Link zur Ausgabe als PDF - DIE LINKE. im Stadtrat München
Link zur Ausgabe als PDF - DIE LINKE. im Stadtrat München
Link zur Ausgabe als PDF - DIE LINKE. im Stadtrat München
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Mit<strong>Link</strong>s<br />
für ein solidarisches <strong>München</strong><br />
44 Nr. Juni 2013<br />
Zeitschrift aus der Politischen Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> –<br />
in Zusammenarbeit mit dem Forum <strong>Link</strong>e Kommunalpolitik <strong>München</strong><br />
Mehr dazu <strong>im</strong><br />
Bericht aus der Vollversammlung<br />
und den Ausschüssen (S. 3-5)<br />
<strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> <strong>München</strong>
Politische Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> <strong>München</strong><br />
Anschrift: Politische Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong>,<br />
Rathaus, Z<strong>im</strong>mer Nr. 176, Marienplatz 8,<br />
80331 <strong>München</strong><br />
E-Mail: info@dielinke-muenchen-stadtrat.de<br />
Internet: www.dielinke-muenchen-stadtrat.de<br />
Telefon: 089 – 233-25235 Fax: 089 – 233-28108<br />
Ausschussmitgliedschaften:<br />
Orhan Akman: Arbeit und Wirtschaft • Gesundheitsausschuss<br />
• Kreisverwaltungsausschuss • Verwaltungs-<br />
und Personalausschuss<br />
Dagmar Henn: Kinder- und Jugendhilfeausschuss<br />
• Kommunalausschuss • Umweltschutzausschuss •<br />
Schul- und Sportausschuss • Sozialausschuss<br />
Brigitte Wolf: Finanzausschuss • Kulturausschuss •<br />
Stadtplanung und Bauordnung<br />
Kreisverband der Partei <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>.<strong>München</strong><br />
Anschrift: <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>.<strong>München</strong>,<br />
Schwanthalerstr. 139, 80339 <strong>München</strong><br />
Telefon: 089 – 510 995-14 Fax: -16<br />
E-Mail: info@dielinke-muc.de<br />
Internet: www.dielinke-muc.de<br />
www.die-linke-bayern.de/parlamente/in_den_bezirkstagen/oberbayern<br />
<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>. <strong>im</strong> Bezirkstag von Oberbayern<br />
Beate Jenkner, Email: beatejenkner.bzt@gmx.de<br />
Prof. Dr. Klaus Weber, Email: dr.k.weber@t-online.de<br />
Bürgerbüro der Bundestagsabgeordneten<br />
Nicole Gohlke in <strong>München</strong><br />
Im Bürgerbüro von Nicole Gohlke steht der Wahlkreismitarbeiter<br />
Max Steininger an folgenden Terminen für<br />
Besucherverkehr <strong>zur</strong> Verfügung:<br />
Montag: 10 bis 13 Uhr<br />
Donnerstag: 10 bis 13 und 14 bis 18 Uhr<br />
Freitag:<br />
14 bis 16 Uhr<br />
sowie nach Vereinbarung<br />
Für den Sitzungsraum besteht ein Untermietvertrag mit dem<br />
Kreisverband <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>. <strong>München</strong>.<br />
Damit haben auch Untergliederungen der <strong>LINKE</strong>N die<br />
Möglichkeit, ihn <strong>als</strong> Versammlungsraum zu nutzen.<br />
Erreichbar ist das Bürgerbüro unter folgender Adresse:<br />
Bürgerbüro Nicole Gohlke MdB<br />
Hochbrückenstraße 10<br />
80331 <strong>München</strong><br />
Tel. / Fax: 089/379 516 02<br />
E-Mail: nicole.gohlke@wk.bundestag.de<br />
www.flink-m.de<br />
Forum <strong>Link</strong>e Kommunalpolitik<br />
<strong>München</strong> e.V. – Archiv<br />
Inhalt<br />
Aus der Vollversammlung und den Ausschüssen.<br />
Von Brigitte Wolf, Dagmar Henn und Orhan<br />
Akman. Illustriert von Bernd Bücking. ......... 3<br />
Die Münchner <strong>Stadtrat</strong>slinke in der Kommunalpresse.<br />
Von Maren Ulbrich . .................. 8<br />
DOK: <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> schreibt an OB Ude ......... 9<br />
OB Ude antwortet:. .......................... 9<br />
DOK: Ostermarsch in <strong>München</strong> am 30. März 2013.<br />
Grußwort und Redebeitrag von Brigitte Wolf,<br />
Stadträtin der <strong>LINKE</strong>N .................... 10<br />
DOK: 1. Mai 2013. Rede von Orhan Akman<br />
bei der DGB-Kundgebung in <strong>München</strong> ........ 11<br />
Nicht einfach so weiter! Eine St<strong>im</strong>me aus<br />
der Ligsalzstraße. .......................... 12<br />
DOK: Auch die <strong>Link</strong>e <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> hat den<br />
folgenden Aufruf unterstützt: GEMEINT<br />
SIND WIR ALLE! ...........................13<br />
Von brombeerfarbenen Sitzen bis Rasenklau.<br />
Geschichten rund um den Endspurt bei der<br />
Stadionsanierung. Von Dr. Markus Drees,<br />
Freunde des Sechz’ger Stadions e.V. (FdS) ..... 14<br />
Fachinformationsstelle Rechtsextremismus<br />
informiert: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit<br />
in <strong>München</strong>. Von Mario S<strong>im</strong>eunovic. ... 16<br />
Yalla Arabi – Großer Einsatz für<br />
arabische Kultur und Sprache in <strong>München</strong>.<br />
Von Firouz Bohnhoff, Yalla Arabi . ........... 18<br />
„Wem gehört die Stadt?“ Von S<strong>im</strong>on Goeke .... 20<br />
Verweigern Widersetzen Revoltieren.<br />
Von S<strong>im</strong>on Goeke .......................... 20<br />
Schalom Ben-Chorin. Brückenbauer deutschisraelischer<br />
Verständigung <strong>im</strong> Sinne eines Dialogs.<br />
<strong>München</strong> gedenkt vom 18. bis 21. Juli 2013 seines<br />
100. Geburtstags. Von Renée Rauchalles ..... 21<br />
Veranstaltungen zum 100. Geburtstag<br />
von Schalom Ben-Chorin (SBC) .............. 22<br />
Im Gedenken an Toni Pfülf. Von Stefan Breit. . 23<br />
DOK: Stolpersteine zum Gedenken an Toni<br />
Pfülf und Walter Klingenbeck (1924 – 5. August<br />
1943) „auf öffentlichem Verkehrsgrund<br />
verlegen!“ (Anträge von Klaus Bäumler) ...... 24<br />
Vormerken: Freitag, den 26. Juli 2013, um 18.30 Uhr,<br />
<strong>im</strong> Augustiner Bürgerhe<strong>im</strong>, Bergmannstr. 33,<br />
Haltestelle Schwanthalerhöhe U4, U5<br />
Mit<strong>Link</strong>s-Diskussionsabend:<br />
Mit Volldampf in die Sackgasse?<br />
Der täuschende Traum von der (he<strong>im</strong>lichen)<br />
Hauptstadt.<br />
<strong>Link</strong>e aus Berlin/Brandenburg und <strong>München</strong>/Bayern diskutieren<br />
über das Planungskonzept der Zentralität, seine Reize, die Risiken<br />
für die Landesentwicklung und über Alternativen.<br />
Mit Klaus Lederer (Berlin), Thomas Falkner (Brandenburg),<br />
Manfred Linder (Ingolstadt) und Brigitte Wolf (<strong>München</strong>).<br />
Impressum: Mit<strong>Link</strong>s Nr. 44, Juni 2013. Zeitschrift aus der Politischen Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> <strong>München</strong>, in Zusammenarbeit mit dem Forum <strong>Link</strong>e<br />
Kommunalpolitik <strong>München</strong> e.V. Herausgeber: Orhan Akman, Dagmar Henn, Brigitte Wolf. E.i.S. Brigitte Wolf. Redaktion: Dr. Stefan Breit (verantwortlich),<br />
Martin Fochler (Beilagen), Geschäftsführung: Tino Krense. Anschrift: Politische Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong>, Rathaus, Marienplatz 8, 80331 <strong>München</strong>.<br />
Tel: 089 / 233 25235. Fax: 089 / 233 28108. E-Mail: info@dielinke-muenchen-stadtrat.de. Beilagenhinweis: <strong>München</strong> solidarisch: Gute Arbeit – Soziale<br />
Stadt Nr. 2. Mai 2013 – Zusammengestellt von <strong>Stadtrat</strong> Orhan Akman.<br />
2 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013
Aus der Vollversammlung und den Ausschüssen<br />
Von Brigitte Wolf, Dagmar Henn und Orhan Akman. Illustriert von Bernd Bücking<br />
Fiktives Wohnbaurecht reduziert Förderquote <strong>im</strong><br />
Wohnungsbau. Der gegen die <strong>LINKE</strong> gefasste Beschluss<br />
<strong>zur</strong> Anerkennung eines „fiktiven Wohnbaurechts“<br />
in Umstrukturierungsfällen findet seinen<br />
Niederschlag in konkreten Bebauungsplänen. Dort<br />
entstehen dann statt der geforderten 30 Prozent geförderten<br />
Wohnraums weniger <strong>als</strong> 10 Prozent (z.B.<br />
an der Kistlerhofstraße), oder die Stadt muss tief in<br />
die Tasche greifen, um doch auf eine Förderquote<br />
von 30 Prozent zu kommen (z.B. am Memminger<br />
Platz). – Die <strong>LINKE</strong> lehnt aus Protest gegen das<br />
„fiktive Wohnbaurecht“ solche Bebauungspläne regelmäßig<br />
ab. Planungsausschuss, 13.3.2013<br />
NS-Dokumentationszentrum n<strong>im</strong>mt Gestalt an. Das<br />
NS-Dokumentationszentrum soll <strong>im</strong> Herbst 2014<br />
eröffnet werden. Bis dahin muss nicht nur das Gebäude<br />
fertig gestellt sein, sondern Ausstellungskonzept<br />
und Betrieb müssen zum Stehen kommen. Auf<br />
Antrag von SPD und Grünen beschloss der Kulturausschuss<br />
einst<strong>im</strong>mig, in die Vermittlungsarbeit<br />
für „Junge Menschen“ den Kreisjugendring (KJR)<br />
dauerhaft einzubeziehen. Dazu wird be<strong>im</strong> KJR eine<br />
zusätzliche Fachstelle finanziert.<br />
Kulturausschuss, 14.3.2013<br />
Streit um Werkswohnungsbau bei den Stadtwerken<br />
<strong>München</strong>. Zu heftigen Diskussionen führte ein<br />
aktueller Bebauungsplan an der Katharina-von<br />
Bora-Straße. Die Stadtwerke wollen dort auf einem<br />
Betriebsgelände, das nicht mehr benötigt wird,<br />
100 Wohnungen errichten. Im Vorfeld der Diskussion<br />
entstand durch Auftritte von OB Ude und der<br />
SWM-Geschäftsleitung und eine entsprechende<br />
Presseberichterstattung der Eindruck, dort würden<br />
lauter Werkswohnungen für die Stadtwerke gebaut<br />
werden.<br />
Die Beschlussvorlage enthielt aber andere Zahlen:<br />
Von den 100 Wohnungen werden lediglich 34 geförderte<br />
Wohnungen (nach Sozial orientierter Bodennutzung<br />
SoBoN) <strong>als</strong> Werkswohnungen entstehen,<br />
die übrigen Wohnungen sollen nach Mietspiegel<br />
vermietet werden. Und in der Nähe des Alten Botanischen<br />
Gartens werden das keine niedrigen Mieten<br />
sein. Auch diese Wohnungen sollen bevorzugt<br />
an Beschäftigte der SWM vermietet werden, falls es<br />
eine entsprechende Nachfrage gibt.<br />
Diese Differenzen sorgten für eine Vertagung der<br />
Vorlage in die Vollversammlung und eine Einladung<br />
der SWM-Geschäftsführung zu diesem Punkt.<br />
Dort mündete die Diskussion dann umgehend in eine<br />
allgemeine Wahlkampf-Debatte <strong>zur</strong> Wohnungspolitik.<br />
CSU-<strong>Stadtrat</strong> Schmid meinte, Ude sei kein<br />
„weißer Ritter“, die Stadtwerke erfüllten lediglich<br />
die SoBoN-Förderquote und würden eben nicht<br />
nur Werkswohnungen erstellen. Er verlangte eine<br />
100-Prozent-Förderquote an dieser Stelle. Ude hingegen<br />
warf CSU und FDP vor, sie seien gegen eine<br />
Bindung der Miethöhe bei Wiedervermietung an<br />
den Mietspiegel.<br />
Unser Antrag, die Stadtwerke zu „bitten“, <strong>als</strong> Teil<br />
des „Konzerns Stadt“ wenigstens 50 Prozent geförderten<br />
Wohnraums zu bauen, ging in dem Wahlkampfgetöse<br />
ziemlich unter. Aber selbst dieser<br />
weichen Forderung wollten SPD und Grüne nicht<br />
nachkommen. Angeblich sei eine höhere Förderquote<br />
bereits eine „verdeckte Gewinnausschüttung“.<br />
Das ist aber wohl ein vorgeschobenes Argument. Da<br />
<strong>im</strong>mer mehr Beschäftigte bei den Stadtwerken die<br />
Münchner Mieten nicht mehr zahlen können, stellt<br />
eine größere Zahl geförderter Werkswohnungen sicherlich<br />
keine Gewinnausschüttung dar – sondern<br />
gehört zu den Methoden von Personalgewinnung<br />
und -bindung. Immerhin: Die CSU st<strong>im</strong>mte für unseren<br />
Antrag. Planungsausschuss, 13.3.2013<br />
und Vollversammlung, 19.3.2013<br />
Beginnend mit dem 28. April 2010 werden die Wortprotokolle des öffentlichen Teils aller Vollversammlungen des<br />
<strong>Stadtrat</strong>s <strong>im</strong> Internet veröffentlicht unter folgender Adresse:<br />
http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtpolitik/Der-Muenchner-<strong>Stadtrat</strong>/Sitzungsprotokolle.html<br />
Hier können unter Dokumente – Internet-Protokoll (oeff) Plenum die oft ausführlichen Debatten nachgelesen werden,<br />
die in unserer Berichterstattung doch oft zu kurz kommen.<br />
Protokolle der <strong>Stadtrat</strong>sausschüsse werden nicht veröffentlicht, dafür gibt es auch keine Wortprotokolle, sondern lediglich<br />
Zusammenfassungen der Diskussionsbeiträge.<br />
mitlinks nr. 44 – Juni 2013 3
Durchstich Stäblistraße endgültig abgelehnt. Nach<br />
Jahrzehnten der Planung ist die Verlängerung der<br />
Stäblistraße in Forstenried endgültig gescheitert.<br />
Die Regierung von Oberbayern (ROB) kam zu der<br />
Gesamtwertung, dass mehr Menschen belastet <strong>als</strong><br />
entlastet werden. Deshalb sei die neue Trasse auch<br />
mit meterhohen Lärmschutzwänden nicht genehmigungsfähig.<br />
In der Vollversammlung wurde zwar<br />
sowohl von SPD <strong>als</strong> auch CSU an diesem Beschluss<br />
herum kritisiert („entspricht nicht dem gesunden<br />
Menschenverstand“, „politischer Wille hilft nicht<br />
gegen juristische Bewertung“), aber lediglich die<br />
FDP sprach sich dafür aus, Einspruch gegen den<br />
Bescheid einzulegen. Grüne, FW und <strong>LINKE</strong> wurden<br />
in ihrer Gegnerschaft zu dem vor Ort höchst<br />
umstrittenen Projekt bestärkt.<br />
Der aktuelle Beschluss der ROB wird auch Auswirkungen<br />
auf Planungen haben, bei denen es lediglich<br />
um Verkehrsverlagerungen und nicht um Verkehrsreduzierungen<br />
geht. Denn auch die Rückwirkungen<br />
auf entfernter liegende Stadtquartiere müssen berücksichtigt<br />
werden. Dies wird die Planungen einer<br />
neuen Autobahnanbindung <strong>im</strong> Münchner Norden<br />
beeinflussen. Der Autoverkehr in <strong>München</strong> stößt<br />
<strong>im</strong>mer öfter auf Probleme, die durch neue Straßen<br />
nicht mehr gelöst werden können.<br />
Vollversammlung, 19.3.2013<br />
Plakatierungsverordnung gelockert. Gegen die<br />
St<strong>im</strong>men der <strong>LINKE</strong>N beschloss der <strong>Stadtrat</strong> eine<br />
neue Plakatierungsverordnung, die es künftig auch<br />
Städtische Kliniken künftig ohne Textil- und Reinigungsservice.<br />
Gegen die St<strong>im</strong>men von CSU, LIN-<br />
KEN und BIA bestätigte der <strong>Stadtrat</strong> die Auflösung<br />
des Textil- und Reinigungsservice bei den städtischen<br />
Kliniken. Das betroffene Personal wird, soweit<br />
aktuell noch arbeitsfähig, von der Stadt <strong>München</strong><br />
übernommen. Dazu wird einerseits der Regiebetrieb<br />
„Schulhausreinigung“ wieder ausgebaut,<br />
teilweise werden die Beschäftigten jedoch auch auf<br />
andere Stellen versetzt. Laut Dr. Böhle (Personalreferent)<br />
wird es dabei Besser- und Schlechterstellungen<br />
geben. Die städtische Zentralwäscherei, die<br />
sehr viele Leistungsgeminderte beschäftigte, ist<br />
damit Geschichte. Und die Kliniken müssen künftig<br />
alle Reinigungsleistungen an Externe vergeben.<br />
Hoffentlich stellt sich dies für die Zukunft nicht<br />
<strong>als</strong> gravierender Fehler heraus. Denn wechselndes,<br />
schlecht bezahltes Reinigungspersonal wird sich<br />
kaum mit den hygienischen Erfordernissen eines<br />
Krankenhauses auseinander setzen. Und jeder weitere<br />
Hygieneskandal schadet sicherlich auch finanziell<br />
mehr, <strong>als</strong> durch die Ausgliederung eingespart<br />
werden kann. Vollversammlung, 19.3.2013<br />
Sigi Benker verabschiedet sich. Nach fast 30 Jahren<br />
Engagement in der Kommunalpolitik verabschiedete<br />
sich Sigi Benker zum 31. März 2013 aus dem<br />
Münchner <strong>Stadtrat</strong>. Ab dem 1. April 2013 leitet er<br />
die <strong>München</strong>stift GmbH, diese Tätigkeit ist mit einem<br />
<strong>Stadtrat</strong>smandat nicht vereinbar. Am 2. Mai<br />
wurde dann Nachrücker Herbert Danner vereidigt,<br />
der bereits von 1994 bis 1996 <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> vertreten<br />
war.<br />
Vollversammlung, 19.3.2013 und<br />
Vollversammlung, 2.5.2013<br />
Aktionsbündnissen erlaubt, Plakatständer aufzustellen.<br />
Allerdings müssen diesen Aktionsbündnissen<br />
mindestens zwei Parteien angehören, die aber<br />
nicht mehr auf dem Plakat erscheinen müssen. Sowohl<br />
Grüne/RL <strong>als</strong> auch <strong>LINKE</strong> hatten beantragt,<br />
dieses Parteienprivileg zu streichen, drangen damit<br />
aber nicht durch. Die Mehrheit des <strong>Stadtrat</strong>s schloss<br />
sich der Position an, dass nur so die Möglichkeit bestehe,<br />
Werbung <strong>im</strong> öffentlichen Raum zu unterbinden.<br />
In der Gesamtabst<strong>im</strong>mung blieb nur die LIN-<br />
KE bei der Ablehnung der neuen Verordnung.<br />
Vollversammlung, 19.3.2013<br />
