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Link zur Ausgabe als PDF - DIE LINKE. im Stadtrat München

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Mit<strong>Link</strong>s<br />

für ein solidarisches <strong>München</strong><br />

44 Nr. Juni 2013<br />

Zeitschrift aus der Politischen Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> –<br />

in Zusammenarbeit mit dem Forum <strong>Link</strong>e Kommunalpolitik <strong>München</strong><br />

Mehr dazu <strong>im</strong><br />

Bericht aus der Vollversammlung<br />

und den Ausschüssen (S. 3-5)<br />

<strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> <strong>München</strong>


Politische Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> <strong>München</strong><br />

Anschrift: Politische Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong>,<br />

Rathaus, Z<strong>im</strong>mer Nr. 176, Marienplatz 8,<br />

80331 <strong>München</strong><br />

E-Mail: info@dielinke-muenchen-stadtrat.de<br />

Internet: www.dielinke-muenchen-stadtrat.de<br />

Telefon: 089 – 233-25235 Fax: 089 – 233-28108<br />

Ausschussmitgliedschaften:<br />

Orhan Akman: Arbeit und Wirtschaft • Gesundheitsausschuss<br />

• Kreisverwaltungsausschuss • Verwaltungs-<br />

und Personalausschuss<br />

Dagmar Henn: Kinder- und Jugendhilfeausschuss<br />

• Kommunalausschuss • Umweltschutzausschuss •<br />

Schul- und Sportausschuss • Sozialausschuss<br />

Brigitte Wolf: Finanzausschuss • Kulturausschuss •<br />

Stadtplanung und Bauordnung<br />

Kreisverband der Partei <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>.<strong>München</strong><br />

Anschrift: <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>.<strong>München</strong>,<br />

Schwanthalerstr. 139, 80339 <strong>München</strong><br />

Telefon: 089 – 510 995-14 Fax: -16<br />

E-Mail: info@dielinke-muc.de<br />

Internet: www.dielinke-muc.de<br />

www.die-linke-bayern.de/parlamente/in_den_bezirkstagen/oberbayern<br />

<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>. <strong>im</strong> Bezirkstag von Oberbayern<br />

Beate Jenkner, Email: beatejenkner.bzt@gmx.de<br />

Prof. Dr. Klaus Weber, Email: dr.k.weber@t-online.de<br />

Bürgerbüro der Bundestagsabgeordneten<br />

Nicole Gohlke in <strong>München</strong><br />

Im Bürgerbüro von Nicole Gohlke steht der Wahlkreismitarbeiter<br />

Max Steininger an folgenden Terminen für<br />

Besucherverkehr <strong>zur</strong> Verfügung:<br />

Montag: 10 bis 13 Uhr<br />

Donnerstag: 10 bis 13 und 14 bis 18 Uhr<br />

Freitag:<br />

14 bis 16 Uhr<br />

sowie nach Vereinbarung<br />

Für den Sitzungsraum besteht ein Untermietvertrag mit dem<br />

Kreisverband <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>. <strong>München</strong>.<br />

Damit haben auch Untergliederungen der <strong>LINKE</strong>N die<br />

Möglichkeit, ihn <strong>als</strong> Versammlungsraum zu nutzen.<br />

Erreichbar ist das Bürgerbüro unter folgender Adresse:<br />

Bürgerbüro Nicole Gohlke MdB<br />

Hochbrückenstraße 10<br />

80331 <strong>München</strong><br />

Tel. / Fax: 089/379 516 02<br />

E-Mail: nicole.gohlke@wk.bundestag.de<br />

www.flink-m.de<br />

Forum <strong>Link</strong>e Kommunalpolitik<br />

<strong>München</strong> e.V. – Archiv<br />

Inhalt<br />

Aus der Vollversammlung und den Ausschüssen.<br />

Von Brigitte Wolf, Dagmar Henn und Orhan<br />

Akman. Illustriert von Bernd Bücking. ......... 3<br />

Die Münchner <strong>Stadtrat</strong>slinke in der Kommunalpresse.<br />

Von Maren Ulbrich . .................. 8<br />

DOK: <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> schreibt an OB Ude ......... 9<br />

OB Ude antwortet:. .......................... 9<br />

DOK: Ostermarsch in <strong>München</strong> am 30. März 2013.<br />

Grußwort und Redebeitrag von Brigitte Wolf,<br />

Stadträtin der <strong>LINKE</strong>N .................... 10<br />

DOK: 1. Mai 2013. Rede von Orhan Akman<br />

bei der DGB-Kundgebung in <strong>München</strong> ........ 11<br />

Nicht einfach so weiter! Eine St<strong>im</strong>me aus<br />

der Ligsalzstraße. .......................... 12<br />

DOK: Auch die <strong>Link</strong>e <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> hat den<br />

folgenden Aufruf unterstützt: GEMEINT<br />

SIND WIR ALLE! ...........................13<br />

Von brombeerfarbenen Sitzen bis Rasenklau.<br />

Geschichten rund um den Endspurt bei der<br />

Stadionsanierung. Von Dr. Markus Drees,<br />

Freunde des Sechz’ger Stadions e.V. (FdS) ..... 14<br />

Fachinformationsstelle Rechtsextremismus<br />

informiert: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit<br />

in <strong>München</strong>. Von Mario S<strong>im</strong>eunovic. ... 16<br />

Yalla Arabi – Großer Einsatz für<br />

arabische Kultur und Sprache in <strong>München</strong>.<br />

Von Firouz Bohnhoff, Yalla Arabi . ........... 18<br />

„Wem gehört die Stadt?“ Von S<strong>im</strong>on Goeke .... 20<br />

Verweigern Widersetzen Revoltieren.<br />

Von S<strong>im</strong>on Goeke .......................... 20<br />

Schalom Ben-Chorin. Brückenbauer deutschisraelischer<br />

Verständigung <strong>im</strong> Sinne eines Dialogs.<br />

<strong>München</strong> gedenkt vom 18. bis 21. Juli 2013 seines<br />

100. Geburtstags. Von Renée Rauchalles ..... 21<br />

Veranstaltungen zum 100. Geburtstag<br />

von Schalom Ben-Chorin (SBC) .............. 22<br />

Im Gedenken an Toni Pfülf. Von Stefan Breit. . 23<br />

DOK: Stolpersteine zum Gedenken an Toni<br />

Pfülf und Walter Klingenbeck (1924 – 5. August<br />

1943) „auf öffentlichem Verkehrsgrund<br />

verlegen!“ (Anträge von Klaus Bäumler) ...... 24<br />

Vormerken: Freitag, den 26. Juli 2013, um 18.30 Uhr,<br />

<strong>im</strong> Augustiner Bürgerhe<strong>im</strong>, Bergmannstr. 33,<br />

Haltestelle Schwanthalerhöhe U4, U5<br />

Mit<strong>Link</strong>s-Diskussionsabend:<br />

Mit Volldampf in die Sackgasse?<br />

Der täuschende Traum von der (he<strong>im</strong>lichen)<br />

Hauptstadt.<br />

<strong>Link</strong>e aus Berlin/Brandenburg und <strong>München</strong>/Bayern diskutieren<br />

über das Planungskonzept der Zentralität, seine Reize, die Risiken<br />

für die Landesentwicklung und über Alternativen.<br />

Mit Klaus Lederer (Berlin), Thomas Falkner (Brandenburg),<br />

Manfred Linder (Ingolstadt) und Brigitte Wolf (<strong>München</strong>).<br />

Impressum: Mit<strong>Link</strong>s Nr. 44, Juni 2013. Zeitschrift aus der Politischen Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> <strong>München</strong>, in Zusammenarbeit mit dem Forum <strong>Link</strong>e<br />

Kommunalpolitik <strong>München</strong> e.V. Herausgeber: Orhan Akman, Dagmar Henn, Brigitte Wolf. E.i.S. Brigitte Wolf. Redaktion: Dr. Stefan Breit (verantwortlich),<br />

Martin Fochler (Beilagen), Geschäftsführung: Tino Krense. Anschrift: Politische Gruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong>, Rathaus, Marienplatz 8, 80331 <strong>München</strong>.<br />

Tel: 089 / 233 25235. Fax: 089 / 233 28108. E-Mail: info@dielinke-muenchen-stadtrat.de. Beilagenhinweis: <strong>München</strong> solidarisch: Gute Arbeit – Soziale<br />

Stadt Nr. 2. Mai 2013 – Zusammengestellt von <strong>Stadtrat</strong> Orhan Akman.<br />

2 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013


Aus der Vollversammlung und den Ausschüssen<br />

Von Brigitte Wolf, Dagmar Henn und Orhan Akman. Illustriert von Bernd Bücking<br />

Fiktives Wohnbaurecht reduziert Förderquote <strong>im</strong><br />

Wohnungsbau. Der gegen die <strong>LINKE</strong> gefasste Beschluss<br />

<strong>zur</strong> Anerkennung eines „fiktiven Wohnbaurechts“<br />

in Umstrukturierungsfällen findet seinen<br />

Niederschlag in konkreten Bebauungsplänen. Dort<br />

entstehen dann statt der geforderten 30 Prozent geförderten<br />

Wohnraums weniger <strong>als</strong> 10 Prozent (z.B.<br />

an der Kistlerhofstraße), oder die Stadt muss tief in<br />

die Tasche greifen, um doch auf eine Förderquote<br />

von 30 Prozent zu kommen (z.B. am Memminger<br />

Platz). – Die <strong>LINKE</strong> lehnt aus Protest gegen das<br />

„fiktive Wohnbaurecht“ solche Bebauungspläne regelmäßig<br />

ab. Planungsausschuss, 13.3.2013<br />

NS-Dokumentationszentrum n<strong>im</strong>mt Gestalt an. Das<br />

NS-Dokumentationszentrum soll <strong>im</strong> Herbst 2014<br />

eröffnet werden. Bis dahin muss nicht nur das Gebäude<br />

fertig gestellt sein, sondern Ausstellungskonzept<br />

und Betrieb müssen zum Stehen kommen. Auf<br />

Antrag von SPD und Grünen beschloss der Kulturausschuss<br />

einst<strong>im</strong>mig, in die Vermittlungsarbeit<br />

für „Junge Menschen“ den Kreisjugendring (KJR)<br />

dauerhaft einzubeziehen. Dazu wird be<strong>im</strong> KJR eine<br />

zusätzliche Fachstelle finanziert.<br />

Kulturausschuss, 14.3.2013<br />

Streit um Werkswohnungsbau bei den Stadtwerken<br />

<strong>München</strong>. Zu heftigen Diskussionen führte ein<br />

aktueller Bebauungsplan an der Katharina-von<br />

Bora-Straße. Die Stadtwerke wollen dort auf einem<br />

Betriebsgelände, das nicht mehr benötigt wird,<br />

100 Wohnungen errichten. Im Vorfeld der Diskussion<br />

entstand durch Auftritte von OB Ude und der<br />

SWM-Geschäftsleitung und eine entsprechende<br />

Presseberichterstattung der Eindruck, dort würden<br />

lauter Werkswohnungen für die Stadtwerke gebaut<br />

werden.<br />

Die Beschlussvorlage enthielt aber andere Zahlen:<br />

Von den 100 Wohnungen werden lediglich 34 geförderte<br />

Wohnungen (nach Sozial orientierter Bodennutzung<br />

SoBoN) <strong>als</strong> Werkswohnungen entstehen,<br />

die übrigen Wohnungen sollen nach Mietspiegel<br />

vermietet werden. Und in der Nähe des Alten Botanischen<br />

Gartens werden das keine niedrigen Mieten<br />

sein. Auch diese Wohnungen sollen bevorzugt<br />

an Beschäftigte der SWM vermietet werden, falls es<br />

eine entsprechende Nachfrage gibt.<br />

Diese Differenzen sorgten für eine Vertagung der<br />

Vorlage in die Vollversammlung und eine Einladung<br />

der SWM-Geschäftsführung zu diesem Punkt.<br />

Dort mündete die Diskussion dann umgehend in eine<br />

allgemeine Wahlkampf-Debatte <strong>zur</strong> Wohnungspolitik.<br />

CSU-<strong>Stadtrat</strong> Schmid meinte, Ude sei kein<br />

„weißer Ritter“, die Stadtwerke erfüllten lediglich<br />

die SoBoN-Förderquote und würden eben nicht<br />

nur Werkswohnungen erstellen. Er verlangte eine<br />

100-Prozent-Förderquote an dieser Stelle. Ude hingegen<br />

warf CSU und FDP vor, sie seien gegen eine<br />

Bindung der Miethöhe bei Wiedervermietung an<br />

den Mietspiegel.<br />

Unser Antrag, die Stadtwerke zu „bitten“, <strong>als</strong> Teil<br />

des „Konzerns Stadt“ wenigstens 50 Prozent geförderten<br />

Wohnraums zu bauen, ging in dem Wahlkampfgetöse<br />

ziemlich unter. Aber selbst dieser<br />

weichen Forderung wollten SPD und Grüne nicht<br />

nachkommen. Angeblich sei eine höhere Förderquote<br />

bereits eine „verdeckte Gewinnausschüttung“.<br />

Das ist aber wohl ein vorgeschobenes Argument. Da<br />

<strong>im</strong>mer mehr Beschäftigte bei den Stadtwerken die<br />

Münchner Mieten nicht mehr zahlen können, stellt<br />

eine größere Zahl geförderter Werkswohnungen sicherlich<br />

keine Gewinnausschüttung dar – sondern<br />

gehört zu den Methoden von Personalgewinnung<br />

und -bindung. Immerhin: Die CSU st<strong>im</strong>mte für unseren<br />

Antrag. Planungsausschuss, 13.3.2013<br />

und Vollversammlung, 19.3.2013<br />

Beginnend mit dem 28. April 2010 werden die Wortprotokolle des öffentlichen Teils aller Vollversammlungen des<br />

<strong>Stadtrat</strong>s <strong>im</strong> Internet veröffentlicht unter folgender Adresse:<br />

http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtpolitik/Der-Muenchner-<strong>Stadtrat</strong>/Sitzungsprotokolle.html<br />

Hier können unter Dokumente – Internet-Protokoll (oeff) Plenum die oft ausführlichen Debatten nachgelesen werden,<br />

die in unserer Berichterstattung doch oft zu kurz kommen.<br />

Protokolle der <strong>Stadtrat</strong>sausschüsse werden nicht veröffentlicht, dafür gibt es auch keine Wortprotokolle, sondern lediglich<br />

Zusammenfassungen der Diskussionsbeiträge.<br />

mitlinks nr. 44 – Juni 2013 3


Durchstich Stäblistraße endgültig abgelehnt. Nach<br />

Jahrzehnten der Planung ist die Verlängerung der<br />

Stäblistraße in Forstenried endgültig gescheitert.<br />

Die Regierung von Oberbayern (ROB) kam zu der<br />

Gesamtwertung, dass mehr Menschen belastet <strong>als</strong><br />

entlastet werden. Deshalb sei die neue Trasse auch<br />

mit meterhohen Lärmschutzwänden nicht genehmigungsfähig.<br />

In der Vollversammlung wurde zwar<br />

sowohl von SPD <strong>als</strong> auch CSU an diesem Beschluss<br />

herum kritisiert („entspricht nicht dem gesunden<br />

Menschenverstand“, „politischer Wille hilft nicht<br />

gegen juristische Bewertung“), aber lediglich die<br />

FDP sprach sich dafür aus, Einspruch gegen den<br />

Bescheid einzulegen. Grüne, FW und <strong>LINKE</strong> wurden<br />

in ihrer Gegnerschaft zu dem vor Ort höchst<br />

umstrittenen Projekt bestärkt.<br />

Der aktuelle Beschluss der ROB wird auch Auswirkungen<br />

auf Planungen haben, bei denen es lediglich<br />

um Verkehrsverlagerungen und nicht um Verkehrsreduzierungen<br />

geht. Denn auch die Rückwirkungen<br />

auf entfernter liegende Stadtquartiere müssen berücksichtigt<br />

werden. Dies wird die Planungen einer<br />

neuen Autobahnanbindung <strong>im</strong> Münchner Norden<br />

beeinflussen. Der Autoverkehr in <strong>München</strong> stößt<br />

<strong>im</strong>mer öfter auf Probleme, die durch neue Straßen<br />

nicht mehr gelöst werden können.<br />

Vollversammlung, 19.3.2013<br />

Plakatierungsverordnung gelockert. Gegen die<br />

St<strong>im</strong>men der <strong>LINKE</strong>N beschloss der <strong>Stadtrat</strong> eine<br />

neue Plakatierungsverordnung, die es künftig auch<br />

Städtische Kliniken künftig ohne Textil- und Reinigungsservice.<br />

Gegen die St<strong>im</strong>men von CSU, LIN-<br />

KEN und BIA bestätigte der <strong>Stadtrat</strong> die Auflösung<br />

des Textil- und Reinigungsservice bei den städtischen<br />

Kliniken. Das betroffene Personal wird, soweit<br />

aktuell noch arbeitsfähig, von der Stadt <strong>München</strong><br />

übernommen. Dazu wird einerseits der Regiebetrieb<br />

„Schulhausreinigung“ wieder ausgebaut,<br />

teilweise werden die Beschäftigten jedoch auch auf<br />

andere Stellen versetzt. Laut Dr. Böhle (Personalreferent)<br />

wird es dabei Besser- und Schlechterstellungen<br />

geben. Die städtische Zentralwäscherei, die<br />

sehr viele Leistungsgeminderte beschäftigte, ist<br />

damit Geschichte. Und die Kliniken müssen künftig<br />

alle Reinigungsleistungen an Externe vergeben.<br />

Hoffentlich stellt sich dies für die Zukunft nicht<br />

<strong>als</strong> gravierender Fehler heraus. Denn wechselndes,<br />

schlecht bezahltes Reinigungspersonal wird sich<br />

kaum mit den hygienischen Erfordernissen eines<br />

Krankenhauses auseinander setzen. Und jeder weitere<br />

Hygieneskandal schadet sicherlich auch finanziell<br />

mehr, <strong>als</strong> durch die Ausgliederung eingespart<br />

werden kann. Vollversammlung, 19.3.2013<br />

Sigi Benker verabschiedet sich. Nach fast 30 Jahren<br />

Engagement in der Kommunalpolitik verabschiedete<br />

sich Sigi Benker zum 31. März 2013 aus dem<br />

Münchner <strong>Stadtrat</strong>. Ab dem 1. April 2013 leitet er<br />

die <strong>München</strong>stift GmbH, diese Tätigkeit ist mit einem<br />

<strong>Stadtrat</strong>smandat nicht vereinbar. Am 2. Mai<br />

wurde dann Nachrücker Herbert Danner vereidigt,<br />

der bereits von 1994 bis 1996 <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> vertreten<br />

war.<br />

Vollversammlung, 19.3.2013 und<br />

Vollversammlung, 2.5.2013<br />

Aktionsbündnissen erlaubt, Plakatständer aufzustellen.<br />

Allerdings müssen diesen Aktionsbündnissen<br />

mindestens zwei Parteien angehören, die aber<br />

nicht mehr auf dem Plakat erscheinen müssen. Sowohl<br />

Grüne/RL <strong>als</strong> auch <strong>LINKE</strong> hatten beantragt,<br />

