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PROLOG<br />
RAUE HÄNDE entkleideten sie vor dem gesprungenen<br />
Spiegel.<br />
»Du bist die Perfekteste von uns allen«, drang das ebenso<br />
raue Flüstern an ihr Ohr. Sie konnte die Hitze des Atems<br />
spüren, die Hitze, die in den Worten selbst lag.<br />
Doch dann sickerten weitere Worte durch ihren Verstand:<br />
So perfekt …<br />
So wertvoll …<br />
So wunderschön …<br />
»Jaaaaaaa!«, seufzte die Stimme hinter ihr.<br />
So wunderschön … für Ihn.<br />
Nur wenige Kerzen beleuchteten die untere Stube. Sie konnte<br />
sich selbst im Spiegel sehen und hinter ihr den Reverend –<br />
einen seltsamen, hochgewachsenen Schatten im schwarzen<br />
Gewand mit herabhängender Kapuze, die sein Gesicht verbarg.<br />
»So wunderschön für Ihn«, flüsterte er.<br />
Wunderschön, dachte sie. Ja, das war sie. Viel schöner als die<br />
anderen Mädchen. Rein, so nannte man sie und die wenigen<br />
anderen, die wie sie zur Welt kamen. Eine Reine. Ein reines<br />
Mädchen. Eine reine Frau. So wenige wurden jemals rein<br />
geboren …<br />
Die großen Hände des Reverends streiften ihr abgetragenes<br />
Kleid ab wie ein Hemd aus zerfallenem Seiltuch. Sie hielt<br />
völlig still. Zu allen erdenklichen Zeitpunkten ausgezogen zu<br />
werden, war nichts Neues für sie; sie war daran gewöhnt,<br />
genau wie an die Dinge, die jedes Mal danach passierten. Nun<br />
leuchtete ihr nacktes Fleisch hell in den dunklen Sprüngen des<br />
Spiegels: geschmeidige weibliche Kurven, makellose Haut,<br />
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