GBW AG fällt an privates Konsortium. Alle Anstrengungen<br />
der Kommunen unter Federführung<br />
von <strong>München</strong> und Nürnberg haben nichts genutzt:<br />
Letzten Endes fielen die GBW AG und damit ca.<br />
30.000 Wohnungen in Bayern an ein privates Bieterkonsortium<br />
unter Führung der Patrizia AG. Dieses<br />
überbot laut Presseberichten das kommunale<br />
Angebot um etwa 200 Mio. Euro. Die Mieterinnen<br />
4 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013
und Mieter werden diese 200 Millionen noch bitter<br />
zu spüren bekommen. Denn <strong>im</strong> kommunalen Angebot<br />
war ein umfangreicher Mieterschutz mit eingepreist,<br />
zu dem sich die Privaten nicht verpflichtet<br />
haben. Und die von der Landesbank geforderte Sozialcharta<br />
geht kaum über gesetzliche Regelungen<br />
hinaus. Insbesondere die „energetische Sanierung“<br />
mit der dabei möglichen Umlage auf die Miete kann<br />
ein Einfallstor sein für die Verdrängung der bisherigen<br />
Mieterschaft.<br />
Da die Wohnungspolitik bzw. der Mangel an bezahlbarem<br />
Wohnraum ein zentrales Wahlkampfthema<br />
in der Landtagswahl ist, wurde der Kampf<br />
um die GBW AG bei jeder (öffentlichen) Erörterung<br />
<strong>zur</strong> Wahlkampfschlacht: SPD und Grüne geißeln<br />
jeweils die Staatsregierung, die die Interessen<br />
der Mieterinnen und Mieter missachte, während<br />
Staatsregierung und CSU behaupten, „Ude“ habe<br />
lediglich ein Abwehrangebot abgegeben und die<br />
Kommunen hätten es nie ernst gemeint. Der eigentliche<br />
Auslöser der Verkaufsaktion, nämlich die<br />
Fehlspekulation der Bayerischen Landesbank an<br />
den Finanz- und Immobilienmärkten, ging dagegen<br />
unter.<br />
Die FDP wiederum sieht sich in ihrer Auffassung<br />
bestätigt, dass das Kommunale Konsortium keine<br />
Chance auf den Zuschlag hatte. Deshalb war sie von<br />
Anfang an <strong>als</strong> einzige Partei <strong>im</strong> Münchner <strong>Stadtrat</strong><br />
gegen eine Beteiligung am Bieterverfahren. Dafür<br />
seien völlig unnütz mehrere Millionen Euro ausgegeben<br />
worden.<br />
Skandalträchtig war die Ankündigung des Bayerischen<br />
Finanzministers Söder, sich über die Bayerische<br />
Landesstiftung nachträglich am siegreichen<br />
Konsortium zu beteiligen. Dies veranlasste OB Ude,<br />
eine beihilferechtliche Überprüfung durch die EU-<br />
Kommission einzufordern. Schließlich hatte der<br />
Freistaat jahrelang behauptet, er dürfe sich an dem<br />
Bieterverfahren gar nicht beteiligen. Udes Androhung<br />
alleine genügte, um das angekündigte Engagement<br />
der Landesstiftung abrupt zu beenden.<br />
Aus Sicht der <strong>LINKE</strong>N war das kommunale Angebot<br />
jedenfalls angemessen für die beabsichtigte<br />
mieterfreundliche Bewirtschaftung und Sanierung<br />
des Wohnungsbestands. Als Aufgabe in <strong>München</strong><br />
bleibt der verstärkte Neubau bezahlbarer Wohnungen.<br />
Die städtische Finanzreserve für Pensionen<br />
sollte nun unverzüglich dafür eingesetzt werden,<br />
GWG und GEWOFAG zusätzliche Mittel für Neubau<br />
und Bestandssanierungen <strong>zur</strong> Verfügung zu<br />
stellen. Sondervollversammlung, 25.3.2013<br />
und Vollversammlung, 2.5.2013<br />
Neue Kriterien für Erhaltungssatzungen. Für den<br />
Erlass von Erhaltungssatzungsgebieten ist die Stadt<br />
auf aussagekräftiges Zahlenmaterial angewiesen,<br />
um Aufwertungs- und Verdrängungskriterien zu<br />
definieren und ggf. vor Gericht belegen zu können.<br />
Es stehen <strong>im</strong>mer mehr statistische Daten <strong>zur</strong> Verfügung,<br />
so dass jeweils zwei neue Kriterien verwendet<br />
werden können: Aufwertungskriterien sind künftig<br />
der Anteil der Wohnungen in Gebäuden, die zwischen<br />
1969 und 1978 erbaut wurden, und die Mittlere<br />
Wiedervermietungsmiete. Verdrängungskriterien<br />
sind zusätzlich der Anteil der 60- bis 74-Jährigen<br />
und der Anteil der Alleinerziehenden an den<br />
Haushalten mit Kindern.<br />
SPD und Grüne beantragten zu prüfen, ob die<br />
Münchner Wohnungen der GBW AG <strong>als</strong> Erhaltungssatzungsgebiete<br />
ausgewiesen werden können.<br />
Das hatte die <strong>LINKE</strong> zwar schon vor zwei Jahren<br />
veranlasst, eine erneute Prüfung ist angesichts der<br />
neuen Kriterien aber sinnvoll. Lediglich die FDP<br />
blieb bei ihrer dogmatischen Ablehnung von Erhaltungssatzungsgebieten.<br />
Die CSU hat ihre Politik in<br />
diesem Punkt geändert und st<strong>im</strong>mt Erhaltungssatzungen<br />
mittlerweile regelmäßig zu.<br />
Planungsausschuss, 17.4.2013<br />
GWG und GEWOFAG mit Bau geförderter Wohnungen<br />
beauftragt. Immer häufiger beauftragt der<br />
<strong>Stadtrat</strong> die städtischen Wohnungsbaugesellschaften<br />
direkt mit dem Bau von geförderten Mietwohnungen,<br />
sei es <strong>im</strong> EOF-Verfahren (= Einkommens-<br />
Orientierte Förderung) oder <strong>im</strong> <strong>München</strong>-Modell.<br />
Da mittlerweile beide Wohnungsbaugesellschaften<br />
„Inhouse-fähig“ sind, d.h. ohne Ausschreibung direkt<br />
beauftragt werden können, verbleibt dieser geförderte<br />
Wohnraum dauerhaft in städtischem Zugriff.<br />
Im April wurden so 127 Wohnungen auf den<br />
Weg gebracht. Planungsausschuss, 17.4.2013<br />
Neue Baustelle <strong>im</strong> Kulturbereich. Das gener<strong>als</strong>anierte<br />
Lenbachhaus wurde am 8. Mai 2013 wieder<br />
eröffnet, der Eröffnungstermin des NS-Dokumentationszentrums<br />
wird für Herbst 2014 geplant.<br />
Doch es tut sich bereits eine neue Großbaustelle<br />
auf: Das Volkstheater kann zwar noch bis 2020 am<br />
mitlinks nr. 44 – Juni 2013 5
Stiglmairplatz bleiben, aber dann stellt sich die<br />
Frage: Gener<strong>als</strong>anierung oder Neubau an anderer<br />
Stelle. Das Kulturreferat wurde nun beauftragt,<br />
verschiedene Standortvarianten zu prüfen und dem<br />
<strong>Stadtrat</strong> <strong>zur</strong> Entscheidung vorzulegen. Im Mai beschloss<br />
der <strong>Stadtrat</strong> zudem eine kräftige Erhöhung<br />
des Betriebszuschusses für das Volkstheater. Laut<br />
Intendant Christian Stückl war das Volkstheater<br />
bisher strukturell unterfinanziert.<br />
Kulturausschuss, 18.4.2013<br />
und Kulturausschuss, 16.5.2013<br />
Stadt fordert zusätzliche Steuerprüfer/innen. Die<br />
Stadtkämmerei hat auf Vorschlag des Revisionsamtes<br />
eine Personalaufstockung bei der städtischen<br />
Betriebsprüfung beantragt und auch erhalten. Doch<br />
die Stadt hat gar kein eigenständiges Prüfungsrecht,<br />
sondern kann nur bei staatlichen Prüfungen<br />
„mitgehen“ und die Aufteilung der Gewerbesteuer<br />
überprüfen. Deshalb hat die <strong>LINKE</strong> in einem Ergänzungsantrag<br />
gefordert, dass sich der Oberbürgermeister<br />
bei der Staatsregierung (erneut) für mehr<br />
Steuerprüfer/innen einsetzt. Dieser Antrag wurde<br />
vom Stadtkämmerer übernommen und <strong>im</strong> Finanzausschuss<br />
gegen die St<strong>im</strong>men der FDP beschlossen.<br />
In der Vollversammlung hatte sich die CSU dann<br />
wieder eines Schlechteren besonnen und st<strong>im</strong>mte<br />
gleichfalls gegen diesen Punkt, die FDP bestätigte<br />
ihre Ablehnung. Finanzausschuss, 30.4.2013<br />
Stadt will Leiharbeit weiter reduzieren. Unser<br />
<strong>Stadtrat</strong> Orhan Akman hatte einen Bericht über<br />
Leiharbeit bei der Stadt und den städtischen Töchtern<br />
beantragt. In der Vorlage zeigte sich, dass zwar<br />
<strong>im</strong> Hoheitshaushalt relativ wenige Leiharbeiter/innen<br />
beschäftigt sind, bei den Tochtergesellschaften<br />
<strong>München</strong>stift und Kliniken solche Arbeitskräfte<br />
jedoch gehäuft eingesetzt werden. Laut Auskunft<br />
der zuständigen Referenten schlägt bei der Pflege<br />
und <strong>im</strong> Gesundheitsbereich der Fachkräftemangel<br />
bereits zu. Alles in allem sind knapp 1000 Personen<br />
in Leiharbeit für die Stadt tätig<br />
Durch einen Ergänzungsantrag erreichten wir, dass<br />
künftig alle drei Jahre ein solcher Bericht erstellt<br />
wird. Zudem bleibt es Ziel der Stadtverwaltung,<br />
Leiharbeit soweit wie möglich zu reduzieren. Auch<br />
bei den Tochtergesellschaften.<br />
<br />
Vollversammlung,2.5.2013<br />
Fraktion „Bürgerliche Mitte“ (BM) gegründet. Gegen<br />
die St<strong>im</strong>me von <strong>Stadtrat</strong> Schmidbauer (CSU)<br />
akzeptierte der <strong>Stadtrat</strong> die Bildung einer neuen<br />
Fraktion „Bürgerliche Mitte“ (BM), die fünf Mitglieder<br />
hat: 3 Stadträte der Freien Wähler, je ein<br />
<strong>Stadtrat</strong> von ÖDP und BP. Gleichzeitig reduzierte<br />
der <strong>Stadtrat</strong> die Zahl der Mitglieder, die <strong>zur</strong> Bildung<br />
einer Fraktion erforderlich sind, auf 4 Personen.<br />
Damit behält auch die FDP ihren Fraktionsstatus,<br />
der durch den Wechsel von <strong>Stadtrat</strong> Bertermann<br />
zu den Freien Wählern eigentlich entfallen<br />
war. Die <strong>LINKE</strong> st<strong>im</strong>mte gleichfalls zu in der Hoffnung,<br />
dass das strukturelle Argument (4 Personen<br />
sind 5 Prozent der <strong>Stadtrat</strong>smitglieder) die nächste<br />
Kommunalwahl übersteht und es bei dieser Regelung<br />
bleibt. Vollversammlung, 2.5.2013<br />
Müllfahrzeuge für syrische Stadt. Mit großer Mehrheit<br />
st<strong>im</strong>mte der <strong>Stadtrat</strong> für die Schenkung ausrangierter<br />
Müllfahrzeuge an die syrische Stadt Aleppo.<br />
In der dortigen Bürgerkriegssituation funktioniert<br />
die Müllabfuhr nicht mehr. Die <strong>LINKE</strong> lehnte diese<br />
Aktion ab. Nicht, weil uns die Müllfahrzeuge am<br />
Herzen liegen, sondern weil es sinnlos ist, in der<br />
jetzigen Situation Fahrzeuge zu liefern, solange es<br />
dort keine funktionierende Stadtverwaltung gibt.<br />
Besser wäre es, die Müllfahrzeuge hier zu behalten,<br />
bis die akuten Kämpfe vorüber sind. Zudem lehnten<br />
wir es ab, in der völlig unübersichtlichen Situation<br />
in Syrien für die eine oder andere Seite Partei zu<br />
ergreifen. <br />
Vollversammlung,2.5.2013<br />
Klinika Bogenhausen und Schwabing bleiben am<br />
jetzigen Standort. Die Suche nach einem neuen<br />
Klinikstandort <strong>als</strong> Ersatz für Bogenhausen und<br />
Schwabing verlief erwartungsgemäß: Es stellte sich<br />
heraus, dass es derart große Flächenreserven <strong>im</strong><br />
Münchner Nord-Osten nicht mehr gibt. Jedenfalls<br />
nicht in absehbarer Zeit und mit ausreichender Anbindung<br />
an den öffentlichen Nahverkehr. Sollten<br />
Neubauten erforderlich werden, so sollen diese direkt<br />
be<strong>im</strong> Bogenhausener oder Schwabinger Klinikum<br />
entstehen. Mit dieser Entscheidung wurde<br />
die Geschäftsführung beauftragt, die Planungen<br />
weiter zu führen und das Ergebnis bis Ende 2013<br />
vorzulegen.<br />
Die Aufstockung des Beteiligungsmanagements<br />
nutzte die CSU, erneut die Ablösung von Bürgermeister<br />
Monatzeder <strong>als</strong> Aufsichtsratschef zu fordern.<br />
Zudem solle die Betreuung künftig von der<br />
Stadtkämmerei übernommen werden statt vom<br />
Gesundheitsreferat. Diesem Antrag schloss sich<br />
dann eine Runde Wahlkampf an … Dafür st<strong>im</strong>mten<br />
schließlich CSU, FDP und die neue Fraktion „Bürgerliche<br />
Mitte“ (BM). Vollversammlung,2.5.2013<br />
Neuer Streit um Kulturstrand. Mit einem Dringlichkeitsantrag<br />
beantragte die BM, dem Kulturstrand<br />
an der Corneliusbrücke keinen Zugang in<br />
das Hochwasserbett zu genehmigen. Dies sei einer-<br />
6 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013
seits zu gefährlich (insbesondere bei alkoholisierten<br />
Besuchern), andererseits solle das Biotop der Kleinen<br />
Isar nicht zugänglich gemacht werden. Nach<br />
einer hitzigen Debatte mit teils heftigen Unmutsäußerungen<br />
über die Urbanauten, die Betreiber des<br />
Kulturstrands, schloss sich die Vollversammlung<br />
einst<strong>im</strong>mig diesem Antrag an.<br />
Über gute Kontakte <strong>zur</strong> örtlichen Presse erreichten<br />
die Veranstalter, dass die FDP beantragte, „THW-<br />
Testflöße“ in der Großen Isar noch in diesem Jahr<br />
zuzulassen. Doch in der Zwischenzeit brach der katastrophale<br />
Dauerregen über große Teile Bayerns<br />
herein, der auch die Isar in einen reißenden Fluss<br />
verwandelte. Dies war ein durchschlagendes Argument<br />
für die prinzipielle Ablehnung stationärer<br />
Flöße in der Isar.<br />
Die „Große Isar“ ist zudem der gefährlichste Abschnitt<br />
an der innerstädtischen Isar, an dem die<br />
Kulturflöße installiert werden sollten. Stattdessen<br />
soll nun das Einbringen von Flößen an stehenden<br />
Gewässern, z.B. dem Ostpark oder dem Riemer<br />
Park geprüft.<br />
Vollversammlung,2.5.2013<br />
und Vollversammlung, 5.6.2013<br />
Boden- und Bauschuttrecycling nicht in <strong>München</strong>?<br />
Die Recyclingquote <strong>im</strong> Baubereich soll gemäß EU-<br />
Vorgaben auf 30 Prozent steigen. In <strong>München</strong> liegt<br />
sie momentan bei ca. 5 Prozent, <strong>zur</strong> Steigerung sind<br />
zahlreiche Maßnahmen erforderlich. Um die Quote<br />
zu steigern, sind auch Standorte notwendig, wo<br />
Boden- und Bauschutt recycelt werden kann und<br />
Bodenbörsen möglich sind. Naturgemäß ist das mit<br />
umfangreichem Lastwagenverkehr verbunden.<br />
Der Planungsausschuss hat nun beschlossen, dass<br />
es dafür in <strong>München</strong> keine geeigneten Standorte<br />
gebe, zudem seien ja genügend Anlagen <strong>im</strong> Münchner<br />
Umland vorhanden. Dieser Beschluss zeugt von<br />
keinem fairen Umgang mit dem Umland. Denn ein<br />
Großteil des Bauschutts fällt ja auf den zahlreichen<br />
Münchner Baustellen an.<br />
<strong>Stadtrat</strong> Dr. Kronawitter (CSU) beantragte denn<br />
auch, einen bereits existierenden Standort an der<br />
Ottendichler Straße in Trudering weiter in der Prüfung<br />
zu belassen, <strong>LINKE</strong> und FDP unterstützten<br />
diesen Antrag. Auch der örtliche Bezirksausschuss<br />
hatte den Fortbestand gefordert. Die <strong>Stadtrat</strong>smehrheit<br />
lehnte dies jedoch ab, denn der Betrieb<br />
liege <strong>im</strong> Grüngürtel <strong>im</strong> Münchner Osten und solle<br />
in absehbarer Zeit aufgegeben werden. Wenn es um<br />
„hochwertigere“ Nutzungen geht, greift dieses Argument<br />
in der Regel nicht!<br />
Planungsausschuss, 8.5.2013<br />
und Vollversammlung, 5 .6.2013<br />
Johan S<strong>im</strong>ons lässt seinen Vertrag auslaufen. Johan<br />
S<strong>im</strong>ons, Intendant der Kammerspiele, gab bei der<br />
Vorstellung des Spielplans 2013/2014 bekannt, dass<br />
er seinen Vertrag nicht über 2015 hinaus verlängern<br />
möchte. Er begründete dies mit He<strong>im</strong>weh nach seiner<br />
Familie, gegen das kein Kraut gewachsen sein.<br />
Kulturreferent Dr. Küppers hatte ihm eine Verlängerung<br />
um drei Jahre bis 2018 angeboten, aber umsonst.<br />
Die Suche nach einem Nachfolger oder einer<br />
Nachfolgerin hat intern sicherlich schon begonnen.<br />
Kulturausschuss, 16.5.2013<br />
<strong>Stadtrat</strong>ssitzungen <strong>im</strong> Internet. Für ein halbes Jahr<br />
werden die Vollversammlungen probehalber <strong>als</strong><br />
Livestream ins Internet gestellt. Sofort zeigte sich,<br />
dass die Vollversammlungen länger dauern werden.<br />
Denn da die Redebeiträge weltweit abrufbar und reproduzierbar<br />
sind, fällt es schwer, abweichende Meinungen<br />
einfach mal stehen zu lassen.<br />
Vollversammlung, 5.6.2013<br />
Bericht über rechtsextreme Anschlagserie <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong>.<br />
Auf einen Antrag von Grüne/Rosa Liste hin berichtete<br />
Polizeivizepräsident Kopp <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> über<br />
die Anschlagserie in <strong>München</strong>, die am 13. April<br />
nach der Großdemonstration anlässlich des NSU-<br />
Prozesses begann. Ziele waren bisher der Bayrische<br />
Flüchtlingsrat, ein Wohnprojekt, eine Anwaltskanzlei<br />
und die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Drei<br />
mutmaßliche Täter aus der rechtsextremen Szene<br />
konnten mittlerweile ermittelt werden. Immerhin:<br />
Der Polizei scheint das Bedrohungspotential dieser<br />
Anschlagserie, die sich in die Tradition der NSU-<br />
Mordserie stellt, bewusst zu sein. Fragen, ob es in<br />
<strong>München</strong> eine organisierte rechtsradikale Szene gebe,<br />
beantwortete der Vizepräsident aber nicht.<br />
