ATEM = LEBEN = BEWEGUNG = TANZ
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<strong>ATEM</strong> = <strong>LEBEN</strong> = <strong>BEWEGUNG</strong> = <strong>TANZ</strong><br />
Impulsreferat zum 3. Kremser Palliativtag von Veronika Wartmann,<br />
Leiterin des Angebotes „<strong>TANZ</strong> – kreativ & meditativ“ am Kremser Landesklinikum<br />
…Es gibt Momente im Leben, da „stockt einem der Atem – man fühlt sich atem-los,<br />
wie gelähmt, stürzt in bodenlose Tiefen“…<br />
Solch einen Moment erlebte ich im April 2003. Ich absolvierte in Wien ein weiteres<br />
Modul meines Tanzstudiums, als mich am Abend eine schreckliche Nachricht<br />
erreichte. Mein Mann teilte mir telefonisch mit „Ich habe Lungenkrebs!“<br />
Mir war, als stünde die Welt plötzlich still, alles um mich herum war nur mehr<br />
schwarz-weiß, völlig ohne Farbe und leb-los. Ich atmete tief durch und bat mir aus,<br />
den kommenden Vormittag noch mit Tanz zu verbringen, um wieder Boden unter den<br />
Füßen zu spüren.<br />
Damals habe ich zum ersten Mal ganz bewusst die lebens- und Freude spendende<br />
Kraft des Tanzes und auch der Musik hautnah am eigenen Körper erlebt.<br />
Die nächsten Monate waren wohl die schwersten in unserem gemeinsamen Leben.<br />
Wenn es meinem Mann besser ging, machte er Spaziergänge oder Radausflüge<br />
entlang der Donau – auch ihm half Bewegung, sich lebendig und gut zu fühlen! Für<br />
mich war nach wie vor das Tanzen eine große Hilfe, um bei klarem Verstand zu<br />
bleiben. Niemand in der Gruppe, die ich an der VHS Krems leitete, ahnte etwas von<br />
der Bürde, die uns auferlegt worden war – ich wählte ganz sorgsam und sehr<br />
bewusst geeignete Musik und Tänze aus, um in meine Mitte zu kommen und dort<br />
auch zu bleiben. Die Begleitung durch Schwestern des PTs hat uns beiden ebenfalls<br />
sehr geholfen, diese schwierige Situation so gut wie möglich zu meistern.<br />
Im November 2003 ist mein Mann gestorben – plötzlich war ich mit 5 Kindern alleine.<br />
In den Gesprächen mit Schwester Beatrix, der damaligen Leiterin des PTs, habe ich<br />
immer wieder erwähnt, wie sehr mir das Tanzen und auch Singen bei der<br />
Trauerarbeit zugute kommt. Bei der jährlich stattfindenden Gedenkfeier für die<br />
Verstorbenen konnten Angehörige durch einen persönlichen Beitrag die Feier<br />
mitgestalten; mehrmals leitete ich in diesem Rahmen einen meditativen Tanz an, und<br />
immer mehr Menschen nahmen daran aktiv teil. Und eines Tages fragte Schwester<br />
Beatrix mich, ob ich diese meine so besondere Art der Lebenshilfe auch am<br />
Klinikum Krems anbieten würde, für Patienten, pflegende Angehörige und auch<br />
Mitarbeiter des Hauses. Gerne sagte ich zu! Von dieser Idee zur Umsetzung in die<br />
Tat waren nur wenige Schritte nötig, um ein ziemlich einzigartiges Projekt ins Leben<br />
zu rufen: „<strong>TANZ</strong> – meditativ & kreativ“<br />
Seit dem September 2005 treffen sich im Saal Altstadt bewegungsfreudige<br />
Menschen – vornehmlich Frauen, einige mutige Männer waren auch schon dabei –<br />
um miteinander Hand in Hand Tänze aus Griechenland, Israel oder Russland zu<br />
tanzen oder auch ganz frei, mit eigenen Schritten und nach eigenem Temperament<br />
in tänzerische Bewegung zu kommen… eine Geschichte oder einen feinsinnigen<br />
Text zu hören und auf diese Weise die belebende und Freude spendende Kraft von<br />
Musik und Tanz zu erleben.