dieses Parteienprivileg zu streichen, drangen damit<br />

aber nicht durch. Die Mehrheit des <strong>Stadtrat</strong>s schloss<br />

sich der Position an, dass nur so die Möglichkeit bestehe,<br />

Werbung <strong>im</strong> öffentlichen Raum zu unterbinden.<br />

In der Gesamtabst<strong>im</strong>mung blieb nur die LIN-<br />

KE bei der Ablehnung der neuen Verordnung.<br />

Vollversammlung, 19.3.2013<br />

GBW AG fällt an privates Konsortium. Alle Anstrengungen<br />

der Kommunen unter Federführung<br />

von <strong>München</strong> und Nürnberg haben nichts genutzt:<br />

Letzten Endes fielen die GBW AG und damit ca.<br />

30.000 Wohnungen in Bayern an ein privates Bieterkonsortium<br />

unter Führung der Patrizia AG. Dieses<br />

überbot laut Presseberichten das kommunale<br />

Angebot um etwa 200 Mio. Euro. Die Mieterinnen<br />

4 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013


und Mieter werden diese 200 Millionen noch bitter<br />

zu spüren bekommen. Denn <strong>im</strong> kommunalen Angebot<br />

war ein umfangreicher Mieterschutz mit eingepreist,<br />

zu dem sich die Privaten nicht verpflichtet<br />

haben. Und die von der Landesbank geforderte Sozialcharta<br />

geht kaum über gesetzliche Regelungen<br />

hinaus. Insbesondere die „energetische Sanierung“<br />

mit der dabei möglichen Umlage auf die Miete kann<br />

ein Einfallstor sein für die Verdrängung der bisherigen<br />

Mieterschaft.<br />

Da die Wohnungspolitik bzw. der Mangel an bezahlbarem<br />

Wohnraum ein zentrales Wahlkampfthema<br />

in der Landtagswahl ist, wurde der Kampf<br />

um die GBW AG bei jeder (öffentlichen) Erörterung<br />

<strong>zur</strong> Wahlkampfschlacht: SPD und Grüne geißeln<br />

jeweils die Staatsregierung, die die Interessen<br />

der Mieterinnen und Mieter missachte, während<br />

Staatsregierung und CSU behaupten, „Ude“ habe<br />

lediglich ein Abwehrangebot abgegeben und die<br />

Kommunen hätten es nie ernst gemeint. Der eigentliche<br />

Auslöser der Verkaufsaktion, nämlich die<br />

Fehlspekulation der Bayerischen Landesbank an<br />

den Finanz- und Immobilienmärkten, ging dagegen<br />

unter.<br />

Die FDP wiederum sieht sich in ihrer Auffassung<br />

bestätigt, dass das Kommunale Konsortium keine<br />

Chance auf den Zuschlag hatte. Deshalb war sie von<br />

Anfang an <strong>als</strong> einzige Partei <strong>im</strong> Münchner <strong>Stadtrat</strong><br />

gegen eine Beteiligung am Bieterverfahren. Dafür<br />

seien völlig unnütz mehrere Millionen Euro ausgegeben<br />

worden.<br />

Skandalträchtig war die Ankündigung des Bayerischen<br />

Finanzministers Söder, sich über die Bayerische<br />

Landesstiftung nachträglich am siegreichen<br />

Konsortium zu beteiligen. Dies veranlasste OB Ude,<br />

eine beihilferechtliche Überprüfung durch die EU-<br />

Kommission einzufordern. Schließlich hatte der<br />

Freistaat jahrelang behauptet, er dürfe sich an dem<br />

Bieterverfahren gar nicht beteiligen. Udes Androhung<br />

alleine genügte, um das angekündigte Engagement<br />

der Landesstiftung abrupt zu beenden.<br />

Aus Sicht der <strong>LINKE</strong>N war das kommunale Angebot<br />

jedenfalls angemessen für die beabsichtigte<br />

mieterfreundliche Bewirtschaftung und Sanierung<br />

des Wohnungsbestands. Als Aufgabe in <strong>München</strong><br />

bleibt der verstärkte Neubau bezahlbarer Wohnungen.<br />

Die städtische Finanzreserve für Pensionen<br />

sollte nun unverzüglich dafür eingesetzt werden,<br />

GWG und GEWOFAG zusätzliche Mittel für Neubau<br />

und Bestandssanierungen <strong>zur</strong> Verfügung zu<br />

stellen. Sondervollversammlung, 25.3.2013<br />

und Vollversammlung, 2.5.2013<br />

Neue Kriterien für Erhaltungssatzungen. Für den<br />

Erlass von Erhaltungssatzungsgebieten ist die Stadt<br />

auf aussagekräftiges Zahlenmaterial angewiesen,<br />

um Aufwertungs- und Verdrängungskriterien zu<br />

definieren und ggf. vor Gericht belegen zu können.<br />

Es stehen <strong>im</strong>mer mehr statistische Daten <strong>zur</strong> Verfügung,<br />

so dass jeweils zwei neue Kriterien verwendet<br />

werden können: Aufwertungskriterien sind künftig<br />

der Anteil der Wohnungen in Gebäuden, die zwischen<br />

1969 und 1978 erbaut wurden, und die Mittlere<br />

Wiedervermietungsmiete. Verdrängungskriterien<br />

sind zusätzlich der Anteil der 60- bis 74-Jährigen<br />

und der Anteil der Alleinerziehenden an den<br />

Haushalten mit Kindern.<br />

SPD und Grüne beantragten zu prüfen, ob die<br />

Münchner Wohnungen der GBW AG <strong>als</strong> Erhaltungssatzungsgebiete<br />

ausgewiesen werden können.<br />

Das hatte die <strong>LINKE</strong> zwar schon vor zwei Jahren<br />

veranlasst, eine erneute Prüfung ist angesichts der<br />

neuen Kriterien aber sinnvoll. Lediglich die FDP<br />

blieb bei ihrer dogmatischen Ablehnung von Erhaltungssatzungsgebieten.<br />

Die CSU hat ihre Politik in<br />

diesem Punkt geändert und st<strong>im</strong>mt Erhaltungssatzungen<br />

mittlerweile regelmäßig zu.<br />

Planungsausschuss, 17.4.2013<br />

GWG und GEWOFAG mit Bau geförderter Wohnungen<br />

beauftragt. Immer häufiger beauftragt der<br />

<strong>Stadtrat</strong> die städtischen Wohnungsbaugesellschaften<br />

direkt mit dem Bau von geförderten Mietwohnungen,<br />

sei es <strong>im</strong> EOF-Verfahren (= Einkommens-<br />

Orientierte Förderung) oder <strong>im</strong> <strong>München</strong>-Modell.<br />

Da mittlerweile beide Wohnungsbaugesellschaften<br />

„Inhouse-fähig“ sind, d.h. ohne Ausschreibung direkt<br />

beauftragt werden können, verbleibt dieser geförderte<br />

Wohnraum dauerhaft in städtischem Zugriff.<br />

Im April wurden so 127 Wohnungen auf den<br />

Weg gebracht. Planungsausschuss, 17.4.2013<br />

Neue Baustelle <strong>im</strong> Kulturbereich. Das gener<strong>als</strong>anierte<br />

Lenbachhaus wurde am 8. Mai 2013 wieder<br />

eröffnet, der Eröffnungstermin des NS-Dokumentationszentrums<br />

wird für Herbst 2014 geplant.<br />

Doch es tut sich bereits eine neue Großbaustelle<br />

auf: Das Volkstheater kann zwar noch bis 2020 am<br />

mitlinks nr. 44 – Juni 2013 5


Stiglmairplatz bleiben, aber dann stellt sich die<br />

Frage: Gener<strong>als</strong>anierung oder Neubau an anderer<br />

Stelle. Das Kulturreferat wurde nun beauftragt,<br />

verschiedene Standortvarianten zu prüfen und dem<br />

<strong>Stadtrat</strong> <strong>zur</strong> Entscheidung vorzulegen. Im Mai beschloss<br />

der <strong>Stadtrat</strong> zudem eine kräftige Erhöhung<br />

des Betriebszuschusses für das Volkstheater. Laut<br />

Intendant Christian Stückl war das Volkstheater<br />

bisher strukturell unterfinanziert.<br />

Kulturausschuss, 18.4.2013<br />

und Kulturausschuss, 16.5.2013<br />

Stadt fordert zusätzliche Steuerprüfer/innen. Die<br />

Stadtkämmerei hat auf Vorschlag des Revisionsamtes<br />

eine Personalaufstockung bei der städtischen<br />

Betriebsprüfung beantragt und auch erhalten. Doch<br />

die Stadt hat gar kein eigenständiges Prüfungsrecht,<br />

sondern kann nur bei staatlichen Prüfungen<br />

„mitgehen“ und die Aufteilung der Gewerbesteuer<br />

überprüfen. Deshalb hat die <strong>LINKE</strong> in einem Ergänzungsantrag<br />

gefordert, dass sich der Oberbürgermeister<br />

bei der Staatsregierung (erneut) für mehr<br />

Steuerprüfer/innen einsetzt. Dieser Antrag wurde<br />

vom Stadtkämmerer übernommen und <strong>im</strong> Finanzausschuss<br />

gegen die St<strong>im</strong>men der FDP beschlossen.<br />

In der Vollversammlung hatte sich die CSU dann<br />

wieder eines Schlechteren besonnen und st<strong>im</strong>mte<br />

gleichfalls gegen diesen Punkt, die FDP bestätigte<br />

ihre Ablehnung. Finanzausschuss, 30.4.2013<br />

Stadt will Leiharbeit weiter reduzieren. Unser<br />

<strong>Stadtrat</strong> Orhan Akman hatte einen Bericht über<br />

Leiharbeit bei der Stadt und den städtischen Töchtern<br />

beantragt. In der Vorlage zeigte sich, dass zwar<br />

<strong>im</strong> Hoheitshaushalt relativ wenige Leiharbeiter/innen<br />

beschäftigt sind, bei den Tochtergesellschaften<br />

<strong>München</strong>stift und Kliniken solche Arbeitskräfte<br />

jedoch gehäuft eingesetzt werden. Laut Auskunft<br />

der zuständigen Referenten schlägt bei der Pflege<br />

und <strong>im</strong> Gesundheitsbereich der Fachkräftemangel<br />

bereits zu. Alles in allem sind knapp 1000 Personen<br />

in Leiharbeit für die Stadt tätig<br />

Durch einen Ergänzungsantrag erreichten wir, dass<br />

künftig alle drei Jahre ein solcher Bericht erstellt<br />

wird. Zudem bleibt es Ziel der Stadtverwaltung,<br />

Leiharbeit soweit wie möglich zu reduzieren. Auch<br />

bei den Tochtergesellschaften.<br />

<br />

Vollversammlung,2.5.2013<br />

Fraktion „Bürgerliche Mitte“ (BM) gegründet. Gegen<br />

die St<strong>im</strong>me von <strong>Stadtrat</strong> Schmidbauer (CSU)<br />

akzeptierte der <strong>Stadtrat</strong> die Bildung einer neuen<br />

Fraktion „Bürgerliche Mitte“ (BM), die fünf Mitglieder<br />

hat: 3 Stadträte der Freien Wähler, je ein<br />

<strong>Stadtrat</strong> von ÖDP und BP. Gleichzeitig reduzierte<br />

der <strong>Stadtrat</strong> die Zahl der Mitglieder, die <strong>zur</strong> Bildung<br />

einer Fraktion erforderlich sind, auf 4 Personen.<br />

Damit behält auch die FDP ihren Fraktionsstatus,<br />

der durch den Wechsel von <strong>Stadtrat</strong> Bertermann<br />

zu den Freien Wählern eigentlich entfallen<br />

war. Die <strong>LINKE</strong> st<strong>im</strong>mte gleichfalls zu in der Hoffnung,<br />

dass das strukturelle Argument (4 Personen<br />

sind 5 Prozent der <strong>Stadtrat</strong>smitglieder) die nächste<br />

Kommunalwahl übersteht und es bei dieser Regelung<br />

bleibt. Vollversammlung, 2.5.2013<br />

Müllfahrzeuge für syrische Stadt. Mit großer Mehrheit<br />

st<strong>im</strong>mte der <strong>Stadtrat</strong> für die Schenkung ausrangierter<br />

Müllfahrzeuge an die syrische Stadt Aleppo.<br />

In der dortigen Bürgerkriegssituation funktioniert<br />

die Müllabfuhr nicht mehr. Die <strong>LINKE</strong> lehnte diese<br />

Aktion ab. Nicht, weil uns die Müllfahrzeuge am<br />

Herzen liegen, sondern weil es sinnlos ist, in der<br />

jetzigen Situation Fahrzeuge zu liefern, solange es<br />

dort keine funktionierende Stadtverwaltung gibt.<br />

Besser wäre es, die Müllfahrzeuge hier zu behalten,<br />

bis die akuten Kämpfe vorüber sind. Zudem lehnten<br />

wir es ab, in der völlig unübersichtlichen Situation<br />

in Syrien für die eine oder andere Seite Partei zu<br />

ergreifen. <br />

Vollversammlung,2.5.2013<br />

Klinika Bogenhausen und Schwabing bleiben am<br />

jetzigen Standort. Die Suche nach einem neuen<br />

Klinikstandort <strong>als</strong> Ersatz für Bogenhausen und<br />

Schwabing verlief erwartungsgemäß: Es stellte sich<br />

heraus, dass es derart große Flächenreserven <strong>im</strong><br />

Münchner Nord-Osten nicht mehr gibt. Jedenfalls<br />

nicht in absehbarer Zeit und mit ausreichender Anbindung<br />

an den öffentlichen Nahverkehr. Sollten<br />

Neubauten erforderlich werden, so sollen diese direkt<br />

be<strong>im</strong> Bogenhausener oder Schwabinger Klinikum<br />

entstehen. Mit dieser Entscheidung wurde<br />

die Geschäftsführung beauftragt, die Planungen<br />

weiter zu führen und das Ergebnis bis Ende 2013<br />

vorzulegen.<br />

Die Aufstockung des Beteiligungsmanagements<br />

nutzte die CSU, erneut die Ablösung von Bürgermeister<br />

Monatzeder <strong>als</strong> Aufsichtsratschef zu fordern.<br />

Zudem solle die Betreuung künftig von der<br />

Stadtkämmerei übernommen werden statt vom<br />

Gesundheitsreferat. Diesem Antrag schloss sich<br />

dann eine Runde Wahlkampf an … Dafür st<strong>im</strong>mten<br />

schließlich CSU, FDP und die neue Fraktion „Bürgerliche<br />

Mitte“ (BM). Vollversammlung,2.5.2013<br />

Neuer Streit um Kulturstrand. Mit einem Dringlichkeitsantrag<br />

beantragte die BM, dem Kulturstrand<br />

an der Corneliusbrücke keinen Zugang in<br />

das Hochwasserbett zu genehmigen. Dies sei einer-<br />

6 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013


seits zu gefährlich (insbesondere bei alkoholisierten<br />

Besuchern), andererseits solle das Biotop der Kleinen<br />

Isar nicht zugänglich gemacht werden. Nach<br />

einer hitzigen Debatte mit teils heftigen Unmutsäußerungen<br />

über die Urbanauten, die Betreiber des<br />

Kulturstrands, schloss sich die Vollversammlung<br />

einst<strong>im</strong>mig diesem Antrag an.<br />

Über gute Kontakte <strong>zur</strong> örtlichen Presse erreichten<br />

die Veranstalter, dass die FDP beantragte, „THW-<br />

Testflöße“ in der Großen Isar noch in diesem Jahr<br />

zuzulassen. Doch in der Zwischenzeit brach der katastrophale<br />

Dauerregen über große Teile Bayerns<br />

herein, der auch die Isar in einen reißenden Fluss<br />

verwandelte. Dies war ein durchschlagendes Argument<br />

für die prinzipielle Ablehnung stationärer<br />

Flöße in der Isar.<br />

Die „Große Isar“ ist zudem der gefährlichste Abschnitt<br />

an der innerstädtischen Isar, an dem die<br />

Kulturflöße installiert werden sollten. Stattdessen<br />

soll nun das Einbringen von Flößen an stehenden<br />

Gewässern, z.B. dem Ostpark oder dem Riemer<br />

Park geprüft.<br />

Vollversammlung,2.5.2013<br />

und Vollversammlung, 5.6.2013<br />

Boden- und Bauschuttrecycling nicht in <strong>München</strong>?<br />

Die Recyclingquote <strong>im</strong> Baubereich soll gemäß EU-<br />

Vorgaben auf 30 Prozent steigen. In <strong>München</strong> liegt<br />

sie momentan bei ca. 5 Prozent, <strong>zur</strong> Steigerung sind<br />

zahlreiche Maßnahmen erforderlich. Um die Quote<br />

zu steigern, sind auch Standorte notwendig, wo<br />

Boden- und Bauschutt recycelt werden kann und<br />

Bodenbörsen möglich sind. Naturgemäß ist das mit<br />

umfangreichem Lastwagenverkehr verbunden.<br />

Der Planungsausschuss hat nun beschlossen, dass<br />

es dafür in <strong>München</strong> keine geeigneten Standorte<br />

gebe, zudem seien ja genügend Anlagen <strong>im</strong> Münchner<br />

Umland vorhanden. Dieser Beschluss zeugt von<br />

keinem fairen Umgang mit dem Umland. Denn ein<br />

Großteil des Bauschutts fällt ja auf den zahlreichen<br />

Münchner Baustellen an.<br />

<strong>Stadtrat</strong> Dr. Kronawitter (CSU) beantragte denn<br />

auch, einen bereits existierenden Standort an der<br />

Ottendichler Straße in Trudering weiter in der Prüfung<br />

zu belassen, <strong>LINKE</strong> und FDP unterstützten<br />

diesen Antrag. Auch der örtliche Bezirksausschuss<br />

hatte den Fortbestand gefordert. Die <strong>Stadtrat</strong>smehrheit<br />

lehnte dies jedoch ab, denn der Betrieb<br />

liege <strong>im</strong> Grüngürtel <strong>im</strong> Münchner Osten und solle<br />

in absehbarer Zeit aufgegeben werden. Wenn es um<br />

„hochwertigere“ Nutzungen geht, greift dieses Argument<br />

in der Regel nicht!<br />

Planungsausschuss, 8.5.2013<br />

und Vollversammlung, 5 .6.2013<br />

Johan S<strong>im</strong>ons lässt seinen Vertrag auslaufen. Johan<br />

S<strong>im</strong>ons, Intendant der Kammerspiele, gab bei der<br />

Vorstellung des Spielplans 2013/2014 bekannt, dass<br />

er seinen Vertrag nicht über 2015 hinaus verlängern<br />

möchte. Er begründete dies mit He<strong>im</strong>weh nach seiner<br />

Familie, gegen das kein Kraut gewachsen sein.<br />

Kulturreferent Dr. Küppers hatte ihm eine Verlängerung<br />

um drei Jahre bis 2018 angeboten, aber umsonst.<br />

Die Suche nach einem Nachfolger oder einer<br />

Nachfolgerin hat intern sicherlich schon begonnen.<br />

Kulturausschuss, 16.5.2013<br />

<strong>Stadtrat</strong>ssitzungen <strong>im</strong> Internet. Für ein halbes Jahr<br />

werden die Vollversammlungen probehalber <strong>als</strong><br />

Livestream ins Internet gestellt. Sofort zeigte sich,<br />

dass die Vollversammlungen länger dauern werden.<br />

Denn da die Redebeiträge weltweit abrufbar und reproduzierbar<br />

sind, fällt es schwer, abweichende Meinungen<br />

einfach mal stehen zu lassen.<br />

Vollversammlung, 5.6.2013<br />

Bericht über rechtsextreme Anschlagserie <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong>.<br />