Der Verharmlosung der rechtsextremistischen<br />
Straftaten durch BIA-<strong>Stadtrat</strong> Richter widersprach<br />
OB Ude vehement. Vollversammlung, 5.6.2013<br />
Kreisverwaltungsreferent Blume-Beyerle wiedergewählt.<br />
Eigentlich hätte KVR-Chef Blume-Beyerle<br />
zum Jahresende in den Ruhestand gehen sollen. Doch<br />
auf Bitten der großen Parteien <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> erklärte<br />
er sich bereit, um 2,5 Jahre zu verlängern. Der <strong>Stadtrat</strong><br />
wählte ihn mit 69 von 70 St<strong>im</strong>men erneut ins Amt,<br />
7 St<strong>im</strong>men waren ungültig. Wir <strong>LINKE</strong> konnten uns<br />
nicht zu einer Zust<strong>im</strong>mung durchringen, auch wenn<br />
wir uns einig waren, dass er <strong>im</strong> großen und ganzen<br />
gute Arbeit leistet. Denn in vielen Punkten muss er<br />
politische Vorgaben umsetzen, denen wir keinesfalls<br />
zust<strong>im</strong>men können. Vollversammlung, 5.6.2013<br />
Winterolympiade 2022? Nein danke. Nach der Absage<br />
der USA und der Schweiz ist die „Gefahr“ einer<br />
erneuten Bewerbung um die Olympischen Winterspiele<br />
2022 gestiegen. In der Juni-Vollversammlung<br />
stellte der <strong>Stadtrat</strong> die Weichen für einen möglichen<br />
Bürgerentscheid am 10. November. FDP und CSU<br />
wollten erreichen, dass der Bürgerentscheid parallel<br />
<strong>zur</strong> Bundestagswahl durchgeführt wird. Dies<br />
wurde jedoch mit dem Hauptargument abgelehnt,<br />
dass bis dahin das Konzept noch nicht überarbeitet<br />
ist und auch noch nicht klar ist, ob der Olympische<br />
Sportbund eine Bewerbung überhaupt unterstützt.<br />
<strong>LINKE</strong> und Grüne blieben bei ihrer Ablehnung einer<br />
erneuten Bewerbung, der Einleitung eines Ratsbegehrens<br />
<strong>im</strong> November st<strong>im</strong>mten aber alle Parteien<br />
zu. Vollversammlung, 5.6.2013<br />
mitlinks nr. 44 – Juni 2013 7
Die Münchner <strong>Stadtrat</strong>slinke in der<br />
Kommunalpresse Von Maren Ulbrich<br />
In <strong>München</strong> rüsten sich die Parteien bereits für die<br />
kommenden Landtags- und Bundestagswahlen und<br />
auch die Fraktionen und Gruppen <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> beteiligen<br />
sich eifrig am Wahlkampf. Erfahrungsgemäß<br />
wird die Partei <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> in Zeiten bevorstehender<br />
Wahlen von der Presse weitgehend ignoriert<br />
– dies hat sich von Mitte Februar bis Mitte Mai<br />
auch auf die Berichterstattung über die Aktivitäten<br />
unserer Münchner Stadträt*innen niedergeschlagen<br />
– von diesen blieben die meisten nämlich leider<br />
unerwähnt.<br />
Mitte Februar berichtete die Süddeutsche Zeitung<br />
von einem Antrag, den Brigitte Wolf gestellt hatte.<br />
In dem Antrag forderte Stadträtin Wolf die Stadt<br />
auf, mit der Bayerischen Hausbau über zusätzliche<br />
Flächen für geförderten Wohnungsbau auf dem Gelände<br />
der Paulaner-Brauerei zu verhandeln. Denn<br />
das neue städtische Wohnungsbauprogramm „Wohnen<br />
in <strong>München</strong> V“ sieht vor, in Neubaugebieten<br />
möglichst 50 Prozent geförderten Wohnungsbau zu<br />
erzielen. Der Bayerische Hausbau hat lediglich die<br />
Min<strong>im</strong>algrenze von 30 Prozent gefördertem Wohnungsbau<br />
erfüllt. Stadträtin Wolf fordert das Planungsreferat<br />
nun auf, mit dem Bayerischen Hausbau<br />
in Verhandlung zu treten und Grundstücke<br />
auf dem Paulaner-Gelände zu erwerben, um den<br />
Prozentsatz des dringend benötigten geförderten<br />
Wohnraums zu erhöhen (SZ, 12.2.13).<br />
Der Münchner Merkur informierte darüber, dass<br />
die Fraktion der CSU angeregt habe, den ehemalige<br />
Papst Benedikt XVI. zum Ehrenbürger der Stadt<br />
<strong>München</strong> zu ernennen. Da dies ohne die Zust<strong>im</strong>mung<br />
des <strong>Stadtrat</strong>s unmöglich ist und eine knappe<br />
Mehrheit die betroffene Person beschädigen<br />
könnte, druckte der Merkur vorab die Meinungen<br />
der verschiedenen Fraktionen und Gruppen ab. Dabei<br />
wurde auch <strong>Stadtrat</strong> Orhan Akman zitiert, der<br />
dem Merkur gegenüber betonte, dass der Papst die<br />
Ehrenbürgerschaft nicht verdient habe. <strong>Stadtrat</strong><br />
Akman erinnerte an die negativen Spuren, die der<br />
Papst hinterlassen habe und nannte <strong>als</strong> Beispiele<br />
die umstrittenen Äußerungen Benedikts über den<br />
Propheten Mohammed und den Stillstand bei der<br />
Ökumene. Außerdem wies <strong>Stadtrat</strong> Akman darauf<br />
hin, dass der Papst auch für <strong>München</strong> nichts getan<br />
habe (Münchner Merkur, 13.2.13).<br />
Ende Februar teilte die Süddeutsche Zeitung mit,<br />
dass der <strong>Stadtrat</strong> den Zuschuss für das städtische<br />
Tierhe<strong>im</strong> erhöht, und zitierte dabei <strong>Stadtrat</strong> Akman.<br />
Dieser fand es bedenklich, dass den Verein<br />
ein Geldsegen ereile – obwohl er sich weigere, Auskunft<br />
über seine Vermögensverhältnisse zu geben<br />
(SZ, 27.2.13).<br />
Die Süddeutsche meldete außerdem, dass der<br />
<strong>Stadtrat</strong> den ersten Schritt <strong>zur</strong> Entmachtung des<br />
Aufsichtsrats der städtischen Kliniken gegen die<br />
St<strong>im</strong>men der <strong>LINKE</strong>N, CSU und FDP beschlossen<br />
habe. Denn die Verwaltung muss dem <strong>Stadtrat</strong> bis<br />
Juni Vorschläge für mögliche Änderungen der Organisation<br />
der Kliniken machen. Dabei erwähnte<br />
die SZ auch, dass <strong>Stadtrat</strong> Akman gefordert habe,<br />
die Kliniken wieder in einen Eigenbetrieb umzuwandeln,<br />
und damit für Erstaunen gesorgt habe, da<br />
er erst Mitbest<strong>im</strong>mung der Beschäftigten forderte<br />
und die Umwandlung in einen Eigenbetrieb eben<br />
diese negieren würde. Dass <strong>Stadtrat</strong> Akman mit<br />
seiner Forderung das Ziel verfolgte, die Kliniken<br />
wieder vollständig unter die demokratische Kontrolle<br />
des <strong>Stadtrat</strong>es zu bringen, und dass dadurch<br />
auch Mitbest<strong>im</strong>mungsrechte für die Beschäftigten<br />
gewährleistet würden, wurde von der SZ ignoriert<br />
(SZ, 28.2.13).<br />
Der Münchner Merkur berichtete Anfang März<br />
dann doch vom Wahlkampf der <strong>LINKE</strong>n – oder zumindest<br />
einen angeblichen Wahlkampf. Mitglieder<br />
des Kreisverbands <strong>München</strong> hatten, zum Teil gemeinsam<br />
mit Stadträten und Bundestagsabgeordneten,<br />
am internationalen Frauentag Rosen an die<br />
Beschäftigten in den Klinken verteilt. An den Rosen<br />
war ein Flugblatt befestigt, in dem den Beschäftigten<br />
für ihre Arbeit gedankt und die Forderung<br />
der <strong>LINKE</strong>N nach weniger Arbeitsverdichtung<br />
und mehr Personal formuliert wurde. Die Rosen<br />
und Flugblätter waren wohl auch an einige wenige<br />
Krankenbetten gelangt. Der Münchner Merkur<br />
befragte darauf hin Stadträtin Wolf zu dem Sachverhalt.<br />
Stadträtin Wolf teilte dem Merkur mit, sie<br />
gehe davon aus, dass die Genoss*innen sich an die<br />
Rechtslage gehalten hätten, und sie überrascht wäre,<br />
wenn dies nicht der Fall gewesen sei (Münchner<br />
Merkur, 10.3.13).<br />
Für mehr geförderten Wohnungsbau an der Katharina-von-Bora<br />
setzte sich Stadträtin Wolf Ende<br />
März ein. Dort sind lediglich 34 Prozent der<br />
Wohnungen <strong>als</strong> Sozialwohnungen geplant, was der<br />
Rathausregierung laut Süddeutsche Zeitung auch<br />
reichen würde. Die Süddeutsche informierte darüber,<br />
dass Stadträtin Wolf diesen Prozentsatz un<strong>zur</strong>eichend<br />
fand und einen Anteil von 50 Prozent an<br />
Sozialwohnungen forderte (SZ, 20.3.13).<br />
Dass ein Jobcenter-Mitarbeiter vor Überlastung<br />
vom Stuhl gefallen war, berichtete die Süddeutsche<br />
Mitte April. In dem Zusammenhang setzte sie<br />
ihre Leser*innen auch in Kenntnis darüber, dass<br />
die Rathausparteien von der CSU bis <strong>zur</strong> <strong>LINKE</strong>N<br />
sich über die Hauptursache, nämlich die zu hohen<br />
Fallzahlen einig seien und diese reduziert werden<br />
müssten. Interessant wäre es an dieser Stelle gewesen,<br />
zu erwähnen, dass <strong>Stadtrat</strong> Orhan Akman dies<br />
in mehren Anträgen gefordert und die Debatte über<br />
eine Reduzierung der Fallzahlen somit überhaupt<br />
angestoßen hatte (SZ, 16.4.13).<br />
Ende April ging es <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> um das Thema<br />
„Leiharbeit bei der Stadt und ihren Tochterunternehmen“.<br />
Über die Debatten des <strong>Stadtrat</strong>es informierten<br />
nahezu alle Kommunalzeitungen. Die tz<br />
erwähnte, dass <strong>Stadtrat</strong> Akman die Position der<br />
Rathausregierung <strong>zur</strong> Leiharbeit nicht weit genug<br />
gehe und er fordere, dass die Stadt Vorschläge erarbeiten<br />
solle, wie die Leiharbeit bei der Stadt und<br />
ihren Tochterunternehmen – insgesamt sind es<br />
<strong>im</strong>merhin über 1000 Beschäftigungsverhältnisse –<br />
weiter reduziert und nach Möglichkeit ganz abgeschafft<br />
werden könne (tz 30.4.13). Außerdem berichtete<br />
die tz, dass es auf Antrag von <strong>Stadtrat</strong> Akman<br />
künftig alle drei Jahre einen Bericht <strong>zur</strong> Leiharbeit<br />
bei der Stadt und ihren Tochterunternehmen geben<br />
werde (tz, 3.5.13).<br />
8 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013
Auch der Münchner Merkur informierte darüber,<br />
dass das Thema „Leiharbeit“ erst durch einen Antrag<br />
von <strong>Stadtrat</strong> Akman auf die Agenda des <strong>Stadtrat</strong>s<br />
gekommen war und dass dieser betont habe,<br />
dass es bei der Stadt selbst zwar wenige Leiharbeiter<br />
gebe, sie aber dafür sorgen müsse, dass sich<br />
die Situation nicht verschärfe (Münchner Merkur,<br />
3.5.13). Laut SZ war der Tagesordnungspunkt<br />
„Leiharbeit“ <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> „so etwas wie ein vorgezogenes<br />
Weihnachten“ für <strong>Stadtrat</strong> Akman. Denn<br />
sowohl sein Antrag <strong>als</strong> auch sein Änderungsantrag<br />
zu der Beschlussvorlage des Referenten zu seinem<br />
Antrag wurden in großen Teilen übernommen. Zu<br />
den Forderungen Akmans gehörte die Reduzierung<br />
der Leiharbeit und ein regelmäßiger Bericht über<br />
den Einsatz von Leiharbeiter*innen. Die völlige<br />
Abschaffung der Leiharbeit hält OB Ude laut SZ jedoch<br />
für unrealistisch, denn bei Grippewellen oder<br />
Arbeitsspitzen könne die Stadt nicht auf den Einsatz<br />
von Leiharbeit verzichten (SZ, 4.5.13).<br />
<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> schreibt an OB Ude:<br />
<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong>, Rathaus,<br />
Marienplatz 8, 80331 <strong>München</strong><br />
Oberbürgermeister Christian Ude<br />
Rathaus, Marienplatz 8, 80331 <strong>München</strong><br />
DGB <strong>München</strong> z.K.<br />
<strong>München</strong>, den 7.5.2013<br />
Betrifft: Ihr Grußwort zum 1.Mai<br />
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,<br />
sicher ist es zu begrüßen, dass Sie in Ihrem Grußwort auf<br />
der Kundgebung zum 1. Mai an die Abst<strong>im</strong>mung zum Ermächtigungsgesetz<br />
<strong>im</strong> bayrischen Landtag erinnert haben.<br />
Und es ist zutreffend, dass bei dieser Abst<strong>im</strong>mung<br />
nur die Abgeordneten der SPD gegen dieses Gesetz st<strong>im</strong>mten.<br />
Allerdings ist dies, wie Sie wohl wissen, nur die halbe<br />
Wahrheit.<br />
Bei der Landtagswahl <strong>im</strong> März 1933 wurden auch Abgeordnete<br />
der KPD gewählt, die aber dann in Folge der<br />
„Gleichschaltung“ der Landtage ihr Mandat niem<strong>als</strong><br />
wahrnehmen konnten. Durch die „Gleichschaltung“ wurden<br />
die Landtage in ihrer Zusammensetzung dem Reichstag<br />
angeglichen, in dem den gewählten kommunistischen<br />
Abgeordneten ihr Mandat schlicht entzogen wurde. Da<br />
diese manipulierte Zusammensetzung auf Bayern übertragen<br />
wurde, konnten auch die für Bayern gewählten<br />
Landtagsabgeordneten ihr Mandat niem<strong>als</strong> antreten. Niemand<br />
würde aber jem<strong>als</strong> daran zweifeln, dass sie gegen<br />
das Ermächtigungsgesetz gest<strong>im</strong>mt hätten.<br />
Heute vor achtzig Jahren wurde der für den Münchner<br />
Stadtkreis IV gewählte Fraktionsvorsitzende der KPD <strong>im</strong><br />
bayrischen Landtag, Friedrich Dressel, in Dachau von der<br />
SS erschlagen. Andere ehemalige bayrische Landtagsabgeordnete<br />
der KPD, wie Hans Be<strong>im</strong>ler, waren führende<br />
Gestalten <strong>im</strong> Widerstand gegen den Hitlerfaschismus. Ihre<br />
Existenz auf eine solche Art zu verschweigen, wie Sie es<br />
gerade am 1. Mai getan haben, auf den alle Teile der Arbeiterbewegung<br />
ein gleiches Anrecht haben, ist Ihrer nicht<br />
würdig. Als Münchner Oberbürgermeister sollten Sie an<br />
alle Gegner des Hitlerfaschismus erinnern, nicht nur jene,<br />
die Ihrer eigenen Partei angehörten.<br />
Hochachtungsvoll,<br />
Orhan Akman Dagmar Henn Brigitte Wolf<br />
Anfang Mai befasste sich der <strong>Stadtrat</strong> damit, ob<br />
die Stadt Müllautos für Syrien spenden solle. Der<br />
Münchner Merkur informierte in diesem Kontext,<br />
dass die <strong>Stadtrat</strong>sgruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> Kritik an der<br />
Spende geäußert habe. Dabei zitierte sie zum einen<br />
Stadträtin Dagmar Henn, die einwendete, dass die<br />
Stadt <strong>München</strong> nicht in irgendeiner Weise Partei<br />
ergreifen dürfe. Zum anderen wurde <strong>Stadtrat</strong> Akman<br />
zitiert, der dafür appellierte, dass die Stadt<br />
abwarten solle, bis die Verwaltung in Syrien einigermaßen<br />
funktioniere. Zu guter Letzt erwähnte<br />
der Merkur, der <strong>LINKE</strong>N sei vorgeworfen worden<br />
sei, dass sie nach ihrer Parte<strong>im</strong>einung argumentiert<br />
habe. Dass dies auf auf alle <strong>Stadtrat</strong>sfraktionen zutrifft,<br />
ließ die Zeitung außen vor (Münchner Merkur,<br />
3.5.13).<br />
Auch die SZ berichtete von der Diskussion über die<br />
Spende und teilte dabei mit, Stadträtin Henn habe<br />
moniert, dass sich die Stadt mit der Spende auf eine<br />
Seite des Konflikts schlage (SZ, 4.5.13). <br />
OB Ude antwortet:*<br />
Landeshauptstadt <strong>München</strong>, Oberbürgermeister, 80313<br />
<strong>München</strong>. Oberbürgermeister Christian Ude<br />
Den Stadträtinnen Dagmar Henn, Brigitte Wolf, Herrn<br />
<strong>Stadtrat</strong> Orhan Akman, Die <strong>Link</strong>e <strong>im</strong> Rathaus<br />
Datum 8.5.2013<br />
Grußwort zum 1. Mai<br />
Sehr geehrte Frau Wolf, sehr geehrte Frau Henn,<br />
lieber Orhan,<br />
für Ihr Schreiben vom 7. Mai bedanke ich mich. Seit Mitte<br />
der 60er Jahre — dam<strong>als</strong> <strong>als</strong> Schulsprecher und Vertreter<br />
der Schülerpresse — befasse ich mich mit dem Gedenken<br />
an die Opfer des Nation<strong>als</strong>ozialismus. Ich habe noch in keiner<br />
Rede und keinem Aufsatz verschwiegen, dass die Kommunisten<br />
wie die Sozialdemokraten und Gewerkschafter<br />
anderer Parteizugehörigkeit zu den ersten Repräsentanten<br />
des Widerstands und Opfern des Nation<strong>als</strong>ozialismus gehörten.<br />
Auch in jeder Rede, die sich mit der Machtergreifung<br />
in <strong>München</strong>, in Bayern oder <strong>im</strong> Reich befasste, bin<br />
ich stets auf die Opfer seitens der KPD eingegangen. Auf<br />
Bundesebene hat sich dies erst mit der berühmten Rede<br />
von Bundespräsident Richard von Weizsäcker durchgesetzt,<br />
der erstm<strong>als</strong> bei einem Staatsakt Sinti und Roma<br />
und Homosexuelle <strong>als</strong> Opfergruppe nannte. Am 1. Mai bin<br />
ich nur mit einem einzigen Satz auf die beiden diesjährigen<br />
Gedenktage 80 Jahre Ermächtigungsgesetz und 80 Jahre<br />
Zerstörung der Gewerkschaftshäuser eingegangen, um<br />
dann auf die bedrückende Aktualität der rechtsextremen<br />
Morde einzugehen. Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich<br />
in diesem Kontext und in einem halben Nebensatz nicht<br />
auf die Rolle der KPD eingehen konnte, die ihre Mandate,<br />
die ihr zugestanden hätten, niem<strong>als</strong> wahrnehmen und<br />
folglich auch keine Gegenst<strong>im</strong>men abgeben konnte. Ich<br />
glaube aber, dass rund 99 Prozent der Demonstrationsteilnehmer<br />
gleichwohl bewusst war, dass die Kommunisten<br />
