. markus Drees, Freunde des sechz’ger stadions e.V.<br />

Kommandocontainers für die Polizei in der eigentlich<br />

aus baulichen Gründen gesperrten oberen<br />

Hälfte von Block J. Somit wird auch der untere Teil<br />

des Blocks nicht mehr zu nutzen sein, solange die<br />

Staatsmacht es sich dort gut gehen lässt. Es hätte<br />

vermutlich ausgereicht und wäre sogar billiger gekommen,<br />

die vorhandene Polizeizentrale unter dem<br />

Dach der Haupttribüne auszubauen und neu einzurichten.<br />

Die Stadionfreunde erkannten anhand ihrer Recherchen,<br />

dass die einzig Verantwortlichen für diesen<br />

Willkür-Akt <strong>im</strong> KVR und vor allem bei der Polizei<br />

sitzen. Letztendlich wurde die Stadt <strong>München</strong><br />

sogar von den Sicherheitsorganen und dem DFB<br />

gelobt, dass man die Musterstadt der Dritten Liga<br />

sei und sämtliche Wünsche der Polizei erfüllt habe.<br />

Daher gingen die Stadionkämpfer um den ersten<br />

Vorsitzenden Roman Beer Mitte September an die<br />

Presse (SZ und AZ, 0.9.08) und kontaktierten<br />

Architektonische Meisterleistung: Polizeicontainer mitten <strong>im</strong> völlig gesperrten<br />

Block J der Westkurve<br />

sämtliche Entscheidungsträger bei Stadt, Polizei<br />

und Vereinen mit der Forderung, dass diese willkürlichen<br />

Maßnahmen rund um das Sechz’gerstadion<br />

wieder zurückzunehmen sind, allen voran<br />

die Kapazitätseinschränkungen. Zusammen mit<br />

dem übertriebenen Polizeieinsatz be<strong>im</strong> Amateurederby<br />

FC Bayern II – TSV 1860 II in der letzten<br />

Saison stellte man sich die Frage, „ob die Polizei<br />

und das KVR zur Organisation von sportlichen<br />

Großveranstaltungen und zur Gewährleistung der<br />

Sicherheit fähig sind“. Beer ist sich sicher, dass bei<br />

einer dauerhaften Reduzierung der Zuschauerkapazität<br />

in der Öffentlichkeit das Bild eines abrissreifen<br />

Stadion entsteht. Daher müsse dieser Willkür-Aktion<br />

entgegengewirkt werden.<br />

In den Zeitungsartikeln von AZ („Das ist Tierhal-<br />

tung“) und SZ („10 40 statt 1 7 “) verteidigten<br />

Vertreter der Stadt bzw. des DFB die durchgeführten<br />

Maßnahmen. Die Polizei hingegen gab keine<br />

Stellungnahme ab. So sagte der Vertreter der Sicherheitsabteilung<br />

<strong>im</strong> DFB, dass das Stadion aus<br />

Kostengründen auf eine Kapazität von ein wenig<br />

über der Mindestmarke von 10.000 Zuschauern heruntergefahren<br />

wurde. Diese Ansicht konkretisiert<br />

auch der stellvertretende Sportamtschef Schwarz<br />

mit eingesparten Kosten für Reinigung und Sicherheitskräfte.<br />

Außerdem können die verkleinerten<br />

Blöcke G und H der Polizei die Überwachung der<br />

Gästefans erleichtern. Die Stadionfreunde und vermutlich<br />

auch die schon in <strong>München</strong> gewesenen Fans<br />

der Gastmannschaften vom FC Bayern II bezeichnen<br />

diese mit Zäunen abgesicherten Mini-Sektoren<br />

schon treffend als „Tierkäfig“.<br />

Die Freunde des Sechz’ger Stadions e.V. gaben daraufhin<br />

am 6.09.08 eine erneute Stellungnahme<br />

heraus und kommentierten die Aussagen<br />

des stellvertretenden Sportamtschefs. Die<br />

dort zitierten Kosten für den Ordnungsdienst<br />

fielen ohnehin nicht zu Lasten der<br />

Stadt <strong>München</strong>, da die Ordner vom Verein<br />

gestellt werden. Lediglich die Reinigungskosten<br />

werden von der Stadt <strong>München</strong> getragen.<br />

Normalerweise sollten diese mit<br />

der Miete aber auch von den Stadionnutzern<br />

refinanziert werden. Sollte dies nicht<br />

der Fall sein, könnte man auch in Kooperation<br />

mit den Vereinen bei geringem Zuschaueraufkommen<br />

Teile des Stadions<br />

verschlossen halten, ohne das offizielle<br />

Fassungsvermögen zu verkleinern. Somit<br />

ist nach Ansicht der Stadionfreunde nicht<br />

zuletzt aufgrund dieser schon sehr nach<br />

Ausreden klingenden Begründungen klar,<br />

dass die Polizei auf die Verringerung der<br />

Kapazität gedrängt hat, und die Stadt und<br />

die Vereine sich diesem Diktat gebeugt haben.<br />

Es zeigt sich auch <strong>im</strong>mer in den jährlichen<br />

Bürgerversammlungen der Bezirke Untergiesing/Harlaching<br />

und Obergiesing, dass die Polizei<br />

das Stadion und seine „Renaissance“ bei Spielen<br />

in den höchsten Amateurligen nicht gut heißt. Hier<br />

predigt der Leiter der zuständigen Polizeiinspektion<br />

Hr. Schmöller <strong>im</strong>mer von den Horden von Hooligans<br />

– gerade aus dem Osten Deutschlands –, die<br />

über das beschauliche Giesing hereinbrechen werden.<br />

Be<strong>im</strong> Spiel FC Bayern II gegen Dynamo Dresden<br />

kamen tatsächlich 7.000 Zuschauer, vornehmlich<br />

aus Sachsen. Doch was ist passiert? Nichts! Die<br />

Polizei musste <strong>im</strong> Umfeld des Stadions nicht eingreifen.<br />

Am 3.10.08 bei der nächsten Bürgerversammlung<br />

in Untergiesing/Harlaching kann man<br />

vermutlich wieder den Schauergeschichten des<br />

Herrn Schmöller lauschen. Wir wünschen gute Unterhaltung!<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong> – OktOber <strong>2008</strong> 11


mietergemeinschaft kafkastraße: mieter in<br />

neuperlach wehren sich Von tino krense<br />

Am 17. Juli 008 fand in der Sportgaststätte des SV<br />

Neuperlach eine Versammlung der Mitglieder der<br />

Mietergemeinschaft Kafkastraße statt. Gut zwei<br />

Drittel der Anwohner der Häuser 4 bis 48 haben<br />

sich inzwischen dieser Gemeinschaft angeschlossen.<br />

Bevor es um die Probleme in dieser Wohnanlage<br />

geht, soll noch ausdrücklich gelobt werden, dass<br />

sich derart viele der in den betreffenden Häusern<br />

ansässigen Mietparteien zu dieser Gemeinschaft<br />

zusammen geschlossen haben, dies um so mehr, da<br />

die Bewohner in ihrer Gesamtheit durchaus als positiv<br />

multikulturell bezeichnet werden können.<br />

Neben den Mieterinnen und Mietern sowie drei<br />

Vertretern des Hauseigentümers, der Deutschen<br />

Annington, waren auf Einladung von Herrn Zenk<br />

und Herrn Eckmann aus dem Vorstand der Mietergemeinschaft<br />

auch drei Gäste aus der Münchner<br />

Politik anwesend: für <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> der Verfasser<br />

dieses Berichts und Mitarbeiter der Münchner<br />

<strong>Stadtrat</strong>sgruppe sowie für die SPD die Herren Damaschke<br />

und Dichtl vom örtlichen Bezirksausschuss<br />

Ramersdorf-Perlach. Die ebenfalls eingeladene<br />

CSU zog es vor, der Veranstaltung fernzubleiben.<br />

Letzteres spricht für sich und muss daher nicht<br />

weiter kommentiert werden. Für unsere <strong>Stadtrat</strong>sgruppe<br />

jedenfalls war ohne jegliche Diskussion<br />

klar, dass es uns ebenfalls beunruhigt, wenn Mieter<br />

in <strong>München</strong> beunruhigt sind und sich an uns wenden.<br />

Nun ist es ja nicht gerade üblich, dass bei Mieterversammlungen<br />

Vertreter aus der Politik um ihre<br />

Teilnahme gebeten werden. Sicherlich zeugt dies<br />

von der schwierigen Situation Münchner Mieter <strong>im</strong><br />

Allgemeinen, in diesem Fall aber zudem auch von<br />

der besonderen Unzufriedenheit vieler Mieter mit<br />

den Zuständen in ihrer Wohnanlage.<br />

1 mitlinks nr. <strong>26</strong>, OktOber <strong>2008</strong><br />

An diesem Abend wurden viele Beanstandungen<br />

vorgetragen, von denen leider laut den Rednerinnen<br />

und Rednern fast ebenso viele schon oft zwischen<br />

Mietergemeinschaft und der Deutschen Annington<br />

besprochen waren, aber seitdem vergeblich auf ihre<br />

Erledigung warteten. Hier einige Beispiele: Der<br />

Aufzug in Haus 4 ist seit Februar 008 gesperrt,<br />

von vier desolaten Nottreppen wurde bis dato nur<br />

eine repariert, Lüftungen in vielen Wohnungen<br />

funktionieren nicht oder mangelhaft, in etlichen<br />

Wohnungen hat sich nach einem unabhängigen<br />

Gutachten aufgrund mangelhafter Bausubstanz<br />

Sch<strong>im</strong>mel gebildet, offene Südseiten großer<br />

Fahrradräume verursachen erhöhte Heizkosten<br />

und Rost an den Rädern, Schlüssel zu den Elektrizitätsräumen<br />

für die Häuser fehlen seit mehr als<br />

einem halben Jahr, die Schließanlage <strong>im</strong> Haus 48<br />

ist ebenso lange defekt und manches mehr.<br />

Bei einigen Punkten vertrat die Deutsche Annington<br />

die Auffassung, die Mängel seien nicht so gravierend.<br />

So habe man beispielsweise bei Besichtigungen<br />

keinen Sch<strong>im</strong>mel entdecken können. Andere<br />

Dinge könnten nicht gleichzeitig, sondern nur<br />

Zug um Zug erledigt werden. Letztlich aber wurden<br />

seitens des Eigentümers etliche Zusagen gemacht,<br />

viele Dinge zeitnah zu beheben. Dies zeigt<br />

jedenfalls eindeutig, dass sie vorher <strong>im</strong> Argen lagen.<br />

Auch wurden konkrete Termine festgelegt, bis<br />

zu deren Ablauf die Arbeiten ausgeführt werden<br />

sollten.<br />

Im Statement, um das der Autor dieses Artikels<br />

gegen Ende des Treffens gebeten wurde, stellte er<br />

fest, dass gesperrte Aufzüge, defekte Nottreppen<br />

und Sch<strong>im</strong>mel in den Wohnungen erschreckende<br />

Zustände seien. Nun sei die Deutsche Annington in<br />

der Pflicht, ihre hier vor Zeugen abgegebenen Versprechungen<br />

auch einzuhalten.<br />

In der festen Meinung, die Gründung<br />

der Mietergemeinschaft an<br />

sich und auch das Hinzuziehen<br />

von Vertretern aus der Politik bei<br />

der Versammlung würde den<br />

Druck auf den Hauseigentümer<br />

verstärken, musste der Verfasser<br />

dieser Zeilen jedoch leider bei<br />

einem weiteren Gespräch mit dem<br />

Vorstand der Mietergemeinschaft<br />

Mitte September 008 Trauriges<br />

erfahren. Bis zu diesem Zeitpunkt<br />

seien lediglich versprochene Türstopper<br />

an neuen Kellertüren angebracht,<br />

alle anderen Mängel<br />

aber nicht behoben und die diesbezüglich<br />

gemachten Versprechungen<br />

nicht eingehalten worden.<br />

Wir als <strong>Stadtrat</strong>sgruppe werden<br />

mit den Vertretern der Mietergemeinschaft<br />

sicherlich in Kontakt<br />

bleiben, um weitere Unterstützung<br />

anzubieten und das Thema in die<br />

Öffentlichkeit zu tragen. Hierzu<br />

möge auch dieser Artikel beitragen.