Auf einen Antrag von Grüne/Rosa Liste hin berichtete<br />

Polizeivizepräsident Kopp <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> über<br />

die Anschlagserie in <strong>München</strong>, die am 13. April<br />

nach der Großdemonstration anlässlich des NSU-<br />

Prozesses begann. Ziele waren bisher der Bayrische<br />

Flüchtlingsrat, ein Wohnprojekt, eine Anwaltskanzlei<br />

und die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Drei<br />

mutmaßliche Täter aus der rechtsextremen Szene<br />

konnten mittlerweile ermittelt werden. Immerhin:<br />

Der Polizei scheint das Bedrohungspotential dieser<br />

Anschlagserie, die sich in die Tradition der NSU-<br />

Mordserie stellt, bewusst zu sein. Fragen, ob es in<br />

<strong>München</strong> eine organisierte rechtsradikale Szene gebe,<br />

beantwortete der Vizepräsident aber nicht.<br />

Der Verharmlosung der rechtsextremistischen<br />

Straftaten durch BIA-<strong>Stadtrat</strong> Richter widersprach<br />

OB Ude vehement. Vollversammlung, 5.6.2013<br />

Kreisverwaltungsreferent Blume-Beyerle wiedergewählt.<br />

Eigentlich hätte KVR-Chef Blume-Beyerle<br />

zum Jahresende in den Ruhestand gehen sollen. Doch<br />

auf Bitten der großen Parteien <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> erklärte<br />

er sich bereit, um 2,5 Jahre zu verlängern. Der <strong>Stadtrat</strong><br />

wählte ihn mit 69 von 70 St<strong>im</strong>men erneut ins Amt,<br />

7 St<strong>im</strong>men waren ungültig. Wir <strong>LINKE</strong> konnten uns<br />

nicht zu einer Zust<strong>im</strong>mung durchringen, auch wenn<br />

wir uns einig waren, dass er <strong>im</strong> großen und ganzen<br />

gute Arbeit leistet. Denn in vielen Punkten muss er<br />

politische Vorgaben umsetzen, denen wir keinesfalls<br />

zust<strong>im</strong>men können. Vollversammlung, 5.6.2013<br />

Winterolympiade 2022? Nein danke. Nach der Absage<br />

der USA und der Schweiz ist die „Gefahr“ einer<br />

erneuten Bewerbung um die Olympischen Winterspiele<br />

2022 gestiegen. In der Juni-Vollversammlung<br />

stellte der <strong>Stadtrat</strong> die Weichen für einen möglichen<br />

Bürgerentscheid am 10. November. FDP und CSU<br />

wollten erreichen, dass der Bürgerentscheid parallel<br />

<strong>zur</strong> Bundestagswahl durchgeführt wird. Dies<br />

wurde jedoch mit dem Hauptargument abgelehnt,<br />

dass bis dahin das Konzept noch nicht überarbeitet<br />

ist und auch noch nicht klar ist, ob der Olympische<br />

Sportbund eine Bewerbung überhaupt unterstützt.<br />

<strong>LINKE</strong> und Grüne blieben bei ihrer Ablehnung einer<br />

erneuten Bewerbung, der Einleitung eines Ratsbegehrens<br />

<strong>im</strong> November st<strong>im</strong>mten aber alle Parteien<br />

zu. Vollversammlung, 5.6.2013<br />

mitlinks nr. 44 – Juni 2013 7


Die Münchner <strong>Stadtrat</strong>slinke in der<br />

Kommunalpresse Von Maren Ulbrich<br />

In <strong>München</strong> rüsten sich die Parteien bereits für die<br />

kommenden Landtags- und Bundestagswahlen und<br />

auch die Fraktionen und Gruppen <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> beteiligen<br />

sich eifrig am Wahlkampf. Erfahrungsgemäß<br />

wird die Partei <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> in Zeiten bevorstehender<br />

Wahlen von der Presse weitgehend ignoriert<br />

– dies hat sich von Mitte Februar bis Mitte Mai<br />

auch auf die Berichterstattung über die Aktivitäten<br />

unserer Münchner Stadträt*innen niedergeschlagen<br />

– von diesen blieben die meisten nämlich leider<br />

unerwähnt.<br />

Mitte Februar berichtete die Süddeutsche Zeitung<br />

von einem Antrag, den Brigitte Wolf gestellt hatte.<br />

In dem Antrag forderte Stadträtin Wolf die Stadt<br />

auf, mit der Bayerischen Hausbau über zusätzliche<br />

Flächen für geförderten Wohnungsbau auf dem Gelände<br />

der Paulaner-Brauerei zu verhandeln. Denn<br />

das neue städtische Wohnungsbauprogramm „Wohnen<br />

in <strong>München</strong> V“ sieht vor, in Neubaugebieten<br />

möglichst 50 Prozent geförderten Wohnungsbau zu<br />

erzielen. Der Bayerische Hausbau hat lediglich die<br />

Min<strong>im</strong>algrenze von 30 Prozent gefördertem Wohnungsbau<br />

erfüllt. Stadträtin Wolf fordert das Planungsreferat<br />

nun auf, mit dem Bayerischen Hausbau<br />

in Verhandlung zu treten und Grundstücke<br />

auf dem Paulaner-Gelände zu erwerben, um den<br />

Prozentsatz des dringend benötigten geförderten<br />

Wohnraums zu erhöhen (SZ, 12.2.13).<br />

Der Münchner Merkur informierte darüber, dass<br />

die Fraktion der CSU angeregt habe, den ehemalige<br />

Papst Benedikt XVI. zum Ehrenbürger der Stadt<br />

<strong>München</strong> zu ernennen. Da dies ohne die Zust<strong>im</strong>mung<br />

des <strong>Stadtrat</strong>s unmöglich ist und eine knappe<br />

Mehrheit die betroffene Person beschädigen<br />

könnte, druckte der Merkur vorab die Meinungen<br />

der verschiedenen Fraktionen und Gruppen ab. Dabei<br />

wurde auch <strong>Stadtrat</strong> Orhan Akman zitiert, der<br />

dem Merkur gegenüber betonte, dass der Papst die<br />

Ehrenbürgerschaft nicht verdient habe. <strong>Stadtrat</strong><br />

Akman erinnerte an die negativen Spuren, die der<br />

Papst hinterlassen habe und nannte <strong>als</strong> Beispiele<br />

die umstrittenen Äußerungen Benedikts über den<br />

Propheten Mohammed und den Stillstand bei der<br />

Ökumene. Außerdem wies <strong>Stadtrat</strong> Akman darauf<br />

hin, dass der Papst auch für <strong>München</strong> nichts getan<br />

habe (Münchner Merkur, 13.2.13).<br />

Ende Februar teilte die Süddeutsche Zeitung mit,<br />

dass der <strong>Stadtrat</strong> den Zuschuss für das städtische<br />

Tierhe<strong>im</strong> erhöht, und zitierte dabei <strong>Stadtrat</strong> Akman.<br />

Dieser fand es bedenklich, dass den Verein<br />

ein Geldsegen ereile – obwohl er sich weigere, Auskunft<br />

über seine Vermögensverhältnisse zu geben<br />

(SZ, 27.2.13).<br />

Die Süddeutsche meldete außerdem, dass der<br />

<strong>Stadtrat</strong> den ersten Schritt <strong>zur</strong> Entmachtung des<br />

Aufsichtsrats der städtischen Kliniken gegen die<br />

St<strong>im</strong>men der <strong>LINKE</strong>N, CSU und FDP beschlossen<br />

habe. Denn die Verwaltung muss dem <strong>Stadtrat</strong> bis<br />

Juni Vorschläge für mögliche Änderungen der Organisation<br />

der Kliniken machen. Dabei erwähnte<br />

die SZ auch, dass <strong>Stadtrat</strong> Akman gefordert habe,<br />

die Kliniken wieder in einen Eigenbetrieb umzuwandeln,<br />

und damit für Erstaunen gesorgt habe, da<br />

er erst Mitbest<strong>im</strong>mung der Beschäftigten forderte<br />

und die Umwandlung in einen Eigenbetrieb eben<br />

diese negieren würde. Dass <strong>Stadtrat</strong> Akman mit<br />

seiner Forderung das Ziel verfolgte, die Kliniken<br />

wieder vollständig unter die demokratische Kontrolle<br />

des <strong>Stadtrat</strong>es zu bringen, und dass dadurch<br />

auch Mitbest<strong>im</strong>mungsrechte für die Beschäftigten<br />

gewährleistet würden, wurde von der SZ ignoriert<br />

(SZ, 28.2.13).<br />

Der Münchner Merkur berichtete Anfang März<br />

dann doch vom Wahlkampf der <strong>LINKE</strong>n – oder zumindest<br />

einen angeblichen Wahlkampf. Mitglieder<br />

des Kreisverbands <strong>München</strong> hatten, zum Teil gemeinsam<br />

mit Stadträten und Bundestagsabgeordneten,<br />

am internationalen Frauentag Rosen an die<br />

Beschäftigten in den Klinken verteilt. An den Rosen<br />

war ein Flugblatt befestigt, in dem den Beschäftigten<br />

für ihre Arbeit gedankt und die Forderung<br />

der <strong>LINKE</strong>N nach weniger Arbeitsverdichtung<br />

und mehr Personal formuliert wurde. Die Rosen<br />

und Flugblätter waren wohl auch an einige wenige<br />

Krankenbetten gelangt. Der Münchner Merkur<br />

befragte darauf hin Stadträtin Wolf zu dem Sachverhalt.<br />

Stadträtin Wolf teilte dem Merkur mit, sie<br />

gehe davon aus, dass die Genoss*innen sich an die<br />

Rechtslage gehalten hätten, und sie überrascht wäre,<br />

wenn dies nicht der Fall gewesen sei (Münchner<br />

Merkur, 10.3.13).<br />

Für mehr geförderten Wohnungsbau an der Katharina-von-Bora<br />

setzte sich Stadträtin Wolf Ende<br />

März ein. Dort sind lediglich 34 Prozent der<br />

Wohnungen <strong>als</strong> Sozialwohnungen geplant, was der<br />

Rathausregierung laut Süddeutsche Zeitung auch<br />

reichen würde. Die Süddeutsche informierte darüber,<br />

dass Stadträtin Wolf diesen Prozentsatz un<strong>zur</strong>eichend<br />

fand und einen Anteil von 50 Prozent an<br />

Sozialwohnungen forderte (SZ, 20.3.13).<br />

Dass ein Jobcenter-Mitarbeiter vor Überlastung<br />

vom Stuhl gefallen war, berichtete die Süddeutsche<br />

Mitte April. In dem Zusammenhang setzte sie<br />

ihre Leser*innen auch in Kenntnis darüber, dass<br />

die Rathausparteien von der CSU bis <strong>zur</strong> <strong>LINKE</strong>N<br />

sich über die Hauptursache, nämlich die zu hohen<br />

Fallzahlen einig seien und diese reduziert werden<br />

müssten. Interessant wäre es an dieser Stelle gewesen,<br />

zu erwähnen, dass <strong>Stadtrat</strong> Orhan Akman dies<br />

in mehren Anträgen gefordert und die Debatte über<br />

eine Reduzierung der Fallzahlen somit überhaupt<br />

angestoßen hatte (SZ, 16.4.13).<br />

Ende April ging es <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> um das Thema<br />

„Leiharbeit bei der Stadt und ihren Tochterunternehmen“.<br />

Über die Debatten des <strong>Stadtrat</strong>es informierten<br />

nahezu alle Kommunalzeitungen. Die tz<br />

erwähnte, dass <strong>Stadtrat</strong> Akman die Position der<br />

Rathausregierung <strong>zur</strong> Leiharbeit nicht weit genug<br />

gehe und er fordere, dass die Stadt Vorschläge erarbeiten<br />

solle, wie die Leiharbeit bei der Stadt und<br />

ihren Tochterunternehmen – insgesamt sind es<br />

<strong>im</strong>merhin über 1000 Beschäftigungsverhältnisse –<br />

weiter reduziert und nach Möglichkeit ganz abgeschafft<br />

werden könne (tz 30.4.13). Außerdem berichtete<br />

die tz, dass es auf Antrag von <strong>Stadtrat</strong> Akman<br />

künftig alle drei Jahre einen Bericht <strong>zur</strong> Leiharbeit<br />

bei der Stadt und ihren Tochterunternehmen geben<br />

werde (tz, 3.5.13).<br />

8 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013


Auch der Münchner Merkur informierte darüber,<br />

dass das Thema „Leiharbeit“ erst durch einen Antrag<br />

von <strong>Stadtrat</strong> Akman auf die Agenda des <strong>Stadtrat</strong>s<br />

gekommen war und dass dieser betont habe,<br />

dass es bei der Stadt selbst zwar wenige Leiharbeiter<br />

gebe, sie aber dafür sorgen müsse, dass sich<br />

die Situation nicht verschärfe (Münchner Merkur,<br />

3.5.13). Laut SZ war der Tagesordnungspunkt<br />

„Leiharbeit“ <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> „so etwas wie ein vorgezogenes<br />

Weihnachten“ für <strong>Stadtrat</strong> Akman. Denn<br />

sowohl sein Antrag <strong>als</strong> auch sein Änderungsantrag<br />

zu der Beschlussvorlage des Referenten zu seinem<br />

Antrag wurden in großen Teilen übernommen. Zu<br />

den Forderungen Akmans gehörte die Reduzierung<br />

der Leiharbeit und ein regelmäßiger Bericht über<br />

den Einsatz von Leiharbeiter*innen. Die völlige<br />

Abschaffung der Leiharbeit hält OB Ude laut SZ jedoch<br />

für unrealistisch, denn bei Grippewellen oder<br />

Arbeitsspitzen könne die Stadt nicht auf den Einsatz<br />

von Leiharbeit verzichten (SZ, 4.5.13).<br />

<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> schreibt an OB Ude:<br />

<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong>, Rathaus,<br />

Marienplatz 8, 80331 <strong>München</strong><br />

Oberbürgermeister Christian Ude<br />

Rathaus, Marienplatz 8, 80331 <strong>München</strong><br />

DGB <strong>München</strong> z.K.<br />

<strong>München</strong>, den 7.5.2013<br />

Betrifft: Ihr Grußwort zum 1.Mai<br />

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,<br />

sicher ist es zu begrüßen, dass Sie in Ihrem Grußwort auf<br />

der Kundgebung zum 1. Mai an die Abst<strong>im</strong>mung zum Ermächtigungsgesetz<br />

<strong>im</strong> bayrischen Landtag erinnert haben.<br />

Und es ist zutreffend, dass bei dieser Abst<strong>im</strong>mung<br />

nur die Abgeordneten der SPD gegen dieses Gesetz st<strong>im</strong>mten.<br />

Allerdings ist dies, wie Sie wohl wissen, nur die halbe<br />

Wahrheit.<br />

Bei der Landtagswahl <strong>im</strong> März 1933 wurden auch Abgeordnete<br />

der KPD gewählt, die aber dann in Folge der<br />

„Gleichschaltung“ der Landtage ihr Mandat niem<strong>als</strong><br />

wahrnehmen konnten. Durch die „Gleichschaltung“ wurden<br />

die Landtage in ihrer Zusammensetzung dem Reichstag<br />

angeglichen, in dem den gewählten kommunistischen<br />

Abgeordneten ihr Mandat schlicht entzogen wurde. Da<br />

diese manipulierte Zusammensetzung auf Bayern übertragen<br />

wurde, konnten auch die für Bayern gewählten<br />

Landtagsabgeordneten ihr Mandat niem<strong>als</strong> antreten. Niemand<br />

würde aber jem<strong>als</strong> daran zweifeln, dass sie gegen<br />

das Ermächtigungsgesetz gest<strong>im</strong>mt hätten.<br />

Heute vor achtzig Jahren wurde der für den Münchner<br />

Stadtkreis IV gewählte Fraktionsvorsitzende der KPD <strong>im</strong><br />

bayrischen Landtag, Friedrich Dressel, in Dachau von der<br />

SS erschlagen. Andere ehemalige bayrische Landtagsabgeordnete<br />

der KPD, wie Hans Be<strong>im</strong>ler, waren führende<br />

Gestalten <strong>im</strong> Widerstand gegen den Hitlerfaschismus. Ihre<br />

Existenz auf eine solche Art zu verschweigen, wie Sie es<br />

gerade am 1. Mai getan haben, auf den alle Teile der Arbeiterbewegung<br />

ein gleiches Anrecht haben, ist Ihrer nicht<br />

würdig. Als Münchner Oberbürgermeister sollten Sie an<br />

alle Gegner des Hitlerfaschismus erinnern, nicht nur jene,<br />

die Ihrer eigenen Partei angehörten.<br />

Hochachtungsvoll,<br />

Orhan Akman Dagmar Henn Brigitte Wolf<br />

Anfang Mai befasste sich der <strong>Stadtrat</strong> damit, ob<br />

die Stadt Müllautos für Syrien spenden solle. Der<br />

Münchner Merkur informierte in diesem Kontext,<br />

dass die <strong>Stadtrat</strong>sgruppe <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> Kritik an der<br />

Spende geäußert habe. Dabei zitierte sie zum einen<br />

Stadträtin Dagmar Henn, die einwendete, dass die<br />

Stadt <strong>München</strong> nicht in irgendeiner Weise Partei<br />

ergreifen dürfe. Zum anderen wurde <strong>Stadtrat</strong> Akman<br />

zitiert, der dafür appellierte, dass die Stadt<br />

abwarten solle, bis die Verwaltung in Syrien einigermaßen<br />

funktioniere. Zu guter Letzt erwähnte<br />

der Merkur, der <strong>LINKE</strong>N sei vorgeworfen worden<br />

sei, dass sie nach ihrer Parte<strong>im</strong>einung argumentiert<br />

habe. Dass dies auf auf alle <strong>Stadtrat</strong>sfraktionen zutrifft,<br />

ließ die Zeitung außen vor (Münchner Merkur,<br />

3.5.13).<br />

Auch die SZ berichtete von der Diskussion über die<br />

Spende und teilte dabei mit, Stadträtin Henn habe<br />

moniert, dass sich die Stadt mit der Spende auf eine<br />

Seite des Konflikts schlage (SZ, 4.5.13). <br />

OB Ude antwortet:*<br />

Landeshauptstadt <strong>München</strong>, Oberbürgermeister, 80313<br />

<strong>München</strong>. Oberbürgermeister Christian Ude<br />

Den Stadträtinnen Dagmar Henn, Brigitte Wolf, Herrn<br />

<strong>Stadtrat</strong> Orhan Akman, Die <strong>Link</strong>e <strong>im</strong> Rathaus<br />

Datum 8.5.2013<br />

Grußwort zum 1. Mai<br />

Sehr geehrte Frau Wolf, sehr geehrte Frau Henn,<br />

lieber Orhan,<br />

für Ihr Schreiben vom 7. Mai bedanke ich mich. Seit Mitte<br />

der 60er Jahre — dam<strong>als</strong> <strong>als</strong> Schulsprecher und Vertreter<br />

der Schülerpresse — befasse ich mich mit dem Gedenken<br />

an die Opfer des Nation<strong>als</strong>ozialismus. Ich habe noch in keiner<br />

Rede und keinem Aufsatz verschwiegen, dass die Kommunisten<br />

wie die Sozialdemokraten und Gewerkschafter<br />

anderer Parteizugehörigkeit zu den ersten Repräsentanten<br />

des Widerstands und Opfern des Nation<strong>als</strong>ozialismus gehörten.<br />

Auch in jeder Rede, die sich mit der Machtergreifung<br />

in <strong>München</strong>, in Bayern oder <strong>im</strong> Reich befasste, bin<br />

ich stets auf die Opfer seitens der KPD eingegangen. Auf<br />

Bundesebene hat sich dies erst mit der berühmten Rede<br />

von Bundespräsident Richard von Weizsäcker durchgesetzt,<br />

der erstm<strong>als</strong> bei einem Staatsakt Sinti und Roma<br />

und Homosexuelle <strong>als</strong> Opfergruppe nannte. Am 1. Mai bin<br />

ich nur mit einem einzigen Satz auf die beiden diesjährigen<br />

Gedenktage 80 Jahre Ermächtigungsgesetz und 80 Jahre<br />

Zerstörung der Gewerkschaftshäuser eingegangen, um<br />

dann auf die bedrückende Aktualität der rechtsextremen<br />

Morde einzugehen. Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich<br />

in diesem Kontext und in einem halben Nebensatz nicht<br />

auf die Rolle der KPD eingehen konnte, die ihre Mandate,<br />

die ihr zugestanden hätten, niem<strong>als</strong> wahrnehmen und<br />

folglich auch keine Gegenst<strong>im</strong>men abgeben konnte. Ich<br />

glaube aber, dass rund 99 Prozent der Demonstrationsteilnehmer<br />

gleichwohl bewusst war, dass die Kommunisten<br />

nicht mit Ja gest<strong>im</strong>mt haben, sondern mit Nein gest<strong>im</strong>mt<br />

hätten, wenn sie dazu die Gelegenheit gehabt hätten.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Christian Ude<br />

*Veröffentlichung hier mit Zust<strong>im</strong>mung des Autors.<br />

(Redaktion)<br />

mitlinks nr. 44 – Juni 2013 9


Ostermarsch in <strong>München</strong> am 30. März 2013<br />

Grußwort und Redebeitrag von Brigitte Wolf, Stadträtin der <strong>LINKE</strong>N<br />