nicht mit Ja gest<strong>im</strong>mt haben, sondern mit Nein gest<strong>im</strong>mt<br />
hätten, wenn sie dazu die Gelegenheit gehabt hätten.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Christian Ude<br />
*Veröffentlichung hier mit Zust<strong>im</strong>mung des Autors.<br />
(Redaktion)<br />
mitlinks nr. 44 – Juni 2013 9
Ostermarsch in <strong>München</strong> am 30. März 2013<br />
Grußwort und Redebeitrag von Brigitte Wolf, Stadträtin der <strong>LINKE</strong>N<br />
Liebe Münchnerinnen und Münchner,<br />
liebe friedensuchende Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmer am heutigen Ostermarsch,<br />
ich freue mich, Ihnen und Euch heute in Vertretung<br />
der Stadt <strong>München</strong> die Grüße des Oberbürgermeisters<br />
überbringen zu dürfen.<br />
Mit dem Ort der Auftaktkundgebung, dem Mahnmal<br />
<strong>zur</strong> Erinnerung an die Opfer des Oktoberfestattentates,<br />
erinnern Sie an eine schwärende Wunde in der<br />
Geschichte der Stadt. Bei dem damaligen Attentat<br />
starben 13 Menschen, 211 wurden zum Teil schwer<br />
verletzt. Viele engagierte Bürgerinnen und Bürger<br />
gehen weiterhin davon aus, dass es sich bei dem Täter<br />
1980 eben nicht um einen Einzeltäter handelte,<br />
sondern dass das neonazistische Umfeld der Tat bewusst<br />
ausgeblendet wurde. Die Forderung nach neuen<br />
Ermittlungen in diesem Fall, die auch vom Münchner<br />
<strong>Stadtrat</strong> <strong>im</strong> November 2011 unterstützt wurde, scheiterte<br />
bisher auch daran, dass bereits 1997 501 Asservate<br />
vernichtet wurden. Dies widerspricht der üblichen<br />
Praxis in nicht abschließend geklärten Mordfällen,<br />
denn Mord verjährt nicht!<br />
Besonders erschreckend ist, dass dieses Wegschauen<br />
offenbar Methode hat, wenn sich der Blick nach rechts<br />
wenden müsste. Nur so kann ich es mir erklären, dass<br />
die <strong>im</strong> Rückblick klar ersichtlichen Zusammenhänge<br />
der Mordserie des Nation<strong>als</strong>ozialistischen Untergrunds<br />
so lange unentdeckt blieben. Angesichts des<br />
Versagens sämtlicher staatlicher Stellen, die für die<br />
Sicherheit der Menschen sorgen sollen, die in Deutschland,<br />
in <strong>München</strong> leben, überkommt viele das blanke<br />
Entsetzen. Und noch unerträglicher ist, dass die Angehörigen<br />
der Mordopfer durch die rassistischen Vorurteile<br />
von Polizei und Öffentlichkeit jahrelang <strong>als</strong> Täter<br />
behandelt wurden und so die Existenz weiterer Menschen<br />
zerstört wurde. Eine Wiedergutmachung wird<br />
sicherlich schwierig, falls sie überhaupt gelingen kann.<br />
Unerlässlich ist, dass in dem bevorstehenden Prozess<br />
und auch in den zahlreichen Untersuchungsausschüssen<br />
allen Spuren nachgegangen wird. Auch denen, die<br />
in Richtung Staats- und Verfassungsschutz zielen. Ohne<br />
vollständige Aufklärung können die geschlagenen<br />
Wunden nicht verheilen<br />
Von den insgesamt 10 Mordopfern lebten fünf Menschen<br />
in Bayern. Auch zwei Münchner fielen den rassistischen<br />
Hasstaten der Neonazis zum Opfer. Zur Erinnerung<br />
an Habil Kilic und Theodoros Boulgarides<br />
sollen Gedenktafeln aufgestellt werden, dies hat der<br />
Ältestenrat bereits beschlossen. Vor der Umsetzung<br />
sollen die Einzelheiten aber mit den Angehörigen besprochen<br />
werden, so dass ich über die konkrete Ausgestaltung<br />
noch nichts sagen kann. Die Gedenktafeln<br />
sollen verhindern, dass die Ermordeten vergessen werden.<br />
Und sie mahnen uns Alle, die ganze Münchner<br />
Stadtgesellschaft, wachsamer zu sein gegenüber Rassismus,<br />
Neonazismus und allen Ausprägungen gruppenbezogener<br />
Menschenfeindlichkeit.<br />
Liebe Freunde, liebe Ostermarschierer, soweit das<br />
Grußwort <strong>im</strong> Namen der Stadt.<br />
Ich möchte jedoch noch einige eigene Überlegungen<br />
anfügen. Es gibt zwei Aspekte an der jahrelangen<br />
neonazistischen Mordserie, die mich besonders erschrecken.<br />
Zunächst einmal die offensichtliche Verstrickung<br />
zahlreicher Verfassungsschutzämter und Ermittlungsbehörden.<br />
Natürlich spielen weit verbreitete rassistische<br />
Vorurteile dabei eine Rolle, dass bei Taten<br />
gegen „Ausländer“ sofort an „Ausländerkr<strong>im</strong>inalität“<br />
und „Mafia“ gedacht und entsprechend ermittelt wird.<br />
Aber reicht das <strong>als</strong> Erklärung aus? Ich denke nicht.<br />
Insbesondere die Rolle der verschiedenen Verfassungsschutzämter<br />
muss dringend aufgeklärt werden.<br />
Ich gehe davon aus, dass ohne die finanzielle und logistische<br />
Unterstützung durch die zahlreichen V-Leute in<br />
ihrem Umfeld die Täter niem<strong>als</strong> so lange hätten morden<br />
können. Auch nach dem gescheiterten Verbotsverfahren<br />
gegen die NPD habe ich mich gefragt, von wem<br />
die größere Gefahr ausgeht: von der NPD oder von den<br />
Verfassungsschutzämtern, die tief verstrickt waren in<br />
Finanzierung und Führung dieser Neonazi-Partei.<br />
Der Verfassungsschutz schützt nicht die Verfassung,<br />
sondern er ist ein Werkzeug <strong>im</strong> politischen Kampf gegen<br />
fortschrittliche Entwicklungsperspektiven. Dafür<br />
wurde er <strong>im</strong> Kalten Krieg gegründet, und davon ist er<br />
bis heute nicht losgekommen. Das zeigt sich eindeutig,<br />
wenn rechtsterroristische Entwicklungen systematisch<br />
ignoriert und entsprechende Ermittlungsbemühungen<br />
behindert werden, während gleichzeitig<br />
zahlreiche Beamte damit beschäftigt sind, politische<br />
Reden der <strong>LINKE</strong>N auszuwerten, die in Parlamenten<br />
gehalten werden. Von der Bespitzelung jeglicher<br />
Aktivität von Friedensbewegung, antifaschistischen<br />
oder antirassistischen Initiativen und der <strong>als</strong> „linksradikal“<br />
diffamierten Parteien ganz abgesehen. Dieser<br />
„Verfassungsschutz“ gehört abgeschafft. Denn statt zu<br />
schützen bedroht er Verfassung und Grund- und Menschenrechte<br />
der Bürgerinnen und Bürger.<br />
Der zweite Punkt, der mich erschüttert, ist das völlige<br />
Versagen der kritischen Öffentlichkeit angesichts<br />
dieser Mordserie. Dabei kann ich uns leider auch<br />
nicht ausschließen. Jahrelang wurde in den Medien<br />
von „Döner-Morden“ geschrieben – und viele von uns<br />
gingen ganz selbstverständlich davon aus, dass das<br />
mit uns nichts zu tun hat. Auch die zahlreichen antifaschistischen<br />
und antirassistischen Initiativen hatten<br />
keinen Verdacht. Einzig in den betroffenen Familien<br />
und deren zugewanderten Gemeinden wurde schon<br />
früh ein rassistischer Hintergrund vermutet. Aber die<br />
Öffentlichkeit, auch die linke und kritische Öffentlichkeit<br />
hat davon nichts erfahren – oder nicht darauf<br />
reagiert.<br />
Ich frage mich, wie kann das sein? Die Erklärung die<br />
ich finde, bedrückt mich. Rassistische Vorurteile und<br />
Vorprägungen grassieren eben nicht nur bei bekennenden<br />
Nazis. Dieser Ungeist findet sich breit verstreut<br />
in allen staatlichen und gesellschaftlichen Bereichen.<br />
Und teilweise auch bei uns selbst, die wir uns doch<br />
seit vielen Jahren engagieren gegen Nazis, Rassismus,<br />
Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Wir müssen<br />
uns bewusst machen, dass eine Auseinandersetzung<br />
mit diesen tief verankerten Vorurteilen überfällig ist.<br />
Es ist für uns alle wichtig zu verstehen, wie unter der<br />
Dunstglocke verbreiteter und geduldeter Vorurteile<br />
die Gefährdung von Leib und Leben, von Menschenrechten<br />
und Menschenwürde zu grauenhaften Taten<br />
und Ereignissen führen kann. An der Überwindung<br />
dieses alltäglichen Rassismus muss jeder und jede einzelne<br />
von uns arbeiten. Zum Abschluss möchte ich<br />
Euch noch auf zwei Veranstaltungen hinweisen, zu<br />
denen ich Euch ganz herzlich einladen möchte:<br />
10 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013
Am Freitag, den 12. April, findet <strong>im</strong> EineWeltHaus eine<br />
Diskussionsveranstaltung der <strong>Link</strong>sfraktion <strong>im</strong> Bundestag<br />
statt. Das Thema ist ganz aktuell: „Naziterror<br />
und Verfassungsschutz – Zwei Seiten einer Medaille?“<br />
Landtagsabgeordnete Martina Renner berichtet vom<br />
NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen, Rechtsanwalt<br />
Yavuz Narin vertritt die Nebenklage der Angehörigen<br />
eines NSU-Opfers.<br />
Und am Tag darauf, Samstag den 13. April, folgt dann<br />
die antifaschistische Demonstration zum Auftakt des<br />
NSU-Prozesses unter dem Motto: Gegen Naziterror,<br />
staatlichen und alltäglichen Rassismus! Verfassungsschutz<br />
abschaffen!<br />
Ich hoffe, dass von Ihnen Viele auch daran teilnehmen<br />
können. Doch zunächst wünsche ich uns einen erfolgreichen<br />
Ostermarsch 2013. Auch hier wenden wir uns<br />
einer wichtigen politischen Aufgabe zu, die leider nur<br />
zu oft verdrängt wird: Dem Kampf gegen Rüstungsexporte,<br />
dem Kampf gegen Rüstungsproduktion und<br />
dem Einsatz gegen die wachsende Militarisierung der<br />
Gesellschaft.<br />
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.<br />
1. Mai 2013 Rede von Orhan Akman bei der DGB-Kundgebung in <strong>München</strong><br />
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,<br />
die Kapitalisten <strong>im</strong> Einzelhandel und ihre regionalen<br />
Arbeitgeberverbände haben Anfang des Jahres<br />
in einer konzertierten Aktion fast alle tariflichen<br />
Regelungen mit ver.di aufgekündigt. Sie haben damit<br />
sämtliche Entgelt- und Manteltarifverträge (mit<br />
Ausnahme von Hamburg) gekündigt und einen Generalangriff<br />
auf die Tarifverträge gestartet. Diese<br />
Kampfansage und der Angriff des Kapit<strong>als</strong> betrifft<br />
knapp drei Millionen Beschäftigte, überwiegend<br />
Frauen. Somit ist eine harte Tarifauseinandersetzung<br />
vorprogrammiert.<br />
Wir sagen von hier aus: Wir nehmen diese Kampfansage<br />
gerne an, und wir werden mit aller Kraft dem<br />
entgegentreten!<br />
Diese scheiß’ Kapitalisten lügen dann auch noch wie<br />
gedruckt!<br />
Mit populistischen Begriffen wie Modernisierung<br />
und Zukunftstauglichkeit der Tarifverträge tarnen<br />
sie ihr Vorhaben. Tatsächlich geht es ihnen<br />
ausschließlich darum, existenzielle Arbeits- und<br />
Einkommensbedingungen der Beschäftigten zu<br />
verschlechtern. Schlechtere Bezahlung und Eingruppierung,<br />
Verschlechterung bei der Arbeitszeitgestaltung<br />
sind nur einige Schlagworte.<br />
Die Konzerne wollen die Zuschläge ab 18:30 Uhr<br />
streichen, sie wollen den Nachtzuschlag ab 20:00<br />
Uhr kürzen. Somit wollen diese Kapitalisten den<br />
Weg ebnen, damit das Ladenschlussgesetz in Bayern<br />
gekippt wird. Die Konzerne <strong>im</strong> Einzelhandel wollen,<br />
dass die ganze Woche nur noch aus Werktagen besteht.<br />
Sie wollen, dass die Läden rund-um-die-Uhr<br />
öffnen. Und wir sagen dazu: Wer die Läden rundum-die-Uhr<br />
öffnet, der kann nicht ganz dicht sein.<br />
Hände weg vom Ladenschluss und von unseren Zuschlägen.<br />
Wer den Ladenschluss in Bayern anpackt<br />
und ändern will, der holt sich eine blutige Nase!<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
auf dem Rücken der Beschäftigten soll der ruinöse<br />
Verdrängungswettbewerb und dieser Kannibalismus<br />
<strong>im</strong> Einzelhandel noch weiter angeheizt, sollen<br />
die Preisschlachten der Großkonzerne <strong>im</strong> Einzelhandel<br />
finanziert werden. Der tarifliche Schutz soll<br />
auf das Niveau von prekärer Beschäftigung abgesenkt<br />
werden. In dieser Branche ist eine Vollzeitstelle<br />
mittlerweile fast ein Luxus. Es gibt <strong>im</strong> Einzelhandel<br />
mehr Teilzeit- <strong>als</strong> Vollzeitstellen. Jeder dritte<br />
Arbeitsplatz <strong>im</strong> Einzelhandel ist mittlerweile ein<br />
Minijob. Soviel zum Thema: Wir schaffen Arbeitsplätze!<br />
Das ist nicht nur eine weitere Prekarisierung<br />
der Branche, sondern damit ist auch die Altersarmut<br />
– allen voran für Frauen – vorprogrammiert. Damit<br />
muss endlich Schluss sein!<br />
Doch damit nicht genug:<br />
• Seit Jahren begehen Konzerne und Unternehmen<br />
Tarifflucht.<br />
• Dehner, Betten Rid, Kustermann, Beck, Loden<br />
Frey, XXXLutz, OBI, C&A sind nur einige davon in<br />
<strong>München</strong>.<br />
• Der Arbeitgeberverband <strong>im</strong> Einzelhandel propagiert<br />
seit Jahren die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung.<br />
• Die Konzerne haben die Allgemeinverbindlichkeit<br />
der Tarifverträge gekillt. Und sie beschädigten damit<br />
die Flächentarifverträge.<br />
Doch Kolleginnen und Kollegen,<br />
wir kämpfen seit Jahren sehr energisch gegen diese<br />
Angriffe des Kapit<strong>als</strong>. Wir kämpfen gegen die Tarifflucht<br />
bei Dehner und anderen Betrieben. Wir kämpfen<br />
bei AMAZON für die Tarifbindung.<br />
Diese z.T. milliardenschweren Konzerne wollen die<br />
Beschäftigten <strong>im</strong> Einzelhandel mit Hungerlöhnen<br />
abspeisen. Aktuell arbeiten in der Branche rund<br />
300.000 oder zwölf Prozent aller Einzelhandelsbeschäftigten<br />
für weniger <strong>als</strong> fünf Euro pro Stunde.<br />
Diese geizigen Kapitalisten haben für alles Mögliche<br />
Geld, aber wenn es um einen menschenwürdigen<br />
Lohn geht, sind ihre Kassen angeblich leer! Eine solche<br />
Entwicklung muss gestoppt werden. Ein gesetzlicher<br />
Mindestlohn muss auch deswegen her!<br />
Am 7. Mai haben wir die erste Tarifverhandlung <strong>im</strong><br />
bayrischen Einzelhandel. Die Forderungen von ver.<br />
di und der Beschäftigten <strong>im</strong> Einzelhandel sind klar:<br />
• Der Manteltarifvertrag ist ohne eine Verschlechterung<br />
sofort wieder in Kraft zu setzen.<br />
• Wir wollen eine spürbare und reale Tariferhöhung<br />
von 6,5% oder 140,- Euro auf die Tabelle.<br />
• Wir wollen mindestens 90 Euro für die Azubis auf<br />
die Tabelle.<br />
• Wir wollen mehr Geld für die unteren Einkommensgruppen.<br />
Wir werden unsere Tarifverträge verteidigen!<br />
Gerade für Beschäftigte <strong>im</strong> Einzelhandel sind existenzsichernde<br />
Mindestbedingungen durch Tarifvertrag<br />
unverzichtbar. Nur sie schützen vor dem ruinösen<br />
Verdrängungswettbewerb in der Branche. Der<br />
Tarifvertrag schützt nicht nur die Gehälter, sondern<br />
er schützt auch die Menschenwürde!<br />
Die Kolleginnen und Kollegen <strong>im</strong> Einzelhandel haben<br />
sich auf eine lange und harte Tarifrunde eingestellt.<br />
Wenn die Kapitalisten wegen unseren Forderungen<br />
rumgeizen und den Manteltarifvertrag<br />
ohne Verschlechterungen wieder zumachen, wird es<br />
sehr schnell zu heftigen Arbeitskämpfen kommen.<br />
Wir werden bereits in den ersten Mai-Wochen mit<br />
Streiks und Aktionen hier in der Region beginnen.<br />
mitlinks nr. 44 – Juni 2013 11
Nicht einfach so weiter!<br />
Nach einer Serie von Nazi-Angriffen schließen sich<br />
die Betroffenen zusammen und fordern von der Polizei,<br />
die Gefahr von Rechts endlich ernst zu nehmen.<br />
Solidarität heißt, liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
die Beschäftigten <strong>im</strong> Einzelhandel zu unterstützen.<br />
Sprecht bei euren Einkäufen die Beschäftigten an,<br />
zeigt ihnen eure Unterstützung und eure Solidarität.<br />
Geht nicht einkaufen in bestreikten Geschäften,<br />
deren Betrieb dann mit einigen wenigen Streikbrechern<br />
oder zwangsverpflichteten Werkvertragsbeschäftigten<br />
notdürftig aufrecht erhalten wird.<br />
Heraus zum 1. Mai für gute Arbeit und gute Tarifverträge!<br />
Eine St<strong>im</strong>me aus der Ligsalzstraße*<br />
Es ist nicht zu übersehen: Das Wohnprojekt Ligsalz8<br />
wurde angegriffen. Der Gehweg ist rot und<br />
schwarz gefärbt. Auch an der Fassade des Hauses<br />
sind die Spuren des Farbbeutelangriffs zu sehen.<br />
Hinter einer provisorischen Holzverkleidung ist zu<br />
erkennen, dass beide Fensterscheiben des <strong>im</strong> Erdgeschoss<br />
befindlichen Ladens eingeschlagen wurden.<br />
Wer hinter diesen Angriffen steckt ist in der Tür<br />
des Ladens zu sehen. Mit einem spitzen Gegenstand<br />
wurde „Anti-Antifa“ - ein Kürzel der Naziszene -<br />
in die Scheibe geritzt. Angefangen hatte die Serie<br />
von Angriffen auf das Wohnprojekt mit dem Wurf<br />
mehrerer Eier auf <strong>im</strong> Laden sitzende Bewohner.<br />
Nachdem schon zuvor der Bayerische Flüchtlingsrat<br />
mit Nazi-Aufklebern, einer eingeschlagenen Scheibe<br />