Auf Initiative der Mitglieder des Münchner <strong>Stadtrat</strong>es, Gülseren Demirel von den Grünen, Yasar Fincan von der<br />

SPD und Orhan Akman von der Partei Die Linke und der Gewerkschaft Ver.di unter Unterstützung engagierter<br />

Einzelpersonen und Initiativen war am 10. Oktober in den Großen Saal des DGB-Hauses zu einer Veranstaltung<br />

unter dem Titel „Demokratie in der Türkei – eine Utopie?“ eingeladen worden.<br />

ein heißes thema: Demokratie in der türkei<br />

ein Veranstaltungsbericht von Johannes kakoures<br />

Die Beziehungen zur Türkei gehören zu einem der<br />

schwierigsten Problemfelder in der politischen<br />

Auseinandersetzung der BRD. Zu leicht gerät man<br />

bei der Äußerung von Kritik an die Seite von Kräften,<br />

deren Nähe man nicht haben will. Von der CSU<br />

bis zu den Faschisten dient die Türkei seit Jahren<br />

dazu ein Feindbild zu schaffen, dem man das eigene<br />

ach so überlegene Bild vom Abendland entgegenhalten<br />

kann. Dass es diesen Kräften natürlich nicht<br />

darum geht, Fortschritte für die Menschen in der<br />

Türkei zu erzielen, bekommen Bewegungen zu spüren,<br />

die sich für eine Demokratisierung der Türkei<br />

einsetzen und wie die kurdische Bevölkerung in der<br />

BRD einem scharfen Repressionsdruck ausgeliefert<br />

sind. In diesem Fall gilt die Türkei dann wieder als<br />

Rechtsstaat, in den man problemlos abschieben<br />

kann.<br />

Umso interessanter ist es, Informationen über die<br />

Situation progressiver Bewegungen in der Türkei<br />

aus erster Hand zu bekommen.<br />

Die Türkische Republik – Eine Gründung<br />

aus dem Geiste der Autorität<br />

Moderiert von Ihsani Arda gab zunächst Orhan<br />

Akman einen Überblick über die historische Entwicklung<br />

des türkischen Staates, anhand derer er<br />

die Ursachen für heutige Schwierigkeiten aufdeckte.<br />

Akman ging dabei von drei wesentlichen Problemfeldern<br />

der türkischen Gesellschaft aus. So ein<br />

allgemeines Demokratiedefizit, die Lage der Gewerkschaftsbewegung<br />

und der Unterdrückung der<br />

kurdischen Bevölkerung. Für ersteres machte Akman<br />

vor allem die Tatsache verantwortlich, dass<br />

die Demokratie in der Türkei nie auf festen Boden<br />

gestanden habe, sondern eine „Kopfgeburt“ der<br />

herrschenden Kreise war. Hierfür wiederum sei die<br />

verspätete Industrialisierung verantwortlich. Während<br />

<strong>im</strong> europäischen Westen, die Demokratie Produkt<br />

des Kampfes von Bürgertum und Arbeitern<br />

gewesen sei, seien in der Türkei alle fortschrittlichen<br />

Reformen von oben verordnet gewesen.<br />

Die Gründung der Republik beruhe vor allem auf<br />

der Initiative des Militärs, so war die Jungtürkenbewegungen,<br />

zu der Staatsgründer Atatürk Kontakt<br />

hatte, wenn er sich auch nicht voll mit diesen<br />

identifizierte, vor allem eine Gruppe junger Offiziere.<br />

Die Rolle des Militärs sei heute am deutlichsten<br />

sichtbar in der Institution des Nationalen Sicherheitsrates,<br />

der aus hochrangigen Militärs gebildet<br />

in Wahrheit die Politik des Landes best<strong>im</strong>me<br />

und durch nichts legit<strong>im</strong>iert über den demokratisch<br />

gewählten Gremien stehe. Die Macht dieser Einrichtung<br />

werde deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt,<br />

dass seit 196 4 Parteien auf „Empfehlung“<br />

des Rates verboten wurden. Mit der Staatsgründung<br />

einhergehenden Reformen wie die Einführung<br />

des gregorianischen Kalenders und des<br />

lateinischen Alphabets wurden gegen das Volk und<br />

in relativ kurzer Zeit durchgeführt. Durch die von<br />

Oben angeordnete Orientierung am Westen wurden<br />

auch Werte übernommen, die für die türkische Gesellschaft<br />

nicht passten. So führte vor allem der<br />

Gedanke eines Staatsvolkes, entsprechend den Vorstellungen<br />

des bürgerlichen Nationalismus, <strong>im</strong><br />

Vielvölkerstaat Türkei zu erheblichen Verwerfungen.<br />

Akman erinnerte auch an das Massaker an<br />

der armenischen Bevölkerungsgruppe, das bis heute<br />

vom türkischen<br />

Staat verdrängt wird.<br />

Die Geschichte der Arbeiter-,<br />

und Gewerkschaftsbewegung<br />

schilderte Akman als<br />

vor allem durch Verfolgunggekennzeichnet.<br />

Zwar reichen ihre<br />

Wurzeln bis ins Osmanische<br />

Reich zurück.<br />

Jedoch waren Arbeiterorganisationen<br />

von<br />

Anfang an mit Verboten<br />

kleingehalten worden.<br />

Der Befreiungskrieg<br />

1919-19 3 habe<br />

zwar eine gewisse<br />

Stärkung der Arbeiterbewegung<br />

bedeutet,<br />

allerdings sei er in erster<br />

Linie von der bäuerlich<br />

geprägten Bevölkerung<br />

Anatoliens<br />

getragen gewesen.<br />

Nach einem großen<br />

Aufstand 19 0 seien<br />

die Gewerkschaften<br />

bis 1946 verboten gewesen.<br />

Ein erneutes<br />

Verbot erfolgte bereits<br />

ein Jahr später. Erst<br />

seit 1963 gab es in der<br />

Türkei ein Streik-, und<br />

Tarifvertragsrecht. Als<br />

Kemal Atatürk, Gründungsgestalt<br />

der Türkischen Republik.<br />

Geschichte und Struktur des<br />

kemalistischen Staatssystems<br />

behindern die Entwicklung der<br />

Demokratie.<br />

sich in den siebziger Jahren bis zu 100 000 Menschen<br />

auf Demonstrationen gegen eine die Gewerkschaftstätigkeit<br />

einschränkende Gesetzgebung<br />

versammelten, merkten die Kapitalbesitzer, dass es<br />

für sie gefährlich werde. Mit dem daraufhin veranlassten<br />

Militärputsch 1980 erfolgte ein Verbot aller<br />

kritischer Bewegungen und so auch der Gewerkschaften.<br />

Momentan sind diese zwar wieder formell<br />

erlaubt, allerdings riskieren Gewerkschafter in der<br />

Tür viel. So seien zwischen 006 und 008 bis zu<br />

0.000 Menschen wegen ihrer gewerkschaftlichen<br />

Betätigung entlassen worden. Ein großes Problem<br />

bilde die Zersplitterung der Gewerkschaftsbewegung.<br />

Insgesamt bestehen etwa 150 Einzelgewerkschaften.<br />

Zur Verdeutlichung der Lage der Kurden nannte<br />

Akman einige Zahlen. Man müsse sich vergegenwärtigten,<br />

dass es sich um ein Volk von 35 bis 40<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong> – OktOber <strong>2008</strong> <strong>13</strong>


Millionen Menschen handele, von denen die Hälfte<br />

auf dem Gebiet der Türkei lebe. Das zusammenhängend<br />

von Kurden bewohnte Gebiet umfasse etwa<br />

die Größe Frankreichs. Man könne daher nicht<br />

von einem Minderheitenproblem sprechen. Akman<br />

erinnerte daran, dass die Türkei <strong>im</strong> Vertrag von<br />

Sevres, der die internationale Anerkennung des<br />

jungen Staates ermöglichte, die Kurden als eigene<br />

Nation anerkannt und ihnen zumindest Autonomie<br />

versprochen habe. Die anschließende Politik sah<br />

aber ganz anders aus. So wurden kurdische Namen<br />

verboten und Ortsnamen turkifiziert. Diese Politik<br />

habe zu einer Reihe von Aufständen geführt, von<br />

denen der von Ders<strong>im</strong> <strong>im</strong> Jahre 1938 zu den bekanntesten<br />

zählt. Umgekehrt haben sich die Angriffe<br />

auf die kurdische Bevölkerung ständig gesteigert.<br />

Zuletzt in den siebziger Jahren. Der Westen<br />

schweige zu diesem Krieg, da er u.a. durch<br />

Waffenlieferungen kräftig mitverdient habe. Als<br />

Forderungen an die westlichen Staaten nannte Akman<br />

daher den Stopp jeglicher Waffenlieferung,<br />

aber auch den von Abschiebungen. Die politische<br />

Lösung der kurdischen Frage, müsse zu einem wesentlichem<br />

Kriterien für den EU-Beitritt der Türkei<br />

gemacht werden.<br />

Staatliche Repression gegen Gewerkschaften<br />

dauern an<br />

Über die aktuelle Lage der Gewerkschaften in der<br />

Türkei berichtete Ilkar Dilcan, der den ursprünglich<br />

eingeladenen Kenan Özturk, Vorsitzender der<br />

türkischen Transportarbeitergewerkschaft TÜM-<br />

TIS, vertreten musste, da dieser kein Visum zur<br />

Einreise erhalten hatte. Dilcan selbst war 16 Jahre<br />

lang Pressesprecher der TÜMTIS und kennt die<br />

dunklen Seiten des türkischen Repressionsapparates<br />

aus erster Hand. So wurde er nach dem Putsch<br />

1980 zum Tode verurteilt und hat nach Angaben<br />

seinen Übersetzers Selahattin Yildir<strong>im</strong> <strong>13</strong> Jahre<br />