Liebe Münchnerinnen und Münchner,<br />

liebe friedensuchende Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer am heutigen Ostermarsch,<br />

ich freue mich, Ihnen und Euch heute in Vertretung<br />

der Stadt <strong>München</strong> die Grüße des Oberbürgermeisters<br />

überbringen zu dürfen.<br />

Mit dem Ort der Auftaktkundgebung, dem Mahnmal<br />

<strong>zur</strong> Erinnerung an die Opfer des Oktoberfestattentates,<br />

erinnern Sie an eine schwärende Wunde in der<br />

Geschichte der Stadt. Bei dem damaligen Attentat<br />

starben 13 Menschen, 211 wurden zum Teil schwer<br />

verletzt. Viele engagierte Bürgerinnen und Bürger<br />

gehen weiterhin davon aus, dass es sich bei dem Täter<br />

1980 eben nicht um einen Einzeltäter handelte,<br />

sondern dass das neonazistische Umfeld der Tat bewusst<br />

ausgeblendet wurde. Die Forderung nach neuen<br />

Ermittlungen in diesem Fall, die auch vom Münchner<br />

<strong>Stadtrat</strong> <strong>im</strong> November 2011 unterstützt wurde, scheiterte<br />

bisher auch daran, dass bereits 1997 501 Asservate<br />

vernichtet wurden. Dies widerspricht der üblichen<br />

Praxis in nicht abschließend geklärten Mordfällen,<br />

denn Mord verjährt nicht!<br />

Besonders erschreckend ist, dass dieses Wegschauen<br />

offenbar Methode hat, wenn sich der Blick nach rechts<br />

wenden müsste. Nur so kann ich es mir erklären, dass<br />

die <strong>im</strong> Rückblick klar ersichtlichen Zusammenhänge<br />

der Mordserie des Nation<strong>als</strong>ozialistischen Untergrunds<br />

so lange unentdeckt blieben. Angesichts des<br />

Versagens sämtlicher staatlicher Stellen, die für die<br />

Sicherheit der Menschen sorgen sollen, die in Deutschland,<br />

in <strong>München</strong> leben, überkommt viele das blanke<br />

Entsetzen. Und noch unerträglicher ist, dass die Angehörigen<br />

der Mordopfer durch die rassistischen Vorurteile<br />

von Polizei und Öffentlichkeit jahrelang <strong>als</strong> Täter<br />

behandelt wurden und so die Existenz weiterer Menschen<br />

zerstört wurde. Eine Wiedergutmachung wird<br />

sicherlich schwierig, falls sie überhaupt gelingen kann.<br />

Unerlässlich ist, dass in dem bevorstehenden Prozess<br />

und auch in den zahlreichen Untersuchungsausschüssen<br />

allen Spuren nachgegangen wird. Auch denen, die<br />

in Richtung Staats- und Verfassungsschutz zielen. Ohne<br />

vollständige Aufklärung können die geschlagenen<br />

Wunden nicht verheilen<br />

Von den insgesamt 10 Mordopfern lebten fünf Menschen<br />

in Bayern. Auch zwei Münchner fielen den rassistischen<br />

Hasstaten der Neonazis zum Opfer. Zur Erinnerung<br />

an Habil Kilic und Theodoros Boulgarides<br />

sollen Gedenktafeln aufgestellt werden, dies hat der<br />

Ältestenrat bereits beschlossen. Vor der Umsetzung<br />

sollen die Einzelheiten aber mit den Angehörigen besprochen<br />

werden, so dass ich über die konkrete Ausgestaltung<br />

noch nichts sagen kann. Die Gedenktafeln<br />

sollen verhindern, dass die Ermordeten vergessen werden.<br />

Und sie mahnen uns Alle, die ganze Münchner<br />

Stadtgesellschaft, wachsamer zu sein gegenüber Rassismus,<br />

Neonazismus und allen Ausprägungen gruppenbezogener<br />

Menschenfeindlichkeit.<br />

Liebe Freunde, liebe Ostermarschierer, soweit das<br />

Grußwort <strong>im</strong> Namen der Stadt.<br />

Ich möchte jedoch noch einige eigene Überlegungen<br />

anfügen. Es gibt zwei Aspekte an der jahrelangen<br />

neonazistischen Mordserie, die mich besonders erschrecken.<br />

Zunächst einmal die offensichtliche Verstrickung<br />

zahlreicher Verfassungsschutzämter und Ermittlungsbehörden.<br />

Natürlich spielen weit verbreitete rassistische<br />

Vorurteile dabei eine Rolle, dass bei Taten<br />

gegen „Ausländer“ sofort an „Ausländerkr<strong>im</strong>inalität“<br />

und „Mafia“ gedacht und entsprechend ermittelt wird.<br />

Aber reicht das <strong>als</strong> Erklärung aus? Ich denke nicht.<br />

Insbesondere die Rolle der verschiedenen Verfassungsschutzämter<br />

muss dringend aufgeklärt werden.<br />

Ich gehe davon aus, dass ohne die finanzielle und logistische<br />

Unterstützung durch die zahlreichen V-Leute in<br />

ihrem Umfeld die Täter niem<strong>als</strong> so lange hätten morden<br />

können. Auch nach dem gescheiterten Verbotsverfahren<br />

gegen die NPD habe ich mich gefragt, von wem<br />

die größere Gefahr ausgeht: von der NPD oder von den<br />

Verfassungsschutzämtern, die tief verstrickt waren in<br />

Finanzierung und Führung dieser Neonazi-Partei.<br />

Der Verfassungsschutz schützt nicht die Verfassung,<br />

sondern er ist ein Werkzeug <strong>im</strong> politischen Kampf gegen<br />

fortschrittliche Entwicklungsperspektiven. Dafür<br />

wurde er <strong>im</strong> Kalten Krieg gegründet, und davon ist er<br />

bis heute nicht losgekommen. Das zeigt sich eindeutig,<br />

wenn rechtsterroristische Entwicklungen systematisch<br />

ignoriert und entsprechende Ermittlungsbemühungen<br />

behindert werden, während gleichzeitig<br />

zahlreiche Beamte damit beschäftigt sind, politische<br />

Reden der <strong>LINKE</strong>N auszuwerten, die in Parlamenten<br />

gehalten werden. Von der Bespitzelung jeglicher<br />

Aktivität von Friedensbewegung, antifaschistischen<br />

oder antirassistischen Initiativen und der <strong>als</strong> „linksradikal“<br />

diffamierten Parteien ganz abgesehen. Dieser<br />

„Verfassungsschutz“ gehört abgeschafft. Denn statt zu<br />

schützen bedroht er Verfassung und Grund- und Menschenrechte<br />

der Bürgerinnen und Bürger.<br />

Der zweite Punkt, der mich erschüttert, ist das völlige<br />

Versagen der kritischen Öffentlichkeit angesichts<br />

dieser Mordserie. Dabei kann ich uns leider auch<br />

nicht ausschließen. Jahrelang wurde in den Medien<br />

von „Döner-Morden“ geschrieben – und viele von uns<br />

gingen ganz selbstverständlich davon aus, dass das<br />

mit uns nichts zu tun hat. Auch die zahlreichen antifaschistischen<br />

und antirassistischen Initiativen hatten<br />

keinen Verdacht. Einzig in den betroffenen Familien<br />

und deren zugewanderten Gemeinden wurde schon<br />

früh ein rassistischer Hintergrund vermutet. Aber die<br />

Öffentlichkeit, auch die linke und kritische Öffentlichkeit<br />

hat davon nichts erfahren – oder nicht darauf<br />

reagiert.<br />

Ich frage mich, wie kann das sein? Die Erklärung die<br />

ich finde, bedrückt mich. Rassistische Vorurteile und<br />

Vorprägungen grassieren eben nicht nur bei bekennenden<br />

Nazis. Dieser Ungeist findet sich breit verstreut<br />

in allen staatlichen und gesellschaftlichen Bereichen.<br />

Und teilweise auch bei uns selbst, die wir uns doch<br />

seit vielen Jahren engagieren gegen Nazis, Rassismus,<br />

Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Wir müssen<br />

uns bewusst machen, dass eine Auseinandersetzung<br />

mit diesen tief verankerten Vorurteilen überfällig ist.<br />

Es ist für uns alle wichtig zu verstehen, wie unter der<br />

Dunstglocke verbreiteter und geduldeter Vorurteile<br />

die Gefährdung von Leib und Leben, von Menschenrechten<br />

und Menschenwürde zu grauenhaften Taten<br />

und Ereignissen führen kann. An der Überwindung<br />

dieses alltäglichen Rassismus muss jeder und jede einzelne<br />

von uns arbeiten. Zum Abschluss möchte ich<br />

Euch noch auf zwei Veranstaltungen hinweisen, zu<br />

denen ich Euch ganz herzlich einladen möchte:<br />

10 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013


Am Freitag, den 12. April, findet <strong>im</strong> EineWeltHaus eine<br />

Diskussionsveranstaltung der <strong>Link</strong>sfraktion <strong>im</strong> Bundestag<br />

statt. Das Thema ist ganz aktuell: „Naziterror<br />

und Verfassungsschutz – Zwei Seiten einer Medaille?“<br />

Landtagsabgeordnete Martina Renner berichtet vom<br />

NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen, Rechtsanwalt<br />

Yavuz Narin vertritt die Nebenklage der Angehörigen<br />

eines NSU-Opfers.<br />

Und am Tag darauf, Samstag den 13. April, folgt dann<br />

die antifaschistische Demonstration zum Auftakt des<br />

NSU-Prozesses unter dem Motto: Gegen Naziterror,<br />

staatlichen und alltäglichen Rassismus! Verfassungsschutz<br />

abschaffen!<br />

Ich hoffe, dass von Ihnen Viele auch daran teilnehmen<br />

können. Doch zunächst wünsche ich uns einen erfolgreichen<br />

Ostermarsch 2013. Auch hier wenden wir uns<br />

einer wichtigen politischen Aufgabe zu, die leider nur<br />

zu oft verdrängt wird: Dem Kampf gegen Rüstungsexporte,<br />

dem Kampf gegen Rüstungsproduktion und<br />

dem Einsatz gegen die wachsende Militarisierung der<br />

Gesellschaft.<br />

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.<br />

1. Mai 2013 Rede von Orhan Akman bei der DGB-Kundgebung in <strong>München</strong><br />

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,<br />

die Kapitalisten <strong>im</strong> Einzelhandel und ihre regionalen<br />

Arbeitgeberverbände haben Anfang des Jahres<br />

in einer konzertierten Aktion fast alle tariflichen<br />

Regelungen mit ver.di aufgekündigt. Sie haben damit<br />

sämtliche Entgelt- und Manteltarifverträge (mit<br />

Ausnahme von Hamburg) gekündigt und einen Generalangriff<br />

auf die Tarifverträge gestartet. Diese<br />

Kampfansage und der Angriff des Kapit<strong>als</strong> betrifft<br />

knapp drei Millionen Beschäftigte, überwiegend<br />

Frauen. Somit ist eine harte Tarifauseinandersetzung<br />

vorprogrammiert.<br />

Wir sagen von hier aus: Wir nehmen diese Kampfansage<br />

gerne an, und wir werden mit aller Kraft dem<br />

entgegentreten!<br />

Diese scheiß’ Kapitalisten lügen dann auch noch wie<br />

gedruckt!<br />

Mit populistischen Begriffen wie Modernisierung<br />

und Zukunftstauglichkeit der Tarifverträge tarnen<br />

sie ihr Vorhaben. Tatsächlich geht es ihnen<br />

ausschließlich darum, existenzielle Arbeits- und<br />

Einkommensbedingungen der Beschäftigten zu<br />

verschlechtern. Schlechtere Bezahlung und Eingruppierung,<br />

Verschlechterung bei der Arbeitszeitgestaltung<br />

sind nur einige Schlagworte.<br />

Die Konzerne wollen die Zuschläge ab 18:30 Uhr<br />

streichen, sie wollen den Nachtzuschlag ab 20:00<br />

Uhr kürzen. Somit wollen diese Kapitalisten den<br />

Weg ebnen, damit das Ladenschlussgesetz in Bayern<br />

gekippt wird. Die Konzerne <strong>im</strong> Einzelhandel wollen,<br />

dass die ganze Woche nur noch aus Werktagen besteht.<br />

Sie wollen, dass die Läden rund-um-die-Uhr<br />

öffnen. Und wir sagen dazu: Wer die Läden rundum-die-Uhr<br />

öffnet, der kann nicht ganz dicht sein.<br />

Hände weg vom Ladenschluss und von unseren Zuschlägen.<br />

Wer den Ladenschluss in Bayern anpackt<br />

und ändern will, der holt sich eine blutige Nase!<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

auf dem Rücken der Beschäftigten soll der ruinöse<br />

Verdrängungswettbewerb und dieser Kannibalismus<br />

<strong>im</strong> Einzelhandel noch weiter angeheizt, sollen<br />

die Preisschlachten der Großkonzerne <strong>im</strong> Einzelhandel<br />

finanziert werden. Der tarifliche Schutz soll<br />

auf das Niveau von prekärer Beschäftigung abgesenkt<br />

werden. In dieser Branche ist eine Vollzeitstelle<br />

mittlerweile fast ein Luxus. Es gibt <strong>im</strong> Einzelhandel<br />

mehr Teilzeit- <strong>als</strong> Vollzeitstellen. Jeder dritte<br />

Arbeitsplatz <strong>im</strong> Einzelhandel ist mittlerweile ein<br />

Minijob. Soviel zum Thema: Wir schaffen Arbeitsplätze!<br />

Das ist nicht nur eine weitere Prekarisierung<br />

der Branche, sondern damit ist auch die Altersarmut<br />

– allen voran für Frauen – vorprogrammiert. Damit<br />

muss endlich Schluss sein!<br />

Doch damit nicht genug:<br />

• Seit Jahren begehen Konzerne und Unternehmen<br />

Tarifflucht.<br />

• Dehner, Betten Rid, Kustermann, Beck, Loden<br />

Frey, XXXLutz, OBI, C&A sind nur einige davon in<br />

<strong>München</strong>.<br />

• Der Arbeitgeberverband <strong>im</strong> Einzelhandel propagiert<br />

seit Jahren die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung.<br />

• Die Konzerne haben die Allgemeinverbindlichkeit<br />

der Tarifverträge gekillt. Und sie beschädigten damit<br />

die Flächentarifverträge.<br />

Doch Kolleginnen und Kollegen,<br />

wir kämpfen seit Jahren sehr energisch gegen diese<br />

Angriffe des Kapit<strong>als</strong>. Wir kämpfen gegen die Tarifflucht<br />

bei Dehner und anderen Betrieben. Wir kämpfen<br />

bei AMAZON für die Tarifbindung.<br />

Diese z.T. milliardenschweren Konzerne wollen die<br />

Beschäftigten <strong>im</strong> Einzelhandel mit Hungerlöhnen<br />

abspeisen. Aktuell arbeiten in der Branche rund<br />

300.000 oder zwölf Prozent aller Einzelhandelsbeschäftigten<br />

für weniger <strong>als</strong> fünf Euro pro Stunde.<br />

Diese geizigen Kapitalisten haben für alles Mögliche<br />

Geld, aber wenn es um einen menschenwürdigen<br />

Lohn geht, sind ihre Kassen angeblich leer! Eine solche<br />

Entwicklung muss gestoppt werden. Ein gesetzlicher<br />

Mindestlohn muss auch deswegen her!<br />

Am 7. Mai haben wir die erste Tarifverhandlung <strong>im</strong><br />

bayrischen Einzelhandel. Die Forderungen von ver.<br />

di und der Beschäftigten <strong>im</strong> Einzelhandel sind klar:<br />

• Der Manteltarifvertrag ist ohne eine Verschlechterung<br />

sofort wieder in Kraft zu setzen.<br />

• Wir wollen eine spürbare und reale Tariferhöhung<br />

von 6,5% oder 140,- Euro auf die Tabelle.<br />

• Wir wollen mindestens 90 Euro für die Azubis auf<br />

die Tabelle.<br />

• Wir wollen mehr Geld für die unteren Einkommensgruppen.<br />

Wir werden unsere Tarifverträge verteidigen!<br />

Gerade für Beschäftigte <strong>im</strong> Einzelhandel sind existenzsichernde<br />