und zuletzt Einritzungen in die ersetzte Scheibe<br />
angegriffen wurde und die Kanzlei einer Anwältin<br />
der Nebenkläger*innen <strong>im</strong> NSU-Prozess mit Fäkalien<br />
beschmiert wurde, scheinen die Nazis nun auch<br />
vor Angriffen auf Wohnhäuser keinen Halt mehr zu<br />
machen.<br />
Das Wohnprojekt in der Ligsalzstraße <strong>im</strong> Westend<br />
existiert seit 2007 und ist Teil des bundesweiten<br />
Mietshäuser-Syndikats. Der schlichte Gedanke<br />
des „Syndikats“: Mit Hilfe von günstigen Direktkrediten<br />
Häuser kaufen und dadurch bezahlbaren<br />
Wohnraum garantieren. Die so erworbenen Häuser<br />
gehören weder den Bewohner*innen noch einer<br />
Genossenschaft, sonder einer GmbH in der einerseits<br />
das bundesweite Mietshäusersyndikat und<br />
andererseits der Verein aller Hausbewohner*innen<br />
gleichberechtigte Teilhaber sind. Durch diese besondere<br />
Eigentumsstruktur wird garantiert, dass<br />
die Bewohner*innen nicht selbst Eigentümer*innen<br />
sind, sondern Mieter*innen, die aber in vollkommener<br />
Selbstverwaltung leben. Teure Einlagen,<br />
die oft bei Genossenschaften anfallen, müssen die<br />
Bewohner*innen der Mietshäuser nicht zahlen.<br />
Durch ein Vetorecht des bundesweiten Mietshäusersyndikats<br />
ist garantiert, dass die Häuser nicht irgendwann<br />
wieder profitorientiert verkauft werden.<br />
Die Bewohnerinnen und Bewohner der Ligsalz8<br />
haben aber nicht nur für sich einen bezahlbaren<br />
Wohnraum geschaffen, sondern stellen das Ladenlokal<br />
<strong>im</strong> Erdgeschoss auch politischen Gruppen und<br />
für kulturelle Veranstaltungen <strong>zur</strong> Verfügung. So<br />
finden <strong>im</strong> Laden der Ligsalz8 regelmäßig Proben<br />
eines offenen Chors statt, es werden Filme gezeigt<br />
und Lesungen gehalten und <strong>im</strong>mer am ersten Sonntag<br />
<strong>im</strong> Monat laden die Bewohner*innen zu einem<br />
offenen Brunch ein. Die Bewohner*innen betonen,<br />
dass sie für eine offene Gesellschaft ohne Rassismus<br />
und andere Formen der Diskr<strong>im</strong>inierung einstehen.<br />
Dementsprechend war es für sie eine Selbstverständlichkeit,<br />
sich mit den Angehörigen der Opfer<br />
des NSU zu solidarisieren und neben anderen Plakaten<br />
gegen Nazis und Rassismus auch die Plakate<br />
für die bundesweite Demonstration gegen den Naziterror<br />
auszuhängen.<br />
Von den Angriffen durch Nazis wollen sich die<br />
Bewohner*innen nicht einschüchtern lassen. „Der<br />
Laden in der Ligsalz8 bleibt ein offener Treffpunkt<br />
für politische Initiativen und ein bezahlbarer Ort<br />
für kulturelle Veranstaltungen <strong>im</strong> Westend“ sagt<br />
eine Bewohnerin des Hauses. „In den vergangenen<br />
Tagen haben wir großen Rückhalt aus der Nachbarschaft<br />
erfahren. Viele hier <strong>im</strong> Westend halten es für<br />
unerträglich, dass in dem ehemaligen Arbeiterviertel<br />
mit seiner vielfältigen Bewohnerschaft Nazis<br />
aktiv sind, und wollen die Angriffe nicht auf sich<br />
beruhen lassen.“<br />
Mit einem Angriff auf den Kurt-Eisner-Verein (Rosa<br />
Luxemburg Stiftung Bayern) in der Westendstraße<br />
setzten die Nazis ihre Serie von Angriffen<br />
auf Einrichtungen fort, die sich gegen Rassismus<br />
engagieren. Auch hier wurden die Schaufenster eingeschlagen.<br />
Auch hier hingen die Plakate, die <strong>zur</strong><br />
bundesweiten Demonstration gegen Naziterror aufriefen.<br />
Die Vorstandsvorsitzende des Kurt-Eisner-<br />
Vereins, Christa P. Meist, fordert eine rasche Aufklärung<br />
und vermehrte Anstrengungen der Polizei,<br />
bedrohte Einrichtungen zu schützen. Sie vermutet,<br />
dass es sogar eine Art Objektliste gibt, die abgearbeitet<br />
wird.<br />
Auch Robert Andreasch von der antifaschistischen<br />
Informations- Dokumentations-, und Archivstelle<br />
<strong>München</strong> (a.i.d.a.) weist darauf hin, dass sich seit<br />
Beginn des NSU-Prozesses eine gewalttätige Kampagne<br />
der Nazis um das Freie Netz Süd abzeichnet.<br />
Bisher habe das Freie Netz Süd jeden der Angriffe<br />
auf seiner Internetseite gefeiert und die Betroffenen<br />
verspottet. Möglich sei auch, dass die Münchner<br />
Neonazis während des NSU-Prozesses Unterstützung<br />
aus dem gesamten Bundesgebiet erhalten.<br />
Indessen lassen sich die Betroffenen nicht einschüchtern<br />
und haben einen gemeinsamen Aufruf<br />
veröffentlicht, indem sie deutlich machen, dass sie<br />
sich von den nächtlichen Angriffen nicht einschüchtern<br />
lassen. Große Unzufriedenheit gibt es hingegen<br />
mit dem Verhalten der Polizei. Der Polizeisprecher<br />
Wolfgang Wenger erklärte gegenüber der Süddeutschen<br />
Zeitung, dass man von Einzelfällen ausgehe<br />
und nicht feststellen könne, dass die rechte Szene<br />
insgesamt aktiver werde (SZ vom 17.5.2013). Nach<br />
den letzten Angriffen auf den Kurt-Eisner-Verein<br />
spricht der Polizeisprecher zwar nun von einer Häufung<br />
von Angriffen, eine Serie will er aber <strong>im</strong>mer<br />
noch nicht sehen. Verständlicher Weise sehen dies<br />
die Betroffenen nach drei Angriffen auf den Flüchtlingsrat,<br />
der Fäkalienschmiererei auf die Anwaltskanzlei,<br />
vier Angriffen auf das Wohnprojekt und<br />
vier eingeworfenen Fensterscheiben be<strong>im</strong> Kurt-<br />
Eisner-Verein anders. In ihrem Aufruf fordern sie<br />
deshalb, dass die Behörden die Verharmlosung neonazistischer<br />
Aktivitäten beenden.<br />
<br />
*Name der Redaktion bekannt.<br />
12 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013
Auch die <strong>Link</strong>e <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> hat den folgenden Aufruf unterstützt:<br />
GEMEINT SIND WIR ALLE!<br />
Rechte und rassistische Aktivitäten nehmen zu –<br />
Angriffe auf eine offene Gesellschaft!<br />
In den letzten Wochen und Monaten nehmen rassistische<br />
und faschistische Angriffe in Bayern zu.<br />
Die organisierte Neonazi-Szene agiert zunehmend<br />
offen und aggressiv. In <strong>München</strong> kommt es<br />
<strong>im</strong> April und Mai zu mehreren Attacken von Neonazis.<br />
So wurden die Fenster des Wohnprojekts<br />
„Ligsalz 8“ eingeworfen, Nazi-Parolen in die<br />
Fenster eingeritzt und die gesamte Fassade mit<br />
Farbbeuteln beworfen. Die Geschäftsstelle des<br />
Bayerischen Flüchtlingsrats wurde Ziel ähnlicher<br />
Angriffe. Ebenso wurden vier Fensterscheiben<br />
des Büros des Kurt-Eisner-Vereins eingeworfen.<br />
Am EineWeltHaus konnten zwe<strong>im</strong>al Vermummte<br />
vertrieben werden.<br />
Auch bayernweit nehmen rechte Angriffe zu. Unter<br />
anderem wurde <strong>im</strong> Mai in Nürnberg die Gedenktafel<br />
für die Opfer des NSU mit rechten Aufklebern<br />
beklebt und in Bamberg eine türkische<br />
Familie angegriffen und verletzt.<br />
Solche Angriffe treffen wenige, Einzelne. Sie sind<br />
aber Angriffe auf uns alle und auf eine offene, antirassistische<br />
Gesellschaft!<br />
Zehn Morde des Nation<strong>als</strong>ozialistischen<br />
Untergrunds – und jetzt einfach so weiter?<br />
All das passiert vor dem Hintergrund des Prozesses<br />
gegen den NSU und seine Unterstützer_innen.<br />
Bundesweit solidarisiert sich die Neonazi-Szene<br />
offen und provokant mit den Taten des NSU. In<br />
Mainz wurde kürzlich eine künstliche Blutlache<br />
vor einer Moschee platziert, in Düren wurde der<br />
Eingang der Islamischen Gemeinde sogar mit<br />
den Worten „NSU lebt weiter und ihr werdet die<br />
nächsten Opfer sein!!!“ beschmiert. In <strong>München</strong><br />
wurde die Kanzlei der Anwältin der Witwe eines<br />
der zehn Mordopfer mit Fäkalien attackiert.<br />
Die Reaktion der Polizei ist fatal: „Wir nehmen<br />
nicht wahr, dass die rechte Szene insgesamt aktiver<br />
wird“ kommentiert der Pressesprecher der<br />
Münchner Polizei Wolfgang Wenger noch am 17.<br />
Mai und spricht von „Einzelfällen“. Erst nach<br />
dem neunten Angriff nennt er es eine „Häufung“<br />
von Einzeldelikten. Die erneute Leugnung eines<br />
organisiert agierenden Neonazi-Netzwerks<br />
in <strong>München</strong> zeigt, dass die Polizei nichts aus der<br />
folgenreichen Verharmlosung rechter Strukturen<br />
der vergangenen Jahre gelernt hat. Angesichts<br />
jahrelanger Untätigkeit ist das nicht nur zynisch<br />
gegenüber den betroffenen Initiativen und Einzelpersonen<br />
der jüngsten Angriffe, sondern auch<br />
gegenüber den Opfern des NSU, deren Angehörigen<br />
und gegenüber 173 weiteren Todesopfern<br />
rechter Gewalt seit 1990.<br />
Rassismus in der Gesellschaft – wiederholt<br />
sich die Geschichte?<br />
Anfang der 1990er Jahre wurden in einer offenen<br />
rassistischen St<strong>im</strong>mung der Gesellschaft und vor<br />
dem Hintergrund rassistischer Hetze der Politik<br />
zahlreiche Anschläge auf Flüchtlingslager und<br />
Wohnhäuser von Migrant_innen verübt, bei denen<br />
auch Menschen getötet wurden. In Hoyerswerda<br />
und Rostock-Lichtenhagen applaudierten<br />
Hunderte Anwohner_innen, während ein rechter<br />
Mob Brandsätze auf Unterkünfte von Flüchtlingen<br />
und Vertragsarbeiter_innen warf. Die Polizei<br />
blieb bei den mehrtägigen Ausschreitungen weitgehend<br />
untätig.<br />
Aktuell erleben wir neben den offenen Attacken<br />
von Neonazis in Bayern und Deutschland auch<br />
<strong>im</strong>mer mehr rassistische St<strong>im</strong>mungsmache in Politik<br />
und Öffentlichkeit. Mit der Rede von „massenhafter<br />
Armutsmigration“, flankiert von der<br />
Mär von „integrationsunwilligen“ Migrant_innen<br />
von Sarrazin, Buschkowsky und Co, fühlt<br />
man sich schockierend an die damaligen Zustände<br />
erinnert.<br />
Rechte Angriffe betreffen uns alle – gemeinsam<br />
gegen Einschüchterung und Bedrohung!<br />
Solche Zustände betreffen uns alle, wir dürfen<br />
sie nicht zum Alltag werden lassen! Angriffe von<br />
Neonazis und Rassist_innen auf Migrant_innen,<br />
andere Einzelpersonen und Initiativen sind<br />
<strong>im</strong>mer auch ein Angriff auf die gesamte Gesellschaft.<br />
Wir verlangen, dass Staat und Behörden<br />
ihr jahrelanges Versagen offen eingestehen, die<br />
Verharmlosung neonazistischer Aktivitäten beenden<br />
und das rechte Auge endlich öffnen!<br />
Vor allem aber ist klar: Es liegt an uns! Wir dürfen<br />
nicht zulassen, dass die Angst vor Attacken und<br />
Angriffen wieder <strong>zur</strong> Normalität wird! Wir alle<br />
müssen uns aktiv und couragiert gegen Neonazis<br />
und Rassismus einsetzen! In unseren Vierteln, in<br />
der Stadt und überall.<br />
Solidarität zeigen und aktiv werden:<br />
• Aufruf zeichnen: Wenn ihr <strong>als</strong> Gruppe oder Einzelperson<br />
eure Solidarität ausdrücken und den<br />
Aufruf zeichnen möchtet, schickt eine Mail an:<br />
nsuprozess@riseup.net<br />
• Finanzielle Unterstützung: Durch die Angriffe<br />
entstehen hohe Kosten für die betroffenen Projekte.<br />
Ihr könnt diese mit einer Spende unterstützen:<br />
Bayerischer Flüchtlingsrat, Konto-Nr: 88 32 602,<br />
BLZ: 700 205 00, Stichwort: Spende gegen Nazis<br />
• NSU-Prozess besuchen: Zeigt eure Solidarität<br />
mit den Angehörigen, indem ihr den NSU-Prozess<br />
<strong>als</strong> Zuschauer_in besucht und nehmt damit Nazis<br />
den Platz weg. Besonders wichtig sind dabei der<br />
Wiederbeginn des Prozesses am 4. Juni und der<br />
Jahrestag der Ermordung von Abdurrah<strong>im</strong> Özüdogru<br />
am 13. Juni, aber auch alle weiteren Termine.<br />
Erstunterzeichner_innen:<br />
Bayerischer Flüchtlingsrat | Kurt-Eisner-Verein<br />
für politische Bildung e.V. | Angelika Lex, Rechtsanwältin<br />
| Ligsalz8 | Trägerkreis EineWeltHaus<br />
<strong>München</strong> e.V. | Bündnis gegen Naziterror und<br />
Rassismus.<br />
mitlinks nr. 44 – Juni 2013 13
Von brombeerfarbenen Sitzen bis Rasenklau<br />
Geschichten rund um den Endspurt bei der Stadionsanierung<br />
Von Dr. Markus Drees, Freunde des Sechz’ger Stadions e.V. (FdS)<br />
In nicht mehr ganz einem Monat soll der Spielbetrieb<br />
an der Grünwalder Straße wieder aufgenommen<br />
werden. Die Frage, ob denn alles rechtzeitig<br />
fertig wird, bewegt zunehmend die Gemüter.<br />
Baustellenbesichtigung und Farbendiskussion<br />
Wie schon in der letzten <strong>Ausgabe</strong> von MitLINKS<br />
berichtet, boten das Sportamt und das Baureferat<br />
nach mehreren Anfragen von Seiten diverser Stadträte<br />
an, am 22. März 2013 eine Baustellenbesichtigung<br />
für den <strong>Stadtrat</strong> und die Bezirksausschüsse<br />
abzuhalten. Wenige Tage zuvor wurden die neuen<br />
Flutlichter auf die Masten gehoben, die jetzt eine<br />
etwas rundlichere Form haben. In der Presse geisterten<br />
außerdem Berichte über eine Bestuhlung der<br />
Haupttribüne mit perlbrombeerfarbenen (violetten)<br />
Sitzen herum. Als Fußball-<strong>München</strong> Kritik an dieser<br />
seltsamen und unüblichen Farbwahl übte, ruderte<br />
die Stadtverwaltung <strong>zur</strong>ück und stellte fest,<br />
dass diese Farbgebung keinesfalls endgültig sei,<br />
sondern nur eine mögliche Variante darstelle.<br />
Bei der Besichtigung, zu der auch Roman Beer, der<br />
1. Vorsitzende der Freunde des Sechz’ger Stadions<br />
eingeladen war, stellte das Sportamt klar, dass man<br />
gut <strong>im</strong> Zeitplan liege und auch das Budget eingehalten<br />
werde. Außerdem wurden die bekannten Baumaßnahmen<br />
nochm<strong>als</strong> erläutert und eine offizielle<br />
Eröffnungsfeier für September angekündigt. Einen<br />
Überblick haben wir auf unserer Webseite zusammengestellt:<br />
http://www.gruenwalder-stadion.com/<br />
index_new.php?id=215.<br />
In Bezug auf die Stadionsitze wurde angekündigt,<br />
dass man nicht nur die Haupttribüne neu bestuhlen<br />
werde, sondern auch die große Gegengerade, für die<br />
ursprünglich lediglich ein punktueller Austausch<br />
defekter Sitzgelegenheiten vorgesehen war. Über<br />
die Farbe der Stühle wolle man sich bis nach Ostern<br />
beraten. Diese Informationen nahmen die Freunde<br />
des Sechz’ger Stadions auf und lobten auf die<br />
Schnelle einen Ideenwettbewerb<br />
unter den Münchner<br />
Fußballfans und den FdS-<br />
Mitgliedern aus.<br />
Ideenwettbewerb durchaus<br />
kreativ – Stadt bleibt<br />
ignorant<br />
Innerhalb einer Woche gab<br />
es fast fünfzig Einsendungen,<br />
die freilich nicht alle<br />
den strengen Prüfkriterien<br />
standhielten, welche die Jury<br />
mit Rücksicht auf die städtischen<br />
Vorgaben anwandte.<br />
Beispielsweise sollte die<br />
Sitzgestaltung weder blau<br />
noch rot noch bunt sein, keinen<br />
Vereinsbezug aufweisen und nur offizielle Bezeichnungen<br />
verwenden.<br />
Dem Sieger war eine Gedenkmedaille „100 Jahre<br />
Grünwalder Stadion“ und dem Zweiten ein Becher<br />
Brombeerjoghurt <strong>als</strong> Preis versprochen worden.<br />
Letzteres sollte <strong>als</strong> kleiner Gag in Anspielung auf<br />
die ursprünglich kolportierte Farbvorstellung der<br />
Stadt (s.o.) verstanden werden. Die Presse nahm<br />
das Thema freudig auf, machte erst Werbung für<br />
die Aktion und berichtete danach über die Gestaltungsvorschläge.<br />
Auf unserer Homepage sind alle eingegangenen<br />
Vorschläge zu finden: http://www.gruenwalder-stadion.com/index_new.php?id=216<br />
Zum Siegerentwurf kürte die FDS-Jury einen Vorschlag<br />
mit folgender Gestaltung: Auf der Haupttribüne<br />
der Schriftzug „GWS“ in Grau auf Grün und<br />
auf der Gegengerade „<strong>München</strong>“ / „Giesing“, sowie<br />
das Stadtwappen in gleicher Farbgebung (siehe Abbildung<br />
rechts.).<br />
Der Stadt wurde wegen der strengen Vorgaben ein<br />
Konsens-Vorschlag unterbreitet. Im Gegensatz zum<br />
Siegerentwurf sollte nicht „GWS“, sondern „1911“<br />
(Baujahr der ersten Tribüne am Standort) <strong>als</strong><br />
Schriftzug auf der Haupttribüne verwendet werden.<br />
„GWS“ <strong>als</strong> Abkürzung für „Grünwalder Stadion“<br />
ist zwar eine Bezeichnung, die <strong>im</strong> Volksmund<br />
gängig ist, jedoch nicht der offiziellen Bezeichnung<br />
„Städtisches Stadion an der Grünwalder Straße“<br />
entspricht.<br />
Dieser Konsensvorschlag wurde vor Ostern an die<br />
Stadt (Bürgermeisterin Strobl, Sportamt, Baureferat)<br />
geschickt. Doch eine Reaktion blieb – trotz<br />
mehrfacher Nachfrage – leider aus. Lediglich über<br />
die Presse wurde verkündet, dass man nun drei verschiedene<br />
Grautöne für die Stühle auf den beiden<br />
Sitztribünen verwenden wird. „Hier sieht man wieder,<br />
wie die Stadt mit Bürgerengagement umgeht“,<br />