Gefängnis hinter sich. Dilcan lebt seit einem halben<br />

Jahr in Deutschland.<br />

Dilcan wies daraufhin, dass die Zustände, unter<br />

denen die Gewerkschaften arbeiten können, ein<br />

entscheidender Gradmesser für den Stand der demokratischen<br />

Entwicklung einer Gesellschaft <strong>im</strong><br />

Gesamten sei. Von diesem Standpunkt aus entwarf<br />

er ein düsteres Bild türkischer Zustände. So sei die<br />

Gesetzeslage eine beständige Gefahr. So konnte<br />

etwa die Lehrergewerkschaft wegen „Zerstörung<br />

der nationalen Einheit“ verboten, weil sie muttersprachlichen<br />

Unterricht für kurdische Schüler gefordert<br />

hatte. Eine Verurteilung ziehe zudem ein<br />

lebenslanges Verbot gewerkschaftlicher Betätigung<br />

nach sich. Ein Streikrecht bestehe derzeit in der<br />

Türkei nur eingeschränkt. Für einige Branchen ist<br />

der Streik ausdrücklich verboten, in anderen kann<br />

die Regierung Streiks unter Verweis auf die „nationale<br />

Sicherheit“ mit einfachem Erlass untersagen.<br />

Neben der juristischen Verfolgung bestehe auch eine<br />

sehr konkrete Gefahr von Seiten der Staatsorgane.<br />

Dies habe man am 1. Mai dieses Jahres gesehen.<br />

Während dieser Feiertag mittlerweile in der<br />

ganzen Welt als Tag der arbeitenden Bevölkerung<br />

anerkannt sei, musste man in Istanbul erleben, wie<br />

Polizei und Armee gewaltsam gegen die versammelte<br />

Menge am Taks<strong>im</strong>-Platz vorging. Lediglich in<br />

einigen lateinamerikanischen und afrikanischen<br />

Staaten kenne man eine vergleichbare Verfolgung<br />

gewerkschaftlicher Betätigung. Auch seine eigene<br />

Gewerkschaft habe spezielle Erfahrungen mit der<br />

14 mitlinks nr. <strong>26</strong>, OktOber <strong>2008</strong><br />

türkischen Staatsgewalt machen müssen. So wurde<br />

in Folge von Maßnahmen gegen Massenentlassungen<br />

die Verwaltungsstelle der TÜMTIS durchsucht<br />

und die dortigen Angestellten festgenommen.<br />

Diese wurden anschließend 48 Tage in Haft gehalten,<br />

bevor die Anwälte der TÜMTIS erfuhren, was<br />

ihnen überhaupt vorgeworfen wird. Es folgten Verurteilungen<br />

zu bis zu 330 Jahren Haft.<br />

Allerdings bleibe festzuhalten, dass es trotz aller<br />

Repression viele Menschen bereit sind, für die Gewerkschaftsbewegung<br />

zu kämpfen. So habe nach<br />

der angesprochenen Polizeiaktion gegen die TÜM-<br />

TIS Vorstand und Vorsitzender die Verwaltungsarbeit<br />

übernommen. Allerdings sei angesichts der<br />

Lage in der Türkei internationale Solidarität in<br />

diesem Fall von besonderer Wichtigkeit. Dilcan erinnerte<br />

an die gewerkschaftliche Delegation, die<br />

Mitte des Jahres den Prozess gegen die TÜMTIS<br />

beobachtet und dadurch schl<strong>im</strong>meres verhindert<br />

habe. (Ein von Orhan Akman verfasster, ausführlicher<br />

Bericht über Tätigkeit und Eindrücke dieser<br />

Delegation, war als Beilage dieser Zeitschrift <strong>Nr</strong>.<br />

5/ Juli 008 erscheinen. Der Text ist auf der Akmans<br />

Homepage www.orhan-akman.de unter der<br />

Rubrik Aktuelles – Artikel abrufbar.) Vorangegangen<br />

war eine Aktion der deutschen NGG, die Tausende<br />

von Protestschreiben ihrer Mitglieder an die<br />

türkischen Behörden veranlasst hatte. Das Kapital<br />

agiere mittlerweile weltweit. Dies sei auch für die<br />

Gewerkschaftsarbeit notwendig.<br />

Was bringt die Annäherung an die EU<br />

Die Diskussion wurde ausgesprochen lebhaft geführt,<br />

wobei auch die offizielle Position des türkischen<br />

Staates vertreten wurde. So habe man<br />

nicht den fehlenden muttersprachlichen Unterreicht<br />

in der Türkei zu kritisieren, solange hier in<br />

Deutschland noch vieles <strong>im</strong> Argen liege. In diesem<br />

Zusammenhang wurde hinsichtlich der Vorfälle am<br />

1. Mai gefragt, ob die Gewerkschaften ihre Kundgebung<br />

unbedingt auf dem Taks<strong>im</strong>-Platz durchführen<br />

müssten. An anderen Orten wäre es nicht zu<br />

Übergriffen gekommen. Hier wies Dilcan auf die<br />

symbolträchtige Bedeutung des Platzes hin, auf<br />

welchem bei einer gewerkschaftlichen Großkundgebung<br />

in den siebziger Jahren, friedliche Demonstranten<br />

von türkischen Sicherheitskräften erschossen<br />

worden waren. Seitdem ist der Platz für alles<br />

offen, insbesondere für alle möglichen kommerziellen<br />

Veranstaltungen, nur nicht für Kundgebungen<br />

von Arbeitern und Gewerkschaften. Er betonte,<br />

dass man daher auch 009 den Versuch machen<br />

werden, diesen Platz für den 1. Mai zu nutzen. Thematisiert<br />

wurden auch die Auswirkung des europäischen<br />

Einigungsprozesses auf die Türkei. Dilcan<br />

hatte hier Kritik anklingen lassen, da dieser entgegen<br />

des Bildes, das in Deutschland gezeichnet werde,<br />

bislang wenig Positives gebracht habe. Er räumte<br />

zwar ein, dass einige Gesetze mittlerweile entschärft<br />

wurden, brachte aber ein türkisches<br />

Sprichwort, das der deutschen Redewendung „sich<br />

an die eigene Nase fassen“ wohl am nächsten<br />

kommt. Die Position der progressiven Gewerkschaften<br />

und der Linken in der Türkei ist an dieser<br />

Stelle sehr kontrovers. Seine Auffassung sei am<br />

ehesten mit der der Partei Die Linke zu vergleichen.<br />

Demnach sei die europäische Einigung grundsätzlich<br />

zu bejahen. Es müsse allerdings ein soziales<br />

und friedliches Europa und vor allem ein Europa<br />

der Menschenrechte werden.


stolpersteine für zwei tschechen in münchen<br />

Von renate Hennecke<br />

In dem ehemaligen „Führerbau“ Hitlers am Königsplatz<br />

– heute befindet sich darin die Hochschule<br />

für Musik und Theater – wurde am 9. September<br />

1938 das sog. Münchner Abkommen unterzeichnet.<br />

Es beraubte die Tschechoslowakische Republik<br />

eines Drittels ihres Territoriums sowie des Großteils<br />

ihrer Industrieanlagen und Rohstoffvorkommen<br />

und ihrer gesamten Verteidigungsanlagen.<br />

Der Weg zur vollständigen Zerschlagung und Unterwerfung<br />

der Tschechoslowakei durch das faschistische<br />

Deutschland wenige Monate später war<br />

damit frei, ein weiterer entscheidender Schritt in<br />

den Zweiten Weltkrieg getan.<br />

Auch wenn sich die Hochschulleitung um ein nüchternes<br />

Verhältnis zu der Historie des Gebäudes bemüht,<br />

kann sich der Besucher kaum der marmorschweren<br />

Atmosphäre des Ortes entziehen.<br />

Einen Gegenpol dazu bildet die künstlerische Installation<br />

in der Eingangshalle. 1 Stolpersteine<br />

hat Peter Weismann dort provisorisch verlegt, darunter<br />

diejenigen für Siegfried und Paula Jordan,<br />

die die Stadt <strong>München</strong> 005 nach ihrer Verlegung<br />

durch den Künstler Günter Demnig vor dem Wohnhaus<br />

der Familie in der Mauerkircher Straße wieder<br />

herausreißen ließ. Fotos zeigen die Häuser, in<br />

denen die Opfer wohnten, an die mit den Stolper-<br />

karel<br />

svatopluk<br />

mervart<br />

12.7.1918 – 15.1.1945<br />

Karel Svatopluk Mervart wurde am 1 .7.1918 in<br />

Petrograd geboren. Sein Vater war Leutnant eines<br />

tschechischen Reg<strong>im</strong>ents, das <strong>im</strong> 1. Weltkrieg auf<br />

russischer Seite gekämpft hatte.<br />

Nach der Gründung der CSR ging die Familie zurück<br />

nach Prag. Karel besuchte das russische Gymnasium<br />

in Prag, sprach sehr gut russisch, tschechisch<br />

und deutsch.<br />

Als die CSR am 15.3.1939 von deutschen Truppen<br />

besetzt wird, ist Karel 0 Jahre alt und studiert an<br />

der Technischen Hochschule in Prag. Am 8. Oktober<br />

1939, dem Jahrestag der Staatsgründung, demonstrieren<br />

tschechische Studenten am Wenzelsplatz<br />

durch feierliche Kleidung und Bänder in den<br />

tschechischen Farben am Revers für die Unabhängigkeit.<br />

15 Teilnehmer werden von deutschen „Ordnungskräften“<br />

verletzt, der Medizinstudent Jan<br />

Opletal erliegt <strong>im</strong> November seinen Verletzungen.<br />

Bei dem (erlaubten) Trauermarsch für ihn, an dem<br />

3000 Studenten teilnehmen, beginnt man nach einiger<br />

Zeit, die tschechoslowakische Nationalhymne<br />

und patriotische Lieder zu singen. Die „Ordnungspolizei“<br />

greift ein, es kommt zu Tumulten.<br />

Neun Studentenführer werden am 16. November<br />

steinen erinnert werden soll. – Am 11. Oktober informierte<br />

Frau Brigitte Schuchard vom Vorstand<br />

der Stolpersteininitiative <strong>München</strong> an diesem Ort<br />

die Teilnehmer/innen des „Deutsch-Tschechischen<br />

Wochenendes für gute Nachbarschaft“ über das<br />

Projekt Stolpersteine, die Situation in <strong>München</strong><br />

und die Tätigkeit der Initiative. Im Namen der Redaktion<br />

der Deutsch-Tschechischen Nachrichten<br />

und der tschechischen und deutschen Teilnehmer<br />

des Wochenendes übergab Renate Hennecke den<br />

Vertreterinnen der Stolpersteininitiative Informationen<br />

über die tschechischen Antifaschisten Gebhard<br />

Jiru und Karel Mervart mit der Bitte, zwei<br />

Stolpersteine für sie bei Günter Demnig in Auftrag<br />

zu geben.<br />

Veranstalter des Wochenendes war der Kurt-Eisner-Verein<br />

für politische Bildung/Die Rosa-Luxemburg-Stiftung<br />

in Bayern in Zusammenarbeit mit<br />

der tschechischen Gesellschaft für europäischen<br />

Dialog (SPED) und der Redaktion der Deutsch-<br />

Tschechischen Nachrichten. Unterstützt wurde die<br />

Veranstaltung zum 70. Jahrestag des Münchner Abkommens<br />

vom Landesverband Bayern der VVN-<br />

BdA und von der Stadträtin Brigitte Wolf (Die<br />

Linke) <strong>im</strong> Rahmen des Projektes „<strong>München</strong> gegen<br />

das Münchner Diktat“.<br />

verhaftet und ohne Gerichtsverfahren noch am selben<br />

Tag erschossen. In der Nacht zum 17. November<br />

werden 1. 00 Studenten in ihren Wohnhe<strong>im</strong>en aus<br />

ihren Betten gezerrt, in ein Prager Gefängnis und<br />

von dort in das Konzentrationslager Sachsenhausen<br />

verschleppt. Die tschechischen Hochschulen<br />

werden geschlossen.<br />

Karel Mervart arbeitet eine Zeitlang als Telegrafist<br />

bei der Verwaltung der Böhmisch-Mährischen Eisenbahn.<br />

Irgendwann kommt er nach Berlin zu der<br />

Firma Leicher Chemische Gravuren – wahrscheinlich<br />

<strong>im</strong> Rahmen des „Totaleinsatzes“ (tschechische<br />

Bezeichnung für die Zwangsrekrutierung von Arbeitskräften<br />

<strong>im</strong> Protektorat). Ab Februar 1943 arbeitet<br />

er als Chemielaborant und Dolmetscher bei<br />

der Leicher-Filiale in <strong>München</strong>. Ab dem 9. .1943 ist<br />

er in der Irschenhauserstr. 19 (bei Fritz Leicher,<br />

dem Firmeninhaber) gemeldet, ab 31.3.1943 hat er<br />

eine eigene Wohnung in der Johann-Houis-Str. 34<br />

(bei Fischer).<br />

Mervart versucht, in die Schweiz und von dort nach<br />

England zu gelangen, um sich der tschechoslowakischen<br />

Auslandsarmee anzuschließen. In der Nähe<br />

der Grenze wird er verhaftet und ins Bregenzer<br />

Gefängnis gebracht. Er kann die Ermittler aber<br />

davon überzeugen, dass er sich nur bei einem Ausflug<br />

verlaufen habe, und wird freigelassen.<br />

Im August 1943 wird Mervart Mitglied einer Organisation,<br />

die einige Monate zuvor <strong>im</strong> Kriegsgefangenenlager<br />

an der Münchner Schwanseestraße von<br />

sowjetischen Offizieren gegründet worden ist. Sie<br />

heißt „Brüderliche Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen“<br />

(Bratskoje Sotrudnitschestwo Wojennopleniich<br />

– BSW), organisiert außer Kriegsgefangenen<br />

vor allem Zwangsarbeiter und hat folgende<br />

Ziele:<br />

Fortsetzung Seite 16<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong> – OktOber <strong>2008</strong> 15


