Industrie 2030 – Rückblick - FAZ-Institut
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<strong>Industrie</strong> <strong>2030</strong> <strong>–</strong> <strong>Rückblick</strong><br />
Der Zukunftsdialog für Entscheider aus Wissenschaft und Wirtschaft<br />
Keynote-Vortrag Hans-Jürgen Cramer, Leiter des deutschen Klima-Innovationszentrums<br />
des Europäischen <strong>Institut</strong>s für Innovation und Technologie (EIT)<br />
„Nachhaltigkeit wird erst gelebt,<br />
wenn eine bedeutende Community dafür existiert“<br />
Nachhaltigkeit oder Klimainnovation bedingen nicht nur technologische Innovationen<br />
oder Verhaltensänderungen in der Gesellschaft: Längst ist ein weiteres Aktionsfeld<br />
dafür unabdingbar geworden: Das Community Building. Auf diese Weise<br />
sollen Menschen gezielt zusammen gebracht werden, die ihr Know-How teilen und<br />
mit Engagement für eine gemeinsame Sache eintreten. Diesem Thema widmet<br />
sich Hans-Jürgen Cramer als Leiter des deutschen Klima-Innovationszentrums. Und<br />
sieht darin großes Potential, gerade junge Menschen für die Mitwirkung am großen<br />
Ganzen zu begeistern.<br />
Der Weg zu seiner heutigen Funktion als Leiter des deutschen Klima-Innovationszentrums<br />
des Europäischen <strong>Institut</strong>s für Innovation und Technologie (EIT) war <strong>–</strong> wie<br />
so häufi g, wenn man eine neue Richtung einschlägt <strong>–</strong> geprägt von einer Begegnung.<br />
Bei Hans-Jürgen Cramer begann sie in einer Kneipe in Vietnam. Lange Jahre in der<br />
Energiebranche und zuletzt als Vorstandssprecher von Vattenfall Europe tätig, traf er<br />
im Rahmen einer Auslandsreise auf eine Berliner Unternehmensgründerin, die ihm<br />
von ihrer Idee erzählte, weltweit soziale Projekte auf einer Plattform zusammenzuführen<br />
und diese von einer Community „bespenden“ zu lassen. „Betterplace.org“<br />
heißt die Plattform, die bis heute zu einer der Referenzadressen für Hilfsprojekte<br />
in Deutschland geworden ist. Beeindruckt von der Idee erklärte sich der Manager<br />
nach seinem Ausscheiden bei Vattenfall 2008 sofort bereit, sich mit deren Auf- und<br />
Ausbau und vor allem mit der Sicherstellung einer langfristigen Wirtschaftlichkeit<br />
der Plattform zu beschäftigen.<br />
Zwei Jahre lang unterstützte der heute 61-Jährige den Aufbau von „Betterplace.<br />
org“. Als er 2010 dort ausschied, um die Leitung des deutschen Klima-Innovationszentrums<br />
zu übernehmen, war die Zahl der spendenbereiten Community auf 210.000<br />
Menschen angewachsen, die sich mit Geld, aber teilweise auch persönlich in einem<br />
der mittlerweile 3.000 Hilfsprojekten engagierten.<br />
Community-Building wurde dadurch auch zu seiner vordringlichsten Aufgabe beim<br />
Aufbau des deutschen Klima-Innovationszentrums am EIT, das in verschiedenen europäischen<br />
Metropolen die Zusammenarbeit der leistungsfähigsten <strong>Institut</strong>e, Universitäten<br />
und industriellen Forschungszentren in Europa stärken soll.<br />
Sein Ziel: Unterschiedliche Expertisen für das Thema Klimainnovation zusammenzuführen,<br />
Wissen zu teilen und so gemeinsam mit der Community zu wachsen. „Wir<br />
brauchen ein Umfeld, das für Menschen attraktiv ist, denn attraktive Orte ziehen<br />
attraktive Menschen an. Kein Geld der Welt kann hochkarätigen Experten den Lohn<br />
bieten, den sie erhalten, wenn sie in einem gleichermaßen interessanten wie herausfordernden<br />
Umfeld aktiv sind, in dem es einen großen Unterschied macht, ob sie<br />
ihren notwendigen Beitrag zum Gelingen des Ganzen leisten oder nicht.“<br />