meinte daraufhin FDS-Vorsitzender Beer gegenüber<br />
Pressevertretern.<br />
Die neue Osttribüne und ein<br />
neu gestalteter Flutlichtmast<br />
<strong>im</strong> Grünwalder Stadion<br />
14 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013
Siegerentwurf be<strong>im</strong> Ideenwettbewerb <strong>zur</strong> Sitzfarbengestaltung. Bei genauem Hinsehen zu erkennen: Auf der Haupttribüne<br />
der Schriftzug „GWS“ (<strong>im</strong> Original) Grau auf Grün und auf der Gegengerade „<strong>München</strong>“/„Giesing“, sowie das Stadtwappen<br />
in gleicher Farbgebung.<br />
Irrungen und Wirrungen über<br />
Drittliga-Tauglichkeit<br />
In der Regionalliga Bayern sprintete die zweite<br />
Mannschaft des TSV 1860 unterdessen unerwartet<br />
von Sieg zu Sieg und letztendlich an die Tabellenspitze.<br />
Als Meister der Regionalliga Bayern durften<br />
die „kleinen Löwen“ an der Aufstiegsrelegation <strong>zur</strong><br />
3. Liga teilnehmen. Als Gegner bekamen sie den<br />
saarländischen Verein SV Elversberg (Vizemeister<br />
der Regionalliga Südwest) zugelost. Im ersten<br />
Spiel gab es <strong>im</strong> Saarland eine knappe 2:3-Niederlage.<br />
Am 2. Juni sollte das Rückspiel in der Allianz<br />
Arena steigen. Andere Spielstätten waren für dieses<br />
Juni-Wochenende nicht verfügbar. Kurz vor Beginn<br />
wurde dann die Partie aufgrund der vielen Niederschläge<br />
an diesem Tag und in denen davor wegen<br />
Unbespielbarkeit des Platzes auf Dienstag, 4. Juni,<br />
verschoben, obwohl schon über 11.000 Zuschauer<br />
<strong>im</strong> Stadion waren. An diesem 4.6. gab es dann<br />
für die „kleinen Löwen“ einen<br />
Rekordbesuch von sogar 14.500<br />
Zuschauern, die eine spannende<br />
Partie sahen. Verdient ging<br />
1860 II vor der Pause mit 1:0 in<br />
Führung. Nach den geltenden<br />
Regeln mit den mehr erzielten<br />
Auswärtstoren in der Addition<br />
beider Spiele wären die Löwen<br />
nun in der 3. Liga. Doch am<br />
Schluss fehlten 7 Minuten zum<br />
großen Wurf. In der 83. Minute<br />
glich Elversberg aus und die<br />
Saarländer schafften so den<br />
Aufstieg. Den „kleinen Löwen“<br />
bleibt der Trost, eine unerwartet<br />
gute Saison gespielt zu haben<br />
und in der nächsten zwei<br />
Hier soll die Stadiongastronomie<br />
einziehen – der Pächter wird<br />
noch gesucht<br />
mitlinks nr. 44 – Juni 2013 15
Derbys gegen den Bayern <strong>München</strong> II austragen zu<br />
können. Werbung für den Besuch der Regionalligaspiele,<br />
die ja dann wieder in Giesing stattfinden,<br />
haben sie ohnehin gemacht. Leider hat es nicht geklappt,<br />
dass nun wieder Drittliga-Spiele in Giesing<br />
ausgetragen werden, zumal die strengeren Auflagen<br />
dieser Liga auch Grundlage des Stadionumbaus<br />
waren.<br />
Doch blicken wir nochm<strong>als</strong> in den April <strong>zur</strong>ück!<br />
Die Drittliga-Tauglichkeit des umgebauten Stadions<br />
wurde in Berichten der Süddeutschen Zeitung<br />
in Frage gestellt, da die Stadt f<strong>als</strong>ch geplant habe.<br />
Dabei wurde spekuliert, dass die Osttribüne aus Sicherheitsgründen<br />
nicht genutzt werden könne, weil<br />
deren Eingänge direkt neben denen der Gegengerade<br />
liegen. Da die Gegengerade für He<strong>im</strong>-Fans<br />
von 1860 und Bayern und genutzt wird, könne man<br />
keine Gästefans in die Ostkurve lassen, da es sonst<br />
keine Fantrennung an den Eingängen mehr geben<br />
würde. Auch schien der Stadt das Geld ausgegangen<br />
zu sein, da die Polizeicontainer entgegen anderslautender<br />
Pläne vorerst nicht vollständig von<br />
der Westkurve in die neue Tribüne <strong>im</strong> Osten umziehen<br />
werden.<br />
Die SZ-Berichte wurden zufälligerweise kurz vor<br />
dem Besuch einer DFB-Kommission veröffentlicht,<br />
die wegen des möglichen Aufstiegs von 1860 II die<br />
Drittliga-Tauglichkeit der Sportstätte überprüfen<br />
sollte. Die Kommission hatte aber nichts zu beanstanden.<br />
Es hätten <strong>als</strong>o nach Fertigstellung der<br />
Sanierungsarbeiten gegebenenfalls auch Spiele<br />
der 3. Liga in der neuen Saison durchgeführt werden<br />
können. Der Stadt lagen die SZ-Berichte, die<br />
den Anschein erweckten, einen Skandal herbeizuschreiben,<br />
aber so schwer <strong>im</strong> Magen, dass extra in<br />
der Rathaus-Umschau darauf eingegangen und die<br />
Faktenlage richtiggestellt wurde.<br />
Stadionskulptur und Stadiongaststätte<br />
Die Freunde des Sechz’ger Stadions hatten <strong>im</strong> letzten<br />
Jahr eine Stadionskulptur in Form einer Stele<br />
anfertigen lassen und diese für einige Wochen <strong>im</strong><br />
Kunstforum am Hans-Mielich-Platz präsentiert.<br />
Der Wunsch, auch des Bezirksausschusses 18 Untergiesing-Harlaching,<br />
war es nun, diese Stele vor<br />
oder <strong>im</strong> sanierten Stadion dauerhaft aufzustellen.<br />
Dies wird nun tatsächlich so passieren, nachdem<br />
ein Standort gefunden wurde. Die Stele wird an der<br />
Südost-Ecke des Stadions ihren Platz finden, wo<br />
unterhalb der <strong>als</strong> Stadionwirtschaft zu nutzenden<br />
VIP-Räume ein Arkadenbereich mit Zugang zum<br />
Aufzug und dem Treppenaufgang zu den Räumlichkeiten<br />
der Stadiongastronomie entstanden ist.<br />
Apropos Stadiongaststätte: Es steht <strong>im</strong>mer noch<br />
nicht fest, wer die Stadiongastronomie übernehmen<br />
wird. Einen guten Monat vor Beginn des Spielbetriebs<br />
wird der Zeitplan für die Brauerei und einen<br />
möglichen Wirt <strong>im</strong>mer enger. Der Raum ist bereits<br />
mit Glaswänden, Heizkörpern und weiterer Infrastruktur<br />
versehen. Anscheinend ist es aber bisher<br />
nicht gelungen, dass Hacker-Pschorr <strong>als</strong> Direktpächter<br />
mit der Stadt eine Einigung über die neuen<br />
Pachtbedingungen erzielen konnte, da sich die<br />
Verhandlungen schwierig gestalten, weil mehrere<br />
städtische Referate an ihnen beteiligt sind. Somit<br />
können nun auch interessierten Wirten keine wirtschaftlichen<br />
Konditionen für die Gaststättenpacht<br />
präsentiert werden. Es bleibt spannend, ob die Gastronomie<br />
zum Saisonstart <strong>im</strong> Juli fertig sein wird ...<br />
Das „Allerletzte“: Rasenraub <strong>im</strong> Stadion<br />
Kurz vor Redaktionsschluss ereignete sich noch folgende<br />
Geschichte: Über Pfingsten sind unbekannte<br />
Täter ins Grünwalder Stadion eingestiegen und haben<br />
nach Zeitungsberichten einen Schaden von ungefähr<br />
5.000 Euro verursacht. Sie haben den Rasen,<br />
der <strong>im</strong> Oktober 2012 verlegt worden war, auf einer<br />
Fläche von sieben Quadratmetern herausgerissen<br />
und mitgehen lassen. Eine Verzögerung <strong>im</strong> Baufortschritt<br />
wird aber dadurch nicht erwartet. Die Täter<br />
sind bisher nicht identifiziert, und die Chance wird<br />
eher <strong>als</strong> gering eingeschätzt, dass dies noch passiert.<br />
Eines ist klar: Es wird nie langweilig rund um Giesings<br />
Traditionsstadion!<br />
In der nächsten MitLINKS-<strong>Ausgabe</strong> können wir<br />
hoffentlich über die Wiederaufnahme des Spielbetriebs<br />
und die Klärung der letzten noch offenen<br />
Fragen berichten.<br />
<br />
Fachinformationsstelle Rechtsextremismus informiert<br />
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit<br />
in <strong>München</strong> Von Mario S<strong>im</strong>eunovic<br />
Dr. Christian Ganser vom Institut für Soziologie<br />
der Ludwig-Max<strong>im</strong>ilians-Universität <strong>München</strong> war<br />
am 10. Juni <strong>im</strong> kleinen Sitzungssaal des Rathauses<br />
zu Gast. Auf Einladung der Fachinformationsstelle<br />
Rechtsextremismus stellte er erste Ergebnisse einer<br />
schriftlichen Befragung zu Gruppenbezogener<br />
Menschenfeindlichkeit (GMF) in <strong>München</strong> vor.<br />
Eine breit angelegte, empirische Studie<br />
Für die Untersuchung wurden <strong>im</strong> Februar und März<br />
dieses Jahres nach dem Zufallsprinzip Münchner<br />
Haushalte ausgewählt und angeschrieben. Immerhin<br />
30,4 % davon sendeten ihren Fragebogen <strong>zur</strong>ück,<br />
was die ansehnliche Teilnehmerzahl von 1.139<br />
ergab. Diese beantworteten eine Reihe von Fragen<br />
bezüglich ihrer Einstellung zu Ausländern, Behinderten,<br />
Frauen, Homosexuellen, Langzeitarbeitslosen,<br />
jüdischen und musl<strong>im</strong>ischen Mitbürgern sowie<br />
zum Nation<strong>als</strong>ozialismus und deutscher Überlegenheit.<br />
Die Antworten wurden anschließend auf einer Skala<br />
von 1 bis 5 gewichtet, wobei ein Wert von 5 eine<br />
deutliche Ablehnung der jeweiligen Gruppe signalisiert,<br />
während ein Wert von 1 für keinerlei feindliche<br />
Einstellung steht. Erfasst wurde weiterhin, wie<br />
hoch der Anteil derjenigen Befragten war, deren<br />
Ergebnis <strong>im</strong> Hinblick auf eine Gruppe den Mittel-<br />
16 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013
wert von 3 überstieg, <strong>als</strong>o eine insgesamt ablehnende<br />
Haltung zeigte. Auf diese Weise kristallisierten<br />
sich bei der Auswertung drei Gruppen heraus, die<br />
signifikantes Ziel menschenfeindlicher Einstellung<br />
waren. Wohnungslose, Langzeitarbeitslose und<br />
Musl<strong>im</strong>e wurden <strong>im</strong> Schnitt am deutlichsten abgelehnt<br />
(2,6 - 3). Bei ihnen fanden sich auch die meisten<br />
Befragten, deren Ergebnis 3 überstieg und die<br />
damit eine überwiegend feindliche Einstellung zu<br />
diesen Gruppen ausdrückten.<br />
Überwiegend ablehnend gegenüber dem Islam äußerten<br />
sich 41,3 % aller Teilnehmer. 40 % der Befragten<br />
zeigten eine überwiegend feindliche Einstellung<br />
zu Langzeitarbeitslosen, bei Wohnungslosen<br />
waren es <strong>im</strong>mer noch 23,5 % Ablehnung. Der<br />
Grad der Menschenfeindlichkeit wurde über weiche<br />
und harte Fragen ermittelt. So wurde beispielsweise<br />
„weich“ gefragt, ob der Aussage zuzust<strong>im</strong>men<br />
sei, dass Obdachlose unverschuldet in ihre Situation<br />
geraten seien oder zugespitzt, ob bettelnde Obdachlose<br />
aus der Fußgängerzone zu entfernen seien.<br />
Die milde und die harte Variante der<br />
Menschenfeindlichkeit<br />
Ob die musl<strong>im</strong>ische Kultur nach Deutschland passe,<br />
lieferte den weichen Indikator, ob es zuviele<br />
Musl<strong>im</strong>e in Deutschland gäbe, den harten. Diese<br />
Abstufung ist wichtig, denn mit ihr können gesellschaftliche<br />
Tabus best<strong>im</strong>mt werden. Jemand<br />
der findet, dass Langzeitarbeitslose keine zusätzliche<br />
Unterstützung benötigen, st<strong>im</strong>mt der Aussage,<br />
dass diese sich ein bequemes Leben machen, nicht<br />
zwangsläufig zu, es sei denn, eine solche Äußerung<br />
wäre derzeit akzeptabel.<br />
Die Radikalität der feindlichen Haltung differenziert<br />
sich entsprechend aus, von unterschwelligen<br />
Vorbehalten bis hin zu schroffer Ablehnung. Gruppen,<br />
deren offene Diskr<strong>im</strong>inierung hingegen tabuisiert<br />
ist, werden auch nur von wenigen Befragten<br />
eindeutig abgelehnt. Dies war bei Frauen, Homosexuellen<br />
und Juden der Fall.<br />
Nur 5,5 % der Teilnehmer zeigte eine überwiegend<br />
ablehnende Haltung gegenüber Behinderten. Wenn<br />
diese auf der Skala feindlicher Einstellung aber bei<br />
2 <strong>im</strong> Mittelfeld aller Gruppen landeten, so bedeutet<br />
das, dass trotzdem ein ganze Anzahl Menschen<br />
fand, dass es ihnen zu gut gehe.<br />
Die Runde <strong>im</strong> Kleinen Sitzungssaal hielt sich lange<br />
damit auf, die Einzelergebnisse zu hinterfragen<br />
und sich die Methode der Untersuchung erläutern<br />
zu lassen. Vorschläge und Anregungen für politisches<br />
Handeln blieben weitgehend aus. Was hätten<br />
die sechs anwesenden Stadträte von Grünen, SPD<br />
und CSU auch an Ideen anbieten können, um Vorbehalten<br />
gegenüber Langzeitarbeitslosen oder Wohnungslosen<br />
entgegen zu wirken? Zum Phänomen<br />
Islamfeindlichkeit meinte hingegen SPD-<strong>Stadtrat</strong><br />
Dr. Reinhard Bauer, es müssten mehr Begegnungen<br />
mit Musl<strong>im</strong>en ermöglicht werden, damit diese Gelegenheit<br />
erhielten, bestehende Vorurteile zu widerlegen.<br />
So geraten am Ende die Opfer von Diskr<strong>im</strong>inierung<br />
noch unter Rechtfertigungszwang.<br />
Die Politik <strong>als</strong> nicht teilnehmende<br />
Beobachterin<br />
Dabei wäre die Aufgabe der Politik naheliegend<br />
und einfach umschrieben. Alle Untersuchungen zu<br />
Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit belegen<br />
einhellig, dass feindliche Einstellungen gegenüber<br />
einer Gruppe in ihrer radikalen Ausprägung weder<br />
das Ergebnis von Traditionen noch von regionalen<br />
Besonderheiten sind. Gerade das macht diese<br />
Methode so bestechend, dass sie sich nicht an ein<br />
best<strong>im</strong>mtes Feindbild wie Xenophobie oder Antisemitismus<br />
klammert, sondern einer universalen<br />
christlichen Liebesethik folgend, die Menschenfeindlichkeit<br />
an sich zum Gegenstand ihrer Untersuchung<br />
macht. Dadurch wird sie <strong>im</strong>mun gegenüber<br />
sich objektiv gebenden Einwänden und Vorbehalten<br />
gegenüber ganzen Gruppen, die nie etwas anderes<br />
sind, <strong>als</strong> der Ausfluss von gegenwärtig geschürten<br />
Ängsten.<br />
Die Angst vor islamistischen Terroristen und Salafisten<br />
ist derzeit beherrschend, ebenso vor faulen<br />
und schmarotzenden Hartz-IVlern, wegen denen<br />
für mich <strong>im</strong> Ernstfall keine soziale Sicherung mehr<br />
bereit steht, oder vor der beängstigend wachsenden<br />
Zahl von Menschen, die <strong>im</strong>mer ungenierter die Abfallkörbe<br />
der Stadt nach Pfandflaschen durchsuchen<br />
und womöglich schon keine Wohnung mehr<br />
haben. Da wird die Möglichkeit des eigenen sozialen<br />
Ertrinkens <strong>im</strong>mer greifbarer und furchterregender,<br />
obwohl offensichtlich sein müsste, dass hier<br />
keine Naturgesetze in Form einer Flutkatastrophe<br />
verantwortlich sind.<br />
Ein erstes Fazit von Ganser lautet denn auch, das<br />
das Gefühl politischer Machtlosigkeit Feindseligkeiten<br />
zu begünstigen scheint.<br />
So werden innerlich die Armen bekämpft und<br />
nicht politisch die Armut. Warum? Weil die gesellschaftliche<br />
Elite und die etablierte Politik genau<br />
diese Haltung vorgeben. Sie haben es aufgegeben,<br />
sich für die sozialen Verhältnisse verantwortlich zu<br />
fühlen. Sie haben es geschafft, den für eine Demokratie<br />
unerhörten Glauben zu etablieren, die Politik<br />
könne an diesen Zuständen nichts ändern. 60 % der<br />
Befragten gaben an, keinen Kontakt zu Langzeitarbeitslosen<br />
zu haben. Ob sich an der feindseligen<br />
Haltung etwas ändert, wenn nur genügend Begegnungen<br />
organisiert werden? Zählt doch der Kontakt<br />
zu Angehörigen einer diskr<strong>im</strong>inierten Gruppe mithin<br />
<strong>als</strong> anerkanntes Mittel zum Abbau von Vorurteilen.<br />
Die Drohkulisse „Sozialer Abstieg“ wird dadurch<br />
kaum beseitigt, sondern eher noch verstärkt.<br />
Wirtschaftliche Interessen bleiben für alle Bürger<br />
der erkennbare Motor politischen Handelns.<br />
Die bescheidenen wirtschaftlichen Interessen von<br />
Wohnungs- und Erwerbslosen oder von Migranten<br />
bewegen hier nichts außer Symbolhandlungen.<br />
Beispiele? Sanktion und Kürzung von Erwerbslosen,<br />
Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus,<br />
Ausweisung und Zuwanderungsbeschränkung,<br />
aber Rettung und Steuerschlupflöcher für große<br />
Vermögen in spekulativen Nöten sowie Verzicht<br />
auf die Ermittlung und Verurteilung von kapitalen<br />
Steuerhinterziehern sind bundesdeutsche politische<br />
Realität.<br />
Es muss nicht wundern, wenn der feine menschenfeindliche<br />
Kern zentraler politischer Botschaften,<br />
sei es in Reden, in Medienbeiträgen oder Gesetzen,<br />
zunächst „weiche“ Ausgrenzungstendenzen beflügelt<br />
und darunter <strong>im</strong>mer mehr Raum für die „harten“<br />
Formen der Menschenverachtung lässt. Raum<br />
für gewalttätige Rassisten, die sich dann <strong>als</strong> stolze<br />
Deutsche über Menschen anderer Kulturen und alles<br />
„Asoziale“ erheben können.<br />
Auf die abschließende Auswertung der Studie von<br />
Dr. Christian Ganser darf die Münchner Stadtgesellschaft<br />
gespannt sein, auf die politischen Reaktionen<br />
wohl eher nicht.<br />
mitlinks nr. 44 – Juni 2013 17