• Sabotage in der deutschen Rüstungs- und sonstigen<br />

Kriegswirtschaft<br />

• Zersetzung der faschistischen Wehrkraft<br />

• Vorbereitung eines bewaffneten Aufstands in Zusammenarbeit<br />

mit deutschen Antifaschisten<br />

• Kampf gegen Rekrutierung von Gefangenen und<br />

Zwangsarbeitern in die Wlassow-Armee und andere<br />

Kollaborationsarmeen<br />

Innerhalb weniger Monate gelingt es, ein umfangreiches<br />

Kontaktnetz und konspirative Organisationsstrukturen<br />

aufzubauen. Sehr bald sind in mehr<br />

als 0 „Ostarbeiterlagern“ in <strong>München</strong> und Umgebung<br />

BSW-Zellen aktiv. Klebezettel und Flugblätter<br />

werden verbreitet, Waffenlager angelegt und<br />

Sabotageakte durchgeführt. So wird z.B. ein Güterzug<br />

mit Frontnachschub zum Entgleisen gebracht<br />

und während eines Bombenangriffs Feuer<br />

<strong>im</strong> Warenlager von Krauss-Maffei gelegt. Auch gelingt<br />

es, in der Gießerei von Krauss-Maffei eine<br />

Pedal-Signalanlage zu konstruieren, bei deren Betätigung<br />

am Fabrikschornstein eine Lampe aufflammt;<br />

deren Signale helfen den alliierten Fliegerverbänden<br />

<strong>im</strong> Sommer 1943, die Gießerei des<br />

Werkes, in der sich die Gußformen für Abgüsse von<br />

Panzerteilen befinden, bis auf die Grundmauern zu<br />

zerstören. 1<br />

Karel Mervart kann durch seine Sprachkenntnisse<br />

und seinen Mut viel zur raschen Ausbreitung der<br />

BSW auf zahlreiche Kriegsfangenen- und Zwangsarbeiterlager<br />

in und um <strong>München</strong> beitragen. Besonders<br />

kümmert er sich um die Organisierung der<br />

tschechischen Zwangsarbeiter. Bald stellt er auch<br />

überregionale Kontakte her. So untern<strong>im</strong>mt er<br />

mehrere Reisen nach Wien, Innsbruck und Prag,<br />

wodurch sogar eine Verbindung zu den jugoslawischen<br />

Partisanen hergestellt werden kann. Um reisen<br />

zu können, stiehlt er bei der Firma Leicher Urlaubsscheine<br />

und schreibt sie auf sich selbst aus.<br />

Außerdem wird er Dolmetscher und Kontaktmann<br />

zu der deutschen Widerstandsorganisation Antinazistische<br />

Deutsche Volksfront (ADV). Mit Emma<br />

und Hans Hutzelmann und anderen ADV-Mitgliedern<br />

hört Mervart in deren Wohnung in der Margaretenstraße<br />

18 (Sendling) ausländische Sender ab,<br />

um Informationen über die Kriegslage zu gewinnen.<br />

Die Tätigkeit der BSW entwickelt sich in atemberaubendem<br />

Tempo. Aber die zweite Front, deren<br />

Unterstützung das eigentliche Ziel ist und ohne die<br />

die BSW keine Chance hat, sich längere Zeit zu halten,<br />

wird und wird nicht eröffnet. So bleibt es nicht<br />

aus, dass die Gestapo irgendwann die Spur der Organisation<br />

aufn<strong>im</strong>mt.<br />

Ab November 1943 kommt es zu Verhaftungen. Am<br />

5. Januar 1944 werden zahlreiche Kämpfer der<br />

ADV, am 15. Januar 1944 Karel Mervart gefasst.<br />

Bei einem Bombenangriff auf <strong>München</strong> in der<br />

Nacht zum 5. April 1944 wird das Wittelsbacher<br />

Palais getroffen, die Akten zum Ermittlungskomplex<br />

BSW verbrennen. Das Verfahren verzögert<br />

sich, muss neu aufgerollt werden (auch die Folterungen<br />

bei den Verhören werden wiederholt).<br />

Am 4. September 1944 werden in Dachau 9 sowjetische<br />

Offiziere aus der Leitung der BSW erschossen.<br />

In Mauthausen sterben <strong>im</strong> Herbst 1944 weitere<br />

50. In Flossenbürg werden 49 BSW-Kämpfer umgebracht,<br />

„russische kriegsgefangene Offiziere aus<br />

<strong>München</strong>, die in einem großen Werk gearbeitet und<br />

dessen Sprengung vorbereitet hatten“.<br />

Für Hunderte weitere Kämpfer kommt die zweite<br />

16 mitlinks nr. <strong>26</strong>, OktOber <strong>2008</strong><br />

Front, die <strong>im</strong> Juni 1944 endlich eröffnet worden ist,<br />

zu spät.<br />

Nach der Ermordung der sowjetischen BSW-ler ohne<br />

Gerichtsverfahren werden vor dem Volksgerichtshof<br />

Hochverratsprozesse gegen die Deutschen<br />

und die Tschechoslowaken eingeleitet. Zu der<br />

Gruppe der Hauptangeklagten gehört Karel Mervart.<br />

Am 15. Januar 1945 stirbt er, zusammen mit Hans<br />

Hutzelmann und Rupert Huber von der ADV, <strong>im</strong><br />

Zuchthaus Brandenburg unter dem Fallbeil.<br />

Am 14. Januar 1947 würdigt die Süddeutsche Zeitung<br />

die Hingerichteten und ihre Mitkämpfer: „Die<br />

Entschlossenheit der ADV und BSW, Gewalt gegen<br />

Gewalt zu setzen, hebt sie weit über die meisten<br />

deutschen Widerstandsgruppen hinaus. Die mutigen<br />

Vorbereitungen scheiterten aber kurz vor der<br />

Aktion, die Deutschland, Europa und die Welt in<br />

Erstaunen versetzt hätte.“ 3<br />

1 J.A. Brodski, Die Lebenden kämpfen – Die Organisation Brüderliche<br />

Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen (BSW), Berlin<br />

1968, S. 06<br />

A.a.O., S. 39<br />

3 Zitiert nach J.A. Brodski, Im Kampf gegen den Faschismus,<br />

Berlin 1975, S. 611<br />

Gebhard<br />

Jiru<br />

20.12.1908 – <strong>26</strong>.4.1945<br />

Gebhard Bruno Jiru stammte aus einer tschechischen<br />

Familie, die „he<strong>im</strong>atzuständig nach Hennersdorf,<br />

Bezirk Deutsch-Gabel“ war, wie es in<br />

seinen Meldeunterlagen aus dem Münchner Stadtarchiv<br />

heißt. Seine Eltern, der Schreiner Julius Jiru<br />

und seine Frau Kreszenz, geborene Z<strong>im</strong>mermann,<br />

waren aber schon vor der Gründung der Tschechoslowakischen<br />

Republik nach Österreich gegangen,<br />

wie so viele tschechische Familien Ende des 19. /<br />

Anfang des 0. Jahrhunderts. Gebhard wurde am<br />

0. Dezember 1908 in Bregenz geboren. 1915, mitten<br />

<strong>im</strong> Ersten Weltkrieg, zog die Familie nach <strong>München</strong><br />

in die Schleißhe<strong>im</strong>er Straße 0, Rückgebäude (Nähe<br />

Stiglmaier-Platz). Nicht lange danach starb der<br />

Vater, und die Mutter heiratete 19 9 den Maurer<br />

Josef Heilmeier, der in einem Seitengebäude desselben<br />

Anwesens wohnte. Mit seiner Mutter zog auch<br />

der 1-jährige Gebhard in dessen Wohnung.<br />

Der junge Polierer und Beizer war ein Jahr zuvor<br />

(19 8) in den Bezirksvorstand Südbayern des Kommunistischen<br />

Jugendverbandes (KJVD) gewählt<br />

worden, gleichzeitig mit Franz Xaver Schwarzmüller,<br />

von dem wir wissen, dass er 1933 an der Herstellung<br />

von illegalen Zeitungen der KPD in der<br />

Bibliothek des Priesterhauses der Asamkirche beteiligt<br />

war.<br />

Der Schriftsteller Alfred Andersch, damals Organisationsleiter<br />

des KJVD für <strong>München</strong>, beschrieb<br />

Jiru mit den Worten: „ein kleiner Tscheche, aber so<br />

bayerisch sprechend wie wir alle, glänzend ge-


schult, schwarz, durchtrieben und lustig, war der<br />

politische Leiter des Jugendverbandes“. In seinem<br />

Roman „Kirschen der Freiheit“ schildert er, wie<br />

Jiru kurz vor der Machtübergabe an die Nazis eine<br />

sog. Stoßdemonstration organisierte:<br />

„Wir verständigten flüsternd alle Jungens und die<br />

zwei oder drei Mädchen. Auf ein Zeichen rannten<br />

wir auf die Straße, formierten uns in Dreierreihen<br />

und marschierten durch ein paar Vorstadtstraßen.<br />

Wir trugen die rote Fahne mit uns und riefen Parolen<br />

wie: ‚Arbeiter, kämpft gegen die Notverordnungen!‘,<br />

‚Hinein in die KPD, die Partei der Arbeiterklasse!‘<br />

und ‚Nieder mit den Hitlerfaschisten!‘<br />

Nach ungefähr zehn Minuten hörten wir in der Ferne<br />

das Heulen der Überfallkommandos und stoben<br />

auseinander.“ Die Taktik bestand darin, sich kurz<br />

darauf an einem anderen Ort wieder zu formieren,<br />

so lange bis die Polizei auch dort aufkreuzte usw.<br />

Über die Tätigkeit junger Kommunisten in den ersten<br />

Monaten der NS-Herrschaft heißt es in dem<br />

Buch „Bayern in der NS-Zeit“ von Hartmut<br />

Mehringer: „Die Initiativgruppe kommunistischer<br />

Jugendfunktionäre, die <strong>im</strong> Frühjahr 1933 die propagandistische<br />

Arbeit illegal fortzuführen und die<br />

Reste der durch die Polizei zerschlagenen Organisation<br />

zu sammeln versuchte, bestand zunächst aus<br />

den Brüdern Ernst und Albert Lörcher, Gebhard<br />

Jiru und dem aus Hamburg stammenden Studenten<br />

Franz Ahrens.“<br />

Wie Mehringer weiter erläutert, „bestand das<br />

Hauptziel dieser Initiativgruppe zunächst in der<br />

Sicherung des Weitererscheinens ihrer Zeitung,<br />

nämlich des KJV-Organs Die Junge Garde. Im Mai<br />

1933 war noch eine illegale Nummer der Jungen<br />

Garde erschienen, die zentral in Berlin <strong>im</strong> Zeitungsdruck<br />

hergestellt und in ganz Deutschland<br />

verbreitet worden war. Die weiteren Nummern der<br />

Jungen Garde, die in <strong>München</strong> und Südbayern <strong>im</strong><br />

Sommer und Herbst 1933 erschienen, waren in bekannter<br />

Art auf der Schreibmaschine geschrieben<br />

und mittels Handabziehverfahren hergestellt. Ab<br />

Ende 1933 wurde die Junge Garde hingegen aus der<br />

Tschechoslowakei bezogen.<br />

„Die Gruppe um die Gebrüder Lörcher hatte sich<br />

einen gewissermaßen ‚legalen‘ Stützpunkt <strong>im</strong> Lesesaal<br />

des Arbeitsamtes in <strong>München</strong> [damals noch in<br />

der Thalkirchner Straße] eingerichtet, wo die Möglichkeit<br />

bestand, sich unauffällig zu treffen, zu<br />

diskutieren und vor allem aus den Meldungen und<br />

Kommentaren der damals in Deutschland noch erhältlichen<br />

ausländischen Zeitungen Informationen<br />

und Nachrichten zusammenzutragen, die in den<br />

Artikeln der Jungen Garde verarbeitet wurden.“<br />

Getippt und gedruckt wurde mit Schreibmaschine<br />

und Abziehapparat in einem Zelt unter einer Isarbrücke<br />

in der Pupplinger Au.<br />

Ob es tatsächlich Gebhard Jiru war, mit dem sich<br />

die Gebrüder Lörcher und Franz Xaver Ahrens <strong>im</strong><br />

Lesesaal des Arbeitsamtes trafen, ist fraglich. Laut<br />

Meldeunterlagen wurde Jiru bereits am 6. April<br />

1933 verhaftet und „ins Konz. Lager Dachau verbracht“.<br />

Den Unterlagen der KZ-Gedenkstätte<br />

Dachau zufolge kam er allerdings erst am 5.4. dort<br />

an, vermerkt ist „Zugang von <strong>München</strong>-Stadelhe<strong>im</strong>“.<br />

Albert Lörcher selbst hat der Darstellung Mehringers,<br />

er habe noch <strong>im</strong> Frühjahr und Sommer 1933<br />

mit Gebhard Jiru zusammen die Junge Garde hergestellt,<br />

später <strong>im</strong> Gespräch mit der Geschichtswerkstatt<br />

Neuhausen widersprochen: Nach der<br />

Teilnahme an einer der oben geschilderten Stoßdemonstrationen<br />

Ende 1931 habe er „ihn erst 1937,<br />

nach Gefängnis und KZ Dachau, wiedergesehen. Er<br />

erzählte mir von einer KdF-Gymnastikgruppe, mit<br />

der sie zusammenkamen. Wir trafen uns dann regelmäßig<br />

in dieser Gymnastikgruppe. Es waren alles<br />

zuverlässige Gegner der Nazis. … Wir machten<br />

auch einige Ausflüge. Von einem dieser Ausflüge an<br />

den Hackensee b. Holzkirchen existiert noch eine<br />

Aufnahme mit Gebhard, die jetzt in der Zeitschrift<br />

‚Geschichte quer‘ veröffentlicht wurde. Das lief eine<br />

Zeitlang ganz gut. Eines Abends sagte Gebhard<br />

zu mir: ‚Wir dürfen uns ab sofort nicht mehr treffen.‘<br />

Die Gestapo hatte ihn wieder in die Mangel<br />

genommen und ihm gedroht, ihn wieder ins KZ<br />

Dachau zu bringen. Gebhard Jiru mußte unterschreiben.<br />

Er wurde von nun an als V-Mann geführt<br />

und ein Gestapo-Mann fragte ihn in Abständen<br />

über seine Freunde und Bekannten aus. Jiru<br />

hat die Gestapo offensichtlich enttäuscht, denn er<br />

kam wieder in das KZ Dachau …“<br />

Jiru wurde mehrmals nach Dachau „verbracht“ –<br />

wann genau er verhaftet und wann entlassen wurde,<br />

ist nicht genau nachvollziehbar. Für die Zeiten<br />

dazwischen galten wohl die Eintragungen auf seinem<br />

polizeilichen Meldebogen: handschriftlich ist<br />

da eine undatierte „Sichtvermerksperre auf Anordnung<br />

der Stapoleitstelle <strong>München</strong>“ vermerkt, und<br />

mit Bleistift in zackiger „deutscher“ Schrift der<br />

Befehl: „Jeder Wohnungswechsel ist der Geh.<br />

Staatspolizei, Staatspol. Leitstelle, Mchn (II N) lt.<br />

Erl. v. 5.11.38 mitzuteilen.“<br />

Die Archivunterlagen der KZ-Gedenkstätte in<br />

Dachau nennen Jiru, wie gesagt, am 5.4.1933 zum<br />

erstenmal als Zugang. Ein Abgangsdatum ist nicht<br />

vermerkt. Zum zweitenmal als Zugang gemeldet<br />

wurde er am 1 .1.1934, ohne Angabe woher. Ob er<br />

in der Zwischenzeit entlassen war oder anderswo<br />

gefangen gehalten wurde, wissen wir nicht.<br />

Als nächstes ist das Entlassungsdatum 18.5.1938<br />

angegeben. Dies wiederum lässt die Datierung des<br />

Fotos vom Hackensee (1937) fraglich erscheinen.<br />

Zum letzten Mal als „Zugang von <strong>München</strong>“ wurde<br />

Jiru am 3.8.1944 in Dachau registriert. Dort grassierte<br />

ab Herbst 1944 eine Typhusepidemie, die<br />

aufgrund der fehlenden ärztlichen Versorgung, des<br />

katastrophalen körperlichen Zustands der Gefangenen<br />

und der unbeschreiblichen hygienischen Verhältnisse<br />

Tausende von Todesopfern forderte. Am<br />

6. April 1945, drei Tage vor der Befreiung, starb<br />

auch Gebhard Jiru an der Seuche. Er war 36 Jahre<br />

alt.<br />

„Jiru kam in das Massengrab auf dem Leitenberg,<br />

wo er identifiziert werden konnte. Die Grablege<br />

lautet Leitenberg, A-<strong>13</strong>6-1063.“ (Information der<br />

KZ-Gedenkstätte)<br />

Über Jirus Schicksal während der Haftzeit ist<br />

nichts bekannt. Nazi-Gegner wie Bertl Lörcher<br />

oder Adi Meislinger, der ebenfalls in der letzten<br />

Zeit vor der Befreiung in Dachau war, schätzten<br />

den kleinen, schwarzhaarigen Tschechen. In der<br />

DKP-Broschüre „Die wiedergefundene Liste – Porträts<br />

von Münchner Kommunistinnen und Kommunisten,<br />

die <strong>im</strong> antifaschistischen Kampf ihr Leben<br />

ließen“ heißt es, Genossen, die mit ihm inhaftiert<br />

waren, hätten berichtet, „daß er in Dachau einer<br />

von denen war, die sich bemüht hatten, das Los ihrer<br />

Mithäftlinge zu erleichtern, der eingebunden<br />

war in die Häftlingssolidarität“.<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong> – OktOber <strong>2008</strong> 17