Mindestbedingungen durch Tarifvertrag<br />

unverzichtbar. Nur sie schützen vor dem ruinösen<br />

Verdrängungswettbewerb in der Branche. Der<br />

Tarifvertrag schützt nicht nur die Gehälter, sondern<br />

er schützt auch die Menschenwürde!<br />

Die Kolleginnen und Kollegen <strong>im</strong> Einzelhandel haben<br />

sich auf eine lange und harte Tarifrunde eingestellt.<br />

Wenn die Kapitalisten wegen unseren Forderungen<br />

rumgeizen und den Manteltarifvertrag<br />

ohne Verschlechterungen wieder zumachen, wird es<br />

sehr schnell zu heftigen Arbeitskämpfen kommen.<br />

Wir werden bereits in den ersten Mai-Wochen mit<br />

Streiks und Aktionen hier in der Region beginnen.<br />

mitlinks nr. 44 – Juni 2013 11


Nicht einfach so weiter!<br />

Nach einer Serie von Nazi-Angriffen schließen sich<br />

die Betroffenen zusammen und fordern von der Polizei,<br />

die Gefahr von Rechts endlich ernst zu nehmen.<br />

Solidarität heißt, liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

die Beschäftigten <strong>im</strong> Einzelhandel zu unterstützen.<br />

Sprecht bei euren Einkäufen die Beschäftigten an,<br />

zeigt ihnen eure Unterstützung und eure Solidarität.<br />

Geht nicht einkaufen in bestreikten Geschäften,<br />

deren Betrieb dann mit einigen wenigen Streikbrechern<br />

oder zwangsverpflichteten Werkvertragsbeschäftigten<br />

notdürftig aufrecht erhalten wird.<br />

Heraus zum 1. Mai für gute Arbeit und gute Tarifverträge!<br />

Eine St<strong>im</strong>me aus der Ligsalzstraße*<br />

Es ist nicht zu übersehen: Das Wohnprojekt Ligsalz8<br />

wurde angegriffen. Der Gehweg ist rot und<br />

schwarz gefärbt. Auch an der Fassade des Hauses<br />

sind die Spuren des Farbbeutelangriffs zu sehen.<br />

Hinter einer provisorischen Holzverkleidung ist zu<br />

erkennen, dass beide Fensterscheiben des <strong>im</strong> Erdgeschoss<br />

befindlichen Ladens eingeschlagen wurden.<br />

Wer hinter diesen Angriffen steckt ist in der Tür<br />

des Ladens zu sehen. Mit einem spitzen Gegenstand<br />

wurde „Anti-Antifa“ - ein Kürzel der Naziszene -<br />

in die Scheibe geritzt. Angefangen hatte die Serie<br />

von Angriffen auf das Wohnprojekt mit dem Wurf<br />

mehrerer Eier auf <strong>im</strong> Laden sitzende Bewohner.<br />

Nachdem schon zuvor der Bayerische Flüchtlingsrat<br />

mit Nazi-Aufklebern, einer eingeschlagenen Scheibe<br />

und zuletzt Einritzungen in die ersetzte Scheibe<br />

angegriffen wurde und die Kanzlei einer Anwältin<br />

der Nebenkläger*innen <strong>im</strong> NSU-Prozess mit Fäkalien<br />

beschmiert wurde, scheinen die Nazis nun auch<br />

vor Angriffen auf Wohnhäuser keinen Halt mehr zu<br />

machen.<br />

Das Wohnprojekt in der Ligsalzstraße <strong>im</strong> Westend<br />

existiert seit 2007 und ist Teil des bundesweiten<br />

Mietshäuser-Syndikats. Der schlichte Gedanke<br />

des „Syndikats“: Mit Hilfe von günstigen Direktkrediten<br />

Häuser kaufen und dadurch bezahlbaren<br />

Wohnraum garantieren. Die so erworbenen Häuser<br />

gehören weder den Bewohner*innen noch einer<br />

Genossenschaft, sonder einer GmbH in der einerseits<br />

das bundesweite Mietshäusersyndikat und<br />

andererseits der Verein aller Hausbewohner*innen<br />

gleichberechtigte Teilhaber sind. Durch diese besondere<br />

Eigentumsstruktur wird garantiert, dass<br />

die Bewohner*innen nicht selbst Eigentümer*innen<br />

sind, sondern Mieter*innen, die aber in vollkommener<br />

Selbstverwaltung leben. Teure Einlagen,<br />

die oft bei Genossenschaften anfallen, müssen die<br />

Bewohner*innen der Mietshäuser nicht zahlen.<br />

Durch ein Vetorecht des bundesweiten Mietshäusersyndikats<br />

ist garantiert, dass die Häuser nicht irgendwann<br />

wieder profitorientiert verkauft werden.<br />

Die Bewohnerinnen und Bewohner der Ligsalz8<br />

haben aber nicht nur für sich einen bezahlbaren<br />

Wohnraum geschaffen, sondern stellen das Ladenlokal<br />

<strong>im</strong> Erdgeschoss auch politischen Gruppen und<br />

für kulturelle Veranstaltungen <strong>zur</strong> Verfügung. So<br />

finden <strong>im</strong> Laden der Ligsalz8 regelmäßig Proben<br />

eines offenen Chors statt, es werden Filme gezeigt<br />

und Lesungen gehalten und <strong>im</strong>mer am ersten Sonntag<br />

<strong>im</strong> Monat laden die Bewohner*innen zu einem<br />

offenen Brunch ein. Die Bewohner*innen betonen,<br />

dass sie für eine offene Gesellschaft ohne Rassismus<br />

und andere Formen der Diskr<strong>im</strong>inierung einstehen.<br />

Dementsprechend war es für sie eine Selbstverständlichkeit,<br />

sich mit den Angehörigen der Opfer<br />

des NSU zu solidarisieren und neben anderen Plakaten<br />

gegen Nazis und Rassismus auch die Plakate<br />

für die bundesweite Demonstration gegen den Naziterror<br />

auszuhängen.<br />

Von den Angriffen durch Nazis wollen sich die<br />

Bewohner*innen nicht einschüchtern lassen. „Der<br />

Laden in der Ligsalz8 bleibt ein offener Treffpunkt<br />

für politische Initiativen und ein bezahlbarer Ort<br />

für kulturelle Veranstaltungen <strong>im</strong> Westend“ sagt<br />

eine Bewohnerin des Hauses. „In den vergangenen<br />

Tagen haben wir großen Rückhalt aus der Nachbarschaft<br />

erfahren. Viele hier <strong>im</strong> Westend halten es für<br />

unerträglich, dass in dem ehemaligen Arbeiterviertel<br />

mit seiner vielfältigen Bewohnerschaft Nazis<br />

aktiv sind, und wollen die Angriffe nicht auf sich<br />

beruhen lassen.“<br />

Mit einem Angriff auf den Kurt-Eisner-Verein (Rosa<br />

Luxemburg Stiftung Bayern) in der Westendstraße<br />

setzten die Nazis ihre Serie von Angriffen<br />

auf Einrichtungen fort, die sich gegen Rassismus<br />

engagieren. Auch hier wurden die Schaufenster eingeschlagen.<br />

Auch hier hingen die Plakate, die <strong>zur</strong><br />

bundesweiten Demonstration gegen Naziterror aufriefen.<br />

Die Vorstandsvorsitzende des Kurt-Eisner-<br />

Vereins, Christa P. Meist, fordert eine rasche Aufklärung<br />

und vermehrte Anstrengungen der Polizei,<br />

bedrohte Einrichtungen zu schützen. Sie vermutet,<br />

dass es sogar eine Art Objektliste gibt, die abgearbeitet<br />

wird.<br />

Auch Robert Andreasch von der antifaschistischen<br />

Informations- Dokumentations-, und Archivstelle<br />

<strong>München</strong> (a.i.d.a.) weist darauf hin, dass sich seit<br />

Beginn des NSU-Prozesses eine gewalttätige Kampagne<br />

der Nazis um das Freie Netz Süd abzeichnet.<br />

Bisher habe das Freie Netz Süd jeden der Angriffe<br />

auf seiner Internetseite gefeiert und die Betroffenen<br />

verspottet. Möglich sei auch, dass die Münchner<br />

Neonazis während des NSU-Prozesses Unterstützung<br />

aus dem gesamten Bundesgebiet erhalten.<br />

Indessen lassen sich die Betroffenen nicht einschüchtern<br />

und haben einen gemeinsamen Aufruf<br />

veröffentlicht, indem sie deutlich machen, dass sie<br />

sich von den nächtlichen Angriffen nicht einschüchtern<br />

lassen. Große Unzufriedenheit gibt es hingegen<br />

mit dem Verhalten der Polizei. Der Polizeisprecher<br />

Wolfgang Wenger erklärte gegenüber der Süddeutschen<br />

Zeitung, dass man von Einzelfällen ausgehe<br />

und nicht feststellen könne, dass die rechte Szene<br />

insgesamt aktiver werde (SZ vom 17.5.2013). Nach<br />

den letzten Angriffen auf den Kurt-Eisner-Verein<br />

spricht der Polizeisprecher zwar nun von einer Häufung<br />

von Angriffen, eine Serie will er aber <strong>im</strong>mer<br />

noch nicht sehen. Verständlicher Weise sehen dies<br />

die Betroffenen nach drei Angriffen auf den Flüchtlingsrat,<br />

der Fäkalienschmiererei auf die Anwaltskanzlei,<br />

vier Angriffen auf das Wohnprojekt und<br />

vier eingeworfenen Fensterscheiben be<strong>im</strong> Kurt-<br />

Eisner-Verein anders. In ihrem Aufruf fordern sie<br />

deshalb, dass die Behörden die Verharmlosung neonazistischer<br />

Aktivitäten beenden.<br />

<br />

*Name der Redaktion bekannt.<br />

12 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013


Auch die <strong>Link</strong>e <strong>im</strong> <strong>Stadtrat</strong> hat den folgenden Aufruf unterstützt:<br />

GEMEINT SIND WIR ALLE!<br />

Rechte und rassistische Aktivitäten nehmen zu –<br />

Angriffe auf eine offene Gesellschaft!<br />

In den letzten Wochen und Monaten nehmen rassistische<br />

und faschistische Angriffe in Bayern zu.<br />

Die organisierte Neonazi-Szene agiert zunehmend<br />

offen und aggressiv. In <strong>München</strong> kommt es<br />

<strong>im</strong> April und Mai zu mehreren Attacken von Neonazis.<br />

So wurden die Fenster des Wohnprojekts<br />

„Ligsalz 8“ eingeworfen, Nazi-Parolen in die<br />

Fenster eingeritzt und die gesamte Fassade mit<br />

Farbbeuteln beworfen. Die Geschäftsstelle des<br />

Bayerischen Flüchtlingsrats wurde Ziel ähnlicher<br />

Angriffe. Ebenso wurden vier Fensterscheiben<br />

des Büros des Kurt-Eisner-Vereins eingeworfen.<br />

Am EineWeltHaus konnten zwe<strong>im</strong>al Vermummte<br />

vertrieben werden.<br />

Auch bayernweit nehmen rechte Angriffe zu. Unter<br />

anderem wurde <strong>im</strong> Mai in Nürnberg die Gedenktafel<br />

für die Opfer des NSU mit rechten Aufklebern<br />

beklebt und in Bamberg eine türkische<br />

Familie angegriffen und verletzt.<br />

Solche Angriffe treffen wenige, Einzelne. Sie sind<br />

aber Angriffe auf uns alle und auf eine offene, antirassistische<br />

Gesellschaft!<br />

Zehn Morde des Nation<strong>als</strong>ozialistischen<br />

Untergrunds – und jetzt einfach so weiter?<br />

All das passiert vor dem Hintergrund des Prozesses<br />

gegen den NSU und seine Unterstützer_innen.<br />

Bundesweit solidarisiert sich die Neonazi-Szene<br />

offen und provokant mit den Taten des NSU. In<br />

Mainz wurde kürzlich eine künstliche Blutlache<br />

vor einer Moschee platziert, in Düren wurde der<br />

Eingang der Islamischen Gemeinde sogar mit<br />

den Worten „NSU lebt weiter und ihr werdet die<br />

nächsten Opfer sein!!!“ beschmiert. In <strong>München</strong><br />

wurde die Kanzlei der Anwältin der Witwe eines<br />

der zehn Mordopfer mit Fäkalien attackiert.<br />

Die Reaktion der Polizei ist fatal: „Wir nehmen<br />

nicht wahr, dass die rechte Szene insgesamt aktiver<br />

wird“ kommentiert der Pressesprecher der<br />

Münchner Polizei Wolfgang Wenger noch am 17.<br />

Mai und spricht von „Einzelfällen“. Erst nach<br />

dem neunten Angriff nennt er es eine „Häufung“<br />

von Einzeldelikten. Die erneute Leugnung eines<br />

organisiert agierenden Neonazi-Netzwerks<br />

in <strong>München</strong> zeigt, dass die Polizei nichts aus der<br />

folgenreichen Verharmlosung rechter Strukturen<br />

der vergangenen Jahre gelernt hat. Angesichts<br />

jahrelanger Untätigkeit ist das nicht nur zynisch<br />

gegenüber den betroffenen Initiativen und Einzelpersonen<br />

der jüngsten Angriffe, sondern auch<br />

gegenüber den Opfern des NSU, deren Angehörigen<br />

und gegenüber 173 weiteren Todesopfern<br />

rechter Gewalt seit 1990.<br />

Rassismus in der Gesellschaft – wiederholt<br />

sich die Geschichte?<br />

Anfang der 1990er Jahre wurden in einer offenen<br />

rassistischen St<strong>im</strong>mung der Gesellschaft und vor<br />

dem Hintergrund rassistischer Hetze der Politik<br />

zahlreiche Anschläge auf Flüchtlingslager und<br />

Wohnhäuser von Migrant_innen verübt, bei denen<br />

auch Menschen getötet wurden. In Hoyerswerda<br />

und Rostock-Lichtenhagen applaudierten<br />

Hunderte Anwohner_innen, während ein rechter<br />

Mob Brandsätze auf Unterkünfte von Flüchtlingen<br />

und Vertragsarbeiter_innen warf. Die Polizei<br />

blieb bei den mehrtägigen Ausschreitungen weitgehend<br />

untätig.<br />

Aktuell erleben wir neben den offenen Attacken<br />

von Neonazis in Bayern und Deutschland auch<br />

<strong>im</strong>mer mehr rassistische St<strong>im</strong>mungsmache in Politik<br />

und Öffentlichkeit. Mit der Rede von „massenhafter<br />

Armutsmigration“, flankiert von der<br />

Mär von „integrationsunwilligen“ Migrant_innen<br />

von Sarrazin, Buschkowsky und Co, fühlt<br />

man sich schockierend an die damaligen Zustände<br />

erinnert.<br />

Rechte Angriffe betreffen uns alle – gemeinsam<br />

gegen Einschüchterung und Bedrohung!<br />

Solche Zustände betreffen uns alle, wir dürfen<br />

sie nicht zum Alltag werden lassen! Angriffe von<br />

Neonazis und Rassist_innen auf Migrant_innen,<br />

andere Einzelpersonen und Initiativen sind<br />

<strong>im</strong>mer auch ein Angriff auf die gesamte Gesellschaft.<br />

Wir verlangen, dass Staat und Behörden<br />

ihr jahrelanges Versagen offen eingestehen, die<br />

Verharmlosung neonazistischer Aktivitäten beenden<br />

und das rechte Auge endlich öffnen!<br />

Vor allem aber ist klar: Es liegt an uns! Wir dürfen<br />

nicht zulassen, dass die Angst vor Attacken und<br />

Angriffen wieder <strong>zur</strong> Normalität wird! Wir alle<br />

müssen uns aktiv und couragiert gegen Neonazis<br />

und Rassismus einsetzen! In unseren Vierteln, in<br />

der Stadt und überall.<br />

Solidarität zeigen und aktiv werden:<br />

• Aufruf zeichnen: Wenn ihr <strong>als</strong> Gruppe oder Einzelperson<br />

eure Solidarität ausdrücken und den<br />

Aufruf zeichnen möchtet, schickt eine Mail an:<br />

nsuprozess@riseup.net<br />

• Finanzielle Unterstützung: Durch die Angriffe<br />

entstehen hohe Kosten für die betroffenen Projekte.<br />

Ihr könnt diese mit einer Spende unterstützen:<br />

Bayerischer Flüchtlingsrat, Konto-Nr: 88 32 602,<br />

BLZ: 700 205 00, Stichwort: Spende gegen Nazis<br />

• NSU-Prozess besuchen: Zeigt eure Solidarität<br />

mit den Angehörigen, indem ihr den NSU-Prozess<br />

<strong>als</strong> Zuschauer_in besucht und nehmt damit Nazis<br />

den Platz weg. Besonders wichtig sind dabei der<br />

Wiederbeginn des Prozesses am 4. Juni und der<br />

Jahrestag der Ermordung von Abdurrah<strong>im</strong> Özüdogru<br />

am 13. Juni, aber auch alle weiteren Termine.<br />

Erstunterzeichner_innen:<br />

Bayerischer Flüchtlingsrat | Kurt-Eisner-Verein<br />

für politische Bildung e.V. | Angelika Lex, Rechtsanwältin<br />

| Ligsalz8 | Trägerkreis EineWeltHaus<br />

<strong>München</strong> e.V. | Bündnis gegen Naziterror und<br />

Rassismus.<br />

mitlinks nr. 44 – Juni 2013 13


Von brombeerfarbenen Sitzen bis Rasenklau<br />

Geschichten rund um den Endspurt bei der Stadionsanierung<br />

Von Dr. Markus Drees, Freunde des Sechz’ger Stadions e.V. (FdS)<br />

In nicht mehr ganz einem Monat soll der Spielbetrieb<br />

an der Grünwalder Straße wieder aufgenommen<br />

werden. Die Frage, ob denn alles rechtzeitig<br />

fertig wird, bewegt zunehmend die Gemüter.<br />

Baustellenbesichtigung und Farbendiskussion<br />

Wie schon in der letzten <strong>Ausgabe</strong> von MitLINKS<br />

berichtet, boten das Sportamt und das Baureferat<br />

nach mehreren Anfragen von Seiten diverser Stadträte<br />

an, am 22. März 2013 eine Baustellenbesichtigung<br />

für den <strong>Stadtrat</strong> und die Bezirksausschüsse<br />

abzuhalten. Wenige Tage zuvor wurden die neuen<br />

Flutlichter auf die Masten gehoben, die jetzt eine<br />

etwas rundlichere Form haben. In der Presse geisterten<br />

außerdem Berichte über eine Bestuhlung der<br />

Haupttribüne mit perlbrombeerfarbenen (violetten)<br />

Sitzen herum. Als Fußball-<strong>München</strong> Kritik an dieser<br />

seltsamen und unüblichen Farbwahl übte, ruderte<br />

die Stadtverwaltung <strong>zur</strong>ück und stellte fest,<br />

dass diese Farbgebung keinesfalls endgültig sei,<br />

sondern nur eine mögliche Variante darstelle.<br />

Bei der Besichtigung, zu der auch Roman Beer, der<br />

1. Vorsitzende der Freunde des Sechz’ger Stadions<br />

eingeladen war, stellte das Sportamt klar, dass man<br />

gut <strong>im</strong> Zeitplan liege und auch das Budget eingehalten<br />

werde. Außerdem wurden die bekannten Baumaßnahmen<br />

nochm<strong>als</strong> erläutert und eine offizielle<br />

Eröffnungsfeier für September angekündigt. Einen<br />

Überblick haben wir auf unserer Webseite zusammengestellt:<br />

http://www.gruenwalder-stadion.com/<br />

index_new.php?id=215.<br />

In Bezug auf die Stadionsitze wurde angekündigt,<br />

dass man nicht nur die Haupttribüne neu bestuhlen<br />

werde, sondern auch die große Gegengerade, für die<br />

ursprünglich lediglich ein punktueller Austausch<br />

defekter Sitzgelegenheiten vorgesehen war. Über<br />

die Farbe der Stühle wolle man sich bis nach Ostern<br />

beraten. Diese Informationen nahmen die Freunde<br />

des Sechz’ger Stadions auf und lobten auf die<br />

Schnelle einen Ideenwettbewerb<br />

unter den Münchner<br />

Fußballfans und den FdS-<br />

Mitgliedern aus.<br />

Ideenwettbewerb durchaus<br />

kreativ – Stadt bleibt<br />

ignorant<br />

Innerhalb einer Woche gab<br />

es fast fünfzig Einsendungen,<br />

die freilich nicht alle<br />

den strengen Prüfkriterien<br />

standhielten, welche die Jury<br />

mit Rücksicht auf die städtischen<br />

Vorgaben anwandte.<br />

Beispielsweise sollte die<br />

Sitzgestaltung weder blau<br />

noch rot noch bunt sein, keinen<br />

Vereinsbezug aufweisen und nur offizielle Bezeichnungen<br />

verwenden.<br />

Dem Sieger war eine Gedenkmedaille „100 Jahre<br />

Grünwalder Stadion“ und dem Zweiten ein Becher<br />

Brombeerjoghurt <strong>als</strong> Preis versprochen worden.<br />

Letzteres sollte <strong>als</strong> kleiner Gag in Anspielung auf<br />

die ursprünglich kolportierte Farbvorstellung der<br />

Stadt (s.o.) verstanden werden. Die Presse nahm<br />

das Thema freudig auf, machte erst Werbung für<br />

die Aktion und berichtete danach über die Gestaltungsvorschläge.<br />

Auf unserer Homepage sind alle eingegangenen<br />

Vorschläge zu finden: http://www.gruenwalder-stadion.com/index_new.php?id=216<br />