Theater<br />
für Kinder<br />
Yalla Arabi – Großer Einsatz für arabische<br />
Kultur und Sprache in <strong>München</strong> Von Firouz Bohnhoff, Yalla Arabi<br />
Yalla Arabi ist eine Münchner Gruppe, die sich für<br />
die Förderung arabischer Kultur und Sprache einsetzt.<br />
Sie möchte sowohl die deutsche Öffentlichkeit<br />
<strong>als</strong> auch die in Deutschland lebenden Araberinnen<br />
und Araber über kulturelle, soziale und auch politische<br />
Diskurse in der arabischen Welt informieren.<br />
Yalla Arabi ist der Überzeugung, dass die Förderung<br />
einer eigenen sprachlichen und kulturellen<br />
Identität der in Deutschland lebenden Araberinnen<br />
und Araber mit gleichzeitiger Förderung ihrer Mitwirkung<br />
und Mitgestaltung am öffentlichen Leben<br />
der richtige Weg zu einer gesunden, produktiven<br />
und nachhaltigen Integration ist. Darauf basieren<br />
die kulturellen Angebote der Gruppe, die auf arabische<br />
Mitbürgerinnen und Mitbürger ebenso wie auf<br />
betroffene und interessierte deutsche Staatsbürger<br />
abzielen. Unter anderem gibt es folgende Angebote:<br />
Yalla Madrasa: Arabische Sprachkurse für Kinder<br />
und Erwachsene mit Hilfe von modernen und spaßorientierten<br />
Methoden und dem Einsatz von Theater,<br />
Internet und Musik. Regelmäßig finden vier<br />
verschiedene Kurse für Kinder ab drei Jahren und<br />
zwei Erwachsenen-Kurse statt.<br />
Yalla Thakafa: Dieses Angebot zielt auf die Übermittlung<br />
arabischer Kultur nach außen und innen<br />
ab. Mittels Lesungen arabischer Werke befasst sich<br />
die Gemeinde mit dem eigenen Erbe. Dann versucht<br />
sie über deutschsprachige Kulturveranstaltungen<br />
wie Bilderausstellungen, Theatervorführungen und<br />
Literaturvorstellungen dieses Erbe mit der sozialen,<br />
kulturellen und politischen Umgebung zu teilen.<br />
Yalla Fann: Hier geht es um die Förderung und<br />
<strong>Link</strong>s: Party von Yalla Arabi. Rechts: Gut besuchte Podiumsdiskussion<br />
bei der Ausstellung und Podium.<br />
18 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013
Vermittlung arabischer Kunst durch Musik-, Tanzund<br />
Gesangsunterricht für arabische und nicht arabische<br />
Interessierte. Derzeit werden Oud-, Dabkeund<br />
Gesangskurse durchgeführt.<br />
Yalla Damj: Ein aktiver Beitrag arabischer Einzelpersonen<br />
und Gruppen zum öffentlichen und sozialen<br />
Leben in Deutschland – für uns ein wichtiges<br />
Mittel der Integration.<br />
Nun noch zu einem Thema, welches Yalla Arabi<br />
sehr am Herzen liegt, der Aufstand der Frauen in<br />
der arabischen Welt. Am 1. Oktober 2012, ein Jahr<br />
nach Gründung der Facebook-Seite „Der Aufstand<br />
der Frauen in der arabischen Welt“, wurde eine<br />
weitere Kampagne auf Facebook und Twitter gestartet:<br />
„Ich bin für die Intifada der Frauen in der<br />
arabischen Welt, weil ...“. Frauen und Männer wurden<br />
gebeten, ein Bild von sich zu senden und darauf<br />
den Grund anzugeben, warum sie diesen Aufstand<br />
brauchen.<br />
Yalla Arabi steht auf der Seite der arabischen Frauen<br />
bei ihrem Aufstand und unterstützt die Kampagne.<br />
In der Initiativ-Gruppe in der Karlstraße 50<br />
konnte die Gruppe am 18. Mai 2013 eine Ausstellung<br />
dazu eröffnen. Bei einer Podiumsdiskussion in<br />
Oben:<br />
Die Yalla Arabi-<br />
Austellung<br />
<strong>Link</strong>s:<br />
Aus der<br />
Ausstellung<br />
diesem Rahmen wurde eine der Gründerinnen der<br />
Kampagne, Frau Farah Barkawi, via Skype zugeschaltet,<br />
die dem Publikum über ihre Aktionen berichtete.<br />
Die Ausstellung wird bis zum 19. Juni dauern. Yalla<br />
Arabi hat sich sehr gefreut, am 19. Mai von der<br />
großartigen Schauspielerin Salwa Nakkara mit ihren<br />
Theaterstück „Cappuccino in Ramallah“ beehrt<br />
zu werden.<br />
Wenn Sie Fragen haben, so zögern Sie nicht,<br />
iYalla Arabi anzusprechen:<br />
Die Gruppe ist wie folgt zu erreichen:<br />
Email: yalla3arabi@gmail.com<br />
Website: facebook.com/yalla3arabi<br />
Oben: Yalla Madrasa<br />
mitlinks nr. 44 – Juni 2013 19
„Wem gehört die Stadt?“<br />
Die Ausstellung über die neuen sozialen Bewegungen<br />
der 1970er Jahre in <strong>München</strong> ist noch bis zum ersten<br />
September <strong>im</strong> Stadtmuseum zu sehen. Ein Besuch<br />
lohnt sich, wird aber kaum genügen, um alle Bilder,<br />
Tonspuren, Kurzfilme und Publikationen zu begutachten.<br />
Nach einem Gang durch die Ausstellung <strong>im</strong> Stadtmuseum<br />
ist klar: die Themen haben sich nicht unbedingt<br />
geändert. Die 1970er Jahre können in diesem<br />
Sinne <strong>als</strong> Geburtsstunde der heutigen Zivilgesellschaft<br />
angesehen werden. Nur dass die heutige Zivilgesellschaft<br />
meist viel konformer, weniger bunt und<br />
provokant daherkommt. Oft haben sich die Themen<br />
der sozialen Bewegungen in institutionelle Rahmen<br />
begeben oder werden hauptsächlich von NGOs thematisiert.<br />
Die junge Generation der 1970er Jahre bildete mit<br />
Stadtteilkomitees und Betriebs-Basisgruppen, mit<br />
Bilder: haeusernot-demo_blumenstrasse_1979 | gestickter-marx_basis-buchhandlung_um1978<br />
| blatt-167_1980<br />
Von S<strong>im</strong>on Goeke<br />
Hausbesetzungen und Bürgerinitiativen, mit alternativen<br />
Stadtmagazinen und selbstverwalteten Jugendzentren<br />
eine Gegenöffentlichkeit, die bis heute<br />
Einfluss auf das Selbstverständnis der Münchnerinnen<br />
und Münchner hat. „Wem gehört die Stadt?“ ist<br />
<strong>als</strong>o genau die richtige Frage. Denn auch wenn viele<br />
der Auseinandersetzungen wenig erfolgreich aus<br />
Sicht der Aktivistinnen und Aktivisten gewesen sein<br />
dürften, hinterließen sie doch sichtbare Spuren in<br />
der Stadt und bei ihren Bewohner*innen. Es bereitet<br />
heute noch große Freude, die Zeugnisse dieser Bewegung<br />
zu betrachten.<br />
Dass es den Ausstellungsmacher*innen schwer gefallen<br />
ist, die Auswahl an Exponaten klein zu halten,<br />
liegt wahrscheinlich daran, dass sie meist selbst noch<br />
zu den Aktivist*innen gehört haben dürften, ist aber<br />
entschuldbar. Nach einem zweistündigen Besuch<br />
bleibt das Gefühl, Vieles verpasst zu haben und sich<br />
unbedingt nochmal (hin-)bewegen zu müssen. <br />
Verweigern Widersetzen Revoltieren Von S<strong>im</strong>on Goeke<br />
Der 35. Kongress der „Bundeskoordination Internationalismus“<br />
(Buko) widmete sich der Verweigerung<br />
<strong>als</strong> politischer Strategie. Neben einem enorm<br />
vielfältigen Workshop-Programm enttäuschte die<br />
zentrale Podiumsdiskussion <strong>im</strong> Freiheiz.<br />
Der Hof des Eine-Welt-Hauses, das <strong>als</strong> Tagungszentrum<br />
diente, wurde <strong>zur</strong> Groß-Volx-Küche umfunktioniert.<br />
Mehr <strong>als</strong> 350 Aktivistinnen und Aktivisten<br />
nahmen an über 70 Veranstaltungen teil.<br />
Auch Räume <strong>im</strong> benachbarten DGB-Haus sowie<br />
das Büro der <strong>Link</strong>spartei und das des Kurt-Eisner-<br />
Vereins <strong>im</strong> Westend wurden genutzt. Keine Frage,<br />
der 35. BUKO-Kongress, der Anfang Mai in <strong>München</strong><br />
stattfand, hatte Einiges zu bieten und kann <strong>als</strong><br />
voller Erfolg gelten. Gut beraten waren die Besucherinnen<br />
und Besucher, sich an einem Thema zu<br />
orientieren. Drei rote Fäden, so genannte Tracks,<br />
zogen sich durch das Programm: Antirassismus,<br />
Ant<strong>im</strong>ilitarismus und Ressourcenkämpfe.<br />
Neben den Vorträgen und Diskussionen fanden<br />
auch praktische Workshops statt. Besonderen Andrang<br />
hatten dabei, trotz miserablen Wetters, die<br />
Stadtrundgänge. So machten sich Einige auf die<br />
Suche nach Spuren der kolonialen Vergangenheit<br />
<strong>München</strong>s. Andere nahmen an einem ant<strong>im</strong>ilitaristischen<br />
Stadt-Spaziergang teil, der fast schon den<br />
Charakter einer Spontandemo hatte. Wieder andere<br />
gingen <strong>zur</strong> Lesung am Königsplatz anlässlich des<br />
Jahrestages der Bücherverbrennungen oder informierten<br />
sich auf einem Rundgang über die politische<br />
Geschichte <strong>München</strong>s.<br />
Schade nur, dass neben dem spannenden Workshop-Programm<br />
ausgerechnet die zentrale Podiumsdiskussion<br />
<strong>im</strong> Freiheiz zu allgemeiner Enttäuschung<br />
führte. Vielleicht war es schon die thematische<br />
Rahmung, die hier zu einer Verweigerung der<br />
Podiumsgäste führte, tatsächlich über die derzeitig<br />
erlebten Krisenproteste und anhaltenden Auseinandersetzungen<br />
in Nordafrika zu diskutieren. Die<br />
vom französischen „Unsichtbaren Kommitee“ formulierte<br />
Analyse <strong>im</strong> 2007 erschienenen „Kommenden<br />
Aufstand“, dass es zu neuen und neuartigen<br />
permanenten Zyklen der sozialen Kämpfe kommen<br />
werde, sollte von Aktivist*innen der autonomen<br />
und anarchistischen Bewegungen Griechenlands,<br />
Spaniens, Frankreichs und Tunesiens diskutiert<br />
werden. Obwohl schnell klar wurde, dass das Manifest<br />
des „Unsichtbaren Komitees“ in keinem der sozialen<br />
Kämpfe eine besondere Beachtung gefunden<br />
hatte, hielt die Moderatorin an dem thematischen<br />
Rahmen fest, so dass manch einem Podiumsgast<br />
20 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013
nichts anders übrig blieb, <strong>als</strong> verständnislos mit den<br />
Achseln zu zucken.<br />
Dadurch erfuhr das Publikum in der überfüllten<br />
Freiheiz-Halle wenig bis nichts über die unterschiedlichen<br />
Einschätzungen aus den Krisenprotesten<br />
in Spanien, Griechenland und Frankreich<br />
sowie aus der postrevolutionären Bewegung in Tunesien.<br />
Statt dessen musste es ertragen, wie die Moderatorin<br />
behauptete, in Deutschland schaue man<br />
mit Neid auf Griechenland und Spanien, da hier so<br />
viel Bewegung sei. Leider wies keiner der Gäste die<br />
Moderatorin darauf hin, dass an der Ursache dieser<br />
Bewegungen – der sozialen Not der Menschen<br />
– nichts Beneidenswertes ist. Stattdessen endete<br />
die Diskussion mit einer ähnlich bemerkenswerten,<br />
aber erschreckenden Analyse des französischen<br />
Gastes. Die Frage, wie eine internationalistische<br />
Perspektive <strong>im</strong> Gegensatz zu nationalistisch-protektionistischen<br />
Bestrebungen aussehen könnte,<br />
beantwortet er mit der Aufforderung nicht in „den<br />
Deutschen“ die Verursacher der Sparpolitik <strong>im</strong> Süden<br />
Europas auszumachen, sondern in der „protestantischen<br />
Ethik des Kapitalismus“. Die Antwort<br />
auf die Frage, was an der Frontstellung Katholiken<br />
gegen Protestanten fortschrittlicher sein sollte <strong>als</strong><br />
an nationalistischen Erklärungsmustern, blieb der<br />
vermeintliche Autor des „Kommenden Aufstands“<br />
schuldig.<br />
So ging von der Podiumsdiskussion kein Impuls aus<br />
für eine internationalistische Perspektive der sozialen<br />
Bewegungen in Europa und Nordafrika. Umso<br />
deutlicher wurde, dass die internationale Vernetzung<br />
der Kämpfe und eine Debatte darüber, wie ein<br />
neuer Internationalismus jenseits der etablierten<br />
Institutionen aussehen könnte, in Zukunft noch intensiviert<br />
werden muss.<br />
Schalom Ben-Chorin<br />
Brückenbauer deutsch-israelischer Verständigung<br />
<strong>im</strong> Sinne eines Dialogs<br />
<strong>München</strong> gedenkt vom 18. bis 21. Juli 2013 seines<br />
100. Geburtstags Von Renée Rauchalles<br />
Schalom Ben-Chorin in Jerusalem<br />
(Datum unbekannt)<br />
Wenn der am 20.<br />
Juli 1913 in <strong>München</strong><br />
geborene Lyriker,<br />
Schriftsteller,<br />
Journalist und<br />
Religionsphilosoph<br />
Schalom Ben-Chorin<br />
an die He<strong>im</strong>atstadt<br />
seiner Jugend<br />
dachte, dann sah<br />
er vor seinem inneren Auge den Englischen Garten,<br />
durch den ihn sein Weg von seinem Elternhaus<br />
in der Münchner Oettingenstraße <strong>zur</strong> Universität<br />
führte, an der er von 1931 bis 1934 Literaturgeschichte<br />
und vergleichende Religionswissenschaften<br />
studierte. Vor allem – so schildert er in seinen<br />
Erinnerungen „Jugend an der Isar“ – sah er den<br />
„wie mit Pastellfarben in die Landschaft hineingezeichneten“<br />
Monopteros, der ihm <strong>im</strong>mer wieder „<strong>im</strong><br />
Traume <strong>als</strong> ein Tempel der Sehnsucht“ aufleuchtete,<br />
in dem er unvergessliche Stunden, lesend oder<br />
schreibend, verbrachte. Oder er genoss nachts stille<br />
Zweisamkeit. Von hier aus lauschte er den Glockenspielen<br />
der Türme, die <strong>als</strong> Wahrzeichen in den<br />
Münchner H<strong>im</strong>mel ragten. Sie waren die Symphonien<br />
seiner Kindheit und Jugend, die sich zu neuen<br />
Tönen verwandelten, <strong>als</strong> er aufbrach ins Gelobte<br />
Land.<br />
Doch erst einmal brach er aus seinem jüdisch ass<strong>im</strong>ilierten<br />
Vaterhaus aus, und zwar an jenem Weihnachtsabend<br />
1928, an dem er das christliche Fest<br />
nicht mehr feiern wollte, weil er es <strong>als</strong> Widerspruch<br />
zu seinem Judentum empfand. „Wenn du nicht mit<br />
uns feiern willst, hast du hier keinen Platz mehr“,<br />
sagte seine Mutter. Und so verließ der 15-jährige<br />
Fritz Rosenthal an diesem Abend die elterliche<br />
Wohnung. Zitternd vor Kälte irrte er durch die<br />
Straßen und fand noch in der Nacht Unterkunft<br />
bei einer strenggläubigen Familie. Ein ganzes Jahr<br />
unterzog er sich dort den gestrengen Regeln und<br />
Bräuchen des „Schulchan Aruch“, danach kehrte er<br />
wieder <strong>zur</strong> Mutter <strong>zur</strong>ück, die die Familie seit dem<br />
Tod des Vaters 1924 mit einem kleinen Seifenhandel<br />
über Wasser hielt.<br />
Von nun an wandte sich der Geläuterte dem liberalen<br />
Judentum zu. In einem Ferienlager des Bundes<br />
jüdischer Pfadfinder legte er das stumme Gelöbnis<br />
ab, nach Jerusalem zu gehen, wo er sich die Erfüllung<br />
seiner Vorstellung von gelebtem, lebendigem<br />
Glauben jenseits von Ritual und Gesetz erhoffte.<br />
In der Zeitschrift „Zion“ erschien 1930 sein Aufsatz<br />
„Der Nationalismus in der absoluten Konsequenz“,<br />
in dem er sich mit dem Buch „Probleme des<br />
modernen Judentums“ von Jakob Klatzkin auseinandersetzte.<br />
Die Begegnung mit Martin Buber <strong>im</strong><br />
selben Jahr und dessen Rede „Wie kann Gemeinschaft<br />
werden?“ prägten sich dem 17-jährigen tief<br />
ins Gedächtnis. Ihm, seinem späteren Freund und<br />
Lehrer, widmete er 1931 seinen Legendenkreis „Die<br />
seltsame Gemeinde“ und 1966 – in Erinnerung an<br />
den 1965 Verstorbenen – sein Buch „Zwiesprache<br />
mit Buber“.<br />
1932, <strong>als</strong> noch niemand an eine geschlossene kollektive<br />
Auswanderung der Juden nach Palästina<br />
dachte, konzipierte Schalom Ben-Chorin – so nannte<br />
sich Fritz Rosenthal seit 1931, was „Friede, Sohn<br />
der Freiheit“ bedeutet – einen geordneten Auswanderungsplan,<br />
weil er von der Aussichts- und<br />
Zukunftslosigkeit des deutschen Judentums tief<br />
überzeugt war. Sein Plan ließ sich jedoch nicht realisieren,<br />
da er keine jüdische Organisation hinter<br />
sich hatte.<br />
Die „Verfinsterung“ <strong>im</strong> Land seiner Geburt begann,<br />
<strong>als</strong> Hindenburg am 30. Januar 1933 Hitler zum<br />
Reichskanzler ernannte. Wenige Tage vorher wurde<br />
Erich Mühsams prophetischer Schrei: „Ihr werdet<br />
daran schuld sein, wenn ich in einigen Monaten<br />
in meiner Zelle umgebracht werde“ bei einer Versammlung<br />
der SPD und KPD in Berlin-Halensee<br />
mit Gelächter quittiert. Am Abend des 27. Februar<br />
mitlinks nr. 44 – Juni 2013 21
annte das Berliner Reichstagsgebäude. Die Tragweite<br />
dieser Nachricht konnten Viele zu diesem<br />
Zeitpunkt noch nicht ermessen. Ab März wurden<br />
dann in Deutschland in über 60 Städten Bücher und<br />
Bibliotheken verbrannt, so auch in <strong>München</strong>.<br />
Doch schon vorher, am 1. April 1933, erfuhr der<br />
Student Ben-Chorin schmerzlichst die Auswirkungen<br />
der neuen Macht, <strong>als</strong> er mit einer Kamera durch<br />
die Münchner Innenstadt spazierte. Transparente<br />
wie „Kauft nicht bei Juden!“, „Die Juden sind unser<br />
Unglück“ oder Schilder „Jüdisches Geschäft“<br />
sollten die Menschen warnen. Plötzlich stellten sich<br />
ihm SA-Leute in den Weg, behaupteten, er habe sie<br />
verbotenerweise fotografiert. Von der Faust eines<br />
SA-Mannes traktiert, führte man ihn blutüberströmt<br />