kein lob dem lob: kann Pädagogik<br />

gemessen werden? Von Orhan Akman<br />

Man stelle sich ein Fließband vor, über das Kinder<br />

rollen und abgefertigt werden. Und zwar so abgefertigt,<br />

dass diese am Ende mit einer guten pädagogischen<br />

Ausbildung ausgestattet sind, um Gutes für<br />

sich selbst <strong>im</strong> engeren und für die Gesellschaft <strong>im</strong><br />

allgemeinen Sinne zustande zu bringen. Schließlich<br />

sind ja Kinder die Zukunft. Und wer will schon<br />

eine schlechte Zukunft!<br />

Als Fließbandarbeiter sind Erzieherinnen und Erzieher,<br />

Lehrerinnen und Lehrer, Pädagoginnen und<br />

Pädagogen am Werk. Alle Fließbandarbeiter kriegen<br />

für diese Tätigkeit zwar nicht viel Lohn und<br />

Gehalt, aber alle kriegen das Gleiche. Doch das<br />

passt den Arbeitgebern nicht. Dem Wunsch der Arbeitgeber<br />

entsprechend sollen die Beschäftigte<br />

mehr leisten. Denn, grob übersetzt, behaupten die<br />

Arbeitgeber: Fließbandarbeiter arbeiten nicht alle<br />

gleich gut, gleich schnell und sie erbringen nicht die<br />

gleiche Qualität. Einige der Fließbandarbeiter sind<br />

nun mal langsam, andere wiederum sind einfach<br />

faul bzw. bohren in der Nase rum, statt Kinder zu<br />

fertigen. Dieser „Ungerechtigkeit“ wollten die öffentlichen<br />

Arbeitgeber mit der Einführung des<br />

„Leistungsorientierten Bezahlung – LoB“ ein Ende<br />

setzten. Dazu haben diese Arbeitgeber in der letzten<br />

Tarifrunde <strong>im</strong> öffentlichen Dienst mit der Gewerkschaft<br />

Verdi und dem dbb-Beamtenbund/Tarifunion<br />

die LoB eingeführt. „Die leistungsorientierte<br />

Bezahlung soll dazu beitragen, die Effizienz<br />

und Effektivität zu steigern, die Dienstleistung zu<br />

verbessern und die Motivation und Eigenverantwortung<br />

der Beschäftigten zu stärken.“*<br />

Beschäftigte <strong>im</strong> öffentlichen Dienst, also auch die<br />

Fließbandarbeiter, würden voller Begeisterung<br />

Hurra jubeln, hatten die Arbeitgeber nach der Einführung<br />

der Leistungsentlohnung sich erhofft.<br />

Doch die Rechnung ging nicht auf. Denn LoB wird<br />

seitens der Beschäftigten massiv kritisiert. So haben<br />

ein großer Teil der betroffenen Kolleginnen<br />

und Kollegen laut einer Intranet-Umfrage des<br />

Münchner Gesamtpersonalrates (GPR) ihren Unmut<br />

über die neue Leistungsentlohnung geäußert.<br />

Auch in der Diskussionsveranstaltung am 17.9. 008<br />

<strong>im</strong> Rahmen von „Talk <strong>im</strong> Rathaus“ haben die Beschäftigten<br />

mit einem Wort zum Ausdruck gebracht,<br />

was sie von LoB halten: Abschaffen!<br />

Dabei war der Große Saal des Münchner Rathauses<br />

voll mit betroffenen Menschen. Die Kolleginnen<br />

und Kollegen haben aus den verschiedenen Berei-<br />

18 mitlinks nr. <strong>26</strong>, OktOber <strong>2008</strong><br />

chen/Referaten in<br />

<strong>München</strong> die Auswirkungen<br />

des LoB dargestellt<br />

und dieses<br />

neue Entlohnungssystem<br />

scharf kritisiert.<br />

Selbst Dr. Thomas<br />

Böhle (berufsmäßiger<br />

<strong>Stadtrat</strong> für Personal-<br />

und Organisationsreferat)<br />

sagte, dass<br />

er „ziemlich überrascht“<br />

sei von dieser<br />

Kritik. Zugleich bekräftigte<br />

Dr. Böhle,<br />

dass er als Arbeitgeber<br />

an der LoB fest-<br />

Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung<br />

zur Leistungsorientierten<br />

Bezahlung (LoB)<br />

<strong>im</strong> April <strong>2008</strong> *:<br />

• 71 Prozent der Befragten halten<br />

das neue System der<br />

Entlohnung als unzureichend<br />

• 40 Prozent der Prämienempfängern<br />

sagen, dass ein<br />

besonderer Arbeitseinsatz sich<br />

nicht lohnt<br />

• 55 Prozent der Befragten finden<br />

die Vergabe der Prämien<br />

nicht leistungsgerecht<br />

• 81 Prozent der Befragten geben<br />

an, dass die Leistungskriterien<br />

nicht nachvollziehbar<br />

oder verständlich sind<br />

An der Befragung haben sich 37 Prozent<br />

der Beschäftigten beteiligt.<br />

( * Quelle: Brief vom Gesamtpersonalrat und Personal- und<br />

Organisationsreferat an die Beschäftigten vom 6.8.<strong>2008</strong>)<br />

halten würde und dies nicht rückgängig machen<br />

werde. Auf mehrere Nachfragen, wie denn der Arbeitgeber<br />

die verschiedenen Tätigkeiten messen<br />

will, kam die trockene Antwort seitens Dr. Böhle:<br />

Man kann alles messen!<br />

„Pädagogik ist nicht messbar“, entgegnete ihm unter<br />

großem Beifall Ingrid Hoffmann, Vorsitzende<br />

des Dienststellenpersonalrats Kindertagesstätten<br />

und Kooperationseinrichtungen. Damit brachte sie<br />

die Position der etwa 4000 Erzieherinnen und Erzieher<br />

in <strong>München</strong> zum Ausdruck. Der Arbeitgeber<br />

will nun in den nächsten Wochen und Monaten die<br />

Kritik der Beschäftigten aufgreifen und Veränderungen<br />

be<strong>im</strong> LoB vornehmen, wo dies aus seiner<br />

Sicht notwendig und sinnvoll erscheinen.<br />

Angelica Hagenstein, GPR-Vorsitzende, verwies zu<br />

recht in der Diskussionsrunde daraufhin, dass LoB<br />

<strong>im</strong> Tarifvertrag verankert sei und dies demnach<br />

auch Sache der Tarifvertragsparteien ist. Insoweit<br />

ist LoB keine Bibel, die nicht mehr verändert bzw.<br />

rückgängig zu machen wäre. Wenn die Beschäftigten<br />

sich organisiert gegen die LoB zur Wehr<br />

setzten und vor allem ihre Gewerkschaft ver.di von<br />

diesem tarifpolitischen Irrweg abbringen, so wird<br />

Dr. Böhle sich auch eines Besseren belehren lassen<br />

müssen. Dazu muss die LoB in den Tarifkommissionen<br />

der ver.di <strong>im</strong> Vorfeld diskutiert und dann in<br />

Angriff genommen werden. Fest steht, dass durch<br />

LoB ein wesentlicher Grundpfeiler der gewerkschaftlichen<br />

Tarifpolitik verlassen wurde. Sinn<br />

und Zweck des Tarifvertrages ist nach wie vor, die<br />

Lohnkonkurrenz in der gleichen Branche für die<br />

gleiche Tätigkeit abzuschaffen. Durch LoB wurde<br />

Lohnkonkurrenz per Tarifvertrag eingeführt und<br />

legit<strong>im</strong>iert. Auch Dr. Böhle verweist jetzt bereits<br />

auf die nächste Tarifrunde: „Auch wenn es in der<br />

Tarifrunde 008 nicht gelungen ist, das Volumen<br />

für die leistungsorientierte Bezahlung zu erhöhen,<br />

haben sich die Tarifvertragsparteien doch darauf<br />

verständigt, die leistungsorientierte Bezahlung an<br />

sich fortzuentwickeln.“ **<br />

Tarifverträge sind Machtfragen. Wer die Macht hat,<br />

der/die wird auch darüber <strong>im</strong> Wesentlichen zu entscheiden<br />

haben, ob LoB in der nächsten Tarifrunde<br />

kippt oder ausgedehnt wird.<br />

*, ** Aussagen von Dr. Thomas Böhle in der Vollversammlung des<br />

Münchner <strong>Stadtrat</strong>es am 8.10. 008


ls-Werkstattgespräch nr. 10 mit Prof. Dr. klaus Weber<br />

„Ob der Philipp heute still wohl bei tische<br />

sitzen will?“ Von elisabeth baumgartner<br />

In der Reihe Werkstattgespräche, über die in dieser<br />

Zeitschrift mittlerweile regelmäßig berichtet wird,<br />

befasste sich der Kurt-Eisner-Verein mit einem<br />

Problem, dessen Relevanz für die politische Auseinandersetzung<br />

nicht auf den ersten Blick ersichtlich<br />

ist. So hatte er den Psychologen Prof. Dr. Klaus<br />

Weber, Vertrauensdozent der Rosa-Luxemburg-<br />

Stiftung in Bayern und Vorsitzender des Kurt-Eisner-Vereins,<br />

zu der Fragestellung „Wann ist mein<br />

Kind normal? – Hyperaktivität bei Kindern“ eingeladen.<br />

Weber stellte zu Beginn klar, dass sich mit dieser<br />

Frage jede und jeder befassen könne, auch wenn<br />

keine eigenen Kinder vorhanden seien. Vielleicht<br />

sei letzteres sogar besser, weil der Blick noch unverstellt<br />

ist. Er selbst jedenfalls habe seine pädagogischen<br />

Einstellungen auch nach Geburt seines<br />

Sohnes nicht verändert.<br />

Das Kind – Objekt der Pädagogen<br />

Weber erinnerte, das trotz des abgelaufenen „Jahrhunderts<br />

des Kindes“ Kinder nicht die Orte, an den<br />

sie leben, sei es Kindergarten, Schule oder die Gestaltung<br />

des Wohnviertels, mitbest<strong>im</strong>men und mitgestalten<br />

könnten. Dagegen könne eine zunehmende<br />

Pädagogisierung und Pathologisierung der<br />

Kindheit wahrgenommen werden. Das Kind sei<br />

zum Objekt der Pädagogen und der „helfenden<br />

Wissenschaften“ geworden.<br />

Weber verdeutlicht dies am Beispiel des Aufmerksamkeitsdefizit-/Aufmerksamkeitshyperaktivitätssyndroms<br />