Zum Siegerentwurf kürte die FDS-Jury einen Vorschlag<br />

mit folgender Gestaltung: Auf der Haupttribüne<br />

der Schriftzug „GWS“ in Grau auf Grün und<br />

auf der Gegengerade „<strong>München</strong>“ / „Giesing“, sowie<br />

das Stadtwappen in gleicher Farbgebung (siehe Abbildung<br />

rechts.).<br />

Der Stadt wurde wegen der strengen Vorgaben ein<br />

Konsens-Vorschlag unterbreitet. Im Gegensatz zum<br />

Siegerentwurf sollte nicht „GWS“, sondern „1911“<br />

(Baujahr der ersten Tribüne am Standort) <strong>als</strong><br />

Schriftzug auf der Haupttribüne verwendet werden.<br />

„GWS“ <strong>als</strong> Abkürzung für „Grünwalder Stadion“<br />

ist zwar eine Bezeichnung, die <strong>im</strong> Volksmund<br />

gängig ist, jedoch nicht der offiziellen Bezeichnung<br />

„Städtisches Stadion an der Grünwalder Straße“<br />

entspricht.<br />

Dieser Konsensvorschlag wurde vor Ostern an die<br />

Stadt (Bürgermeisterin Strobl, Sportamt, Baureferat)<br />

geschickt. Doch eine Reaktion blieb – trotz<br />

mehrfacher Nachfrage – leider aus. Lediglich über<br />

die Presse wurde verkündet, dass man nun drei verschiedene<br />

Grautöne für die Stühle auf den beiden<br />

Sitztribünen verwenden wird. „Hier sieht man wieder,<br />

wie die Stadt mit Bürgerengagement umgeht“,<br />

meinte daraufhin FDS-Vorsitzender Beer gegenüber<br />

Pressevertretern.<br />

Die neue Osttribüne und ein<br />

neu gestalteter Flutlichtmast<br />

<strong>im</strong> Grünwalder Stadion<br />

14 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013


Siegerentwurf be<strong>im</strong> Ideenwettbewerb <strong>zur</strong> Sitzfarbengestaltung. Bei genauem Hinsehen zu erkennen: Auf der Haupttribüne<br />

der Schriftzug „GWS“ (<strong>im</strong> Original) Grau auf Grün und auf der Gegengerade „<strong>München</strong>“/„Giesing“, sowie das Stadtwappen<br />

in gleicher Farbgebung.<br />

Irrungen und Wirrungen über<br />

Drittliga-Tauglichkeit<br />

In der Regionalliga Bayern sprintete die zweite<br />

Mannschaft des TSV 1860 unterdessen unerwartet<br />

von Sieg zu Sieg und letztendlich an die Tabellenspitze.<br />

Als Meister der Regionalliga Bayern durften<br />

die „kleinen Löwen“ an der Aufstiegsrelegation <strong>zur</strong><br />

3. Liga teilnehmen. Als Gegner bekamen sie den<br />

saarländischen Verein SV Elversberg (Vizemeister<br />

der Regionalliga Südwest) zugelost. Im ersten<br />

Spiel gab es <strong>im</strong> Saarland eine knappe 2:3-Niederlage.<br />

Am 2. Juni sollte das Rückspiel in der Allianz<br />

Arena steigen. Andere Spielstätten waren für dieses<br />

Juni-Wochenende nicht verfügbar. Kurz vor Beginn<br />

wurde dann die Partie aufgrund der vielen Niederschläge<br />

an diesem Tag und in denen davor wegen<br />

Unbespielbarkeit des Platzes auf Dienstag, 4. Juni,<br />

verschoben, obwohl schon über 11.000 Zuschauer<br />

<strong>im</strong> Stadion waren. An diesem 4.6. gab es dann<br />

für die „kleinen Löwen“ einen<br />

Rekordbesuch von sogar 14.500<br />

Zuschauern, die eine spannende<br />

Partie sahen. Verdient ging<br />

1860 II vor der Pause mit 1:0 in<br />

Führung. Nach den geltenden<br />

Regeln mit den mehr erzielten<br />

Auswärtstoren in der Addition<br />

beider Spiele wären die Löwen<br />

nun in der 3. Liga. Doch am<br />

Schluss fehlten 7 Minuten zum<br />

großen Wurf. In der 83. Minute<br />

glich Elversberg aus und die<br />

Saarländer schafften so den<br />

Aufstieg. Den „kleinen Löwen“<br />

bleibt der Trost, eine unerwartet<br />

gute Saison gespielt zu haben<br />

und in der nächsten zwei<br />

Hier soll die Stadiongastronomie<br />

einziehen – der Pächter wird<br />

noch gesucht<br />

mitlinks nr. 44 – Juni 2013 15


Derbys gegen den Bayern <strong>München</strong> II austragen zu<br />

können. Werbung für den Besuch der Regionalligaspiele,<br />

die ja dann wieder in Giesing stattfinden,<br />

haben sie ohnehin gemacht. Leider hat es nicht geklappt,<br />

dass nun wieder Drittliga-Spiele in Giesing<br />

ausgetragen werden, zumal die strengeren Auflagen<br />

dieser Liga auch Grundlage des Stadionumbaus<br />

waren.<br />

Doch blicken wir nochm<strong>als</strong> in den April <strong>zur</strong>ück!<br />

Die Drittliga-Tauglichkeit des umgebauten Stadions<br />

wurde in Berichten der Süddeutschen Zeitung<br />

in Frage gestellt, da die Stadt f<strong>als</strong>ch geplant habe.<br />

Dabei wurde spekuliert, dass die Osttribüne aus Sicherheitsgründen<br />

nicht genutzt werden könne, weil<br />

deren Eingänge direkt neben denen der Gegengerade<br />

liegen. Da die Gegengerade für He<strong>im</strong>-Fans<br />

von 1860 und Bayern und genutzt wird, könne man<br />

keine Gästefans in die Ostkurve lassen, da es sonst<br />

keine Fantrennung an den Eingängen mehr geben<br />

würde. Auch schien der Stadt das Geld ausgegangen<br />

zu sein, da die Polizeicontainer entgegen anderslautender<br />

Pläne vorerst nicht vollständig von<br />

der Westkurve in die neue Tribüne <strong>im</strong> Osten umziehen<br />

werden.<br />

Die SZ-Berichte wurden zufälligerweise kurz vor<br />

dem Besuch einer DFB-Kommission veröffentlicht,<br />

die wegen des möglichen Aufstiegs von 1860 II die<br />

Drittliga-Tauglichkeit der Sportstätte überprüfen<br />

sollte. Die Kommission hatte aber nichts zu beanstanden.<br />

Es hätten <strong>als</strong>o nach Fertigstellung der<br />

Sanierungsarbeiten gegebenenfalls auch Spiele<br />

der 3. Liga in der neuen Saison durchgeführt werden<br />

können. Der Stadt lagen die SZ-Berichte, die<br />

den Anschein erweckten, einen Skandal herbeizuschreiben,<br />

aber so schwer <strong>im</strong> Magen, dass extra in<br />

der Rathaus-Umschau darauf eingegangen und die<br />

Faktenlage richtiggestellt wurde.<br />

Stadionskulptur und Stadiongaststätte<br />

Die Freunde des Sechz’ger Stadions hatten <strong>im</strong> letzten<br />

Jahr eine Stadionskulptur in Form einer Stele<br />

anfertigen lassen und diese für einige Wochen <strong>im</strong><br />

Kunstforum am Hans-Mielich-Platz präsentiert.<br />

Der Wunsch, auch des Bezirksausschusses 18 Untergiesing-Harlaching,<br />

war es nun, diese Stele vor<br />

oder <strong>im</strong> sanierten Stadion dauerhaft aufzustellen.<br />

Dies wird nun tatsächlich so passieren, nachdem<br />

ein Standort gefunden wurde. Die Stele wird an der<br />

Südost-Ecke des Stadions ihren Platz finden, wo<br />

unterhalb der <strong>als</strong> Stadionwirtschaft zu nutzenden<br />

VIP-Räume ein Arkadenbereich mit Zugang zum<br />

Aufzug und dem Treppenaufgang zu den Räumlichkeiten<br />

der Stadiongastronomie entstanden ist.<br />

Apropos Stadiongaststätte: Es steht <strong>im</strong>mer noch<br />

nicht fest, wer die Stadiongastronomie übernehmen<br />

wird. Einen guten Monat vor Beginn des Spielbetriebs<br />

wird der Zeitplan für die Brauerei und einen<br />

möglichen Wirt <strong>im</strong>mer enger. Der Raum ist bereits<br />

mit Glaswänden, Heizkörpern und weiterer Infrastruktur<br />

versehen. Anscheinend ist es aber bisher<br />

nicht gelungen, dass Hacker-Pschorr <strong>als</strong> Direktpächter<br />

mit der Stadt eine Einigung über die neuen<br />

Pachtbedingungen erzielen konnte, da sich die<br />

Verhandlungen schwierig gestalten, weil mehrere<br />

städtische Referate an ihnen beteiligt sind. Somit<br />

können nun auch interessierten Wirten keine wirtschaftlichen<br />

Konditionen für die Gaststättenpacht<br />

präsentiert werden. Es bleibt spannend, ob die Gastronomie<br />

zum Saisonstart <strong>im</strong> Juli fertig sein wird ...<br />

Das „Allerletzte“: Rasenraub <strong>im</strong> Stadion<br />

Kurz vor Redaktionsschluss ereignete sich noch folgende<br />

Geschichte: Über Pfingsten sind unbekannte<br />

Täter ins Grünwalder Stadion eingestiegen und haben<br />

nach Zeitungsberichten einen Schaden von ungefähr<br />

5.000 Euro verursacht. Sie haben den Rasen,<br />

der <strong>im</strong> Oktober 2012 verlegt worden war, auf einer<br />

Fläche von sieben Quadratmetern herausgerissen<br />

und mitgehen lassen. Eine Verzögerung <strong>im</strong> Baufortschritt<br />

wird aber dadurch nicht erwartet. Die Täter<br />

sind bisher nicht identifiziert, und die Chance wird<br />

eher <strong>als</strong> gering eingeschätzt, dass dies noch passiert.<br />

Eines ist klar: Es wird nie langweilig rund um Giesings<br />

Traditionsstadion!<br />

In der nächsten MitLINKS-<strong>Ausgabe</strong> können wir<br />

hoffentlich über die Wiederaufnahme des Spielbetriebs<br />

und die Klärung der letzten noch offenen<br />

Fragen berichten.<br />

<br />

Fachinformationsstelle Rechtsextremismus informiert<br />

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit<br />

in <strong>München</strong> Von Mario S<strong>im</strong>eunovic<br />

Dr. Christian Ganser vom Institut für Soziologie<br />

der Ludwig-Max<strong>im</strong>ilians-Universität <strong>München</strong> war<br />

am 10. Juni <strong>im</strong> kleinen Sitzungssaal des Rathauses<br />

zu Gast. Auf Einladung der Fachinformationsstelle<br />

Rechtsextremismus stellte er erste Ergebnisse einer<br />

schriftlichen Befragung zu Gruppenbezogener<br />

Menschenfeindlichkeit (GMF) in <strong>München</strong> vor.<br />

Eine breit angelegte, empirische Studie<br />

Für die Untersuchung wurden <strong>im</strong> Februar und März<br />

dieses Jahres nach dem Zufallsprinzip Münchner<br />

Haushalte ausgewählt und angeschrieben. Immerhin<br />

30,4 % davon sendeten ihren Fragebogen <strong>zur</strong>ück,<br />

was die ansehnliche Teilnehmerzahl von 1.139<br />

ergab. Diese beantworteten eine Reihe von Fragen<br />

bezüglich ihrer Einstellung zu Ausländern, Behinderten,<br />

Frauen, Homosexuellen, Langzeitarbeitslosen,<br />

jüdischen und musl<strong>im</strong>ischen Mitbürgern sowie<br />

zum Nation<strong>als</strong>ozialismus und deutscher Überlegenheit.<br />

Die Antworten wurden anschließend auf einer Skala<br />

von 1 bis 5 gewichtet, wobei ein Wert von 5 eine<br />

deutliche Ablehnung der jeweiligen Gruppe signalisiert,<br />

während ein Wert von 1 für keinerlei feindliche<br />

Einstellung steht. Erfasst wurde weiterhin, wie<br />

hoch der Anteil derjenigen Befragten war, deren<br />

Ergebnis <strong>im</strong> Hinblick auf eine Gruppe den Mittel-<br />

16 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013


wert von 3 überstieg, <strong>als</strong>o eine insgesamt ablehnende<br />

Haltung zeigte. Auf diese Weise kristallisierten<br />

sich bei der Auswertung drei Gruppen heraus, die<br />

signifikantes Ziel menschenfeindlicher Einstellung<br />

waren. Wohnungslose, Langzeitarbeitslose und<br />

Musl<strong>im</strong>e wurden <strong>im</strong> Schnitt am deutlichsten abgelehnt<br />

(2,6 - 3). Bei ihnen fanden sich auch die meisten<br />

Befragten, deren Ergebnis 3 überstieg und die<br />

damit eine überwiegend feindliche Einstellung zu<br />

diesen Gruppen ausdrückten.<br />

Überwiegend ablehnend gegenüber dem Islam äußerten<br />

sich 41,3 % aller Teilnehmer. 40 % der Befragten<br />

zeigten eine überwiegend feindliche Einstellung<br />

zu Langzeitarbeitslosen, bei Wohnungslosen<br />

waren es <strong>im</strong>mer noch 23,5 % Ablehnung. Der<br />

Grad der Menschenfeindlichkeit wurde über weiche<br />

und harte Fragen ermittelt. So wurde beispielsweise<br />

„weich“ gefragt, ob der Aussage zuzust<strong>im</strong>men<br />

sei, dass Obdachlose unverschuldet in ihre Situation<br />

geraten seien oder zugespitzt, ob bettelnde Obdachlose<br />

aus der Fußgängerzone zu entfernen seien.<br />

Die milde und die harte Variante der<br />

Menschenfeindlichkeit<br />

Ob die musl<strong>im</strong>ische Kultur nach Deutschland passe,<br />

lieferte den weichen Indikator, ob es zuviele<br />

Musl<strong>im</strong>e in Deutschland gäbe, den harten. Diese<br />

Abstufung ist wichtig, denn mit ihr können gesellschaftliche<br />

Tabus best<strong>im</strong>mt werden. Jemand<br />

der findet, dass Langzeitarbeitslose keine zusätzliche<br />

Unterstützung benötigen, st<strong>im</strong>mt der Aussage,<br />

dass diese sich ein bequemes Leben machen, nicht<br />

zwangsläufig zu, es sei denn, eine solche Äußerung<br />

wäre derzeit akzeptabel.<br />

Die Radikalität der feindlichen Haltung differenziert<br />

sich entsprechend aus, von unterschwelligen<br />

Vorbehalten bis hin zu schroffer Ablehnung. Gruppen,<br />

deren offene Diskr<strong>im</strong>inierung hingegen tabuisiert<br />

ist, werden auch nur von wenigen Befragten<br />

eindeutig abgelehnt. Dies war bei Frauen, Homosexuellen<br />

und Juden der Fall.<br />

Nur 5,5 % der Teilnehmer zeigte eine überwiegend<br />

ablehnende Haltung gegenüber Behinderten. Wenn<br />

diese auf der Skala feindlicher Einstellung aber bei<br />

2 <strong>im</strong> Mittelfeld aller Gruppen landeten, so bedeutet<br />

das, dass trotzdem ein ganze Anzahl Menschen<br />

fand, dass es ihnen zu gut gehe.<br />

Die Runde <strong>im</strong> Kleinen Sitzungssaal hielt sich lange<br />

damit auf, die Einzelergebnisse zu hinterfragen<br />

und sich die Methode der Untersuchung erläutern<br />

zu lassen. Vorschläge und Anregungen für politisches<br />

Handeln blieben weitgehend aus. Was hätten<br />

die sechs anwesenden Stadträte von Grünen, SPD<br />

und CSU auch an Ideen anbieten können, um Vorbehalten<br />

gegenüber Langzeitarbeitslosen oder Wohnungslosen<br />

entgegen zu wirken? Zum Phänomen<br />

Islamfeindlichkeit meinte hingegen SPD-<strong>Stadtrat</strong><br />

Dr. Reinhard Bauer, es müssten mehr Begegnungen<br />

mit Musl<strong>im</strong>en ermöglicht werden, damit diese Gelegenheit<br />

erhielten, bestehende Vorurteile zu widerlegen.<br />

So geraten am Ende die Opfer von Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

noch unter Rechtfertigungszwang.<br />

Die Politik <strong>als</strong> nicht teilnehmende<br />

Beobachterin<br />

Dabei wäre die Aufgabe der Politik naheliegend<br />

und einfach umschrieben. Alle Untersuchungen zu<br />

Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit belegen<br />

einhellig, dass feindliche Einstellungen gegenüber<br />

einer Gruppe in ihrer radikalen Ausprägung weder<br />

das Ergebnis von Traditionen noch von regionalen<br />

Besonderheiten sind. Gerade das macht diese<br />

Methode so bestechend, dass sie sich nicht an ein<br />

best<strong>im</strong>mtes Feindbild wie Xenophobie oder Antisemitismus<br />

klammert, sondern einer universalen<br />

christlichen Liebesethik folgend, die Menschenfeindlichkeit<br />

an sich zum Gegenstand ihrer Untersuchung<br />

macht. Dadurch wird sie <strong>im</strong>mun gegenüber<br />

sich objektiv gebenden Einwänden und Vorbehalten<br />

gegenüber ganzen Gruppen, die nie etwas anderes<br />

sind, <strong>als</strong> der Ausfluss von gegenwärtig geschürten<br />

Ängsten.<br />

Die Angst vor islamistischen Terroristen und Salafisten<br />

ist derzeit beherrschend, ebenso vor faulen<br />

und schmarotzenden Hartz-IVlern, wegen denen<br />

für mich <strong>im</strong> Ernstfall keine soziale Sicherung mehr<br />

bereit steht, oder vor der beängstigend wachsenden<br />

Zahl von Menschen, die <strong>im</strong>mer ungenierter die Abfallkörbe<br />

der Stadt nach Pfandflaschen durchsuchen<br />

und womöglich schon keine Wohnung mehr<br />

haben. Da wird die Möglichkeit des eigenen sozialen<br />

Ertrinkens <strong>im</strong>mer greifbarer und furchterregender,<br />

obwohl offensichtlich sein müsste, dass hier<br />

keine Naturgesetze in Form einer Flutkatastrophe<br />

verantwortlich sind.<br />

Ein erstes Fazit von Ganser lautet denn auch, das<br />

das Gefühl politischer Machtlosigkeit Feindseligkeiten<br />

zu begünstigen scheint.<br />

So werden innerlich die Armen bekämpft und<br />

nicht politisch die Armut. Warum? Weil die gesellschaftliche<br />

Elite und die etablierte Politik genau<br />

diese Haltung vorgeben. Sie haben es aufgegeben,<br />

sich für die sozialen Verhältnisse verantwortlich zu<br />

fühlen. Sie haben es geschafft, den für eine Demokratie<br />

unerhörten Glauben zu etablieren, die Politik<br />

könne an diesen Zuständen nichts ändern. 60 % der<br />

Befragten gaben an, keinen Kontakt zu Langzeitarbeitslosen<br />

zu haben. Ob sich an der feindseligen<br />

Haltung etwas ändert, wenn nur genügend Begegnungen<br />

organisiert werden? Zählt doch der Kontakt<br />

zu Angehörigen einer diskr<strong>im</strong>inierten Gruppe mithin<br />

<strong>als</strong> anerkanntes Mittel zum Abbau von Vorurteilen.<br />

Die Drohkulisse „Sozialer Abstieg“ wird dadurch<br />

kaum beseitigt, sondern eher noch verstärkt.<br />

Wirtschaftliche Interessen bleiben für alle Bürger<br />

der erkennbare Motor politischen Handelns.<br />

Die bescheidenen wirtschaftlichen Interessen von<br />

Wohnungs- und Erwerbslosen oder von Migranten<br />

bewegen hier nichts außer Symbolhandlungen.<br />

Beispiele? Sanktion und Kürzung von Erwerbslosen,<br />

Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus,<br />

Ausweisung und Zuwanderungsbeschränkung,<br />

aber Rettung und Steuerschlupflöcher für große<br />

Vermögen in spekulativen Nöten sowie Verzicht<br />

auf die Ermittlung und Verurteilung von kapitalen<br />

Steuerhinterziehern sind bundesdeutsche politische<br />

Realität.<br />

Es muss nicht wundern, wenn der feine menschenfeindliche<br />

Kern zentraler politischer Botschaften,<br />

sei es in Reden, in Medienbeiträgen oder Gesetzen,<br />

zunächst „weiche“ Ausgrenzungstendenzen beflügelt<br />

und darunter <strong>im</strong>mer mehr Raum für die „harten“<br />

Formen der Menschenverachtung lässt. Raum<br />

für gewalttätige Rassisten, die sich dann <strong>als</strong> stolze<br />

Deutsche über Menschen anderer Kulturen und alles<br />

„Asoziale“ erheben können.<br />

Auf die abschließende Auswertung der Studie von<br />

Dr. Christian Ganser darf die Münchner Stadtgesellschaft<br />

gespannt sein, auf die politischen Reaktionen<br />

wohl eher nicht.<br />

mitlinks nr. 44 – Juni 2013 17


Theater<br />

für Kinder<br />

Yalla Arabi – Großer Einsatz für arabische<br />

Kultur und Sprache in <strong>München</strong> Von Firouz Bohnhoff, Yalla Arabi<br />