Das deutsche Klima-Innovationszentrum mit Sitz in Berlin-Schöneberg ist die Koordinationsstelle<br />
der sogenannten Climate-KICs (abgekürzt für Knowledge and Innovation<br />
Communities) in Deutschland. Das Ziel: Partnernetzwerke zwischen Spitzenuniversitäten,<br />
Forschungsinstituten, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen<br />
aufzubauen, die nicht nur eine bedeutende Expertise in Sachen Klima-Innovation<br />
vorweisen, sondern mit dieser konkret in die Umsetzung von Projekten gehen. Ein<br />
weiterer Schwerpunkt ist die Förderung von Start-Up-Unternehmen mit Fokus auf<br />
Klimainnovation, Verbrauch und Energieeffi zienz. Zudem nehmen Bildungsprojekte<br />
wie die Climate Academy und Masterprogramme die, laut Cramer, vielleicht wichtigste<br />
Rolle ein: Langfristig die Einstellung der Verbraucher und Unternehmenslenker<br />
in Sachen Klimaschutz zu verändern. Denn Nachhaltigkeit wird an den Unternehmensspitzen<br />
noch zu wenig gelebt.<br />
Natürlich stehen die einzelnen Climate-KIC´s der europäischen Länder nicht nur im<br />
Austausch untereinander, sondern bilden auch projektbezogen europäische Teams,<br />
die schnell und unbürokratisch Aktivitäten umsetzen. Eine derartige Zusammenarbeit<br />
ist in Europa neu. Partner sind u.a. Bayer, Cisco, SAP und Shell sowie akademische<br />
Partner wie das Imperial College in London, das Potsdam <strong>Institut</strong>e for Climate<br />
Impact Research sowie die ETH Zürich. Was die Kooperation mit öffentlichen<br />
Partnern angeht, nimmt in Deutschland Hessen eine Vorreiterrrolle ein.<br />
Die Rolle des Klima-Innovationszentrums besteht <strong>–</strong> neben dem Ausbau des Netzwerks<br />
und der Identifi kation geeigneter Partner <strong>–</strong> darin, die Kopfstelle des Gesamtnetzwerks<br />
zu sein, indem sie Ansprechpartner für Kooperationsinitativen<br />
sind, Menschen zusammenbringen, Workshops und Konferenzen durchführen,<br />
um zum Austausch anzuregen und Probleme, die bei Kooperationen entstehen, zu<br />
diskutieren und zu lösen. Sie besteht aber noch in einer anderen, für Cramer ganz<br />
wesentlichen Sache, nämlich „den Fokus immer auf den unternehmerischen Erfolg<br />
der einzelnen Projekte zu setzen“. So macht Cramer gerade bei den Start-Up´s die<br />
Erfahrung teilweise gut klingender, aber nicht umsetzbarer Ideen. „Wir sind nicht<br />
dazu da, ihre Freunde zu werden. Sondern wir sind dazu da, ihre Unternehmensideen<br />
erfolgreich zu machen.“ Eine Schwierigkeit dabei sei es auch, geeignete Venture Capitalists<br />
zu fi nden, da das Wissen im Bereich Klimainnovation und Energieeffi zienz<br />
noch wenig ausgeprägt sei.<br />
Dennoch: Eine wichtige Erkenntnis zieht Cramer aus der Arbeit mit den Gründern,<br />
die seine Erfahrung bei Betterplace.org bestätigt: „Junge Menschen wollen in ihrer<br />
Arbeit heute mehr denn je einen Sinn spüren und die Differenz, die sie dabei selbst<br />
ausmachen. Das ist eine wesentliche Grundvoraussetzung für Community-Building.“<br />
Diese Erkenntnis ziehe sich auch durch die aktuelle Klimadiskussion. Es werde für jeden<br />
Einzelnen spürbarer, dass die Erde endlich geworden ist und wir gemeinschaftlich<br />
gegensteuern müssen. Für die Wirtschaft bedeutet dies, dass die bisher ausschließlich<br />
betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise des Themas Nachhaltigkeit<br />
einer volkswirtschaftlichen Perspektive weichen wird, sagt Cramer − und hofft auf<br />
möglichst Viele, die an einer Nachhaltigkeits-Community bereits jetzt mitarbeiten.<br />
www.provadis-hochschule.de/industrie<strong>2030</strong>