WAS passiert beim Tanzen, im Besonderen beim REIGEN- und KREIS<strong>TANZ</strong>?<br />
Hand in Hand bewegen sich Menschen entlang einer gedachten Kreislinie um eine<br />
gemeinsame Mitte. Ich spüre diese Mitte auch in mir selbst, etwa eine Handbreit<br />
unter dem Nabel als warme, pulsierende Kugel. Davon ausgehend nehme ich den<br />
Raum über mir wahr und den Boden unter meinen Füßen, den Raum vor mir und<br />
hinter mir. Beim Kreistanz bin ich eingebunden in einen Bewegungsfluss, die<br />
Schrittfolgen und die Dynamik sind an das jeweilige Lied oder Musikstück angepasst.<br />
Es trägt mich wie von selbst auf unsichtbar vorgezeichneten Bahnen – so haben<br />
Menschen schon seit uralten Zeiten getanzt. Der Mikrokosmos des Körpers zeugt<br />
von der Unendlichkeit des Universums, im Tanz mag sich dieses große Ganze<br />
ausdrücken, indem Geste und Bewegung symbolische Formen im Raum bilden<br />
„Und wenn ich einen Fehler mache, was dann?“ so höre ich Sie fragen. Nun, dann<br />
passiert weiters nicht viel, ich komme ja nicht weiter als bis zu meinem rechten oder<br />
linken Nachbarn. Mein griechischer Tanzlehrer Kyriakos nennt das dann humorvoll<br />
„die Variation aus dem Nachbardorf“. Und manchmal birgt so mancher kleine „Fehler“<br />
tatsächlich die Möglichkeit zu einer Variation der vorgegeben Schrittfolge in sich und<br />
es entsteht ein neuer Tanz daraus!<br />
Zusätzlich zum Kreistanz biete ich in meinen Kursen auch das FREIE <strong>TANZ</strong>EN an.<br />
Manchmal beginnen wir in STILLE, kommen über den <strong>ATEM</strong> in <strong>BEWEGUNG</strong> und<br />
zum <strong>TANZ</strong>. - der ureigenste, momentan passende Bewegungsimpuls darf zum<br />
Ausdruck kommen! Nach einigen Minuten kommt Musik dazu, die den Körper und die<br />
Sinne als Ganzes erfasst und zum Tanzen verführt. Da gibt es kein „richtig“ oder<br />
„falsch“, selbst Menschen mir eingeschränkter Beweglichkeit oder Rollstuhlfahrer<br />
können aus diese Weise tanzen. So entstehen entweder Solostücke oder<br />
interessante, wunderschöne Gruppengestaltungen – je nach Vorgabe meiner<br />
Anleitung.<br />
Rosalia Chladek, die Pionierin des Ausdruckstanzes in Europa, meinte „Tanzen ist<br />
Zeichnen im Raum“. Und es ist tatsächlich wie Zeichnen oder Malen - statt Farbe<br />
und Pinsel verwenden wir Hände und Füße, Arme und Beine, den ganzen Körper<br />
oder auch nur zarte Gesten oder Blicke.<br />
Und Pina Bausch, eine der bedeutendsten Choreografinnen des 20. Jahrhunderts<br />
sagte während der Proben zu ihrer Tanztruppe „Tanzt, tanzt – sonst sind wir<br />
verloren!“<br />
In der indianischen Geschichte „Blauhäher und Kleiner Bär“, nacherzählt von Käthe<br />
Recheis, wird auf berührende Weise geschildert, wie die Menschen zu Tanz und<br />
Musik gekommen sind. Mit dieser Geschichte und einem anschließenden Musikstück<br />
möchte ich Sie auf eine kurze Gedanken- und Tanzreise schicken – ich hoffe, Sie<br />
bekommen Lust zu tanzen, auf welche Art und Weise auch immer…<br />
Die Geschichte kann man in Käthe Recheis` Buch „Die Stimme des Donnervogels“<br />
nachlesen.