(ADS/ADHS). Hierzu präsentiert er folgende<br />

der FAZ entnommen Zahlen: Während 1990<br />

noch 15.000 Kinder mit Methylphenidat, bekannt<br />

unter den Handelsnamen wie z.B. Ritalin oder Medikinet,<br />

medikamentös eingestellt wurden, waren<br />

es 005 zwischen 50.000 und 100.000 Kinder. Nach<br />

Schätzung der Kinder- und Jugendpsychiater seien<br />

500.000 Kinder betroffen.<br />

Das Medikament soll das Problem, die Störung<br />

„wegmachen“. Die Denkweise dahinter lautet: Das<br />

Kind hat ein Problem, die Störung liegt <strong>im</strong> Kind. Es<br />

werde auf Heilung, nicht auf einen besseren Umgang<br />

mit dem Kind gesetzt. Mit der Medikation<br />

trete zunächst Beruhigung in der Familie ein. Das<br />

Problem sei benannt, man spreche nicht über eine<br />

Absetzung. Weber verwies auf ein Forschungsprojekt<br />

in einer Schule in Berlin. Dort sei der Unterricht<br />

so gestaltet worden, dass auf den Bewegungsund<br />

Betätigungsdrang der Kinder Rücksicht genommen<br />

worden sei: Es habe keine ADS/ADHS<br />

Kinder mehr gegeben.<br />

Die Ursache des ADS/ADHS sei wissenschaftlich<br />

nicht geklärt. Dies habe zuletzt eine Anfrage der<br />

Grünen <strong>im</strong> Bundestag bestätigt. Die Medikation<br />

erfolge entgegen festgeschriebener Richtlinien häufig<br />

ohne psychosoziale Begleitung von Kind und<br />

Familie. Dies sei ähnlich wie in der Substitutionsbehandlung<br />

von Drogenabhängigen, in denen Praxen<br />

Methadon ohne die kostenaufwendige Betreuung<br />

verabreichen.<br />

Lange habe es keine Langzeitstudien zu Methyl-<br />

phenidat gegeben, Ergebnisse lägen erst jetzt vor.<br />

Folgen der Medikation seien Störungen der Grobund<br />

Feinmotorik, Auch sei festgestellt worden, dass<br />

Alzhe<strong>im</strong>er bei Personen, die mit Methylphenidat<br />

behandelt worden waren, durchschnittlich 1 Jahre<br />

früher auftrete, als bei unbehandelten Alzhe<strong>im</strong>erpatienten.<br />

Wer oder was ist normal?<br />

Wer wissen will, wie das definiert wird, schlage z.B.<br />

das DSM (Diagnostic and Statistical Manual of<br />

Mental Disorder), das Handbuch zur Klassifikation<br />

psychischer Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen<br />

Vereinigung, auf. Während in der Erstausgabe<br />

195 Kinder noch nicht erwähnt waren,<br />

werden 1980 <strong>im</strong> DSM-III erste Störungsbilder beschrieben.<br />

Die Definitionen stellen Ergebnisse von<br />

Einigungsprozessen der Wissenschaft, nicht der<br />

Forschung dar. Weber erinnerte daran, dass Homosexualität<br />

in den 70er Jahren noch zu den Störungsbildern<br />

zählte. Andererseits eröffnete die<br />

Definition von Alkoholismus als Krankheit für die<br />

Betroffenen Behandlungsmethoden. Für Kinder sei<br />

der Katalog in der Folge <strong>im</strong>mer größer geworden;<br />

ein gigantischer Pathologisierungsprozess sei eingeleitet<br />

worden.<br />

Begonnen habe der Versuch festzulegen, ob ein<br />

Kind normal entwickelt sei, zu Beginn des vorigen<br />

Jahrhunderts. Das französische Unterrichtsministerium<br />

lies dazu erste Testverfahren zur Schulfähigkeit<br />

entwickeln. Aufgenommen wurde die Entwicklung<br />

der Testdiagnostik dann von William<br />

Stern, der die differenzielle Psychologie begründete.<br />

Man geht dabei von der sogenannten Normalverteilung<br />

aus, nach der sich 75 % einer Gruppe <strong>im</strong><br />

Normalbereich (IQ von 90 bis 110) bewegen, die<br />

restlichen 5 % stellen Ausreißer nach oben oder<br />

unten dar, und sind somit als hoch oder minderbegabt<br />

einzustufen. Auch in der Notengebung an den<br />

Schulen wird gefordert, dass Noten entsprechend<br />

der Normalverteilung vergeben werden. Dies bedeutet,<br />

das ein Ergebnis zu erzeugen ist, das vorher<br />

bereits festgelegt ist.<br />

Eingebürgert habe sich ein pragmatischer Normalitätsbegriff:<br />

Normal sei, Fortsetzung Seite 20<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong> – OktOber <strong>2008</strong> 19


was die Mehrheit als normal empfindet. Hier stellte<br />

Weber die Frage, wer sich denn mit der Etikettierung<br />

„normal“ noch wohlfühle. Seien nicht eher<br />

Begriffe wie Individualität, Eigenwilligkeit und<br />

Besonderheit positiv besetzt; gebe es nicht mittlerweile<br />

den „Otto Normalabweicher“? Kinder hingegen<br />

gestehe man die Unterschiedlichkeit nicht zu.<br />

Die Abweichung wird zur Störung.<br />

Wo eine Störung, da eine Behandlung<br />

Am Bespiel der Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie)<br />

verdeutlichte Weber, wie der Therapiemarkt<br />

nach Angebot und Nachfrage funktioniert.<br />

In Deutschland, wo früher weder über das BSHG<br />

noch über die Krankenkassen eine Kostenübernahme<br />

der Therapie möglich war, war das Störungsbild<br />

kaum gegeben. In der Schweiz, wo Legasthenietherapie<br />

über die Krankenkasse abgerechnet werden<br />

kann, war dagegen eine Zunahme der Fälle zu verzeichnen.<br />

In Deutschland ist auf der Grundlage des<br />

1995 eingeführten § 35a SGB VIII eine Kostenübernahme<br />

durch die Kinder- und Jugendhilfe möglich.<br />

Nehmen Eltern diese Hilfe für ihr Kind in Anspruch,<br />

müssen sie gegenwärtig sein, dass dieses<br />

damit als seelisch behindert oder von seelischer<br />

Behinderung bedroht eingestuft und gegebenenfalls<br />

stigmatisiert wird. Was eine Leistungsschwäche<br />

war, wird zur Krankheit.<br />

Was tut Kindern gut und was nicht<br />

Eine mögliche Ursache für die wachsenden Schwierigkeiten<br />

von Kindern liege in der Veränderung der<br />

Bedingungen des Lernens, was er am Beispiel der<br />

Recherche verdeutlicht. Wo sich früher das Kind<br />

auf den Weg machte und in Kommunikation trat,<br />

um Fachwissen zu erhalten, googelt es nun <strong>im</strong> Internet<br />

und wird in kürzester Zeit mit Informationen<br />

überflutet, was, neben dem damit einhergehenden<br />

Bewegungsmangel, eine hohe Aufmerksamkeitsleistung<br />

abverlangt. Soziale Kompetenz hingegen<br />

wird nicht entwickelt und verkümmert. Einen<br />

weiteren Grund sieht Weber in der völligen<br />

Beliebigkeit, ja Verwahrlosung des Umgangs miteinander,<br />

wenn z.B. Absprachen nicht eingehalten<br />

werden. Gleichzeitig laste ein hoher Druck auf der<br />

Elternschaft, ihr Kind fit zu machen für Schule und<br />

Berufsleben.<br />

Alle an der Erziehung Beteiligten, Eltern, Erzieher,<br />

Lehrer, stellen Anforderungen, die das Kind erfüllen<br />

kann oder nicht. Erziehung stelle <strong>im</strong>mer auch<br />

Machtausübung dar. Die Erziehungsziele der Eltern<br />

oder Erzieher seien nicht <strong>im</strong>mer selbst gewählt und<br />

selbstbest<strong>im</strong>mt. Weber stellte die Forderung, Ziele<br />

und Anforderungen den Kindern zu erklären und<br />

damit nachvollziehbar zu machen.<br />

In der Diskussion wurde vor allem die bei Weber<br />

anklingende Kritik am Normalitätsbegriff in Frage<br />

gestellt. So sei zu überlegen, ob der Begriff des Normalen<br />

nicht auch auf Handlungsweisen einer sozialen<br />

Praxis ziele, die sich ein Kind erarbeiten müsse,<br />

um an ebendieser sozialen Praxis teilnehmen zu<br />

können.<br />

In der politischen Auseinandersetzung wird die<br />

Kindererziehung häufig als rein finanzielles Problem<br />

abgehandelt oder dient der Ideologisierung<br />

best<strong>im</strong>mter Lebensweisen. Webers Herangehensweise<br />

zeigte jedoch, dass durchaus auch die Inhalte<br />

von Erziehung einer politischen Betrachtung zugänglich<br />

sind.<br />

0 mitlinks nr. <strong>26</strong>, OktOber <strong>2008</strong><br />

ein Veranstaltungsbericht zum thema<br />

Gemeinschaftsschule“<br />

„Finnisch schlau oder<br />

bayerisch blöd?“<br />

Von natascha eichner<br />

Eine Veranstaltung zum Thema Gemeinschaftsschule<br />

mit dem Titel „Finnisch schlau?“ fand am<br />

.7.08 <strong>im</strong> EineWeltHaus statt. Als Referenten waren<br />

eingeladen Gabi Gabler von der GEW-Bayern<br />

und Lena Tietgen, Erziehungswissenschaftlerin<br />

und Journalistin aus Berlin.<br />

Wenn von Gemeinschaftsschule die Rede ist, wird<br />

in der Regel das politische Projekt als Arbeits- und<br />

Zielgrundlage angesehen. Gerne wird in diesem<br />

Zusammenhang vergessen, auf welchem Fundament<br />

diese Forderung beruht. Sie stellt nicht nur<br />

eine politische Ziellinie dar, sondern beruht auf<br />

handfesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die<br />

Pädagogik und die Psychologie haben schon lange<br />

erkannt und gefordert, was in die Köpfen der bayerischen<br />

CSU-Politiker erst langsam Zugang findet.<br />

Kinder sind nicht homogenisierbar. Sie sind nun<br />

mal Individuen wie jeder andere Mensch auch und<br />

brauchen als solche eine Schule für Individuen. Lena<br />

Tietgen ging in der ersten Phase ihres Vortrags<br />

auf diese Grundlagen ein und verdeutlichte die<br />

pädagogische Notwendigkeit einer Schule für alle.<br />

Schule für alle – In Berlin bereits Realität<br />

Politisch ist die Schule für alle mit Hilfe mehrerer<br />

Akteure in Berlin schon Realität. Wenn auch erst in<br />

den Kinderschuhen, so existiert sie doch zumindest<br />

schon an einzelnen Schulen. Der Berliner Koalitionsvertrag<br />

machte eine Gemeinschaftsschule in<br />

<strong>im</strong>merhin elf Berliner Schulen zur Realität und<br />

man kann sich nur für alle Beteiligten freuen. Berlin<br />

hat aber noch mehr zu bieten. So berichtete Lena<br />

von einem runden Tisch, an dem es die GEW<br />

Berlin geschafft hat, die verschiedensten Vertreter<br />

und Befürworter der Gemeinschaftsschule zusammenzubringen.<br />

Wenn es um die Verwirklichung einer Schule für<br />

alle geht, kann nicht von heute auf morgen der Blitz<br />

einschlagen, und alles ist gut. Aus diesem Grund ist<br />

es notwendig, verschiedenste Projekte und Pfade zu<br />

beschreiten. Einer davon ist die Modellschule in<br />

Winterhude/Hamburg. Das Bemerkenswerte an<br />

dieser Schule ist die Herangehensweise an Reformen.<br />

Diese Schule verdankt ihre Reformen dem<br />

großen Engagement der Eltern. Sie waren es, die<br />

aus der Schule eine Reformschule machten. Die<br />

Winterhuder Schule stellt gewiss keine Patentlösung<br />

aller Probleme dar, aber sie ist mit ihrem<br />

Status als Leuchtturmprojekt einer der Vorreiter<br />

in Sachen Kreativität <strong>im</strong> Schulbetrieb. Pädagogik<br />

ist <strong>im</strong> Gegensatz zur Naturwissenschaft nicht an<br />

Formeln gebunden. Sie ist an den Menschen gebunden,<br />

und dieser ist nicht berechenbar. Aus diesem<br />

Grund ist der Weg der Schule in Winterhude von<br />

unten nach oben, von den Eltern zur Schulleitung<br />

genauso richtig und wichtig wie der umgekehrte in<br />

Berlin. Berlin machte die ersten Gehversuche einer<br />

Schule für alle durch den politischen Willen, die<br />

politische Möglichkeit und durch den Wähler mög


lich. Dieses Top-down-Prinzip bei so wichtigen<br />

Reformen wie der Gemeinschaftsschule ist genauso<br />

notwendig wie Botton-up in Winterhude.<br />

Winterhude und Berlin bilden zwei Leuchttürme<br />

deren Feuer hoffentlich noch vielen Schiffen den<br />

Weg in den Hafen des gemeinsamen Lernens weist.<br />

In der Veranstaltung bildeten sie jedenfalls die<br />

Grundlage für die Frage nach bayerischen Verhältnissen.<br />

Gabi Gabler von der GEW wies diese in unmissverständlicher<br />

Klarheit auf.<br />

Die Schule in Bayern ist nicht „dreigliedrig“<br />

sondern „vielgliedrig“<br />

Die Schule in Bayern ist nicht dreigliedrig. Sie ist<br />

vielgliedrig. Sie beinhaltet Förderschulen der verschiedensten<br />

Schwerpunktsetzung, hat innerhalb<br />

der Hauptschule nochmals eine Unterteilung und<br />

ist so gesehen sehr durchlässig. Nach unten geht für<br />

den bayerischen Schüler <strong>im</strong>mer gut. Andersherum<br />

sieht die Sache nicht ganz so rosig aus.<br />

Wer von unten kommt und nach oben will muss sich<br />

schon gewaltig anstrengen. Die Argumentation der<br />

CSU hat an dieser Stelle einen großen Haken. Sie<br />

hängt die Ausnahmen auf und will damit ins ganze<br />

Land erstrahlen.<br />

Tatsache ist, dass diejenigen, die von unten kommen<br />

und es bis nach oben schaffen, <strong>im</strong>mer weniger<br />

werden. Schon alleine die Hürde von der Förderschule<br />

zurück an die Regelschule ist kaum zu überwinden,<br />

und weitergehend kann das nur funktionieren,<br />

wenn das Kind über Fähigkeiten wie Zielbewusstsein,<br />

Ehrgeiz und Motivation verfügt. Diese<br />

Eigenschaften sind selten angeboren. Sie werden<br />

vermittelt. Hier beisst sich der Hund in den<br />

Schwanz. Den betroffenen Kindern wird meistens<br />

alles andere vermittelt, aber nicht die Möglichkeit<br />

einer positiven Zukunft. Motivation wächst nicht<br />

auf dem Acker. Sie wird geweckt. Durch Interesse<br />

und Selbstbest<strong>im</strong>mung. Selbstbest<strong>im</strong>mt ist der Weg<br />

