leseprobe - Feder & Schwert GmbH
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TANYA HUFF<br />
Man konnte kein Bulle sein, wenn man nicht sehen konnte.<br />
Sie hatte sich die Suppe eingebrockt. Sie würde sie jetzt auch<br />
auslöffeln.<br />
Terri Neal sackte gegen die Fahrstuhlwand, holte ein paarmal tief<br />
Luft und hob, als sie genügend Energie gesammelt zu haben glaubte,<br />
den Arm gerade hoch genug, um auf die Uhr schauen zu können.<br />
„Null Uhr siebzehn?“ stöhnte sie. Wo zum Teufel ist der Montag<br />
geblieben, und was für einen Sinn hat es überhaupt noch, nach Hause zu<br />
gehen? Ich muß in 8 Stunden wieder hier sein. Sie spürte das Gewicht<br />
des Papiers an der Hüfte und fügte ein stilles Gebet an, daß sie tatsächlich<br />
volle acht Stunden haben würde. Die Firma hatte heute ihr<br />
Pfund Fleisch schon erhalten – der verdammte Piepser war losgegangen,<br />
als sie um 16:20 ins Auto stieg –, daher würde man sie vielleicht,<br />
nur vielleicht, heute nacht in Ruhe lassen.<br />
Die Fahrstuhltür ging zischend auf, und sie schleppte sich in die<br />
Tiefgarage.<br />
„Verlassen des Büros“, murmelte sie, „zweiter Versuch.“<br />
Sie blinzelte ein wenig im strahlenden Neonlicht, dann machte<br />
sie sich auf den Weg durch die fast leere Garage. Ihr Schatten tanzte<br />
um sie herum wie eine verrückte Marionette. Sie hatte das kalte,<br />
flimmernde Licht der Neonröhren schon immer gehaßt, die Welt<br />
sah entschieden unfreundlich aus, wenn man aus ihr ein Relief mit<br />
so scharfen Kanten machte. Und heute nacht ...<br />
Sie schüttelte den Kopf. Der Schlafmangel ließ sie verrückte Dinge<br />
denken. Sie widerstand dem Zwang, über die Schulter zu blicken,<br />
und erreichte schließlich den einzigen Vorteil all der endlosen Überstunden.<br />
„Hi, Baby.“ Sie wühlte in der Tasche nach dem Autoschlüssel.<br />
„Hast du mich vermißt?“<br />
Sie öffnete die Heckklappe, hievte ihre Aktentasche – dieses verdammte<br />
Ding muß 150 Kilo wiegen! – hoch und über den Rand und<br />
schob sie in den Kofferraum. Sie stützte die Ellbogen auf die Dichtungsleiste<br />
und legte eine Pause ein, halb innerhalb und halb außerhalb<br />
des Wagens, und inhalierte den Duft nach neuer Farbe, neuem<br />
LESEPROBE<br />
19