Yalla Arabi ist eine Münchner Gruppe, die sich für<br />

die Förderung arabischer Kultur und Sprache einsetzt.<br />

Sie möchte sowohl die deutsche Öffentlichkeit<br />

<strong>als</strong> auch die in Deutschland lebenden Araberinnen<br />

und Araber über kulturelle, soziale und auch politische<br />

Diskurse in der arabischen Welt informieren.<br />

Yalla Arabi ist der Überzeugung, dass die Förderung<br />

einer eigenen sprachlichen und kulturellen<br />

Identität der in Deutschland lebenden Araberinnen<br />

und Araber mit gleichzeitiger Förderung ihrer Mitwirkung<br />

und Mitgestaltung am öffentlichen Leben<br />

der richtige Weg zu einer gesunden, produktiven<br />

und nachhaltigen Integration ist. Darauf basieren<br />

die kulturellen Angebote der Gruppe, die auf arabische<br />

Mitbürgerinnen und Mitbürger ebenso wie auf<br />

betroffene und interessierte deutsche Staatsbürger<br />

abzielen. Unter anderem gibt es folgende Angebote:<br />

Yalla Madrasa: Arabische Sprachkurse für Kinder<br />

und Erwachsene mit Hilfe von modernen und spaßorientierten<br />

Methoden und dem Einsatz von Theater,<br />

Internet und Musik. Regelmäßig finden vier<br />

verschiedene Kurse für Kinder ab drei Jahren und<br />

zwei Erwachsenen-Kurse statt.<br />

Yalla Thakafa: Dieses Angebot zielt auf die Übermittlung<br />

arabischer Kultur nach außen und innen<br />

ab. Mittels Lesungen arabischer Werke befasst sich<br />

die Gemeinde mit dem eigenen Erbe. Dann versucht<br />

sie über deutschsprachige Kulturveranstaltungen<br />

wie Bilderausstellungen, Theatervorführungen und<br />

Literaturvorstellungen dieses Erbe mit der sozialen,<br />

kulturellen und politischen Umgebung zu teilen.<br />

Yalla Fann: Hier geht es um die Förderung und<br />

<strong>Link</strong>s: Party von Yalla Arabi. Rechts: Gut besuchte Podiumsdiskussion<br />

bei der Ausstellung und Podium.<br />

18 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013


Vermittlung arabischer Kunst durch Musik-, Tanzund<br />

Gesangsunterricht für arabische und nicht arabische<br />

Interessierte. Derzeit werden Oud-, Dabkeund<br />

Gesangskurse durchgeführt.<br />

Yalla Damj: Ein aktiver Beitrag arabischer Einzelpersonen<br />

und Gruppen zum öffentlichen und sozialen<br />

Leben in Deutschland – für uns ein wichtiges<br />

Mittel der Integration.<br />

Nun noch zu einem Thema, welches Yalla Arabi<br />

sehr am Herzen liegt, der Aufstand der Frauen in<br />

der arabischen Welt. Am 1. Oktober 2012, ein Jahr<br />

nach Gründung der Facebook-Seite „Der Aufstand<br />

der Frauen in der arabischen Welt“, wurde eine<br />

weitere Kampagne auf Facebook und Twitter gestartet:<br />

„Ich bin für die Intifada der Frauen in der<br />

arabischen Welt, weil ...“. Frauen und Männer wurden<br />

gebeten, ein Bild von sich zu senden und darauf<br />

den Grund anzugeben, warum sie diesen Aufstand<br />

brauchen.<br />

Yalla Arabi steht auf der Seite der arabischen Frauen<br />

bei ihrem Aufstand und unterstützt die Kampagne.<br />

In der Initiativ-Gruppe in der Karlstraße 50<br />

konnte die Gruppe am 18. Mai 2013 eine Ausstellung<br />

dazu eröffnen. Bei einer Podiumsdiskussion in<br />

Oben:<br />

Die Yalla Arabi-<br />

Austellung<br />

<strong>Link</strong>s:<br />

Aus der<br />

Ausstellung<br />

diesem Rahmen wurde eine der Gründerinnen der<br />

Kampagne, Frau Farah Barkawi, via Skype zugeschaltet,<br />

die dem Publikum über ihre Aktionen berichtete.<br />

Die Ausstellung wird bis zum 19. Juni dauern. Yalla<br />

Arabi hat sich sehr gefreut, am 19. Mai von der<br />

großartigen Schauspielerin Salwa Nakkara mit ihren<br />

Theaterstück „Cappuccino in Ramallah“ beehrt<br />

zu werden.<br />

Wenn Sie Fragen haben, so zögern Sie nicht,<br />

iYalla Arabi anzusprechen:<br />

Die Gruppe ist wie folgt zu erreichen:<br />

Email: yalla3arabi@gmail.com<br />

Website: facebook.com/yalla3arabi<br />

Oben: Yalla Madrasa<br />

mitlinks nr. 44 – Juni 2013 19


„Wem gehört die Stadt?“<br />

Die Ausstellung über die neuen sozialen Bewegungen<br />

der 1970er Jahre in <strong>München</strong> ist noch bis zum ersten<br />

September <strong>im</strong> Stadtmuseum zu sehen. Ein Besuch<br />

lohnt sich, wird aber kaum genügen, um alle Bilder,<br />

Tonspuren, Kurzfilme und Publikationen zu begutachten.<br />

Nach einem Gang durch die Ausstellung <strong>im</strong> Stadtmuseum<br />

ist klar: die Themen haben sich nicht unbedingt<br />

geändert. Die 1970er Jahre können in diesem<br />

Sinne <strong>als</strong> Geburtsstunde der heutigen Zivilgesellschaft<br />

angesehen werden. Nur dass die heutige Zivilgesellschaft<br />

meist viel konformer, weniger bunt und<br />

provokant daherkommt. Oft haben sich die Themen<br />

der sozialen Bewegungen in institutionelle Rahmen<br />

begeben oder werden hauptsächlich von NGOs thematisiert.<br />

Die junge Generation der 1970er Jahre bildete mit<br />

Stadtteilkomitees und Betriebs-Basisgruppen, mit<br />

Bilder: haeusernot-demo_blumenstrasse_1979 | gestickter-marx_basis-buchhandlung_um1978<br />

| blatt-167_1980<br />

Von S<strong>im</strong>on Goeke<br />

Hausbesetzungen und Bürgerinitiativen, mit alternativen<br />

Stadtmagazinen und selbstverwalteten Jugendzentren<br />

eine Gegenöffentlichkeit, die bis heute<br />

Einfluss auf das Selbstverständnis der Münchnerinnen<br />

und Münchner hat. „Wem gehört die Stadt?“ ist<br />

<strong>als</strong>o genau die richtige Frage. Denn auch wenn viele<br />

der Auseinandersetzungen wenig erfolgreich aus<br />

Sicht der Aktivistinnen und Aktivisten gewesen sein<br />

dürften, hinterließen sie doch sichtbare Spuren in<br />

der Stadt und bei ihren Bewohner*innen. Es bereitet<br />

heute noch große Freude, die Zeugnisse dieser Bewegung<br />

zu betrachten.<br />

Dass es den Ausstellungsmacher*innen schwer gefallen<br />

ist, die Auswahl an Exponaten klein zu halten,<br />

liegt wahrscheinlich daran, dass sie meist selbst noch<br />

zu den Aktivist*innen gehört haben dürften, ist aber<br />

entschuldbar. Nach einem zweistündigen Besuch<br />

bleibt das Gefühl, Vieles verpasst zu haben und sich<br />

unbedingt nochmal (hin-)bewegen zu müssen. <br />

Verweigern Widersetzen Revoltieren Von S<strong>im</strong>on Goeke<br />

Der 35. Kongress der „Bundeskoordination Internationalismus“<br />

(Buko) widmete sich der Verweigerung<br />

<strong>als</strong> politischer Strategie. Neben einem enorm<br />

vielfältigen Workshop-Programm enttäuschte die<br />

zentrale Podiumsdiskussion <strong>im</strong> Freiheiz.<br />

Der Hof des Eine-Welt-Hauses, das <strong>als</strong> Tagungszentrum<br />

diente, wurde <strong>zur</strong> Groß-Volx-Küche umfunktioniert.<br />

Mehr <strong>als</strong> 350 Aktivistinnen und Aktivisten<br />

nahmen an über 70 Veranstaltungen teil.<br />

Auch Räume <strong>im</strong> benachbarten DGB-Haus sowie<br />

das Büro der <strong>Link</strong>spartei und das des Kurt-Eisner-<br />

Vereins <strong>im</strong> Westend wurden genutzt. Keine Frage,<br />

der 35. BUKO-Kongress, der Anfang Mai in <strong>München</strong><br />

stattfand, hatte Einiges zu bieten und kann <strong>als</strong><br />

voller Erfolg gelten. Gut beraten waren die Besucherinnen<br />

und Besucher, sich an einem Thema zu<br />

orientieren. Drei rote Fäden, so genannte Tracks,<br />

zogen sich durch das Programm: Antirassismus,<br />

Ant<strong>im</strong>ilitarismus und Ressourcenkämpfe.<br />

Neben den Vorträgen und Diskussionen fanden<br />

auch praktische Workshops statt. Besonderen Andrang<br />

hatten dabei, trotz miserablen Wetters, die<br />

Stadtrundgänge. So machten sich Einige auf die<br />

Suche nach Spuren der kolonialen Vergangenheit<br />

<strong>München</strong>s. Andere nahmen an einem ant<strong>im</strong>ilitaristischen<br />

Stadt-Spaziergang teil, der fast schon den<br />

Charakter einer Spontandemo hatte. Wieder andere<br />

gingen <strong>zur</strong> Lesung am Königsplatz anlässlich des<br />

Jahrestages der Bücherverbrennungen oder informierten<br />

sich auf einem Rundgang über die politische<br />

Geschichte <strong>München</strong>s.<br />

Schade nur, dass neben dem spannenden Workshop-Programm<br />

ausgerechnet die zentrale Podiumsdiskussion<br />

<strong>im</strong> Freiheiz zu allgemeiner Enttäuschung<br />

führte. Vielleicht war es schon die thematische<br />

Rahmung, die hier zu einer Verweigerung der<br />

Podiumsgäste führte, tatsächlich über die derzeitig<br />

erlebten Krisenproteste und anhaltenden Auseinandersetzungen<br />

in Nordafrika zu diskutieren. Die<br />

vom französischen „Unsichtbaren Kommitee“ formulierte<br />

Analyse <strong>im</strong> 2007 erschienenen „Kommenden<br />

Aufstand“, dass es zu neuen und neuartigen<br />

permanenten Zyklen der sozialen Kämpfe kommen<br />

werde, sollte von Aktivist*innen der autonomen<br />

und anarchistischen Bewegungen Griechenlands,<br />

Spaniens, Frankreichs und Tunesiens diskutiert<br />

werden. Obwohl schnell klar wurde, dass das Manifest<br />

des „Unsichtbaren Komitees“ in keinem der sozialen<br />

Kämpfe eine besondere Beachtung gefunden<br />

hatte, hielt die Moderatorin an dem thematischen<br />

Rahmen fest, so dass manch einem Podiumsgast<br />

20 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013


nichts anders übrig blieb, <strong>als</strong> verständnislos mit den<br />

Achseln zu zucken.<br />

Dadurch erfuhr das Publikum in der überfüllten<br />

Freiheiz-Halle wenig bis nichts über die unterschiedlichen<br />

Einschätzungen aus den Krisenprotesten<br />

in Spanien, Griechenland und Frankreich<br />

sowie aus der postrevolutionären Bewegung in Tunesien.<br />

Statt dessen musste es ertragen, wie die Moderatorin<br />

behauptete, in Deutschland schaue man<br />

mit Neid auf Griechenland und Spanien, da hier so<br />

viel Bewegung sei. Leider wies keiner der Gäste die<br />

Moderatorin darauf hin, dass an der Ursache dieser<br />

Bewegungen – der sozialen Not der Menschen<br />

– nichts Beneidenswertes ist. Stattdessen endete<br />

die Diskussion mit einer ähnlich bemerkenswerten,<br />

aber erschreckenden Analyse des französischen<br />

Gastes. Die Frage, wie eine internationalistische<br />

Perspektive <strong>im</strong> Gegensatz zu nationalistisch-protektionistischen<br />

Bestrebungen aussehen könnte,<br />

beantwortet er mit der Aufforderung nicht in „den<br />

Deutschen“ die Verursacher der Sparpolitik <strong>im</strong> Süden<br />

Europas auszumachen, sondern in der „protestantischen<br />

Ethik des Kapitalismus“. Die Antwort<br />

auf die Frage, was an der Frontstellung Katholiken<br />

gegen Protestanten fortschrittlicher sein sollte <strong>als</strong><br />

an nationalistischen Erklärungsmustern, blieb der<br />

vermeintliche Autor des „Kommenden Aufstands“<br />

schuldig.<br />

So ging von der Podiumsdiskussion kein Impuls aus<br />

für eine internationalistische Perspektive der sozialen<br />

Bewegungen in Europa und Nordafrika. Umso<br />

deutlicher wurde, dass die internationale Vernetzung<br />

der Kämpfe und eine Debatte darüber, wie ein<br />

neuer Internationalismus jenseits der etablierten<br />

Institutionen aussehen könnte, in Zukunft noch intensiviert<br />

werden muss.<br />

Schalom Ben-Chorin<br />

Brückenbauer deutsch-israelischer Verständigung<br />

<strong>im</strong> Sinne eines Dialogs<br />

<strong>München</strong> gedenkt vom 18. bis 21. Juli 2013 seines<br />

100. Geburtstags Von Renée Rauchalles<br />

Schalom Ben-Chorin in Jerusalem<br />

(Datum unbekannt)<br />

Wenn der am 20.<br />

Juli 1913 in <strong>München</strong><br />

geborene Lyriker,<br />

Schriftsteller,<br />

Journalist und<br />

Religionsphilosoph<br />

Schalom Ben-Chorin<br />

an die He<strong>im</strong>atstadt<br />

seiner Jugend<br />

dachte, dann sah<br />

er vor seinem inneren Auge den Englischen Garten,<br />

durch den ihn sein Weg von seinem Elternhaus<br />

in der Münchner Oettingenstraße <strong>zur</strong> Universität<br />

führte, an der er von 1931 bis 1934 Literaturgeschichte<br />

und vergleichende Religionswissenschaften<br />

studierte. Vor allem – so schildert er in seinen<br />

Erinnerungen „Jugend an der Isar“ – sah er den<br />

„wie mit Pastellfarben in die Landschaft hineingezeichneten“<br />

Monopteros, der ihm <strong>im</strong>mer wieder „<strong>im</strong><br />

Traume <strong>als</strong> ein Tempel der Sehnsucht“ aufleuchtete,<br />

in dem er unvergessliche Stunden, lesend oder<br />

schreibend, verbrachte. Oder er genoss nachts stille<br />

Zweisamkeit. Von hier aus lauschte er den Glockenspielen<br />

der Türme, die <strong>als</strong> Wahrzeichen in den<br />

Münchner H<strong>im</strong>mel ragten. Sie waren die Symphonien<br />

seiner Kindheit und Jugend, die sich zu neuen<br />

Tönen verwandelten, <strong>als</strong> er aufbrach ins Gelobte<br />

Land.<br />

Doch erst einmal brach er aus seinem jüdisch ass<strong>im</strong>ilierten<br />

Vaterhaus aus, und zwar an jenem Weihnachtsabend<br />

1928, an dem er das christliche Fest<br />

nicht mehr feiern wollte, weil er es <strong>als</strong> Widerspruch<br />

zu seinem Judentum empfand. „Wenn du nicht mit<br />

uns feiern willst, hast du hier keinen Platz mehr“,<br />

sagte seine Mutter. Und so verließ der 15-jährige<br />

Fritz Rosenthal an diesem Abend die elterliche<br />

Wohnung. Zitternd vor Kälte irrte er durch die<br />

Straßen und fand noch in der Nacht Unterkunft<br />

bei einer strenggläubigen Familie. Ein ganzes Jahr<br />

unterzog er sich dort den gestrengen Regeln und<br />

Bräuchen des „Schulchan Aruch“, danach kehrte er<br />

wieder <strong>zur</strong> Mutter <strong>zur</strong>ück, die die Familie seit dem<br />

Tod des Vaters 1924 mit einem kleinen Seifenhandel<br />

über Wasser hielt.<br />

Von nun an wandte sich der Geläuterte dem liberalen<br />

Judentum zu. In einem Ferienlager des Bundes<br />

jüdischer Pfadfinder legte er das stumme Gelöbnis<br />

ab, nach Jerusalem zu gehen, wo er sich die Erfüllung<br />

seiner Vorstellung von gelebtem, lebendigem<br />

Glauben jenseits von Ritual und Gesetz erhoffte.<br />

In der Zeitschrift „Zion“ erschien 1930 sein Aufsatz<br />

„Der Nationalismus in der absoluten Konsequenz“,<br />

in dem er sich mit dem Buch „Probleme des<br />

modernen Judentums“ von Jakob Klatzkin auseinandersetzte.<br />

Die Begegnung mit Martin Buber <strong>im</strong><br />

selben Jahr und dessen Rede „Wie kann Gemeinschaft<br />

werden?“ prägten sich dem 17-jährigen tief<br />

ins Gedächtnis. Ihm, seinem späteren Freund und<br />

Lehrer, widmete er 1931 seinen Legendenkreis „Die<br />

seltsame Gemeinde“ und 1966 – in Erinnerung an<br />

den 1965 Verstorbenen – sein Buch „Zwiesprache<br />

mit Buber“.<br />

1932, <strong>als</strong> noch niemand an eine geschlossene kollektive<br />

Auswanderung der Juden nach Palästina<br />

dachte, konzipierte Schalom Ben-Chorin – so nannte<br />

sich Fritz Rosenthal seit 1931, was „Friede, Sohn<br />

der Freiheit“ bedeutet – einen geordneten Auswanderungsplan,<br />

weil er von der Aussichts- und<br />

Zukunftslosigkeit des deutschen Judentums tief<br />

überzeugt war. Sein Plan ließ sich jedoch nicht realisieren,<br />

da er keine jüdische Organisation hinter<br />

sich hatte.<br />

Die „Verfinsterung“ <strong>im</strong> Land seiner Geburt begann,<br />

<strong>als</strong> Hindenburg am 30. Januar 1933 Hitler zum<br />

Reichskanzler ernannte. Wenige Tage vorher wurde<br />

Erich Mühsams prophetischer Schrei: „Ihr werdet<br />

daran schuld sein, wenn ich in einigen Monaten<br />

in meiner Zelle umgebracht werde“ bei einer Versammlung<br />

der SPD und KPD in Berlin-Halensee<br />

mit Gelächter quittiert. Am Abend des 27. Februar<br />

mitlinks nr. 44 – Juni 2013 21


annte das Berliner Reichstagsgebäude. Die Tragweite<br />

dieser Nachricht konnten Viele zu diesem<br />

Zeitpunkt noch nicht ermessen. Ab März wurden<br />

dann in Deutschland in über 60 Städten Bücher und<br />

Bibliotheken verbrannt, so auch in <strong>München</strong>.<br />

Doch schon vorher, am 1. April 1933, erfuhr der<br />

Student Ben-Chorin schmerzlichst die Auswirkungen<br />

der neuen Macht, <strong>als</strong> er mit einer Kamera durch<br />

die Münchner Innenstadt spazierte. Transparente<br />

wie „Kauft nicht bei Juden!“, „Die Juden sind unser<br />

Unglück“ oder Schilder „Jüdisches Geschäft“<br />

sollten die Menschen warnen. Plötzlich stellten sich<br />

ihm SA-Leute in den Weg, behaupteten, er habe sie<br />

verbotenerweise fotografiert. Von der Faust eines<br />

SA-Mannes traktiert, führte man ihn blutüberströmt<br />

ins Polizeigefängnis an der Ettstraße. Dort<br />

erfuhr er: „Judenblut ist bei uns nicht so wichtig“.<br />

Schalom Ben-Chorin begriff: „Das ist das Ende des<br />

Rechtsstaates“. Drei Tage musste er nun in einer<br />

überfüllten, stinkenden Zelle verbringen.<br />

Diese qualvollen „Einsitzungen“ wiederholten sich<br />

einige Male, ebenso Hausdurchsuchungen, bei denen<br />

er nachts aus dem Bett gezerrt wurde. Als 1933<br />

seine Schwester nach Argentinien auswanderte und<br />

1934 seine Mutter starb, war er nun ganz allein in<br />

der Stadt der „tausend Gegensätze“ mit ihren zahlreichen<br />

Künstlern, Schriftstellern und Musikern.<br />

Vielen war er begegnet, den meisten in „Schwabylon“,<br />

wie z.B. Oskar Maria Graf, den man <strong>im</strong> literarischen<br />

„Tukan-Kreis“ antraf. Besonders beliebt<br />

war der „S<strong>im</strong>pl“ in der Türkenstraße, in dem einst<br />

Künstlergrößen wie Frank Wedekind, Ludwig Thoma,<br />

Joach<strong>im</strong> Ringelnatz und Karl Valentin verkehrten.<br />

In der legendären Zeitschrift „S<strong>im</strong>pliciss<strong>im</strong>us“<br />

konnte Schalom Ben-Chorin fast wöchentlich Glossen<br />

veröffentlichen. 1934 erschien sein erster Gedichtband<br />

„Die Lieder des ewigen Brunnens“, 1935<br />

die Fortsetzung „Das Mal der Sendung“. Sie zeigen<br />

den großen Einfluss Stefan Georges. Auch Rilke und<br />

Thomas Mann prägten seine literarischen Anfänge.<br />

Den „Gipfel der Sprache“, die ihn besonders bewegte,<br />

fand er bei dem Dichter Ernst Wiechert. Seiner<br />

mutigen Rede, die er 1933 vor den Studenten (manch<br />

einer in Parteiuniform) <strong>im</strong> Münchner<br />

Auditorium Max<strong>im</strong>um hielt, hörte er mit angehaltenem<br />

Atem zu, er befürchtete einen Tumult<br />

wie kurz vorher, <strong>als</strong> die akademische Meute einen<br />

Redner niederbrüllte und sich der Hörsaal in einen<br />

Hexenkessel verwandelte.<br />

Dezember 1934 fuhr er nach Prag zu dem Schriftsteller<br />

Max Brod. Aus dieser Begegnung erwuchs<br />

Freundschaft, die noch tiefer wurde, <strong>als</strong> Brod vor<br />

Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nach Israel floh.<br />

Pfingsten 1935 heiratete Schalom Ben-Chorin die<br />

Zeichnerin Gabriella Rosenthal. Der Tag der Hochzeit<br />

war auch der Tag des Abschieds von <strong>München</strong>.<br />

Sein Schicksal hieß: Jerusalem, es bewahrte ihn vor<br />

der „Endlösung der Judenfrage“. Es war kalt und<br />

regnerisch, <strong>als</strong> sie <strong>im</strong> Herbst 1935 die noch kleine<br />