der bayerischen Kinder in ihre Zukunft nicht, und<br />

insofern ist das bayerische Konzept schon schlüssig.<br />

Gehorsam und Obrigkeitsstaatsdenken halten<br />

wieder Einzug in die süddeutsche Pädagogik. Ein<br />

vorgezeichneter Weg ist einzuhalten, und die indische<br />

Kaste lässt grüßen.<br />

Die Bestrebungen der SPD, das System wenigstens<br />

um ein Glied zu reduzieren und die Hauptschule<br />

mit der Realschule zusammenzulegen, wird von<br />

Seiten der bayerischen GEW abgelehnt. Diese Variante<br />

stellt keinen Weg hin zur Schule für alle dar.<br />

Sie beruhigt nur die aufgewühlten Nerven aller<br />

Eltern und Pädagogen. Kurz: Das ist derselbe Mist<br />

in neuem Gewand.<br />

Die anschließende Diskussion offenbarte, wie viel<br />

Unsicherheit noch hinsichtlich der neuen Wege<br />

herrscht. Fragen waren unter andern der Wert von<br />

Leuchtturmprojekten wie Winterhude. Der pädagogische<br />

Mehrwert von einzelnen Modellbausteinen<br />

in der Praxis und die Sinnhaftigkeit von Lernen<br />

lernen. An dieser Stelle wäre eine Vertiefung<br />

sicher gut gewesen, denn das Thema des lebenslang<br />

lernenden Menschen, des sich selbst organisierenden<br />

Individuums und die Notwendigkeit solcher<br />

Fertigkeiten in einer <strong>im</strong>mer komplexeren Umwelt<br />

sind auch für die linke pädagogische Debatte<br />

interessant. Zusammenfassend lässt sich durchaus<br />

sagen, dass die Schule für alle von der Mehrheit der<br />

Anwesenden für richtig, wichtig und gut befunden<br />

wurde.<br />

Wahlkampfeindrücke – erfahrungsbericht einer<br />

nicht mehr ganz naiven bürgerin<br />

„nazis raus aus den<br />

köpfen“ …<br />

… dieses Plakat war in der Vergangenheit schon bei<br />

vielen Demonstrationen dabei. Bei der diesjährigen<br />

Kundgebung am 9. August zum Thema „Tierrechte“<br />

und „Einschränkung der Versammlungsrechte“<br />

allerdings nicht. Das lag nicht daran, dass wir keines<br />

mehr gehabt hätten oder dass wir es nicht mehr<br />

mögen. Nein, wir mögen unser Plakat <strong>im</strong>mer noch,<br />

und wir haben noch viele davon. Es lag viel mehr an<br />

zwei Beamten in grüner Uniform, die der Meinung<br />

waren, dieses Plakat könnte Nazis zu Dingen reizen,<br />

die nicht gut sind für uns und für den Rest der<br />

Welt. Sie verboten kurzerhand das Plakat und bedrängten<br />

den Veranstalter, dafür zu sorgen, dass es<br />

verschwindet. Andernfalls drohten sie mit Auflösung<br />

der Kundgebung.<br />

So ein Nazi ist leicht reizbar. Soweit so gut. Jetzt,<br />

nachdem ich von den Polizisten über den Gemüts-<br />

zustand eines Nationalsozialisten aufgeklärt wurde,<br />

kann ich mir das gut vorstellen. Ein bisschen<br />

wie bei einem Stier mit einem roten Tuch vor der<br />

Nase. Der rennt auch nur einfach los. Noch absurder<br />

wird alles, wenn man sich die Zusammenhänge<br />

einmal genauer ansieht. Ich zähle jetzt nur mal die<br />

Fakten auf:<br />

a) Versammlung zum Schutz der Tiere und gegen<br />

die Verschärfung der Versammlungsfreiheit.<br />

b) Plakat gegen Nazis.<br />

c) Polizisten verbieten Plakat und helfen Nazis,<br />

weil die ja reizbar sind.<br />

d) Ratlosigkeit bei uns und der Eindruck wir sind<br />

<strong>im</strong> falschen Film.<br />

Es ging nicht nur um das Plakat. Als sich die Beamten<br />

erst einmal logisch heißgelaufen haben, mussten<br />

auch noch alle anderen Materialien zum Thema<br />

Rechtsextremismus vom Tisch. Zwischendurch<br />

schlenderten sie dann vorbei, um nach dem Rechten<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong> – OktOber <strong>2008</strong> 1


zu sehen. Wir sahen’s ja ein. Die Gedankenfolge<br />

Nazi-reizbar – Polizist-hilft hat ja was.<br />

Also machten wir, was alle freiheitsliebenden Menschen<br />

machen, wenn sie durch staatliche Willkür<br />

an der Ausübung ihrer rechtlich verankerten Meinungsfreiheit<br />

gehindert werden. Wir gingen in den<br />

Untergrund. Genauer in den Untergrund unter dem<br />

Tisch. Ab diesem Zeitpunkt gab es „schmutziges<br />

Material“ für alle Interessierten unter der Hand.<br />

Das Nazi-Plakat wurde umgedreht aufgehängt und<br />

der rasierte Schädel guckte unterm Tisch dem verbotenen<br />

Treiben zu. Ich wartete, dass er sich gereizt<br />

fühlt, aber der war friedlich. Gott sei Dank.<br />

Na ja, was soll ich sagen, das Material gegen die<br />

NPD wurde von uns in einem Anfall von Widerstandswillen<br />

auf den Tisch gelegt.<br />

Einer hielt Ausschau, wann die Polizisten sich nä-<br />

be<strong>im</strong> ersten mal 4,3% und in vier bezirks-<br />

tagen vertreten<br />

Wir bedanken uns bei allen Bayerinnen und Bayern,<br />

die uns mit ihren St<strong>im</strong>men gewählt und damit ihr Vertrauen<br />

geschenkt haben! Wir werden für die Ideen<br />

unseres Wahlprogramms in den nächsten fünf Jahren<br />

in Bayern außerparlamentarisch streiten, denn Demokratie<br />

und Veränderung beginnt nicht erst bei den<br />

Stufen zum Max<strong>im</strong>ilianeum.<br />

Wir werden <strong>im</strong> Bundestag, Europaparlament, den<br />

Kommunalparlamenten und auf der Strasse für mehr<br />

Wie es sich gehört, saßen die beiden VertreterInnen<br />

der <strong>LINKE</strong>N, Beate Jenkner und Dr. Klaus Weber,<br />

auf der ersten oberbayerischen Bezirkstagssitzung<br />

Ende Oktober, links außen. Vor der Sitzung gab es<br />

schon Hinweise darauf, dass die SPD aus ihrer<br />

Wahlniederlage in Bayern nichts gelernt hat: Zum<br />

einen schrieben zwei Bezirksräte der SPD einen<br />

Drohbrief an den DGB, weil dieser der <strong>LINKE</strong>N<br />

zur Wahlparty den Großen Saal vermietet hatte,<br />

zum anderen gab es Gerüchte, die SPD werde mit<br />

der CSU eng zusammenarbeiten.<br />

Die Wahl des Bezirkstagspräsidenten brachte es an<br />

den Tag: CSU und SPD haben eine große Koalition<br />

geschlossen, um sich gegenseitig die Posten zuzuschanzen<br />

und um die kleinen Parteien (die <strong>im</strong>merhin<br />

mehr als 40% ausmachen) gar nicht erst zu berücksichtigen.<br />

Gewählt wurde der CSU-Mann Mederer<br />

mit den St<strong>im</strong>men der SPD; und das, obwohl<br />

die GRÜNEN eine Sozialdemokratin (Bittner) für<br />

den Posten vorschlugen. Die SPD-Frau wurde als<br />

Stellvertreterin gewählt – die zweite Stellvertreterin<br />

kam wieder aus den Reihen der CSU.<br />

„Wir sind eine Kooperation mit der CSU eingegangen“<br />

und „In Abst<strong>im</strong>mung mit der CSU schlagen<br />

wir vor …“, hieß es von Fraktionsführer Asam<br />

(SPD), als er gegen den lautstarken Protest der<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong>, OktOber <strong>2008</strong><br />

herten. Schwupp, wurde der Flyer zur Kindererziehung<br />

darüber geschoben. Wie man weiß, wird starker<br />

Reizbarkeit und geringer Frustrationstoleranz<br />

durch falsche Erziehung Grund gelegt. Das ging<br />

ein, zwei Mal gut und be<strong>im</strong> dritten Mal wurden wir<br />

erwischt. Schuldbewusstes Schauen auf meiner<br />

Seite brachte nicht viel.<br />

Die nette blonde Beamtin droht mit Platzverweis.<br />

Sie sei ja nicht doof. Sah’ ich ein und nahm den Flyer<br />

weg. So verging der Tag mit ein bisschen Widerstand,<br />

und wir bekamen eine Ahnung davon, was<br />

uns noch blüht, wenn wir es nicht schaffen, eine<br />

freiheitlich-demokratische Grundordnung am Leben<br />

zu erhalten. Wenn wir es nicht schaffen, den<br />

Sicherheitsstaat zu verhindern, oder wenn wir es<br />

nicht schaffen, Gesetze zu verhindern, die der Willkür<br />

Tür und Tor öffnen. (N.E.)<br />

soziale Gerechtigkeit kämpfen. Beide ehemaligen<br />

Volksparteien CSU und SPD haben ihr schlechtestes<br />

Ergebnis der Nachkriegsgeschichte eingefahren.<br />

<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> bekam bei ihrem ersten Antritt 4,3% (rund<br />

461.000 Wählerst<strong>im</strong>men), die wir in den nächsten Jahren<br />

ausbauen werden.<br />

Der Grundstein ist gelegt, wir sind auch in Bayern angekommen.<br />

Mit Ergebnissen von 3,7% in Oberbayern<br />

(2 Sitze), 4,0 % in Schwaben (1 Sitz), 5% in Mittelfranken<br />

(1 Sitz) und 4,8% in Unterfranken (1 Sitz) gelang<br />

zudem der Einzug in 4 von 7 Bezirkstagen.<br />

www.dielinke­bayern.de<br />

Wir gratulieren beate Jenkner und Dr. klaus Weber zur Wahl in den bezirksausschuss und freuen uns auf<br />

eine gute Zusammenarbeit!<br />

bezirkstag: Die sPD an CsU – kaufen Posten,<br />

zahlen mit Demokratie Dr. klaus Weber (bezirksrat für Die linke)<br />

sechs kleinen Gruppierungen erläutern wollte, wieso<br />

das in den letzten Jahrzehnten von der SPD geforderte<br />

Auszählverfahren Haare/Niemeyer diesmal<br />

nicht angewandt werden soll. Die Ausschüsse<br />

(Personal-, Bezirks-, Umwelt, Sozial/Gesundheitsausschuss<br />

etc.), welche nach dem Gesetz den Wählerwillen<br />

widerspiegeln sollten, sind nun zu zwei<br />

Dritteln mit VertreterInnen der CSU/SPD besetzt,<br />

während die kleinen Parteien sich um den Rest<br />

schlagen konnten. Eine Ausschussgemeinschaft der<br />

kleinsten Gruppierungen (ÖDP, Bayernpartei) mit<br />

der <strong>LINKE</strong>N, die rechnerisch möglich gewesen wäre,<br />

wurde dadurch verhindert, dass die CSU dem<br />

Vertreter der Bayernpartei <strong>im</strong> Kulturausschuss einen<br />

Sitz abgab und die ÖDP-Vertreterin einen (auch<br />

finanziell attraktiven) Referentinnen-Posten von<br />

CSU/SPD zugesprochen bekam.<br />

Was <strong>im</strong> Bezirkstag gelernt werden kann ist, ist die<br />

Grundlehre fürs Studium bürgerlicher Parlamente:<br />

Jede/r kann mit Posten und Macht gekauft werden.<br />

Die <strong>LINKE</strong> wird allerdings langfristig von der<br />

Strategie der Großparteien und der Anbiederung<br />

der kleinen Parteien profitieren. Voraussetzung dafür<br />

ist allerdings etwas, was der Bezirkstag von<br />

Oberbayern scheut wie der Teufel das Weihwasser:<br />

breite Öffentlichkeit.