ins Polizeigefängnis an der Ettstraße. Dort<br />
erfuhr er: „Judenblut ist bei uns nicht so wichtig“.<br />
Schalom Ben-Chorin begriff: „Das ist das Ende des<br />
Rechtsstaates“. Drei Tage musste er nun in einer<br />
überfüllten, stinkenden Zelle verbringen.<br />
Diese qualvollen „Einsitzungen“ wiederholten sich<br />
einige Male, ebenso Hausdurchsuchungen, bei denen<br />
er nachts aus dem Bett gezerrt wurde. Als 1933<br />
seine Schwester nach Argentinien auswanderte und<br />
1934 seine Mutter starb, war er nun ganz allein in<br />
der Stadt der „tausend Gegensätze“ mit ihren zahlreichen<br />
Künstlern, Schriftstellern und Musikern.<br />
Vielen war er begegnet, den meisten in „Schwabylon“,<br />
wie z.B. Oskar Maria Graf, den man <strong>im</strong> literarischen<br />
„Tukan-Kreis“ antraf. Besonders beliebt<br />
war der „S<strong>im</strong>pl“ in der Türkenstraße, in dem einst<br />
Künstlergrößen wie Frank Wedekind, Ludwig Thoma,<br />
Joach<strong>im</strong> Ringelnatz und Karl Valentin verkehrten.<br />
In der legendären Zeitschrift „S<strong>im</strong>pliciss<strong>im</strong>us“<br />
konnte Schalom Ben-Chorin fast wöchentlich Glossen<br />
veröffentlichen. 1934 erschien sein erster Gedichtband<br />
„Die Lieder des ewigen Brunnens“, 1935<br />
die Fortsetzung „Das Mal der Sendung“. Sie zeigen<br />
den großen Einfluss Stefan Georges. Auch Rilke und<br />
Thomas Mann prägten seine literarischen Anfänge.<br />
Den „Gipfel der Sprache“, die ihn besonders bewegte,<br />
fand er bei dem Dichter Ernst Wiechert. Seiner<br />
mutigen Rede, die er 1933 vor den Studenten (manch<br />
einer in Parteiuniform) <strong>im</strong> Münchner<br />
Auditorium Max<strong>im</strong>um hielt, hörte er mit angehaltenem<br />
Atem zu, er befürchtete einen Tumult<br />
wie kurz vorher, <strong>als</strong> die akademische Meute einen<br />
Redner niederbrüllte und sich der Hörsaal in einen<br />
Hexenkessel verwandelte.<br />
Dezember 1934 fuhr er nach Prag zu dem Schriftsteller<br />
Max Brod. Aus dieser Begegnung erwuchs<br />
Freundschaft, die noch tiefer wurde, <strong>als</strong> Brod vor<br />
Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nach Israel floh.<br />
Pfingsten 1935 heiratete Schalom Ben-Chorin die<br />
Zeichnerin Gabriella Rosenthal. Der Tag der Hochzeit<br />
war auch der Tag des Abschieds von <strong>München</strong>.<br />
Sein Schicksal hieß: Jerusalem, es bewahrte ihn vor<br />
der „Endlösung der Judenfrage“. Es war kalt und<br />
regnerisch, <strong>als</strong> sie <strong>im</strong> Herbst 1935 die noch kleine<br />
Provinzstadt Jerusalem betraten. 64 Jahre wird er<br />
dort leben und die Wandlungen Jerusalems miterleben,<br />
<strong>als</strong> Journalist und Hauptberichterstatter für<br />
einige Tage den Eichmann-Prozess reportieren, <strong>als</strong><br />
Theologe die erste Reformgemeinde <strong>im</strong> Lande gründen,<br />
be<strong>im</strong> Evangelischen Kirchentag die „Arbeitsgemeinschaft<br />
Juden und Christen“ mitbegründen,<br />
zahlreiche Vorlesungen an Universitäten, Akademien<br />
und Kongressen halten, über 50 Bücher, unzählige<br />
Artikel und Essays in deutscher Sprache<br />
schreiben und damit das deutsch-israelische und<br />
christlich-jüdische Gespräch prägen.<br />
1956 betrat er mit seiner zweiten Frau Avital erstm<strong>als</strong><br />
wieder deutschen Boden, wo er in <strong>München</strong>,<br />
nach mehreren Gastvorlesungen, 1980 einen Lehrauftrag<br />
an der Ludwig-Max<strong>im</strong>ilian-Universität bekam.<br />
<strong>München</strong> ehrte Schalom Ben-Chorin, der am<br />
7. Mai 1999 in Jerusalem starb, u.a. mit einer nach<br />
ihm benannten Straße und dem Bayerischen Verdienstorden,<br />
die Universitäten <strong>München</strong> und Bonn<br />
verliehen ihm ein Ehrendoktorat, Baden-Württemberg<br />
einen Professorentitel. Auszeichnungen u.a.:<br />
Leo-Baeck-Preis, Großes Bundesverdienstkreuz<br />
mit Stern.<br />
Literatur: Sch. Ben-Chorin: Jugend an der Isar, dtv,<br />
Mü 1988; Ich lebe in Jerusalem, dtv, Mü 1998.<br />
© Renée Rauchalles / rauchalles@gmx.de /<br />
www.renee-rauchalles.com<br />
Veranstaltungen zum 100jährigen Geburtstag von Schalom Ben-Chorin (SBC):<br />
18. Juni, 19.00 Uhr: Eröffnung Fotoausstellung Helga von Loewenich, Stadtarchiv, Winzererstraße 68,<br />
80797 <strong>München</strong>, mit Wortbeitrag von Avital Ben-Chorin. Die Ausstellung ist auf Anfrage Mittwoch 9-12<br />
Uhr vier Wochen lang zu sehen. Tel. 233-30815.<br />
19. Juni, 19.15 Uhr: Kabbalat-Schabbat-Gottesdienst, Liberale Jüdische Gemeinde Beth Shalom.<br />
Leitung: Rabbiner Tovia Ben-Chorin und Tom Kucera. Anm.: T. 76702711, info@beth-shalom.de.<br />
20. Juni, 9.30 Uhr: Schacharit-Gottesdienst, Synagoge Ohel Jakob, Jakobsplatz. Leitung: Rabbiner Arie<br />
Folger. Anmeldung siehe 19. Juli. 10.30 Uhr: Gottesdienst s.o.<br />
Liberale Jüdische Gemeinde, Anm. s.o. Nachmittags: Stadtrundgang auf den Spuren von SBC. Als Stadtführer<br />
fungieren Schüler des Luitpold-Gymnasiums, das SBC besucht hat. Ende des Rundgangs ist <strong>im</strong><br />
Stadtarchiv, wo dank Avital Ben-Chorin Bibliothek und Arbeitsz<strong>im</strong>mer ihres Mannes detailgetreu aufgebaut<br />
wurden.<br />
21. Juni, ab 12.00 Uhr: Traditionelles Straßenfest auf dem Jakobsplatz, u.a. mit künstlerischen, musikalischen,<br />
kulinarischen Beiträgen der Anrainer: Angerkloster, ASZ, Israelische Kultusgemeinde, Jüdischesund<br />
Stadtmuseum, ORAG-Haus.<br />
19.30 Uhr: Feier zu Ehren von Schalom Ben-Chorin, Jüdisches Gemeindezentrum. Beiträge von: Bürgermeisterin<br />
Christine Strobl, IKG-Präsididentin Charlotte Knobloch, Avital Ben-Chorin, Rabbiner Tovia<br />
Ben-Chorin (Sohn aus 1. Ehe), Tochter Ariela K<strong>im</strong>chi-Ben-Chorin. Moderation: Amelie Fried.<br />
Anmeldung: karten@ikg-m.de.<br />
22 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013
Im Gedenken an<br />
Toni Pfülf Von Stefan Breit<br />
Am 8. Juni erinnerte eine Gedenkveranstaltung in<br />
<strong>München</strong> vor der Kaulbachstraße 12 an den 80. Todestag<br />
von Toni Pfülf. Die SPD-Reichstagsabgeordnete<br />
hatte in diesem Haus am 8. Juni 1933 ihrem<br />
Leben ein Ende gesetzt. Sie war an der Machtergreifung<br />
der NSDAP und an der Haltung ihrer Partei,<br />
die wenig Widerstand gegen die Nation<strong>als</strong>ozialisten<br />
zeigte, verzweifelt. Gedenkreden hielten der ehemalige<br />
Bezirksausschussvorsitzende der Maxvorstadt,<br />
Klaus Bäumler, der diese Veranstaltung organisiert<br />
hatte, und der SPD-Politiker Florian von Brunn, der<br />
Urgroßneffe von Pfülf.<br />
Antonie Pfülf wurde am 14. Dezember 1877 in Metz<br />
geboren. Sie war bürgerlicher Herkunft. Ihr Vater<br />
war kaiserlicher Oberst und später ein hoher Beamter<br />
<strong>im</strong> bayerischen Kriegsministerium. Unter den<br />
väterlichen Vorfahren gab es eine Reihe von Juristen<br />
und Offizieren. Schon früh geriet Toni Pfülf in Konflikt<br />
mit den Eltern, <strong>als</strong> sie sich gegen deren Willen<br />
am Lehrerinnenseminar in <strong>München</strong> ausbilden ließ.<br />
Zum endgültigen Bruch mit ihrem Vater kam es, <strong>als</strong><br />
sie sich dem Sozialismus zuwandte: 1902 trat sie einer<br />
Frauenvereinigung bei, die der SPD nahe stand.<br />
Wahrscheinlich wurde dieser Schritt durch eine<br />
Frauenkonferenz der SPD veranlasst, bei der Clara<br />
Zetkin eine Rede über die politische Gleichberechtigung<br />
„des weiblichen Geschlechts, insbesondere auf<br />
dem Gebiet des Vereins- und Versammlungsrechts“<br />
hielt. Da den Frauen bis zum Reichsvereinsgesetz<br />
von 1908 das Rederecht versagt blieb, musste Pfülf<br />
ihre erste politische Rede <strong>als</strong> Mann verkleidet in einer<br />
Münchner Gaststätte halten. Während des ersten<br />
Weltkrieges engagierte sich die Pazifistin <strong>als</strong> Münchner<br />
Armen- und Waisenrätin.<br />
Auch die bayerischen Revolutionäre hatten es nicht<br />
so eilig, den Frauen vollkommene politische Gleichberechtigung<br />
zu gewähren. Als sich Pfülf Zugang<br />
zu einer Sitzung des Arbeiter- und Soldatenrates<br />
Matthäser-Festsaal verschaffte, um dort die Interessen<br />
der Frauen zu vertreten, wurde sie von dem<br />
Sitzungsleiter Erich Mühsam gebeten, den Saal zu<br />
verlassen. Zusammen mit anderen Frauen gründete<br />
sie deshalb den „Bund sozialistischer Frauen“ und<br />
übernahm den Vorsitz.<br />
Nachdem den Frauen das aktive und passive Wahlrecht<br />
gewährt worden war, kandidierte sie 1919 <strong>im</strong><br />
Wahlkreis Oberbayern-Schwaben für die SPD und<br />
wurde in die verfassungsgebende Nationalversammlung<br />
zu We<strong>im</strong>ar <strong>als</strong> erste bayerische Angeordnete gewählt.<br />
Sie kämpfte dort mit anderen Frauen für die<br />
Aufhebung des Lehrerinnenzölibats. 1920 zog sie in<br />
den Reichstag <strong>als</strong> Abgeordnete ein und blieb dies bis<br />
zu ihrem Freitod 1933.<br />
Als Abgeordnete engagierte sich Pfülf für die Neuordnung<br />
des Ehe- und Familienrechtes. Sie setzte<br />
sich für das Zerrüttungsprinzip bei Scheidungsverfahren,<br />
die rechtliche Gleichstellung von ledigen<br />
Müttern und unehelichen Kindern, die ökonomische<br />
Unabhängigkeit der Frauen und die Abschaffung<br />
des Paragraphen 218 ein.<br />
In ihren letzten Jahren führte Pfülf einen kompromisslosen<br />
Kampf gegen die Nation<strong>als</strong>ozialisten. Sie<br />
hoffte auf eine geschlossene Haltung der Arbeiterschaft<br />
gegen den erstarkenden Faschismus. Doch<br />
Die Initiative Stolpersteine für <strong>München</strong> e.V. verlegte <strong>im</strong><br />
Oktober 2009 <strong>im</strong> Kunstpavillon des Alten Botanischen<br />
Gartens temporär einen Stolperstein zum Gedenken an<br />
Toni Pfülf.<br />
der kämpferische Widerstand blieb aus. Die Gewerkschaften<br />
wehrten sich nicht gegen ihre Auflösung.<br />
Der SPD-Parteivorstand ging nach der Machtergreifung<br />
ins Exil, zunächst nach Saarbrücken, später<br />
nach Prag. Die Mehrheit der noch verbliebenen<br />
SPD-Abgeordneten nahm an der Reichstagssitzung<br />
vom 17. Mai 1933 teil und st<strong>im</strong>mte einst<strong>im</strong>mig dem<br />
außenpolitischen Programm Hitlers zu. Es zielte auf<br />
die Beseitigung der Beschränkungen, die Deutschland<br />
vom Versailler Friedensvertrag auferlegt worden<br />
waren. Die SPD hatte die trügerische Hoffnung,<br />
dass mit dieser Zust<strong>im</strong>mung ein Verbot der Partei<br />
vermieden werden könne. Pfülf hatte sich gegen die<br />
Teilnahme ihrer Partei an der Reichstagssitzung<br />
ausgesprochen. Sie unternahm noch auf der Rückfahrt<br />
von Berlin nach <strong>München</strong> ihren ersten Selbstmordversuch.<br />
Am 8. Juni 1933 glückte dann der dritte<br />
Selbstmordversuch. Pfülf starb in ihrer Wohnung<br />
an einer Überdosis von Schlafmitteln.<br />
Eine Straße und eine Grundschule sind <strong>im</strong> Münchner<br />
Stadtteil Feldmoching nach ihr benannt, ebenso<br />
ein Preis, der von der SPD alle zwei Jahre an politisch<br />
und sozial engagierte Frauen verliehen wird.<br />
Florian von Brunn forderte in seiner Gedenkrede<br />
den entschlossenen Kampf gegen Rechtspopulismus<br />
und Rechtsextremismus und ein Verbot der NPD.<br />
Am Ende der Gedenkveranstaltung überreichte<br />
Klaus Bäumler dem jetzigen Bezirksausschussvorsitzenden,<br />
Dr. Oskar Holl, einen Antrag auf die Errichtung<br />
von Stolpersteinen für Toni Pfülf und den von<br />
den Nation<strong>als</strong>ozialisten ermordeten Widerstandskämpfer<br />
Walter Klingenbeck. (Siehe auch S. 24)<br />
Literatur:<br />
(Antonie) Toni Pfülf (1877-1933). Reichstagsabgeordnete<br />
der SPD in: Marita A. Panzer/ Elisabeth<br />
Plößl, Bavarias Töchter. Frauenporträts aus fünf<br />
Jahrhunderten, Regensburg, 1997, 265-268.<br />
Antje Dertinger, Dazwischen liegt nur der Tod. Leben<br />
und Sterben der Sozialistin Antonie Pfülf,<br />
Berlin/Bonn 1984.<br />
Antje, Dertinger, „Pfülf, Toni“, in: Neue Deutsche<br />
Biographie 20 (2001), S. 364.<br />
Rede von Florian von Brunn anlässlich der Verleihung<br />
des Toni-Pfülf-Preises durch die Bayern-<br />
SPD an Jutta Speidel (Horizont e.V.) und das<br />
Frauenförderprogramm SoFia am 4. Mai 2013.<br />
mitlinks nr. 44 – Juni 2013 23
A<br />
m 8. Juni erinnerte eine Gedenkveranstaltung in <strong>München</strong> vor dem Haus Kaulbachstraße 12 an den<br />
80. Todestag von Toni Pfülf. Am Ende der Gedenkveranstaltung überreichte Klaus Bäumler dem<br />
jetzigen Bezirksausschussvorsitzenden, Dr. Oskar Holl, einen Antrag auf die Errichtung von Stolpersteinen<br />
für Toni Pfülf und den von den Nation<strong>als</strong>ozialisten ermordeten Widerstandskämpfer Walter Klingenbeck.<br />
Wir dokumentieren die beiden Anträge, die aller Unterstützung wert sind:<br />
KLAUS BäUMLER, KAULBACHSTRASSE 12, 80539 MüNCHEN–MaxVORSTADT<br />
Landeshauptstadt <strong>München</strong><br />
Bezirksausschuß Maxvorstadt<br />
Herrn Vorsitzenden Dr. Oskar Holl<br />
per BA-Geschäftsstelle Mitte<br />
Bild: http://upload.wik<strong>im</strong>edia.org/<br />
wikipedia/de/3/36/Pf%C3%BClfAntonie.jpg<br />
Verlegung eines Stolpersteins für Toni Pfülf<br />
(1877 – 8. Juni 1933) auf öffentlichem Verkehrsgrund vor dem<br />
Anwesen Kaulbachstraße 12, 80539 <strong>München</strong>-Maxvorstadt<br />
Sehr geehrter Herr Dr. Holl,<br />
zum 80. Todestag der Reichstagsabgeordneten Antonia (Toni) Pfülf, die<br />
der SPD-Reichstagsfraktion angehörte, fanden am 8. Juni und 7. Juni<br />
2013 vor dem Anwesen Kaulbachstraße 12 Gedenkveranstaltungen statt.<br />
Hier <strong>im</strong> Gartengebäude wohnte Toni Pfülf von 1928 bis zu ihrem Freitod<br />
am 8. Juni 1933.<br />
Die Initiative Stolpersteine für <strong>München</strong> e.V. verlegte <strong>im</strong> Oktober 2009 <strong>im</strong><br />
Kunstpavillon des Alten Botanischen Gartens temporär einen Stolperstein<br />
zum Gedenken an Toni Pfülf.<br />
Nun sollte der Stolperstein an ihrem letzten Wohnort vor dem Anwesen<br />
Kaulbachstraße 12 <strong>im</strong> Gehsteig auf Dauer und best<strong>im</strong>mungsgemäß verlegt<br />
werden.<br />
Insoweit gilt es den <strong>Stadtrat</strong>sbeschluß vom 16. Juni 2004 zu überdenken.<br />
Ich bitte daher folgenden Antrag <strong>im</strong> Bezirksausschuß Maxvorstadt zu<br />
diskutieren und zu beschließen:<br />
Der Bezirksausschuß Maxvorstadt setzt sich bei der Landeshauptstadt<br />
<strong>München</strong> dafür ein,<br />
daß der Stolperstein für Toni Pfülf vor dem Anwesen Kaulbachstraße<br />
12 verlegt werden darf –<br />
ungeachtet des <strong>Stadtrat</strong>sbeschlusses vom 16. Juni 2004.<br />
Bild: http://www.walter-klingenbeckre<strong>als</strong>chule.de/walter-klingenbeck.html<br />
Verlegung eines Stolpersteins für Walter Klingenbeck<br />
(1924 – 5. August 1943) auf öffentlichem Verkehrsgrund vor dem<br />
Anwesen Amalienstraße 44 in der Maxvorstadt.<br />
Sehr geehrter Herr Dr. Holl,<br />
am 5. August 2013 – vor siebzig Jahren – wurde der 19-jährige Walter<br />
Klingenbeck in Stadelhe<strong>im</strong> hingerichtet.<br />
Zum 60. Todestag von Walter Klingenbeck <strong>im</strong> Jahr 2003 kamen die Parteien<br />
überein, über mehrere Wochen hinweg die Wahlwerbeständer in der<br />
Ludwigstraße für ein Gedenkplakat, das vom BA Maxvorstadt gedruckt<br />
worden war, bereit zu stellen.<br />
Die Initiative Stolpersteine für <strong>München</strong> e.V. verlegte <strong>im</strong> Oktober 2009 <strong>im</strong><br />
Kunstpavillon des Alten Botanischen Gartens temporär einen Stolperstein<br />
zum Gedenken an Walter Klingenbeck.<br />
Nun sollte dieser Stolperstein <strong>im</strong> Gehsteig vor dem Anwesen Amalienstraße<br />
44 best<strong>im</strong>mungsgemäß und auf Dauer verlegt werden, in dem Walter<br />
Klingenbeck bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo am 26. Januar<br />
1942 wohnte.<br />
Insoweit gilt es den <strong>Stadtrat</strong>sbeschluß vom 16. Juni 2004 zu überdenken.<br />
Ich bitte daher folgenden Antrag <strong>im</strong> Bezirksausschuß Maxvorstadt zu<br />
diskutieren und zu beschließen:<br />
Der Bezirksausschuß Maxvorstadt setzt sich bei der Landeshauptstadt<br />
<strong>München</strong> dafür ein,<br />
daß der Stolperstein für Walter Klingenbeck vor dem Anwesen<br />
Amalienstraße 44 auf dem Gehsteig verlegt werden darf –<br />
ungeachtet des <strong>Stadtrat</strong>sbeschlusses vom 16. Juni 2004.<br />
<strong>München</strong>, 8. Juni 2013<br />
24 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013