Provinzstadt Jerusalem betraten. 64 Jahre wird er<br />

dort leben und die Wandlungen Jerusalems miterleben,<br />

<strong>als</strong> Journalist und Hauptberichterstatter für<br />

einige Tage den Eichmann-Prozess reportieren, <strong>als</strong><br />

Theologe die erste Reformgemeinde <strong>im</strong> Lande gründen,<br />

be<strong>im</strong> Evangelischen Kirchentag die „Arbeitsgemeinschaft<br />

Juden und Christen“ mitbegründen,<br />

zahlreiche Vorlesungen an Universitäten, Akademien<br />

und Kongressen halten, über 50 Bücher, unzählige<br />

Artikel und Essays in deutscher Sprache<br />

schreiben und damit das deutsch-israelische und<br />

christlich-jüdische Gespräch prägen.<br />

1956 betrat er mit seiner zweiten Frau Avital erstm<strong>als</strong><br />

wieder deutschen Boden, wo er in <strong>München</strong>,<br />

nach mehreren Gastvorlesungen, 1980 einen Lehrauftrag<br />

an der Ludwig-Max<strong>im</strong>ilian-Universität bekam.<br />

<strong>München</strong> ehrte Schalom Ben-Chorin, der am<br />

7. Mai 1999 in Jerusalem starb, u.a. mit einer nach<br />

ihm benannten Straße und dem Bayerischen Verdienstorden,<br />

die Universitäten <strong>München</strong> und Bonn<br />

verliehen ihm ein Ehrendoktorat, Baden-Württemberg<br />

einen Professorentitel. Auszeichnungen u.a.:<br />

Leo-Baeck-Preis, Großes Bundesverdienstkreuz<br />

mit Stern.<br />

Literatur: Sch. Ben-Chorin: Jugend an der Isar, dtv,<br />

Mü 1988; Ich lebe in Jerusalem, dtv, Mü 1998.<br />

© Renée Rauchalles / rauchalles@gmx.de /<br />

www.renee-rauchalles.com<br />

Veranstaltungen zum 100jährigen Geburtstag von Schalom Ben-Chorin (SBC):<br />

18. Juni, 19.00 Uhr: Eröffnung Fotoausstellung Helga von Loewenich, Stadtarchiv, Winzererstraße 68,<br />

80797 <strong>München</strong>, mit Wortbeitrag von Avital Ben-Chorin. Die Ausstellung ist auf Anfrage Mittwoch 9-12<br />

Uhr vier Wochen lang zu sehen. Tel. 233-30815.<br />

19. Juni, 19.15 Uhr: Kabbalat-Schabbat-Gottesdienst, Liberale Jüdische Gemeinde Beth Shalom.<br />

Leitung: Rabbiner Tovia Ben-Chorin und Tom Kucera. Anm.: T. 76702711, info@beth-shalom.de.<br />

20. Juni, 9.30 Uhr: Schacharit-Gottesdienst, Synagoge Ohel Jakob, Jakobsplatz. Leitung: Rabbiner Arie<br />

Folger. Anmeldung siehe 19. Juli. 10.30 Uhr: Gottesdienst s.o.<br />

Liberale Jüdische Gemeinde, Anm. s.o. Nachmittags: Stadtrundgang auf den Spuren von SBC. Als Stadtführer<br />

fungieren Schüler des Luitpold-Gymnasiums, das SBC besucht hat. Ende des Rundgangs ist <strong>im</strong><br />

Stadtarchiv, wo dank Avital Ben-Chorin Bibliothek und Arbeitsz<strong>im</strong>mer ihres Mannes detailgetreu aufgebaut<br />

wurden.<br />

21. Juni, ab 12.00 Uhr: Traditionelles Straßenfest auf dem Jakobsplatz, u.a. mit künstlerischen, musikalischen,<br />

kulinarischen Beiträgen der Anrainer: Angerkloster, ASZ, Israelische Kultusgemeinde, Jüdischesund<br />

Stadtmuseum, ORAG-Haus.<br />

19.30 Uhr: Feier zu Ehren von Schalom Ben-Chorin, Jüdisches Gemeindezentrum. Beiträge von: Bürgermeisterin<br />

Christine Strobl, IKG-Präsididentin Charlotte Knobloch, Avital Ben-Chorin, Rabbiner Tovia<br />

Ben-Chorin (Sohn aus 1. Ehe), Tochter Ariela K<strong>im</strong>chi-Ben-Chorin. Moderation: Amelie Fried.<br />

Anmeldung: karten@ikg-m.de.<br />

22 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013


Im Gedenken an<br />

Toni Pfülf Von Stefan Breit<br />

Am 8. Juni erinnerte eine Gedenkveranstaltung in<br />

<strong>München</strong> vor der Kaulbachstraße 12 an den 80. Todestag<br />

von Toni Pfülf. Die SPD-Reichstagsabgeordnete<br />

hatte in diesem Haus am 8. Juni 1933 ihrem<br />

Leben ein Ende gesetzt. Sie war an der Machtergreifung<br />

der NSDAP und an der Haltung ihrer Partei,<br />

die wenig Widerstand gegen die Nation<strong>als</strong>ozialisten<br />

zeigte, verzweifelt. Gedenkreden hielten der ehemalige<br />

Bezirksausschussvorsitzende der Maxvorstadt,<br />

Klaus Bäumler, der diese Veranstaltung organisiert<br />

hatte, und der SPD-Politiker Florian von Brunn, der<br />

Urgroßneffe von Pfülf.<br />

Antonie Pfülf wurde am 14. Dezember 1877 in Metz<br />

geboren. Sie war bürgerlicher Herkunft. Ihr Vater<br />

war kaiserlicher Oberst und später ein hoher Beamter<br />

<strong>im</strong> bayerischen Kriegsministerium. Unter den<br />

väterlichen Vorfahren gab es eine Reihe von Juristen<br />

und Offizieren. Schon früh geriet Toni Pfülf in Konflikt<br />

mit den Eltern, <strong>als</strong> sie sich gegen deren Willen<br />

am Lehrerinnenseminar in <strong>München</strong> ausbilden ließ.<br />

Zum endgültigen Bruch mit ihrem Vater kam es, <strong>als</strong><br />

sie sich dem Sozialismus zuwandte: 1902 trat sie einer<br />

Frauenvereinigung bei, die der SPD nahe stand.<br />

Wahrscheinlich wurde dieser Schritt durch eine<br />

Frauenkonferenz der SPD veranlasst, bei der Clara<br />

Zetkin eine Rede über die politische Gleichberechtigung<br />

„des weiblichen Geschlechts, insbesondere auf<br />

dem Gebiet des Vereins- und Versammlungsrechts“<br />

hielt. Da den Frauen bis zum Reichsvereinsgesetz<br />

von 1908 das Rederecht versagt blieb, musste Pfülf<br />

ihre erste politische Rede <strong>als</strong> Mann verkleidet in einer<br />

Münchner Gaststätte halten. Während des ersten<br />

Weltkrieges engagierte sich die Pazifistin <strong>als</strong> Münchner<br />

Armen- und Waisenrätin.<br />

Auch die bayerischen Revolutionäre hatten es nicht<br />

so eilig, den Frauen vollkommene politische Gleichberechtigung<br />

zu gewähren. Als sich Pfülf Zugang<br />

zu einer Sitzung des Arbeiter- und Soldatenrates<br />

Matthäser-Festsaal verschaffte, um dort die Interessen<br />

der Frauen zu vertreten, wurde sie von dem<br />

Sitzungsleiter Erich Mühsam gebeten, den Saal zu<br />

verlassen. Zusammen mit anderen Frauen gründete<br />

sie deshalb den „Bund sozialistischer Frauen“ und<br />

übernahm den Vorsitz.<br />

Nachdem den Frauen das aktive und passive Wahlrecht<br />

gewährt worden war, kandidierte sie 1919 <strong>im</strong><br />

Wahlkreis Oberbayern-Schwaben für die SPD und<br />

wurde in die verfassungsgebende Nationalversammlung<br />

zu We<strong>im</strong>ar <strong>als</strong> erste bayerische Angeordnete gewählt.<br />

Sie kämpfte dort mit anderen Frauen für die<br />

Aufhebung des Lehrerinnenzölibats. 1920 zog sie in<br />

den Reichstag <strong>als</strong> Abgeordnete ein und blieb dies bis<br />

zu ihrem Freitod 1933.<br />

Als Abgeordnete engagierte sich Pfülf für die Neuordnung<br />

des Ehe- und Familienrechtes. Sie setzte<br />

sich für das Zerrüttungsprinzip bei Scheidungsverfahren,<br />

die rechtliche Gleichstellung von ledigen<br />

Müttern und unehelichen Kindern, die ökonomische<br />

Unabhängigkeit der Frauen und die Abschaffung<br />

des Paragraphen 218 ein.<br />

In ihren letzten Jahren führte Pfülf einen kompromisslosen<br />

Kampf gegen die Nation<strong>als</strong>ozialisten. Sie<br />

hoffte auf eine geschlossene Haltung der Arbeiterschaft<br />

gegen den erstarkenden Faschismus. Doch<br />

Die Initiative Stolpersteine für <strong>München</strong> e.V. verlegte <strong>im</strong><br />

Oktober 2009 <strong>im</strong> Kunstpavillon des Alten Botanischen<br />

Gartens temporär einen Stolperstein zum Gedenken an<br />

Toni Pfülf.<br />

der kämpferische Widerstand blieb aus. Die Gewerkschaften<br />

wehrten sich nicht gegen ihre Auflösung.<br />

Der SPD-Parteivorstand ging nach der Machtergreifung<br />

ins Exil, zunächst nach Saarbrücken, später<br />

nach Prag. Die Mehrheit der noch verbliebenen<br />

SPD-Abgeordneten nahm an der Reichstagssitzung<br />

vom 17. Mai 1933 teil und st<strong>im</strong>mte einst<strong>im</strong>mig dem<br />

außenpolitischen Programm Hitlers zu. Es zielte auf<br />

die Beseitigung der Beschränkungen, die Deutschland<br />

vom Versailler Friedensvertrag auferlegt worden<br />

waren. Die SPD hatte die trügerische Hoffnung,<br />

dass mit dieser Zust<strong>im</strong>mung ein Verbot der Partei<br />

vermieden werden könne. Pfülf hatte sich gegen die<br />

Teilnahme ihrer Partei an der Reichstagssitzung<br />

ausgesprochen. Sie unternahm noch auf der Rückfahrt<br />

von Berlin nach <strong>München</strong> ihren ersten Selbstmordversuch.<br />

Am 8. Juni 1933 glückte dann der dritte<br />

Selbstmordversuch. Pfülf starb in ihrer Wohnung<br />

an einer Überdosis von Schlafmitteln.<br />

Eine Straße und eine Grundschule sind <strong>im</strong> Münchner<br />

Stadtteil Feldmoching nach ihr benannt, ebenso<br />

ein Preis, der von der SPD alle zwei Jahre an politisch<br />

und sozial engagierte Frauen verliehen wird.<br />

Florian von Brunn forderte in seiner Gedenkrede<br />

den entschlossenen Kampf gegen Rechtspopulismus<br />

und Rechtsextremismus und ein Verbot der NPD.<br />

Am Ende der Gedenkveranstaltung überreichte<br />

Klaus Bäumler dem jetzigen Bezirksausschussvorsitzenden,<br />

Dr. Oskar Holl, einen Antrag auf die Errichtung<br />

von Stolpersteinen für Toni Pfülf und den von<br />

den Nation<strong>als</strong>ozialisten ermordeten Widerstandskämpfer<br />

Walter Klingenbeck. (Siehe auch S. 24)<br />

Literatur:<br />

(Antonie) Toni Pfülf (1877-1933). Reichstagsabgeordnete<br />

der SPD in: Marita A. Panzer/ Elisabeth<br />

Plößl, Bavarias Töchter. Frauenporträts aus fünf<br />

Jahrhunderten, Regensburg, 1997, 265-268.<br />

Antje Dertinger, Dazwischen liegt nur der Tod. Leben<br />

und Sterben der Sozialistin Antonie Pfülf,<br />

Berlin/Bonn 1984.<br />

Antje, Dertinger, „Pfülf, Toni“, in: Neue Deutsche<br />

Biographie 20 (2001), S. 364.<br />

Rede von Florian von Brunn anlässlich der Verleihung<br />

des Toni-Pfülf-Preises durch die Bayern-<br />

SPD an Jutta Speidel (Horizont e.V.) und das<br />

Frauenförderprogramm SoFia am 4. Mai 2013.<br />

mitlinks nr. 44 – Juni 2013 23


A<br />

m 8. Juni erinnerte eine Gedenkveranstaltung in <strong>München</strong> vor dem Haus Kaulbachstraße 12 an den<br />

80. Todestag von Toni Pfülf. Am Ende der Gedenkveranstaltung überreichte Klaus Bäumler dem<br />

jetzigen Bezirksausschussvorsitzenden, Dr. Oskar Holl, einen Antrag auf die Errichtung von Stolpersteinen<br />

für Toni Pfülf und den von den Nation<strong>als</strong>ozialisten ermordeten Widerstandskämpfer Walter Klingenbeck.<br />

Wir dokumentieren die beiden Anträge, die aller Unterstützung wert sind:<br />

KLAUS BäUMLER, KAULBACHSTRASSE 12, 80539 MüNCHEN–MaxVORSTADT<br />

Landeshauptstadt <strong>München</strong><br />

Bezirksausschuß Maxvorstadt<br />

Herrn Vorsitzenden Dr. Oskar Holl<br />

per BA-Geschäftsstelle Mitte<br />

Bild: http://upload.wik<strong>im</strong>edia.org/<br />

wikipedia/de/3/36/Pf%C3%BClfAntonie.jpg<br />

Verlegung eines Stolpersteins für Toni Pfülf<br />

(1877 – 8. Juni 1933) auf öffentlichem Verkehrsgrund vor dem<br />

Anwesen Kaulbachstraße 12, 80539 <strong>München</strong>-Maxvorstadt<br />

Sehr geehrter Herr Dr. Holl,<br />

zum 80. Todestag der Reichstagsabgeordneten Antonia (Toni) Pfülf, die<br />

der SPD-Reichstagsfraktion angehörte, fanden am 8. Juni und 7. Juni<br />

2013 vor dem Anwesen Kaulbachstraße 12 Gedenkveranstaltungen statt.<br />

Hier <strong>im</strong> Gartengebäude wohnte Toni Pfülf von 1928 bis zu ihrem Freitod<br />

am 8. Juni 1933.<br />

Die Initiative Stolpersteine für <strong>München</strong> e.V. verlegte <strong>im</strong> Oktober 2009 <strong>im</strong><br />

Kunstpavillon des Alten Botanischen Gartens temporär einen Stolperstein<br />

zum Gedenken an Toni Pfülf.<br />

Nun sollte der Stolperstein an ihrem letzten Wohnort vor dem Anwesen<br />

Kaulbachstraße 12 <strong>im</strong> Gehsteig auf Dauer und best<strong>im</strong>mungsgemäß verlegt<br />

werden.<br />

Insoweit gilt es den <strong>Stadtrat</strong>sbeschluß vom 16. Juni 2004 zu überdenken.<br />

Ich bitte daher folgenden Antrag <strong>im</strong> Bezirksausschuß Maxvorstadt zu<br />

diskutieren und zu beschließen:<br />

Der Bezirksausschuß Maxvorstadt setzt sich bei der Landeshauptstadt<br />

<strong>München</strong> dafür ein,<br />

daß der Stolperstein für Toni Pfülf vor dem Anwesen Kaulbachstraße<br />

12 verlegt werden darf –<br />

ungeachtet des <strong>Stadtrat</strong>sbeschlusses vom 16. Juni 2004.<br />

Bild: http://www.walter-klingenbeckre<strong>als</strong>chule.de/walter-klingenbeck.html<br />

Verlegung eines Stolpersteins für Walter Klingenbeck<br />

(1924 – 5. August 1943) auf öffentlichem Verkehrsgrund vor dem<br />

Anwesen Amalienstraße 44 in der Maxvorstadt.<br />

Sehr geehrter Herr Dr. Holl,<br />

am 5. August 2013 – vor siebzig Jahren – wurde der 19-jährige Walter<br />

Klingenbeck in Stadelhe<strong>im</strong> hingerichtet.<br />

Zum 60. Todestag von Walter Klingenbeck <strong>im</strong> Jahr 2003 kamen die Parteien<br />

überein, über mehrere Wochen hinweg die Wahlwerbeständer in der<br />

Ludwigstraße für ein Gedenkplakat, das vom BA Maxvorstadt gedruckt<br />

worden war, bereit zu stellen.<br />

Die Initiative Stolpersteine für <strong>München</strong> e.V. verlegte <strong>im</strong> Oktober 2009 <strong>im</strong><br />

Kunstpavillon des Alten Botanischen Gartens temporär einen Stolperstein<br />

zum Gedenken an Walter Klingenbeck.<br />

Nun sollte dieser Stolperstein <strong>im</strong> Gehsteig vor dem Anwesen Amalienstraße<br />

44 best<strong>im</strong>mungsgemäß und auf Dauer verlegt werden, in dem Walter<br />

Klingenbeck bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo am 26. Januar<br />

1942 wohnte.<br />

Insoweit gilt es den <strong>Stadtrat</strong>sbeschluß vom 16. Juni 2004 zu überdenken.<br />

Ich bitte daher folgenden Antrag <strong>im</strong> Bezirksausschuß Maxvorstadt zu<br />

diskutieren und zu beschließen:<br />

Der Bezirksausschuß Maxvorstadt setzt sich bei der Landeshauptstadt<br />

<strong>München</strong> dafür ein,<br />

daß der Stolperstein für Walter Klingenbeck vor dem Anwesen<br />

Amalienstraße 44 auf dem Gehsteig verlegt werden darf –<br />

ungeachtet des <strong>Stadtrat</strong>sbeschlusses vom 16. Juni 2004.<br />

<strong>München</strong>, 8. Juni 2013<br />

24 mitlinks Nr. 44 – Juni 2013

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