Die stadtratslinke in der münchner<br />

Presse Von Ursula stöger<br />

In den vergangenen Monaten schrieben die Zeitungen<br />

vor allem über die bayerische <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong><br />

Rahmen der Berichterstattung und von Kommentaren<br />

zur Landtagswahl. Es überrascht nicht, dass<br />

die Darstellung der <strong>LINKE</strong>N in der Münchner Tagespresse<br />

meist wenig positiv war. So sieht die Süddeutsche<br />

Zeitung <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> als Partei ohne Identität<br />

(SZ vom 8.8) und die Abendzeitung schaut<br />

mit einem despektierlichen Blick auf die Wahlkampftour<br />

von Gysi und Lafontaine, indem sie sich<br />

etwa über Gysis Essgewohnheiten mokiert. (AZ<br />

vom 11.9).<br />

Gegenüber einer derart niveaulosen Berichterstattung<br />

gibt es dann schon Anlass zur Freude, wenn<br />

der Münchner Merkur über ehemalige CSU-Mitglieder<br />

berichtet, die zur Linken gewechselt sind<br />

und sogar für den Landtag kandidieren (MM vom<br />

10.9) oder die Süddeutsche Zeitung erkennt, dass<br />

der Kreuzzug der CSU gegen die <strong>LINKE</strong> ein<br />

„Kreuzzug gegen die eigene Angst“ (SZ vom 6.8)<br />

ist. Artikel, die nüchtern über die Politik der LIN-<br />

KEN berichten, oder positive Kommentare sind<br />

selten. Ein Beispiel ist ein Programmvergleich unter<br />

den bayerischen Parteien, darunter auch der<br />

<strong>LINKE</strong>N, der in einer tabellarischen Überblicksdarstellung<br />

die Positionen zu Bildungsfragen, zur<br />

Energiepolitik, zum Mindestlohn oder zur inneren<br />

Sicherheit darstellt (SZ vom 3.9.).<br />

Die Berichterstattung über die Politik der <strong>LINKE</strong>N<br />

<strong>im</strong> Münchner <strong>Stadtrat</strong> in den vergangenen Monaten<br />

war dagegen anders. Insgesamt wird über politische<br />

Aktivitäten der drei Münchner StadträtInnen<br />

zwar viel zu selten berichtet. Die wenigen Berichte,<br />

die seit Juli über die <strong>Stadtrat</strong>sgruppe veröffentlicht<br />

wurden, sind dafür in der Regel weniger polemisch,<br />

sondern meist recht nüchtern. Interessanterweise<br />

berichtet gerade der konservative Münchner Merkur<br />

am häufigsten über die Politik der <strong>LINKE</strong>N.<br />

Zudem fallen die Artikel auch durch eine größere<br />

Fairness als die der anderen Münchner Tageszeitungen<br />

auf. Die Berichte beschränken sich meist<br />

auf sachliche Ausführungen über die politischen<br />

Initiativen der Münchner StadträtInnen. Für alle<br />

Münchner Tageszeitungen gilt jedoch, dass über die<br />

Initiativen der <strong>LINKE</strong>N sehr knapp, d.h. meist ohne<br />

Hintergrundinformationen berichtet wurde.<br />

Seit Ende Juli berichteten die Münchner Tageszeitungen<br />

über folgende Aktivitäten der Münchner<br />

<strong>Stadtrat</strong>slinken:<br />

Der Münchner Merkur schreibt am 3.7., dass die<br />

<strong>LINKE</strong> gegen den Beschluss des <strong>Stadtrat</strong>s, das<br />

P+R-Parkhauses in Fröttmaning zu sanieren,<br />

st<strong>im</strong>mte. Am 8.7. berichtet er über eine Anfrage<br />

von Dagmar Henn, mit der sie sich über mögliche<br />

negative Auswirkungen <strong>im</strong> Zusammenhang mit der<br />

Schließung der Münchner Postfilialen informieren<br />

will. Seitens des Referats für Arbeit und Wirtschaft<br />

wurden diese Bedenken in der Antwort verneint.<br />

Die Süddeutsche Zeitung schreibt, dass sich die<br />

<strong>LINKE</strong> gegen die Umbaupläne von zwei Fabrikhallen<br />

in der Kistlerhofstraße ausgesprochen hat. Der<br />

<strong>Stadtrat</strong> beschloss schließlich die Sanierung, die<br />

allerdings doppelt so teuer wie ursprünglich geplant<br />

werden wird (SZ vom 6.7.).<br />

Eine Initiative der <strong>LINKE</strong>N zur städtischen Woh-<br />

nungspolitik wurde sogar in zwei Münchner Tageszeitungen<br />

erwähnt. Es geht um die Zukunft der<br />

Werkswohnungen von Siemens. Die Stadt <strong>München</strong><br />

soll sich bei einer Veräußerung der Wohnungen<br />

durch Siemens einmischen und diese aufkaufen.<br />

Dies forderte Brigitte Wolf in einem Antrag. Auch<br />

der genossenschaftliche Wohnungsverband „GI-<br />

MA“ könnte ihretwegen daran beteiligt werden<br />

(AZ und MM vom 9.7.).<br />

Einen zwar sehr kurzer aber positiver Bericht erschien<br />

<strong>im</strong> Münchner Merkur über eine Anfrage, in<br />

der Orhan Akman sich für die Stärkung von Fahrgemeinschaften<br />

einsetzt. Er will wissen, ob es die<br />

Möglichkeit gibt, dass sich mehrere Personen einen<br />

PKW teilen und dafür Parkausweise für verschiedene<br />

Parkzonen erhalten können (MM vom 30.7.).<br />

Etwas ausführlicher berichtete die Süddeutsche<br />

Zeitung über einen Antrag von Dagmar Henn. Sie<br />

fordert eine Weihnachtsbeihilfe für Sozialhilfeund<br />

Hartz IV-BezieherInnen. Insbesondere Kinder<br />

sind betroffen, wenn ihnen ihre Eltern keine Geschenke<br />

kaufen können. In unserem Kulturkreis ist<br />

es kaum möglich, sich den weihnachtlichen Konsumbotschaften<br />

und den Weihnachtsritualen zu<br />

entziehen. Deshalb soll die Stadt <strong>München</strong> dem<br />

Beispiel anderer Kommunen folgen und zwischen<br />

60 und 80 Euro an jede/n HilfeempfängerIn auszahlen<br />

(SZ vom 14.8.).<br />

Über eine Anfrage zur Arbeitsmarktpolitik der<br />

Stadt <strong>München</strong> schreibt der Münchner Merkur am<br />

30.9.. Mit dieser will Orhan Akman sich informieren,<br />

wie viele Ein-Euro-Stellen <strong>im</strong> Stadtgebiet bestehen<br />

und wer diese Stellen anbietet. In der Antwort<br />

wurde ihm mitgeteilt, dass in <strong>München</strong> bei<br />

etwa <strong>13</strong>0 Trägern von insgesamt 000 fast 1500 solcher<br />

Stelle besetzt sind. Zu den Anbietern gehören<br />

neben der Landeshauptstadt selbst auch verschiedene<br />

soziale Träger. Weiter will Orhan Akman wissen,<br />

ob die Stellen mittelfristig in normale Beschäftigungsverhältnisse<br />

umgewandelt werden, was das<br />

Sozialreferat verneint. Da Ein-Euro-Stellen Arbeitslose<br />

wieder an den Arbeitsmarkt heranführen<br />

sollen, seien sie zusätzliche Stellen (MM vom 30.9.).<br />

Kurz berichtet der Münchner Merkur über das Abst<strong>im</strong>mungsverhalten<br />

der <strong>LINKE</strong>N bei Beschlüssen<br />

zum Behindertenbeirat ( 6.9.) und zu einem geschlossenem<br />

He<strong>im</strong> für 10- bis 16-Jährige ( 4.9.).<br />

Entgegen der Mehrheit st<strong>im</strong>mte Dagmar Henn für<br />

den Wunsch des Behindertenbeirats, künftig organisatorisch<br />

direkt be<strong>im</strong> Direktorium und nicht<br />

be<strong>im</strong> Sozialreferat angesiedelt zu werden. Zudem<br />

wendet sich Dagmar Henn als einzige Stadträtin<br />

gegen die Errichtung eines He<strong>im</strong>es für Kinder und<br />

Jugendliche, in dem diese bis zu drei Tagen eingesperrt<br />

werden dürfen.<br />

Eine interessante Information erschien in der tz<br />

von 4. August. In einem Interview äußert der Oberbürgermeister<br />

seine Meinung über die <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong><br />

Münchner <strong>Stadtrat</strong>. Diese fiel außergewöhnlich positiv<br />

aus. Im Umgang mit den beiden neuen StadträtInnen<br />

Orhan Akman und Dagmar Henn fehle ihm<br />

zwar die Erfahrung, der Stadträtin Brigitte Wolf<br />

muss er jedoch eine hohe Informiertheit und Sachlichkeit<br />

bescheinigen. Insgesamt kann er also nichts<br />

Nachteiliges über die <strong>LINKE</strong> sagen (tz vom 4.8.)<br />

mitlinks nr. <strong>26</strong> – OktOber <strong>2008</strong> 3


Leider hatte man es nicht geschafft,<br />

ein Bündnis mit allen<br />

fortschrittlichen, physischen und<br />

metaphysischen Kräften aufzubringen:<br />

Wie Walter Listl als Moderator<br />

der Kundgebung selber einräumte,<br />

war der Wettergott eindeutig und<br />

einseitig mit den Millionärinnen<br />

und Millionären, die sich in der<br />

Neuen Messe, die „Sachen anschauen<br />

konnten, die man mit dem Geld,<br />

das man uns für die Finanzkrise<br />

raubt, kaufen kann“, so weiter Listl.<br />

Aber vielleicht ist der Wettergott<br />

gar nicht so fortschrittlich, wie <strong>im</strong>mer<br />

behauptet wird. Schade war es<br />

jedenfalls, dass die schön geplante<br />

Aktion des Münchner Sozialforums<br />

wegen durchgehenden Regens und<br />

Sturms zum einen nicht die Aufmerksamkeit<br />

fand, die sie verdient<br />

hätte, zum anderen verfrüht abgebrochen<br />

werden musste, in den<br />

Worten Listls: man die Millionäre<br />

eine Stunde früher, mit „ihrem<br />

traurigen Schicksal allein“ ließ. Immerhin:<br />

auch bei Medien mit unwesentlich<br />

größerer Verbreitung als<br />

unserem Blatt wie der BBC fand die<br />

Aktion Beachtung. Und die Passanten,<br />

die sich vom Regen abschrecken<br />

ließen, waren letztlich selber<br />

schuld, einige gute Gelegenheiten<br />

verpasst zu haben. So gab es auf<br />

einem Sklavenmarkt, selbige bereits<br />

ab einem Preis von 500 Euro, bei<br />

einer Auktion hätte man exklusive<br />

Alu- und Joghurtbecher, bereits ab<br />

4.000 Euro ersteigern können (ein<br />

Genosse hatte 3 Milliarden geboten,<br />

Gott sei Dank wurde, noch bevor<br />

er den Zuschlag erhielt, entlarvt,<br />

dass er über diese Summe seit<br />

der Finanzkrise nicht mehr verfüge).<br />

Gefährlich wurde es jedoch, als<br />

„Angela und Peer“, noch dazu unterstützt<br />

von der Clownsarmee, loszogen,<br />

um die 50 Milliarden, die <strong>im</strong><br />

„Finanzcasino“ verschwunden waren,<br />

zu rauben. Die Ausgeraubten<br />

wurden wenigstens vom Attac Chor<br />

mit seinem abschließenden „Rationalisierungslied“<br />

<strong>im</strong>materiell entschädigt.<br />

Nein –, auch wenn die<br />

Rolle der Luxusgüterproduktion<br />

für die Wirtschaft vielleicht mal einer<br />

längeren Beschäftigung wert<br />

wäre: Dass die demonstrative, um<br />

nicht zu sagen, aggressive Zurschaustellung<br />

eines durch nichts<br />

mehr zu rechtfertigenden Reichtums,<br />

in einer Welt in der alle fünf<br />

Sekunden ein Kind an Hunger<br />

stirbt, um sich erneut an Listl zu<br />

halten, etwas Obszönes hat, ist<br />

schwer zu leugnen. Darum an dieser<br />

Stelle Dank an das Sozialforum,<br />

dass es mit der kreativen Aktion auf<br />

diese Perversion aufmerksam gemacht<br />

hat. J.K.<br />

Wie <strong>im</strong>mer: Millionäre auf der<br />

Messe – das Volk <strong>im</strong> Regen …<br />

… Protest des Münchner Sozial-<br />

forums gegen die Millionaire Fair

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